RN/73

16.44

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Danke für das Wort, Herr Präsident! Sehr geschätzte Staatssekretärin! Sehr geschätzte Herren Staatssekretäre! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Jetzt haben wir es schon gehört: Präsident Selenskyj besucht heute Österreich. Jetzt wissen es alle, vielleicht auch dank der Dringlichen der FPÖ. Er ist Präsident eines Landes, das seit drei Jahren gegen diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, den Russland führt, kämpft, die Bevölkerung leidet. Und der FPÖ fällt heute einmal mehr nichts anderes ein, als eine Dringliche Anfrage einzubringen, die ein weiteres Kapitel in ihrer langen, langen, langen Geschichte der politischen Anbiederung an den Kreml darstellt. Diese Dringliche Anfrage, Kolleginnen und Kollegen, ist kein Ausdruck von Sorge um unsere Verfassung oder um unsere Neutralität, sie ist ein politischer Kniefall vor Russland, und das nicht zum ersten Mal in Ihrer Geschichte. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben es heute schon ein paarmal gehört, ich erinnere gerne nochmals daran: Der Knicks Ihrer Außenministerin Karin Kneissl vor Wladimir Putin auf ihrer eigenen Hochzeit vor den Augen der Weltöffentlichkeit, das war nicht einfach nur irgendein diplomatischer Fauxpas, das war ein sichtbares Zeichen (Abg. Shetty [NEOS]: Der Äquidistanz!) blauer Unterwerfung unter einen Autokraten – das war es. 

Und heute setzen Sie mit dieser Dringlichen dieses Knicksen auf einem anderen Weg, auf eine andere Art und Weise fort, mit einer Dringlichen, in der Sie versuchen, die Verantwortung umzukehren. Sie versuchen, den Täter zum Opfer zu machen. Sie versuchen, einen Präsidenten, der um den Fortbestand, um das Überleben seines Landes kämpft, zu einer Provokation zu erklären, während Sie gegenüber dem Kriegsverbrecher schweigen.

Sie tun so, als würde ein Besuch von Selenskyj Österreichs Neutralität gefährden, und da widerspreche ich Ihnen mit großer Vehemenz. Nein, Neutralität bedeutet ganz sicher nicht, ganz, ganz sicher nicht, dass wir nicht wissen, auf welcher Seite wir stehen, wenn Unrecht passiert. Neutralität heißt nicht, dass wir gegenüber Kriegsverbrechern und Kriegsverbrechen gleichgültig sind.

Wir dürfen niemals gleichgültig sein, wenn wir an Butscha oder an Irpin denken, so wie es auch Klubobmann Shetty vorhin ausgeführt hat: Dort wurden Zivilistinnen, Zivilisten auf offener Straße exekutiert, mit gefesselten Händen, mit Einschusswunden am Hinterkopf. Das sind keine tragischen Begleiterscheinungen eines Krieges, das sind systematische Kriegsverbrechen, das ist staatlich organisierter Terror. (Abg. Kogler [Grüne]: Jawohl! So ist es!) Und wer angesichts dessen Neutralität einfordert, relativiert das Unvorstellbare! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kogler [Grüne]: Bravo!)

Und wenn Sie, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, angesichts zerbombter Geburtskliniken, vergewaltigter Frauen und Tausender verschleppter Kinder einer österreichischen Regierung tatsächlich Kritik entgegenstellen, weil sie der Ukraine die Hand reicht, dann stehen Sie nicht auf dem Boden der österreichischen Verfassung, sondern auf dem dünnen Eis politischer Verirrung. Deshalb sage ich Ihnen heute nochmals hier mit aller Eindeutigkeit, und wir haben die Reden auch der vorherigen Fraktionen gehört: Vier Fraktionen in diesem Haus stehen an der Seite der Ukraine, nur eine Fraktion, eine Partei steht regelmäßig an der Seite Russlands (Abg. Kickl [FPÖ]: Nein!), und das sind Sie, die FPÖ. (Abg. Pracher-Hilander [FPÖ]: Nein, das stimmt nicht!)

