Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 46

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einen Entzug zu machen, das versteht sich, glaube ich, von selbst. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Guggenberger: 50 Prozent, das ist ja jeder zweite!)

Herr Guggenberger! Wenn Sie noch etwas dazu zu sagen haben und Ihre Redezeit bereits erschöpft ist, dann schreiben Sie es irgend jemandem von Ihren Kollegen auf, aber reden Sie mir nicht ständig drein. Ich mache das bei Ihnen ja auch nicht.

Seien Sie von der SPÖ und von der ÖVP doch einmal bereit, sich einzugestehen, daß Sie dieses Gesetz, das Sie heute beschließen wollen, ja gar nicht erfüllen können. Sie können es nicht erfüllen, denn Sie haben die Rahmenbedingungen und die Voraussetzungen nicht geschaffen. "Therapie statt Strafe", so wie Sie das eigentlich der Bevölkerung weismachen wollen, steht für Sie nicht im Vordergrund, denn dann hätten Sie die Rahmenbedingungen absichern müssen, und das haben Sie nicht getan. Ihnen geht es im Grunde genommen nur darum, daß Menschen, die drogenabhängig sind, weiterhin kriminalisiert werden und daß Menschen, denen es schlechtgeht, keine oder kaum Möglichkeiten haben, eine Alternative zum Eingesperrtwerden in Anspruch zu nehmen.

Ich weiß, Sie können sich jetzt auf die sogenannte Zurücklegung bei erstmaligem Erwischen berufen. Das stimmt, die gibt es. Aber bitte, Herr Guggenberger, seien Sie doch einmal ehrlich: Wenn ich, um straffrei zu bleiben, nur alle fünf Jahre einen Joint rauchen darf und wenn ich, wenn es mich früher danach gustet, dann kriminell bin – wenn das nicht lächerlich ist, dann frage ich Sie: was sonst? Wenn ich nach drei Jahren einen Joint rauche und dabei erwischt werde, bin ich kriminell. Habe ich die Fünfjahresgrenze übersprungen, kann ich das völlig legal tun. So einen Gesetzespassus als Fortschritt zu werten, ist wirklich lächerlich.

Sie alle, meine Damen und Herren von der SPÖ und von der ÖVP, wissen, daß die Herausgeber der angesehenen Zeitschrift "The Lancet" in der November-Ausgabe 1995, also schon vor längerer Zeit, festgestellt haben, daß die Freigabe von sogenannten weichen Drogen absolut nicht daran scheitern kann, daß es medizinische Bedenken gibt. Die Freigabe oder die Nichtfreigabe, die weitere Kriminalisierung von Cannabis ist ausschließlich ein Politikum und hat mit den Gesundheitsschäden überhaupt nichts zu tun.

Sie alle, meine Damen und Herren, müßten eigentlich wissen, daß die gesundheitsschädigendste Droge, die wir in Österreich haben, die aber legal, ja die Nobeldroge schlechthin ist, der Alkohol ist. An zweiter Stelle steht die Medikamentenabhängigkeit, worunter Menschen leiden. Daß Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit nicht unter Strafe gestellt sind oder werden, ist ganz logisch, denn ich glaube, alle Gerichte wären damit überfordert.

Ich frage Sie: Was spricht dagegen, weiche Drogen freizugeben, wenn die damit verbundenen Gesundheitsschäden, wie es in "The Lancet" zu lesen ist, viel geringer sind als bei Alkohol- und Tabakmißbrauch?

Meine Damen und Herren! Es ist nicht mehr aufrechtzuerhalten, daß Sie den Dealermarkt fördern und stark unterstützen. Denn nur die Freigabe der sogenannten weichen Drogen bei zentralen Stellen – zum Beispiel in Apotheken oder in sogenannten Coffee-Shops, wie es sie bereits in Amsterdam gibt – würde sicherstellen, daß a) die Beschaffungskriminalität zurückgeht und b) der Umstieg zur sogenannten harten Droge viel geringer wird.

Dafür gibt es ganz klare Beweise. In Amsterdam wurde zwischen 1982 und 1992 eine Studie gemacht. Diese Studie besagt, daß der Umstieg von den sogenannten weichen zu den harten Drogen in diesem Zeitraum von zehn Jahren vom Durchschnittsalter von 22 Jahren auf 34 Jahre zurückgegangen ist und daß jetzt nur mehr 1,7 Prozent der Abhängigen von starken Drogen im Altersbereich von unter 22 Jahren liegen. Wenn Sie das nicht als Erfolg sehen, dann frage ich Sie, woran Sie Ihre Erfolge denn messen wollen und was Sie als Erfolg sehen. (Beifall bei den Grünen und der Abg. Motter. )

Ein weiteres Anliegen der Grünen ist die Ermöglichung der medizinischen Nutzung von Cannabis. Der medizinische Gebrauch der Hanfpflanze ist ein Ergebnis jahrhundertelanger Erfahrung, und bis 1974 war es auch in Österreich erlaubt, daß Cannabis zum medizinischen


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