15.40

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister und Kolle­gen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht heute um die Frage, ob wir Ihnen, Herr Finanzminister, in dieser Situation noch vertrauen, und die Frage ist schnell beantwortet: Nein.

Lassen Sie mich daher zu einer Person kommen, die heute nicht da ist, nämlich zum Herrn Bundeskanzler! Die Angriffe, die er permanent gegen die Wirtschafts- und Korrup­tionsstaatsanwaltschaft reitet, sind nicht nur unredlich, sondern sie sind ein Frontalangriff auf unseren Rechtsstaat, und das ist einer Regierungspartei und eines Kanzlers unwür­dig! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Wenn man – anders als die ÖVP – keine eigenen Interessen verfolgt, wenn man die Interessen des Rechtsstaats im Blick hat und will, dass die Menschen das Vertrauen in diesen Rechtsstaat haben, dann agiert man nicht so, dann greift man nicht die unabhän­gigen Korruptionsermittler an, die nichts anderes als ihre Arbeit machen – oder sie ma­chen wollen –, auch wenn die Arbeit derzeit darin besteht, mögliche Korruption in der ÖVP und in der Kurz-I-Regierung aufzuklären.

Die WKStA muss auch dann unabhängig ermitteln und aufklären können, wenn dem Kanzler und seinen Freunden das so gar nicht passt. Das ist keine Verfehlung. Eine grobe Verfehlung, ja ein Rechtsbruch wäre es, würde es die WKStA nicht tun. Die Staats­anwaltschaft hat nämlich dem Verdacht sehr wohl nachzugehen, und der Herr Bundes­kanzler weiß das. Das macht ihn und seine Partei so nervös. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Deshalb wollen er und seine Kollegen uns auch seit Tagen weismachen, dass von 40 000 Beschuldigten nur ganz wenige verurteilt werden. Das ist falsch. (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Bei den 40 000 sind auch die Verdächtigen und die Ange­zeigten mitgezählt. Angezeigt und verdächtigt wird man schnell, Beschuldigter – wie Gernot Blümel – zu sein ist etwas anderes. Das wird man nur, wenn mehr dahintersteckt als nur ein vager Verdacht. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Auch eine Hausdurchsuchung kann man nicht nach Gutdünken durchführen. Eine Haus­durchsuchung muss vom Gericht bewilligt werden, und das bewilligt nur – insbesondere da – Wochen vorab, in Ruhe, wenn die Vorwürfe schwer genug wiegen.

Kollegin Steinacker, § 50 Abs. 1 StPO, dritter Satz: Vor einer Hausdurchsuchung bei einem Beschuldigten muss der wohl über seinen Status nicht verständigt werden.

Die Staatsanwältin hat letzte Woche im Untersuchungsausschuss ausgesagt, sie wollte das Ibizaverfahren zügig, ergebnisoffen und frei von politischer Einmischung führen. Das ging nicht. Deswegen schmiss sie hin. Damit ist die ÖVP ihrem Ziel wieder einen Schritt näher: Nicht die Korruption wird in diesem Land mit allen Mitteln bekämpft, sondern die Korruptionsermittler.

Will man nicht, dass Ermittlungen abgedreht werden, muss endlich Minister Kogler – da Ministerin Zadić diesbezüglich säumig blieb, irgendwie zu handeln – das unverzüglich nachholen und die WKStA per sofortiger Weisung – das kann er ohne ÖVP – von der Dreitagesberichtspflicht befreien. Wir beantragen das als Oppositionsparteien heute noch einmal. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Zum Schluss zu Minister Blümel: Da ihm die Grünen weiterhin ihr Vertrauen schenken und ihn im Amt belassen wollen, stelle ich hiermit sicherheitshalber folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kompe­tenzbereinigung im Bereich des Glücksspielwesens sowie Zuständigkeitsänderung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellstmöglich eine Regierungsvorlage vor­zulegen, mit der einerseits die Übertragung der ministeriellen Kompetenz für den Spieler­schutz in den Verantwortungsbereich des BMASGK normiert wird, andererseits für die restlichen Bereiche des Glückspielwesens eine unabhängige und weisungsfrei gestellte Behörde geschaffen wird.“

*****

Weiters beantrage ich:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transpa­renz bei parteinahen Vereinen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der umfas­sende Transparenz bei parteinahen Vereinen sicherstellt, indem auch Spenden an par­teinahe Vereine den Vorschriften, Verboten, Offenlegungs- und Meldepflichten des Par­teiengesetzes unterstellt sowie Offenlegungspflichten für Vereine, die an politische Par­teien spenden, eingeführt werden.“

*****

(Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

15.44

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kompetenzbereinigung im Bereich des Glückspielwesens sowie Zuständig­keitsänderung

eingebracht im Zuge der Debatte in der 83. Sitzung des Nationalrats über die Dringliche Anfrage der Abg. KO Herbert Kickl und weiterer Abgeordneter an den Bundesminister für Finanzen betreffend "Blümel hat sich verzockt – Das Spiel der ÖVP ist aus!"

Am 11. Februar 2021 fand bei Bundesminister Gernot Blümel eine Hausdurchsuchung statt. Die in der "CASAG-Affäre" ermittelnde Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt­schaft (WKStA) vermutet auf Grund einer Vielzahl ausgewerteter Chatnachrichten, dass die Novomatic AG eine Spende an die ÖVP mit einer Unterstützung des Unternehmens im Zusammenhang mit einer Steuernachforderung der italienischen Finanzbehörden verknüpfen wollte.

