Stenographisches Protokoll

97. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 12. November 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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97. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 12. November 1997

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 12. November 1997: 9.01 – 20.36 Uhr

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Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 samt Anlagen

Beratungsgruppe III: Äußeres

Beratungsgruppe IX: Handel, Gewerbe, Industrie, Fremdenverkehr; Bauten und Technik

Beratungsgruppe IV: Inneres

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 6

Ordnungsruf 51

Geschäftsbehandlung


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97. Sitzung / Seite 2

Antrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen, dem Verkehrsausschuß zur Berichterstattung über den
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97. Sitzung / Seite 3

Entschließungsantrag 97/A (E) betreffend eine dauerhafte Regelung für den öffentlichen Nahverkehr gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 9. Dezember 1997 zu setzen 6

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 6

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 89

Helmut Dietachmayr 91

Johann Kurzbauer 92

Mag. Thomas Barmüller 93

Mag. Gabriela Moser 93

Peter Rosenstingl 94

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 96

Antrag der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 546/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 5. Dezember 1997 zu setzen 6

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 7

Redner:

Mag. Helmut Peter 96

Dr. Ewald Nowotny 98

Ernst Fink 99

Hermann Böhacker 100

Dr. Hans Peter Haselsteiner 101

Dr. Alexander Van der Bellen 102

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 103

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 7

Ausschüsse

Zuweisung 6

Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (841 und Zu 841 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 samt Anlagen (910 d. B.) 7

Beratungsgruppe III: Kapitel 20: Äußeres 7

Redner:

Dkfm. Holger Bauer 7

Dr. Michael Spindelegger 9

Dr. Martina Gredler 12

Peter Schieder 16

Mag. Doris Kammerlander 18

Dkfm. DDr. Friedrich König 21

Elfriede Madl (tatsächliche Berichtigung) 22

Dr. Harald Ofner 23

Dr. Josef Cap 24

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 26

Dr. Martina Gredler (tatsächliche Berichtigung) 31

Hans Helmut Moser 31

Mag. Dr. Josef Höchtl 35

Herbert Scheibner 36

Dr. Alfred Gusenbauer 38

Ing. Walter Meischberger 40

Ingrid Tichy-Schreder 42

Andreas Wabl 43

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 47

Dr. Irmtraut Karlsson 47

Mag. Helmut Peter 49

Maria Rauch-Kallat 49

Inge Jäger 51

Annahme der Beratungsgruppe III 52


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97. Sitzung / Seite 4

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend Klärung der offenen Probleme zwischen Slowenien und Österreich vor dem Beitritt der Republik Slowenien zur Europäischen Union – Ablehnung 37, 52

Beratungsgruppe IX: Kapitel 63: Handel, Gewerbe, Industrie, Fremdenverkehr, Kapitel 64: Bauten und Technik (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag) 52

Redner:

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 53

Willi Sauer (tatsächliche Berichtigung) 55

Ingrid Tichy-Schreder 56

Mag. Helmut Peter 58

Dr. Kurt Heindl 62

Ing. Monika Langthaler 64

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 68

Helmut Haigermoser 70

Georg Oberhaidinger 72

Dr. Volker Kier 73

Hermann Kröll 75

Dr. Alexander Van der Bellen 76, 116

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 78, 113, 123

Mag. Kurt Gaßner 80

Peter Rosenstingl 81

Matthias Ellmauer 82

Mares Rossmann 83

Kurt Eder 85

Ing. Wolfgang Nußbaumer 85

Johannes Zweytick 87

Mag. Reinhard Firlinger 103

Rudolf Parnigoni 105

Anton Blünegger 105

Franz Kampichler 106

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 107

Kurt Wallner 109

Mag. Karl Schweitzer 111

Mag. Dr. Josef Trinkl 112

Günter Kiermaier 117

Peter Marizzi 118

Franz Riepl 119

Doris Bures 120

Karl Gerfried Müller 121

Ing. Erwin Kaipel 121

Mag. Herbert Kaufmann 122

Annahme der Beratungsgruppe IX 124

Entschließungsantrag der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend die rasche Umsetzung von Maßnahmen zur Mautfreistellung für die Benützung von grenznahen Straßenabschnitten – Ablehnung 87, 124

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen betreffend die sich abzeichnenden Fehlentwicklungen bei der Neuorganisation der E-Wirtschaft sowie die Fehlentwicklung des österreichischen Strommarktes durch die Kürzung der Förderungen im Bereich Energie – Ablehnung 108, 124

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen betreffend Förderungen im Bereich Energie – Ablehnung 111, 125

Beratungsgruppe IV: Kapitel 11: Inneres (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag) 125

Redner:

Dr. Helene Partik-Pablé 125

Anton Leikam 127

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 130

Hans Helmut Moser 130

Paul Kiss 133

Mag. Terezija Stoisits 135

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 139

Anton Gaál 144

Franz Lafer 145

Günther Platter 147

Dr. Volker Kier 148

Emmerich Schwemlein 150

Herbert Scheibner 151

Dr. Karl Maitz 153

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 154

Ludmilla Parfuss 155

Willi Sauer 156

Matthias Achs 157

Jakob Auer 158

Helmut Dietachmayr 159

Wolfgang Großruck 161

Günter Kiermaier 162

Karl Freund 163

Johannes Zweytick 164

Annahme der Beratungsgruppe IV 165

Eingebracht wurden

Zurückgezogen wurde der Antrag der Abgeordneten

Karlheinz Kopf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird (173/A)

Anfragen der Abgeordneten

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Fall "Franz Soriat" (3302/J)

Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Vergabekriterien zur Filmförderung (3303/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die nicht vorgenommene Übernahme der Behandlungskosten eines im Dienst verletzten Präsenzdieners durch das Bundesheer (3304/J)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Tarifregelung für Strom aus erneuerbaren Energieträgern (3305/J)

Ridi Steibl und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Homeservice-Dienstleistungsscheck (3306/J)


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97. Sitzung / Seite 5

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Festsetzung von Prüfungsterminen an den österreichischen Universitäten und Hochschulen gemäß § 53 Abs. 2 UniStG (3307/J)

Rosemarie Bauer und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Familientransfermodell des Liberalen Forums (3308/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (2885/AB zu 2933/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2886/AB zu 3030/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2887/AB zu 3044/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (2888/AB zu 2901/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (2889/AB zu 2935/J)


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97. Sitzung / Seite 6

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie zur 97. Sitzung des Nationalrates sehr herzlich begrüßen, die ich hiemit für eröffnet erkläre.

Als verhindert gemeldet für den heutigen Sitzungstag sind die Abgeordneten Mag. Haupt, Ing. Maderthaner und Murauer.

Einlauf und Zuweisung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 2885/AB bis 2889/AB.

2. Initiativanträge:

Zurückziehung: 173/A.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Landesverteidigungsausschuß:

Frauenausbildungsverhältnisgesetz – FrAG (915 der Beilagen).

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Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, daß Herr Abgeordneter Rosenstingl beantragt hat, dem Verkehrsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 97/A (E) betreffend eine dauerhafte Regelung für den öffentlichen Nahverkehr eine Frist bis zum 9. Dezember 1997 zu setzen.

In diesem Zusammenhang liegt auch das nach § 43 der Geschäftsordnung von fünf Abgeordneten unterzeichnete Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen. Diese kurze Debatte wird für 15 Uhr anberaumt. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag findet unmittelbar nach Schluß dieser Debatte statt.

Weiters teile ich mit, daß Herr Abgeordneter Mag. Peter beantragt hat, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 546/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz und das Körperschaftsteuergesetz geändert werden, eine Frist bis zum 5. Dezember 1997 zu setzen.


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97. Sitzung / Seite 7

Auch in diesem Fall liegt das Verlangen auf Durchführung einer Debatte über den Fristsetzungsantrag vor. Diese Debatte wird im Anschluß an die soeben bekanntgegebene kurze Debatte, die von der freiheitlichen Fraktion beantragt wurde, stattfinden, und auch in diesem Zusammenhang wird die Abstimmung für gleich im Anschluß an die Debatte anberaumt.

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (841 und Zu 841 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 samt Anlagen (910 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Tagesordnung ein, deren Gegenstand das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 ist.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Redezeit von 9 "Wiener Stunden" vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten für die einzelnen Fraktionen ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Sollte die Redezeit des zuständigen Regierungsmitgliedes 20 Minuten überschreiten, wird diese Überschreitung der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet.

Dies ist der Vorschlag, den ich namens der Präsidialkonferenz erstatten kann. Gibt es dagegen Einwendungen? – Dies ist nicht der Fall. Dieser Vorschlag ist einhellig angenommen.

Beratungsgruppe III

Kapitel 20: Äußeres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen als erstes zur Verhandlung über die Beratungsgruppe III, Kapitel 20: Äußeres.

Ein Wunsch auf Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer. – Bitte.

9.05

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Herr Vizekanzler und Außenminister! – Herr Dr. Schüssel, wir werden uns wahrscheinlich einig sein darin, daß der Sinn von Privatisierungen darin besteht, durch mehr Effizienz eine gleich gute oder, wenn möglich, noch bessere Leistung kostengünstiger zu erbringen. Sind wir uns darin einig, Herr Außenminister? (Vizekanzler Dr. Schüssel liest Unterlagen.)  – Entweder er hört mir nicht zu, oder er ist nicht mit mir einig, was ich mir ja durchaus vorstellen kann, allerdings nicht in dieser Frage, da er ja ein Buch darüber geschrieben hat. (Abg. Rosenstingl: Eine Broschüre!) Das ist aber schon lange her, und vielleicht hat er vergessen, was er da geschrieben hat. "Weniger Staat, mehr privat" hat diese Broschüre geheißen, Herr Vizekanzler!

Ich war daher sehr gespannt darauf, wie bei Ihnen die Privatisierungen dann in der Praxis ausschauen. Wenn man sich das Budget Ihres Ressorts ein bißchen genauer ansieht, sieht man sehr deutlich, wie sich die Privatisierungen à la Wolfgang Schüssel bei Licht besehen darstellen, und zwar anhand der Position "Diplomatische Akademie".

Hohes Haus! Die Budgetaufwendungen, also das, was die öffentliche Hand für die Diplomatische Akademie vor ihrer Privatisierung oder Ausgliederung – wie Sie es heute aufgrund dieses Umstandes wahrscheinlich nennen wollen – aufgewendet hat, haben rund 17 Millionen Schilling im Jahr betragen. Hohes Haus! Wieviel, glauben Sie – Herr Dr. Schüssel, Sie werden es ja hoffentlich wissen –, werden aus dem Bundeshaushalt nach der Privatisierung à la Wolf


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gang Schüssel für die Diplomatische Akademie aufgewendet? (Abg. Haigermoser: Wieviel? Ich bin neugierig!)  – Zum zweiten Mal ungefähr das Doppelte, nämlich rund 30 Millionen Schilling.

Herr Dr. Schüssel! Seien Sie mir nicht böse, wenn ich Ihnen sage: Grau bis schwarz ist bei Ihnen die Theorie. Ich habe bei Ihnen überhaupt das Gefühl – seien Sie mir auch deswegen nicht ungehalten –, daß Sie die Dinge nicht nur relativ locker niederschreiben, sondern auch relativ locker vor sich her plaudern. Das letzte Mal ist das in der Fernseh-"Pressestunde" geschehen, in der Sie allen Ernstes – das ist ja natürlich auch ein außenpolitisches Thema – behauptet haben – ich zitiere –: Die Menschen sind mit dem Euro besser vor Inflation und Geldentwertung geschützt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ich weiß nicht, war das jetzt Solidarität, war es die gleiche Unwissenheit oder Liebe zur Halbwahrheit, die Herrn Dr. Schüssel beseelt (Beifall bei den Freiheitlichen – Abg. Dr. Lukesch: Ökonomische Vernunft!), die Sie soeben durch Ihr Klatschen dazu zum Ausdruck gebracht haben. Halbwahrheiten sind so typisch für Herrn Dr. Schüssel und für die Österreichische Volkspartei.

Ich frage mich immer wieder – bei Ihnen nicht, Herr Kollege Kiss, aber beim Herrn Vizekanzler –: Weiß er es nicht besser, oder sagt er bewußt die Unwahrheit oder – im konkreten Fall – die Halbwahrheit? (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Die Wahrheit ist nämlich, daß die Menschen in den sogenannten Weichwährungsländern mit dem Euro besser vor der Inflation und vor der Geldentwertung geschützt sein werden als bisher – keine Frage, Herr Dr. Schüssel! Aber genau umgekehrt verhält es sich in den Hartwährungsländern wie Österreich. In diesen ist genau das Gegenteil der Fall. Die Einführung des Euro wird in diesen Ländern zu einer höheren Geldentwertung und zu einer höheren Inflation führen. (Abg. Dr. Lukesch: Wieso, Herr Bauer? – Abg. Schwarzenberger: Das versteht er ja nicht!) – Moment! (Abg. Dr. Lukesch: Sie zählen die Inflationsraten zusammen und dividieren dann!)

Herr Professor, daß Sie das nicht verstehen, glaube ich. Sie sind ja, glaube ich, Jurist oder so irgend etwas. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lukesch: Was sind Sie? Sie sind Jurist?!)  – Was, Volkswirtschaftler sind Sie?! Das ist ja entsetzlich. Dann legen Sie Ihre Professur zurück, Herr Professor!

Herr Professor! Für Sie einmal ganz einfach: Wissen Sie, wenn Sie ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Wie soll ein Jurist etwas von der Volkswirtschaft verstehen? – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Lukesch: Sie sind Jurist? Staatswissenschaftler? – Abg. Dr. Khol: Nein, Journalist!) – Nein. Absolvent der Wirtschaftswissenschaften, wenn Sie wollen: Absolvent der Hochschule für Welthandel. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Nur keine Aufregung, ich weiß ja, warum Sie nervös sind: weil Sie nämlich keine Ahnung haben (Abg. Dr. Lukesch: Ihre simple Theorie macht uns nervös!), wovon hier die Rede ist, keine Ahnung! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Daher für Sie ganz einfach – Einführungskurs; dafür brauchen Sie keine Hochschule zu besuchen, dazu reicht Logik allein –: Wenn Sie – lassen wir einmal das Mengenverhältnis beiseite – harte Währungen und weiche Währungen zu einer gemeinsamen Währung mischen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen der Österreichischen Volkspartei, dann kann diese gemeinsame Währung aus harten und weichen Währungen nicht genauso hart sein wie die härteste Währung. Begreifen Sie das? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lukesch: Nein, das ist falsch! Ihre Milchmädchenrechnung ist falsch! – Weitere Zwischenrufe.) – Daß Sie das nicht begreifen, habe ich befürchtet.

Ich empfehle Ihnen daher, wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Außenminister tiefer in diese Materie eintauchen wollen: Lesen Sie die entsprechende Broschüre des Wirtschaftsforschungsinstitutes. Darin steht das sehr einfach und durchaus verständlich – daher, nehme ich an, auch für Sie begreifbar –, auch ein bißchen ausführlicher, als ich es Ihnen jetzt aufgrund der Redezeit, die mir zur Verfügung steht, hier darlegen kann.


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Sie können sich aber selbstverständlich auch, Herr Dr. Schüssel, wenn Sie diese dicke Broschüre nicht lesen wollen, an Ihren Freund Tietmeyer halten, den Sie ja besonders schätzen, wie wir wissen. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Er hat gesagt: Ich habe große Sorge, daß der Euro weich und labil werden wird. – Tietmeyer, nicht Bauer. Was auch immer Sie von ihm persönlich halten mögen, Herr Vizekanzler – ich weiß das nicht so genau; vor dem Frühstück so und nach dem Frühstück war es ja anders –, eine gewisse Sachkompetenz werden Sie doch dem Präsidenten der Deutschen Bundesbank in dieser Frage nicht absprechen wollen. Er hat Ihnen gesagt: Ich habe große Sorge, es wird ein weicher und labiler Euro werden.

Und was bedeutet ein weicher und labiler Euro für ein Hartwährungsland, Herr Vizekanzler? – Schleichenden Kaufkraftverlust, logischerweise. Ich kann jetzt auch nicht in aller Breite hier darlegen, warum das so ist, aber der Zusammenhang zwischen weicher Währung, Inflation, Kaufkraftverlust wird ja geläufig sein, meine sehr geschätzten Damen und Herren.

Daher war es auch wieder eine typische Halbwahrheit, ein typischer "Schüssel-Sager" bei dieser "Pressestunde", als Sie gesagt haben, der Wert der Sparguthaben werde durch die Umstellung vom Schilling auf den Euro ganz sicher nicht beeinträchtigt werden. – Halbwahrheit, Herr Vizekanzler!

Am Tag der Umstellung wird der Wert nicht beeinträchtigt sein, weil ich davon ausgehe, daß die Banken den Kurs, der festgelegt worden ist, korrekt umrechnen. Aber, Herr Vizekanzler und meine geschätzten Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, schauen Sie sich die Kaufkraft der Sparguthaben etwa ein Jahr später an. (Abg. Dr. Lukesch: In Dollar, in Yen oder in was?)

Wenn Sie das genauer wissen wollen, dann lesen Sie wieder in der Broschüre des Wirtschaftsforschungsinstitutes nach; finanziert und gesponsert von der Regierung und Ihnen nahestehenden Sozialpartnerinstitutionen, also nicht von den Freiheitlichen. Lesen Sie nach! Dort steht drinnen, wie hoch die Entwertung, der Kaufkraftverlust bei einer Zusammenführung der Währungen, so wie sie jetzt geplant ist, sein wird. (Abg. Dr. Lukesch: Die Innen- oder die Außenkaufkraft? – Weitere Zwischenrufe.) Sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis, Herr Professor! Lesen Sie das nach!

Wenn Sie mir das nicht glauben, vielleicht glauben Sie es dann einem Kollegen von Ihnen, Herr Professor, und zwar Herrn Wilhelm Hankel,, er ist der Inhaber des Lehrstuhls für Währungs- und Entwicklungspolitik an der Universität Frankfurt. Er sagt folgendes:

Der Euro kommt als Weichwährung zur Welt. Für die Sparer wird das verheerende Auswirkungen haben. Die Abwertung der Hartwährungen ist bereits in vollem Gange und wird sich weiter fortsetzen. – Das sagt der Herr Kollege von Ihnen, von dem ich annehme, daß er zumindest soviel versteht wie Sie. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Vizekanzler! Sie werden von mir keine Empfehlung und auch keinen Rat annehmen – ich verstehe das auch –, aber Sie sollten, bevor Sie so dahinplaudern, ein bißchen mehr Informationen einholen, ein bißchen mehr nachdenken, denn dann kämen solche Dinge wie in der "Pressestunde" oder bei Ihrem Frühstück nicht zustande. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Er hat ja die falsche Rede erwischt! – Abg. Kiss: Das Kapitel "wirtschaftliche Angelegenheiten" kommt beim nächsten Tagesordnungspunkt!)

9.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Freiwillige Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.17

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Ich bitte den Kollegen Holger Bauer, daß er nicht ungehalten ist, wenn ich auf die vielen Vorwürfe und Ausführungen, die er gebracht hat, nicht eingehe, denn mir fällt dazu


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nur eines ein: Es hat sich bei seiner Rede gezeigt, was der FPÖ zur Außenpolitik einfällt, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte mich zur Außenpolitik äußern und mit dem beginnen, was wir heute eigentlich diskutieren, nämlich mit dem Budget 1998 im Bereich der Außenpolitik.

Mit Budgetansätzen in der Höhe von 4,3 Milliarden Schilling handelt es sich um kein großes Budget. Es hat dieses Ressort weder besonders viele Mitarbeiter noch sehr viele finanzielle Möglichkeiten, aber es hat für Österreich eine enorme Außenwirkung, meine Damen und Herren. Ich möchte das an den Beginn meiner Ausführungen stellen.

Bei näherer Betrachtung dieses Budgets zeigt sich, daß nicht sehr viele zusätzliche Mittel in diesem Bundesvoranschlag enthalten sind. Die 360 Millionen Schilling, um die dieser Budgetentwurf mehr aufweist, sind eigentlich für die große Aufgabe, die Österreich im nächsten Jahr zu bewältigen hat, reserviert: die Präsidentschaft innerhalb der Europäischen Union. Die 300 Millionen Schilling, die dafür als Zentralbudget vorgesehen sind, kommen ja nicht dem Außenministerium zugute, sondern stellen nur ein Zentralbudget dar. Sie kommen den vielfältigen Tätigkeiten, die Österreich dabei entfalten muß, zugute.

