14.52

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Graf, wenn Sie sich beruhigen, kann ich noch etwas sagen.

Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren von der Regierung! Sehr geehrte Damen und Herren, die zusehen, insbesondere auch jene, die heute sehr eifrig auf Twitter zu unserer Debatte diskutieren, wie mir aufgefallen ist! – Es ist auch eine interessante Debatte.

Ich versuche, mit etwas Positiven zu beginnen, geschätzte Damen und Herren: Die Ein­führung des gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts ist wohl eine Sternstunde in der Entwicklung unserer Demokratie gewesen, und dieses Wahlrecht lebt davon, dass es akzeptiert wird, dass an seine Wirksamkeit geglaubt wird. Gift für die Demokratie und Gift für dieses Wahlrecht ist – hören Sie jetzt genau zu, Herr Präsident –, wenn der Ein­druck, der bei den Menschen, die wählen gehen, entsteht, der im Wesentlichen besagt: Ich kann wählen, was ich will, es gibt andere Menschen, reiche, mächtige Menschen, die politische Geschehnisse anders beeinflussen können! Das ist Gift für die Demokratie, geschätzte Damen und Herren, das ist nicht das, was wir unter einem wirklich demokra­tischen System verstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt in Österreich eine politische Bewegung, die meines Erachtens hauptverantwort­lich für diese Entwicklung ist, und das ist die türkise ÖVP (sich zur Regierungsbank wen­dend), die heute erstaunlicherweise zu meiner Linken sitzt. Das ist etwas unpassend, aber wahrscheinlich müsst ihr nach dieser Entwicklung jetzt alle bei den Grünen herüben Strafsitzen. (Abg. Wöginger: Passt das jetzt zur Rede, oder?) Es ist die türkise ÖVP – es sind die türkisen Regierungsmitglieder, es ist der türkise Bundeskanzler –, die eine Politik betreibt, die von drei Punkten gekennzeichnet ist: Missachtung der parlamentari­schen Demokratie, Missachtung des Rechtsstaates – selbst die grüne Klubobfrau sagt inzwischen öffentlich, die ÖVP hat ein gestörtes Verhältnis zu einer funktionierenden Jus­tiz – und Missachtung von Anstand.

Geschätzte Damen und Herren von der ÖVP! Dafür stehen Sie, für diese drei Punkte in der Politik! Ich sage Ihnen: Es gibt eine politische Kraft, die dagegen entscheidend Wi­derstand leistet: Das ist die Sozialdemokratie, denn für uns gilt: Für politische Verantwor­tung gibt es keine Unschuldsvermutung! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Da biegt sich die ... bei dem Blödsinn!)

Herr Blümel, jetzt gibt es erstmals Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Sie. Ich möchte Sie noch etwas fragen, bevor ich fortfahre. Ich habe Ihren Ausführungen bei der Beantwortung sehr genau zugehört, und da war dann diese letzte Frage, die Frage Nummer 89: „Wann treten Sie zurück?“ Ich finde, das ist eine legitime Frage, und Sie haben darauf geantwortet, Ihr Rücktritt stehe nicht zur Debatte. Ja, was glauben Sie, was das ist, Herr Blümel? Das ist die Debatte über Ihren Rücktritt! Entschuldigen Sie! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Ich hoffe nur, Sie haben die anderen Fragen nicht in einer derartigen Qualität beant­wortet.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt also und führt sogar eine Hausdurchsuchung durch. Ein Richter findet genug Substanz, um zu erkennen, dass diese Hausdurchsu­chung gerechtfertigt ist. Der Justizminister Ihres Koalitionspartners, der Vizekanzler, der jetzt die Justizministerin vertritt, hat diese Hausdurchsuchung zur Kenntnis genommen. Herr Blümel, selbstverständlich gilt für Sie die Unschuldsvermutung. (Bravoruf bei der ÖVP.) – Das ist die juristische Seite.

Es gilt aber auch politische Verantwortung, und darum geht es heute. Hunderttausende sind arbeitslos, Hunderttausende sind in Kurzarbeit, Unternehmen bangen um ihre Exis­tenz. Da braucht es einen Finanzminister, der handlungsfähig ist, der anerkannt ist. Sie sind eben nicht mehr handlungsfähig, Sie sind nicht anerkannt, die Menschen stehen nicht mehr hinter Ihnen. Wie wollen Sie dieses Land aus der Krise führen, Herr Blümel? Das geht einfach nicht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich verstehe die vielen Menschen, die jetzt verärgert sind, die böse auf Sie sind, die sich auch dazu äußern, die diese Situation nicht hinnehmen wollen, die mit ihren Aussagen dafür sorgen wollen, dass Österreich wieder aus diesem Sumpf herauskommt und dass es Österreich besser geht, die das Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch neh­men.

Für diese Menschen möchte ich Ihnen jetzt drei Fragen stellen, Herr Blümel (Abg. Mi­chael Hammer: Das sind wenig! Die Freiheitlichen haben 70 gestellt!): Was bilden Sie sich eigentlich ein? Was bilden Sie sich eigentlich ein, diese Menschen mit Klagen zu bedrohen, um sie zum Verstummen zu bringen? Herr Blümel, was bilden Sie sich ein, wie Sie mit dem Rechtsstaat umgehen, dass Sie und der Bundeskanzler die unabhän­gige Justiz ständig angreifen? Herr Blümel, was bilden Sie sich eigentlich ein, dass Sie noch in diesem Amt bleiben? – Das sind die drei Fragen, Herr Blümel, die Sie gerne beantworten können! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

14.57

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Maurer. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ein zacher Weg ans Rednerpult! – Abg. Kickl: Hier spricht der An­stand!)