21.18

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir feiern heuer 75 Jahre Vereinte Nationen. Ich glaube, es ist ein Jubiläum, auf das wir stolz sein können, auch weil ein Amtssitz in Wien ist – eine absolute Seltenheit.

Gleichzeitig wundere ich mich schon ein bisschen darüber – wenn wir so abfeiern –, dass die Gelder für die internationalen Organisationen sinken. Ich frage mich übrigens auch, wenn ich an die Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds denke, warum Gelder für Griechenland zur Verfügung gestellt werden – ich habe Sie darauf ange­sprochen – und diese Gelder auf Lesbos weder in Moria noch in Kara Tepe ange­kommen sind. Das wissen wir von Menschen, die dort ehrenamtlich tätig sind. Es kommt dort nichts an. Alles verschwindet irgendwo in Containern, und Kinder, Frauen und Män­ner liegen noch immer im Schlamm, mittlerweile in der Kälte. Ehrlich gesagt ist das eine ganz klare Menschenrechtsverletzung, und ich erwarte mir von der Bundesregierung Taten, die bis jetzt nicht erfolgt sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Menschenrechtsverletzungen – die Kollegin hat es angesprochen – gibt es unter ande­rem in Lesbos, also mitten in Europa, aber natürlich auch in unserem Nachbarland Ungarn – ganz, ganz vehement seit einiger Zeit. Es ist ganz klar: Wir sehen seit Jahren eine Entwicklung, die sich gegen Schwule, Lesben, bisexuelle, transidente und interge­schlechtliche Menschen in Ungarn richtet. Dafür sind der Präsident und seine Politik verantwortlich. Das ist sowohl demokratiepolitisch brandgefährlich als natürlich auch eine Menschenrechtsverletzung und eine Diskriminierung und Schlechterstellung der LGBTIQ-Community.

Der neueste Vorstoß von Justizministerin Varga, die in der Verfassung verankern möchte, dass die Mutter eine Frau und der Vater ein Mann ist, ist eine absolute Diskriminierung und Verletzung. Gleichzeitig möchte sie auch ein einfaches Gesetz auf den Weg schicken, das die Adoption von Kindern nur noch für verheiratete Paare ermöglichen soll, womit sie de facto ein Adoptionsverbot für Regenbogenfamilien auf die Beine stellt.

Herr Bundesminister, das ist eine Festschreibung von Homo- und Transphobie in der ungarischen Verfassung, gegen die wir vorgehen müssen.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „den Schutz für die ungarische LGBTI-Community“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und inter­natio­nale Angelegenheiten sowie die Bundesministerin für Europäische Union und Verfas­sung, werden aufgefordert umgehend sowohl auf EU- als auch auf bilateraler Ebene die geplanten LGBTI-feindlichen Verfassungsänderungen in Ungarn aufs Schärfste zu verurteilen und sich für eine menschenrechtskonforme Neuregelung in Ungarn einzu­setzen. Außerdem wird der Bundesminister für europäische und internationale Angele­genheiten aufgefordert, im Sinne des österreichischen Engagements für die Menschen­rechte, diese Frage in den bilateralen Beziehungen zu thematisieren.“

*****

Stimmen Sie zu, stoppen wir Diskriminierung! (Beifall bei der SPÖ.)

21.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits,

Genossinnen und Genossen

betreffend den Schutz für die ungarische LGBTI-Community

Eingebracht im Zuge der Debatte in der 62. Sitzung des Nationalrates am 17. November 2020 zu TOP 11, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage 380 d.B. über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (BFG 2021) samt Anlagen – UG 12 Äußeres

Schon seit Jahren entwickelt sich die Lage für Schwule, Lesben, bisexuelle, transidente und intergeschlechtliche Menschen in unserem Nachbarland Ungarn in eine besorgnis­erregende Richtung. Sowohl aus demokratiepolitischer als auch aus menschen­recht­licher Sicht haben zahlreiche Entwicklungen für eine massive Verschlechterung der Situation für die dortige LGBTI-Community gesorgt. Erst im Frühjahr 2020 wurde im Zuge des Omnibus-Gesetz T/9934, das von der Fidesz-Partei eingebracht und be­schlossen wurde, die Möglichkeit für eine legale Änderung des bei der Geburt einge­tragenen Geschlechtes für transidente und intergeschlechtliche Personen de facto abge­schafft. In Österreich und ganz Europa regte sich dagegen unter dem Titel „Drop 33“, bezogen auf Artikel 33 dieses Sammelgesetzes, massiver Widerstand über alle politi­schen Grenzen hinweg.