Leider gibt es bei diesem Budget auch eine Reihe von Kürzungen – so wie in jedem Ressort –, die unsere Beiträge an internationale Organisationen treffen. Das, würde ich meinen, ist durch die kritische Durchsicht dahin gehend, was tatsächlich eingespart werden kann, noch verkraftbar. Diese Kürzungen treffen aber mit 8 Prozent auch die Auslandskultur, und das ist etwas schmerzhafter, weil unsere Kulturinstitute vor allem in den ost- und mitteleuropäischen Ländern eine sehr gute Visitkarte für Österreich und auch eine sehr gute Vorbereitung auf unsere zukünftige Zusammenarbeit mit diesen Ländern, wenn sie einmal Mitglied der Europäischen Union sind, darstellen. Meine Damen und Herren! Ich hoffe daher, daß wir mit den noch zur Verfügung stehenden Mitteln doch auch Schwerpunkte setzen können.

Der Herr Vizekanzler hat im Außenpolitischen Ausschuß schon darauf hingewiesen, daß es notwendig sein wird, weniger in Institutionen zu investieren, sondern vermehrt operativ tätig zu sein. Ich möchte ihn in diesem Vorhaben voll und ganz unterstützen. Ich glaube, gerade der Bereich der Auslandskultur soll ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Außenpolitik in Mittel- und Osteuropa bleiben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gredler. )

Wenn ich mir die Personalausgaben und die geplante Erhöhung von nur 5,5 Prozent ansehe und dabei bedenke, wieviel mehr Überstunden geleistet werden müssen, wieviel mehr Einsatz den Mitarbeitern während der Präsidentschaft Österreichs innerhalb des nächsten Jahres abverlangt werden wird, meine Damen und Herren, möchte ich folgendes nicht unerwähnt lassen, sondern ganz zentral betonen: Wir haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hinter Tausenden Geschäftsstücken stehen, die hinter den vielen Bemühungen stehen, wenn Österreicher, auch Parlamentarier, ins Ausland fahren und dort von unseren Diplomaten wirklich hervorragend unterstützt werden. Ich möchte an dieser Stelle auch betonen, wie sehr diese Arbeit des diplomatischen Dienstes, der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Außenamt uns allen zugute kommt; sie stehen im Dienste Österreichs. Ich möchte daher meinen besonderen Dank und meine besondere Anerkennung diesen Damen und Herren des Außenministeriums von hier aus aussprechen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß wir uns beim Budget für den Bereich Außenpolitik vor allem mit jenen Punkten beschäftigen sollten, die im Jahr 1998 für die österreichische Außenpolitik zentrale Bedeutung haben werden. Das ist in erster Linie natürlich die Präsidentschaft Österreichs.

Ich glaube nicht, daß die Inhalte besondere sein können, denn wir haben dabei den Standpunkt der Europäischen Union zu vertreten, aber es wird eine besondere Herausforderung sein, was die Führungsaufgabe und auch die Vermittlungsaufgabe betrifft. Unsere Vertreter werden in allen Institutionen im Halbjahr der Vorsitzführung die Aufgabe haben, Ergebnisse auf den Tisch


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zu bringen, eine Einigung herbeizuführen, und die Bewältigung dieser Aufgabe wird einer unendlichen Anstrengung und Ausdauer bedürfen, vor allem aber einer sehr soliden Vorbereitung.

Ich möchte in diesem Zusammenhang sagen, daß die Vorbereitungsarbeiten des Außenministeriums, vor allem unter der Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner, bisher eine wirklich hervorragende Leistung darstellen und wir alle das nur sehr unterstützen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir werden im Jahr 1998 auch eine Entscheidung treffen müssen, was unsere sicherheitspolitische Zukunft betrifft. Wir werden über einen Optionenbericht auch in diesem Haus reden müssen. Ich bin sehr dankbar dafür, daß Herr Bundeskanzler Klima jüngst in Moskau auch ein sehr klares Wort dahin gehend gefunden hat, daß das unsere Entscheidung ist, eine allein österreichische Entscheidung, und daß sich nicht andere in unsere Angelegenheiten einmischen sollen. (Abg. Scheibner: Dann trefft endlich einmal Entscheidungen!)

Meine Damen und Herren! Ich bin auch sehr dankbar dafür, daß der Herr Bundeskanzler vom Zeitplan her klargestellt hat, daß im nächsten Jahr die Entscheidung getroffen wird. Ich bin zuversichtlich, daß wir, sobald der Optionenbericht im Haus ist, diese Beratungen im Außenpolitischen Ausschuß sehr zügig aufnehmen können. Es handelt sich dabei im nächsten Jahr um eine Entscheidung, die für Österreichs Zukunft in der Sicherheitspolitik sehr weitreichende Konsequenzen haben wird.

Einen dritten Punkt möchte ich anschneiden, wo in diesem Jahr bereits sehr wertvolle Initiativen des Herrn Vizekanzlers gesetzt wurden. Der Herr Vizekanzler hat bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Initiative gegen das Schlepperwesen vorgestellt, eine Initiative, meine Damen und Herren, die uns durch die tägliche Berichterstattung und die täglichen Ereignisse als besonders wichtig erscheinen kann.

Gerade an den österreichischen Grenzen wird immer wieder festgestellt, unter welch unmenschlichen Bedingungen Personen, die einen hohen Preis dafür zahlen, von Schleppern nach Österreich gebracht werden. Sie werden aufgegriffen und dann zurückgeschickt. Das sind doch Vorgänge, meine Damen und Herren, gegen die man mit der vollen Kraft der Gemeinschaft vorgehen muß. Deshalb ist eine Initiative, wie sie der Herr Vizekanzler bei der Generalversammlung vorgestellt hat, eine, wie ich glaube, sehr wichtige Initiative für Österreich, aber auch für die Staatengemeinschaft überhaupt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es hat sich gezeigt, daß diese Initiative auf einen sehr fruchtbaren Boden gefallen ist. Es gibt, wie ich gehört habe, da Herr Botschafter Dr. Cede von einer Sondermission bei den Vereinten Nationen wieder zurückgekehrt ist, eine Reihe von Anfragen dazu. Auch eine Reihe von Unterstützungen zu dieser Initiative sind in Österreich bereits eingegangen. – Das ist Außenpolitik, meine Damen und Herren, nämlich wenn man wie in diesem Fall Schwerpunkte auch in der Staatengemeinschaft setzt, auf die Österreich stolz sein kann.

Ich möchte einen vierten Punkt erwähnen: die Fragen rund um das Verbot von Anti-Personen-Minen. Dazu ist klar zu sagen, daß in diesem Jahr mit der Unterstützung, mit dem wirklich beachtlichen Einsatz der Österreicher bei der Formulierung dieses Vertrages und darüber hinaus mit einer gemeinsamen Aktion in der Europäischen Union über die Initiative in der OSZE ein wichtiger Schritt gelungen ist. Mittlerweile sind über 100 Staaten bereit, diesem Übereinkommen beizutreten. Wenn im kommenden Dezember in Ottawa eine Konferenz stattfindet, bei der über 100 Staaten dieses Übereinkommen unterzeichnen werden, dann ist das ein schöner Erfolg für Österreich, vor allem aber ein Erfolg im Dienste der Sache, denn Anti-Personen-Minen gehören zu den unmenschlichsten Dingen, die es auf dieser Welt gibt! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Abg. Dr. Gredler. )

Es wird im nächsten Jahr einer Fortsetzung dieser Initiative bedürfen, damit wir auch noch andere Staaten dazu gewinnen, vor allem jene, die sich bis jetzt nicht bereit erklärt haben, diesem Übereinkommen beizutreten.


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Als letzten Punkt für das nächste Jahr möchte ich erwähnen, daß wir uns nicht nur mit der Osterweiterung befassen sollten, sondern überhaupt mit einem Ostprogramm. Es gibt eine Reihe auch von bilateralen Fragen, die wir einer Klärung oder zumindest einer erweiterten Behandlung zuführen sollten. Ich nenne die Investitionsschutzabkommen, bei denen das Außenministerium eine wesentliche Federführung haben soll. Ich nenne Doppelbesteuerungsabkommen, bei denen wir nach vielen Jahren ihres Bestehens vielleicht das eine oder andere erneuern müßten. Ich denke daran, daß die gemischten Kommissionen, die bestehen, wieder aktiviert werden sollten. Ich denke daran, daß wir bei österreichischen Investitionen im Ausland vielleicht Anreize bieten sollten. Und ich denke auch daran, daß wir ein Gebiet wie den Kaukasus in unsere Außenpolitik einbeziehen sollten, denn das scheint mir ein für die Zukunft sehr interessanter Raum zu sein, der auch für unsere Politik in Europa eine interessante Komponente darstellen kann.

Meine Damen und Herren! Sie sehen: eine Fülle von Aufgaben, die wir vor uns haben, und ich glaube, daß wir dem Herrn Außenminister und seinem Team im Außenministerium dazu nicht nur Glück, sondern auch Erfolg wünschen sollten – in unserem eigenen Interesse. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

9.27

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Erstens freut es mich, daß Sie, Herr Vizekanzler, sich heute nicht vertreten ließen und bereit sind, über dieses Budgetkapitel mit uns zu debattieren. (Zwischenbemerkung des Vizekanzlers Dr. Schüssel. ) Ich kenne das vom Außenpolitischen Ausschuß anders, wo Sie eben oft nicht Zeit haben, sich mit den bewegenden Dingen der österreichischen Außenpolitik zu befassen, und deshalb bedanke ich mich heute ganz besonders bei Ihnen, Herr Vizekanzler. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zweitens: Ich möchte mich mit der EU-Rats-Präsidentschaft befassen. Wir Oppositionsparteien haben sehr oft versucht, die Arbeitsschwerpunkte festzumachen, die sich die Regierung zum Ziel gesetzt hat. Es war uns lange Zeit nicht möglich, überhaupt eine Antwort darauf zu erhalten. Das war schon interessant: Man geht in eine Präsidentschaft und weigert sich, der Opposition mitzuteilen, welche Arbeitsschwerpunkte man hat. Dann kam plötzlich der Moment der Erleuchtung – das war kurz vor dem Sommer. Der Bundeskanzler hat damals die Arbeitsschwerpunkte genannt – ich sage sie Ihnen allen, denn das war in einem internen Kreis –: Beschäftigung, Kriminalitätsbekämpfung, Erweiterung und Menschenrechte. Meine Damen und Herren! Daran werde ich auch die österreichische Bundesregierung messen.

Einige Äußerungen, die in den letzten Wochen von Personen getätigt wurden, die diesen Parteien nicht ganz fern stehen, zum Thema Erweiterung:

Tumpel, AK-Präsident, verlangt sehr, sehr lange Fristen.

Verzetnitsch, ÖGB-Präsident: Eine gesellschaftliche Katastrophe können wir uns nicht leisten. – Im Zusammenhang mit der Erweiterung spricht man von einer "gesellschaftlichen Katastrophe". Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wie soll sich ein Land, das ein Nachbarland Österreichs ist, fühlen, wenn der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes von einer "gesellschaftlichen Katastrophe" spricht für den Fall, daß es zu einer Erweiterung kommt? Die werden sich bedanken! Unser Standpunkt innerhalb Europas und unser Versuch, in Zentraleuropa eine wichtige Kraft zu werden und die Erweiterung zu forcieren, um unsere Rolle etwas zu verbessern, werden durch solche Äußerungen zerstört! (Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Aber es geht noch weiter. Herr Pröll: Schulterschluß der Bundesländer gegen eine rasche Osterweiterung. Herr Stix: Nicht vor 2006 und dann fünf- bis siebenjährige Übergangsfristen. (Abg. Scheibner: Das ist ausnahmsweise etwas Vernünftiges, was die sagen!) Das bedeutet eine Aufnahme erst in den Jahren 2011 bis 2013. Wie fühlt sich solch ein Land, das unser


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Nachbarland ist? Wie hätten wir uns als Nachbarland von Deutschland gefühlt (Abg. Scheibner: Wie fühlen sich denn unsere Leute? Denken Sie einmal an die Österreicher! Das ist ja unglaublich! – Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer ), wenn Deutschland gesagt hätte, es wäre eine Katastrophe, wenn Österreich Mitglied der Europäischen Union würde?

Ich würde Sie sehr bitten, Herr Vizekanzler, daß Sie in dieser Beziehung ein offenes Wort sprechen und sagen: Diese Staaten sind nicht unsere Feinde. Wir wünschen uns ein starkes Europa, und dazu gehören nun einmal unsere Nachbarstaaten; auch wenn es Ihnen nicht recht ist, Herr Bauer. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Was tun wir dafür? – Wir sprechen davon, daß wir nicht mehr Geld in Brüssel lassen wollen. Es ist so, daß wir 1,27 Prozent des BIP dafür vorgesehen haben. (Abg. Jung: Wir lassen schon zuviel Geld in Brüssel!) Tatsächlich wurden bis jetzt 1,22 Prozent benötigt. Das ergibt immerhin ein offenes Spektrum von 20 Milliarden ECU. – Nicht ganz wenig, Herr Bauer. Sie werden mir recht geben, daß man mit 20 Milliarden ECU einiges machen kann. Was nicht besprochen wird, ist ... (Abg. Mag. Schweitzer: Martina, du mußt schon sagen, daß das Österreich wieder einiges kosten wird!) Herr Schweitzer! Um die Rolle Österreichs innerhalb von Zentraleuropa zu stärken, bin ich bereit, darüber zu debattieren, wieviel Geld Österreich dafür investieren soll. (Abg. Jung: Sie schon, aber nicht die Mehrheit der Österreicher!) Ich verweigere mich dieser Diskussion nicht. Ich bin der Meinung, daß uns unsere Nachbarn etwas wert sein sollen; vielleicht im Gegensatz zu euch Freiheitlichen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sollten darüber debattieren, wie wir den Kohäsionsfonds ausschleichend mit den betroffenen südeuropäischen Ländern gestalten. (Abg. Scheibner: Das ist fahrlässig!) Ich weiß, daß es hier große Widerstände gibt, aber es kann doch nicht so sein, daß wir versuchen, Länder auf Trab zu bringen, damit es eine ständige Finanzspritze in Richtung Süden gibt. Man muß diese Finanzpolitik auch erfolgsorientiert gestalten. In diesem Zusammenhang muß ich Ihnen folgendes sagen, Herr Vizekanzler: Bitte schön, informieren Sie Ihre Europaabgeordneten, wie das Budget zustande kommt. Frau Flemming hat tatsächlich am Sonntag gesagt, daß das Europäische Parlament allein 100 Prozent des Budgets beschließt. – Das stimmt nicht. Das Europäische Parlament kämpft dafür, doch kann es nur über etwas mehr als 50 Prozent des Budgets einen Beschluß fassen.

Bei diesem Budget fehlt noch der ganze Agraranteil, und da würde ich Sie bitten, daß wir aktiver werden, daß die österreichische Bundesregierung sagt, daß sie damit einverstanden ist, daß das Europäische Parlament diese Kompetenzen bekommt, und daß man es in Amsterdam nicht geschafft hat, diesen Schritt zu gehen. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie auch betonen, daß die Agrarpolitik – auch wenn sie jetzt seit 1992 erstmals umgestaltet wurde – nicht erfolgreich genug ist. Wir können es uns nicht leisten, 47 Prozent des europäischen Budgets nur für Agrarleistungen auszugeben. Wir brauchen das Geld für die Forschung und die transeuropäischen Netze. Herr Spindelegger wird mir in dieser Richtung recht geben.

Sie haben sich für die transeuropäischen Netze sehr eingesetzt. Wir brauchen dieses Geld für die Bildung und auch für die Regionalförderung. Es mag für eine Liberale merkwürdig sein, daß sie sich so um die Regionalförderung kümmert. Ich halte es auch im europäischen Kontext für wichtig, daß wir eine gute Kooperation entwickeln, insbesondere mit jenen Ländern, die an uns grenzen.

Nun komme ich zur merkwürdigen Personalpolitik im Hause. Für die Leitung der Kulturabteilung wird eine Ausschreibung gemacht, worauf sich ein paar Leute melden. Dann kommt man zu der Ansicht, die Qualifikation sei nicht ausreichend, und macht eine neuerliche Ausschreibung, in der Französisch nicht mehr als Erfordernis aufscheint. Es ist interessant, daß in einem Haus, in dem alle Französisch und Englisch beherrschen müssen, die Bewerber um die Leitung der Kulturabteilung – und Kultur ist offensichtlich nur anglophil – plötzlich nicht mehr Französisch vorweisen müssen. Und warum? – Um eine bestimmte Person in diese Stellung zu bringen. Diese Person hat nicht einmal das Préalable, das auch eine normale Anforderung in diesem Haus ist. Das braucht man in diesem Fall nicht. Eine merkwürdige Vorgangsweise! Aber es geht noch weiter.


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Zweitens konnte man vor kurzem im "Kurier" lesen: "Der Proporz als Exportartikel". – Wir haben einen schwarzen Kommissär und zwei rote Direktoren. Nun kommt es zu einem Durcheinander, denn einer der Direktoren – ein roter –, Herr Zourek, ist ein sehr kompetenter Mann, der einen sehr guten Ruf in Brüssel hat. Ihm wurde die Leitung der Task Force "Ost-Erweiterung" angeboten. Aber das geht nicht, weil man dann nicht weiß, wie man diese freie rote Stelle nachzubesetzen hat. Wenn die Leitung der Task Force angenommen wird, kommt es wieder zu einem Durcheinanderwürfeln. Ich halte diese Vorgangsweise für ganz schädlich. Und wir müssen uns vom Herrn Liikanen anhören, daß von Österreich mehrere Kandidaten zur Verfügung gestellt werden müssen, wenn es um die Besetzung einer Stelle geht. Es sei unerträglich, daß wir nicht mehrere Kandidaten präsentieren wollen, weil wir den Proporz dorthin exportieren wollten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es geht noch weiter: Ernennung der Kandidaten zum Richter im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Herr Kollege Fuhrmann sitzt hier, sehr gut. (Abg. Schieder: Die werden nicht ernannt, die werden gewählt!) Voraussetzung für dieses Amt ist, daß die Richter ein hohes sittliches Ansehen genießen müssen. – Das könnte stimmen. (Abg. Dr. Khol: Genießt er!) Sie müssen entweder für die Ausübung hoher richterlicher Ämter die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen oder Rechtsgelehrte von anerkanntem Ruf sein. (Abg. Dr. Khol: Stimmt auch! Rechtsanwalt!) Gut. Wollen wir einmal den besten Fall annehmen, daß wir einen untadeligen Kandidaten als Nummer eins haben, und zwar Herrn Kollegen Fuhrmann. (Abg. Dr. Khol: Ja, im Verfassungsausschuß!) Nur, Herr Kollege Fuhrmann, warum haben Sie es nicht geschafft, das Wort "Menschenrechte" in dieser Regierungsperiode überhaupt in den Mund zu nehmen?

Ich habe mir die Mühe gemacht, all Ihre Reden dahin gehend durchzuschauen, ob es wirklich solch ein inneres Anliegen Ihrerseits ist, sich für Menschenrechte massiv einzusetzen. Ich wurde kaum fündig. Ich würde wirklich darum bitten, wenn es um solche Positionen geht, daß die Bundesregierung sich einmal entschließt, einen Katalog herauszugeben, unter welchen Voraussetzungen Nominierungen stattzufinden haben. Ich sage nicht, daß die Bundesregierung unredlich gehandelt hat. Nur gab es keine Ausschreibung und kein Hearing. Es wurde sozusagen eine Reihung vorgenommen, die in Europa nicht einmal mehr erwünscht ist. Es wurde bestimmt, Sie sind die Nummer eins, Botschafter Cede Nummer zwei und Herr Professor Nowak Nummer drei.

Bitte, seien Sie doch so fair, und machen Sie eine Ausschreibung, sodaß sich alle melden können. Machen Sie ein Hearing, und begründen Sie als Bundesregierung Ihren Entschluß! Dann habe ich kein Problem mehr damit, Sie als Kandidaten vorzuschlagen. Es ist mir schon klar, Herr Schieder, daß im Europarat noch ein Hearing mit allen Kandidaten stattfinden wird, aber ich hätte zuerst gerne die erste Stufe in Österreich gehabt. Das ist der Unterschied. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir reden über Menschenrechte und das Engagement der Bundesregierung. Letzte Woche haben wir bei der ÖVP die Plaketten mit der Aufschrift "Lobby für Kinder" gesehen. Ich habe mir gedacht: Das ist wirklich toll, eine gute Initiative. Ich habe mich daran erinnert, was der Herr Bundesminister für Äußeres, der jetzt schwer beschäftigt ist (Vizekanzler Dr. Schüssel spricht mit Abgeordnetem Eder ) und sich einen Dreck darum schert, was wir hier sagen, mir als Antwort gegeben hat (Abg. Dr. Khol: Warum sind Sie denn so aggressiv?), als ich ihn gefragt habe, was Österreich bei der Konferenz zur Bekämpfung der Kinderarbeit in Oslo unternehmen wird. Gibt es Initiativen? Gibt es Zielsetzungen? Gibt es irgendwelche wichtigen Punkte, die wir verhandeln wollen? (Abg. Steibl: Das ist ein ganz großes Thema!) Was hat mir der Außenminister im Ausschuß geantwortet? – Der Botschafter nimmt teil. – Und aus, keine inhaltliche Stellungnahme.

Mir reicht das nicht. (Zwischenruf der Abg. Rauch-Kallat. ) Ich hätte gerne gehabt, Frau Rauch-Kallat, daß der Herr Bundesminister für Äußeres die Familienministerin (Abg. Rosemarie Bauer: Der Familienminister ist männlich!) an die Hand nimmt, sie vielleicht zu zweit nach Norwegen fahren und sagen: Wir halten die Bekämpfung der Kinderarbeit für so wichtig, daß wir bereit sind, uns dorthin zu begeben (Abg. Steibl: Das ist uns wichtig!), daß wir bereit sind zu verhandeln, sodaß diese Kinder nicht mehr in eine derartige Lage kommen müssen. (Abg. Schwarzen


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berger: Dann beklagen Sie sich, wenn er im Ausschuß nicht jedes Mal Zeit hat!) Über Verträge allein kann man natürlich keinen Ersatz für das Fehlen an Geld, das in der Familie vorhanden ist, bieten. Das ist mir klar. Aber es müßte wenigstens die Zielsetzung und die Bereitschaft geben, das Budget der UN so umzuschichten, daß dieselbe Aufmerksamkeit, die wir der Atompolitik schenken, vielleicht in einem geringeren, aber doch wichtigen Maß auch noch für das Thema Kinder zur Verfügung steht. Das sind Dinge im Hinblick auf die Menschenrechte, die ganz unklar sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

In der Öffentlichkeit kursiert die Meinung, daß Österreich Schulden von anderen Ländern zahlt. Das sollen Schulden sein, die diese Länder gemacht haben, um Waffenkäufe zu tätigen. Und genau diesen Schuldenberg tragen wir ab.

Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich will das nicht unterstellen. Aber wenn es so ist, wäre es eine Katastrophe für Österreich. Unsere Entwicklungskooperation soll nicht in eine Richtung gehen, die wir nicht haben wollen, nämlich daß es unter Umständen militärisch hochgerüstete Länder gibt, sondern sie soll in die Richtung gehen, die schon bei der Minenkonferenz eingeschlagen worden ist, an der ein sehr talentierter Botschafter teilgenommen hat.

Herr Bundesminister! Ich gratuliere Ihnen, daß Sie teilweise ein so exzellentes Personal haben. Das ist Ihr Glück in einer Phase, in der das Außenministerium – leider ist Herr Mock nicht da – darunter leidet, daß oftmals kein Chef vorhanden ist, sondern dieser andere Agenden zu übernehmen hat und daher das Haus kopflos ist. Herr Mock hätte am liebsten zum Frühstück immer einen Oppositionellen verspeist. Der war aber noch ein Außenminister, was man bei Ihnen manchmal wirklich anzweifeln muß. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich verstehe folgendes nicht: Wir setzen uns für die Entwicklungskooperation ein. Sie haben mir geantwortet, die Mittel des Fonds für industrielle Entwicklung seien entgegen der Meinung des Außenamtes gekürzt worden, eines Fonds, der sehr wichtig ist, wenn man versucht, die Migration hintanzuhalten, nämlich die Migration aus wirtschaftlichen Gründen. Was ich daher nicht verstehe – vielleicht können Sie mich hier aufklären –, ist, warum der Herr Finanzminister nicht Ihrer Meinung gefolgt ist, dieses Geld doch noch in die richtige Richtung zu lenken, sondern das Geld eingespart hat. Ist es wirklich die Meinung der Sozialdemokraten, Herr Gusenbauer, daß wir so einen Fonds für industrielle Entwicklung nicht unterstützen wollen? Ich hoffe, daß Sie mir eine Antwort geben, die mich befriedigen kann. Der Herr Vizekanzler, der das offensichtlich recherchiert hat, hat mir eine eindeutige gegeben, und zwar: Herr Edlinger ist nicht interessiert.

Bezüglich der EU-Ratspräsidentschaft habe ich Sie gefragt, ob Sie mir vielleicht sagen könnten, wie diese 300 Millionen Schilling aufgeschlüsselt werden, Herr Vizekanzler. Sie haben gesagt, diese Antwort werden Sie mir schriftlich geben, obwohl Sie damit nicht glücklich seien, weil es noch kein Referenzbudget gebe, sondern wir uns an anderen Ländern orientieren müßten. Aber diese 300 Millionen Schilling, Herr Vizekanzler, haben Sie ja nicht erfunden. Die haben Sie durchkalkuliert.

Es muß doch im Außenministerium irgend jemanden geben, der sich den Kopf darüber zerbrochen hat, wie das Ganze zu bewältigen sein wird. Es gibt Aufschlüsselungen. Warum stellen Sie diese nicht zur Verfügung? – Dann könnte man vielleicht über Gewichtungen sprechen. Ich verstehe nicht, warum die Aufschlüsselung dieser 300 Millionen solch ein Geheimnis ist. Mir ist es das wert, daß das Geld für die Ratspräsidentschaft ausgegeben wird. Das will ich nicht kritisieren. Ich möchte nur sehen, in welcher Weise Sie es ausgeben und wie die Bundesländer vielleicht da hineinagieren. Mich würde auch interessieren, welche Mittel von seiten der Bundesländer vorgesehen sind, neben der politischen Zielsetzung, die Sie uns bis jetzt eigentlich nur mit Schlagworten definiert haben. Sie sagen, es handle sich um laufende Diskussionen.

Ich möchte von Ihnen die Ziele und Wünsche wissen. Ich möchte nicht nur die Titel wissen, sondern was Sie im Forschungsrahmenprogramm effektiv erreichen wollen, wie etwa in der Altersforschung und bei all diesen Punkten, die Sie schon erwähnt haben. Ich hätte auch ganz gerne, daß Sie genauso Position beziehen, wie es Herr Bundesminister Molterer gemacht hat, nämlich


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welches Ziel er in der Landwirtschaft erreichen möchte. Warum ist es nicht möglich, von der Bundesregierung solch ein Konvolut für die Ratspräsidentschaft zu erhalten, wenn das der Bundesminister für Landwirtschaft für seinen Ressortbereich schafft? Ich frage Sie folgendes: Wollen Sie nicht? Fürchten Sie sich? Trauen Sie sich nicht, oder was ist los?

Zum Schluß möchte ich noch auf eines zu sprechen kommen, und zwar auf die Situation der Mitarbeiter Ihres Hauses. Ich bin von dem Kind eines Diplomaten, das krank ist und nicht die Möglichkeit haben wird, entsprechende Versicherungszeiten zu erwerben, auf folgendes aufmerksam gemacht worden. Das Kind dieses Diplomaten hat die Schule im Ausland besucht und wollte nun diese Versicherungszeiten nachkaufen. Das geht aber nicht. (Abg. Scheibner: Kollege Moser ist schon ganz nervös! Er bekommt einen Herzinfarkt, weil Sie so überziehen!) Diese Zeiten können nicht nachgekauft werden, weil dieses Kind im Ausland war. Es sind aber weder die Familien noch die Kinder davon benachrichtigt worden, darüber informiert worden, daß das nicht möglich ist. Dieses Kind war übrigens schon sehr lange krank; also es ist nichts Neues. Was tun Sie für diese Personen?

Was tun Sie für die Partner, die ihren Beruf aufgeben müssen, die völlig aussteigen müssen, um ihre Familie nicht zu zerreißen, wenn aus geographischen Gründen ein Zusammenhalt einfach nicht möglich ist, wenn man nicht in Nachbarländern Österreichs postiert ist? (Abg. Großruck: Was tut man in der Privatwirtschaft?) Was tun Sie für diese Leute? Es ist interessant, daß dieses Thema erst diskutiert wird, seit Männer betroffen sind. Als nur Frauen betroffen waren, war das nie ein Thema. Doch seit Männer betroffen sind, gibt es plötzlich einen Aufschrei über die Pensionszeiten, die man vielleicht nachkaufen könnte. Es ist eine prekäre Situation, wie Diplomaten in unserem Land behandelt werden. Ich wünsche mir die Besten. Was wir aber erreichen, wenn wir keine Regelungen ermöglichen, ist, daß wir nur die Schlechtesten haben werden. Das ist ein Zustand, den ich für unerträglich hielte. (Abg. Scheibner: Der Moser kriegt schon einen Herzinfarkt!) Deshalb würde ich mir wünschen, daß Sie dort Maßnahmen setzen, wo sie notwendig sind. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.

9.47

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Auf die Ausführungen meiner Vorredner möchte ich nur ganz kurz eingehen. Von den Ausführungen des Abgeordneten Bauer habe ich in Erinnerung behalten, daß der Herr Bundesminister nicht mehr frühstücken soll und daß, wenn man Hartes und Weiches zusammenmischt, das Harte weicher und das Weiche härter wird. Ich bitte nur, daß diese Packerlsuppenerfahrung aus dem täglichen Leben nicht unmittelbar auf den Euro übertragen wird. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Peter: Das kommt vom Frühstücksei!)

Frau Kollegin Gredler hat manches gesagt, was durchaus zu unterstreichen ist und wo ich ihrer Meinung bin. In der Frage Fuhrmann – ich brauche nicht der Verteidiger Fuhrmanns zu sein – möchte ich folgendes sagen: Er ist im Europarat seit acht oder neun Jahren im Menschenrechtskomitee, im Flüchtlingsausschuß. Man weiß dort schon, was er für die Menschenrechte getan hat. Ich würde Ihnen, nachdem Sie hier gesagt haben, Sie hätten sich die Mühe gemacht, extra aus diesem Grund all seine Reden durchzulesen, um zu schauen, ob im letzten Jahr das Thema Menschenrechte vorgekommen ist, empfehlen, einen Bourdon-Test – Sie wissen, daß das nichts Unanständiges ist – zu machen, womit man die Fähigkeit überprüfen kann, Gelesenes aufzunehmen.

Ich erinnere mich – ohne daß ich nachgeschaut habe – sofort an eine Rede – aber es wird viele geben – zum § 209, in der Kollege Fuhrmann die Frage des Alters und der Homosexualität mit Menschenrechten im Europarat verknüpft hat. Das ist ja tatsächlich ein Menschenrechtsanliegen. Es wird mehrere Beispiele geben, aber schon beim ersten Nachdenken fällt mir sofort eines ein, ohne daß ich so genau wie Sie alles gelesen habe. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Redezeiten sind auch für Erstredner – und das ist auch ein Ergebnis der Demokratisierung in diesem Hause – kürzer geworden, sodaß man nicht mehr über alles seine außenpolitischen Ergüsse ausbreiten kann, sondern man sich auf wenige Punkte beschränken muß. Ich möchte heute einen Punkt ansprechen, der in den meisten EU-Debatten in diesem Haus, auch in den Debatten in den Ausschüssen und im Hauptausschuß über EU-Fragen untergeht.

Wir diskutieren sehr intensiv darüber, wie die EU aussehen soll. Wir diskutieren über die Erweiterung, wir diskutieren über einzelne Bereiche. Wir haben den Euro und die Frage der Beiträge und der Finanzen diskutiert. Aber es neigt natürlich jedes Land – und auch wir – dazu, vorerst die Dinge – das ist auch legitim – zu besprechen, die unmittelbar das Land betreffen, die eine Fortsetzung der Innenpolitik sind, die erkennbare rechtliche und budgetäre Auswirkungen haben und die Menschen unmittelbar betreffen.

Ich glaube, es ist wichtig, daß wir auch hier stärker darüber sprechen, welche Rolle die EU in der Welt spielen soll; also die EU als Faktor der Weltpolitik. In der Frage Wirtschafts- und Währungspolitik ist dies mit der Euro-Debatte ohnedies schon geschehen. Auf uns kommt aber die Frage zu, wie sich die EU gegenüber den Entwicklungsländern – Lomé und damit verbundene Fragen – verhält. Auf uns kommt folgende Frage zu: Wie stark wird, soll und kann dieses Europa in der Welt sein?

Da hat es nach der globalen Entwicklung – daß sich eine Supermacht, nämlich die Vereinigten Staaten, herausgebildet hat – eine gewisse Änderung der Haltung, auch in der amerikanischen Politik, gegenüber der EU gegeben. Hat vor Jahren noch Skepsis bis Ablehnung gegenüber dem Binnenmarkt, gegenüber dem Euro, gegenüber der Einigung, gegenüber der wirtschaftlichen Kraft bestanden, was – wir erinnern uns alle – am stärksten im Jahre 1992 beim Gipfel in Lissabon zum Ausdruck gekommen ist, so sehen wir da seit einiger Zeit einen gewissen Wandel. Es gibt eine Debatte – auch in den Vereinigten Staaten –, die ihren Niederschlag in europäischen Zeitungen und bei vielen Kommentatoren gefunden hat. Man hat nämlich auch in den USA überlegt, ob sie nicht verlangen und wünschen sollten, daß Europa die Vereinigten Staaten in den Ansprüchen der globalen Interessen, der weltweiten Handlungsfähigkeit, vor allem im Management, in der Weltpolitik, unterstützt und sich nicht mehr allein auf die Stabilisierung der EU selbst und des Kontinents beschränkt.

Am deutlichsten hat das – in einem Buch und in zahlreichen Vorträgen – in den letzten Monaten Brzezinski ausgedrückt, der sogar zugespitzt davon gesprochen hat, daß Europa, statt ein freiwilliges Protektorat Amerikas zu sein, ein echter Partner werden müsse, was aber auch heißt, daß Europa wirtschaftliche, finanzielle, aber auch sicherheitspolitische Verpflichtungen auf sich nimmt. Uns  – oder Europa – muß in diesem Zusammenhang klar sein, daß ein solch gleicher oder ähnlicher Rang sicherlich nicht ohne gleichgestellte Beteiligung an den Entscheidungen in der Weltpolitik kommen kann.

Die Überlegung ist, daß Europa zur Weltmacht heranreift und damit Amerika in den Machtfunktionen in der Welt entlastet. Das ist auf den ersten Blick etwas Richtiges, Positives und Begrüßenswertes. In der Finalität, in der Absicht, statt mit einer Supermacht mit einer zweiten, schwächeren zu teilen und die anderen nicht mitreden zu lassen, kann dieses Modell natürlich keineswegs akzeptiert werden. (Beifall des Abg. Wabl. )

Unsere Antwort darauf müßte sein: Ja zu dieser Rolle Europas! Ja zu diesem Sharing, auch mit den Vereinigten Staaten, aber nicht mit der Absicht, zwischen zweien die Macht aufzuteilen, sondern gemeinsam die Macht dazu zu nützen, daß die Instrumente von Recht und Ordnung, von Gerechtigkeit und Sicherheit in der Völkergemeinschaft ausgebaut und gestärkt werden! (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Da stellt sich nun die Frage nach den Vereinten Nationen. Wie können die Vereinten Nationen verändert, gestrafft und finanziell in Ordnung gebracht werden, damit sie als die Organisation, die diesem Zweck als einzige ganz nahe ist, diese Funktion in Zukunft verbessert und ohne die Probleme der Gegenwart wahrnehmen kann? Ich bin sehr froh, daß Österreich, das Außenamt, der Außenminister, die zuständige Abteilung und unsere Vertretung in Washington auf diesem


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Gebiet sehr aktiv tätig sind, auch in den Arbeitsgruppen Vorschläge eingebracht haben, im Außenpolitischen Rat – in dem wir eine sehr gute Debatte geführt haben – darüber berichtet haben, und ich meine, daß es aber auch für uns als Parlament wichtig ist, daß wir bereit sind, uns für Lösungen auszusprechen.

Manches in den Vereinten Nationen ist veraltet. Manches paßt nicht mehr in die heutige Zeit, aber die Verwaltungsreformen, die vom Generalsekretär betont wurden, um Geld zu sparen und einen bestimmten Druck auf die Vereinigten Staaten im Hinblick auf eine positive Entwicklung bei den Finanzen auszuüben, sind positiv, wünschenswert, jedoch allein nicht ausreichend! (Beifall der Abgeordneten Dr. Cap und Wabl. )

Es gilt, den Inhalt der Arbeit der Vereinten Nationen zu evaluieren. Es gilt auch, über strukturelle Reformen nachzudenken. Das betrifft in erster Linie den Sicherheitsrat, wobei ich für unsere Haltung und auch für dessen Vergrößerung bin. Ich bin aber auch dafür, daß es, wenn dort mehr Europäer vertreten sind, nicht mehr Unterschiede gibt, sondern daß diese Europäer im Sicherheitsrat im Rahmen der EU die Aufgaben koordinieren und alles zwischen ihnen besprochen wird. Man erwartet nämlich auch von neuen Ländern, daß sie – wenn sie quasi als großes Entwicklungsland aufgenommen werden – im Namen der anderen sprechen und alles absprechen. Dann müssen wir jedoch auch selbst dazu bereit sein! (Abg. Wabl: Ausgezeichnet!)

Wir müssen uns überlegen, wie die Generalversammlung geändert werden kann. Wenn diese Generalversammlung quasi zum Hyde Park Corner für Minister und Vertreter wird, wo jeder sagen darf, was er will, und in der Sprache, die er will, dann ist das falsch. Wenn immer wieder dieselbe große Anzahl von Resolutionen auftaucht, aber nichts strukturiert wird, inhaltlich nichts Neues gesagt wird, dann ist das ein Fehler und dermaßen einzuschätzen, wie es der frühere finnische UNO-Botschafter Max Jacobson einmal gesagt hat: Die Resolutionen tauchen bei der Generalversammlung wie die Enten bei den Jahrmarktschießständen auf; manche werden getroffen, andere nicht, aber sie kommen nach einer gewissen Zeit immer wieder. Auf jeden Fall dreht sich alles im Kreis. – Da gilt es, Reformen anzusetzen, und das ist wichtig.

Und es gilt auch, die Funktion des Generalsekretärs und die Finanzlage zu überdenken. Ich bin froh über die österreichische Haltung. Ich bekenne mich zum EU-Paket von Anreiz und Strafen bei den Finanzen. Es tut mir leid, daß Amerika dem nicht zustimmt. Ich bin auch froh darüber, daß wir uns – im Gegensatz zu anderen Ländern – für die Umstellung auf die Nettohaushaltsführung ausgesprochen haben, denn das bringt erhöhte Budgettransparenz.

Was wir brauchen, ist, daß auch die Parlamentarier in aller Welt sich damit beschäftigen. Wir brauchen die Bereitschaft, nicht neue Supermächte zu schaffen, sondern die UNO als Supermacht des Rechts mit stärkerem Leben zu erfüllen, sie handeln zu lassen und nicht auf das Handeln der einzigen Supermacht zu warten. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP und der Grünen.)

