RN/64

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Volksanwaltschaft über den Antrag 395/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, MMag. Pia Maria Wieninger, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verurteilung systematischer Menschenrechtsverletzungen in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine und des unmenschlichen Umgangs mit Kriegsgefangenen (275 d.B.)

Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 7. Punkt unserer heutigen Tagesordnung. 

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße zu diesem Tagesordnungspunkt jetzt Frau Bundesministerin Beate Meinl-Reisinger und erteile Frau Abgeordneter Elisabeth Heiß das Wort.

RN/65

13.25

Abgeordnete Elisabeth Heiß (FPÖ): Danke, Frau Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Heute geht es um den Antrag betreffend „Verurteilung systematischer Menschenrechtsverletzungen in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine und des unmenschlichen Umgangs mit Kriegsgefangenen“.

Die meisten Überlebenden der Ukrainer und auch der Russen klagen: Der Krieg hat uns unserer Jugend beraubt; wir sind Geister dessen, was wir einmal waren. – Diese Stimmen aus dem Kriegsgebiet mahnen uns, genauer hinzuhören, deshalb stimmen wir Ihrem Antrag zu, der den unmenschlichen Umgang mit den Kriegsgefangenen scharf verurteilt.

Ich muss hier aber auch einiges kritisieren, denn Ihnen fehlt da offenbar der Weitblick. Russlands Geiselnahme ist keine isolierte Schandtat, sondern das brutale Ergebnis eines Krieges, den der sogenannte Wertewesten (Abg. Brandstötter [NEOS]: Was?) mit seiner endlosen Eskalation am Leben hält. (Abg. Zorba [Grüne]: Wer hat den Krieg gestartet?) Grausamkeiten gibt es auf beiden Seiten, auf russischer und auf ukrainischer (Abg. Kickl [FPÖ]: So wie in jedem Krieg, Frau Außenminister!), und beide verbluten für fremde Interessen.

Was Sie hier bekämpfen, ist nur ein Symptom, die Wurzel allen Übels bleibt dabei unberührt. Sie fordern, dass im Krieg die Menschenrechte eingehalten werden (Abg. Brandstötter [NEOS]: Ja!), aber im Krieg gibt es keine Gerechtigkeit. Im Krieg sterben Menschen, das ist immer ungerecht. (Abg. Stögmüller [Grüne]: ... ist die Frage ...!) Um Menschenrechtsverletzungen zu beenden, muss auch endlich der Krieg enden. (Beifall bei der FPÖ.)

Das geht nur durch Frieden. Frieden ist die einzige Möglichkeit, die Sie aber partout ablehnen. Sie haben Angst vor dem Frieden, denn er bedroht den Mainstream, der sich bereits in eine Sackgasse manövriert hat. Kommt der Frieden, kommen unbequeme Fragen: Wohin ist das ganze Geld geflossen?

Während wir hier debattieren, verhandeln die USA bereits einen längst überfälligen Friedensplan aus – alles andere wäre unmoralisch. Sagen Sie jetzt bitte nicht wieder, dass dieser Frieden ein falscher Frieden sei, nur weil die EU nicht mit einbezogen wurde! Wir sind auch keine Putin-Freunde oder Trump-Versteher, nur weil wir für diesen Frieden sind. (Abg. Stögmüller [Grüne]: Nein, Ihr Freund heißt Putin!) Dass Sie uns in dieses Licht rücken, ist schlichtweg absurd. Wir folgen weder Putins Propaganda noch Trumps Egoshow. Sie sind auf diesem Auge blind, deshalb nutzen Sie auch dieses typische Wording, um die Menschen zu verunsichern.

So wie die Medien: Die nutzen ebenfalls dieses Wording und berichten selektiv. Israels Schlag gegen den Iran – das klingt harmlos; Russlands Einmarsch in die Ukraine ist das tiefe Böse. (Abg. Stögmüller [Grüne]: Was?) – Ja, es ist auch das tiefe Böse, aber beides verletzt das UNO-Gewaltverbot, das darf man nicht vergessen. Was macht unsere Regierung? – Sie spielt Couchgeneräle gegen Russland, predigt aber bei Israel und Iran Deeskalation.

Die Frau Außenminister (Abg. Disoski [Grüne]: -in!) rechtfertigt in der „ZIB 2“ eine haarsträubende Logik: Im Ukrainekrieg leugnet der Aggressor das Existenzrecht, das ist völkerrechtswidrig. – Ja, das stimmt, aber Sie sagen auch, beim Iran sei Israels Präventivschlag wegen des Atomwaffenrisikos, das vom Iran ausgeht, in Ordnung gewesen. Der Iran hat aber nie einen Angriff gestartet. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller [Grüne].)

Was ist mit Nordkorea? Nordkorea hat ebenfalls Atomwaffen. Darauf sagen Sie in der „ZIB 2“: Da können wir nichts mehr machen, weil Nordkorea schon Atomwaffen hat. – Das, meine Damen und Herren, ist doch eine Doppelmoral. (Abg. Stögmüller [Grüne]: Was?)

Besinnen wir uns auf das, worin Österreich aufgrund der immerwährenden Neutralität stark ist, nämlich Diplomatie statt Eskalation! (Beifall bei der FPÖ.)

Wer diesen bereits verlorenen Krieg der Ukrainer fortsetzt, sollte doch selbst an die Front gehen. (Abg. Brandstötter [NEOS]: Ja, ich war dort, was wollen Sie wissen?) Fordern Sie nicht nur den Stopp der Verletzung der Menschenrechte, sondern fordern Sie endlich den echten Frieden (Zwischenruf des Abg. Stögmüller [Grüne]), denn gerade in der Vorweihnachtszeit sehnen sich alle Familien danach. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kickl [FPÖ]: Sie müssen aufpassen, Sie können auch mit der Mimik die Würde des Hauses verletzen, Frau Außenministerin, das haben wir gerade vorhin gehört! – Bundesministerin Meinl-Reisinger: Ich glaube, die Würde des Hauses war durch die Rede verletzt, Herr Kollege!)

13.29

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gudrun Kugler.