Nun wurde von der ungarischen Regierung ein neuer Schritt gegen die Rechte der LGBTI-Community angekündigt. Mit einem von Justizministerin Judit Varga im Novem­ber 2020 eingebrachten Entwurf für eine Verfassungsänderung sollen unter anderem Formulierungen wie „die Mutter eine Frau ist und der Vater ein Mann“ oder die alleinige Geschlechtsfestlegung über jenes, das bei der Geburt zugwiesen wird, im Verfassungs­rang verankert werden. Gleichzeitig legte die Ministerin laut der ungarischen LGBTI-Organisation Háttér-Gesellschaft eine einfachgesetzliche Reform vor, die die Adoption von Kindern nur noch verheirateten Paaren ermöglichen würde. Das kommt einem Adop­tionsverbot für Regenbogenfamilien gleich. All das bedeutet nichts anderes als eine Festschreibung von Homo- und Transphobie in der ungarischen Verfassung und der Entrechtung von Regenbogenfamilien, Trans*-Personen und anderen Minderheiten gleich. Sollte dieser Vorschlag beschlossen werden steht er nicht nur im klaren Gegen­satz zu den gemeinsamen Werten eines vielfältigen Europas, sondern auch zur Grund­rechtecharta der Europäischen Union.

Schon heute sind LGBTI-Personen in Ungarn von massiver Ungleichbehandlung und Diskriminierung betroffen. Der „Rainbow Europe“ Index des europäischen Dachver­bandes „International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association Europe“ (ILGA Europe) stellt Ungarn für das Jahr 2020 ein niederschmetterndes Urteil aus: Unser Nachbarstaat verliert im Antidiskriminierungs-Ranking knapp 8,5 % im Vergleich zum Vorjahr, was vor allem an der geänderten Rechtslage für transidente Personen und dem Fehlen von angemessenem staatlichen Schutz für LGBTI Personen liegt. Kritisiert werden auch die Entwicklungen in Fragen von Hate Speech und Hate Crimes, im Bereich der Bildungspolitik und der Gesundheitsversorgung. Erst Anfang Mai 2020 ver­öffentliche die europäische Grundrechte-Agentur FRA ihre zweite Erhebung zur Situ­ation von LGBTI-Personen in ganz Europa: Darin wird nochmals deutlich, dass LGBTI-Personen, aber insbesondere auch intergeschlechtliche und Trans*-Personen, in Län­dern wie Ungarn nicht nur unter Diskriminierung und Ausgrenzung, sondern auch in besonderem Maße unter Gewalt zu leiden haben. Am selben Tag, an dem die Ver­fassungsänderung eingebracht wurde, beschloss der Justizausschuss des ungarischen Parlaments auch die Auflösung der Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsbehörde des Landes bis zum Januar 2021. All das passiert, wie von ungarischen AktivistInnen betont wird, wie schon im Frühjahr 2020 zu einer Zeit, in der Demonstrationen in Ungarn nicht erlaubt sind.

Im Gefolge der angekündigten Verfassungsänderung ist zu erwarten, dass sich nicht nur die rechtliche Lage, sondern auch die Alltagssituation für Angehörige der LGBTI Community weiter verschlechtert. All das macht klar, dass die Republik Österreich nicht zu den menschenrechtlichen Problemen in unserem Nachbarland schweigen darf.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und inter­natio­nale Angelegenheiten sowie die Bundesministerin für Europäische Union und Verfas­sung, werden aufgefordert umgehend sowohl auf EU- als auch auf bilateraler Ebene die geplanten LGBTI-feindlichen Verfassungsänderungen in Ungarn aufs Schärfste zu ver­urteilen und sich für eine menschenrechtskonforme Neuregelung in Ungarn einzusetzen. Außerdem wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten aufgefordert, im Sinne des österreichischen Engagements für die Menschenrechte, diese Frage in den bilateralen Beziehungen zu thematisieren.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Engelberg. – Bitte.