Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 45

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Allein, daß die Kosten der gesundheitsbezogenen Maßnahme jetzt nur mehr im Verhältnis zum Erfolg – bei Wahrung der Qualität der Therapie – gesehen werden und daß sie so gering wie möglich zu halten sind, zeigt, daß es die Alternative "Therapie statt Strafe" nicht geben wird; bei gleichwertigen Angeboten soll die günstigere Form gewählt werden. Damit wurde die Intention der Regierungsvorlage eingeschränkt und im Grunde genommen wieder ausgehebelt.

Die Textierung, wie ich sie eben vorgelesen habe, läßt absolut nicht zu, daß Qualitätsansprüche im Vordergrund stehen, sondern es ist ausschließlich nur mehr der Kostenfaktor das ausschlaggebende Instrument für eine Therapie. Daß damit keine Qualität sicherzustellen ist, versteht sich, glaube ich, von selbst. Auch der Grundsatz "Therapie statt Strafe" kann in dieser Form niemals erfüllt werden, ja nicht einmal annähernd erfüllt werden, denn wenn es, wie Sie wissen, derzeit so ausschaut, daß auf 350 Abhängige ein Therapieplatz kommt, dann sagen Sie mir bitte, wie Sie diesen Anspruch erfüllen wollen.

Wenn ein Abhängiger, der eine Therapie machen will, zwei bis zwölf Monate auf einen Therapieplatz warten muß, dann führt das dazu – das wissen Sie genausogut wie ich –, daß die Therapiewilligkeit in diesem Zeitraum wesentlich eingeschränkt ist beziehungsweise eine Therapie vielleicht sogar schon hinfällig geworden ist, da viele Menschen, die eine Therapie machen wollen, in einer derart langen Wartezeit versterben.

Therapiewillige Menschen haben nichts davon, wenn "Therapie statt Strafe" suggeriert wird, denn Sie, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, wissen ganz genau, daß es gerade in den westlichen Bundesländern so gut wie keine Therapieplätze gibt. Richter können in diesen Bundesländern den abhängigen Menschen gar keine Alternative zur Strafe bieten, weil es nämlich kein Therapieangebot gibt. Dadurch kommt es automatisch zur Kriminalisierung dieser Menschen. Sie werden eingesperrt, weil es keine Therapieplätze gibt – und dafür sind Sie verantwortlich.

Sie haben in Ihrem Gesetz Versprechen gemacht, die Sie nicht einhalten können. Ich glaube, damit zeigen Sie wieder einmal ganz deutlich, wie unglaubwürdig Sie geworden sind. Sie wissen ganz genau, daß es in Österreich nicht einmal eine einzige Aufzeichnung gibt, aus der hervorgeht, wie viele ambulante und wie viele stationäre Therapieplätze es in Österreich gibt. Eine derartige Liste existiert nicht.

Wenn heute ein Drogenabhängiger, der eine Therapie machen will, bei irgendeiner Einrichtung landet und dort zufällig kein Platz übrig ist, dann kann ihm nicht einmal ein Stück Papier gereicht werden, damit er sich umschauen kann, wo denn für ihn vielleicht Platz wäre. Es gibt keinerlei Aufzeichnungen über vorhandene Therapieplätze.

Es ist interessant, was im Ausschuß gelaufen ist. Herr Guggenberger hat gesagt, man könne den Anspruch auf "Therapie statt Strafe" erfüllen, es gebe genug Plätze, und Herr Dr. Leiner hat das bestätigt, indem er gemeint hat: Innerhalb von drei Tagen bringe ich jeden Abhängigen auf einem Therapieplatz unter! Wenige Tage später hat Herr Guggenberger in einer Presseaussendung Herrn Leiner und der ÖVP ausrichten lassen, sie mögen sich doch endlich darum kümmern, daß in den westlichen Bundesländern Therapieplätze geschaffen werden. (Abg. Mag. Guggenberger: Das habe ich immer gesagt! Das habe ich auch zuerst gesagt!) Also so viel Toleranz Ihrer Glaubwürdigkeit gegenüber können Sie langsam wirklich niemandem mehr in Österreich zumuten.

Ich weiß, daß Sie immer noch glauben, daß die Psychiatrie jene Anlaufstelle ist, die Therapieplätze für Abhängige mehr oder weniger sicherstellt. Meine Damen und Herren von der SPÖ, von der ÖVP und auch von den Freiheitlichen! Haben Sie bis heute nicht kapiert, daß drogenkranke Menschen krank sind? Sie sind nicht psychisch krank, sondern sie sind drogenabhängig und haben deshalb in der Psychiatrie nichts zu suchen. (Abg. Mag. Guggenberger: Es geht um Psychotherapie!) Eine Statistik zeigt ganz genau, daß nur 30 Prozent aller Drogenabhängigen auch psychische Probleme haben. (Ruf bei der ÖVP: 50!) 100 Prozent der Drogenabhängigen stecken Sie aber in die Psychiatrie. Daß das keine Motivation sein kann,


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