In diesem Zusammenhang hat es in den letzten Tagen einen sehr guten Vorschlag gegeben: Der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses der Französischen Nationalversammlung Jacques Lang hat den in der Agenda for Peace versteckten Vorschlag einer stehenden Feuerwehrtruppe für die UNO wieder aufgegriffen und gesagt, daß diese helfen würde. – Ich bin dafür, Herr Außenminister, daß wir diesen Vorschlag ernsthaft prüfen, daß wir auch ernsthaft mit den Fraktionen reden. Ich könnte mir vorstellen – man muß sich das natürlich anschauen –, daß sich auch Österreich für diesen Vorschlag ausspricht, weil wir auch daran interessiert sein müßten, daß in der Welt rasch geholfen wird, wenn Hilfe für Staaten und Menschen notwendig ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Wabl: Eine ganz phantastische Rede! Da paßt jeder Satz!)

10.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächste Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte sehr.

10.00

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Eine Debatte wie die heutige stellt immer eine Verführung dar, über vieles


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zu sprechen, was die Außenpolitik betrifft. In der Tat liegt auch einiges sehr Aktuelles und Wichtiges auf dem Tisch.

Meine Vorredner und meine Vorrednerin haben bereits die EU-Ratspräsidentschaft angeschnitten. Es ging dabei auch um die Osterweiterung der EU sowie darum, über die veränderten wirtschaftlichen, demokratischen und sozialen Bedingungen in Europa zu diskutieren. Obwohl es einiges dazu zu sagen gäbe, möchte ich mich nur auf ein Thema, das auch einen sehr starken innenpolitischen Kontext hat, beschränken. – Es ist mir übrigens immer ein Anliegen gewesen, die Außenpolitik ein wenig von ihrem Podest herunterzuholen und zu vermitteln, daß Außenpolitik immer auch eine innenpolitische Implikation und Auswirkung hat.

Daher möchte ich mich auch auf ein Thema beschränken, und das ist die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Europa, im speziellen jene Frage, die auch in Österreich ansteht und von Ihrer Seite immer wieder angeführt wird, nämlich die Frage des Optionenberichtes, der im nächsten Jahr vorliegen und für heftige Diskussionen sorgen wird.

In diesem Zusammenhang fällt mir an Ihrer Außenpolitik besonders auf, daß alle Entscheidungen und Debatten, sogar jeder Versuch, eine Debatte überhaupt zu initiieren – sei es im Ausschuß oder hier im Plenum –, immer wieder mit der Begründung verschoben werden, daß das alles mit dem Optionenbericht erledigt wird, wenn dieser auf dem Tisch liege, werde man alles sehen.

Ich kann von hier nur immer wieder betonen, daß das nicht genügt und daß es nicht ausreichend ist, daß die Bundesregierung im nächsten Jahr einen Optionenbericht vorlegen wird, sondern daß ich es für wichtig erachte, daß auch wir Abgeordnete über die verschiedensten Optionen diskutieren, und zwar nicht nur über jene, die im engeren Sinn sicherheitspolitische Auswirkungen oder Implikationen haben beziehungsweise Entscheidungen in der Militärpolitik bedeuten, sondern vor allem über jene, die außenpolitische Implikationen und Auswirkungen haben. – Diese Debatte wird jedoch immer wieder mit dem Hinweis darauf vertagt, daß man dann, wenn der Optionenbericht auf dem Tisch liegt, sehen werde.

Wir sehen allerdings etwas anderes. Sie vermeiden zwar zurzeit die Debatte hier im Haus und in der Öffentlichkeit, setzen aber sehr wohl alle Schritte in Richtung der Vorbereitung eines Beitrittes zur NATO – ohne Debatte im Haus, ohne Entscheidungen und Diskussionen im Ausschuß, um nur einiges aufzuzählen. Zwischen den einzelnen Nationalratsdebatten werden jedesmal neue Schritte gesetzt und Entscheidungen, die einer klammheimlichen Vorbereitung des NATO-Beitrittes und einer scheibchenweisen Erledigung der Frage der Neutralität in Österreich ähneln, getroffen.

Der bislang letzte Schritt dieser Serie betrifft nicht die Regierung im engeren Sinne, sondern Ihren Regierungspartner, die Sozialdemokratische Partei. Wir lesen und hören, die Sozialdemokratische Partei habe sich zu einem "wundersamen" Beschluß durchgerungen. Sie sei dafür, das Ja zur "Partnerschaft für den Frieden" zu verstärken, gewissermaßen noch aufzudoppeln – es war aus den Zeitungen nicht deutlich ersichtlich, wie –, dafür aber die Entscheidung über die NATO bis nach den Nationalratswahlen zu vertagen.

Das ist eine sehr "elegante" Entscheidung (Abg. Scheibner: Gefährlich!), denn damit haben Sie oder zumindest glauben Sie, dieses Thema von den Nationalratswahlen abgekoppelt zu haben. Auf der anderen Seite klingt das nach Verharmlosung. Angesichts dessen, was die "Partnerschaft für den Frieden" wirklich ist oder wie immer eine verstärkte Beteiligung an dieser "Partnerschaft für den Frieden" aussehen soll, wird für uns deutlich, daß das nichts anderes als ein weiteres Aufweichen der Neutralität bedeutet und daß über den Umweg eines verstärkten Mitwirkens an der "Partnerschaft für den Frieden" die Österreicher in den kommenden zwei Jahren neuerlich weich geklopft werden sollen. Wenn die Nationalratswahlen vorbei sind, wird es endlich keine Probleme mehr damit geben, auch dem sozusagen dümmsten Wähler der Sozialdemokratie zu erklären, warum wir nun zur NATO gehen müssen und nicht mehr neutral sind. – Das ist Ihre Entscheidung.


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Für Sie in Ihrer Situation und Position ist das natürlich praktisch, der Koalitionspartner arbeitet Ihnen elegant zu. Wir stellen, um es noch einmal auf den Punkt zu bringen, fest: Sie berufen sich auf den Optionenbericht und verhindern dadurch jede demokratische Debatte in der Öffentlichkeit, im Haus und in den Ausschüssen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Wann hat – um noch einmal eine Rückschau zu machen – unserer Meinung nach die Aufweichung des Staatsvertrages, speziell der neutralen Position, nun begonnen? – Sie begann eigentlich im Jahr 1990 mit der Obsoleterklärung eines sehr wichtigen Teiles des Staatsvertrages, den man nicht unterschätzen soll, nämlich jenes, in dem es um die Stationierung von atomaren Waffen geht.

Die Obsoleterklärung, durch die dieser Teil für nicht mehr gültig erklärt und durch einen anderen, der "windelweich" ist und alle Hintertüren und eben alle Optionen für Ihren Bericht offenläßt, ersetzt wurde, bezieht sich zwar darauf, daß Österreich keine derartigen Waffen mehr herstellen, besitzen oder verwenden wird, läßt aber die Frage, ob andere Länder, Staaten und Militäreinheiten, die solche Waffen besitzen, diese in Österreich stationieren und von Österreich aus verwenden können, völlig offen.

Die Entscheidung über diese Obsoleterklärung war der Beginn einer ganzen Reihe von Maßnahmen in diese Richtung, mit denen Sie immer wieder kunstreich zu erklären versuchen, daß das alles noch mit dem Staatsvertrag und der Neutralität im Zusammenhang stehe, aber längst nicht mehr so sei und auch längst nicht mehr geschehen sei. Wir haben Ihnen das bereits öfter vorgehalten und können es immer wieder tun, begonnen mit dem Transport von für den Golfkrieg bestimmten US-Panzern durch Österreich über die "Partnerschaft für den Frieden", die im übrigen noch immer nicht dem Parlament zur Kenntnis gebracht worden ist, über ein Truppenstatut, das zwar nun endlich im Ministerrat behandelt wurde, aber noch immer nicht dem Parlament zur Kenntnis gebracht worden ist, bis hin zu einem Entsendegesetz, das zu Anfang dieses Jahres beschlossen worden und in dem die Frage von Interventionstruppen, der Beteiligung Österreichs an solchen Truppen sowie der Stationierung solcher Truppen in Österreich endgültig festgelegt ist.

Mit all diesen Schritten glauben Sie der Frage des Volksentscheides ausweichen und die Bevölkerung davon überzeugen zu können, daß die Entscheidungen erst nach der nächsten Nationalratswahl fallen würden. Ich kann nur wiederholen – und wir werden alle unsere sicher bescheidenen Möglichkeiten, Mittel und Kräfte daraufhin konzentrieren –: Eine Volksentscheidung darüber muß jetzt getroffen werden! Das scheint uns auch aufgrund der Erfahrung mit vergangenen Entscheidungen beziehungsweise Nichtentscheidungen notwendig zu sein, da Sie in der Zwischenzeit alle entsprechenden Schritte längst gesetzt haben und Österreich, uns, seine Bürgerinnen und Bürger, die dann möglicherweise irgendwann entscheiden könnten, vor vollendete Tatsachen stellen werden. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Jung. )

Herr Außenminister! Es ist an der Außenpolitik weiters auffallend, daß Sie in dieser Frage seit Ihrem Amsterdamer Frühstück auf Tauchstation gegangen sind. Sie äußern sich überhaupt nicht mehr zur Frage der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oder der Optionen für eine österreichische Position in dieser Sicherheitspolitik! Das paßt fugenlos in das von Mal zu Mal verstärkte Bild einer Außenpolitik, die seit Ihrem Amtsantritt nicht mehr existent ist, sondern sich unter dem Mantel der Europäischen Union verkriecht und versteckt und sich an das große Nachbarland Deutschland anhängt.

Wann immer sich eine Gelegenheit bietet, etwa bei bilateralen Kontakten, wie erst vor kurzem anläßlich des Besuches des türkischen Staatspräsidenten, verweisen Sie darauf, daß wir erst sehen werden, was die EU machen wird. Wir werden uns zwar stark machen, aber eigene Positionen gibt es keine, statt dessen immer nur den Verweis auf unsere Mitgliedschaft bei der Europäischen Union.

Es steht in keinem der Verträge der Europäischen Union geschrieben, daß Sie mit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union Ihre eigenständige Position in der Außenpolitik aufgeben


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müssen oder keine eigenen Akzente mehr setzen können. Im Gegenteil! Genau das wäre erforderlich und wichtig und wird oder sollte von einer Staatengemeinschaft wie der Europäischen Union erwartet werden.

Sie hätten meiner Meinung nach ein gutes Beispiel und Vorbild, einen Staatschef einer christdemokratischen Partei, also sogar Ihres Lagers, nämlich jenen Luxemburgs. Dieser Staatschef gibt vor, was eine eigenständige Politik sein kann – auch als Mitgliedsland der Europäischen Union und auch in Vorbereitung beziehungsweise innerhalb einer Präsidentschaft, in der sie eigene Akzente setzen, eigene Vorstöße machen, eigene Vorschläge plazieren. Sie sollten allerdings nicht, wie Sie das während und vor der Amsterdamer Konferenz getan haben, irgendwo Wortspenden fallenlassen, sondern Ihre Position in den Gremien vor Ort auch tatsächlich vertreten und auch dafür einstehen.

Aber die österreichische Außenpolitik wurde auf eine kaum mehr vorhandene Wahrnehmbarkeit reduziert! Wenn wir heute oder in den vergangenen Wochen die Zeitungen gelesen haben, dann mußten wir erkennen, daß die österreichische Außenpolitik in der Öffentlichkeit kaum mehr wahrgenommen wird. Sie liegt offensichtlich auch unter der Wahrnehmungsgrenze der Medienberichterstatter. Das, bitte, ist nicht durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union vorgegeben! Im Gegenteil! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Gredler. )

Zum Abschluß sei mir noch folgender Vergleich erlaubt. Ich habe mir heute überlegt, was eigentlich der Unterschied zwischen Ihrem Amtsvorgänger, dessen Politik ich in keiner Weise geteilt habe (Abg. Mag. Kukacka: Da wird er sehr traurig sein!)  – ich glaube, Sie wissen, was er in der Außenpolitik vertreten hat –, und Ihnen ist. Aber ich muß Ihnen sagen, Ihr Amtsvorgänger hatte so etwas wie Leidenschaft für die Außenpolitik. (Abg. Schieder: Und für Kroatien!) Alles, was er getan hat, hat er wirklich mit Herz getan, auch in Kroatien, auch in jenen Fällen, wo ich überhaupt nicht seiner Meinung war.

Aber die Außenpolitik war spürbar und wahrnehmbar! Auch wenn ich seine Meinung nicht geteilt habe, ich konnte darüber wenigstens diskutieren, Herr Kollege Schieder! Ich konnte mich mit den Positionen auseinandersetzen. Sie waren nicht meine, aber ich konnte diskutieren und darüber streiten. – Die gegenwärtige Außenpolitik ist nicht vorhanden, sie gibt mir nicht einmal die Gelegenheit, darüber in einer Debatte zu diskutieren und zu streiten. Das ist der Unterschied! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

10.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. König. Er hat das Wort.

10.13

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im nächsten Jahr wird es in der EU zu zwei historischen Weichenstellungen kommen. Es sind dies die Osterweiterung und der erste Schritt zum Euro mit der Auswahl jener Länder, die als erste der Währungsunion angehören werden. Die Präsidentschaft Österreichs in der zweiten Hälfte des Jahres 1998 wird daher wesentlich von diesen Weichenstellungen geprägt sein.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich drei Feststellungen zur Osterweiterung treffen. Für uns ist die Wiedervereinigung Osteuropas mit dem freien Westeuropa eine geschichtliche und moralische, aber auch eine politische Aufgabe. Darüber hinaus ist sie für uns die Ausdehnung der Friedensordnung, die sich in der Europäischen Union nun bereits über 50 Jahre bewährt hat, auf Osteuropa und damit die Voraussetzung für unsere eigene zukünftige Sicherheit in Europa. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweitens: Die gewählte Vorgangsweise der differenzierten Verhandlungen mit allen Mitgliedswerbern wird sicherstellen, daß alle die gleichen Chancen haben. Der Fortschritt und das Tempo werden von der Art und Weise, wie sie ihre eigene Entwicklung bewältigen, abhängen.

Drittens – und das zu betonen halte ich für sehr wichtig –: Jene Länder, die heute an unsere Tür klopfen und gerne Mitglied der EU werden wollen – wir können froh sein, daß wir bereits dabei


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sind, sonst müßten wir uns nun mit anstellen –, sind in einer Situation, die viel schwieriger ist als die Portugals oder Spaniens bei deren damaligen Beitrittsverhandlungen. Es wird daher notwendig sein, diesen Ländern im Vorbereitungsstadium mit einer Übergangslösung zu helfen, in Wirtschafts-, Sozial- und Umweltfragen die Mindeststandards des Westens zu erreichen. (Abg. Jung: Und wir zahlen das!)

Nein, Herr Kollege Jung! Wenn nämlich die Bewerber das vor dem Beitritt erreichen, gibt es kein Sozial- und Umweltdumping (Abg. Meisinger: In 30 Jahren!), und wir haben damit auch für die Bevölkerung dieser Länder und für einen Übergang in die EU, der auch für uns vertretbar und verträglich ist, gesorgt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder.  – Abg. Jung: Wenn es so weitergeht wie in der Pensionsdebatte: 2030!)

Nun zur gemeinsamen europäischen Währung, dem Euro! Die Freiheitliche Partei hat es – wie seinerzeit beim Beitritt zur EU – auch in dieser Frage vorgezogen, nein zu Europa zu sagen. Mit diesem Nein setzen Sie Ihre Antieuropa-Linie konsequent fort. (Abg. Jung: Stimmt ja nicht!) Eine Partei, die sich von Europa selbst ausgrenzt, kann auch in diesem europäischen Prozeß nicht mitgestalten. (Zwischenruf des Abg. Meisinger. ) Nein, Sie können es nicht! Sie haben trotz der Ankündigungen des Abgeordneten Haider keinen Partner unter den Fraktionen gefunden, mit dem Sie im Europäischen Parlament etwas bewirken könnten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Jung. )

Meine Damen und Herren! Es geht nicht darum, ob wir den Euro wollen oder nicht (Abg. Jung: Wir haben gar nichts mehr zu sagen!), sondern es stellt sich die Frage, ob wir, wenn der Großteil aller Mitgliedsländer der EU, darunter unsere wichtigsten Handelspartner, nämlich Deutschland und Italien, den Euro einführen wollen, allein draußen bleiben können. (Abg. Jung: Dänemark, England!) Glauben Sie ernsthaft, daß der Schilling seinen Wert behält, wenn wir uns von der D-Mark abkoppeln, vom Euro ausschließen und allein der internationalen Spekulation ausgesetzt sind? Wir halten das für unverantwortlich! Sie sollten intensiv darüber nachdenken. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder.  – Zwischenruf des Abg. Jung. )

Lassen Sie mich noch eine abschließende Bemerkung machen. Die EU hat gerade für kleine Länder wie Österreich eine Schutzfunktion. (Abg. Jung: Wie groß ist Dänemark?) Schauen Sie sich an, wie viele Antidumpingverfahren die EU-Kommission derzeit gegen ostasiatische Staaten und auch gegen das große China, ein Staatshandelsland, wegen unlauteren Wettbewerbs durchführt. Wer sonst, wenn nicht die EU, könnte solche Verfahren durchführen? Ein Land wie Österreich könnte nicht ein einziges einleiten, wir hätten den Markt sofort verloren und kämen auf eine schwarze Liste.

Auch die Maßnahme der Kommission, den entwickelten asiatischen Tigerstaaten die Präferenzzölle nicht mehr weiter zu gewähren, wenn sie nicht dazu bereit sind, in bilateralen Verträgen mit der EU Mindeststandards im Sozial- und Umweltbereich zu akzeptieren, ist nur einer großen Organisation wie der Europäischen Union möglich. Dadurch wird auch ein fairer Wettbewerb im globalen Umfeld gesichert, und unsere Firmen werden davor geschützt, in diesem globalen Umfeld durch unlauteren Wettbewerb zugrunde gerichtet zu werden. (Abg. Jung: Welche von unseren Firmen sind noch nicht verkauft?)

Schließlich werden auch bei der WTO und den GATT-Verhandlungen die Interessen einer bäuerlichen Landwirtschaft nur wahrgenommen werden können, wenn wir in der EU diese Interessen gemeinsam vertreten. Deshalb ist die EU für Österreich, aber auch für die Jugend unseres Landes die beste Lösung, um ihre Chancen zu wahren und in Frieden und Sicherheit ihre eigene Entwicklung bestimmen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Madl gemeldet. Ich bitte, den zu berichtigenden Sachverhalt zu zitieren und den tatsächlichen gegenüberzustellen. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


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10.20

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Dr. König hat behauptet, daß die Freiheitliche Partei nein zum Euro sagt. Diese Behauptung ist unrichtig. (Rufe bei der ÖVP: Ach! Na geh! – Abg. Schwarzenberger: Das werden wir veröffentlichen!) Die Freiheitliche Partei ist für eine Verschiebung der Einführung des Euro und möchte zuerst das Volk befragen, ob es den Euro haben will oder nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Ihr wollt zuerst, daß der Schilling gegenüber dem Euro abgewertet wird, und dann erst beitreten!)

10.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Er hat das Wort.

10.20

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nicht mit dem Euro, sondern mit einem anderen Aspekt der europäischen Integration befassen.

Im Rahmen der Pläne für eine Osterweiterung der Gemeinschaft ist ein Staat ... (Abg. Schwarzenberger: Sind Sie dafür oder dagegen? – Für die Einführung des Euro?) Ich habe gesagt, ich rede über dieses Thema nicht. Außerdem hast du bei den Ausführungen meiner Vorrednerin offenbar nicht aufgepaßt. Wir wollen, daß die Bevölkerung bei einer so wichtigen Entscheidung nicht einfach übergangen wird, sondern mitreden darf. Das ist unsere Ansicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber du sitzt ohnehin in der ersten Reihe. Wenn du dich ein bißchen konzentrierst, kannst du das alles schon beim ersten Mal wissen und man muß nicht alles wiederholen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Zurück zum eigentlichen Thema. Bei den Plänen, eine Osterweiterung der Europäischen Union zu gestalten, wird an einem Land bewußt vorübergegangen, nämlich an der Slowakei, und zwar mit der Erklärung, die Slowakei halte es mit der ungarischen Minderheit in ihren Grenzen nicht so, wie das für ein europäisches Land angemessen sei. Die ungarische Minderheit ist zahlenmäßig sehr groß und spielt, schon dem Prozentsatz nach, in der Slowakei eine bedeutende Rolle. Die EU steht auf dem Standpunkt, man müsse, wenn man in Europa zu Hause sein wolle, eine Minderheit anständig behandeln, man müsse zunächst einmal zugeben, daß es sie gibt, und entsprechend dafür sorgen, daß sie blühen und gedeihen kann.

Das ist gut so! Wer heute in die Europäische Union strebt, wer sich zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie bekennt, muß sich auch gefallen lassen, daß an den Umgang mit Volksgruppen innerhalb seiner Grenzen strenge Maßstäbe angelegt werden. – Ich verstehe nur nicht, warum man das bei der Slowakei erkennt, bei anderen Kandidaten für eine Erweiterung der Europäischen Union aber nicht, warum man etwa bei der Beurteilung der Tschechischen Republik und der Republik Slowenien andere Maßstäbe anlegt beziehungsweise in dieser Hinsicht blind ist.

Ich darf in Erinnerung rufen, daß in der Tschechischen Republik die Beneš-Dekrete, von denen wir alle wissen, daß sie rechtswidrig, vor allem menschenrechtswidrig sind, nach wie vor in Kraft sind, und zwar nicht etwa, weil man auf sie vergessen hätte, sondern weil sie ganz bewußt in Kraft gehalten werden. Es ist bekannt, daß die Zahl der trotz der seinerzeitigen Vertreibung der ganzen Volksgruppe in der Tschechischen Republik noch beheimateten Altösterreicher deutscher Zunge zwischen 60 000 und 100 000 – einige behaupten, bei bis zu 200 000 – liegt. Ihre Rechte sind gleich null, es gibt keine Anerkennung als Volksgruppe. Kindergärten, Schulen, Unterricht, Amtssprache, alles, was es auf diesem Sektor gibt, ist gleich null.

Meine Damen und Herren! Die Behandlung der verbliebenen Altösterreicher deutscher Zunge in der Tschechischen Republik ist jedenfalls weit schlechter als die der ungarischen Volksgruppe in der Slowakei. Ich glaube, daß wir, die wir gegenüber den Altösterreichern deutscher Zunge


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auch in diesem Land Verpflichtungen haben, uns der Aufgabe, uns dieser Dinge anzunehmen, nicht entziehen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und wie schaut es nun mit Slowenien aus? – In Slowenien gibt es nach wie vor die AVNOJ-Bestimmungen, die etwa in Kroatien schon längst aus der Welt geschafft worden sind, in Slowenien aber erklärtermaßen bewußt noch am Leben erhalten werden. Es handelt sich dabei um Bestimmungen aus der Partisanenzeit, aus dem Jahr 1943, in denen unter anderem jeder, der deutsch spricht, für vogelfrei erklärt wird. Er ist keine Rechtsperson, man kann mit ihm machen, was man möchte, man kann ihm alles wegnehmen, und man kann ihn, wenn auch heutzutage im Unterschied zu früher nur mehr theoretisch, umbringen. Ganz so einfach wird es heute doch nicht mehr sein. Aber diese schwer rechtswidrigen, völkerrechts- und menschenrechtswidrigen Bestimmungen gibt es in Slowenien nach wie vor.

Nun liegt uns ein einstimmiger – wohlgemerkt: einstimmiger! – Beschluß der Kärntner Landesregierung aus der jüngsten Vergangenheit vor, in dem die Republik Slowenien aufgefordert wird, endlich nicht nur die Volksgruppe der Italiener, der Ungarn und der Roma und Sinti in ihren Grenzen als Minderheit anzuerkennen und entsprechend zu handeln, sondern das auch hinsichtlich der Altösterreicher deutscher Zunge zu tun.

Was war die Antwort darauf? In verkürzter Form lese ich aus dem "Standard" vor, in dem es heißt: Außenminister Boris Frlec erklärte, eine deutschsprachige Minderheit "kenne ich nicht". In einer Karikatur der Tageszeitung "Vecer" wurde Kärntens Landeshauptmann Christof Zernatto "aufgeklärt", daß er die deutsche Minderheit nur noch am Friedhof finden könne.

Meine Damen und Herren! Zynismus, wie er sich hier darstellt, läßt sich nicht mehr überbieten: Zuerst wird der größte Teil einer autochthonen Sprach- und Volksgruppe, nämlich der Altösterreicher deutscher Zunge, umgebracht, der Rest außer Landes gejagt, und den wenigen Verbliebenen, die sich haben halten können, wird, wenn sie, was heutzutage selbstverständlich ist, um ihre Rechte einkommen, entgegengehalten, daß es sie gar nicht gebe, und wer sie suche und finden wolle, müsse auf den Friedhof schauen. Das ist ein Skandal sondergleichen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Erstens kann man die Kärntner Landesregierung mit ihrem einstimmigen, also mit den Stimmen aller Parteien gefaßten Beschluß in einer solchen Situation ebensowenig im Regen stehenlassen wie den Landeshauptmann von Kärnten (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wo sind die Friedensmarschierer? Wo?), und man kann zweitens nicht dabei zuschauen, daß ein Staat den Marsch in Richtung Europa antritt, der gegenüber einer Minderheit, die dort vor einigen Jahrzehnten fast ausgerottet worden ist, den Standpunkt einnimmt, deren Reste gebe es einfach nicht mehr, wenn man die Volksgruppe suche, müsse man auf den Friedhof gehen. Das kann sich die Republik Österreich nicht gefallen lassen, wenn sie Würde und aufrechten Gang bewahren möchte! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Er hat das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. (Abg. Wabl: Jetzt kommt die Gegenrede zum Schieder! Jetzt bin ich gespannt! Diesen Spagat hör’ ich mir an!)

10.27

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Diskussion darüber, mit welcher außenpolitischen Konzeption man sich in welcher Zeit welchen Fragen zu stellen hat und welche Personen das am besten umsetzen können, ist interessant, aber absolut müßig. Die Zeit, in der Außenminister Mock gewirkt hat, war komplett anders als jene, in der Außenminister Schüssel in diesem Amt tätig ist. Deshalb ist das, was Abgeordnete Kammerlander gemeint hat, ein ahistorischer Bezug, mit dem man nichts anfangen kann. Man kann sich mit den Grundsätzen auseinandersetzen, sonst nichts. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daher ist ausschließlich das zu bewerten, was jetzt getan wird und was man in Zukunft mit welchen Konzepten umsetzen will. Ich möchte an einige Diskussionsbeiträge anknüpfen, in denen schon im Rahmen der Sicherheitsdebatte auf das Verhältnis zwischen den USA und


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Europa Bezug genommen wurde. (Abg. Wabl: An die Rede vom Schieder anzuknüpfen wird nicht gehen!) Ich stimme meinem Vorredner, Kollegen Schieder, natürlich zu (Abg. Wabl: Wo? Wobei?), der eingemahnt hat, daß die europäische Position von Bedeutung ist und gestärkt werden muß. Nun, das sind Appelle! (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Wichtig ist, zu erkennen, daß man bislang nicht wirklich imstande war, in den wichtigsten Fragen eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu entwickeln, und vor allem nicht, was den Aufbau eines europäischen Sicherheitssystems betrifft. (Abg. Jung: Das bringen Sie ja nicht einmal in der Koalition zusammen!)

Dies ist ein sehr schwieriger Prozeß, da es bereits eine breite Vielfalt von Traditionen, von Entwicklungen und vorhandenen Strukturen gibt. Es ist aber notwendig, daß die Europäisierung in der Konzeption eines europäischen Sicherheitssystems im Verbund mit den USA entwickelt wird. Dabei spielen historische Ereignisse eben eine große Rolle. Die einen Europäer trauen vor dem Hintergrund des Ersten und Zweiten Weltkrieges den anderen nicht. Den Briten wiederum ist die Präsenz der Amerikaner auf dem europäischen Kontinent deswegen sehr angenehm, weil sie ein Gegengewicht zu den Deutschen beziehungsweise den Deutschen und Franzosen sind. (Abg. Jung: Wie in der Koalition!)

Wir haben das bereits erlebt, als es um eine Konfliktlösung auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien ging. Plötzlich gab es wieder die alten Fronten, wie sie in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zu beobachten waren. Daher ist es eine wichtige Aufgabe, an der Entwicklung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mitzuwirken. (Abg. Scheibner: Richtig!) Österreich hat das, wie ich glaube, nicht nur in seinem Konzept, sondern versucht auch, es in die Praxis umzusetzen. (Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Daher rührt auch die Diskussion, die nicht nur das Sicherheitssystem in Europa selbst betrifft, sondern auch jenes der NATO. Die NATO muß, wenn sie in Europa auf breitere Akzeptanz stoßen will, selbstverständlich versuchen, dieses Element der Europäisierung auch umzusetzen. Dabei sind nicht nur Europa und die europäischen Mitgliedsländer, sondern auch die USA gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Ich halte das für eine wichtige Voraussetzung, damit die NATO – eventuell auch in Österreich – erhöhte Akzeptanz bekommen kann. Soviel zu dem einen Punkt.

Der zweite Punkt in diesem Zusammenhang – er war heute schon ein wichtiger Diskussionspunkt – ist die Frage der EU-Osterweiterung. Ich schicke voraus, daß ich Ihren diesbezüglichen Berichten immer mit Interesse zugehört habe, allerdings zu den Skeptikern gehöre, jedenfalls was eine allzu rasche EU-Osterweiterung angeht. Aber ich sehe auch mit Skepsis, wie es im Moment läuft.

Es ist nicht so, daß ich aus politischer Sicht nicht wollte, zu versuchen, daß es zu dieser ökonomischen und politischen Integration der osteuropäischen Länder kommt. Ich warne nur davor, bei den osteuropäischen Ländern allzu große Illusionen zu wecken. Ich denke, daß das Tempo ein viel langsameres und die Erweiterung viel schwieriger sein wird, und ich denke weiters, daß man wirklich möglichst transparent auch Konsequenzen diskutieren muß, sei es die Kostenfrage, welche die Nettozahlerposition Österreichs besonders betrifft, oder sei es die Reformfähigkeit der EU – insbesondere, wenn ich höre, daß die Erweiterung Auswirkungen auf die Struktur der Institutionen hat und daß die Reform des Agrarsystems in der EU dafür eine Voraussetzung ist.

Ich brauche nur an Polen zu denken, und mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken, wenn ich mir vorstelle, daß ein allzu schneller Integrationsprozeß vor sich geht (Abg. Aumayr: Mir auch!), der seine Auswirkungen auf das Agrarsystem, auf die Kosten und damit selbstverständlich auch auf die Nettozahlerposition haben wird. (Abg. Aumayr: Und auf die Arbeitsplätze!)

Ich denke, daß wirklich sehr viele Fragen damit verbunden sind, beispielsweise auch die Frage, von welchem sozialen Niveau diese Länder ausgehen, nicht nur jetzt, am Beginn der Verhandlungen, sondern später, wenn es zu spezielleren Verträgen oder vielleicht zu einer Integration kommen wird und sie Eingang in die EU finden werden. (Abg. Haigermoser: Das sollte man


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beim Euro auch fragen!) Gibt es dort funktionierende Gewerkschaften? Sind diese Gewerkschaften wirklich eigenständige Partner, wenn es darum geht, soziale Fragen zu lösen? Von welchem wirtschaftlichen Niveau gehen sie aus?

Ich weiß, es gibt unter den Konzernen einige, die dort einen rasch wachsenden Markt erkennen, und es gibt einige, die sagen, daß es dort billige Arbeitskräfte gibt. Das allein ist aber zuwenig. Auch die betroffenen Länder sollten bedenken, welche Konsequenzen es für die industrielle und wirtschaftliche Infrastruktur hat, wenn die Erweiterung zu schnell vor sich geht.

Daher denke ich zwar, daß es richtig ist, diese Länder in einen Verhandlungsprozeß einzubeziehen und sie zu motivieren, sich dabei anzustrengen. Es ist wahrscheinlich auch richtig, jetzt schon Formen der politischen Integration zu finden, damit sie sich nicht zurückgestoßen fühlen, damit es nicht zu einer Polarisierung kommt und damit das nicht sicherheitspolitisch und friedenspolitisch negative Auswirkungen hat. Aber ich denke auch, daß der Schritt der ökonomischen Integration und des Angleichens des sozialen und des ökologischen Niveaus länger dauern wird, als man gegenwärtig vermutet.

Daher richte ich jetzt den Appell an den Herrn Außenminister, dies auch zu kommunizieren, wenn Österreich nächstes Jahr die Ratspräsidentschaft innehaben und dieses Thema in Österreich ein wesentliches Thema sein wird, das neben anderen Themen im Mittelpunkt dieser Präsidentschaft stehen wird. Man sollte dies auch zu dem Zweck kommunizieren, daß Angstmacherstrategien nicht greifen können und man wirklich mitteilt, daß uns politisch langfristig daran gelegen ist, daß man sich mit dem Ziel der Osterweiterung identifizieren kann, und daß man sehr genau darauf achtet, in welchem Tempo sie in Verbindung mit den ökonomischen, sozialen und ökologischen Möglichkeiten vor sich geht.

Ich denke, das sollte man in aller Deutlichkeit sagen, damit es diesbezüglich keine Illusionen gibt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schieder: Das ist ja eine Contra-Rede gewesen! – Abg. Haigermoser: Cap hat aber keinen Partner dafür beim Koalitionspartner!)

10.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten.

10.35

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Danke schön. – Hohes Parlament! Erlauben Sie mir, ein wenig auf die aufgeworfenen Fragen einzugehen.

Eine Diskussion über die Rolle Österreichs und der österreichischen Außenpolitik gegenüber der Zeit vor der Mitgliedschaft ist ja recht interessant. Das ist genau der Punkt, den Frau Abgeordnete Kammerlander und auch andere Redner angesprochen haben.

Ich denke, daß wir uns daran gewöhnen müssen, daß wir heute eine völlig andere Rolle und eine andere Rollendefinition für unsere Außenpolitik entwickeln müssen, als dies vor dem Beitritt zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 der Fall war. Damals war es leicht möglich, sich in bestimmten Marktnischen eigenständig zu bewegen, gewisse Vermittlungsfunktionen zu übernehmen und ein gewisses eigenständiges Profil zu haben. Heute geht das auch, aber wir haben innerhalb der Europäischen Union einerseits eine größere Verantwortung für das Ganze und andererseits auch gewaltig mehr Mitspiel- und Mitentscheidungsmöglichkeiten als zu der Zeit, als das noch nicht der Fall war.

Zweitens darf man nicht übersehen, daß es Knotenpunkte in der Geschichte gibt, an denen eine Entscheidung fällt, auch wenn Sie fast eine Lust am Streit über eine solche Entscheidung zum Ausdruck gebracht haben. Heute ist eine andere Zeit angesagt. Heute geht es nicht darum, leidenschaftlich darüber zu streiten, ob Kroatien anerkannt werden soll oder nicht. Gott sei Dank ist jeder Nachfolgestaat anerkannt. Heute geht es darum, den Frieden in dieser Region zu sichern. Dies kann nur mit den Mitteln der Europäischen Union wirtschaftlich, mit den Mitteln der


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UNO als Mandat und mit den Mitteln der NATO militärisch erfolgen. Das ist der Unterschied. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher sage ich ein eindeutiges Ja zu einer aktiven Außenpolitik Österreichs, vor allem innerhalb der Europäischen Union, einer aktiven Nachbarschaftspolitik Österreichs gegenüber dem unmittelbaren oder weiteren Nachbarkreis und einem aktiven Profil Österreichs innerhalb der multilateralen Einrichtungen, vor allem innerhalb der Vereinten Nationen.

Ich komme auf das wohl wichtigste Thema zu sprechen – es wurde ja bereits von jedem Sprecher erwähnt –: die Frage der EU-Präsidentschaft. Wir werden ab Jänner in die Troika eintreten und von Juli bis Dezember 1998 international quasi Gesicht und Stimme der Europäischen Union sein. Das ist ein großes Ziel und eine große Herausforderung. Wir werden dabei über 40 Ministerkonferenzen veranstalten. Es wird ungefähr 1 500 verschiedene Tagungen geben – Ratsarbeitsgruppen et cetera –, bei denen Österreich den Vorsitz führen wird.

Es sind ungefähr 300 Millionen Schilling – 350 bis 360 Millionen Schilling, da eine gewisse Reserve inbegriffen ist – vorgesehen, damit wir das organisieren, die Betreuung der internationalen Presse gut durchführen und die Kommunikationsvernetzung weltweit optimieren können. Denn es muß jeder Botschafter Österreichs vor Ort – ob in Südamerika oder in Asien – in der Lage sein, moment- und punktgenau, "just in time" die Stimme Europas zu sein. Dafür haben wir sehr viel Geld investiert, und dafür sind unter anderem auch diese Mittel vorgesehen.

Österreich wird in dieser Zeit der wichtigste Ansprechpartner für Drittstaaten sein. Wir sind hauptverantwortlich für die Gestaltung und Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und für das Krisenmanagement der Union. Das wichtigste Kriterium der Präsidentschaft – das sage ich hier ganz deutlich – ist nicht, den anderen vierzehn Mitgliedstaaten nationale Prioritäten vorzugeben, ihnen die Latte zu legen und quasi darauf stolz zu sein, daß man sein eigenes Spiel macht, sondern das entscheidende und das wirkliche Kriterium für den Erfolg einer guten Präsidentschaft ist es, den Mittler zu spielen, unabhängig zu sein, einen professionellen Vorsitz abzuwickeln und dabei durchaus auch eigenständiges Profil in diese Frage mit einzubringen.

Ich möchte auch gerne jene Punkte erwähnen, die innerhalb der Bundesregierung völlig außer Streit stehen. Eines der zentralen Themen – nicht nur in der österreichischen Präsidentschaft, sondern gerade jetzt, mit Amsterdam beginnend sowie auch beim kommenden Beschäftigungsgipfel in Luxemburg – ist selbstverständlich die Frage der Arbeitsplätze. Österreich geht bestens vorbereitet in den Beschäftigungsgipfel, der nächste Woche stattfinden wird.

Wir verzeichnen gegenüber dem Vorjahr – zum Unterschied von vielen anderen europäischen Ländern – einen Anstieg der Zahl der Beschäftigten. Wir haben gegenüber dem Vorjahr 12 000 zusätzliche Arbeitsplätze und 3 000 zusätzlich abgeschlossene Lehrverträge. Zum ersten Mal seit Mitte der siebziger Jahre ist der Trend gebrochen und sind nicht weniger, sondern mehr Lehrlinge angestellt und ausgebildet worden. Dank der Anstrengungen vor allem der mittelständischen Wirtschaft finden rund 3 000 Lehrlinge zusätzlich Beschäftigung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben 6 700 Schüler zusätzlich in den weiterführenden berufsbildenden und höheren Schulen untergebracht. Wir könnten noch 3 000 aufnehmen, sodaß wir zu Recht als jenes Land in den Beschäftigungsgipfel ... (Abg. Scheibner: Was hat das mit Außenpolitik zu tun?) Das ist Außenpolitik, weil es nächste Woche – vom Bundeskanzler und von mir vertreten – im Luxemburger Gipfel die Positionen zur Beschäftigungspolitik geben wird. Wenn Sie das nicht verstehen, tut es mir leid, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Wir gehen als bestvorbereitetes Land hinein: als die Nummer eins und das beste Land, was die Jugendbeschäftigung betrifft, und als das zweitbeste Land, was die gesamte Arbeitslosenrate betrifft – sie ist die zweitniedrigste in ganz Europa. Daher wird das Thema der Beschäftigung auch ein zentrales Thema für die österreichische Präsidentschaft sein.


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Wir wollen uns zusätzlich das Thema Umweltschutz vornehmen. In diese Zeit fällt vor allem die Weiterentwicklung der Umweltstandards der Union, aber auch einige der wichtigsten internationalen Verhandlungen über globale Umweltprobleme, die ganz hervorragend von unserem Umweltminister Bartenstein geführt werden.

