12.01

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Galerie, zu Hause vor den Bildschirmen oder via Livestream! Werte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete zum Nationalrat! „Aus Verantwortung für Österreich“ ist nicht nur der Titel dieses Regierungsprogramms, sondern beschreibt auch sehr gut das Amtsverständnis des Bundeskanzlers, des Vizekanzlers und aller Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung.

Genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir in der Bundesregierung sofort die Ar­beit aufnehmen, denn wir stehen vor vielen großen Herausforderungen. Das erkennt man nicht zuletzt, wenn man sich ein paar makroökonomische Zahlen ansieht. In Deutschland lag das Wirtschaftswachstum im Jahr 2019 gerade einmal bei 0,5 Pro­zent. Somit ist Deutschland am Rand einer Rezession vorbeigeschrammt. Jetzt wird es zwar ein bisschen besser, aber es gibt noch immer keine Jubelstimmung.

In Österreich sind wir die letzten Jahre besser gewesen als die Deutschen, aber auch da ist die Prognose mit 1,2 Prozent Wachstum nicht gerade so, dass man die Hände in den Schoß legen könnte. Der Arbeitsmarkt hat sich stabilisiert, was eine gute Nachricht sein könnte – ist es aber nicht, wenn man sieht, dass in den letzten Jahren die Ar­beitslosigkeit regelmäßig gesunken ist. Daher ist auch dies ein gewisses Alarmsignal.

International muss man auf Entwicklungen im Nahen Osten achtgeben, genauso wie auf jene in Europa. Wenn ich mir den Brexit ansehe: Dieser wird zwar endlich vollzo­gen, womit dann Klarheit herrscht, allerdings wird das nicht dazu beitragen, dass eine positive Stimmung in der Wirtschaft entsteht. Daher ist es umso wichtiger, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir in Österreich unsere Hausaufgaben erledigen und uns Spielräume für die Zukunft erarbeiten.

Neben meiner Rolle in der Regierungskoordinierung – gemeinsam mit dem Vizekanz­ler – habe ich vor allem zwei Schwerpunktbereiche, die ich Ihnen kurz darlegen möch­te. Der eine ist der sorgsame Umgang mit dem Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher. Dazu zählt vor allem ein effizienter Ablauf in der Verwaltung, und dazu zählt es auch, keine neuen Schulden zu machen, nämlich bei gleichzeitiger Sicherstel­lung notwendiger Investitionen.

Über das Nulldefizit ist ja schon viel gesprochen worden, und ich glaube, es war hier im Hohen Haus, dass ein Politiker eine Abwandlung des berühmten Zitats von Jacques Delors gebracht hat: Niemand verliebt sich in ein Nulldefizit. Ich gestehe Ihnen, ich gehöre vielleicht zu den wenigen, die doch einen Hang dazu haben, aber auch mir ist bewusst, dass das kein Selbstzweck ist. Auch mir ist bewusst, dass es lediglich Mittel zum Zweck ist, um sich Handlungsspielräume zu erarbeiten, um sicherzustellen, dass der Staat genügend Flexibilität aufbringen kann, um in schwierigen Zeiten gegenzu­steuern – zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der zweite große Schwerpunkt ist zweifellos die Entlastung der Menschen in Öster­reich. Ich bin der Meinung, der Staat nimmt den Österreicherinnen und Österreichern noch immer zu viel weg. Diese Bundesregierung wird dafür sorgen, dass den Men­schen am Ende des Tages mehr im Börserl bleibt. Das ist wichtig, das haben wir ver­sprochen, das werden wir halten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden daher die Abgabenquote Richtung 40 Prozent drücken. Wir werden gleich­zeitig mit Maßnahmen dafür sorgen, dass den Menschen mehr im Börserl bleibt, wie zum Beispiel mit der Reduktion der Lohnsteuerklassen von 25 Prozent auf 20 Prozent, von 35 Prozent auf 30 Prozent und von 42 Prozent auf 40 Prozent. Darüber hinaus wird der Familienbonus, eine Errungenschaft der letzten Regierung, weiter erhöht, nämlich von 1 500 Euro auf 1 750 Euro pro Kind im Jahr. Das ist eine Entlastung gera­de für jene, die doppelt belastet sind, die arbeiten gehen und Kinder haben.

Und weil es schon angesprochen worden ist: Gerade für Alleinverdiener und Allein­erzieher mit geringem Einkommen werden wir den Kindermehrbetrag ebenfalls erhö­hen, nämlich von 250 Euro auf 350 Euro pro Kind, und genau dem entgegentreten, was uns die Opposition vorgeworfen hat. Es stimmt nämlich nicht alles, was Sie heute hier gesagt haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

Wir wollen Österreich auch attraktiv für Investitionen machen, für Investitionen in Unter­nehmen, in neue Projekte, denn das ist wichtig, um in diesem Land neue, gute Arbeits­plätze zu schaffen. Daher freut es mich, dass wir mit Maßnahmen wie beispielsweise der Reduktion der Körperschaftsteuer von 25 Prozent auf 21 Prozent wesentlich dazu beitragen können, dass der Standort attraktiver wird.

Genauso werden wir die Grenze beim Gewinnfreibetrag erhöhen – sodass ein Inves­titionserfordernis nicht mehr ab einem Gewinn von 30 000 Euro, sondern erst ab einem Gewinn von 100 000 Euro besteht – und damit vor allem den vielen kleinen Unterneh­men, den Einpersonenunternehmen und den KMUs die Möglichkeit geben, mehr von dem zu profitieren, was sie hart erarbeiten. Das ist richtig, fair und gerecht, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn wir in diesem Regierungsprogramm von Nachhaltigkeit sprechen, dann meinen wir damit nicht nur Klima- und Umweltschutz, sondern auch Nachhaltigkeit in der Fi­nanz- und Wirtschaftspolitik. Es gibt kaum ein besseres Konzept als die ökosoziale Marktwirtschaft. Ich kann mich erinnern, dass auch Werner Kogler bereits im Wahl­kampf gemeint hat, das könnte ein Bereich sein, wo sich ÖVP und Grüne treffen, und das haben wir ja getan, wie Sie im Regierungsprogramm nachlesen können.

Dieses Konzept besteht wesentlich aus drei Säulen. Die fundamentalste und erste Säule ist eine leistungsfähige und wettbewerbsfähige freie Marktwirtschaft, die die Ge­winne erwirtschaftet, die danach umverteilt werden können in die zweite Säule, nämlich den sozialen Ausgleich. Die dritte Säule ist die ökologische Nachhaltigkeit.

Daher haben wir auch im Regierungsprogramm festgeschrieben, dass wir eine ökologi­sche Steuerreform erarbeiten werden. Wir wollen damit Klima- und Umweltschutz mit der Bevölkerung und der Wirtschaft und nicht gegen den Standort machen. Das wird dadurch sichergestellt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Als Finanzminister vielleicht ein Wort zur Lieblingsanlageform der Österreicherinnen und Österreicher, nämlich dem Sparbuch: Rund 40 Prozent des privaten Geldvermö­gens stecken in dieser Anlageform, was momentan ein gewisses Problem darstellt. Wir wissen nämlich, dass durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank in den letzten Jahren – die wird sich voraussichtlich auch in den nächsten Jahren nicht än­dern – diese Vermögen real schrumpfen. Das kann es wirklich nicht sein, da müssen wir massiv gegensteuern!

Deswegen wollen wir in dieser Bundesregierung auch dafür sorgen, dass die Berüh­rungsängste, die es in Österreich immer noch dem Kapitalmarkt gegenüber gibt, suk­zessive abgebaut werden, damit alle Österreicherinnen und Österreicher davon profi­tieren können, wenn es der Wirtschaft gut geht, meine sehr geehrten Damen und Her­ren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum sorgsamen Umgang mit Steuergeld gehört auch eine effiziente Verwaltung. Be­reits bei der Amtsübernahme im Ministerium habe ich mich ausdrücklich dafür bedankt, dass es diese gibt und dass die vielen Expertinnen und Experten im Finanzministerium wirklich täglich ausgezeichnete Arbeit für alle in diesem Land leisten. Ich möchte mich hier ausdrücklich nochmals bei meinem Vorgänger Eduard Müller bedanken, der in der Übergangsregierung exzellente Arbeit geleistet hat. Ein großes Danke an ihn und die gesamte Übergangsregierung! Ich freue mich umso mehr, dass Experten wie er wei­terhin in der Verwaltung tätig sind. Ein großes Danke dir, lieber Edi Müller, von dieser Stelle! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Loacker.)

Ein Blick auf die europäische Ebene zeigt, dass wir auch dort intensiv an die Arbeit gehen müssen. Als ehemaliger EU-Minister ist mir Budgetdisziplin in Europa wichtig, und deswegen werden wir bei den Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen darauf achten, dass diese auch eingefordert wird, und wir wollen auch dafür sorgen, dass es klare und transparente Regeln zum Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie auch Sanktionen bei Nichteinhaltung gibt. Ich habe mich da sehr geärgert, und wir als Europäische Union haben das auch immer wieder vorgehalten bekommen.

Die frühere Bundesregierung hat eine Westbalkankonferenz mit jenen Staaten orga­nisiert, die Mitglieder der Europäischen Union werden wollen. Wir haben ihnen gesagt: Ihr wisst genau, was die EU von euch möchte!, und haben sie gefragt: Was wollt ihr denn von der Europäischen Union? – Es war sehr interessant, was da als Rückmel­dung gekommen ist. Die haben nämlich übereinstimmend gesagt: Es wäre super, wenn ihr die eigenen Regeln, die ihr euch selbst gegeben habt, einhalten würdet, wenn ihr gleichzeitig von uns verlangt, diese Regeln einzuhalten, wenn wir beitreten wollen. Das gilt speziell für den Stabilitäts- und Wachstumspakt und für die Verschuldungs­quoten. – Darauf werden wir Wert legen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Weiters wollen wir auf europäischer Ebene dafür kämpfen, dass eine Besteuerung der digitalen Großkonzerne möglich wird. Wir haben im Rahmen der letzten Bundesregie­rung eine solche Digitalsteuer in Österreich eingeführt. Das ist nur gut und gerecht, denn es darf nicht sein, dass multinationale Konzerne wie Facebook, Google, Amazon et cetera, die Milliardenumsätze machen, in Österreich faktisch weniger Steuern zahlen als der Greißler ums Eck. Wenn wir das umsetzen, ist es ist ein Beitrag zu mehr Ge­rechtigkeit für alle steuerzahlenden Österreicher, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sie sehen also, nicht nur im Finanzministerium, für die gesamte Bundesregierung gibt es viel zu tun. Wir werden schnell, aber auch demütig und mit viel Verantwortungsbe­wusstsein an die Arbeit gehen. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Hohen Haus in dieser Legislaturperiode. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.12

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.