16.32

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Ich möchte damit anfangen, da der Herr Bundesminister ohnehin noch nicht zuhört (Bundesminister Blümel spricht mit MitarbeiterInnen der Parlamentsdirektion), auf die Ausführungen von Herrn Kopf zu replizieren, und zwar Folgendes: Ich glaube, Herr Kopf hat gesagt, dass es jetzt nicht möglich ist, die Kosten der Krise abzuschätzen. Das sehe ich auch so. Ich glaube, dass es nicht seriös möglich ist, jetzt zu sagen, was die Krise insgesamt kosten wird. Was ich aber anders sehe – und da muss ich ihm widersprechen –, ist einfach der Punkt, dass man, wenn man ein Budget vorlegt und wenn man in einem harten Lock­down ist, natürlich die Zeit haben müsste, das einzupreisen. Es ist auch nicht wahr, dass Sie keine Daten dazu haben. Auch Professor Badelt hat einen Vorschlag für ein Krisen­szenario gemacht; und wir haben ja auch nichts anderes gemacht, als das in unseren Zahlen widerzuspiegeln. Damit hätte man natürlich ein sehr viel akkurateres Budget als jenes, das jetzt am Tisch liegt, machen können.

Damit – ich habe es schon einmal gesagt – sind Sie halt jetzt wirklich der erste Finanz­minister der Geschichte, der es schafft, in einem Jahr zweimal ein Budget vorzulegen, das am Tag des Beschlusses einfach schon wieder vollkommen falsch ist. Es gibt viele Beispiele, wir haben schon einige gehört, warum es so falsch ist. Zwei kommen von mir noch dazu: Einnahmenseitig haben Sie zum Beispiel 80 Prozent Rück­erstattung von den Stundungen, die den Unternehmen heuer gewährt worden sind, reingerechnet. Ich frage mich wirklich: Wie sollen die das denn nach diesem Jahr zahlen? Also ich glaube, das ist ein sehr positiver Zugang, das kann aus unserer Sicht auch nicht stimmen. Ich höre aber aus Ihrem Haus, dass da auch schon an anderen Maßnahmen gearbeitet wird, damit das auch nicht verlangt wird, weil, wie ich denke, das wirklich vielen Unternehmen den Todesstoß geben würde.

Ausgabenseitig: Im Budget 2021 sind 365 000 Arbeitslose eingerechnet. Ich würde mir wirklich wünschen, dass nächstes Jahr wieder jeder Mensch in die Arbeit kommt. Wenn man sich aber das Szenario von Badelt anschaut, dann sieht man, dass er in diesem Krisenszenario mit 10,3 Prozent Arbeitslosen rechnet. 10,3 Prozent Arbeitslose heißt schon einmal 2 Milliarden Euro mehr in diesem Budgettopf. Auch das kann nicht stim­men. Wir wissen auch, dass sehr viele Interessengemeinschaften in den nächsten Jahren von leider noch weit höheren Arbeitslosenzahlen ausgehen. Das ist natürlich auch nirgends abgebildet. Ich weiß schon, das kann man vielleicht nicht im Budget abbilden, aber ich hoffe doch, dass Sie diesbezüglich ein Krisenszenario gebaut haben und interne Berechnungen haben und dass Sie vor allem auch einen Plan haben, wie Sie dann mit dieser Situation umgehen, weil das in Ihrer Verantwortung ist, Herr Bun­desminister.

Ich komme aus der Wirtschaft und möchte Ihnen noch einmal sagen, kein Unternehmen könnte sich erlauben, so einen Budgetvorschlag vorzulegen oder mit so einer P & L zu einer Bank zu gehen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Reden wir vielleicht auch übers Krisenmanagement: Ja, da waren sinnvolle Maßnahmen dabei, das sehen wir auch so – wie die Investitionsprämie zu sichern, die ist gut geeig­net –, aber insgesamt hat man im Krisenmanagement natürlich schon ein gewaltiges Flickwerk produziert; und selbst diesen Fleckerlteppich bringen Sie auch nicht wirklich auf den Boden. Es ist schon angesprochen worden, die Unternehmer warten inzwischen seit Mitte September – seit Mitte September! – auf den Fixkostenzuschuss Phase zwei. Das wäre jederzeit von Ihrem Hause zu bewerkstelligen gewesen, aber es ist nicht gemacht worden. Wir haben das jetzt schon ganz oft gehört, Liquidität ist gerade im November, in dem die Weihnachtsgelder ausgezahlt werden, wirklich ein Riesenthema für die Betriebe, aber der Fixkostenzuschuss Phase zwei lässt auf sich warten. Hoffent­lich kommt er nächste Woche und hoffentlich funktioniert er auch.

Umsatzersatz, das nächste Tool: Ja, ich bleibe da wirklich bei meiner Einschätzung, dass dieses Instrument für Zeiten des Lockdowns falsch aufgesetzt ist. Während des Lockdowns gibt es ein Tool, das viel besser geeignet ist, ein Instrument, das eben diesen Mantel der Katastrophenhilfe hat. Damit kann man nicht nur höhere Hilfen für Unterneh­men auszahlen, es bringt auch sehr viel mehr Planbarkeit und sehr viel mehr Sicherheit für die Betriebe. Das hat man verschlampt, weil man schlicht und einfach nicht rechtzeitig darum angesucht hat. Das ist keine Hexerei. Das hätten Sie definitiv schaffen können.

