17.40

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu Hause! Ja, Herr Bundesminister, mehr Schaden hätte man mit dem Herunterfahren des regu­lären Präsenzunterrichts nicht anrichten können. Die Pädagoginnen und Pädagogen dazu zu verdonnern, innovativen, kreativen Onlineunterricht für die Kinder zu Hause vor den Bildschirmen entlang ihrer Stundentafel anzubieten, sie aber gleichzeitig aufzu­fordern, dass sie in Kleingruppen an der Schule die Kinder betreuen und auch noch Unterricht und Förderunterricht mit ihnen machen sollen, das kann sich selbst im besten Fall nicht ausgehen. Dieser Spagat kann einfach nicht gelingen – vor allem auch dann, wenn es noch an Grundsätzlichem fehlt.

Die Rückmeldungen, die wir erhalten haben, per Mail, aber auch in den Medien – der „Falter“ hat es unter dem Titel „Das große Versagen“ wirklich gut zusammengefasst –, sprechen ja eine deutliche Sprache. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Den Schulen und den PädagogInnen heute noch auszurichten, dass unterbeschäftigte Lehrer – das ist jetzt nicht meine Wortwahl, die kommt aus dem Ministerium – für Betreuung und andere Dinge an der Schule eingesetzt werden sollen, finde ich schon wirklich zynisch; dazu nachher noch mehr.

Die LehrerInnen berichten noch immer von fehlenden Tablets, andere davon, dass Kinder zwar ein Endgerät haben, aber nicht genug Datenvolumen zu Hause, um über­haupt arbeiten zu könnten. Andere sagen, Schoolfox ist zwar angeschafft, aber noch nicht installiert. Die einen haben wenige Kinder an der Schule, die anderen haben 70, 80 Prozent der Kinder an der Schule. Man findet also ganz, ganz unterschiedliche Verhältnisse vor.

An dieser Stelle mein herzlichster Dank an die Pädagoginnen und Pädagogen in unseren Schulen, die mit ihrer Kreativität, mit ihrem Engagement und mit ihrer Leidenschaft Schule in dieser schweren Zeit gelingen lassen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der NEOS.)

Das Traurige an der ganzen Geschichte ist: Das alles wäre mit einer cleveren Test­strategie, die wir seit dem Sommer einfordern, nicht notwendig gewesen. Seit dem Sommer fordern wir diese ein und sagen: Pädagoginnen und Pädagogen bitte in ein Screeningprogramm aufnehmen, ähnlich wie es das in der Pflege, ähnlich wie es das im Krankenhaus gibt, sodass man Infizierte sehr rasch erkennen kann. Weiters ist die Verwendung von Schutzmasken, FFP2-Masken, die jetzt bestellt wurden – ein wenig spät, wie ich meine –, essenziell sowie eine wirklich frühzeitige Ausstattung von Schüle­rinnen und Schülern und Pädagoginnen und Pädagogen nicht nur mit Endgeräten, sondern auch mit erprobten Lernplattformen. Dann könnten nämlich die Schülerinnen und Schüler im regulären Schulunterricht, in regulären Klassenverbänden und nicht täglich neu zusammengewürfelt in Kleingruppen in der Schule sitzen, und am Nach­mittag in der Nachmittagsbetreuung werden sie noch einmal neu gemischt – und das in Zeiten von Corona.

Die Auswirkung auf unsere Kinder ist immens, das wissen wir. Nicht nur die kurzfristigen Bildungsverluste, sondern auch die mittel- und langfristigen Verluste reichen von 100 bis 200 Euro Einkommensverlust für jeden einzelnen Monat im Schullockdown, und die wirtschaftlichen Verluste und Kosten liegen bei 2 Milliarden Euro pro Monat mit geschlossenen Schulen.

Der Herr Bildungsminister wird mir jetzt an dieser Stelle wieder einmal erklären, dass er ja eh auch im Budget vorgesorgt hätte, weil nämlich für 2021 235 Millionen Euro für die Anschaffung von Computern im Budget vorhanden sind und bereits im Frühjahr 10 000 Endgeräte gekauft wurden. Diese mit 235 Millionen Euro budgetierten Computer landen im Schuljahr 2021/2022 in unseren Klassenzimmern, und da nur in der 5. und in der 6. Schulstufe, und drei Lehrer pro Klasse bekommen dann gnädigerweise auch noch einen. Wir wissen aber schon aus der ersten Phase des Lockdowns, dass es 140 000 Kinder gibt, die kein eigenes Endgerät zu Hause haben.

Was findet sich noch im Budget? – Ein Schmalspurchancenindex, einmalig für nächstes Jahr mit 15 Millionen Euro budgetiert – und das war es; als gäbe es Corona nicht, als hätten wir kein Problem. Wir brauchen aber dringend mehr Geld für Förderungen, für Förderstunden, für Pädagoginnen und Pädagogen, für Unterstützungspersonal et cetera, et cetera. Sibylle Hamann hat im „Falter“ noch ausgeführt, Sie würden unglaub­lich viel Geld in die Hand nehmen – ja, aber im Budget ist davon gar nichts zu finden.

