11.20
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich verwende normalerweise keine Zuschriften von Bürgern und Bürgerinnen, wenn ich hier herauskomme und vor Ihnen spreche. Heute möchte ich es aber machen, denn es geht um das Bild der Familien, über das wir ja auch diskutieren.
Ich war wegen des Familienhärteausgleichs mit vielen Familien im persönlichen Austausch und habe vor ein paar Tagen ein E-Mail bekommen. Der Betreff war: Uns geht die Luft aus. – Der Text – ich lasse die Einleitung weg – lautet dann: Nach einer kurzen Besserung der Situation bin ich nun ein drittes Mal in Kurzarbeit. Auch mein Nebenjob, den ich mir im Sommer suchen musste, ist nun vom zweiten Lockdown betroffen. Es wird immer schwieriger, über die Runden zu kommen. Wir sparen bereits an den Lebensmitteln. – Zitatende. Das ist die Situation, in der Familien in verschiedensten Bereichen heute sind.
Wenn man sich die Einkommen anschaut, stellt man fest, dass knapp 75 Prozent der Familieneinkommen zwischen 1 250 Euro und 3 700 Euro liegen. Da geht es um Einkommen einer Familie mit zwei Erwachsenen und im Durchschnitt 1,6 Kindern! Diese Familien sind ja nicht immer von Haus aus wirtschaftlich angeschlagen gewesen, sondern sie sind in eine Situation gekommen, die für alle überraschend war, und sie haben ihre ganz normalen Lebenshaltungskosten zu tragen. Sie müssen möglicherweise die Kreditrückzahlungsrate, die Leasingrate für das Auto und vielleicht auch etwas für die Schule bezahlen.
Als ich dieses E-Mail gelesen habe und das Budget für 2021 gesehen habe, habe ich mich gefragt: Hilft dieses Budget, das Sie uns für 2021 vorlegen, jenen Menschen, die uns als Abgeordneten heute solche E-Mails schreiben? – Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das nicht der Fall ist.
Es ist nicht der Fall, denn all diese konkreten Familien beginnen jetzt im zweiten Lockdown bei den Lebensmitteln zu sparen, und die Frage ist, wo sie dann im dritten Lockdown sparen müssen. Hilft es diesen Familien, wenn Sie pauschal über die gesamte Bevölkerung Einmalzahlungen ausschütten, die Hunderte von Millionen Euro kosten? – Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diese Maßnahmen diesen Familien nicht ausreichend helfen. Andere brauchen dieses Geld vielleicht nicht und wären aus Solidarität auch dazu geneigt, darauf zu verzichten.
Die zweite Frage ist aber: Haben wir ausreichend Mittel für genau diese Familien, die jetzt gerade betroffen sind? – Nein, denn da ist es wiederum so, dass man aufgrund der anderen Maßnahmen nicht ausreichend Geld in die Hand nehmen kann.
Damit komme ich schon zu einem ersten Punkt, Frau Ministerin Aschbacher: Es fehlt eine gezielte Maßnahme für die Familien, die jetzt im zweiten Lockdown wirklich nicht mehr können. Da ist zu wenig an Information da, da ist zu wenig an Förderung da. Sie haben einen Familienhärteausgleich für drei Monate vorgesehen. Da kann man quasi diesen Betrag, der einem in der Kurzarbeit fehlt, wieder hereinholen. Wenn Sie aber zwei oder drei Lockdowns machen, wenn Sie Unternehmen monatelang zusperren, dann reichen drei Monate nicht aus. Die Maßnahmen, die Sie heute als Werkzeug präsentieren, sind jene, die Sie sich im April überlegt haben, und das ist deutlich zu wenig.
Wenn man auf die Krise im Allgemeinen schaut, dann erkennt man, es wird nicht leichter. Familienberatungsstellen, die jetzt in dieser Krise definitiv mehr Arbeit haben als sonst – da jetzt Kinder und auch Erwachsene mitunter 24 Stunden am Tag zu Hause sind und mitunter in emotionale Konflikte kommen beziehungsweise hineingezogen werden –, sagen, dass sie selbst in einem Nichtkrisenjahr 15 Millionen Euro brauchen. Sie haben als Ministerin im Mai versprochen, dass Sie sich dafür einsetzen werden, dass diese 15 Millionen Euro kommen. Die sind nicht gekommen, stattdessen gab es nur 12,5 Millionen Euro. Das heißt, Familienberatungsstellen bekommen im Jahr 2021 nicht einmal das Geld, das sie für ein Nichtkrisenjahr bräuchten, und wenn jetzt mehr Beratung online stattfindet, reicht das einfach nicht aus.
Sie haben gesagt, dass die Schulen ja offen sind. Wenn ich jetzt aber über diese Familien nachdenke, die nun wieder kämpfen müssen, dann muss ich sagen: Es ist nicht hilfreich, wenn sie am Montag in der Früh nicht wissen: Ist am Dienstag die Schule nun ganz offen oder ganz zu? Wird das Kind unterrichtet? Ist es besser für das Kind, damit es vielleicht auch eine wirklich starke Zukunft hat, dass ich es zu Hause lasse, oder ist es besser, dass ich es in die Schule bringe, wo es auch seine Schulfreundinnen und -freunde sieht? Die Eltern konnten das am Dienstag in der Früh nicht beantworten.
Das liegt natürlich rein von der Kompetenz her bei Minister Faßmann, aber Sie als Familienministerin müssten jeden Tag in der Früh aufstehen und massiv dafür werben, dass es da eine klare Antwort gibt und dass die Kinder, egal ob sie zur Betreuung in die Schule gebracht werden oder zu Hause sind, immer die beste Bildung bekommen.
Es hilft auch nichts, wenn Sie zugleich jenen Leistungsträgerinnen und -trägern, die aus Ost- und Südosteuropa kommen und auch im Lockdown weiter für uns arbeiten, etwa in der Pflege und im Einzelhandel, weiterhin die Indexierung der Familienleistungen vor Augen führen.
Wir müssen eine andere Sprache finden, wie wir mit Familien umgehen, und wir brauchen 2021 ein Krisenbudget, das jenen Menschen, die die Krise am stärksten spüren, auch tatsächlich hilft. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
11.25
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Christine Aschbacher zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.