16.59

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf nach der sehr emotionalen Rede von Frau Belakowitsch wieder in ruhigere Gefilde überleiten und die Debatte ein bisschen versachlichen. Ich beginne mit einer persönlichen Anmerkung – viele hier wissen es wahrscheinlich gar nicht –: Ich bin ein HacklerInnenkind. Meine Eltern waren HacklerInnen, meine Tanten und Onkel waren HacklerInnen, deren Freundinnen und Freunde, deren Bekannte waren HacklerInnen (Abg. Wurm: Die sind jetzt wirklich enttäuscht, oder?) im wahrsten Wortsinn, die haben körperlich schwer und schwerst gearbeitet, zum Beispiel am Bau, in Fabriken, in der Stahl- und Chemieindustrie oder im Handel. Viele von denen haben für ihre Arbeit beschämend, wirklich beschämend wenig bezahlt bekommen, aber gleichzeitig mit ihrer Gesundheit dafür gezahlt. Frühe Arbeitsunfähigkeiten – gesundheitlich bedingt – waren der Regelfall.

Ich habe mich im Vorfeld zu dieser heutigen Debatte in dem Umfeld, das ich gerade skizziert habe, umgehört, und soll ich Ihnen etwas sagen? – Ich habe unter all diesen Hacklerinnen und Hacklern keine einzige Person gefunden, die auch nur einen einzigen Cent von der abschlagsfreien Langzeitversicherungsregelung profitiert hätte. Keine ein­zige Person! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Warum?)

Warum? Wieso ist das so? – Ganz einfach: Weil die abschlagsfreie Langzeitversicher­tenregelung hauptsächlich Männern zugutekommt (Ruf bei der FPÖ: Habt ihr nur Frauen gefragt?), nämlich nicht den Hacklern, wie ich sie eben skizziert habe, sondern jenen mit den allerhöchsten Pensionen im gesetzlichen Pensionssystem. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

In der Begründung Ihres Dringlichen Antrages, Kollege Wimmer, Kollegin Heinisch-Hosek und Kollege Muchitsch, schreiben Sie – ich zitiere –: „Das vermeintliche Argu­ment, dass Frauen von dieser abschlagsfreien Pension nicht profitieren würden, trifft [...] gar nicht zu.“

Das ist kein vermeintliches Argument, das ist statistische Evidenz, sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen: Frauen profitieren nicht von dieser abschlagsfreien Regelung. Im ersten Halbjahr – wir haben die Zahl schon gehört – haben insgesamt 7 257 Männer diese Regelung in Anspruch genommen – und eine Frau. Eine Frau und 7 257 Männer! Das ist kein vermeintliches Argument, das ist statistische Evidenz, nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In dieser Antragsbegründung schreiben Sie weiter: „Frauen profitieren NOCH nicht da­von.“ Sie verweisen dann darauf, dass aufgrund dieser schrittweisen Anpassung des Frauenpensionsalters ab 2033 auch Frauen von dieser abschlagsfreien Langzeit­ver­sichertenregelung profitieren würden, auch weil Kindererziehungszeiten im Ausmaß von fünf Jahren angerechnet werden würden. – Das mag ja in der Theorie stimmen, aber halt leider nur in der Theorie.

Sie wissen sicher, aktuell kommen Männer durchschnittlich auf 35 Beitragsjahre, Frauen auf 27,5. Wenn ich da jetzt fünf Jahre Kindererziehungszeiten dazurechne, dann komme ich bei Männern auf 40 und bei Frauen auf 32,5 Jahre. 45 Beitragsjahre, das ist in unerreichbarer Ferne – wegen Kindererziehungszeiten, die dazwischenkommen, wegen Erwerbsunterbrechungen, wegen Arbeitslosigkeit und dergleichen –, unerreichbar!

Wir Grüne haben die Abschlagsfreiheit aus verteilungs- und geschlechterpolitischen Gründen immer sehr kritisch gesehen. Wir können auch sagen, wir waren definitiv nicht dabei, als das hier beschlossen wurde. Wir haben das immer kritisch gesehen, eben weil in der Praxis vor allem Männer mit einer ohnehin schon überdurchschnittlichen Pension davon profitieren.

Deshalb führen wir jetzt den FrühstarterInnenbonus ein, mit dem eine sehr viel breitere Personenzahl profitieren wird als bislang: Viermal so viele Personen, 60 Euro im Monat, 840 Euro pro Jahr – das führt zu mehr Verteilungsgerechtigkeit, das führt zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, und das ist gut so und dringend notwendig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kollege Muchitsch, Sie haben am Vormittag behauptet, wir würden mit der neuen Regelung Frauen gegen Männer ausspielen. Das müssen Sie mir bitte erklären. Wie genau, Herr Muchitsch, spielen wir Ihrer Meinung nach Frauen gegen Männer aus, wenn wir aus einer Regelung, die bislang ausschließlich – ausschließlich! – Vorteile für Män­ner gebracht hat, eine solche machen, von der Frauen und Männer gleichermaßen profitieren? Wen spielen wir da bitte gegeneinander aus? Das müssen Sie mir erklären. Bitte erklären Sie mir das! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vor die Wahl gestellt, ob wir ein Privileg von wenigen Männern weiterbestehen lassen wollen oder ob wir die dafür verwendeten Mittel aufwenden, um Altersarmut zu bekämp­fen, um niedrige Pensionen zu erhöhen, entscheiden wir uns sehr klar und deutlich für die Bekämpfung von Altersarmut. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.03

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte.