Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 71

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

zu korrigieren, wo es geht. Auf jeden Fall werden wir auf diesem Weg nicht mitgehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.16

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich habe mit großem Interesse den Ausführungen des Herrn Kollegen Frischenschlager gelauscht. In habe mich in Zeiten zurückversetzt gefühlt, die schon einige Zeit zurückliegen, in Zeiten, als ich noch an der Universität war. Es war eine eindeutige Verfassungsvorlesung, und ich danke Ihnen, daß Sie hier selbst den Unterschied zwischen der geschriebenen Verfassung, der Konstitution, und der Verfassungswirklichkeit aufgezeigt haben.

Da ging es von der Gewaltentrennung bis hin zum Stufenbau der Rechtsordnung. Es kamen sogar Vergleiche, die mich an die germanische Gesetzgebung, an das Thing, erinnert haben. – Herr Präsident, wenn Sie mich dabei unterstützen würden, es ist wirklich schon lange her; da hat die Gesetzwerdung doch Wapnatak und Stapsakôn geheißen –, das war zweimal im Jahr, und dort ist man zusammengekommen, um bestimmte Materien zu erledigen.

Es hat, wie Sie selbst gesagt haben, Handlungsbedarf bestanden, um einen Handlungsspielraum zu erreichen und zu erlangen, und nun war es an der Zeit, zu handeln. Wie lange – meine Frage an Sie – hätten Sie uns zugebilligt, zu diskutieren und zuzuschauen, wie der Finanzierungsbedarf wächst?

Aber nun zu Frauenangelegenheiten; dazu wollte ich mich eigentlich äußern. Zwei prominente Stimmen jenseits der Tagespolitik und ihre Einschätzung, wieweit die Gleichberechtigung der Geschlechter bisher gediehen ist. Zwei Soziologen, Elisabeth Beck-Gernsheim und Ulrich Beck, meinen, daß sich im Leben der jungen Frauen im Vergleich zur Generation ihrer Mütter neue Freiräume aufgetan haben, und zwar in den Bereichen Recht, Bildung, Sexualität, aber auch hinsichtlich der beruflichen Stellung.

Die beiden Soziologen stellen aber auch fest, daß diese Freiräume gesellschaftlich durchaus ungesichert sind und vermuten, daß – und jetzt zitiere ich wörtlich – "alle bisherigen Auseinandersetzungen noch Harmonie waren und die Phase des Konfliktes der Geschlechter erst bevorsteht".

Tatsächlich hat sich die Rolle der Frau entscheidend verändert. Das zeigt sich an der gestiegenen Bildungsbeteiligung, an der höheren Erwerbsquote und an der größeren ökonomischen Unabhängigkeit der Frauen. Trotz dieser positiven Aspekte, die eindeutig vorliegen, bedeutet Frausein in der Arbeitswelt noch immer nach wie vor ein geringeres Einkommen, niedrigere Bemessungsgrundlagen, unterbrochene Erwerbslaufbahnen, geringere Versicherungszeiten. Die Folgen daraus sind niedrigere Pensionen und niedrigere Sozialleistungen. Außerdem bedeutet Frausein in der Arbeitswelt eine höhere Arbeitslosigkeit.

Frausein in der Familienwelt bedeutet noch immer Alleinzuständigkeit für Familienarbeit, für Konsum und für Betreuungsarbeit. Frauen haben eine längere Gesamttagesarbeitszeit zu erbringen und sie erbringen auch den Großteil der unbezahlten Arbeit. Warum?, müssen wir uns fragen. Und diese Frage müssen wir immer wieder wiederholen: Wo ist die gerechte Verteilung der Güter, wo die gerechte Verteilung von Leistung und Lasten?

Wir müssen uns auch die Frage stellen, warum gerade jetzt die Phase des Konfliktes unmittelbar bevorsteht. Dies ist deshalb der Fall, weil die Frauen erst jetzt beginnen, in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, nämlich auch und vor allem in der Familie von ihrer Wahlfreiheit Gebrauch zu machen. Doch diesen Bestrebungen weht ein ganz starker Wind entgegen, dem nur dann standgehalten werden kann, und zwar im Interesse der Frauen, wenn private und politische Lösungsstrategien Hand in Hand gehen.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite