23.10
Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Hohen Haus! Zu fortgeschrittener Stunde – ich weiß als ehemaliger Abgeordneter, wie fordernd die Zeit der Budgettage ist – danke ich für Ihre Aufmerksamkeit bei dem wichtigen Thema Sicherheit.
Ja, die Polizei, die Polizistinnen und Polizisten in diesem Land waren 2020 von Beginn an massiv gefordert, und zwar in den unterschiedlichsten Spezialfunktionen und ‑einheiten.
Es hat einmal damit begonnen, dass das Außenministerium einem Cyberangriff mit Spionagesoftware ausgeliefert war. Da galt es, im Zusammenwirken aller Kräfte – auch der internationalen Ebene, der europäischen Ebene – diesen Angriff rasch einzugrenzen, zu identifizieren und zu bekämpfen. Das ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes damals gemeinsam mit allen anderen Expertinnen und Experten im In- und Ausland gelungen.
Dann hat es nicht lange gedauert, und es kamen die Migrationskrise und der verstärkte Migrationsdruck an unseren Außengrenzen. Und dann, nach nur kurzer Zeit, kam das, was die Österreicherinnen und Österreicher und die Menschen, die in Österreich leben, bis heute massiv bewegt und belastet: die Auswirkungen des Coronavirus. Auch dabei spielt die Polizei eine wichtige Rolle als Partner der Bevölkerung, um sie gleichzeitig bei der Umsetzung der Maßnahmen und Verordnungen des Gesundheitsministeriums zu begleiten, aber auch da zu sein, wenn es notwendig ist, nach dem Dialog, nach der Deeskalation durchzugreifen.
Vor nicht ganz zwei Wochen war der dramatische Terroranschlag in Wien mit all seinen katastrophalen Folgen, mit dem engagierten und beherzten Eingreifen der Polizistinnen und Polizisten, der Spezialeinsatzkräfte. Und nur durch dieses Eingreifen – wir haben es von den Vorrednern schon gehört – ist es gelungen, den Täter rasch auszuschalten und Schlimmeres zu verhindern.
Wir scheuen uns nicht, der Frage nachzugehen, wo Fehler passiert sind und wo Möglichkeiten der Verbesserung gegeben sind, damit wir effizienter, besser, sicherer werden, wenn es um die Terrorabwehr geht. Genau deshalb gibt es die Kommission von Justizministerium und Innenministerium, um Klarheit zu schaffen. Darüber hinaus, während Klarheit geschaffen wird, wo Fehler passiert sind, damit sich diese nicht mehr wiederholen, braucht es den entschlossenen Kampf gegen den Terrorismus, braucht es den entschlossenen Kampf gegen den Extremismus, egal von welcher Seite er sich darstellt. Auch das ist der Polizei, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverfassungsschutzämter, des Bundesverfassungsschutzes, der Polizeieinheiten gelungen.
Es wurde ein massiver Schlag gegen die Muslimbruderschaft und gegen die Hamas geführt, der fast gefährdet gewesen wäre. Die Hamas bringt Blut und Terror, und die Muslimbruderschaft finanziert diesen. Es ist trotz allem, trotz Verrat, gelungen, diese Aktion mit vollem Einsatz und Engagement der Polizistinnen und Polizisten, der Landesverfassungsschutzämter, des Bundesverfassungsschutzes durchzuführen. 25 Millionen Euro und mehr an Vermögen wurden sichergestellt, Hunderte Konten eingefroren, Massen an Bargeld, das klassischerweise dazu dient, Terror zu finanzieren, wurde in Moscheen bei Imamen gefunden. Dem gilt es, das Handwerk zu legen, und die Untersuchungen dazu werden mit Nachdruck geführt.
Und während das passiert ist, wurde auch gleichzeitig der Schlag gegen den Rechtsextremismus, gegen Hass im Netz geführt. Das alles zählt zu den Aufgaben der Polizei, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverfassungsschutzämter, des Bundesverfassungsschutzes und engagierter Staatsanwaltschaften wie in Graz und in Wien, damit der Kampf gegen den Terror, der Kampf gegen den Extremismus, der Kampf gegen den politischen Islam tatsächlich geführt werden kann. – All denen dafür ein großes Danke von meiner Seite! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Die Diskussion heute dreht sich aber auch um das Fundament für all dieses Tun, und das Fundament ist das Budget, die Möglichkeit, mit finanziellen Mitteln Polizistinnen und Polizisten in die Lage zu versetzen, tatsächlich ihren gefährlichen Dienst zu tun, ihren aufwändigen, intensiven Dienst. Und das ist mit 7,3 Prozent mehr Budget gelungen, 215 Millionen Euro mehr – für die Personaloffensive, die 2017 mit einem Mehr von 4 100 Planstellen gestartet worden ist, dann durch die türkis-grüne Koalition auf 4 300 erweitert wurde und die auf gutem Weg ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, das ist vor allem für Sie, die in Wahlkreisen kämpfen und mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern vor Ort verbunden sind, eine wichtige Nachricht. Diese Personaloffensive, dieser Erfolg bedeutet, dass es 2020 tatsächlich mehr Polizistinnen und Polizisten in Österreich gibt. Wir haben auf der einen Seite die Herausforderung, viele Abgänge durch Pensionierung ersetzen zu müssen, und das Mehraufnehmen von Polizistinnen und Polizisten und die Zurverfügungstellung von Planstellen sichert dann tatsächlich mehr Polizistinnen und Polizisten in den Polizeiinspektionen, bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Das ist eine wichtige Maßnahme, und das Budget stellt sicher, dass wir sie vorantreiben können.
