Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 71. Sitzung / Seite 75

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laufen müssen, um Rechte durchzusetzen, die immer um Rechte kämpfen müssen, um sie auch gewährt zu bekommen, daß diese Position also erleichtert wird, indem die Republik Österreich dieses Bekenntnis ablegt und es in der Verfassung festschreibt. Das ist die Idee, die hinter diesem Antrag steht.

Wir haben damit nicht etwas ganz Neues ersonnen: Die Schweiz ist uns schon im letzten Jahr diesbezüglich beispielgebend vorangegangen. Die Bevölkerung der Schweiz hat sich letztes Jahr in einer Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit für eine ähnliche Staatszielbestimmung, wie sie dieser Antrag enthält – eine Staatszielbestimmung zum Minderheitenschutz –, ausgesprochen. Die Regierung und die Parlamente in den Kantonen haben diese Abstimmungsvorlage, die der Volksabstimmung zugrunde gelegen ist, damals so begründet – das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, damit Sie nicht das Gefühl haben, daß da jetzt etwas passiert, was ein generöser Akt der Republik gegenüber Minderheiten und Volksgruppen ist –:

"Seit jeher hat sich unser Bundesstaat als friedlicher und solidarischer Zusammenschluß von vier Sprachgemeinschaften verstanden. Mit Recht ist die Schweiz stolz darauf, daß sie ihre sprachliche und kulturelle Vielfalt zu bewahren vermochte. Es gehört zu den Aufgaben des Bundes, die Viersprachigkeit der Schweiz zu erhalten und die gegenseitige Verständigung unter den Sprachgemeinschaften zu fördern. Bund und Kantone werden ausdrücklich verpflichtet, die Verständigung und den Austausch zwischen den vier Sprachgemeinschaften zu fördern." – Das ist nur ein kleiner Teil der Begründung der Abstimmungsvorlage.

In Anlehnung an dieses Schweizer Modell ist es die übereinstimmende Forderung aller Volksgruppen – erst letzte Woche hat es die erste gemeinsame Sitzung aller Beiräte gegeben, und da wurde das einhellig gutgeheißen –, daß eine Staatszielbestimmung dieser Art in die österreichische Verfassung aufgenommen werden sollte. Und sie an einer so prominenten Stelle der Bundesverfassung zu plazieren, hat natürlich für die österreichischen Minderheiten eine besondere Bedeutung, weil es so etwas wie eine Wertschätzung unserer Existenz darstellt. – Das ist der Inhalt dieses Antrages.

Aber mit diesem Antrag – sollte er die Zustimmung des Nationalrates bekommen – ist nur der Beginn dieser minderheitenpolitischen und damit auch der gesetzgeberischen Handlungen im Volksgruppenbereich gesetzt. Dringend erforderlich ist die Umsetzung der europäischen Minderheitenrechtsnormen, die Ratifizierung der beiden Konventionen, nämlich der europäischen Charta über den Schutz der Regional- und Minderheitensprachen sowie der Rahmenkonvention über den Schutz nationaler Minderheiten. Darin sind ganz einschlägige Volksgruppenrechte im Bereich Schule, im Bereich Medien, im Bereich Topographie und im Bereich der kulturellen Förderung festgeschrieben. Wir haben bereits im Jänner 1996 die Bundesregierung einstimmig aufgefordert, diese beiden internationalen Dokumente zu ratifizieren. Es ist bis jetzt noch nicht passiert, vielleicht ist der heutige Tag ein Anlaß dafür, daß das Ganze einen Schub bekommt.

Der dritte Bereich – und das ist eigentlich der schwierigste, weil er nämlich der konkreteste für die Volksgruppen ist – ist die Neukodifizierung des Volksgruppengesetzes entsprechend – und das möchte ich ausdrücklich hinzufügen – den Wünschen und Bedürfnissen der Volksgruppen. Und da gibt es eine große Aufgabe, die wir zu bewältigen hätten, denn das Jahr 1976, aus dem das Volksgruppengesetz stammt, ist volksgruppen-, minderheitenpolitisch, auch auf europäischer Ebene, einfach überwunden. Und heute stellt sich uns das Gesetz aus 1976 eigentlich, wenn man es sehr kritisch sieht, als – wie ich es schon einmal bezeichnet habe – das in Paragraphen gegossene gestörte Verhältnis der Republik zu seinen Volksgruppen dar.

Damals haben das politische Umfeld, die Diskussionen und der Ortstafelsturm in Kärnten zu diesem Gesetz geführt, heute – 21 Jahre später – ist eine Adaptierung dringend notwendig. Dabei geht es – das möchte ich jetzt nur stichwortartig zuletzt noch auflisten – in erster Linie um den einhelligen Wunsch der Volksgruppen nach einer rechtlichen Gleichstellung aller anerkannten Volksgruppen auf dem Niveau des Artikels 7 des Staatsvertrages von Wien. Derzeit sind ja, wie Sie wissen, nur Kroaten und Slowenen darin genannt und genießen diesen Schutz. Dann geht es weiters um die Forderung nach Schaffung beziehungsweise Förderung eines zweisprachigen Bildungssystems in den mehrsprachigen Regionen Österreichs – also dort, wo


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