Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 32. Sitzung / Seite 62

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und Lebensmittel. Das ist die primäre Abgrenzung. Und dann gibt es noch einen Restbegriff, das sind die sogenannten Verzehrprodukte.

In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof in Wettbewerbsprozessen, die angestrengt wurden, aber auch der Verwaltungsgerichtshof im Zulassungsverfahren die Judikaturlinie festgelegt, daß Verzehrprodukte als Restgröße neben den Arzneimitteln und Lebensmitteln Bestandteil sind. Das heißt, diese Restgrößen-Judikatur hat es in Verbindung mit der richtigen Auslegung des Gesetzes zuwege gebracht, alle Stoffe einzuordnen, je nachdem, ob sie Arzneimittel, Lebensmittel oder Verzehrprodukte sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Genau diese abschließenden Erfassung der Stoffe sehe ich durch die Regierungsvorlage, die jetzt zur Beschlußfassung ansteht, in Gefahr, nämlich deshalb, weil jetzt Stoffe, die dazu bestimmt sind, nach komplementärmedizinischen Methoden angewendet zu werden, vom Arzneimittelbegriff ausgenommen werden, sofern sie nach der subjektiven Zweckbestimmung des Veräußerers oder dessen, der sie in Verkehr bringt, nicht dazu dienen, heilende Wirkung zu erzielen – es sei denn, es handelt sich um Stoffe, die nach homöopathischen Grundsätzen und Verfahrenstechniken hergestellt sind.

Das bedeutet aber, meine Damen und Herren, einen Bruch der Judikatur und des Grundsatzes, daß früher alle Stoffe entweder Arzneimittel, Lebensmittel oder Verzehrprodukt sind – jetzt kommt eine weitere Begriffsbestimmung dazu. Und ich kann Ihnen eines garantieren: nämlich daß gerade diese Frage, ob hier eine derartige zweite Restgröße vorliegt oder nicht, Anlaß sein wird, den Obersten Gerichtshof in Wettbewerbsprozessen beziehungsweise den Verwaltungsgerichtshof in Zulassungsprozessen zu befassen.

Ein weiterer Kritikpunkt, den ich hier anzubringen habe, ist der, daß man, wie ich bereits erwähnt habe, diese paramedizinischen Produkte einerseits durch die neueingeführte Ziffer 9 aus dem Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes herausnimmt, andererseits nimmt man sie zwei Seiten weiter wieder hinein. Darauf hat einer meiner Vorredner, Kollege Pumberger, zutreffend hingewiesen. Einerseits werden sie ausgenommen, sind sie keine Arzneimittel, auf der anderen Seite werden sie aber im § 11c des Arzneimittelgesetzes wieder hereingenommen. Das heißt, diejenigen homöopathischen beziehungsweise teilweise paramedizinischen Stoffe, die als sogenannte Arzneispezialität in Verkehr gebracht werden, werden wieder mit einbezogen, unterliegen einem eigenen Zulassungsverfahren, das allerdings darin besteht, daß, wenn das Bundesministerium keinen Untersagungsbescheid erläßt, diese Stoffe dann auch tatsächlich zugelassen werden.

Frau Bundesministerin! Ich kann Ihnen eines garantieren: daß Sie sich einer großen Anzahl von Anträgen gegenübersehen werden, und ich bin gespannt, wie dieser bürokratische Aufwand dann tatsächlich bewältigt wird. Ich vermute vielmehr, daß dieser Arbeitsaufwand, dieses Pensum gar nicht bewältigt werden kann, was allerdings, Frau Bundesminister, dann zur Folge hat, daß diese teilweise paramedizinischen Stoffe dann automatisch zugelassen sind, weil kein Untersagungsbescheid ergangen ist. Genau darin sehe ich die Gefahr. Mit Recht hat Dr. Pumberger darauf verwiesen, daß die Hersteller derartiger Stoffe naturgemäß beim Inverkehrbringen die Tatsache der Nichtuntersagung durch das Ministerium als Verkaufsargument verwenden werden. Sie werden das dann, wie bereits erwähnt wurde, auf der Verpackung vermerken, wie etwa: zugelassen nach § 11c des Arzneimittelgesetzes, ohne daß ein genaues Begutachtungsverfahren stattgefunden hat, weil, wie bereits erwähnt, die Zulassung automatisch gilt – es sei denn, es würde ein derartiger Untersagungsbescheid tatsächlich erlassen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ganz kurz Stellung nehmen zur Debatte über die Heilpraktiker. Mit Recht wurden hier Eigenverantwortung und Selbstverantwortung des Patienten eingemahnt. Das ist überhaupt keine Frage. Allerdings wurde übersehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß es eine Vielzahl von Scharlatanen gibt, die die oft aussichtslose Lebenssituation schwer erkrankter Menschen ausnützt, um mit der Hoffnung üble Geschäfte zu machen.


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