9.08
Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Ministerin! Sehr geehrter Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Der Klimaschutz ist eine Verpflichtung für uns alle: eine Verpflichtung gegenüber unseren Kindern und Enkelkindern, eine Verpflichtung gegenüber zukünftigen Generationen – jenen, die noch gar nicht geboren sind –, eine Verpflichtung gegenüber jenen Menschen, die in Teilen dieser Welt leben, die aufgrund des Klimawandels unbewohnbar werden, aber auch eine Verpflichtung gegenüber dem Planeten an sich, gegenüber seiner Flora und Fauna. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Klimaschutz bedeutet nicht nur, unsere Welt lebenswert zu erhalten, Klimaschutz bedeutet auch den Schutz unserer Arbeitsplätze und Investitionen in eine gesunde Wirtschaft. Wir haben ein sehr herausforderndes Jahr hinter uns, auf allen Ebenen – in der Wirtschaft, am Arbeitsmarkt und auch betreffend die psychische Belastung unserer Bevölkerung.
Wir werden die Gesundheitskrise hoffentlich bald überstanden haben. Für die Wirtschaftskrise haben wir eine klare Antwort. Hinter dem Comebackplan, der diese Woche zentrales Thema bei der Regierungsklausur war, steht ein sehr großer Ansatz. Wir schaffen damit eine Win-win-Situation. Wir gehen damit die Wirtschafts-, die Beschäftigungs- und die Klimakrise gleichzeitig an. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Wir schützen damit nicht nur unser Klima, sondern wir machen auch unsere Wirtschaft fit für die Zukunft, denn in Zukunft wird sich der Wettbewerb in Europa, aber auch international nicht mehr daran orientieren, was das günstigste, sondern was das grünste Produkt ist.
Die Ergebnisse der Regierungsklausur, der Comebackplan und die Projekte im europäischen Wiederaufbauplan, RRF, sprechen eine deutliche Sprache. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass der Anteil von 46 Prozent an klimarelevanten Projekten, die wir eingebracht haben, bis jetzt der höchste Wert ist, also bis jetzt gibt es kein anderes Land, dass das von der EU-Kommission vorgegebene Ziel so weit übertrifft. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Die von uns an Brüssel gemeldeten 600 Seiten sind ein recht technisches Dokument, dahinter stehen aber ganz konkrete Maßnahmen, die für den Klimaschutz absolute Meilensteine sind.
Ich möchte ein paar Beispiele erwähnen. Wir hätten zum Beispiel den Biodiversitätsfonds: Der Klimawandel, die konventionelle Landwirtschaft gefährden Tausende Tier- und Insektenarten. Der Fonds, der dazu dient, Vielfalt zu gewährleisten, Pilotprojekte, beispielsweise die Versiegelung betreffend, zu schaffen und Schutzgebiete zu errichten, wird zusätzlich zu den bereits bestehenden nationalen Mitteln um 50 Millionen Euro aufgestockt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir investieren 100 Millionen Euro in die klimafreundliche Transformation der Industrie – ein Schlüsselfaktor. Wir kümmern uns mit 50 Millionen Euro um die Ortskerne. Je attraktiver und kühler die Ortskerne sind, umso mehr Leben gibt es dort und umso mehr halten sich die Menschen dort auch auf. Das ist die beste Vorbeugung gegen weitere Bodenversiegelung und absolut hässliche Fachmarktzentren außerhalb der Ortskerne. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Mit 280 Millionen Euro fördern wir die Umstellung auf emissionsfreie Busse. Wir haben das größte Bahnausbauprojektpaket aller Zeiten – das haben wir bereits auf Schiene gebracht –, aber mit den emissionsfreien Bussen schaffen wir die Umstellung auf eine klimaneutrale Mobilität auch an jenen Orten in Österreich, die nicht an das Bahnnetz angeschlossen sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir werden die Klimakrise nur bewältigen können, wenn wir den Ausstieg aus Öl und Gas schaffen. Kohle- und Gasheizungen wird es nur mehr bis 2035 geben. Erdgas wird in 20 Jahren Geschichte sein. Dabei schauen wir, dass wir niemanden zurücklassen. Die Verbindung von ökologischen und sozialen Maßnahmen ist uns Grünen ein ganz zentrales Anliegen und deshalb haben wir in der nächsten Stufe der Sanierungsoffensive zusätzlich 100 Millionen Euro vorgesehen, um speziell einkommensschwache Haushalte zu fördern, die ihre Heizungssysteme austauschen möchten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Auch da haben wir ein Win-win-Situation: Gerade einkommensschwache Haushalte haben wegen der oft veralteten Heizsysteme hohe Energiekosten und hohe Ausgaben, und diese konnten sich den Umstieg auf einen neuen, effizienten und umweltfreundlichen Heizkessel oft nicht leisten. Dafür gibt es jetzt diese Förderung von 100 Millionen Euro. Das ist ökosoziale Politik im besten Sinne: die Verbindung von ökologischen und sozialen Maßnahmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
All diese von mir genannten Projekte – es gibt noch viele mehr, ich habe jetzt nur ein paar genannt – kurbeln die Wirtschaft an. Letzte Woche hat der Rechnungshof seinen Bericht zu den Klimaschutzmaßnahmen bis 2019 vorgestellt. Dieser zeigt uns vor allem eines, nämlich dass vor 2019, vor der grünen Regierungsbeteiligung, viel zu wenig weitergegangen ist. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Während der Treibhausgasausstoß im EU-Schnitt zwischen 1990 und 2017 um ein Viertel gesunken ist, ist er in Österreich um 5 Prozent gestiegen. Wir befinden uns hier also in einer Aufholjagd.
