Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 84. Sitzung / Seite 181

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irgend etwas nicht! Dann ist das – Herr Bundesminister, verzeihen Sie mir, wenn ich das so direkt sage! – ein völlig falsches Verständnis. Ihr Verständnis von Bekenntnis zur Sicherheit zielt in erster Linie auf Strafverfolgung und vor allem auf Aufklärungsquoten ab und nicht auf den umgekehrten Ansatz der Prävention.

Kollege Gaál hat von Schutz, Hilfe und neuen Wegen der Kriminalitätsverhütung gesprochen. Das wäre es, was ich mir vom Verständnis her wünschen würde. Über die positive Aufklärungsquote freue ich mich natürlich auch. Viel mehr freue ich mich aber über sinkende Kriminalitätsraten. Weil eben in bestimmten Bereichen die Kriminalität sinkt, sind diese Überlegungen zur Prävention und zur Kriminalitätsverhütung jetzt ganz besonders am Platz.

Sicherheit birgt natürlich nicht nur ein objektives oder ein immer objektivierbares Element, sondern Sicherheit und Unsicherheit sind etwas ganz Subjektives. Die größte Bedrohung, die Menschen in Österreich haben, und das führe ich jetzt nur sehr kurz aus, ist eine ganz andere. Untersuchungen des kriminalsoziologischen Instituts haben gezeigt, daß die Menschen im ersten Wiener Gemeindebezirk, wo zwar bestimmte Kriminalitätsarten wie Einbruch am häufigsten sind, subjektiv das höchste Sicherheitsgefühl haben. Das ist so – und das sage ich jetzt auch sehr vereinfacht –, weil in Wien I. halt viel weniger arme Menschen leben und die Menschen dort vor ganz anderen Dingen Angst haben oder Unsicherheit verspüren als in anderen Gegenden Wiens, wo objektiv die Kriminalitätsrate eine niedrigere ist als in Wien I. Darum ist dieses Unsicherheitsgefühl der Leute ein anderes – man kann es auch beim Namen nennen und es nicht umschreiben –, die Angst vor ganz anderen Elementen steht im Vordergrund als die Angst vor dem, worunter wir tatsächlich Kriminalität verstehen. Die Leute haben viel mehr Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren als Opfer eines Mordes oder eines Einbruchsdiebstahles zu werden. Aber es gibt sehr wenig Ventile, um diese Angst auch zu artikulieren.

Diese Art und Weise, an Kriminalität oder an Sicherheits- und Unsicherheitsgefühl heranzugehen, ist in Österreich verbreitet, und das ist nicht Ihr Verschulden oder Ihre Verantwortung alleine, Herr Minister, sondern das ist auch darauf zurückzuführen, wie die Medien und unsere Gesellschaft insgesamt mit diesem Thema umgehen. Darum meine ich, daß wir das sozusagen mit einer neuen Brille sehen sollten. Ich meine, daß diese neuen Wege der Kriminalitätsverhütung im Mittelpunkt unserer Bestrebungen stehen müssen. Etwas wie einen Dialog mit der Bevölkerung über Sicherheit zu führen, das ist, wie ich glaube, die Herausforderung des nächsten Jahrtausends.

Dafür, daß es in Österreich in der Vergangenheit viele Unsicherheitsgefühle gegeben hat, gibt es ja Fakten. Wenn wir etwa an die neunziger Jahre zurückdenken – jetzt sind wir schon im Jahr 1997, fast am Ende dieses Jahrzehnts –, dann sieht man, daß das, was sich am Beginn dieses Jahrzehnts in Österreich abgespielt hat – die Zuwanderung nach Österreich bedingt durch die Ostöffnung –, eigentlich nur mit den Wanderungsbewegungen zu Beginn dieses Jahrhunderts vergleichbar ist. Das war ein Jahrhundertereignis, und daraus haben sich ja auch Schwierigkeiten ergeben.

Diese Schwierigkeiten sind natürlich, und das will ich in keiner Weise negieren, reale große Ärgernisse für die Bürgerinnen und Bürger. Das ist es, was wir auch sehen müssen. In Österreich ist man den Weg gegangen, reale Ärgernisse gewissermaßen durch populistische, fremdenfeindliche Töne auch noch anzuheizen. Daß das kein passendes Mittel und kein passender Weg ist, sich dem Problem Unsicherheit oder Angst zu nähern, das, Herr Bundesminister Schlögl und auch Herr Bundesminister Michalek, wissen Sie. Dazu kenne ich Sie beide viel zu gut, als daß ich nicht wüßte, daß Sie das auch so verstehen wie ich.

Daß man da aber bewußt oder unbewußt – wenn es unbewußt ist, dann ist das eine läßliche Sünde, aber ich glaube ja nicht so ganz daran – immer wieder in die Falle der populistischen Demagogie geht oder sie auch bewußt als Werkzeug benutzt, diesen Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen. Ich habe heuer im Sommer im Urlaub und sozusagen völlig entspannt und ruhig österreichische Zeitungen gelesen und darin Zitate von Ihnen gefunden wie: "Es muß endlich Schluß sein mit der Unterstützung bosnischer Flüchtlinge!" – Sie sagen, es muß endlich Schluß sein. Das ist ... (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Schlögl. ) So wird das in den


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