10.16

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Wertgeschätzte KollegInnen und wertgeschätzte ZuseherInnen zu Hause! Wie Sie den Reden meiner VorrednerInnen entnehmen können, haben wir im Bereich der Arbeitsmarktpolitik für Menschen mit Behinderungen dringenden Bedarf, die grundlegen­den Barrieren seitens der Gesetzgebung des Bundes zu beseitigen. Daher haben wir auf Initiative von uns Grünen diesen Antrag auch in der letzten Sitzung des Sozial­aus­schusses eingebracht, er wurde einstimmig beschlossen, und heute bitte ich auch um Ihre Zustimmung.

Der Antrag enthält aus unserer Sicht wesentliche erste Schritte, um sich einem inklusi­ven Arbeitsmarkt anzunähern. Das bedeutet, wir versuchen, einen Paradigmenwechsel einzuleiten – und ja, werte KollegInnen der Opposition, dafür wird es wirklich viele von uns brauchen, einen nationalen Kraftakt, so hat das Kollegin Wimmer in der letzten Sitzung des Sozialausschusses genannt, und ich hoffe daher auf Ihre Unterstützung. Das beinhaltet, dass Sie sich auch gerne mit den LänderkollegInnen vernetzen können und mit ihnen sprechen sollen. Es gibt auf Länderseite zwar das Bekenntnis: Ja, das ist sehr wichtig!, das hat sich aber für Menschen mit Behinderungen bis jetzt leider nicht in den Ländergesetzen abgebildet.

Wir wollen weg vom Bild von Menschen mit Behinderungen als BittstellerInnen, hin zu einem Bild als TrägerInnen von Rechten. Wir wollen weg vom medizinischen Modell, das Behinderung als defizitär, als Leid, als nicht normal betrachtet; wir wollen hin zum sozialen Modell, das die Fähigkeiten und Ressourcen des Individuums betrachtet und das Umfeld und die Umwelt miteinbezieht. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Grünberg.)

Wir wollen auch weg von der paternalistischen Vorstellung, die Menschen mit Behin­derungen den Kinderstatus zuschreibt, und hin zu Selbstbestimmung. Daher arbeiten wir auch bundesweit an einer persönlichen Assistenz. Auch das ist ein Riesenprojekt, eine Riesenreform. Es braucht sehr viele, die da mitgehen – wirklich viele!

In Gesprächen, die ich seit Einbringen des Antrages mit SelbstvertreterInnen, aber auch mit Organisationen für Menschen mit Behinderungen führe, zeigt sich große Sorge über die jeweiligen Ländergesetze und darüber, dass ein Mindestlohn letztendlich zu Armut führt – zum Beispiel aufgrund von wegfallender Landesleistung in der Behindertenhilfe – und dass er Menschen mit Behinderungen in die Werkstatt zementiert. Das sage ich jetzt bewusst in Bezug auf die Anträge der FPÖ, sowohl auf jenen in der letzten Sozial­ausschusssitzung in Bezug auf den Mindestlohn als auf den heutigen.

In Deutschland ist das nämlich gerade Thema. Dort arbeiten Menschen mit Behin­derungen in Massenwerkstätten – ich glaube, Sie können sich das nicht vorstellen, außer Sie wissen es –, das ist kein Vergleich zu unseren Werkstätten, es sind riesige Massenwerkstätten. Dort gibt es einen Mindestlohn: Ja, das ist billiger für alle. Behinderte Menschen bleiben schön in den Werkstätten, sie bleiben schön exkludiert, es gibt fast keine Durchlässigkeit zum Ersten Arbeitsmarkt mehr – und das, sehr geehrte Damen und Herren von der FPÖ, wollen weder Menschen mit Behinderungen noch wir Grüne. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was Menschen mit Behinderungen wollen, ist, anerkannt zu werden. Sie wollen sich – wie alle anderen Menschen auch – eine Arbeit aussuchen können, die sie interessiert, die ihnen Sinn gibt, und so auch einen Teil zu dieser Gesellschaft beitragen können. Ja, viele Menschen mit Behinderungen wollen sich beweisen, nicht vor einer Person eines medizinischen Berufs, die ihnen sagt, was möglich ist und was nicht. Sie wollen sich am Arbeitsmarkt beweisen. Mit den Worten der SelbstvertreterInnen der Menschen mit Lernschwierigkeiten in Österreich und international: Richtiges Geld für richtige Arbeit! – Das ist ihre Forderung.

Wir sollten auf sie hören. Wir können noch so oft vom inklusiven Arbeitsmarkt sprechen, aber die Haltung, die dahintersteht, verrät, ob es auch eine Bereitschaft der Länder, der Sozialversicherungen, des AMS, des Arbeitsministers, des Finanzministers, der Wirtschafts- und Digitalisierungsministerin – es gibt so viele Bereiche –, des Bildungsministeriums, nicht nur des Sozialministeriums gibt, hier Grundlegendes zu verändern. Für mich ist Inklusion vor allem eines: eine Haltung. Zeigen Sie mit Ihrer Zustimmung bitte auch Haltung! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.21

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fiedler. – Bitte sehr.