Damit Sie ein Gefühl für die Zahlen bekommen, in welcher Dimension sich das derzeit darstellt: Derzeit sind an den Schulen der Polizei 3 600 Polizistinnen und Polizisten in Ausbildung. Wir werden noch in diesem Dezember weitere 900 Schüler aufnehmen, und 1 600 Polizistinnen und Polizisten sind 2020 ausgemustert worden. Das heißt, der Weg wird hier konsequent fortgesetzt – für mehr Sicherheit, mehr Polizeipräsenz und vor allem, was den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Städten so wichtig ist, mehr Polizistinnen und Polizisten vor Ort. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Das spiegelt die Aussagen des Kollegen Bürstmayr wider, der sich darauf bezogen hat, dass sich ein großer Teil des Budgets des Bundesministeriums für Inneres auf Aufwand für Polizistinnen und Polizisten bezieht. Das ist unser höchstes, unser größtes Gut, unser stärkstes Kapital, wenn es um den Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus geht.
Darüber hinaus braucht es aber auch Ausrüstung für den Dienst an sich. Das Budget stellt sicher, dass wir in die Lage versetzt werden, weitere 4 000 ballistische Schutzgilets anzuschaffen. Das heißt auch für alle Schülerinnen und Schüler in Zukunft, dass es, wenn sie in den aktiven Dienst, in die Praxisphase in die Polizeiinspektionen entsendet werden, nicht mehr nur auf die Bezirkskommandantenverantwortung ankommt, ob tatsächlich ausreichend Schutzwesten vorhanden sind. Nein, es werden jetzt für die Schülerinnen und Schüler in ausreichendem Maß Schutzwesten vorhanden sein, vor allem für die, die schon ersetzt werden müssen. In Summe wurden weit über 22 000 ballistische Stich- und Schutzwesten ausgeliefert – neben den Sturmgewehren, neben den Schutzhelmen und neben der stärkeren Beschussklasse für die Schutzweste, die im Einsatzfahrzeug mitgeführt wird.
Es gibt aber auch den großen Sicherheits- und Ordnungsdienst, der dazu dient, dass das Versammlungsrecht in Österreich frei und ungefährdet ausgeübt werden kann. Er dient auch dazu, dass, wenn eine Versammlung stattfindet und es dort zu einer Eskalation kommt, rechtzeitig eingeschritten werden kann. Dafür braucht es eine zeitgemäße und adäquate Ausrüstung für die dort im Einsatz stehenden Polizistinnen und Polizisten. Das ist eine Schlagschutzausrüstung, die in der Stückzahl von 5 500 erneuert wird – ein Investment von über 6 Millionen Euro, damit auch der Dienst, der schwer genug ist, im Einsatz zumindest so vorgenommen werden kann, dass dadurch nicht eine zusätzliche Belastung für die Einsatzkräfte besteht.
Der Terroranschlag hat auch eines gezeigt: Waffen, Technik und Munition sind ein wesentliches Element, um rasch Amoklagen oder Terrorlagen bekämpfen zu können, ohne eine zusätzliche Gefährdung für die Unbeteiligten darzustellen. Das ist die größte Herausforderung bei so einem Einsatz.
Aus diesem Grund wird die Einsatzmunition der Polizeikräfte vollständig erneuert; 1,5 Millionen Stück Munition, die im Vergleich zu jetzt eine völlig neue Wirkungsweise hat, werden angeschafft, weil sie viel Wirkung beim Täter, der ausgeschaltet werden muss, entfaltet. Das bedeutet ein schnelleres Ausschalten des Täters, aber dadurch, dass es sich um ein Deformationsgeschoss handelt, bedeutet das auch weniger Gefährdung für Umstehende.
Es wurde heute auch schon der Verfassungsschutz – ein ganz wesentlicher Punkt – angesprochen, die Schutzmauer der Republik, die gerade jetzt in der Phase der Neuerrichtung ist, im Aufbau der Struktur, und auch die braucht mehr Ressourcen. Auch dafür wird es genug Ressourcen im Budget geben, denn wenn wir sagen, wir trennen den staatspolizeilichen Teil vom nachrichtendienstlichen, bauen den nachrichtendienstlichen Komplex im Verfassungsschutz neu auf, dann braucht es genau für diesen Bereich auch die finanziellen Ressourcen; und die sind sichergestellt.
Der nachrichtendienstliche Teil betrifft immer die Gefahrenaufklärung, der staatspolizeiliche die Gefahrenabwehr. In der alten Form des Verfassungsschutzes war beides miteinander immer in einer Beamtin, einem Beamten verkörpert, und das bedeutet, dass das eine oder das andere immer zu kurz gekommen ist. Durch die Reform des Verfassungsschutzes wird das jetzt anders, effizienter und besser.
Weil Abgeordnete Krisper das angesprochen hat: Sie müsste es wissen, denn sie war in die Informationen über die Transformation des ganzen Prozesses immer wieder mit eingebunden. Dabei war auch Thema – Frau Abgeordnete, das wissen Sie –, dass die Frage der Berichte, die Sie gerade vorhin am Rednerpult so kritisch angesprochen haben, besonders berücksichtigt wird, damit es mehr und qualitativ höherwertige Berichte geben kann und wird – gerade für die Entscheidungsträger hier im Hohen Haus, für Abgeordnete, die uns dann wiederum aufgrund besserer Informationen in der Frage der Legislative neue Möglichkeiten geben können, um gegen Terrorismus und Bedrohungen von Extremismus jeglicher Art – religiös, politisch motiviert – ankämpfen zu können. Es gilt, den gemeinsamen Kampf zu führen, und daher bitte ich um Zustimmung zu diesem Budget. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
23.20
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl. – Bitte.