19.47

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Minis­ter! (Ruf bei der FPÖ: Das war die falsche Anrede! Das ist der Herr Dritte Prä­sident ...!) Sehr geehrter Herr Präsident! Entschuldigung! Werte geschätzte Kollegen! Ich bin die letzte Rednerin, und ich möchte mich jetzt auch bedanken, und zwar dafür, dass Sie mir immer noch zuhören. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

Zusammenhalten: Von der ÖVP kommen ständig Vorhaltungen, dass wir nicht zusam­menhalten. Zusammenhalten bedeutet für Sie, dass wir alle Ihrer Meinung sind – dann ist es für Sie zusammenhalten. So schaut es nämlich aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns würde zusammenhalten bedeuten, dass Sie auch hin und wieder Anträge der Oppositionsparteien annehmen, denn das wäre doch hin und wieder auch sinnvoll.

Herr Minister, wissen Sie eigentlich tatsächlich, was sich momentan in den Schulen abspielt? – Ich glaube es eher nicht. Ich berichte Tatsachen, und zwar: Dieses Organi­sationschaos im Moment ist unzumutbar. Nach wie vor müssen sich die Schulleiterinnen und Schulleiter Informationen über die Pressekonferenzen einholen – seit März. Zum wiederholten Male erhalten sie Informationen über schwerwiegende Maßnahmenpakete am Wochenende. Handlungsanweisungen kommen über eine E-Mail-Adresse des Ministeriums und nicht mehr von ihren Vorgesetzten. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Sie haben keine befugten Ansprechpartner mehr. Es ist tatsächlich alleine den SchulleiterIn­nen mit ihren Teams zu verdanken, dass der Schulbetrieb trotzdem läuft, wie er läuft, und nicht dem Ministerium. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist unzumutbar, dass die Schulen keine Unterstützung erhalten. Sie haben vor Wochen 1 800 Lehramtsstudierende versprochen, die für Ersatz bei Ausfällen sorgen sollen. Die sind noch immer nicht da. Wie funktioniert das? Wo sind die Testungen? Wo sind die versprochenen FFP2-Masken? Wo bleibt die schriftliche Erläuterung für die Abgeltung der anfallenden Mehrdienstleistungen? – Es fehlt vieles. Die Mehrfach­belastung der Lehrerinnen und Lehrer ist unzumutbar. Sie müssen die Schulgruppen betreuen, sie müssen Vorbereitungen in Papierform treffen, sie müssen das Distance­learning in On­linekursen abhalten, sie müssen bei Ausfällen supplieren, sie müssen psychologische Hilfe für verstörte Kinder zur Verfügung stellen, weil die Beratungs­lehrerInnen abgezo­gen werden. Sie sind an der Belastungsgrenze, und wir haben November – es ist erst seit drei Monaten Schule. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Ich frage Sie jetzt: Welche Vorkehrungen treffen Sie nun, damit die Lehrer nicht bis zum Ende des Schuljahres im Juni verheizt sind? (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Sie pro­duzieren derzeit jede Menge ausgebrannte KollegInnen. Die Leiterinnen und Leiter, die Lehrerinnen und Lehrer sind hochbelastet und jeder schaut weg. Es geht da nicht mehr nur um Covid-19, es geht um die allgemeine Gesundheit und es geht um eine ver­lässliche Schule für alle. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist unzumutbar für Eltern, ihre Kinder im Homeschooling zu unterrichten. Das ist nicht ihre Aufgabe und es belastet die Familien. Es ist unzumutbar, dass da momentan auch die Sonderbetreuung nicht greift. Es ist unzumutbar, dass jene Schülerinnen, die in die Be­treuung gehen, in gemischten Gruppen betreut werden. Welchen Sinn macht das? Es wäre doch besser, normale, feste Klasseneinheiten zu lassen. Es ist unzumutbar, dass Schüler zu wenig Betreuung durch die Beratungslehrer und SchulpsychologInnen be­kommen. Sie haben häufiger schwierige Situationen zu Hause. Sie müssen mit Angst, Krankheit, finan­zi­ellen Sorgen und leider auch erhöhter Gewalt umgehen, und hier wird weggeschaut.

Auch die Lehrerinnen und Lehrer müssen das abfedern, weil sie keine Unterstützung haben. Die Frage ist: Wie unterstützen Sie sie in dieser Situation? Es ist unzumutbar für Schülerinnen und Schüler, sich teilweise im Selbststudium Inhalte anzueignen. Jedes Kind hat das Recht auf qualitativen Unterricht, und jedes Kind hat auch das Recht auf Zeit, die ihm gewidmet wird. In den höheren Schulen zum Beispiel, in denen es schon seit Anfang November Distancelearning gibt, müssen sich die Kinder in Mathematik oder Mechanik – 2. Klasse HTL bei meinem Sohn zum Beispiel – Inhalte selbst aneignen. Da möchte ich bei den 200 Menschen, die hier sind, schauen, ob das vielleicht eine Handvoll schaffen würde – und die Kinder sollen es alleine machen. So geht das nicht.

Es sind Punkte, auf die wir seit Monaten hinweisen, Herr Minister, und es ist nicht wahr, dass wir nicht schon früher etwas gesagt haben. Wir haben es immer wieder wiederholt. Der gesamte Bereich läuft gerade komplett aus dem Ruder, und es gibt kein Budget, das ermöglicht, diesen Bildungsrückstand aufzuholen. Es ist nichts drin.

Wenn es in den ersten paar Monaten 2021 zu einem dritten Lockdown kommen sollte: Wie werden Sie damit umgehen, dass 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler dann ein ganzes Jahr verlieren? Wird das Jahr gestrichen? Wiederholen alle? Steigen alle auf? Wie schaut die Matura aus? (Zwischenruf des Abg. Hanger.) Es gibt Fragen über Fragen. Unsere Kinder können nichts dafür, Herr Minister, dass über den Sommer kein Konzept erstellt wurde. Andere Länder haben es auch geschafft. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Der Schulbeginn am 7. September kam nicht überraschend, das muss man auch dazusagen. Die Kinder haben eine Chance verdient. Sie haben ihr Leben vor sich – und mit den Rahmenbedingungen, die wir zur Verfügung stellen, schauen die Aussichten nicht gut aus. Ich nehme an, dass Sie, Herr Minister, die jetzige Situation weder so geplant haben noch so wollten. Sie haben aber die Verantwortung für die Folgen dieser Fehlentscheidung, die unsere Kinder und in weiterem Sinn uns alle gesamtwirtschaftlich noch sehr lange beschäftigen werden. Fakt ist: Wir tun das vielen Kindern an, anstatt ordentliches Krisenmanagement zu betreiben und das Budget für alles andere, für die Krankenanstalten – und in diesen im Moment auch die Kapazitäten – zu erhöhen.

In meiner Rede in der letzten Budgetsitzung im April habe ich gesagt: „Wir befinden uns der­zeit auf dem Weg in eine ausgewachsene Schulkrise“, wenn einfach nur gewartet wird. Jetzt sind wir dort angekommen – und es gibt kein Budget, um diese Bildungs­ver­luste aufgrund der Krise abzudecken. Mein Appell an Sie, Herr Minister: Reparieren Sie das bitte, wie und wo es geht! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Künsberg-Sarre und Loacker.)

19.54

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte, Herr Abgeordneter.