Jetzt sind wir zwei Wochen vor dem Dezember, und die Unternehmen haben keine Ahnung, was im Dezember gelten wird. Sicher ist nur eines: Wenn Sie nicht rasch sinnvolle Konzepte auf den Tisch legen, dann können wir mit einem rechnen, nämlich damit, dass viele Unternehmen nicht mehr aufsperren werden – und dann haben wir wirklich diese Insolvenzwelle, von der schon viele sprechen, die uns nächstes Jahr im Mai, Juni hart treffen wird.

Ich gebe es schon zu und ich räume es auch ein, es ist natürlich kein leichter Job, im Jahr 2020 Finanzminister zu sein, aber deswegen wäre es eben auch umso wichtiger gewesen, vor allem für das Jahr 2021 ein Budget zu entwerfen, das aus der Krise herausführt, ein Budget, das wirklich den Weg in die Zukunft und einen Weg, wie wir uns aus dieser Krise wieder herauswirtschaften, zeigt. (Beifall bei den NEOS.)

Was meinen wir damit? – Wir müssen Menschen und Unternehmen entlasten. Wir müssen steuerliche Anreize schaffen, und es braucht einfach ein viel besseres Konjunk­turpaket. Gleichzeitig braucht es auch nachhaltige Strukturreformen. Darüber haben wir auch schon sehr viel gesprochen. Diese Schulden müssen irgendwann einmal abgebaut werden, und dafür müssen jetzt die ersten Schritte gesetzt werden, der Plan muss entworfen werden, wie diese Reformen umgesetzt werden. Dazu finden wir aber nichts, genau gar nichts in diesem Budget 2021 und auch nicht im Finanzrahmen bis 2024.

Ich frage noch einmal: Wo ist die zweite Tarifreform? Wo ist in Ihrem Plan die Abschaf­fung der kalten Progression? – Die ist im Augenblick nicht eingepreist. Aufkommens­neutrale ökologische Steuerreform bei einer gleichzeitigen Entlastung des Faktors Arbeit – das ist wirklich das Wichtigste, was Sie im Augenblick machen müssen, um diesen Wirtschaftsstandort wieder prosperierend zu machen. In Deutschland ist es so weit, dass ein Arbeitnehmer 8 Prozent weniger als in Österreich kostet. Das ist Deutsch­land, ich spreche nicht von einem Niedrigsteuerland. Das sind einfach Wettbewerbs­nachteile, die wir uns nicht leisten können.

Die notwendige Reform des Pensionssystems: Dieses Thema ist seit, ich weiß nicht, wahrscheinlich Jahrzehnten ein Thema, und es wird nicht angegangen. (Zwischenruf der Abg. Baumgartner.) Das ist ein ganz, ganz wichtiger Hebel. Wir würden uns auch wünschen, dass das umgesetzt wird.

Reform der bundesweiten Förderstrategie: Da sind Milliarden in Doppel- und Dreifach­förderungen drinnen. Das sagen ebenfalls alle Experten. Damit könnten Sie schnell Geld für andere Maßnahmen zur Verfügung stellen. Wir können es uns nicht leisten, dass wir da so weiterwirtschaften.

Bei großen Zukunftsinvestitionen – Bildung, Forschung und Entwicklung, Digitalisierung, Infrastruktur – wurden erste Schritte gemacht, die werden aber nicht reichen. Das heißt, da braucht es einfach noch mehr. Und was die Föderalismusreform und die Reform des Finanzausgleichs betrifft, so haben Ihnen da, glaube ich, die Landeshauptleute ja ausgerichtet, dass wir die auf 2024 verschieben. Da dürfen Sie dann wieder anklopfen. Vier verlorene Jahre für das Budget!

Also, Herr Finanzminister, was ich damit sagen will – ich glaube, es ist klar heraus­gekommen –: Es reicht nicht.

Weil ich es gerade gelesen habe und weil ich heute ja auch etwas Positives sagen möchte: Sie haben gestern im Ministerrat ein Transparenzpaket für die Covid-Hilfen beschlossen. So habe ich das gelesen. – Ich muss ehrlich sagen, ich finde das wirklich gut und das freut uns ehrlich. Wir kennen jetzt natürlich die Details noch nicht und müssen uns noch anschauen, wie es dann umgesetzt wird, aber Transparenz ist uns einfach wirklich wichtig.

Wenn Sie sich vielleicht noch ein Beispiel für die Umsetzung anschauen wollen, wo sie wirklich gut gelingt, so möchte ich sagen: Ich lobe eigentlich nie die AMA, aber die AMA-Transparenzdatenbank ist doch etwas, wo man sieht, wie man das machen kann. Da steht jede Förderung, jede Ausgleichszahlung, die ein Betrieb bekommt, drinnen – mit der Summe, mit dem Namen des Betriebes. Das könnte man sich durchaus als Vorbild nehmen. Wir finden das gut, denn: Das ist Steuergeld.

Ein letzter Satz zur Transparenz, warum uns diese so wichtig ist: Es geht nicht nur darum, dass man durch Transparenz Freunderlwirtschaft, Korruption aufdeckt – Son­nenlicht, also Transparenz ist das beste Desinfektionsmittel, hat es immer geheißen –, es ist etwas ganz anderes auch noch wichtig: Transparenz schafft vor allem Vertrauen. Sie schafft Vertrauen und Solidarität mit den Maßnahmen. Die Menschen, die Steuer­zahler müssen wissen, warum das Geld ausgegeben wird, wie viel und wofür. Das ist wirklich etwas, was vertrauensbildend wirkt und eben auch Solidarität erzeugt.

Lassen Sie mich damit schließen: Sie geben da nicht Ihr eigenes Geld aus. Sie geben das Geld der Steuerzahlerinnen und der Steuerzahler aus, und die haben sich verdient, zu wissen, was mit ihrem Geld passiert. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.41

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Obernosterer ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.