RN/66

13.29

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Außenministerin! Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Heiß, ich habe jetzt Ihren Ausführungen und Vergleichen nicht vollends folgen können, möchte aber auf eines hinweisen: Unser Antrag – dem Sie zustimmen werden, was mich sehr freut – beinhaltet als Punkt eins den Waffenstillstand und den „umfassenden, gerechten und nachhaltigen Frieden in der Ukraine“. Da sind wir ganz klar aufgestellt und ich bin froh, dass wir diesem Antrag heute einstimmig zustimmen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Gestern war der 10. Dezember, das ist der internationale Tag der Menschenrechte. Wir begehen diesen Tag, weil nach den Menschenrechtsverletzungen, nach den haarsträubenden Verbrechen des Zweiten Weltkriegs 1948 die Staatengemeinschaft gesagt hat: Es gibt Dinge, die man nicht dem Gutdünken eines Staates überlässt; es gibt Grundprinzipien, nämlich die Würde des Menschen und seine Rechte zu schützen, ohne Ansehen der Person, aufgrund seiner Würde, nicht aufgrund der Großzügigkeit des Staates. – Das haben wir gestern gefeiert, und es ist wichtig, daran zu erinnern, denn jede Generation muss sich den Respekt vor den Menschenrechten neu erarbeiten und neu erkämpfen. 

Leider – leider – sehen wir jetzt, dass mitten in Europa Menschenrechtsverletzungen in einem Ausmaß verbreitet und systematisch wieder da sind, wieder möglich sind, obwohl wir seit Jahrzehnten gemeinsam an einem tieferen Verständnis der Menschenrechte arbeiten. 

Wir haben in unserem Antrag die Situation der russisch besetzten Gebiete genau unter die Lupe genommen. Wir haben auf unterschiedlichen Ebenen gesehen, was dort passiert. Viele Stichworte kennt man, einige vielleicht nicht: weit verbreitete Folterkeller, keine gerechten Verfahren bis hin zu außergerichtlichen Exekutionen, Verschleppungen von Kindern. Wir haben in den letzten zwei Jahren hier zwei Anträge dazu verabschiedet. 

Gestern fand im Palais Epstein eine Veranstaltung der Paneuropa-Union statt, die ich als Schirmherrin unterstützt habe – viele Kolleginnen und Kollegen waren dort –, bei der eine 19-Jährige aus den besetzten Gebieten anwesend war und erzählt hat, was sie in den letzten fast vier Jahren erlebt hat. 

Weiters: Religionsfreiheit – alle nicht russisch-orthodoxen Kirchen erleben die schlimmsten Repressalien bis hin zu Folter und Ermordung ihrer Leiter; das betrifft vorwiegend Protestanten, Katholiken und die ukrainisch-orthodoxe Kirche –, Einschränkungen der Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Pressefreiheit und natürlich die Situation der Häftlinge, der Kriegsgefangenen. – Da möchte ich unserer früheren Kollegin Stephanie Krisper ein ganz besonderes Dankeschön aussprechen, die einen Betroffenen, der aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, zum Austausch mit den Abgeordneten hierher ins Parlament gebracht hat. Auch auf Basis seiner Geschichte haben wir diesen Antrag geschrieben. 

Was sind unsere Kernforderungen? – Erstens, wie ich auch Frau Kollegin Heiß schon gesagt habe: Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Es gibt da Fortschritte, es gibt eine neue Dynamik! Wir begrüßen das. Es ist aber wichtig, dass wir anerkennen, dass wir alle über unseren Schatten springen müssen, damit wir Frieden möglich machen. Wir brauchen diesen Frieden, wir schulden das uns allen, wir schulden das Europa und wir schulden es unseren Kindern. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Brandstötter [NEOS]. – Abg. Stögmüller [Grüne]: Was heißt das jetzt genau?)

Folter und das Verschwindenlassen von Menschen in besetzten Gebieten: Wir müssen das entschieden verurteilen, und wir müssen darauf bestehen, dass das Internationale Komitee vom Roten Kreuz Zugang zu den unterschiedlichen Lagern und Haftanstalten bekommt. Das ist im humanitären Völkerrecht so vorgesehen – derzeit wird das Rote Kreuz nicht vorgelassen! 

Und als letzter und ganz wichtiger Punkt: die strafrechtliche Verfolgung der Kriegsverbrecher, Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, eine Amnestie für Kriegsverbrecher kann nicht Teil eines gerechten Friedens sein! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Disoski [Grüne].)

13.34

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Pia Maria Wieninger.

RN/67

13.34

Abgeordnete MMag. Pia Maria Wieninger (SPÖ): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Außenministerin! Hohes Haus! Auch wenn der Krieg das Schlimmste ist, was Menschen hervorbringen können, muss es auch in den dunkelsten Momenten gewisse Regeln geben: ein Rest von Menschlichkeit. Und genau um diesen geht es in dem vorliegenden Antrag. 

Was unterscheidet uns von jenen, die Gewalt zum Mittel ihrer Politik machen? – Die Antwort ist einfach und doch entscheidend: Wir halten an den Prinzipien des Rechts fest, selbst dann, wenn andere es mit Füßen treten. 

Seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine erleben wir die massivsten Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht auf europäischem Boden seit Jahrzehnten. Auch wenn der Krieg mittlerweile fast vier Jahre andauert, dürfen wir uns niemals daran gewöhnen, und wir dürfen nie vergessen, dass dieser Krieg auch ein Angriff auf die europäische Sicherheitsordnung ist. 

Doch selbst im Krieg braucht es Grenzen, und wer diese Grenzen überschreitet, der muss zur Verantwortung gezogen werden. Seit Februar 2022 wurden unzählige Menschen getötet oder verletzt. In den besetzten Gebieten werden Ukrainer:innen verschleppt, gefoltert, misshandelt, ermordet. Unabhängige Organisationen, von der UNO über die OSZE bis zum Europarat, dokumentieren systematische Kriegsverbrechen: die Misshandlung von Gefangenen, die Verweigerung humanitärer Hilfe, den Ausschluss des Roten Kreuzes. 

Ein weiteres Kriegsverbrechen ist die gezielte Entführung und Umerziehung von ukrainischen Kindern. Abgeordnete Kugler hat es vorhin schon erwähnt: Die 19-jährige Walerija Sydorowa hat gestern in Wien von ihrer Verschleppung durch russische Soldaten auf die Krim in ein Umerziehungslager erzählt. Sie wurde mit 16 Jahren ihrer Familie entrissen und mit rund 500 anderen Kindern aus ihrem Ort verschleppt und in ein Lager gesteckt, um russifiziert zu werden. – Ich möchte dir, Walerija, und den Zigtausenden anderen Kindern, für die du heute sprichst, für die du heute Zeitzeugin bist, sagen: Wir sehen euch und wir hören euch und wir werden euch nicht vergessen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Disoski [Grüne].) Wir werden alles, was in unserer Macht als Abgeordnete beziehungsweise in der Macht der Regierung steht, tun, damit dieses Unrecht, das euch angetan wird, endlich gestoppt wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Strasser [ÖVP].) 

Sie alle frage ich: Wollen wir das als neue Realität in Europa hinnehmen oder stehen wir geschlossen gegen jene auf, die systematisch Menschenrechte verletzen? Dieser Krieg ist mehr als ein territorialer Konflikt. Er ist ein Angriff auf unsere Werte, auf die regelbasierte internationale Ordnung und auf die Idee von Freiheit und Selbstbestimmung. Die Ukraine kämpft nicht nur für sich, sie kämpft für das, was Europa ausmacht: Recht vor Gewalt, Demokratie vor Diktatur und Würde vor Willkür. 

Genau deshalb liegt heute dieser Antrag vor. Schauen wir also nicht weg, wenn Unrecht passiert, sondern handeln wir! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) 

13.37

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter.

RN/68

13.37

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein schwerer Bruch des Völkerrechts und auch ein Angriff auf die Grundprinzipien Europas: Freiheit, Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit. 

Unter all diesen dokumentierten Kriegsverbrechen sticht eines ganz besonders hervor, nämlich die systematische Verschleppung ukrainischer Kinder und ihre Umerziehung in Russland. Nach Angaben ukrainischer Behörden, der UN und internationaler Beobachter wurden über 20 000 Kinder – über 20 000 Kinder! – aus den besetzten Gebieten entführt, oft ohne jede Möglichkeit, ihre Eltern zu kontaktieren. Viele erhalten dann neue Namen, neue Pässe, eine neue Identität, müssen eine neue Sprache lernen, und sie verlieren unter diesem staatlichen Zwang all ihre Wurzeln. Russland nennt das Evakuierung, und wir müssen es als das benennen, was es ist: Es ist Deportation, es ist Entführung, es ist Russifizierung, es ist ein Kriegsverbrechen! (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Bogner-Strauß [ÖVP].) Der Internationale Strafgerichtshof hat deshalb auch einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin erlassen. 

Jetzt möchte ich gerne ein Wort an Kollegin Heiß richten. – Wo ist sie? Sie sucht vielleicht gerade ihr Geschichtsbuch. – Da sind Sie. Bitte das Geschichtsbuch nicht nur verwenden, wenn ein Tisch wackelt, sondern es auch lesen! Wenn Sie hier von Couchgenerälen sprechen und davon, dass man doch einmal an die Front fahren soll, dann habe ich Nachrichten für Sie: Ich war an der Front, gemeinsam übrigens mit Kollegen David Stögmüller und mit Penny Bayr. Ich war heuer drei Mal in der Ukraine, und ich bringe junge politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in die Ukraine, um ihnen den Krieg zu zeigen, denn man muss es mit eigenen Augen gesehen haben. 

Sie sind ein ganz gutes Beispiel dafür, wie sehr man sich eigentlich von dem, was in der Ukraine passiert, entfernt, wenn man hier sitzt: Nämlich Sie sind die Couchgenerälin – wenn Twitter oder X mein Werkzeug ist, wenn ich mich auf Telegram ausbreite und nicht einmal wirklich recherchiere, hinfahre, mit eigenen Augen sehe, mit eigenen Ohren höre, was es bedeutet, wenn eine Drohne kommt und eine Stadt angreift, wenn man nicht mit Menschen gesprochen hat, die zutiefst traumatisiert sind, wenn man Kriegsversehrte getroffen hat. – Das sollten Sie einmal machen, denn Sie sind hier die Couchgenerälin und sonst niemand! (Beifall bei NEOS und Grünen sowie der Abg. Wieninger [SPÖ]. – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Und Ihre Ausflüge bringen die Leute dort zusätzlich in Gefahr!)

13.39

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Meri Disoski.

RN/69

13.40

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Danke für das Wort, Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir sprechen jetzt über etwas, das eigentlich überhaupt keinen Interpretationsspielraum offen lässt. Wir sprechen über gut dokumentierte und belegte Kriegsverbrechen Russlands. Diese Kriegsverbrechen sind von verschiedenen internationalen Organisationen dokumentiert, belegt, und das einwandfrei. Zahlreiche Berichte zeigen das schwarz auf weiß und führen uns vor Augen, was in russischer Gefangenschaft passiert. 

Was sehen wir da? – Wir sehen, dass ukrainische Kriegsgefangene misshandelt werden. Sie werden vergewaltigt, sie werden der medizinischen Versorgung beraubt, sie werden gefoltert, sie werden hingerichtet oder sie verschwinden. Ihre Familien wissen monatelang nicht, ob ihre Söhne, ob ihre Töchter überhaupt noch am Leben sind und zurückkommen werden. 

Während wir hier in diesem Haus debattieren, bricht Putins Regime Menschen. Das passiert systematisch, geplant, gewollt. Das ist kein Zufall. Das ist nicht das Fehlverhalten einzelner Soldaten, das sind staatlich organisierte Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und gegen Menschenrechte. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Glauben Sie, dass die Russen dort in die Kuschelzone kommen in der Ukraine?) Und wir, Österreich, dieses Hohe Haus, wir haben die Pflicht, diese Politik der Entmenschlichung, diese Kriegsverbrechen klar zu benennen und klar zu verurteilen, nicht leise, nicht zögerlich, sondern laut und deutlich, wie wir das heute hier machen werden. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ sowie der Abg. von Künsberg Sarre [NEOS].)

Das bringt mich zu einem Punkt, den ich heute nicht ausklammern kann. Wir verurteilen hier heute als österreichisches Parlament diese einwandfrei dokumentierten brutalen Kriegsverbrechen, die Putin beauftragt. Das ist gut, dass wir das machen. Wir setzen damit ein wichtiges Zeichen. Wir Grüne, meine Fraktion, haben dazu schon im März einen Antrag hier im Hohen Haus eingebracht. Das hat die Regierungsparteien ihrerseits dazu animiert, einen eigenen Antrag einzubringen, der im Juli eingegangen ist. Diesen Antrag der Regierungsparteien beschließen wir heute, den Antrag meiner Fraktion, der Grünen, finden Sie, sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher, aber heute nicht auf der Tagesordnung. Warum? – Weil die Regierungsparteien unseren Antrag vertagt haben, sie haben ihn auf Eis gelegt. 

Wieso haben sie das gemacht? – Unser Antrag fordert die Bundesregierung dazu auf, Kriegsverbrechen Russlands zu verurteilen und sich auf internationaler Ebene für die Strafverfolgung dieser Verbrechen einzusetzen. Da kann man ja eigentlich nicht dagegen sein, oder? Da kann man nicht dagegen sein, wieso vertagt man so etwas? – Vielleicht vertagt man das, weil ein Teil unseres Antrages unbequem war, weil wir gefordert haben, russische Einflussnahme in Österreich offenzulegen. Dazu wollt ihr aber offensichtlich lieber schweigen, als die Debatte hier ins Hohe Haus zu bringen und klar Position zu beziehen. Ich muss ganz offen sagen: Ich finde das insbesondere von den NEOS sehr, sehr, sehr enttäuschend. Ihr Klubobmann Shetty hat im vergangenen Jahr hier im Hohen Haus noch öffentlichkeitswirksam Unterschriften für das Einsetzen eines eigenen Russland-Untersuchungsausschusses gesammelt (Abg. Stögmüller [Grüne]: Der kommt schon noch!), und heute hilft ausgerechnet seine Fraktion – die NEOS – dabei mit, das Thema hier zuzudeckeln.

Von den selbst erklärten Aufklärern seid ihr – schwuppdiwupp! – zu den Zudecklern geworden. Im Gegensatz dazu sagen wir Grüne: Österreich darf nicht wegsehen, nicht bei Kriegsverbrechen, nicht bei Menschenrechtsverletzungen (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Außer Sie passieren im eigenen Land in der Coronazeit!) und ganz sicher auch nicht dann, wenn autoritäre Regime versuchen, Einfluss auf unsere Demokratie zu nehmen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Ofenauer [ÖVP].)

13.43

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Beate Meinl-Reisinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.

RN/70

13.43

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Danke, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! In 13 Tagen ist Weihnachten, und das ist natürlich immer eine besondere Zeit, die man tunlichst mit Freunden, mit Familie, mit den eigenen Kindern verbringt. Es ist eine Zeit, die einem wirklich auch brutal vor Augen führt, dass die Ukraine jetzt schon nahezu den vierten Winter im Krieg lebt, dass dort viele Familien nicht gemeinsam feiern werden (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Die Russen feiern auch später!), viele Kinder von ihren Eltern getrennt sind, viele Familien durch den Krieg auseinandergerissen worden sind und die Ukraine wirklich mit unsäglichem Leid konfrontiert ist. Insbesondere das Schicksal der Kinder in der Ukraine nimmt uns alle sehr mit, und es ist auch für die österreichische Bundesregierung ein Auftrag, zu handeln.

Ich habe – ich glaube, es ist jetzt zwei Wochen her – den ukrainischen Menschenrechtsaktivisten Mykola Kuleba getroffen. Er ist der Vorsitzende der NGO Save Ukraine. Save Ukraine kümmert sich einerseits darum, von Russland deportierte Kinder wieder zurück in die Ukraine zu holen, den Kindern andererseits dann aber auch in dieser Zeit Unterstützung durch eine Begleitung, durch psychologische Betreuung, durch entsprechende Bildungsmaßnahmen, auch durch künstlerische Maßnahmen zu bieten, um sie wieder hin zu einem normalen Leben zu begleiten, soweit das möglich ist. 

Ich möchte Ihnen das ganz kurz zeigen: Einige dieser Kinder haben Weihnachtsbilder gemalt, wie wir sie alle kennen. (Die Rednerin hält einige Kinderzeichnungen mit weihnachtlichen Motiven in die Höhe und zeigt diese der Reihe nach.) Das ist natürlich sozusagen auch Teil der Auseinandersetzung mit ihren Traumata, die sie erlebt haben. Es sind wirklich sehr, sehr schöne dabei, die, glaube ich, vor allem Zeugnis davon geben, was sich die Kinder wünschen: nichts anderes als ein Leben in Frieden und Freiheit und ein Weihnachtsfest, das sie gemeinsam mit ihren Eltern, mit ihren Verwandten und vielleicht ihren Geschwistern verbringen können. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich bin daher sehr dankbar für diesen heutigen Antrag des Nationalrates, weil ich als österreichische Außenministerin der Aufforderung darin sehr gerne nachkomme. Ich bin vor allem auch dankbar dafür, dass ein Schlaglicht darauf geworfen wird, wie die Menschenrechtssituation in den von Russland besetzten Gebieten ist; wir haben ja im Außenpolitischen Ausschuss schon öfter darüber diskutiert. Man darf nicht vergessen, es sind nicht nur Zigtausende Kinder nach Russland oder nach Belarus deportiert worden, sondern es leben auch 1,6 Millionen Kinder in den Gebieten, die aktuell von Russland besetzt sind. Das heißt, das entspricht ungefähr der Anzahl der Kinder in ganz Österreich. Und wir wissen aus zahllosen Dokumentationen, wie die Menschenrechtssituation in diesen Gebieten, die von Russland besetzt sind, ist. Es ist von den Vorrednerinnen angesprochen worden: Es sind Folterungen, sexueller Missbrauch und widerrechtliche Tötungen an der Tagesordnung, und das alles wird von unabhängigen Institutionen dokumentiert. Das alles ist natürlich schon auch ein Grund dafür, warum die Ukraine sich dagegen wehrt, dass Russland Gebietsgewinne macht, weil natürlich genau das in diesen Gebieten, die von Russland besetzt sind, droht.

Ich glaube, es gilt vor allem aber auch, das Augenmerk darauf zu legen, dass wir alle Frieden wollen. Gerade jetzt ist eine Chance da, und ich hoffe auch, dass es bald gelingt, einen Frieden zu schaffen. Die Ukraine hat sich schon im März zu einem umfangreichen Waffenstillstand bereit erklärt. Wichtig ist, dass der Aggressor selber bereit ist, ernsthaft zu verhandeln. 

Ich sage das immer ganz einfach: Ich kann nicht untertags sagen, dass ich für Frieden bereit bin, und Nacht für Nacht weiter die Ukraine mit Bomben und Drohnen übersäen. Ich kann nicht in der Nacht Zivilistinnen und Zivilisten töten, zivile Infrastruktur, Spitäler, Schulen, Kindergärten, Energieeinrichtungen bombardieren und untertags sagen: Nein, nein, wir sind eh bereit, für Frieden zu verhandeln!

Jede Initiative auf dem Weg zu einem Frieden ist daher jetzt wichtig. Wichtig, glaube ich, für die Ukraine und wichtig auch für uns ist, dass es ein nachhaltiger Frieden ist, einer, der sicherstellt, dass der Aggressor nicht nach einiger Zeit sagt: Gut, ich bin für meine Aggression belohnt worden, ich mache jetzt einfach weiter, weil ich gelernt habe, das zahlt sich aus! Ich kann wieder mit militärischer Gewalt Grenzen verschieben, ich kann wieder mit militärischer Gewalt ein Land überfallen, und ich kann so meine politischen Interessen durchsetzen! – Dann wäre die Ukraine nicht frei und unabhängig und dann wäre auch Europa weiterhin bedroht. Was aber, glaube ich, schon auch wichtig ist, ist, dass es ein gerechter Frieden ist. Auch das ist ein wesentliches Merkmal dieses heutigen Antrages. 

Gerechtigkeit setzt sehr wohl voraus, dass wir Kriegsverbrechen nicht nur lückenlos dokumentieren (Abg. Kassegger [FPÖ]: Das ist ein großes Wort: „Gerechtigkeit“!) – es gibt unabhängige Institutionen, diese unterstützen wir auch, wie die UNO, wie die OSZE, wie den Europarat, die diese Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverbrechen dokumentieren –, sondern auch die Täter zur Rechenschaft ziehen. Gerechter Frieden bedeutet auch, dass die Menschen sicher sein können, dass die, die Kriegsverbrechen begangen haben, nicht einfach damit davonkommen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Wir als offizielles Österreich unterstützen daher die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Das tun wir, indem wir die Ermittlungsarbeit des Internationalen Strafgerichtshofs, die Arbeit des UNO-Expertenteams zur Untersuchung von Fällen sexueller Gewalt sowie die Einrichtung des Sondertribunals für das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir unterstützen auch Initiativen, die aktiv an der Rückbringung der angesprochenen deportierten Kinder mitarbeiten. Es gibt eine internationale Koalition für die Rückführung ukrainischer Kinder. Mit dieser internationalen Unterstützung und auch durch österreichischen Beitrag ist es gelungen, dass schon einige Kinder zurückgebracht worden sind und nun wieder in den Armen ihrer Familie sein werden, sodass sie jedenfalls hoffentlich auch gemeinsam Weihnachten feiern können.

Vielleicht last, but not least: Es gab erst letzte Woche, glaube ich, eine Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, in der sich Österreich sehr aktiv dafür eingesetzt hat, dass es für die Rückkehr der ukrainischen Kinder eine Unterstützung durch eine UN-Resolution gibt. Das steht im Einklang mit unserem langjährigen österreichischen Engagement für den Schutz von Kindern, insgesamt von Zivilpersonen, in bewaffneten Konflikten. Diesen Weg werden wir weiter gehen. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vielleicht noch ein paar Worte zur Friedensschaffung oder zur Friedenssicherung in der Ukraine im Allgemeinen: Ich habe schon darauf hingewiesen, dass ich davon überzeugt bin, dass es Frieden braucht. Es braucht aber vor allem auch die Garantie, dass sich solch eine Aggression, solch ein Angriffskrieg nicht lohnt, dass der Aggressor nicht den Eindruck erhält, er kann seine politischen Interessen weiter mit militärischem Druck durchsetzen. 

Das sage ich auch ganz bewusst als Vertreterin unseres Landes, der Republik Österreich: Ein kleines Land wie Österreich hat Interesse daran, dass internationales Recht über allem steht, dass es etwas gibt, das alle verbindet, woran sich alle halten müssen. Das ist nun einmal das Völkerrecht und auch das humanitäre Völkerrecht. Wenn Regeln gar nicht mehr gelten, wenn nur noch die Stärke oder das Recht des Stärkeren zählt, anstatt die Stärke des Rechts, dann ist das keine Welt, in der wir als Österreich uns sicher fühlen können und in der wir als Österreich unsere Interessen durchsetzen können. 

Wir pochen darauf, dass sich Staaten untereinander in der Staatengemeinschaft Konflikte am Verhandlungstisch ausmachen, dass es weiterhin ein Pochen auf ein Gewaltverbot gibt, dass es weiterhin auch das Prinzip der Rechenschaftspflicht gibt, wenn es Kriegsverbrechen gibt. Diesen Weg werden wir auch weiter gehen. Hierfür setzen wir uns auch in unserer Arbeit in internationalen Organisationen ein, zum Beispiel in den Vereinten Nationen, wo ja auch unsere Kandidatur als nicht ständiges Mitglied des Sicherheitsrates ein Ausdruck dessen ist, wie hoch wir diese Fahne des Völkerrechts und des Multilateralismus halten. 

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass sich selbstverständlich auch Österreich mit der Frage beschäftigt, wie wir den Frieden, sollte er hoffentlich bald möglich sein, absichern können. Da haben wir einiges zu bieten, gerade auch als Wien, gerade auch als Österreich. Erst vergangene Woche hat hier in Wien im Rahmen der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die Ministerkonferenz stattgefunden. 

Die OSZE ist solch eine internationale Organisation, die sehr wohl über die nötigen Mittel und das nötige Wissen verfügt, um Frieden auch nachhaltig abzusichern. Das ist jedenfalls ein Beitrag, zu dem Österreich definitiv bereit ist – das auch in der Zukunft einzufordern und hochzuhalten, dass wir selbstverständlich unsere Verantwortung dabei wahrnehmen, Frieden nachhaltig abzusichern.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Ich danke dem Hohen Haus für diesen Antrag. Ich möchte in Richtung der Grünen sagen, dass selbstverständlich auch die Frage der russischen Einflussnahme, der russischen Informationsmanipulation ein enorm großes, massives Thema für die österreichische Bundesregierung ist. Es wird einen nicht zu geringen Teil in der überarbeiteten Österreichischen Sicherheitsstrategie einnehmen; das wird ein ganz wesentlicher Teil sein. (Abg. Stögmüller [Grüne]: Ich hoffe!) Warum? – Weil wir ein stolzes, souveränes Land sind, weil wir unsere Freiheit schätzen, weil wir unsere Würde schätzen, weil wir die offene Gesellschaft und unsere Demokratie schätzen und weil wir für unsere Kinder sicherstellen wollen, dass das auch so bleibt. (Abg. Disoski [Grüne]: Na, stimmts doch zu! – Zwischenruf des Abg. Stögmüller [Grüne].) 

Daher ist jegliche Einflussnahme von außen, von fremden Kräften, die versuchen, hier an Boden zu gewinnen, uns auseinanderzudividieren, zu spalten, Zwietracht zu schüren, und vor allem auch, unsere Demokratien dort anzugreifen, wo sie am verletzlichsten sind, nämlich im Recht, sich jederzeit auch beschweren zu können, abzulehnen. Das ist etwas, an dem wir auf jeden Fall auch weiterarbeiten werden. 

Ich danke jedenfalls für den Antrag, und ich kann Ihnen sagen, die österreichische Bundesregierung wird selbstverständlich bis zu einem umfassenden, nachhaltigen und gerechten Frieden an der Seite der Ukraine stehen, und darüber hinaus. – Danke. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen sowie des Abg. Silvan [SPÖ].)

13.54

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Michael Gmeindl zu Wort.

RN/71

13.54

Abgeordneter Michael Gmeindl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Aber vor allem werte Damen und Herren Österreicher! Wir diskutieren heute über schwerste Menschenrechtsverletzungen in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine. Folter, außergerichtliche Hinrichtungen, Misshandlungen von Kriegsgefangenen: Das ist zutiefst inakzeptabel und selbstverständlich klar zu verurteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieser Antrag bleibt aber in der politischen Komfortzone hängen. Er spricht nur aus, was ohnehin jeder anständige demokratische Staat zu sagen hat und blendet die eigentlichen Hebel aus, die Österreich als neutraler Staat bewegen könnte und müsste. 

Erstens: Österreich braucht eine aktive neutrale Vermittlerrolle, nicht nur Sprechblasen. – Sie fordern die Außenministerin auf, für Frieden einzutreten. Das klingt schön, bleibt aber wirkungslos, solange Österreich seine Neutralität nicht aktiv einsetzt. 

Neutralität ist nicht passiv. Neutralität ist ein Werkzeug. Neutralität ist ein Auftrag. Herbert Kickl hat es klar formuliert: „Jetzt könnte die Stunde des neutralen Österreich schlagen!“, „Mögliche Waffenruhe muss Startschuss für Friedensverhandlungen auf neutralem Boden sein. – Wenn wir als Glaubwürdige vermitteln wollen, müssen wir uns aus dem Schatten der EU-Eskalationspolitik lösen und wieder einen eigenständigen neutralen Kurs fahren. 

Zweitens: Ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen auf beiden Seiten ist die Voraussetzung für jedes Menschenrecht. Solange geschossen wird, sterben Menschen. Solange gestorben wird, redet niemand über Frieden. Solange kein Frieden möglich ist, bleibt jeder Menschenrechtsappell ein Papiertiger. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer [ÖVP].)

Martin Graf hat es am 16. Juni 2025 klar gesagt: Das Töten und Morden auf beiden Seiten, auf ukrainischer und russischer, muss ein Ende haben! – Ihr Antrag spricht viel über Dokumentation, Strafverfolgung, internationale Kooperation – alles wichtig –, aber er vermeidet konsequent das zentrale Wort Waffenstillstand. Ohne Waffenstillstand gibt es keine Aufklärung. Ohne Waffenstillstand gibt es keinen Zugang für Beobachter. Ohne Waffenstillstand gibt es keinen Schutz für Zivilisten. (Beifall bei der FPÖ.)

Drittens: Waffenlieferungen und Sanktionen befeuern den Konflikt, sie lösen ihn nicht. Die EU fährt seit Jahren eine Sanktions- und Eskalationspolitik, die weder Frieden bringt noch Russland schwächt, aber sehr wohl Österreich belastet. Harald Vilimsky sagte dazu: „18 Sanktionspakete haben nicht verhindert“, dass der Konflikt endet, die „Priorität muss am Wohlergehen der eigenen Bevölkerung liegen“. 

Wenn dieser Antrag glaubwürdig wäre, müsste er klar enthalten: keinen weiteren Ausbau von Waffenlieferungen, keine weitere Sanktionsspirale, stattdessen Diplomatie, Dialog und Deeskalation. Diese Punkte fehlen völlig. (Beifall bei der FPÖ.)

Viertens: Humanitäre Anliegen unterstützen wir, aber sie reichen nicht. Ja, Unterstützung der Opfer ist notwendig. Ja, Zugang für das Rote Kreuz ist zentral. Ja, Verbrechen müssen dokumentiert und strafrechtlich verfolgt werden – aber auf beiden Seiten. (Beifall bei der FPÖ.)

Dazu stehen wir. Ohne diplomatische Strategie bleibt aber alles davon Stückwerk. Humanität braucht Rahmenbedingungen, und diese schaffen nicht Sanktionen, sondern Verhandlungen.

Fünftens: Österreich muss wieder Gestalter werden, nicht Zuschauer. Dieser Antrag ist gut gemeint, aber politisch mutlos. Er verurteilt, was alle verurteilen. Er fordert, was ohnehin gilt. Er vermeidet das, was unbequem wäre, aber notwendig ist. 