Was dort auch nicht drinnen ist, ist der Ausbau der ganztägigen Schulen, denn diese könnten jetzt wirklich helfen: Es gäbe ausreichend Zeit, mit den Kindern zu arbeiten, sie zu fördern, Defizite aufzuholen, aber auch die Möglichkeit, an diesen Schulen Breitband-WLAN entsprechend abzubilden, einzubauen und Endgeräte vor Ort zu haben, sodass diese Defizite, die daheim vorhanden sind, an diesen ganztägigen Schulen ausgeglichen werden könnten. Das trägt zur Bildungsgerechtigkeit bei und kann die Defizite schwinden lassen. In der Ganztagsschule sind die Kinder nicht mehr, wie in der halbtägigen Haus­übungsschule, vom pädagogischen Talent ihrer Eltern oder deren Geldbörsen abhän­gig – und das Budget für diese ganztägigen Schulen wurde in der letzten Legislaturperi­ode halbiert.

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verstärkter Ausbau der Ganztagsschulen“

Der Nationalrat wolle beschließen: 

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, den zügigen Ausbau der Ganztagsschule zu garantieren, um zu ermöglichen, dass bis 2027 50% aller SchülerInnen eine ganztägige Schule besuchen können.“

*****

(Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

17.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sonja Hammerschmid,

Genossinnen und Genossen

betreffend verstärkter Ausbau der Ganztagsschulen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über TOP 11: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 - BFG 2021) samt Anlagen -UG 30

Die Corona Krise hat uns die Probleme und Defizite unseres Schulsystems erst so richtig deutlich gemacht. Viele Kinder konnten im Home Schooling nicht erreicht werden und starteten mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen wieder in die Schule, weil Schulen für Distance-Learning nicht gerüstet waren. Die Bildungsschere droht noch weiter aufzugehen. Daher wären dringend weitere Maßnahmen in vielen schulischen Bereichen notwendig – besonders auch der Ausbau der Ganztagsschule. Dies unter­streichen auch die Ergebnisse der Experten des Integrationsberichtes, der im Septem­ber 2020 präsentiert wurde. Für die Vorsitzende der Expertenkommission Katharina Pabel, ist es notwendig auf ganztätige Schulen zu setzen: "Davon würden alle Schülerin­nen und Schüler profitieren"1.

Fakt ist aber, dass die Mittel zum Ausbau ganztägiger Schulformen nicht erhöht, sondern gestreckt wurden. Die 750 Millionen Euro, welche 2016 im Bildungsinvestitionsgesetz beschlossen wurden und das mit 1. September 2017 in Kraft trat, hatten ursprünglich zum Ziel, bis 2025 40% aller Schülerinnen und Schüler den Besuch einer ganztägigen Schule zu ermöglichen. Den Schülerinnen und Schülern soll eine qualitätsvolle schuli­sche Betreuung geboten werden und ein ganzjähriges, bedarfsorientiertes Angebot für die Erziehungsberechtigten darstellen und somit zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Unter der ÖVP/FPÖ Regierung wurde in einer Novelle zum Bildungsinvestitionsgesetz der Zeitraum von 2025 bis 2032 erstreckt und somit der Ausbau ganztägiger Schulformen entscheidend verlangsamt.

Die letzten Monate haben uns jedoch allen gezeigt, dass Eltern kein Ersatz für Leh­rerinnen und Lehrer sein können. Homeschooling kann die Schule nicht ersetzen. Daher ist es dringend notwendig, dass wir von der Hausübungs- und Halbtagsschule weg­kommen, in der der Erfolg unserer Kinder weiterhin von den Unterstützungsmöglich­keiten der Eltern abhängen. Auch für den OECD Bildungsdirektor Andreas Schleicher ist klar, dass die meisten erfolgreichen Bildungssysteme auf Ganztagsschulen setzen, da sie bessere Förderung bieten.2 Die Mittel für den Ausbau von ganztägigen Schulformen sollen erhöht werden, sodass alle 6- bis 14-Jährigen die Möglichkeit haben, in ihrem Bezirk eine ganztägige Schule zu besuchen. Langfristig muss es das Ziel sein, den Eltern in unmittelbarer Wohnumgebung echte Wahlfreiheit zu bieten und den Anteil der Schülerinnen und Schülern in ganztägigen Schulformen auf 50 % im Jahr 2027 zu erhöhen und den Schulerhaltern, die hierfür notwendigen Budgetmittel sowie Unterstüt­zung zur Verfügung zu stellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, den zügigen Ausbau der Ganztagsschule zu garantieren, um zu ermöglichen, dass bis 2027 50% aller SchülerInnen eine ganztägige Schule besuchen können.“

1 https://www.derstandard.at/story/2000119855870/bildung-als-baustelle-fuer-integration-politik-und-experten-mit-unterschiedlichen

2 https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/pisa-interview-schneewittchen-und-die-bildungsreformen-a-525753.html

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.