Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 108

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Ich brauche nicht auf die einzelnen Punkte einzugehen – diese sind vom Herrn Bundesminister und von anderen Diskussionsrednern sehr ausführlich beleuchtet worden –, ich möchte mich nur mit dem Hinweis, den Herr Kollege Dr. Kaufmann gemacht hat, auseinandersetzen und darauf hinweisen, daß wir die neue Regelung für die Lehrlinge sehr begrüßen. Die in der politischen Vereinbarung beabsichtigte Neuregelung für Lehrlinge besagt nämlich, daß die von Auftraggebern über die Höchstbemessungsgrundlage bezahlten Beiträge nicht rückerstattet werden. Es handelt sich der Schätzung nach wahrscheinlich um eine Summe zwischen 35 und 40 Millionen Schilling, und sie wird unserer Meinung nach richtigerweise zur Entlastung von Ausbildungsbetrieben verwendet. So werden künftig die Krankenkassenbeiträge der Arbeitgeber für Lehrlinge im ersten Jahr nicht mehr 7,9, sondern nur 6,5 Prozent betragen.

Ich möchte aber abschließend auch einen Appell an die Arbeitgeber und an die Unternehmer richten, doch zu bedenken, wie viele Tausende junge Burschen und Mädchen in Österreich derzeit noch immer eine Lehrstelle suchen. Mit Ende September waren das über 7 900. Das sind im Vergleich zum Vorjahr um 2 400 mehr. Ich glaube, daß es sich die Gesellschaft, in der wir leben, nicht leisten kann, für so viele Tausende junge Burschen und Mädchen nicht imstande zu sein, einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen, obwohl der Staat und auch die Länder – insbesondere auch das Bundesland Wien – in vielfacher Art und Weise jene Betriebe auch materiell unterstützen, die zusätzlich junge Burschen und Mädchen als Lehrlinge einstellen. Ich glaube, daß das auch eine moralische Verpflichtung ist, an der wir früher oder später gemessen werden.

Ich meine das wirklich sehr ernst, und wir als Interessenvertretung werden auch weiterhin behilflich sein, wo wir können, um den Arbeitgebern, aber auch den großen Lehrwerkstätten die Ausbildung über den eigenen Bedarf hinaus zu ermöglichen. Wir sehen darin keine Prinzipienfrage, sondern eine humanistische und gesellschaftliche Verpflichtung.

Weil durch die Novellierung der Werkvertragsregelung auch ein kleiner Beitrag dazu geleistet wird, geben wir dieser Novellierung umso lieber die Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

16.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kapral. – Bitte.

16.58

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich kann Herrn Bundesrat Drochter versichern, daß uns von der Fraktion der Freiheitlichen hier im Bundesrat die soziale Dimension des Problems durchaus bewußt ist. Die Frage ist nur, ob man Mißbrauchsmöglichkeiten, die anscheinend bestehen, auf diese Art, wie es hier bei der dreimal reparierten und wahrscheinlich noch immer nicht endgültigen Werkvertragsregelung der Fall ist, tatsächlich begegnen kann und ob damit der richtige Weg zur Korrektur unter Beachtung eben dieser sozialen Dimension eingeschlagen wurde.

Bei aller Wertschätzung für die Legisten im Sozialministerium und den durchaus verständlichen anerkennenden Worten des Herrn Bundesministers: Die Lösung, wie sie jetzt getroffen wird, ist kein Ruhmesblatt. Man ist bei der Berücksichtigung der sozialen Dimension dabei, das Kind mit dem Bad auszuschütten. In Wirklichkeit geht es darum, eine Lösung zu finden, die durchführbar, die praktikabel ist und niemanden über Gebühr belastet.

Etwas, was zwar in einem anderen Zusammenhang gesagt worden ist, trifft auch auf diesen Fall zu. Professor Ruppe, ein durchaus angesehener Finanzwirtschafter, Ordinarius, Vorstand des Instituts für Finanzrecht an der Universität Graz, hat gesagt – wie gesagt, in anderem Zusammenhang –: Die Sache wäre es nicht wert, sich damit zu befassen, wenn sie nicht Ausdruck eines allgemeinen Phänomens wäre.

Auf diesen Ausdruck eines allgemeinen Phänomens wollte ich zu sprechen kommen. Statt ein Problem zu identifizieren und eine sachlich adäquate Lösung vorzuschlagen, werden – offenbar um notwendige Belastungen zu verschleiern und ideologische Positionen beibehalten zu können – merkwürdige Ablenkungsmanöver durchgeführt und Vorschläge in die Welt gesetzt, die nicht


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