Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 170

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ihr streitig machen. Darum geht es heute, und das ist im übrigen das einzige, worum es geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Natürlich hat sich das Bild des Parlaments in den letzten Jahrzehnten geändert. Früher hat es drei Fraktionen gegeben. Ich bin bereits 17 Jahre hier im Haus: Ich kann mich gar nicht erinnern, daß im ersten Jahrzehnt jemals ein Reservetag angepatzt worden wäre.

Es hat unterschiedliche Regierungsformen gegeben: Alleinregierung der Sozialdemokraten, kleine Koalition, danach bis jetzt große Koalition. Es hat immer die entsprechenden, auch lautstarken und lang andauernden Szenarien im Parlament gegeben.

Ich erinnere mich an die vier Jahre der kleinen Koalition. Damals hat die Opposition, das war damals die ÖVP, zu Recht – das war ihr gutes Recht, es hat uns geärgert, aber es ist uns nicht eingefallen, es ihr strittig zu machen – hier im Parlament und auch außerhalb des Parlaments einiges aufgeführt! Sie hat von ihren Rechten reichlich Gebrauch gemacht. Sie hat uns auf der Regierungsbank in Verlegenheit gebracht. Sie hat die damaligen Sozialisten und die damaligen Freiheitlichen gefordert. Aber niemandem, weder den Sozialdemokraten noch den Freiheitlichen, wäre es auch nur eine Sekunde lang eingefallen, zu sagen: Jetzt ändern wird die Geschäftsordnung und sorgen dafür, daß die nichts mehr zu reden haben, auch nicht im Parlament. (Abg. Dr. Khol: Ihr habt ja keine Mehrheit dafür gehabt!) Wir alle waren damals wirklich noch Demokraten, niemals wäre es uns eingefallen, Ihnen einen Knebel zu verpassen, so wie es jetzt geschieht, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe des Abg. Khol. )

Wenn man will, kann man immer Knebel verpassen. Dann spricht man halt von Mißbrauch. Meine Damen und Herren! Wenn von einer gesetzlich eingeräumten Möglichkeit – und dazu gehören die Dringlichen und die Sondersitzungen – Gebrauch gemacht wird, auch extensiv Gebrauch gemacht wird, dann ist das "Gebrauch" und nicht "Mißbrauch". Von "Mißbrauch" spricht man dann, wenn über die Grenze des Erlaubten hinausgegangen wird. Wenn man hingegen das Erlaubte ausnützt, dann ist das kein Mißbrauch.

Wenn ich bei Rot über die Kreuzung fahre, dann ist das ein Mißbrauch meiner Möglichkeiten mit dem Kraftfahrzeug. Wenn ich jedoch spazierenfahre und bei Grün auch noch so oft über die Kreuzung fahre, dann ist das kein Mißbrauch. Ich kann andere damit ärgern, aber sie können es mir nicht verbieten. Und wenn sie es mir verbieten, dann ist das jedenfalls gegen Gesetz und Rechte, meine Damen und Herren!

Es ist klar, daß man Nerven braucht, um als relativ schwache Regierung mit knapper Mehrheit die Dinge durchstehen zu können. Aber man möge bitte zwei Dinge im Auge behalten.

Ein Umstand ist heute schon mehrmals erwähnt worden: Das Szenario, wer in der Regierung und wer in der Opposition ist, kann sich oft sehr rasch und oft auch sehr überraschend ändern. Niemand von denen, die sich heute in ihrer Funktion als Regierungsparteiangehörige sonnen, kann wissen, ob das übermorgen noch der Fall sein wird. Schon höre ich – ich wünsche es mir gar nicht! –, daß wieder Neuwahlen ins Haus stehen sollen. Schon wird darüber geplaudert, daß auch dieses Jahr nicht ohne Neuwahlen zum Nationalrat zu Ende gehen werde.

Sie von der ÖVP bemühen sich, Kaffeehausstimmung aufkommen zu lassen und zu zeigen, daß Sie zwar im Parlament sitzen, aber geringschätzig plaudern und so tun kann, als ob Sie all das nichts anginge, den Klubobmann miteinbezogen. – Sie signalisieren: Es redet ja ohnedies nur die Opposition. Bald wird sie kürzer reden dürfen, bald nur mehr ein paar Minuten. Jetzt darf der Oppositionsangehörige noch lang reden. Er will dem Khol was sagen, aber Sie sorgen dafür, zu demonstrieren, daß ein Khol nicht einmal zuhorchen muß, wenn der Ofner redet. Und das ist das ungehörige, was einem Universitätsprofessor, der sich noch dazu etwas darauf einbildet, Tiroler zu sein – und das ist ja was –, nicht ansteht! (Abg. Dr. Khol: Darauf, daß man Tiroler ist, kann man sich auch etwas einbilden! Auf den Universitätsprofessor bilde ich mir nichts ein! – Zwischenruf der Abg. Steibl. )


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