Was wir brauchen: sofortiges Ende der Kampfhandlungen, aktive österreichische Vermittlungsinitiative, klare Absage an weitere Waffenlieferungen und Eskalationsmechanismen, echte Diplomatie statt ritualisiertem Moralisieren. – Nur so kann Österreich seiner Verantwortung der Neutralität gerecht werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Schluss fällt mir noch etwas ein, es ist ein winzig kleiner Reim: Diese Art von Wickel hätten wir nicht mit einem Volkskanzler Herbert Kickl! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Meinl-Reisinger.

13.58

RN/72

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Friedrich Ofenauer. – Herr Abgeordneter Ofenauer ist als nächster Redner gemeldet. (Rufe bei der ÖVP: Lausch! Lausch ist eingemeldet! – Abg. Stögmüller [Grüne]: Aber das geht ja nicht, zwei Mal FPÖ! – Bundesministerin Meinl-Reisinger: Lausch hat sich quasi abgemeldet und eingemeldet! – Unruhe im Saal.)

Mir wird mitgeteilt, dass die korrekte Vorgangsweise mit der Einreihung so ist, wie ich sie auch am Bildschirm vorfinde, nämlich dass sich offensichtlich, da alle pro gemeldet sind, die Fraktionen abwechseln. Ich habe als nächsten Abgeordneten Ofenauer gemeldet. (Ruf: Da kennt sich nicht mal mehr der Computer aus!) Sind Sie zu Wort gemeldet, Herr Abgeordneter? (Abg. Ofenauer [ÖVP]: Ich bin zu Wort gemeldet! – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Ich habe Herrn Abgeordneten Lausch nachher gemeldet. So ist es bei mir seitens der Parlamentsdirektion drinnen.

Bitte, Herr Abgeordneter, Sie gelangen zu Wort. Ich gebe Ihnen das Mikro. (Ruf bei der FPÖ: Schieß einfach los!)

RN/73

13.59

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Allzeit bereit ist das Thema. 

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Krieg ist immer furchtbar, umso mehr, wenn systematisch Menschenrechtsverletzungen begangen werden, wie heute gerade in der Ukraine. 

Dieser Entschließungsantrag, den wir hier verhandeln, ist deswegen so wichtig und richtig, denn er verurteilt die Verletzung von Menschenrechten, er unterstreicht die Notwendigkeit eines Waffenstillstandes und eines gerechten Friedens und er unterstützt die Diplomatie, um diesen zu erreichen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Es ist gut, dass alle Fraktionen zustimmen, meine Damen und Herren, denn eines ist klar: Es muss einen Frieden geben und alle Bestrebungen in diese Richtung müssen auch entsprechend unterstützt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Weil immer von einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gesprochen wird, ist eines aber auch ganz klar festzuhalten: Wer ist der Aggressor? – Der Aggressor ist ganz klar Putins Russland, weil die Souveränität und die Unverletzlichkeit eines Staatsgebietes, nämlich der Ukraine, nicht respektiert und nicht akzeptiert wurden und mit militärischen Mitteln Grenzen verschoben werden. Seinerseits könnte jederzeit mit diesen Kriegshandlungen aufgehört werden.

Daneben tut sich aber geopolitisch noch anderes auf. Es gibt wieder Weltmächte, die sich die Welt in Einflusssphären aufteilen: Russland, USA, China – und die Europäische Union steht in diesem Spannungsverhältnis.

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Putins war unter anderem auch ein Anlass dafür, dass wir die Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2013 überarbeitet haben und überarbeiten. Interessant ist aber in dieser Gemengelage vor allem auch die Rolle der FPÖ. Die Erstrednerin von der FPÖ hat gemeint: „Wir sind [...] keine Putin-Freunde“. Ich stelle aber die Frage: Wie ist das mit diesem Freundschaftsvertrag mit Putins Partei (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Wie lang war denn der Herr Schüssel bei Lukoil? Was hat der Herr Schelling gemacht? Der Herr Schüssel? Der Herr Leitl ...?), der abgeschlossen wurde, der sich automatisch verlängert, wenn er nicht gekündigt wird? Es wurde noch nicht gesagt, wie denn dieses Verhältnis tatsächlich ist, meine Damen und Herren. 

Feststellen muss man leider auch, dass es immer wieder Tendenzen gibt, einzelne EU-Staaten aus der Europäischen Union herauszupicken und damit die EU zu schwächen. Es wurde kolportiert, es gäbe eine Sicherheitsstrategie in den USA – Trump –, wonach das mithilfe von patriotischen Kräften erfolgen soll, mit der Unterstützung solch patriotischer Kräfte. Auch dabei ist die Rolle der FPÖ interessant – das ist vielleicht ein gewisses Doppelspiel (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Also im „Morgenjournal“ hat man gehört, Sebastian Kurz ist schuld! Im „Morgenjournal“ hat’s geheißen, der Kurz ist schuld!) –: Wer nennt sich patriotische Partei? – Das ist die FPÖ; also das ist durchaus eine hinterfragenswürdige Rolle der FPÖ, die hier gespielt wird. (Ruf bei der FPÖ: ... patriotisch! – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Wie steht’s ihr jetzt zum Sebastian Kurz?)

Tatsache ist allerdings: Wir dürfen die Europäische Union nicht zerstören oder schwächen lassen, denn die Europäische Union ist ein einzigartiges Friedensprojekt, meine Damen und Herren (Abg. Hafenecker [FPÖ]: ... mit der neuen ÖVP!), das dazu geführt hat, dass in den letzten 80 Jahren kein einziges Mitgliedsland der Europäischen Union gegen ein anderes Krieg geführt hat, wie das in den Jahrhunderten davor regelmäßig der Fall war. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Wenn ihr wieder türkis werdet, wird’s eng für dich!)