Sie erweisen mit Ihrer Dringlichen Anfrage Österreich keinen Dienst. Sie stellen sich vielmehr in den Dienst eines Regimes, das die Pressefreiheit abschafft, das Menschenrechte missachtet und das einen brutalen völkerrechtswidrigen Eroberungskrieg führt. Das ist, was Sie heute machen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.) 

Ja, Österreich hat seit Kriegsbeginn die Ukraine unterstützt: finanziell, humanitär, medizinisch, strukturell. Das war notwendig, das war richtig, und das ist es auch weiterhin. Deshalb – bei allem Konsens, den es hier mit den anderen Parteien gibt – muss ich trotzdem anmerken und kritisieren, dass in diesem aktuellen Budget, das beschlossen werden soll, gerade bei der humanitären Hilfe gekürzt wird. Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien, das ist sehr problematisch, und wir erachten das als falsch, weil klar ist: Solidarität kürzt man nicht. Solidarität lebt man vor allem in Krisenzeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Für uns ist auch klar: Hilfe ist mehr als Geld. Hilfe heißt auch, dass man politische Verantwortung übernimmt. Die Ukraine will in die Europäische Union, das haben wir schon vorhin gehört, da gehört sie auch hin – vielleicht nicht gleich morgen, aber in Zukunft. Das ist der Weg, den die Ukraine nehmen soll: in die Europäische Union, und unsere Aufgabe hier als österreichische Parlamentarier:innen, auch der österreichischen Regierung ist es, sie bei jedem Schritt dorthin zu unterstützen, wo und wie wir nur können, so wie das in der Vergangenheit auch unsere Ministerinnen Gewessler und Zadić gemacht haben, beispielsweise bei der interministeriellen Zusammenarbeit. Wir hoffen sehr und sind sehr zuversichtlich, dass auch die jetzige Regierung diesen Weg fortschreiben wird.

Eine Sache ist auch noch klar – ich glaube, Kollegin Bayr hat das ein bisschen in den Raum gestellt –: Auch Europa selber muss sich handlungsfähiger machen, muss handlungsfähiger werden. Deswegen setzen wir Grüne uns auf europäischer Ebene dafür ein, dass das Einstimmigkeitsprinzip in der EU-Außenpolitik fällt, weil wir in der Vergangenheit gesehen haben, wie nationale Vetos Europa lähmen und wie das genau jenen nutzt, die Europa von innen heraus schwächen wollen. Es ist ja kein Zufall, dass diejenigen, die den Rechtsstaat, die Pressefreiheit, die Minderheitenrechte aushöhlen wollen, häufig auch dieselben sind, die die Nähe zu Putin suchen. Das sind, Herr Kickl, Ihre guten Freunde, ob sie Orbán oder Fico heißen, die kennen Sie sehr gut. Sie bezeichnen sie ja auch als Ihre Vorbilder.

Ich möchte aber abschließend noch zu dieser Dringlichen Anfrage kommen, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ. Ich habe mir die letzte Frage hier hervorgehoben, Frage Nummer 45, da fragen Sie: „Sind in den nächsten Monaten (bis Ende 2025) weitere Besuche österreichischer Politiker in der Ukraine geplant? [...] Wenn ja, wer wird in die Ukraine reisen?“ – Ich hätte da eine Gegenfrage an Sie: Plant denn die FPÖ in nächster Zeit Besuche in Russland? Wenn ja, wer reist und wer zahlt? (Abg. Schnedlitz [FPÖ]: Nein, weil wir unsere Neutralität nicht opfern wie Sie! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Gibt es dann vielleicht wieder ein Selfie vor dem Kreml und einen neuen Freundschaftsvertrag, aber diesmal abgeschlossen mit einem Mann, gegen den ein internationaler Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen vorliegt? (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)

16.50

Präsident Peter Haubner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Martin Graf. Ich habe Ihre Redezeit auf 5 Minuten eingestellt. (Abg. Shetty [NEOS]: Jetzt bin ich gespannt, weil die Russlandfreundlichkeit passt eigentlich nicht ins Weltbild! – Abg. Kogler [Grüne]: Hauptsache durcheinander!)