Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 52. Sitzung / Seite 38

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Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Lassen Sie mich einen Brief an das Christkind verlesen. (Abg. Schwarzenberger: In der Weihnachtszeit dürfen Sie das!) Ich zitiere wörtlich ein Originaltextservice. (Abg. Dr. Lukesch: Nicht das Christkind zitieren!) Ich muß leider ein Originaltextservice vom 28. September 1995 wörtlich zitieren, das vom ÖGB zur Ladenöffnung publiziert wurde. Es beginnt also so:

Liebes Christkind! Ich möchte Dir im Namen von Tausenden Verkäuferinnen dafür danken, daß wir jetzt die Geschäfte bis spät in die Nacht offenhalten dürfen. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, welch interessante Kunden man zu später Stunde kennenlernen kann.

Da ist zum Beispiel die alte Dame, die jeden Montag gegen 21 Uhr kommt und 17 Paar Schuhe probiert. Kaufen tut sie nichts, aber sie sagt: Am Montag abend ist das Fernsehprogramm so öde, da probiert sie lieber Schuhe. So sind wir Verkäuferinnen gleichzeitig auch die Psychiaterinnen der Nation.

Oder: Da ist im Sommer der Mann, der sich im Nachbargeschäft immer dann, wenn es schwül ist, Kühlschränke vorführen läßt. Bei jedem Modell sagt er: Ah, jetzt wird es schon viel kühler! Ich vermute, der Mann hat keine Dusche in der Wohnung, und so sind wir Verkäuferinnen auch die Kühlboxen der Nation.

Und da sind natürlich auch noch die Fremden. Kommt ein Mann in das Geschäft und fragt, wo er Briefmarken kaufen kann, und wir Schuhverkäuferinnen rufen im Chor "Tabacchi, Tabacchi!", so sind wir Verkäuferinnen auch die Dolmetscherinnen der Nation.

Oder: Eine Gruppe von Japanern stürzt herein, deutet auf einen Stadtplan und fragt: "Wo bitte Glinzing?" Da verteilen wir selbstgezeichnete Straßenrouten und sind sehr stolz, denn jetzt sind wir auch die Fremdenführerinnen der Nation. (Zwischenruf der Abg. Ing. Langthaler. )

Meine Damen und Herren! Da treffen Welten aufeinander: Auf der einen Seite steht der Kunde als Störenfried, der Verkäuferinnen belästigt. Er probiert, er sucht Kontakt, er fragt auch noch blöd und möchte Hilfe haben. – Wir müssen diese Verkäuferinnen wahrlich vor den Kunden schützen. Die sollen doch dann einkaufen, wenn wir aufsperren, möglichst Schlange stehen, nicht fragen und bar bezahlen. (Abg. Riepl: Polemik ist das!) – Sie haben recht, Herr Kollege, diese Presseaussendung ist grenzenlos dumm. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Meiner Meinung nach müssen wir verstehen – Sie werden es auch irgendwann verstehen; es wird vielleicht noch lange dauern, aber irgendwann wird es in Ihren Schädel hineingehen –, daß nur Kunden Umsatz bringen, daß nur Kunden Wertschöpfung bringen und daß nur Kunden Beschäftigung bringen. Das ganze Gerede von Beschäftigungspolitik muß bei den Kunden und bei den Märkten beginnen. Das werden Sie von den Sozialdemokraten sehr bald lernen müssen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich bin der Meinung, daß der österreichische Bedienungshandel bereits genug Beschäftigung verloren hat. Frau Tichy-Schreder hat nachgewiesen, wie sehr die Beschäftigung im Einzelhandel zurückgegangen ist. Substitutionskonkurrenz durch den Versandhandel – weil man sich den Kunden verweigert hat (Zwischenruf der Abg. Silhavy ) ; Kaufkraftabfluß von 31 Milliarden Schilling – weil man sich den Kunden verweigert hat; Milliardenbeträge an Kaufkraft von Gästen, die nicht für Beschäftigung genutzt werden konnten – weil man sich den Kunden verweigert hat; frei verfügbare Kaufkraft geht verloren – weil man sich den Kunden verweigert hat! – Das ist die Realität.

Meine Damen und Herren! Nehmen Sie zur Kenntnis: Wir leben in einer Dienstleistungsgesellschaft mit offenem Wettbewerb, in der unsere dienende Rolle die Qualität unseres Lebens in der herrschenden Rolle bestimmt. Wenn Sie sich in Ihrer dienenden Rolle laufend verweigern, werden Sie nie zu einer Dienstleistungsgesellschaft kommen. Dann sind Sie dort, wo wir heute im öffentlichen Dienst sind, wo Sie sich beim Amt anstellen und man Ihnen vielleicht um 12 Uhr die Tür vor der Nase zumacht. Das sind die Probleme! (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Riepl. ) – Ja, ich glaube, Sie träumen, das stimmt.


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