An dieser Stelle: Ich erwarte schon den Einspruch der Sozialdemokratie und eine vollmundige Verkündung von Julia Herr, es sei alles zu wenig, et cetera. – Ich möchte schon darauf hinweisen, wer in all diesen Jahren – auch im Verkehrsressort – in Regierungsverantwortung war (Ruf bei der SPÖ: Ah!), nämlich die Sozialdemokratie. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, was in der Stadt Wien – die Stadt ist natürlich ein ganz zentraler Punkt für die Bekämpfung des Klimawandels – passiert, wo wir Grüne in den vergangenen zehn Jahren ganz viele umwelt- und klimarelevante Projekte umgesetzt haben: All das wird jetzt, kaum sind die NEOS mit der SPÖ in der Regierung, wieder rückgängig gemacht. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Da wird mit einer Stadtautobahn Retropolitik betrieben, wo Ulli Sima sagt: Keine einzige Autospur darf gestrichen werden, Radspuren machen wir nur dort, wo sie zufällig gerade Platz haben, wir bauen eine weitere Stadtautobahn! – Eine Autobahn, das ist Siebzigerjahrepolitik, absolut retro! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei NEOS und SPÖ.) Oder: Am Naschmarktparkplatz wird eine Markthalle gebaut, die dort niemand will. 80 Prozent der AnrainerInnen sind dagegen – eine weitere Hitzeinsel statt grün, statt Park, statt klimafit und Umweltschutz! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Liebe Julia, ich würde dich bitten, werde vielleicht einmal beim Wiener Bürgermeister und bei Kollegin Sima mit deinen Beschwerden vorstellig! Ich glaube, dort wären sie angebracht, denn das, was du den Fridays for Future erzählst, wird von deiner Partei leider nicht umgesetzt – im absoluten Gegenteil. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Wir Grüne sind unter dem Motto: Saubere Umwelt, saubere Politik! (Ruf bei der SPÖ: Ja, ja! – Zwischenruf bei den Grünen), in diese Regierung gegangen, und wir haben eine Klimaministerin, die einem Superressort vorsteht, einem Superressort aufgrund der Größe, aber auch einem Superressort, weil es mit diesem Ressort möglich ist, dass wir das Ruder herumreißen, was die Klimakrise betrifft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)
Ich möchte auch noch Folgendes sagen: Wir haben seit unserem Eintritt in die Regierung vieles auf den Weg gebracht, beispielsweise das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, die Ökologisierung der NoVA, statt der Waldviertelautobahn gibt es den Bahnausbau, es gibt große Elektroautoförderungen, natürlich die Sanierungsoffensive und vieles mehr.
Wir haben in diesem Jahr aber natürlich noch richtig große Brocken auf der Agenda, beispielsweise die ökosoziale Steuerreform, das Klimaticket, die Erhöhung der Plastiksammelquote – es bleibt viel zu tun, es ist eine Aufholjagd.
Wir stellen jetzt die Weichen auf oberster Ebene, wir bauen den Rahmen, damit die Menschen in unserem Land sich klimafreundlich verhalten und klimafreundlich handeln können, damit die Städte und Gemeinden zukunftsgerichtet ihre Emissionen reduzieren können – all das, damit Österreich nicht nur die Klimakrise, sondern auch die Wirtschaftskrise gut bewältigen kann. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Ja, ja!)
Saubere Umwelt, saubere Politik – das ist das Motto und das setzen wir um. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)
9.18
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Gewessler. – Bitte.