16.02
Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Herr Kollege Schmiedlechner, Sie stellen sich hierher und regen sich über Seminare auf, die wir veranstalten. Wissen Sie, was das für Seminare sind? – Das sind Seminare für Bäuerinnen, die keine Kinder haben, das sind Seminare für Bauern, die keine Nachfolger haben, die mit teilweise verschuldeten Betrieben dastehen und die wir als Kammer begleiten, damit sie alles richtig machen und nicht überbleiben – aus Verantwortung für die Bauern. Hätten Sie sich erkundigt, dann wüssten Sie, worum es geht! So nehmen wir Verantwortung wahr. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Zweiter Punkt: Sie stellen sich hierher und sagen, 160 000 Betriebe werden zerstört. Im Übrigen: Wenn man Ihnen zuhört, muss man als Bauer sowieso gleich aufhören. Sie verbreiten nur Frust und Not und Elend. Wissen Sie, warum die Betriebe aufhören? – Weil Leute wie Sie bei Aktionen mitstimmen, sodass die nicht mehr mitkönnen! Zuletzt die FPÖ: Glyphosatverbot – weg damit! Stalleinbrüche als Delikt darstellen – weg damit! Sie sind auch schuld daran, dass Bedingungen beschlossen werden, die den Bauern das Leben schwer machen. Also stellen Sie sich nicht hierher, um zu moralisieren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schmiedlechner.)
Nein, das ist eine ernste Sache! Das ist doch eine ernste Sache. (Abg. Schmiedlechner: 160 000 ...!) Es ist in Wahrheit so – der Appell geht nämlich an das ganze Hohe Haus –: Wenn man die Auflagen für die Bauern immer höherschraubt, wird es schwieriger, zu arbeiten.
Folgendes – und jetzt komme ich zu dem Punkt, der den Bauern eine Perspektive bietet –: Die Coronakrise hat viele Diskussionen in der Gesellschaft ausgelöst, neben der Krankheitsbewältigung nämlich auch die Frage des Wertesystems. Welche Prioritäten gibt es? – Ein ganz starker Trend in Richtung Regionalität zeigt sich. Wir, der Bauernbund, die ÖVP, haben uns seit Jahren darum bemüht, diese Regionalität in der Bevölkerung zu verankern. Danke an die Konsumentinnen und Konsumenten, die dabei auch mittun und regionale Lebensmittel kaufen. Dieser Trend hat sich ganz gewaltig verstärkt. Ich sehe die Regionalität auch als einen weiteren Begriff, wenn wir berechtigterweise in Europa darüber diskutieren, wie viele Medikamente wir am eigenen Kontinent haben, damit wir das Wohl der Bevölkerung sichern können. Bei den Lebensmitteln geht es auch genau darum. Wie können wir garantieren, dass es regionale Lebensmittel gibt? Die Bevölkerung greift danach. Das ist auch eine Chance für unsere bäuerliche Landwirtschaft.
Frau Kollegin Doppelbauer, ich gebe Ihnen schon recht, dass die Diversifizierung der Punkt ist – wir tun das ja seit Jahrzehnten. Gerade unsere Landwirtschaft ist sehr breit aufgestellt, aber vergessen Sie nicht die große Masse der anderen Bauern, die Lebensmittel auch für die breite Masse der Bevölkerung produziert.
Das, was wir wollen, ist eine regionale Versorgung auch mit größeren Gütern wie Milch, Getreide, Fleisch und mit Spezialprodukten. Das ist wie in der Wirtschaft: In der Wirtschaft gibt es große Industriebetriebe und viele kleine, spezialisierte KMUs. So ist es auch in der Land- und Forstwirtschaft. Ich sage das nicht als Vorwurf, sondern ich meine: Dass man sich nur darauf konzentriert, wäre ein Fehler. Wir brauchen das Gleiche, weil wir in Österreich im Bereich der Selbstversorgung zurückfallen.
Wir hatten in den Neunzigerjahren beim Getreide 121 Prozent Selbstversorgung, jetzt haben wir 87 Prozent. Wir können uns nicht mehr selbst versorgen. Beim Gemüse hatten wir 73 Prozent Selbstversorgung, sind auf 44 Prozent runtergefallen, bei den Ölsaaten von 44 Prozent auf 29 Prozent (Abg. Schmiedlechner: Zugemacht!), weil die Auflagen immer höher werden und sich die Produktion nicht mehr rechnet, weil Sie auch Pflanzenschutzmittel verbieten, wir dann aber die Lebensmittel von woanders importieren. Daher danke ich Bundesministerin Köstinger, dass sie sich gerade bei Mercosur so dagegenstemmt, denn das ist der Todesstoß für die Regionalität, wenn da im Großen und Ganzen importiert wird. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Voglauer.)
Zu diesem Thema ließe sich noch vieles sagen. Ich wollte aber auch zur Regionalpolitik der Europäischen Union Stellung nehmen, die neben der Gemeinsamen Agrarpolitik eine Klammer für dieses gemeinsame Europa ist: schwachen Regionen in Europa zu helfen, damit sie an das Wirtschaftsniveau stärkerer Regionen herankommen. So wie bei der GAP, die von Ministerin Köstinger sehr gut verhandelt wurde – es gibt sehr gute Voraussetzungen für eine Einigung –, ist es auch bei der Regionalpolitik. Es gibt den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds. Auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit soll auf europäischer Ebene kontinuierlich weitergeführt werden.
Gerade in der Postcoronazeit ist es sinnvoll, dass Finanzmittel verwendet werden, um in die regionale Wirtschaft und in die regionale Arbeitskräfteweiterbildung zu investieren. Diese Mittel sind auch für Österreich in Aussicht gestellt, Österreich nutzt sie auch sehr. Das verbessert unsere Nettozahlerposition und ist eine Chance, dass wir hoffentlich in der Zeit nach Corona der Wirtschaft, aber auch der Landwirtschaft eine gute Perspektive geben.
Abschließend: Ich schließe mich dem Appell von Elisabeth Köstinger an. Wissen Sie, Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ und andere, was der Schlüsselbegriff nach der Coronapandemie ist? – Gemeinsam. Wir können das nur gemeinsam schaffen, es hat keinen Sinn, die Gesellschaft zu spalten: Da arbeitet der Angestellte, da die Bauern, da die Wirtschaft – und gegeneinander. Nur gemeinsam können wir etwas voranbringen, und nicht, indem wir gegeneinander arbeiten. Das ist mein Appell an Sie! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
16.08
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Vorderwinkler. – Bitte.