11.32

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerinnen! Sehr geschätzte Damen und Herren hier und zu Hause! Es sind mehr als 62 Millionen Frauen EU-weit, jede Dritte von Gewalt betroffen, jede Zehnte von sexueller Gewalt betroffen, jede 20. vergewaltigt – 62 Millionen Frauen EU-weit! Es sind 3 500 Todes­opfer, kurz gesagt: neun Mordopfer jeden Tag, davon mindestens sieben Frauen. Die Zahlen steigen, auch in Österreich haben sie sich von 2014 bis 2018 verdoppelt.

Es gibt keine Rechtfertigung! Es gibt keine Rechtfertigung für Gewalt an Frauen, für sexuelle Gewalt, für physische Gewalt, für psychische Gewalt, für Zwangssterilisation, für Zwangsverheiratung. Es gibt keine Rechtfertigung für weibliche Genitalverstüm­me­lung, für Ehrenmorde. Es gibt keine Rechtfertigung – keine traditionelle, keine religiöse, keine emotionale, auch nicht jene der Überforderung. (Beifall bei der FPÖ.)

Frauenmorde werden diskutiert, aber die Dunkelziffer ist sehr hoch, denn: Die Watschen hat sie sich verdient! – Das hört man leider noch zu oft; Stichwort Täter-Opfer-Umkehr.

Die Lockdowns haben zu einem erschreckenden weltweiten Anstieg von Gewalt gegen Frauen geführt: Mehr als 83 Polizeieinsätze in den ersten 31 Tagen in Spanien, 30 Pro­zent mehr Meldungen von Gewalttaten in den ersten elf Tagen in Frankreich. Die Lehren aus der laufenden Situation müssen noch gezogen werden, auch in Österreich. In Spanien gibt es ein Gesetz, wonach Ferienunterkünfte vorübergehend als Frauenhäuser verwendet werden können. Auch bei uns sind die Hotels geschlossen und die Frauen­häuser voll, das wäre also auch eine Alternative. Es gibt eine SOS-Funktion in der App für öffentliche Sicherheit in Spanien; sie ist unkompliziert: einmal wischen, einmal drücken, und man ruft direkt die Polizei. Frau Minister (in Richtung Bundesministerin Raab), das wäre doch auch etwas für uns, Copy-and-paste wäre mit Sicherheit erlaubt.

Es gab 64 Sitzungen zum Pekinger Aktionsprogramm, die Beendigung von Praktiken wie weiblicher Genitalverstümmelung und Kinderheirat, Frühverheiratung, Zwangs­heirat – all das sind Ziele der Vereinten Nationen. Es sind steigende brisante Probleme. Was macht die EU? – Sie gibt politische Willenserklärungen ab, leider ohne Rechtskraft. Es gibt die EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter, die Istanbulkonvention, das Übereinkommen gegen Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt und seit 2019 auch die Forderung nach einer Strategie zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt. 2014 gab es eine Entschließung, Gewalt gegen Frauen der schweren Kriminalität hinzuzufügen. Es gibt Forderungen und Entschließungen, aber keine Verringerung der Zahl von Straftaten, kein Sinken der Zahl von Gewalttaten gegen Frauen.

In einigen Ländern ist die Rate der Strafverfolgungen niedrig, die Verurteilung bei häuslicher Gewalt ist schwierig, die Justizsysteme sind unterschiedlich. Was macht Österreich? – Die Regelung der Gewaltpräventionsberatung wird erst Mitte des nächs­ten Jahres die ersten Gewalttäter betreffen. Das Parlament beschäftigt sich mit Opfer­schutzausbau und Vertretung bei einstweiligen Verfügungen. Alles gut damit?

Eines hat aber offensichtlich auch die Frauenministerin letztendlich erkannt: Gewalt hat Tradition in bestimmten Communitys. Es gibt eine neue Broschüre mit dem Schwerpunkt Gewalt im Kontext von Kultur und Tradition. Ich darf daraus zitieren: „Die Familie oder die Community sieht nicht in ‚Gewalt im Namen der Ehre‘ ein Problem, sondern in den Töchtern, die sich den traditionellen Gewaltmustern nicht beugen wollen. [...] Die Tochter [...] ist [...] die Feindin“.

„Eine erfolgreiche Bekämpfung von ‚ehrkulturellen‘ oder traditionsbedingten Gewalt­for­men braucht die Einbeziehung der Männer.“

Meinen Respekt für diese Erkenntnis, aber das hätte man auch schon früher haben können! Wir haben davor immer gewarnt, wir haben Anträge dazu gestellt, diese fanden aber keine Mehrheit. Gewalt gegen Frauen geht uns alle an, die Politik und die Gesell­schaft. Die EU wird das Problem nicht lösen.

Es sind jetzt noch zwei Ministerinnen da, aber es darf sich jede angesprochen fühlen: Frau Minister, verstärken Sie Ihr Engagement und Ihren Einfluss! Bewahren Sie Frauen vor Gewalt durch Wiederholungstäter, die beim letzten Mal davongekommen sind! Es braucht Versorgungsstandards für die Opfer, Anspruch auf zeitnahe Therapie. Ver­stär­ken Sie die Sensibilisierungsprogramme der Sicherheitsbehörden und die forensi­sche Spurensicherung bei Gewalt an Frauen! Und: Betretungsverbote müssen auch über­wacht werden.

Sehr geehrte Frau Minister, sorgen Sie für eine entsprechende Schnittstelle zwischen den Themen häusliche Gewalt und Kinderschutz, regen Sie Selbstverteidigungskurse in den Schulen an und, sehr geehrte Frauenministerin, schließen Sie endlich die Lücken in der Versorgung! In Österreich fehlen nach wie vor 100 Frauenhausplätze. (Beifall bei der FPÖ.)

11.37

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Faika El-Nagashi. – Bitte.