13.10

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, Sie haben vor ein paar Monaten selbst gesagt, Sie wollen eine Mitterechtspolitik mit An­stand. Da fragen sich jetzt wirklich sehr, sehr viele Menschen in Österreich, vor allem nach den Berichten der letzten Tage zu Ihren Handychats mit dem Bundeskanzler und einigen anderen: Was bedeutet Anstand für Sie, Herr Minister?

Gibt es da auch irgendwelche höheren Dinge in der Politik, für die Sie brennen, für die Sie kämpfen? Ich meine dabei andere Dinge als den reinen Eigennutzen, als das reine Eigeninteresse. Die Menschen in Österreich bekommen nämlich jetzt gerade tiefste Einblicke in den innersten Politbetrieb der türkisen Familie. Es sind Einblicke, die sehr viele in Österreich enttäuschen, vor allem jene, die vor einiger Zeit noch sehr viel Ver­trauen in Sie und Ihre türkisen Versprechen des neuen Stils gelegt haben. Jetzt sind sie enttäuscht darüber, wie groß diese Kluft, wie groß dieser Unterschied zwischen den Versprechen und dem, wie türkise Politik tatsächlich funktioniert, ist.

Türkise Politik, das sind Drohungen gegenüber der Justiz, Einschüchterungen gegen­über der katholischen Kirche, Aufbau eines Staates im Staat, Aufbau von Netzwerken in Ministerien, vor allem im Bereich der Justiz, die Schalthebel der Republik mit steuer­baren Personen zu besetzen und damit das Land in den Würgegriff zu nehmen, Frauen­feindlichkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Türkise Politik ist offenbar auch das Zurechtschnitzen eines für die Republik wirklich enorm wichtigen und gut dotierten Postens für jemanden aus Ihrer Familie. „kriegst eh alles was du willst“, so die Worte des Bundeskanzlers an Thomas Schmid. „kriegst eh alles was du willst“: So lautet offenbar die Devise. Unsere Republik dient als Selbst­bedienungsladen, die Öbag, die für die Republik Anteile im Wert von rund 26 Milliarden Euro hält, ist offenbar eine türkise Spielwiese. Das ist nicht nur unreife Politik, das ist auch hochgradig verantwortungslos, es ist zutiefst respektlos gegenüber den Menschen in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Für den ehemaligen Rechnungshofpräsidenten Franz Fiedler ist das alles nicht mehr und nicht weniger als ein typisches Beispiel für Korruption. Thomas Schmid, ein Öbag-Vorstand, der sich weit mehr sich selbst und seiner türkisen Familie als irgendwem sonst verpflichtet fühlt: So ein Vorstand muss gehen. (Beifall bei der SPÖ.) Ein Vorstand, der keine Autorität mehr besitzt, keine Handlungsfähigkeit mehr besitzt, dieses wichtige Unternehmen für Österreich gut zu führen, so ein Vorstand muss gehen, und zwar jetzt, Herr Bundesminister, und nicht erst in einem Jahr. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abge­ordneten Hafenecker, Meinl-Reisinger und Scherak.)

Wissen Sie, wer dafür zuständig ist und wer dafür verantwortlich ist? – Das ist der Haupt­aktionär, das sind Sie, Herr Bundesminister. Der Finanzminister hat die Hauptverant­wortung in dieser Frage. Sorgen Sie dafür, dass dieser Vorstand geht und dieses Unter­nehmen nicht noch ein Jahr in dieser Art und Weise weiterführt! (Beifall bei der SPÖ.)

Zu all dem ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Korruptionsverdacht gegen Sie, Herr Finanzminister, gegen ehemalige ÖVP-Finanzminister. Ja, ob Sie das Strafrecht verletzt haben, das werden die Gerichte klären, ob Sie Amtsmissbrauch begangen haben, auch das haben die Gerichte zu klären, denn weder die türkise Familie noch irgendjemand hier im Saal steht über dem Gesetz. – Nein, niemand steht über dem Gesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Strafrecht darf aber nicht der einzige mora­lische Maßstab sein, der da angelegt wird, denn politischer Anstand heißt eben nicht nur, Regeln und Gesetze einzuhalten. Politischer Anstand heißt, sich so zu verhalten, dass auch Werte, Würde und Moral das politische Handeln leiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist klar: Ohne ein Minimum des politischen Anstands funktioniert unsere Demokratie nicht. Ohne ein Minimum politischen Anstands ist auch kein Staat zu machen, denn unser Staat, unsere Demokratie sind darauf angewiesen, dass es Menschen gibt, die nicht nur ein Verantwortungsgefühl für sich selbst tragen, nein, sondern auch für die Gemeinschaft. Unser Land braucht Menschen, die moralisch sind, die sozial sind, die gemeinwohlorientiert sind. Das gilt für Politiker und Politikerinnen umso mehr, Herr Bundesminister, und es gilt in Zeiten einer Krise umso mehr.

In einer Zeit, in der Österreich mit den dramatischen Folgen einer Jahrhundertpandemie beschäftigt ist, mit überfüllten Intensivstationen, schwer kranken Menschen, täglichen Covid-Toten – auch das muss an dieser Stelle wieder einmal gesagt werden –, mit einer Rekordarbeitslosigkeit, mit zunehmender Armut und mit einem enormen Wirtschafts­ein­bruch, in einer Zeit, in der bei MAN-VW in Steyr mehr als 8 000 Arbeitsplätze gefährdet sind trotz eines Konzerngewinns von mehr als 8 Milliarden Euro im letzten Jahr , in so einer Zeit braucht es eine handlungsfähige, eine moralisch intakte Bundesregierung, die sich selbstverständlich auf die Seite der Belegschaft von MAN stellt (Beifall bei der SPÖ) und die selbstverständlich für zukunftsfähige Lösungen arbeitet und kämpft.

In dieser Zeit braucht unser Land eine Politik des Anstands, eine Politik der sozialen Verantwortung, und es braucht vor allem handlungsfähige Ministerinnen und Minister. Es ist höchste Zeit für einen moralischen Neustart in Österreich, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Sinne: Haben Sie den politischen Anstand, Herr Minister, treten Sie zurück, machen Sie den Weg frei für einen handlungsfähigen Finanzminister in dieser schwie­rigen Zeit! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

13.18

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Maurer. – Bitte.