Bundesrat Stenographisches Protokoll 627. Sitzung / Seite 58

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nicht leisten, dies so abzurechnen. Der Staat Österreich aber glaubt, dies zu können? – Ich kann mir das nicht vorstellen. Aber es ist so. (Bundesrätin Kainz: Jede Dienstreise wird 1:1 abgerechnet!)

Beim Pensionsanspruch ist die Rede von "wohlerworbenen Rechten". Wohlerworbene Rechte, die abgeschafft wurden, lassen sich auch anderswo finden, zum Beispiel die rückwirkende Aufhebung der Verlustvorträge. Aber wer redet dabei von "wohlerworbenen Rechten"? – Kein Mensch redet davon!

Die Abfertigungen heißen jetzt nicht mehr "Abfertigungen", sondern werden beschönigend "Fortzahlung der Bezüge" genannt. Ein Normalbürger aber bekommt nichts, rein gar nichts, wenn er gekündigt wird. So sieht es aus, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Bundesrates Drochter.  – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Was die Fortzahlung für einen Mandatar betrifft: Sie erinnern sich vielleicht, daß ich, nachdem ich mein Mandat hier im Bundesrat zurückgelegt hatte, zwei Tage Abgeordnete im Nationalrat war, bis sich der Nationalrat auflöste. Ich war dort sicherlich eine der am kürzesten tätigen Abgeordneten. Hätte dieses Gesetz damals schon gegolten, so hätte ich eine Fortzahlung von sechs Monatsgehältern bekommen, obwohl ich nur zwei Tage dort war.

Ein "normaler" Arbeiter muß 25 Jahre lang arbeiten, damit er eine Abfertigung in Höhe von zwölf Monatsgehältern bekommt. Hier würde es reichen, zwei Tage im Nationalrat tätig gewesen zu sein! (Bundesrat Pfeifer: Was heißt "normaler" Arbeiter? Arbeiter ist Arbeiter!)

Den Beamten werden Nullohnrunden abverlangt, die Bürger werden mit Sparpaketen belastet, überall heißt es abspecken, in allen Unternehmen wird gekürzt – aber die Politiker erhöhen sich ihr Einkommen, obwohl sie als Vorbilder wirken sollten: der Bundeskanzler von 2,4 auf 3,5 Millionen, ein Bundesminister von 2,6 auf 2,8 Millionen, der Nationalratspräsident von 2,4 auf 2,9 Millionen Schilling – ich möchte nicht alle Zahlen neuerlich wiederholen.

Vor ein paar Wochen, als im Nationalrat darüber diskutiert wurde, veröffentlichte der "Kurier" die österreichischen Durchschnittseinkommen. Ich habe die Meldung aufbewahrt: Im Handel verdient ein Selbständiger im Durchschnitt 250 000 S, meine Damen und Herren! 250 000 S nicht im Monat, sondern im Jahr! (Bundesrat Payer: Finanzamt beschwindelt?) Aus dem Bereich Arbeiter und Angestellte nur ein Beispiel: Bürofachkräfte verdienen 228 000 S. (Bundesrat Rieser: Jahr oder Monat? Brutto oder netto?) Im Jahr, und brutto.

Da wir schon bei brutto und netto sind: Ich komme aus dem Tourismus, und bei uns ist es nach wie vor üblich, mit Nettozahlen zu rechnen. Deshalb ist auch der Nettovergleich von 60 000 S nicht weit hergeholt! (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Doch sollten wir uns damit nicht weiter aufhalten. – Der jetzige Bundeskanzler und seinerzeitige Finanzminister hat die Steuerzahler in einem Maße belastet wie keiner vor ihm. Das muß ich sagen. Der Lohnsteuerzahler, der österreichische Arbeitnehmer hat eine Rekordbelastung an Lohnsteuer zu ertragen, insbesondere deshalb, weil die kalte Progression in der Lohnsteuer noch immer nicht abgegolten wurde, meine Damen und Herren!

Damit kommen wir auf die Armut in Österreich zu sprechen. Als geschiedene Frau habe ich mich massiv für das Frauen-Volksbegehren eingesetzt, deshalb kann ich Ihnen darüber einiges erzählen. (Bundesrat Pfeifer: Ihre persönlichen Verhältnisse gehen uns nichts an!) Heute wurde schon einmal jenes Ergebnis der Armutskonferenz zitiert, daß 1 Million Menschen in Österreich an der Armutsgrenze leben. Die politische Kaste aber erhöht die Politikerbezüge!

Meine Damen und Herren! Von Armut besonders betroffen sind kinderreiche Familien und – hauptsächlich – Frauen. Armut ist heute feminisiert. Meine Damen – ich sage jetzt bewußt nicht: "und Herren" – von der sozialistischen und der ÖVP-Fraktion: Das wissen Sie selbst ganz genau! Ich brauche weder der einen noch der anderen Fraktion etwas über die Armut der Frauen zu erzählen. (Bundesrat Pfeifer: Sie schon überhaupt nicht!) Ich möchte besonders an meine Kolleginnen appellieren, daß wir uns hier überparteilich solidarisieren. (Weitere Zwi


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