Das Thema der Inneren Sicherheit wird ein bedeutender Schwerpunkt sein. Denn wir müssen dem hochentwickelten internationalen Verbrechernetz ein effektives Zusammenwirken der europäischen Polizei- und Justizbehörden entgegenstellen. Wir müssen in unserer Präsidentschaft dafür sorgen, daß die neuen Instrumente des Amsterdamer Vertrages in diesem Bereich rasch und wirksam eingesetzt werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir werden in unserer Präsidentschaft die letzte Stufe der Vollendung des Binnenmarktes erreichen. Das ist besonders für die österreichischen Klein- und Mittelbetriebe ein sehr wichtiges Thema. Wir wollen erreichen, daß in dieser Zeit die Klein- und Mittelbetriebe von Bürokratie entlastet und vor allem die sehr aufwendigen Eurostat-Erhebungen deutlich reduziert werden. Der Binnenmarkt hat letztlich natürlich positivste Auswirkungen für die Konsumenten, aber auch für die Arbeitsplätze. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es wurde als zweites Thema die Frage der Entwicklungszusammenarbeit angesprochen. Da wir am Montag im Rat eine umfangreiche Diskussion zu diesem Thema hatten, möchte ich hier darüber berichten, daß die Europäische Union weltweit die größte Geberorganisation ist. 60 Prozent der weltweiten Entwicklungszusammenarbeitsmittel gelangen aus dem EU-Budget oder bilateral aus den EU-Mitgliedsstaaten an die Entwicklungsländer.

Am Montag wurde auch eine Grundsatzdiskussion über die Lomé-Konvention geführt und festgestellt, daß deren 71 Mitgliedstaaten mit über 600 Millionen Menschen einer der wichtigsten Partner für die Union sind und daß vor allem die Union für sie der wichtigste Geber gewesen ist.

Die Union wird innerhalb der Vereinten Nationen die führende Rolle behalten müssen. Sie bezahlt immerhin 40 Prozent des gesamten Budgets. Wir wollen daher auch die Konventionen – Landminen, Schlepperunwesen – und eine UNO-Reform.

Schwerpunkt Menschenrechte: Nächstes Jahr werden 50 Jahre seit der Deklaration der Menschenrechte vergangen sein, die – gerade während der österreichischen Präsidentschaft – zu Recht gewürdigt wird. Wir werden dies auch in unserer Präsidentschaft zum Ausdruck bringen.

Freilich werden wir in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einige entscheidende und kritische Fragen zu bewältigen haben. Gestehen Sie mir zu, daß ich jetzt nicht sagen kann, wie wir das alles lösen werden. Denn wir können jetzt auch das Konfliktpotential in der zweiten Hälfte des Jahres 1998 noch nicht voll abschätzen.

Aber in unserer Präsidentschaft wird das Mandat für die Bosnientruppe – für SFOR – auslaufen. Wir setzen uns massiv für eine Verlängerung dieser militärischen Präsenz ein. Wir wollen uns selbstverständlich des Themas Zypern annehmen, das wahrscheinlich gerade zu diesem Zeitpunkt ein besonders kritisches Thema sein wird. Auch Nahost ist ein wichtiger Themenbereich, in dem die EU sehr große Verantwortung trägt und auch eine große positive Rolle spielen kann und wird.

Während unserer Präsidentschaft werden die allerletzten Vorbereitungen und Endbeschlüsse für die europäische Gemeinschaftswährung gefaßt werden. Das wird eine sehr sensible Zeit sein. Der Kreis der Teilnehmerstaaten steht bereits fest. Wahrscheinlich wird die personelle Entscheidung über die Europäische Zentralbank erst in unserer Präsidentschaft fallen. Aber wir werden vor allem in dieser Zeit mögliche Spekulationen abwehren müssen. Auch werden wir in dieser Zeit die technische Umsetzung durchsetzen müssen.

Meiner Ansicht nach ist es sehr wichtig, daß insbesondere Österreich – das wie kaum ein anderes europäisches Land von dieser europäischen Gemeinschaftswährung profitieren wird – dabei ein ganz klares Profil hat. Daher ein Wort zu Herrn Abgeordneten Holger Bauer – er ist jetzt zwar nicht da, aber vielleicht wird es ihm berichtet werden –: Weil immer wieder die Frage


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der Weichwährungsländer und Hartwährungsländer zusammengemischt wird, darf ich einmal in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß durch die Vorbereitung auf den Euro die durchschnittliche Inflationsrate innerhalb der Europäischen Union von 10 Prozent auf unter 2,5 Prozent gesunken ist.

Insbesondere Länder wie Italien – ich denke, vor allem dorthin zielte sein Wort; aber er hat offensichtlich nicht die letzten Statistiken und Informationen zur Verfügung – zählen heute, gemessen an der Inflationsrate, zu den stabilsten Ländern Europas. Das ist doch positiv! Italien, unser zweitwichtigster Handelspartner, der sich energisch und engagiert auf diese Währungsunion vorbereitet und voraussichtlich dabeisein kann – das ist übrigens eine Forderung, die früher einmal von der Freiheitlichen Partei erhoben wurde –, hat jetzt diese Chance, und da wird gleich eine neue Front aufgemacht, da würden harte und weiche Währungen quasi zusammengemischt.

Nach innen muß diese Währung so hart sein wie die härtesten! Deswegen machen wir sie, und deswegen sind die Kriterien, die in den Konvergenzkatalogen festgelegt wurden, so wichtig. (Abg. Scheibner: Und wer kontrolliert die Härte? – Weiterer Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Die Kontrolle erfolgt selbstverständlich durch die Europäische Union und vor allem durch die Europäische Zentralbank. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. ) Vor allem wurde für die Zukunft ein eigener Stabilitätspakt festgelegt, damit diese europäische Währung Stabilitätskriterien nach innen schaffen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. )

Vergessen Sie nie – wenn wir in diesem Punkt über die wirtschaftlichen Zusammenhänge reden –, daß der mögliche und wahrscheinliche Kreis an Teilnehmerländern mit Österreich immerhin ein Handelsvolumen von sage und schreibe 800 Milliarden Schilling hat. Diese einzubringen und dabei stabile Voraussetzungen für unsere Importeure und Exporteure zu schaffen, hilft insbesondere den kleinen und mittleren Betrieben und gibt ihnen Sicherheit in den Rahmenbedingungen des Wirtschaftens. Das kann und darf uns als Politiker nicht gleichgültig lassen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die zweite Frage, die Frage der Erweiterung, wurde massiv diskutiert. Ich gehe gern darauf ein, weil die Erweiterung, da sie hauptsächlich unsere Nachbarländer betrifft, für uns ein besonders wichtiges, aber zugleich ein sensibles Anliegen ist. Ich möchte hier eine ganz klare Aussage treffen. Ich habe es mir – genauso wie mein Amtsvorgänger – vom Anfang meiner Amtstätigkeit an zum Hauptziel gemacht, mit unseren Nachbarstaaten ein friktionsloses, ja freundschaftliches Verhältnis aufzubauen.

Das wichtigste in der Außenpolitik ist – glauben Sie mir: die Lehre aus der Geschichte zeigt, wie schwer dies oft ist –, mit den unmittelbaren Nachbarn, mit denen wir eine nicht immer einfache, gemeinsame Geschichte gehabt haben oder noch immer haben, ein friktionsloses, freundschaftliches und offenes Verhältnis aufzubauen. Ich bin stolz darauf, daß wir allein in den letzten 18 Monaten über 60 bilaterale Kontakte mit unseren Nachbarländern aufgebaut haben und daß wir den Handel innerhalb der letzten fünf Jahre verdoppelt haben. Das war nicht zum Schaden für Österreich, denn bei den 140 Milliarden Schilling Handelsvolumen in beiden Richtungen haben wir in den letzten fünf Jahren den Handelsbilanzüberschuß verdoppelt. Er beträgt heute mehr als 20 Milliarden Schilling. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich füge eines hinzu: Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, als ob wir Nachbarländer, die jetzt den Weg zur Marktwirtschaft und zur Demokratie gefunden haben, bewußt und absichtlich draußen halten wollen. Wir müssen darauf Wert legen, daß wir klare, objektive Kriterien dafür finden, wer beitritt, unter welchen Bedingungen der Beitritt erfolgt und zu welchem Zeitpunkt und ob der jeweilige Kandidat gut vorbereitet ist, damit Störungen auf beiden Seiten – ein Abwandern der Besten, der Intellektuellen, der Ärzte oder der Ingenieure, aber genauso auch eine Überschwemmung des europäischen und des österreichischen Marktes mit Dumpingprodukten – vermieden werden. Das sind die wesentlichen Punkte.


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Frau Abgeordnete Gredler! Ich bitte Sie wirklich, das Wort "Feinde" – Sie haben es verwendet, ich habe es mir aufgeschrieben – in diesem Zusammenhang nicht zu verwenden. Niemand sonst hat das getan, nicht einmal die Kritiker. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. )

Wir müssen lernen, daß es auch skeptischere Stimmen zum Erweiterungsprozeß gibt, doch sehen auch die Skeptiker deswegen in den Nachbarn Österreichs keine Feinde. Diese Feinheit in der Unterscheidung der Sprache ist mir jedenfalls sehr, sehr wichtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Ich würde niemandem, der kritisch gegenüber dem Zeitplan der Erweiterung ist, deswegen unterstellen, daß er im Nachbarn einen Feind sieht.

Beachten Sie einen zweiten Punkt. Herr Abgeordneter Ofner hat zwar relativ sachlich auf dieses Thema hingewiesen, aber es ist derzeit ein besonders kritischer Punkt, und ich möchte es hier ansprechen, weil diese Angelegenheit ein sehr wichtiges Nachbarland betrifft, nämlich Slowenien. Ich sehe im Moment die Entwicklung einer öffentlich sich aufschaukelnden Emotion auf beiden Seiten mit einer gewissen Sorge.

Ich sage Ihnen ganz offen, daß ich die Resolution der Kärntner Landesregierung für eine gute Basis halte, weil sie das Thema genau dorthin lenkt, wo es hingehört, nämlich auf die Ebene bilateraler, guter, offener und freundschaftlicher Gespräche, wie es unter Nachbarn üblich, ja notwendig ist. Sie stellt nicht Junktime mit einem multilateralen Erweiterungsprozeß her. Diese Resolution ist in Ordnung, und sie unterstützt die Ambition der Bundesregierung, all das zu thematisieren, was besprochen werden muß: die Sicherheit der Kernkraftwerke und die Frage der Minderheitenpolitik der Slowenen in Österreich sowie der deutschsprechenden Minderheit in Slowenien.

Ich habe eine Studie von einem der besten österreichischen Historiker in Auftrag gegeben, die demnächst – Ende November oder Anfang Dezember – vorliegen wird. Ein qualitativ sehr hochwertiger slowenischer Historiker wird im Frühjahr eine ähnliche Studie vorlegen. Ich warne daher und bitte gleichzeitig, daß wir versuchen, auch in unseren Reaktionen nicht Emotionen hochzuschaukeln, sondern zu einer Versachlichung der Diskussion beizutragen. Ich sage hier auch ganz offen: Dazu gehört ein klarer Appell an slowenische Medien. Die erwähnte Karikatur ist nicht nur geschmacklos, sondern sie verletzt meiner Einschätzung nach auch Slowenen zutiefst, die an einem offenen und freundschaftlichen Verhältnis mit Österreich Interesse haben müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher sind jetzt nicht die Aufschaukler gefordert – jene, die eine Pechfackel in ein ohnehin sensibles Verhältnis hineinwerfen –, sondern jetzt ist eine sachliche, offene Diskussion auch über unsere eigene Geschichte angesagt. Dieser müssen wir uns stellen, dieser muß sich selbstverständlich auch ein junges Land wie Slowenien stellen. Die Tschechen, die Slowaken, die Ungarn, die Polen, die Deutschen – wir alle haben dabei aufzuarbeiten und dürfen nicht die Schatten der Vergangenheit dazu verwenden, unsere gemeinsame Zukunft zu verdunkeln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß viele Redner ein Dankeschön, wie es nicht selbstverständlich ist, an die Mitarbeiter des Außenamtes im In- und Ausland gesagt haben, die mit sehr kleinem Aufwand arbeiten. Wir sind eines der kleinsten Ministerien in ganz Europa und machen meiner Ansicht nach trotzdem ausgezeichnete und intensive Politik.

Wir haben trotz gleichbleibendem, seit drei Jahren eingefrorenem Budget die Zahl der Vertretungsbehörden ausgeweitet und in den letzten Monaten fünf neue Botschaften aufgemacht. Ich habe sie alle eröffnet und weiß, wie wichtig diese Präsenz und Sichtbarkeit Österreichs in den entsprechenden Ländern ist. Wir haben enorm umstrukturiert und sind auf dem letzten Stand der Kommunikationstechnik: Wir haben als erstes und einziges Ministerium den elektronischen Akt eingeführt. Das wird die Abläufe deutlich beschleunigen und uns die Chance geben, uns anderen Themen und Aufgabenstellungen zuzuwenden. – Soviel zum Thema Reform im Inneren, was mir sehr wichtig ist.


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Erlauben Sie mir, auf die Polemik im Zusammenhang mit der Diplomatischen Akademie nicht im besonderen einzugehen. Ich glaubte, es schon im Ausschuß aufgeklärt zu haben, sage es aber gerne noch einmal. Der entsprechende Abgeordnete, der hier wider besseres Wissen – oder er hat nicht aufnehmen können, was ich im Ausschuß erklärt habe – behauptet hat, wir hätten die Aufwendungen verdoppelt, irrt. Denn wir hatten früher unter zwei Positionen zusammen 30 Millionen Schilling veranschlagt, und wir haben es heute in einer einzigen Budgetposition festgelegt. 30 Millionen Schilling sind für die nächsten Jahre eingefroren. Der Ausgliederungseffekt ist der, daß wir Dienstposten im Inneren freigemacht haben und zusätzlich das Budget nicht aufstocken – das hätten wir sonst getan oder tun müssen –, sondern klar eingefroren haben.

Ein letzter Punkt: Es freut mich, daß Frau Abgeordnete Gredler darauf eingegangen ist und die Mitversicherung für Ehegatten erwähnt hat. Es ist mir gelungen, die Zusage von Finanzminister Edlinger für die Mitversicherung der Ehegatten – ob männlich oder weiblich, spielt selbstverständlich keine Rolle – mit einer angemessenen Eigenfinanzierung durch das Personal zu bekommen. Das haben wir durchgebracht, und ich möchte hier ausdrücklich dem Finanzminister für sein Verständnis danken und glaube, daß das für das Zusammenwirken im Haus sehr wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Dr. Gredler gemeldet. Ich bitte, den tatsächlichen Sachverhalt dem zu berichtigenden gegenüberzustellen.

10.56

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Der Herr Vizekanzler hat im Zusammenhang mit meiner Rede davon gesprochen, daß ich die Nachbarstaaten als Feinde betrachtet hätte. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Nein! Das habe ich nicht gesagt! – Weitere Zwischenrufe.)

Ich berichtige tatsächlich, daß ich zuerst das Zitat von Herrn ÖGB-Präsidenten Verzetnitsch gebracht habe, der im Zusammenhang mit der Erweiterung gesagt hat: Eine gesellschaftliche Katastrophe können wir uns nicht leisten. Danach habe ich gesagt, daß man unsere Nachbarstaaten eigentlich nicht als Feinde betrachten sollte. Im Gegenteil: Wir haben die Pflicht, meine Damen und Herren ...

10.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Damit ist der Inhalt der tatsächlichen Berichtigung erfüllt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser.

10.57

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Ich darf zunächst auf meine Vorredner eingehen.

Der Herr Bundesminister hat dargestellt – damit hat er sicherlich recht –, daß die Rolle Österreichs heute innerhalb der Europäischen Union eine andere ist, als sie vor der Zeit unseres Beitritts zur Europäischen Union war. Heute geht es tatsächlich darum, daß wir innerhalb der Europäischen Union größere Verantwortung zu übernehmen haben und daß wir auch mehr Mitwirkungsmöglichkeiten haben.

Herr Bundesminister! Mit dieser Aussage haben Sie sicherlich recht – allerdings ist auch die Herausforderung an unsere Außenpolitik eine andere geworden. Meine Damen und Herren! Wir haben europäisch zu denken und europäisch zu handeln, und dabei besteht meiner Ansicht nach immer noch Nachholbedarf.

Damit komme ich auf Kollegen Schieder zu sprechen. Er hat richtigerweise gemeint, daß wir uns hier im Parlament im Rahmen des Außenpolitischen Ausschusses – oder auch des Hauptausschusses, da wir auch dort Fragen der europäischen Integration beraten – stärker damit auseinandersetzen sollten, welche Rolle die Europäische Union im Rahmen der Weltpolitik


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künftig zu spielen und zu übernehmen hat. Er hat in der Frage der Entwicklungspolitik das Beispiel Lomé angeführt, und selbstverständlich stellt sich dabei die Frage, wie stark Europa dort aktiv sein und sich engagieren soll.

Herr Kollege Schieder! Ich stimme dir hundertprozentig zu, weil ich meine, daß es wirklich Sinn macht und notwendig ist, daß die Europäische Union als Staatengemeinschaft von über 370 Millionen Bürgern – mit hohem wirtschaftlichen Potential und einer demokratischen Gesellschaftsordnung – auch in der Weltpolitik Verantwortung trägt. Die Europäische Union muß strategische Interessen wahrnehmen und hat auch Verpflichtungen im Rahmen der Weltpolitik zu übernehmen, jedoch als gleichberechtigte Partnerin mit den Vereinigten Staaten.

Es kommt daher besonders darauf an, gerade im Rahmen einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik die Position der Europäischen Union zu den Vereinigten Staaten von Amerika entsprechend zu definieren. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Schieder! Sie werden mir zustimmen, wenn ich sage, wir brauchen dazu eine effektive, eine wirksame Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im Rahmen der Europäischen Union. Wir müssen zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik kommen, im Rahmen derer die Europäische Union mit einer Stimme spricht, im Rahmen derer sie in der Lage ist, politische Ziele zu definieren, strategische Ziele festzulegen, im Rahmen derer sie in der Lage ist, mit einer Stimme die gemeinsamen Interessen in den internationalen Gremien zu vertreten.

Das fehlt noch, und da, glaube ich, sollte Österreich eine Vorreiterrolle übernehmen. Ich darf Sie, Frau Staatssekretärin, die Sie jetzt den Herrn Außenminister vertreten, ersuchen, daß man sich im Rahmen der österreichischen Außenpolitik im Außenministerium Strategien und Konzepte überlegt, in welcher Art und Weise die Europäische Union ihre Rolle im Rahmen der Weltpolitik besser spielen kann.

Ich meine, dazu gehört nicht nur eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, sondern es ist auch notwendig, die Integration der Europäischen Union fortzusetzen. Wir setzen jetzt einen sehr wichtigen Schritt mit der Gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion. Das ist ein ganz wichtiger Integrationsschritt, um die Möglichkeiten der Europäischen Union entsprechend zu stärken. Ich glaube aber auch, daß es notwendig ist, daß sich die Europäische Union in Fragen der Sicherheitspolitik verstärkt integriert, daß sie besser zusammenarbeitet und zu klaren, eindeutigeren Linien kommt. Dann würde sie auch ihrer Verantwortung auf dem europäischen Kontinent in Sicherheitsfragen gerecht werden, dann bräuchten wir nicht immer Entscheidungen des amerikanischen Außenministeriums oder des Pentagons, wenn es darum geht, auf dem Kontinent Frieden zu schaffen. Das wäre eine ganz wichtige, ganz entscheidende Aufgabe der Europäischen Union in Zukunft, und Österreich sollte hier mit Engagement vorangehen.

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der Frage der sicherheitspolitischen Integration beklagte Frau Kollegin Kammerlander das Aufweichen der Neutralität. Ich bedauere, daß sie jetzt nicht da ist (Abg. Wabl: Ich sage es ihr, auf Punkt und Beistrich!), aber Kollege Wabl wird ihr das sicher weitersagen. Meine lieben Kollegen von den Grünen! Nehmen Sie doch endlich einmal zur Kenntnis, daß die Neutralität ihre Funktion als sicherheitspolitisches Konzept für Österreich verloren hat! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Wabl: Selbstbetrug!) Herr Kollege Wabl! Die Zeit des kalten Krieges ist in Europa Gott sei Dank vorbei. (Abg. Wabl: Die Verfassung ist "entsorgt" vom Herrn Moser!) Die Zeit der Teilung Europas ist Gott sei Dank vorbei. Daher hat sich für Österreich das strategische Umfeld ganz entscheidend geändert, und daher ist auch die Neutralität als sicherheitspolitische Konzeption nicht mehr die Antwort, die Herausforderungen der Zukunft zu lösen. Das ist Faktum, und ich bitte Sie, diese Argumente wirklich einmal anzuerkennen.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege König von der Österreichischen Volkspartei hat kurz die Osterweiterung angesprochen. Es ist schon richtig, daß es notwendig ist, daß es Sinn macht, im Vorfeld dieser Osterweiterung, im Vorfeld dieser Integration unserer Nachbarländer in die Europäische Union zu helfen. Es wird sich daraus die Konsequenz ergeben, daß wir in Zukunft kein


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Sozial- und Lohndumping haben werden, daß es zu keinem Abfluß von Wirtschaftskraft in die Nachbarregionen kommen wird, weil diese ja wirtschaftlich gleichgezogen haben. Daher sind die Auswirkungen, die derzeit zweifellos gegeben sind, in Zukunft nicht zu erwarten.

