Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 49

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Herr Bundesminister! Ich meine, es ist wirklich an der Zeit, zu handeln. Sie können nicht monatelang herumsitzen und mit beschwichtigenden Erklärungen so tun, als würde das alles schon wieder ins Lot kommen. Die Phantasielosigkeit, mit der heute die Sozialpolitik in diesem Land gemacht wird, indem Sie sagen: Wenn wir kein Geld mehr haben, dann kürzen wir die Leistungen oder erhöhen die Beiträge!, ist höchst fehl am Platze, denn damit ruinieren Sie die letzte Motivation in unserer mittelständischen Wirtschaft, Leute einzustellen und unternehmerisches Risiko tragen zu wollen. Sie werden sich nicht mehr über Beitragserhöhungen retten können, sondern Sie werden die Strukturen dieses Sozialstaates endlich reformieren müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was ist das für eine Strukturreform, Herr Bundesminister, wenn Sie auf der einen Seite allen Bürgern in Österreich ein riesiges Belastungspaket zumuten und in den Krankenkassen das Geld fehlt – es gehen Ihnen heuer 360 Millionen Schilling für die Finanzierung ab –, aber auf der anderen Seite die Gebietskrankenkasse Steiermark ein neues Verwaltungsgebäude um 300 Millionen Schilling baut? Aber Sie als Aufsichtsorgan sitzen da und schauen zu und sagen: Denken wir nach, ob wir nicht die Beiträge erhöhen oder ein paar Leistungen kürzen könnten, die dann der Kranke selbst finanzieren muß! – Sie tun das doch schon laufend. Es werden laufend Leistungen, die bisher die Gebietskrankenkassen finanziert haben, gekürzt oder eingestellt, weil dieselben mit der Finanzierung nicht mehr zu Rande kommen. Selbst die Organisation, aus der Sie kommen, nämlich der Österreichische Gewerkschaftsbund, spürt das.

Es sagte etwa der Kärntner ÖGB-Präsident Unterrieder vor einigen Tagen: "Das Maß ist voll!" – Ich kann Ihnen das nicht vorenthalten, weil das eine wirklich unwahrscheinlich dramatische Aussage ist: "Das Maß ist voll!", sagte der ÖGB-Chef von Kärnten. Der Gewerkschaftsbund habe das Sparpaket mitgetragen, weil die Regierung Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt versprochen habe. Die Praxis schaue jedoch anders aus und bringe einseitige Belastungen für die Arbeitnehmer.

Das ist interessant! Ihre eigene Gewerkschaftsorganisation sagt: Das Maß ist voll!, und sie kündigt einen heißen Sommer an. Man hat ihr nämlich etwas versprochen, wenn sie still ist beim Belastungspaket, aber auch das wird nicht gehalten.

Das ist so typisch für die Regierung Vranitzky: Man erklärt: Wir machen alles! – und ein paar Wochen später, wenn alle mitgespielt haben, schaut es wieder ganz anders aus.

Der Herr Gewerkschaftsbundpräsident Verzetnitsch regte sich vor einigen Tagen im "Kurier" auf. Er sagte, die Regierung solle mehr für die Schaffung von Jobs tun. – Heute beteiligt er sich gar nicht mehr an der Debatte, damit er der Peinlichkeit entgeht, dieser Regierung einmal die Leviten lesen zu müssen, weil sie das, was sie versprochen hat, seit Monaten nicht einzuhalten bereit ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Vor einigen Tagen aber sagte Herr Verzetnitsch: Bisher waren Arbeitsplätze bei der Regierung nur Nebenthema. Auch auf dem letzten ECOFIN-Gipfel – einem Treffen der Finanzminister der EU – waren die Arbeitsplätze wieder nur ein Nebenthema, sagte der ÖGB-Präsident weiter.

In Österreich aber höre ich es immer anders: Sie kämpfen um jeden Arbeitsplatz, eine "Offensive" jagt die andere, die Regierung kündigt stets Offensiven an: eine Beschäftigungsoffensive, eine Sozialoffensive, eine Lehrlingsoffensive, eine Kostensenkungsoffensive, eine Arbeitsplatzoffensive. Ich frage mich nur: Wo ist sie, diese Offensive, die Sie da angekündigt haben? Wo sind sie denn alle geblieben, diese Offensiven?

Sagen Sie uns hier einmal ganz offen, wie Sie den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit führen wollen! Sagen Sie uns hier ganz offen, woher Sie das Geld nehmen wollen, um eine Dynamisierung der Wirtschaft zu erreichen! Sagen Sie uns einmal offen, wo Ihre Gründerinitiativen sind!

Wo sind diese vielen Jungunternehmer? Wo ist die Motivation, neue Arbeitsplätze zu schaffen? – Das alles bleibt im dunkeln. Außer der Ankündigung von Offensiven tut sich überhaupt nichts.

Daher schrieb Roland Barazon in den "Salzburger Nachrichten" zu Recht: Offensiven, die diese Bezeichnung verdienen, sollte der Staat viele setzen. Vor allem wäre die Wirtschaft zu entlasten,


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