Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 48. Sitzung / Seite 63

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Einige von Ihnen haben am 29. Oktober 1996 in diesem Hohen Hause den Vortrag miterlebt, den Herr Professor Feuser von der Universität Bremen gehalten hat. Den Vortrag haben viele gehört, aber leider zu wenige von denen, die heute hier abstimmen werden. Er hat die These aufgestellt und auch schlüssig ausgeführt, daß es geistig Behinderte nicht gibt. Wer das gehört und dann auch die Diskussion von Betroffenen und Eltern miterlebt hat und trotzdem noch auf dem Standpunkt dessen bleibt, was heute hier beschlossen werden soll, handelt im menschenrechtlichen Sinn wider bessere Erkenntnis! (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Haidlmayr. )

Möglicherweise ist er gefesselt durch pragmatische Zwänge. Aber es wäre mir einfach lieber, wenn sich die verantwortliche Bundesministerin nicht hier heraus stellen und das als positiv beschreiben würde, ohne dazuzusagen, daß es eigentlich nicht positiv genug ist.

Wir haben Verständnis für pragmatische Zwänge, die vielleicht manchmal die schnelle Umsetzung von etwas erschweren. Wenn man zum Beispiel sagt: Das ist mein eigentliches Ziel, aber ich kann es jetzt nur teilweise erreichen!, dann ist das klar, ehrlich, deutlich und präzise. Wenn man aber so tut, als ob das, was man jetzt macht, bereits die Erreichung des Ziels ist, obwohl man, wenn man sich damit beschäftigt, weiß, daß es das nicht ist, dann ist das nicht klar und präzise, sondern schönfärberisch – und das ist nicht gut.

Das ist deshalb nicht gut, weil nämlich dann langsam bei dem, der diese Darstellungsform wählt, Selbsttäuschung entsteht, daß es wirklich so sei, wie er es aus Gründen der Opportunität darstellt.

Also er beginnt dann zu glauben, daß das, was er aus Werbegründen behauptet, wirklich so ist. Das koppelt auf ihn zurück. Damit behindert er sich übrigens selber in der Erkenntnis. Das ist vielleicht dann ein inverser Ansatz von Integration. Aber das wird es wohl nicht gewesen sein.

Daher bitte ich wirklich: Wenn schon nicht mehr möglich ist als das, was jetzt kommt, dann nehmen Sie bitte auch aus dem Munde der Fachleute – zu diesen zähle ich mich jetzt nicht – die fachliche Kritik an dem halben Schritt ernst, die Kritik, daß Sie dann, wenn Sie ausschließlich die Schulleiter bestimmen lassen, noch nicht einmal den halben richtigen Schritt machen. Also ein halber Schritt, und dieser ist noch dazu nicht richtig – Sie werden sich nicht wundern, daß wir das ablehnen.

Ich meine, wenn man diese Anliegen hat, dann soll man sie auch so umsetzen, daß sie glaubwürdig bleiben. Ich sehe aber, welche Resolutionen die Lehrergewerkschaft verfaßt, und da hat mich jene der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, höhere Schulen, Landessektion Oberösterreich, besonders schwer getroffen. Die Unterschrift auf diesem Zettel habe ich gekannt, sie war nämlich vom ehemaligen Klassenvorstand meines Sohnes. Ich hatte damals den Eindruck, daß dieser Mann vernünftiger ist. Mittlerweile ist er offenbar schon zu lange Lehrergewerkschafter.

Er hat den Standesaspekt so weit in den Vordergrund gerückt, daß die Kinder in den Hintergrund getreten sind. Und das ist wirklich schade, denn genau das ist der Grund, warum wir gelegentlich Probleme mit den Lehrern haben. Wir haben dann Probleme mit den Lehrern, wenn sie sich keineswegs so verhalten, wie man es erwarten könnte, nämlich offen gegenüber den Kindern und so weiter und so fort.

Daher begrüße ich, wenn die Frau Bundesminister meint, da müsse man Konzeptionen entwickeln, da müsse man Evaluationsmöglichkeiten schaffen. Nur bitte ich Sie: Lassen Sie das nicht die Lehrer ganz alleine machen! Wenn ich jemanden dazu einlade, über sich selber zu befinden, dann wird er in seiner Selbstbefangenheit dabei nicht das leisten, was er leisten sollte. Es wird sich kein Dialog entwickeln, sondern es wird dies ein Insidergespräch werden. Und Insidergespräche sind in diesem Fall nicht gut, wie auch Insidergeschäfte in anderen Bereichen nicht gut sind.

Das hat seine guten Gründe. Wenn sich zwei Betroffene gemeinsam überlegen, wie sie ein Problem überwinden können, dann wählen sie nicht den schweren Weg, sondern den leichten Weg.


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