Wichtig ist aber auch, daß wir für diese Länder in der Frage des Beitritts zur Europäischen Union auch Sprachrohr sind, das heißt, daß wir uns für die Aufnahme der Nachbarstaaten einsetzen und dabei nicht einzelne Nachbarstaaten vergessen. Ich denke da vor allem an die Slowakei. Ich meine, daß das Einbinden der Slowakei in die Staatengemeinschaft besser wäre für das Land und auch für Europa, als dieses Land auszugrenzen, meine Damen und Herren.

Ich bedauere es, daß die österreichische Außenpolitik in einer so wichtigen Frage bei den Beratungen in Brüssel vom ursprünglichen Startlinienkonzept abgegangen ist, daß Österreich sich nicht mit mehr Engagement dafür eingesetzt hat, daß mit allen Nachbarländern Vertragsverhandlungen aufgenommen werden, daß Österreich dort nicht Widerstand geleistet hat. Ich bedauere, daß unser Außenminister klein beigegeben und damit die Erwartungen, die man gegenüber Österreich gehabt hat, nicht erfüllt hat. Diese Staaten haben von Österreich nicht nur leere Worte erwartet, und auch wir sollten ein bißchen in die Zukunft schauen. Vielleicht brauchen wir diese Nachbarländer noch einmal in der Hinsicht, daß sie sich für uns einsetzen, wenn wir vielleicht einen nächsten Schritt etwa in der Frage der Sicherheitspolitik setzen wollen. Dann wäre es wichtig, wenn wir diese Freunde hätten.

Ich komme jetzt zur Frage der künftigen österreichischen sicherheitspolitischen Position; sie ist von vielen meiner Vorredner bereits angesprochen worden. Ich bedauere, daß diese Frage immer wieder nur polarisiert wird mit der Frage eines NATO-Beitrittes: ja oder nein? Es ist bedauerlich, daß wir von seiten der Bundesregierung inhaltlich noch keine Positionierung bekommen haben. Das wird man aber noch verkraften, weil es in diesem Diskussionsprozeß natürlich wichtig ist, sich von den verschiedenen Positionen her anzunähern, um dann zu einer für unser Land positiven und sinnvollen Lösung zu kommen. Für problematischer halte ich es, daß man sich nicht einmal über den Zeitablauf wirklich im klaren ist. Der Herr Außenminister hat noch vor einem Vierteljahr mit allem Nachdruck verlangt, daß wir noch in diesem Jahr die Entscheidung treffen. Jetzt warten wir auf den Optionenbericht. Ich bin mir nicht so sicher, ob nach dem Optionenbericht dann tatsächlich eine Entscheidung fällt.

Ich meine, daß wir diese Diskussion sehr offen führen müssen, und ich meine auch, daß die Überlegungen der Entwicklung einer europäischen Verteidigungs- und Sicherheitsidentität viel stärker in die Diskussion eingebracht werden müssen. Es geht darum, eine europäische Verteidigungsidentität zu entwickeln, und zwar im Rahmen der Europäischen Union. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. )  – Herr Kollege Scheibner, wir werden uns dann sicherlich sehr ausführlich mit dieser Frage auseinandersetzen.

Die Europäische Union ist in ihrer Grundkonzeption eine Friedensidee. Ursprünglich ist es darum gegangen, die Verfügbarkeit über die Ressourcen des Krieges in eine supranationale Verantwortung zu geben. Jetzt geht es darum, die Verfügbarkeit über die Einsatzmittel eines Krieges auf eine supranationale Ebene zu verlagern, sie aus der nationalen Verantwortung zu nehmen. Daher glaube ich, daß dies ein ganz wichtiger Schritt wäre, und daher ist es ein Fehler, wenn diese europäische Dimension in der Diskussion um die zukünftige österreichische Sicherheitspolitik außer acht gelassen wird.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Bundesregierung begeht auch einen sehr groben Fehler bei ihrer Annäherung an die NATO, wenn diese Annäherung am Parlament vorbei erfolgen sollte. Ich halte das für politisch unklug, weil es notwendig ist und weil es Sinn macht, darüber eine sehr offene, faire, klare Diskussion zu führen. Ich halte es außerdem auch für verfassungsrechtlich bedenklich. Ich habe mir daher den "Grundriß der Österreichischen Bundesverfassung" mitgenommen. Meiner Meinung nach sind jene Verträge, die derzeit zwischen der Bundesregierung und der NATO abgeschlossen werden, diese Staatsverträge, eigentlich politische Staatsverträge, daher ist nach Artikel 50 der österreichischen Bundesverfassung eine Mitwirkung des österreichischen Parlaments notwendig.


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Meine Damen und Herren! Wann spricht man von "politischen Staatsverträgen"? Im "Grundriß der Österreichischen Bundesverfassung", im Kommentar dazu – und nach diesem Buch haben wir ja alle Verfassungsrecht an der Universität studiert – steht: Als politische Staatsverträge können Staatsverträge verstanden werden, die sich mit öffentlichen Angelegenheiten befassen und die Existenz, die territoriale Integrität oder die Unabhängigkeit und die Stellung oder das maßgebliche Gewicht eines Staates in der Staatengemeinschaft berühren.

Meine Damen und Herren! Wenn wir heute und schon in der Vergangenheit, 1995, Staatsverträge mit der NATO abgeschlossen haben, die klar unsere zukünftige Einbindung und unsere zukünftige Rolle und Aufgabe im Rahmen dieser Staatengemeinschaft regeln, wenn wir klar definieren, daß wir gemeinsame Übungen machen, daß wir gemeinsame Aufgaben, militärische Aktionen in Europa durchführen, wenn wir unsere Streitkräfte entsprechend anpassen und abstimmen, dann ist das eine politische Frage, dann ist das ein politischer Staatsvertrag.

Daher ist aus meiner Sicht zwingend das Parlament damit zu befassen, und ich darf den Herrn Präsidenten ersuchen – und ich wundere mich, daß die sozialdemokratische Fraktion sich das gefallen läßt –, die Vorhaben der Bundesregierung bezüglich dieser Frage in das Parlament zurückzuholen, damit wir diese Frage im Parlament entsprechend beraten und besprechen können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Abschluß noch einen Punkt ansprechen, der mir im Rahmen der österreichischen Außenpolitik besonders am Herzen liegt: die Frage der Entwicklungszusammenarbeit. (Abg. Dr. Cap: Es haben nur zwei applaudiert!) Zwei sind besser als keiner! (Heiterkeit.)

Zur Frage der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. – Meine Damen und Herren! Ich bin froh, daß das betreffende Budget zumindest stabil geblieben ist. Ich bedauere es aber, Frau Staatssekretärin, daß wir in der Frage der Entwicklungszusammenarbeit einen rückläufigen Trend erkennen müssen. Ich bedauere es, daß offensichtlich die notwendige Osthilfe zu Lasten der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit geht. Das ist, glaube ich, nicht redlich, weil es zwar Sinn macht und notwendig ist, den Ländern in Osteuropa zu helfen, auf der anderen Seite muß aber auch den Ländern der dritten Welt im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit geholfen werden, daß sie ihren Wohlstand und ihre Wirtschaft entsprechend aufbauen können.

Ich bedauere, daß wir eine rückläufige Tendenz haben. Das zeigt ein Zahlenvergleich der ODA-Ausgaben insgesamt: 1995 waren es immerhin noch 7,73 Milliarden Schilling, 1996 waren es 5,9 Milliarden Schilling, und die Ausgaben sind weiter sinkend. Oder: Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt von früher 0,33 Prozent ist jetzt auf 0,24 Prozent gesunken. Damit, Frau Staatssekretärin, liegen wir noch immer ganz, ganz wesentlich unter dem Durchschnitt der Europäischen Union. Damit sind wir weit davon entfernt, die Richtlinien der OECD zu erreichen, die den reichen Ländern, wie es Österreich ist, vorschlagen, etwa 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben.

Ich bedauere diese Entwicklung, und ich darf hoffen, daß wir in dieser Frage in Zukunft doch neue Akzente werden setzen können, denn eines ist diesem Parlament ja schon gelungen, nämlich die Frage der Entschuldung der Länder der dritten Welt in einer sehr fairen und sehr klaren und durchaus großzügigen Art und Weise zu regeln. Es ist ein Erfolg des Parlaments gewesen, daß die ursprünglich von der Bundesregierung beabsichtigte Entschuldung von 1 Milliarde Schilling auf 1,7 Milliarden Schilling erweitert werden konnte. Daher appelliere ich jetzt an die Frau Staatssekretärin und auch an den Herrn Außenminister, daß wir diesen Beschluß des Parlaments tatsächlich sehr rasch umsetzen, daß wir sehr rasch den Entwicklungsländern signalisieren, daß sie diese Kredite nicht mehr zurückzahlen müssen. Die betroffenen Länder brauchen einen Spielraum in ihren Budgets, um in ihren Ländern bildungspolitische Maßnahmen zu setzen, sozialpolitische Maßnahmen zu setzen, und ich meine auch, daß wir bei dieser Umsetzung keine neuen Beschränkungen und Einschränkungen festlegen sollten.


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97. Sitzung / Seite 35

Ich darf in diesem Zusammenhang nur an den Begriff "good governance" erinnern. Ich meine, daß wir den Ländern der dritten Welt einen eigenständigen Weg zugestehen und diesen akzeptieren sollten. So wie wir unsere eigenständige politische und kulturelle Entwicklung nehmen, so sollen auch diese Länder die Chance haben, sich auf der Basis ihrer Kultur, ihrer Traditionen zu demokratischen, zu rechtsstaatlichen Ländern und Nationen zu entwickeln. Das wäre mir ein großes Anliegen.

Ich hoffe, Herr Außenminister und Frau Staatssekretärin, daß Sie gerade im Zusammenhang mit der Entwicklungspolitik und der Entschuldung der Länder der dritten Welt initiativ werden und rasch Maßnahmen setzen, daß diese Entschuldung unverzüglich und unmittelbar umgesetzt werden kann. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort hat sich Herr Abgeordneter Dr. Höchtl gemeldet. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.15

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sehen (auf leere Bänke verweisend), daß sich etliche Kolleginnen und Kollegen aus einigen Fraktionen derzeit bei einer anderen außenpolitisch wichtigen Aktion befinden, nämlich bei einer Bewerbungsaktion für die Olympischen Spiele des Jahres 2006 – eine Aktion, die gleichzeitig in diesem Haus stattfindet. Außenpolitisch, kann man nur sagen, wünschen wir, daß sich einer der drei österreichischen Kandidaten als klarer Favorit herausstellt und Österreich dann auch vom Internationalen Komitee die Olympischen Spiele 2006 als Durchführungsland zugesprochen erhält. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das ist etwas, was wir zweifellos wollen, ohne jetzt eine Präferenz für den einen oder für den anderen Kandidaten abzugeben. Für Österreich ist es wichtig, daß es als bewährtes Austragungsland für Olympische Spiele auch im Jahre 2006 diese Chance hat.

Aber nun zum Thema. Das Jahr 1998 ist ja nicht nur, wie etliche meiner Vorredner betont haben, ein Jahr der Herausforderung für die österreichische Außenpolitik deswegen, weil wir zum ersten Mal die Präsidentschaft innerhalb der Europäischen Union für dieses eine halbe Jahr innehaben, sondern das Jahr 1998 ist auch deswegen eine Herausforderung – und der Herr Vizekanzler ist darauf bereits eingegangen –, weil in diesem Jahr der 50. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte seitens der Vereinten Nationen begangen werden wird.

Ich glaube, nicht zu übertreiben, wenn ich sage, daß Österreich in der Zeit der Zweiten Republik wirklich ein Vorreiter für Menschenrechte war, ein Mahner war, einer, der, ohne andere zu verletzen, jeweils gesagt hat: Wer denn, wenn nicht wir als Gott sei Dank frei gewordenes Land, sollte für die Menschenrechte jener Völker eintreten, die nicht so leicht gegen übermächtige Gegner, seien es ihre eigenen Diktaturen oder Diktatoren, auftreten können? – Ich glaube, diese Rolle haben wir jeweils erfüllt, und wir werden diese Rolle auch weiterhin erfüllen. Es ist dies eine wichtige außenpolitische Aufgabe, die Österreich jeweils verkörpert hat und die wir auch in Zukunft verkörpern werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das gilt nicht nur in bezug auf unsere Nachbarstaaten, sondern überall dort, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Es ist unsere Aufgabe, zu sehen, wo solche Menschenrechtsverletzungen tatsächlich stattfinden, sie zu beobachten, sie aufzuzeigen. Das Unangenehmste für jene Staaten, die davon betroffen sind, ist, daß diese Menschenrechtsverletzungen aufgezeigt werden, daß die internationale Öffentlichkeit mobilisiert wird.

Ich glaube, dieses Jahr 1998 ist ein ganz wichtiges Jahr, um ein bißchen Bilanz zu ziehen: Was hat sich in diesen vergangenen Jahren und Jahrzehnten weltweit geändert, und was ist noch an wesentlichen Aufgaben im Menschenrechtsbereich für die kommenden Jahre zu erfüllen?


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97. Sitzung / Seite 36

Weil Kollege Ofner auf die Frage der Sudetendeutschen eingegangen ist: Ich sage hier sehr offen, für uns Österreicher war die Vertreibung, die im Jahre 1945 stattgefunden hat, ein Unrecht und wird ein Unrecht bleiben, und wir nehmen uns immer heraus, ein Unrecht auch als Unrecht zu bezeichnen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es war eine schwere Menschenrechtsverletzung, über 3 Millionen schuldlose Menschen von einer Minute auf die andere zu vertreiben. Und ich sage hier sehr offen: Für mich sind diese Beneš-Dekrete ein Unrecht, das es in einem direkten Kontakt aus der Welt zu schaffen gilt. Daher mein Appell an die Verantwortlichen in unserem Nachbarstaat, sich in diese Richtung zu bewegen und die Havelschen Aussprüche und die Havelschen Aussagen auch Wirklichkeit werden zu lassen, mein Appell, daß man endlich das Zeitalter der Lüge auch in der Tschechischen Republik vergessen und eine Verbesserung der menschlichen Beziehungen, wenn auch nicht im Sinne eines Vergessens dieser furchtbaren historischen Situation, offen anstreben sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, es war der österreichische Einsatz für die Menschenrechte, der dazu geführt hat, daß, obwohl viele daran gezweifelt haben, in den Jahren 1989/90 die brutalsten diktatorischen Regime, die brutalsten Menschenrechtsverletzer in den osteuropäischen Staaten letzten Endes kapitulieren mußten. Um einen Ausspruch von Tolstoi zu verwenden: Es ist wichtig, sich stets dessen bewußt zu sein, daß Schweigen nicht erlaubt ist. Das Schweigen über Menschenrechtsverletzungen ist eine Linie, die wir nie verfolgen werden. Wir sind für das offene Aussprechen überall dort, wo es notwendig ist. Das ist die österreichische Haltung, das ist österreichische Aufgabe. Diese Aufgabe ist gerade im Jahre 1998 wieder an uns gestellt, und wir werden sie in der Außenpolitik sicherlich erfüllen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Scheibner. 7 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

11.22

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Ich möchte gleich an die Worte des Herrn Abgeordneten Höchtl anschließen. Er hat gesagt, die Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg in weiten Teilen Europas war ein Unrecht, und darauf muß man immer hinweisen. – Ich gebe Ihnen diesbezüglich vollkommen recht, Herr Kollege Höchtl. Sie haben auch gesagt, wie man das machen soll, und der Herr Außenminister hat ebenfalls darauf hingewiesen: Bilateral solle man diese Staaten, die Nachfolgestaaten der ehemaligen kommunistischen Regime, dazu bewegen, daß sie dieses Unrecht auch als solches anerkennen.

Herr Kollege Höchtl, Sie wissen so gut wie ich, daß es derzeit nicht danach aussieht, als ob die Regierungen etwa Tschechiens oder Sloweniens auch wirklich bereit wären, dieses Unrecht nicht nur zuzugeben, sondern ein Mindestmaß an Vergangenheitsaufarbeitung zu zeigen, indem man jene Bestimmungen, die 1945 und in den folgenden Jahren die Rechtsgrundlage für diese Vertreibungen, für den Mord, für die Folter an vielen Hunderttausenden von Unschuldigen gewesen sind, aus den geltenden Rechtsordnungen entfernt. Und wenn Sie sagen, das dürfe man nicht junktimieren mit der Frage EU-Beitritt, dann muß ich Ihnen, Herr Kollege Höchtl und Herr Außenminister, sagen: Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir es zulassen dürfen, daß in eine demokratische Staatengemeinschaft ein Land aufgenommen wird, das derartige Unrechtstatbestände, Unrechtsbestimmungen in der geltenden Rechtsordnung hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das kann doch wirklich nicht im Sinne Österreichs sein, das die Menschenrechte und auch die Vertretung gegenüber der Bevölkerung von damals und den Nachfahren ernst nimmt.

Herr Bundesminister! Ich bin da etwas skeptisch, was Ihre Maßnahmen in diesem Zusammenhang angeht. Herr Kollege Höchtl, ich glaube, wir sollten uns doch so weit verstehen, daß Menschenrechte unteilbar und unverzichtbar sind, und darauf muß man doch immer wieder hinweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Außenminister, wenn Sie sagen, bei Slowenien und bei Tschechien darf man dieses Junktim nicht herstellen, dann frage ich mich, ob das "Neue Volksblatt", das Ihnen ja, glaube ich, doch einigermaßen nahesteht, recht hat, wenn es berichtet, daß Sie Klartext gesprochen haben genau in diesen Angelegenheiten der Menschenrechte, in den Fragen der Minderheitenrechte für einen Staat, der auch Mitglied der Europäischen Union werden will. Nur ist das halt einer, der nicht so im Glanz Europas steht wie vielleicht Slowenien und Tschechien, nämlich die Slowakei. Bei der Slowakei haben Sie laut dieser Meldung – und Sie haben es ja nicht dementiert – aber plötzlich genau dieses Junktim gemacht, daß man die Slowakei nicht aus dem europäischen Integrationsprozeß entlassen soll, aber auf die Einhaltung all dieser Bestimmungen Rücksicht nehmen muß.

Noch einmal: Ich glaube, Menschenrechte sind unteilbar. Es kann nicht gute Staaten und schlechte Staaten geben; bei den guten Staaten läßt man das alles gelten, und bei den schlechten weist man mit dem Finger auf die Probleme hin. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber, Herr Außenminister, Sie haben eines richtig gesagt: Man soll hier nicht aufwiegeln. Zumindest da bin ich Ihrer Meinung. Und Sie haben weiters gesagt, die Resolution im Kärntner Landtag ist eine sehr gute Basis für eine entsprechende Regelung. Auch ich meine, daß diese Kärntner Resolution eine gute Basis ist, ich glaube aber auch, daß der österreichische Nationalrat da eine eindeutige Position beziehen sollte. Wir sollten zeigen, daß das für uns eine wichtige Angelegenheit ist, und deshalb möchte ich genau diese Kärntner Resolution, von der Sie gesagt haben, daß sie eine sehr gute Basis für die weiteren außenpolitischen Aktivitäten darstellt, hier einbringen, und zwar als Entschließungsantrag.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Scheibner und Kollegen betreffend Klärung der offenen Probleme zwischen Slowenien und Österreich vor dem Beitritt der Republik Slowenien zur Europäischen Union

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, ihre Bemühungen gegenüber der slowenischen Regierung im Hinblick auf die von Österreich unterstützten EU-Beitrittsbemühungen unseres Nachbarstaates bei folgenden Themen weiter zu intensivieren:

langfristig eine Schließung des Atomkraftwerkes Krško mit Slowenien und Kroatien zu erwirken und ein Ausstiegsszenario zu entwickeln,

die Anerkennung des Bestehens und der Rechte der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien sowie die Förderung ihrer Anliegen,

die Aufhebung der restriktiven staatsbürgerschaftsrechtlichen Bestimmungen des Denationalisierungsgesetzes und

die Aufhebung der menschenrechtswidrigen AVNOJ-Verfügungen und die Klärung der Frage des enteigneten Vermögens."

