Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 94. Sitzung / Seite 13

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Jetzt stelle ich die Frage an Sie: Ist geplant, daß man diese neunmonatige Ausbildung als Rechtspraktikant/als Rechtspraktikantin auch weiterhin im Rahmen des sogenannten Gerichtsjahres absolvieren kann, oder ist geplant, einen Teil der Ausbildung zum Beispiel in einer anderen Verwaltungsbehörde zu machen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Richtig ist, daß nicht nur finanzielle Überlegungen dafür gesprochen haben, eine Senkung der Zahl der einzusetzenden Rechtspraktikanten herbeizuführen, sondern auch praktische Notwendigkeiten aufgrund der Möglichkeiten der Ausbildungsstätten innerhalb der Justiz.

Bei einer weiterhin steigenden Zahl der auszubildenden Personen – und das sind ja dann nicht nur die Rechtspraktikanten, sondern auch die Richteramtsanwärter – müßte es dazu kommen – es ist ja nicht jeder befähigt, jemanden wirklich gut auszubilden; die didaktischen Fähigkeiten hat nicht jeder –, daß die dazu Befähigten zwei oder mehr gleichzeitig ausbilden.

Es sind daher Überlegungen im Gange, ob man nicht einen Teil der Rechtspraktikantenzeit bei einer Verwaltungsbehörde, also entweder in einem Ministerium oder insbesondere bei einer Bezirkshauptmannschaft, ablegen soll, da ja viele Rechtspraktikanten nicht in den klassischen Rechtsberufen, für die diese Ausbildung gedacht ist, landen, sondern in der Verwaltung, für die sie aber in der Rechtspraktikantenzeit überhaupt nicht ausgebildet wurden.

Unsere Überlegungen gehen also dahin, in diese Zeit möglicherweise auch eine verwaltungsbehördliche Praxis einzubeziehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Wir kommen zum 4. Thema der Fragestunde. Die Anfrage formuliert Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte sehr.

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Meine Frage:

179/M

Teilen Sie die Auffassung von Klubobmann Dr. Khol, daß das in Ausarbeitung befindliche neue Sexualstrafrecht, das statt der "Sittlichkeit" die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung der Menschen schützen soll, den – wie Dr. Khol es ausdrückt – Grundkonsens in Österreich gefährdet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Abgeordnete! Wie Sie wissen, habe ich vor etwa einem Jahr eine multidisziplinäre Arbeitsgruppe mit dem Auftrag eingesetzt, das Sexualstrafrecht und damit im Zusammenhang stehende Fragen des materiellen und formellen Rechts einer kritischen Revision zu unterziehen.

Anlaß für die Einsetzung dieser Arbeitsgruppe war zum einen der Umstand, daß vermehrt gravierende Fälle sexueller Übergriffe an Minderjährigen bekanntwurden, deren strafrechtliche Erfassung auch gewisse Unausgewogenheiten in der Struktur des geltenden Rechtes deutlich machten, andererseits schien es aber mehr als 20 Jahre nach Inkrafttreten des Strafgesetzbuches angezeigt, den Einfluß des gesellschaftlichen Wertewandels in Richtung einer Verlagerung des Schwerpunktes des geschützten Rechtsgutes der einschlägigen Tatbestände von der Sittlichkeit hin zur sexuellen Selbstbestimmung einer gründlichen Erörterung zu unterziehen, insbesondere auch deshalb, weil in anderen vergleichbaren europäischen Ländern eine solche Veränderung im Gegenstand des Rechtsgutschutzes stattgefunden hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Zusatzfrage? – Bitte.


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