12.22

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Eigentlich wollte ich in der Debatte zum Gesundheitsbudget über die Bettenzahl in den Spitälern und über die Kosten der Schutzausrüstungen reden, aber aufgrund der Dynamik und der Dramatik der letzten Tage habe ich spontan umdisponiert und möchte ein paar Gedanken als Arzt, als Bürger, als politischer Mensch äußern.

Als Staatsbürger möchte ich sagen, dass diese Pandemie eine Zumutung ist. Es zipft auch mich an! Unser Leben in Freiheit und Selbstbestimmung ist derzeit nicht so, wie wir das möchten, es wird auf eine harte Probe gestellt. Wir sind das nicht gewöhnt und halten das auch kaum aus. Wir merken bei uns allen auch eine gewisse Müdigkeit, eine Polarisierung in der Gesellschaft, und es fällt uns schwer, derartige Einschränkungen zu akzeptieren, selbst wenn wir deren Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit verstehen – auch ich fühle manches ambivalent. Und jetzt noch der Lockdown, alles zu: furchtbar, aber alternativlos.

Gestatten Sie mir, dass ich jetzt als betroffener Spitalsarzt in einer großen Klinik laut weiterdenke, wie es derzeit in den Spitälern zugeht, eine Art Livebericht der letzten Tage bringe. Was sehe und erlebe ich tagtäglich? – Hören Sie bitte gut zu! Ich sehe, wie täglich immer mehr Covid-19-Patienten mit Symptomen wie heftiger Atemnot, Fieber und katastrophalem Allgemeinzustand ins Spital kommen, zuletzt zehn bis 20 pro Tag. Ich sehe, wie wir alle – Ärzte, Pflegepersonal aus allen Fächern – die Covid-Stationen und Intensivabteilungen unterstützen, auch neben und nach der Arbeit. Ich sehe, wie es uns in den letzten Tagen kaum mehr gelingt, freie Betten zu schaffen, und die neu umge­wandelte und geöffnete Station vom Vortag schon wieder voll ist. Ich sehe auch, wie manche Patienten nach wenigen Stunden wegen heftiger Atemnot auf die Intensivstation kommen, und ich habe letzte Woche auch schon erlebt, wie es manche nicht schaffen und den Kampf nicht gewonnen haben. Ich sehe und erlebe völlig erschöpfte Ärzte, Schwestern und Pfleger, die seit Tagen an der Grenze der Belastbarkeit mit dicken Schutzanzügen bis zu fünf Stunden nonstop arbeiten.

Das sind Zustände, die wir in Österreich bisher nicht kannten, und ich glaube, es ist wirklich angebracht, dass wir uns mit einem Applaus bei allen, die an der Spitalsfront stehen und für die Bevölkerung Großartiges leisten, bedanken und verneigen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Ich erlebe auch Hilferufe aus Spitälern, die es kaum mehr schaffen, aber, liebe Kolle­ginnen und Kollegen, der Zustrom hört derzeit leider nicht auf. Das ist keine Panikmache, was ich hier sage, das ist bittere Realität. Schauen Sie sich bitte die Videos aus den Spitälern an; es geht die nächsten Tage ums Eingemachte. Der Lockdown ist die einzig mögliche Reaktion auf diese dramatischen Zustände, er ist alternativlos (Abg. Amesbauer: Alternativlos ist er überhaupt nicht!), und die Bundesregierung hat das einzig Richtige gemacht – ja machen müssen! –, um Menschenleben zu retten.

Die Zeit der differenzierten Betrachtungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeit des Egotrips ist definitiv vorbei; wir haben es in den letzten Wochen auch wahrlich anders versucht. (Abg. Amesbauer: Reine Panikmache! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.) Leider ist das Projekt der Eigenverantwortung gescheitert – leider!, sage ich. Wir mussten jetzt scharf reagieren, das fällt niemandem leicht.

Was wäre die Folge eines Nichtreagierens? – Sie wissen es alle: Kein Unfallopfer, kein Schlaganfall-, kein Herzinfarktpatient könnte adäquat behandelt werden, wie wir das gewöhnt sind und uns auch vorstellen. Das muss auch den letzten Verharmlosern, Besserwissern und Verleugnern klar sein. (Abg. Amesbauer – den Plenarsaal verlas­send –: ... Weltuntergang? Ist ja unfassbar, diese Panikmache! Schwachsinn!) Und noch etwas: Ein trotziges Verweigern manch sinnvoller Einzelmaßnahme – Stichwort Maske – ist nicht nur kein Vorbild, sondern wirklich kontraproduktiv und auch unverantwortlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, geschätzte Damen und Herren, ich sehe aber auch Hoffnung: Jeder – wirklich jeder! – kann in seinem persönlichen Bereich dazu beitragen, die Situation zu verbessern. Halten wir uns alle an die bekannten und geforderten Maß­nahmen! Wenn wir uns in den nächsten zwei bis drei Wochen zurücknehmen, auch wenn es uns noch so schwerfällt, wird – davon bin ich überzeugt – Weihnachten wieder ein Stück weit so sein, wie wir es uns alle vorstellen und wünschen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.26

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Rudolf Silvan zu Wort gemeldet. – Bitte.