Stellvertretend für die vielen bereits medial bekannten Chatnachrichten, die diese Ver­dachtslage erhärten, sei folgendes SMS von Novomatic-CEO Neumann an Blümel vom 12. Juni 2017 hier angeführt:

"Guten Morgen, hätte eine Bitte: bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz (erstens wegen Spende und zweitens bezüglich eines Problemes (sic), das wir in Italien haben!"

Gernot Blümel wird von der WKStA als Beschuldigter geführt. Das gesamte Glückspiel­wesen liegt damit in der Kompetenz eines Finanzministeriums, an dessen organisatori­scher Spitze mit Gernot Blümel ein Minister steht, gegen den wegen des Verdachts der Bestechung in Zusammenhang mit Spendenangeboten der Novomatic an die ÖVP er­mittelt wird. Es besteht somit der Verdacht der Parteilichkeit genau in jenen Agenden, für welche Gernot Blümel nach dem Bundesministeriengesetz zuständig ist.

Unabhängig von diesem untragbaren Zustand wäre eine Ausgliederung der Glückspiel­agenden aus dem BMF sinnvoll: Der Bund profitiert einerseits über Steuereinnahmen vom Glücksspiel, ist aber andererseits für den Schutz der Spieler_innen vor Sucht zu­ständig. Sowohl Steuererhebung als auch Spielerschutz liegen in der Kompetenz und daher Verantwortung des BMF, der Konflikt zwischen den fiskalischen Interessen des BMF am Glücksspiel und der Einrichtung einer Spielerschutzstelle bei selbigem Ministe­rium ist offenkundig. Diesbezügliche Fragen (Anfrage vom 24.6.2019 "Reformbedarf und Umgang mit Expertenberichten im Glücksspielrecht", 3879/J XXVI. GP, https://www.par­lament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_03789/index.shtml) wurden vom BMF unklar be­antwortet, das BMF unter Eduard Müller verteidigte die zweigleisige Kompetenzlage je­doch nicht explizit.

Auch im aktuellen Regierungsprogramm findet sich der Passus:

"Die Bundesregierung strebt eine Entflechtung der unterschiedlichen Rollen des BMF im Bereich des Glücksspiels an."

Weiters wurde medial seitens Minister Blümel seit Frühjahr letzten Jahres bereits mehr­fach die Schaffung einer unabhängigen Glückspielbehörde verkündet - ohne diesen An­kündigungen Taten folgen zu lassen (vgl. etwa: https://www.wienerzeitung.at/nachrich­ten/politik/oesterreich/2052674-Bluemel-will-Austro-Loesung-fuer-Casinos.html).

Der Interessenskonflikt innerhalb des BMF lässt sich am sinnvollsten und auch schlüs­sigsten dadurch lösen, dass die Zuständigkeit für den Spielerschutz in den Verantwor­tungsbereich des BMASGK übertragen wird. Weiters sollten die restlichen glückspiel­rechtlichen Agenden möglichst zeitnah einer neu zu schaffenden, unabhängigen und wei­sungsfreien Behörde übertragen werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellstmöglich eine Regierungsvorlage vor­zulegen, mit der einerseits die Übertragung der ministeriellen Kompetenz für den Spieler­schutz in den Verantwortungsbereich des BMASGK normiert wird, andererseits für die restlichen Bereiche des Glückspielwesens eine unabhängige und weisungsfrei gestellte Behörde geschaffen wird."

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Transparenz bei parteinahen Vereinen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 83. Sitzung des Nationalrats über die Dringliche Anfrage der Abg. KO Herbert Kickl und weiterer Abgeordneter an den Bundesminister für Finanzen betreffend "Blümel hat sich verzockt – Das Spiel der ÖVP ist aus!"

Zuwendungen an Parteien durch Umgehungskonstruktionen über Vereine zu verschlei­ern darf nicht möglich sein. Auch auf Empfehlung des Rechnungshofes soll die Auslage­rung von Wahlkampfkosten an Vereine unterbunden werden. Mit der Berücksichtigung von bestimmten Vereinen als "nahestehende Organisationen" im Sinne des § 2 Z 3 Par­teiengesetz 2012 sollen Umgehungen verhindert und Transparenz auf allen Ebenen durchgesetzt werden, unter anderem da Zahlungen von nahestehenden Organisationen im Rechenschaftsbericht ausgewiesen werden müssen sollen.

Im Sinne umfassender Transparenz sollen Vereine, die sich entscheiden Geld- oder Sachspenden an Parteien zu tätigen, diese unmittelbar dem Rechnungshof melden. Da­bei soll offengelegt werden müssen, woher der Verein über die Mittel verfügt, das heißt Spender und Sponsoren angegeben werden. Eine Veröffentlichung dieser Meldung soll durch den Rechnungshof erfolgen. Ebenso sollen derartige Vereine keine unzulässigen Spenden nach dem Parteiengesetz annehmen dürfen. Bei Verstößen sollen Sanktionen gegen Vereinsorgane drohen, um die Durchsetzbarkeit der Bestimmungen zu gewähr­leisten sowie aus generalpräventiven Gründen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der umfas­sende Transparenz bei parteinahen Vereinen sicherstellt, indem auch Spenden an par­teinahe Vereine den Vorschriften, Verboten, Offenlegungs- und Meldepflichten des Par­teiengesetzes unterstellt sowie Offenlegungspflichten für Vereine, die an politische Par­teien spenden, eingeführt werden."

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fürst. – Bitte.

Entschuldigung! Die beiden Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen somit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete, Sie haben jetzt das Wort.