Ja, es gibt viele Redewendungen zum Thema Geschichte, zum Beispiel von Bruno Kreisky: „Lernen Sie [...] Geschichte“, dann werden Sie sehen, was sich daraus entwickelt hat. Oberst Reisner zitiert immer wieder eine Aussage: Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie folgt ähnlichen Mustern. Genau diese Muster, meine Damen und Herren, müssen wir brechen, denn es gilt, aus der Geschichte zu lernen und auf die Kunst der Diplomatie zu setzen, um einen Frieden zu erreichen. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Deswegen gehört die ÖVP in die Opposition! Nicht die gleichen Muster immer weiter machen!) Es gilt aber auch, auf die Stärke des Rechts zu setzen, denn gerade darauf sind kleine Länder wie Österreich angewiesen. Und es gilt auch, wenn nötig militärische Stärke zu zeigen und zeigen zu können, nach dem Motto: Si vis pacem para bellum; damit ist gemeint: Wenn du Frieden willst, sei bereit für den Krieg – nicht: bereite den Krieg vor.

Wir müssen auf europäische Zusammenarbeit, auf internationale Zusammenarbeit, vor allem auch mit den USA, und auf Kooperation setzen, um Konflikte nicht entstehen zu lassen und Frieden zu sichern. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Ja, darum schimpft die Außenministerin immer über Trump!)

Meine Damen und Herren, unser Ziel muss sein, einen nachhaltigen Frieden zu erreichen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Kucher [SPÖ]. – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Das gute Verhältnis mit den Amerikanern solltets mit eurem kleinen Koalitionspartner besprechen, weil die schimpfen immer ...!)

14.03

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Christian Lausch zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

RN/74

14.03

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Bürgerinnen und Bürger! Als Letztredner hat man es relativ leicht, überhaupt bei solch einem Antrag von Abgeordneten der Regierungsparteien, die die eigene Bundesministerin beauftragen, sie möge da etwas tun; also ein Regierungsantrag, und dann noch dazu die Einstimmigkeit. Ich nehme es vorweg: Natürlich sind wir da dabei – no na net, sage ich jetzt nur; no na net! Mit solch einem Antrag hat man natürlich gleich eine einstimmige Sache, eine liebe Geschichte; eignet sich so ziemlich in der Mitte der drei Plenartage sehr, sehr gut.

Ich will jetzt als Letztredner nicht alle sechs Punkte – sind eh nur sechs – noch einmal vorlesen, aber diese Punkte werden natürlich auch von uns unterstützt. Mein Vorredner, Kollege Gmeindl, hat es schon richtig gesagt: Uns fehlt halt aber etwas. Das ist eine liebliche Geschichte – leider Gottes verabschiedet man so etwas hier; jeder ist dafür, no na net, noch einmal gesagt –, aber es wäre halt wichtig gewesen, wenn man als neutrales Österreich, wie es in der Vergangenheit war, selbstbewusst Pflöcke eingeschlagen hätte.

Ich kann es nur noch einmal wiederholen: eine sofortige Beendigung der Kampfhandlungen, aber auf beiden Seiten, und eine aktive Vermittlerrolle des neutralen Österreichs. Man muss sich ja, wenn man selbstbewusst ist, nicht immer hinter der EU verstecken. Wir sind das neutrale Land in der EU, und wir hätten da eine wichtige Rolle: als Friedensvermittler aufzutreten. (Beifall bei der FPÖ.) Das würden wir Freiheitliche uns wünschen. Und den Kindern, der Bevölkerung, die ja den Regierungsparteien, aber auch uns so wichtig ist, würde man das ersparen, wenn man da aktiver sein könnte und sich auch von einem gewissen Zickzackkurs verabschieden würde – einmal Russland beleidigt, einmal die USA beleidigt. Ich spreche jetzt nur EU-Abgeordneten Brandstätter an. (Zwischenruf des Abg. Oberhofer [NEOS].) Ob das für Österreichs Ansehen in der Welt und für den Krieg etwas Gutes ist, ob Ihr Parteikollege Brandstätter der Republik Österreich einen Bärendienst erwiesen hat – ich glaube nicht. (Zwischenruf des Abg. Zorba [Grüne]. – Abg. Kassegger [FPÖ]: Einen Bärendienst glaub’ ich schon!)

Wir Freiheitliche würden solche Sachen diplomatischer, deeskalierender (Abg. Shetty [NEOS]: So wie der Herr Vilimsky, gell? Es kann nicht jeder so diplomatisch wie der Herr Vilimsky sein!) und einfach viel, viel sachlicher angehen. (Beifall bei der FPÖ.) Viel sachlicher, Kollege Shetty, viel sachlicher, als ihr das macht! Du musst selber lachen (Ruf: Geh bitte, da müsst ihr selber lachen!); ich verzeihe dir dein Lachen (Abg. Shetty [NEOS]: Ich verzeihe dir auch!), weil ihr Regierungsabgeordneten die eigene Außenministerin beauftragt, sie möge für den Frieden in der Ukraine endlich etwas tun. (Beifall des Abg. Shetty [NEOS].)

Das ist sehr, sehr gut, aber das hätte man sich ersparen können, das kann die Frau Bundesministerin sowieso tun. Sie ist ja oft in der Ukraine, sogar in ukrainischer Tracht zu sehen; sie macht das eh, da braucht sie diesen Antrag nicht, aber trotzdem: Wir sind dabei, aber man sollte sich auch etwas trauen und sollte, um wirklich Frieden zu schaffen, da vielleicht doch ein bisschen härter und neutraler auf beiden Seiten formulieren. (Zwischenruf des Abg. Zarits [ÖVP].) Auch die korrupte Ukraine hat natürlich einen gewissen Beitrag geleistet und ruht sich halt aus. Ich würde nicht wissen wollen, wie viele Millionen an Spendengeldern von der EU, von der ganzen Welt (Zwischenrufe bei den NEOS) in der Ukraine verflossen sind. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Shetty [NEOS]: Kann nicht jeder so diplomatisch sein wie der Herr Vilimsky! Geht einfach nicht!)

14.07

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

RN/75

Abstimmung

Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zur Abstimmung.

Dürfte ich bitten, dass die Abgeordneten und die Mitarbeiter:innen die Plätze einnehmen? Wir sind im Abstimmungsvorgang. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Heute hakt es ein bissl beim Vorsitz!)

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 275 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „die Verurteilung systematischer Menschenrechtsverletzungen in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine und des unmenschlichen Umgangs mit Kriegsgefangenen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (xx/E)