*****

Ich glaube, diese im Kärntner Landtag einstimmig beschlossene Resolution sollte auch für uns im Nationalrat eine Basis für unser weiteres Wirken darstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ein paar Bemerkungen noch zur Frage der Sicherheitspolitik. Wir haben ja immer wieder kritisiert, daß es da keine klare Linie gibt, und das ist nicht nur deshalb so schade, weil es sich bei der Sicherheitspolitik um ein wichtiges Fundament jedes Staates handelt, sondern auch, weil sich rund um uns irrsinnig viel bewegt. Es wird eine neue sicherheitspolitische Architektur aufgebaut. Wir stehen leider daneben, beobachten, geben gute Tips, wie es auch heute der Fall gewesen ist, aber haben uns noch nicht entschieden, vollberechtigt mit allen


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97. Sitzung / Seite 38

Rechten und Pflichten in die vorhandenen Sicherheitsorganisationen einzutreten. Auch Sie haben ja einmal gesagt: Nicht kopfüber in das NATO-Bassin springen, die NATO-Frage stellt sich nicht. Dann haben Sie wieder gesagt, eine NATO-Entscheidung sollte möglich rasch getroffen werden. – Ich hoffe, daß wenigstens die jetzigen Ankündigungen Geltung haben werden, daß man mit dem Optionenbericht noch 1998, und zwar in der ersten Hälfte 1998, die Grundsatzentscheidung über die weitere Ausrichtung der österreichischen Sicherheitspolitik treffen wird.

Kollege Schieder hat ja gesagt, Österreich soll eine gleichgestellte Beteiligung an der Entwicklung auch in der europäischen Sicherheitspolitik zukommen. Er hat auch gemeint, man soll nicht auf das Handeln der einzigen Supermacht, nämlich der USA, warten. – Vollkommen richtig! Kollege Cap hat gesagt, Österreich muß mitgestalten in der europäischen Sicherheitspolitik. – Wunderbar! Wenn das alles so stimmt, was Sie gesagt haben, dann werden wir hoffentlich auch bald die notwendigen Entscheidungen treffen, denn es kann doch nicht so sein, daß wir sagen, wir wollen zwar mitgestalten, aber Mitglied wollen wir nicht werden in Organisationen wie der NATO, wie der Westeuropäischen Union, die unzweifelhaft in Zukunft die Grundlage aller künftigen sicherheitspolitischen Entwicklungen darstellen werden.

Meine Damen und Herren! Das muß man der Bevölkerung auch sagen, man darf keine Desinformationspolitik betreiben, die nur verunsichert. Man muß der Bevölkerung ganz klar sagen, daß die Neutralität einen wichtigen historischen Wert hat – sie war 1955 der Garant, die Bedingung für unsere Freiheit –, aber daß jetzt andere Systeme und Strukturen notwendig sind, wenn es um den Aufbau der künftigen Sicherheits- und Friedensordnung für Europa geht.

Herr Außenminister! Sie sollten sich nicht gemeinsam mit Ihrem Verteidigungsminister immer hinter dem Koalitionspartner verstecken, denn die Sicherheitspolitik liegt in Ihrem Verantwortungsbereich – sowohl im Bereich der Landesverteidigung als auch im Bereich des Außenressorts. Sie haben es in der Hand, da gestaltend zu wirken, und ich hoffe doch, daß Sie sehr bald mit diesem Pingpong-Spiel in der Koalition aufhören werden und daß zumindest – spät, aber doch; wir sind leider schon sehr spät dran mit der Entscheidung – nach dem Optionenbericht und vor der nächsten Nationalratswahl die Grundsatzentscheidung über einen NATO-Beitritt Österreichs getroffen werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Scheibner vorgetragen hat, ist geschäftsordnungsgemäß überreicht worden und ausreichend unterstützt. Er wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.31

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige meiner Vorredner haben auf die Rolle Europas in der Welt und auf den Bedarf nach einem stärkeren europäischen Auftreten hingewiesen. Diese Frage ist insofern relevant, als wir sie ja nicht im Sinne des klassischen Metternichschen Gleichgewichtsdenkens des 19. Jahrhunderts betrachten, sondern weil es darum geht, welche Werte und welche Interessen Europa in der Welt vertritt oder welche Werte und Interessen es vertreten soll und inwiefern durch einen spezifischen europäischen Beitrag etwas zu erreichen ist, was mir als das Entscheidende in den internationalen Beziehungen erscheint, nämlich die Klärung der grundsätzlichen Frage: Gilt das Recht des Stärkeren oder gilt die Stärke des Rechts? Das ist die grundsätzliche Frage der internationalen Beziehungen! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Wabl. – Abg. Scheibner: Aber wenn das Recht hinter dem Stärkeren steht, wird das wohl auch gut sein!)

Da gibt es für Europa natürlich sehr vieles zu tun, weil hinter vielen Vorgängen auch eine versteckte Agenda steckt. Ich meine daher, daß wir gerade an diesem heutigen Tag, wo es im Nahen und Mittleren Osten, vor allem im Irak, sehr stark kriselt und von seiten der USA eine erneute militärische Intervention diskutiert wird, an dieser Frage bei einer außenpolitischen


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Grundsatzdebatte anläßlich des Budgets nicht vorbeigehen können, denn von dieser Situation geht eine ganz massive Gefährdung für die gesamte Region aus.

In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch vor Augen führen: Es hat den Golfkrieg gegeben, der Irak wurde besiegt, Saddam Hussein als Diktator ist aber nach wie vor an der Macht – von den Gewinnern des Krieges offensichtlich auch nicht in Frage gestellt, weil man augenscheinlich Interesse daran hat, daß der Irak nicht in mehrere Teile zerfällt, weil man davon ausgeht, daß das noch mehr Instabilität mit sich bringt. Aber die Konsequenz – verbunden mit den Sanktionsmaßnahmen – war natürlich auch, daß es einen leidenden Teil dabei gibt, und das ist seit Jahren die irakische Bevölkerung, die nicht über ordnungsgemäße Ernährung, Arzneimittel und so weiter verfügt. Und die Frage, die sich nun, da es offensichtlich wieder zu wechselseitigen Provokationen kommt, stellt, ist folgende: Kann man durch einen neuen militärischen Schlag, der offensichtlich ins Kalkül gezogen wird, die an sich schon unbefriedigende Situation grundsätzlich verändern? – Und meine Auffassung ist: Ein erneuter militärischer Schlag wird an der grundsätzlichen Problematik im Nahen Osten und an der grundsätzlichen Problematik des Irak nichts ändern. Es wird also auch fortgesetztes Kriegführen – auch als Reaktion auf Provokationen – die Lage nicht grundsätzlich ändern.

Wir müssen uns überhaupt die Frage stellen, ob dann, wenn eine Angelegenheit militärisch gelöst scheint, wirklich Frieden erreicht wurde. Dieselbe Frage müssen wir uns ja auch in bezug auf das ehemalige Jugoslawien stellen. Immer wieder wird das Abkommen von Dayton bejubelt. Natürlich ist es uns lieber, daß dort nicht mehr geschossen wird, aber eines muß doch auch klar sein: Dayton war erst möglich zu dem Zeitpunkt, als die wesentlichen Kriegsteilnehmer ihre zentralen Kriegsziele erreicht hatten und leider genau das eingetreten ist, was man jahrelang zu verhindern versucht hat – nämlich ethnische Säuberungen. Und jeder weiß: Sobald sich dort die internationalen Truppen zurückziehen, wird es wieder von vorne losgehen. Das heißt, die strukturellen Voraussetzungen für den Frieden sind bis heute nicht geschaffen, denn sonst wäre die Präsenz der internationalen Truppen nicht erforderlich.

Daher warne ich davor, zu glauben, daß dann, wenn eine Frage einmal militärisch entschieden ist und es dazu kommt, daß die Waffen schweigen, gleichzeitig schon Frieden geschaffen worden ist. Das ist leider bei weitem nicht so, wie man an einer Reihe von Beispielen immer wieder bemerken kann. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Mock. )

Ein zweiter Punkt, meine sehr verehrten Damen und Herren: Kollege Moser hat die Entwicklungszusammenarbeit angesprochen, und als Vorsitzender des Unterausschusses fühle ich mich natürlich verpflichtet, etwas dazu zu sagen – ich mache es auch gerne. Trotz der knappen Mittel, die uns zur Verfügung stehen, hat das Parlament gemeinsam mit der Regierung versucht, Akzente zu setzen, Akzente dahin gehend, daß wir – hinausgehend über das, was wir multilateral und bilateral leisten – die Qualität unserer Entwicklungszusammenarbeit, so glaube ich, verbessert haben, daß wir mit der Entschuldung der Entwicklungskredite für eine Reihe von Entwicklungsländern einen guten Schritt hier im Parlament gesetzt haben und daß wir uns darüber hinausgehend auch auf eine Debatte darüber eingelassen haben, welche Auswirkungen unsere Entwicklungszusammenarbeit auf die jeweilige Entwicklung in den einzelnen Ländern hat und ob die gemeinsam vereinbarten Zielsetzungen mit den Partnerländern auch erfüllt werden.

Ich glaube, diese Diskussion im Parlament war sehr spannend, und ich erwarte mir, daß, gemeinsam mit der Regierung, aus dieser Diskussion auch die notwendigen Konsequenzen für künftige Abkommen gezogen werden.

Ich gehe, da die Frau Staatssekretärin jetzt vor kurzem in Ruanda war und in Kigali Gespräche geführt hat und unter Umständen Ruanda wieder in den Kreis jener Länder aufgenommen werden könnte – oder man zumindest daran denkt –, mit denen wir eine Zusammenarbeit pflegen, selbstverständlich davon aus, daß es über diese Frage eine intensive Debatte im Parlament geben wird, weil ja auch die Bestimmung von Schwerpunktländern davor mit dem Parlament sehr intensiv diskutiert wurde. Wenn jetzt Ruanda wieder dazukommen soll, so wäre es meiner Meinung nach dringend erforderlich, das ebenfalls einer parlamentarischen Debatte zuzuführen.


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Lassen Sie mich noch eine dritte kurze Bemerkung anläßlich der außenpolitischen Diskussion einbringen. Zur Osterweiterung wurde heute vieles gesagt, und die Ansicht zu vielen der konkreten Schritte, die hier definiert wurden, zu vielen der Problembereiche, die aufzuarbeiten sind, teile ich, aber eines muß uns doch klar sein: Wenn es der Europäischen Union gelungen ist, den Widerspruch des Zweiten Weltkrieges zu überwinden, dann ist doch die große Frage, die für Europa heute auf der Tagesordnung steht, ob wir auch imstande sind, die Widersprüche, die der kalte Krieg mit sich gebracht hat, friedlich zu überwinden. Und natürlich ist die Frage der Osterweiterung der Europäischen Union eine der entscheidenden Fragen für die zukünftige Entwicklung Europas, für den Frieden und für die Sicherheit Europas, weil dieses Friedenskonzept der Europäischen Union in den vergangenen Jahrzehnten bedeutend erfolgreicher war als einseitige militärische Sicherheitskonzepte. – Und dazu sollten wir uns bei all den Problemen, die wir sehen, auch bekennen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Meischberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.39

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Khol sitzt hier, und ich bin froh, daß wenigstens einer der Südtirol-Sprecher zuhört, denn es ist leider so, daß das Thema Südtirol von keiner Fraktion mehr angesprochen wird im Zuge der Budgetdebatte zum Kapitel Äußeres. (Abg. Wabl: Reden Sie über die Kärntner Slowenen!) Das war bisher immer Tradition, und es wirft meines Erachtens ein bezeichnendes Licht darauf, wie die Auffassung in bezug auf die Schutzmachtrolle für Südtirol derzeit bei den übrigen Parlamentsfraktionen ist.

Man müßte in Anbetracht der lahmen Aktivitäten und der wenigen Debattenreden, die zu Südtirol in diesem Haus erfolgen, eigentlich glauben, daß dort alles eitel Wonne, alles in Butter und wirklich alles in Ordnung ist. Das ist Gott sei Dank zum Großteil auch so, und darüber sind wir alle gemeinsam froh, aber es gibt eben Themen, die es sehr wohl verdient hätten, von der Schutzmacht Österreich angesprochen beziehungsweise ein bißchen betont zu werden.

Eines dieser Dinge ist die leidige Sache um die Südtirol-Aktivisten, die wir schon jahrelang hier ansprechen. Wir hoffen ja schon jahrelang auf eine endgültige Lösung, bevor das Problem der Südtirol-Aktivisten einer biologischen Lösung zugeführt wird.

Es ist so, daß wir als Antwort auf eine Anfrage an den Außenminister einen Hinweis darauf bekommen haben, daß die Zuständigkeit in dieser Frage beim italienischen Staatspräsidenten liegt. Das war uns auch bekannt, Herr Minister, wir hätten nur gerne klare Antworten dahin gehend gehabt, welche Aktivitäten von Ihrer Seite in diese Richtung gesetzt werden, um den jeweiligen Präsidenten – in der kurzen Zeit, seit ich im Parlament bin, ist jetzt bereits der dritte Präsident mit diesen Dingen befaßt – dazu zu veranlassen, seine Hinweise und Anzeichen umzusetzen, die er in mehrfachen Bereichen schon gegeben hat; zum Beispiel bei dem Treffen in Alpbach damals, wo die Landeshauptleute Durnwalder und Weingartner mit Klestil und dem italienischen Staatspräsidenten auf der anderen Seite zusammengetroffen sind. Dann war das Treffen mit Klestil in Wien. (Abg. Dr. Khol: Er heißt Scalfaro!) Ja, Scalfaro war das.

Derzeit ist es aber noch immer so, daß für 14 Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die aufgrund von Südtirol-Aktivitäten damals in den sechziger Jahren in Abwesenheit in Italien zu Haftstrafen verurteilt worden sind, diese Haftstrafen nach wie vor aufrecht sind. Man hat zwar im Jänner 1993 die internationale Fahndung eingestellt, aber im Falle einer Einreise nach Italien würde immer noch die Haft drohen.

Vor allem in einer Zeit, in der man besonders in Tirol versprochen hat, daß das vereinte Europa die Grenzproblematik zwischen Südtirol und Nordtirol beseitigen und diese Unrechtsgrenze praktisch nicht mehr spürbar sein würde, ist es wirklich fragwürdig, daß es immer noch sein muß, daß diese 14 Personen mit Haftstrafen bedroht sind. Ich meine, da wäre ein Begnadigungsakt wirklich eine schöne Geste im Zeichen des vereinten Europas.


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Ich glaube, daß es dringend notwendig ist, von unserer Seite aus Aktivitäten zu setzen und anzusprechen, daß es hier endlich zu dieser ... (Abg. Wabl: In Ebergassing sind es Mörder und Terroristen, in Südtirol sind es Aktivisten, die begnadigungswürdig sind!) Bitte? (Abg. Wabl: In Südtirol sind es Aktivisten und begnadigungswürdig, in Österreich sind es Mörder und Terroristen, nämlich bei Ebergassing! – Abg. Dr. Khol: Das ist schon ein Unterschied!)

Das sehe ich ein bißchen anders, Herr Kollege. Vor allem ist das alles ein bißchen länger her als die Sache in Ebergassing. Es sind da andere Begründungen dahinter. Allein die Ebergassing-Sache mit den Südtirol-Aktivisten in Vergleich zu setzen ist skandalös. (Abg. Wabl: In Südtirol sind es ehrbare Leute, in Ebergassing sind es Mörder und Terroristen!) Es ist skandalös Ihrerseits, die Situation in Ebergassing mit den Vorgängen in Südtirol und den Motivationen der Südtirol-Aktivisten in den sechziger Jahren zu vergleichen. Mehr will ich dazu gar nicht sagen, Herr Wabl. Das zeigt wahrscheinlich nur auf, daß Sie weder Gefühl noch Wissen in dieser Frage haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Krüger: So ist es! – Abg. Dr. Khol: Da hat er recht!)

Der zweite Punkt, der anzusprechen wäre und der aktueller ist, ist das Thema Ortsnamensgebung, die Toponomastik. Wir wissen, daß die Ortsnamensgebung den Stempel der faschistischen Zeit trägt, daß diese Ortsnamensgebung – man meint damit die zweisprachige Ortsnamensgebung, nämlich die deutsche einerseits und die italienische andererseits – zu einer Zeit geboren wurde, in der in Italien Recht und Demokratie wirklich mit Füßen getreten wurden. Alleine dieser Umstand legitimiert die Südtiroler, dieses Unrecht aufzuheben und diesen Zustand nicht hinzunehmen.

Es gibt, was die Ortsnamensgebung betrifft, bereits jahrelange Verhandlungen, Herr Bundesminister, und wir wissen sehr genau, daß in dieser Frage radikale Forderungen sicher nicht angebracht sind, daß man das in Ruhe ausverhandeln muß. Aber das, was die Italiener in der Frage machen, ist ein radikales Beharren auf einem Unrecht, das aus einer faschistischen Zeit stammt, und man ist in dieser Frage wirklich nicht gesprächsbereit.

Umso weniger verstehen wir die Haltung des österreichischen Botschafters in Rom, Günter Birbaum, der seinen Standpunkt zu dieser Frage vor kurzem anläßlich eines Besuches in Südtirol bekanntgegeben hat. Er vertritt in dieser Frage ganz klar den italienischen Standpunkt. Er sagt: Wir haben kein Südtirolproblem mehr. Es gebe in Wahrheit im Bereich der Toponomastik für Österreich nichts zu tun, denn man könne nur über den Pariser Vertrag intervenieren, und darin stünde die Zweisprachigkeit verankert.

So ist es nach den Buchstaben des Gesetzes wahrscheinlich ableitbar, und auch die italienische Justiz mischt sich in der Zwischenzeit über den Untersuchungsrichter Mori mit genau derselben Argumentation in diese Debatte ein. Da hätte unser Botschafter Birbaum, glaube ich, als Vertreter der Schutzmacht Österreich eine ganz andere Rolle zu spielen beziehungsweise wirklich als Schutzmacht aufzutreten und die Südtiroler Interessen gegenüber den Italienern zu vertreten und nicht umgekehrt, wie er es gemacht hat. Das ist wirklich zutiefst abzulehnen.

Man sollte die Frage der Zweisprachigkeit auch nicht unterschätzen. Es gibt zwei wichtige Punkte. Meine Redezeit geht zu Ende, aber ich möchte Ihnen ein Beispiel darstellen. Trotz Durchführungsbestimmungen und trotz Autonomiestatut ist es bis heute nicht gelungen, daß zum Beispiel Medikamentenbeipackzettel in zweisprachiger Ausführung in Südtirol auf den Markt kommen. Die Pharmaindustrie in Italien weigert sich nach wie vor, dieses Recht der Südtiroler zu akzeptieren. Das ist aber mit Folgen verbunden. Versteht ein deutschsprachiger Südtiroler oder ladinisch sprechender Südtiroler diesen Beipackzettel in italienischer Sprache nicht richtig, könnte es dadurch zu einer falschen Verwendung kommen, was wiederum die Gesundheit des Betroffenen einschränken könnte.

Alleine dieses Beispiel aus dem Leben zeigt, wie wichtig diese klare Lösung der Zweisprachigkeit nach wie vor ist, und wir als Schutzmacht Österreich wären gefordert, diese berechtigte Forderung der deutschen und der ladinischen Volksgruppe zu unterstützen und das durch Sie,


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97. Sitzung / Seite 42

Herr Bundesminister, in Italien auch entsprechend zu demonstrieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Tichy-Schreder zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.47

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Das Kapitel Außenpolitik verleitet natürlich dazu, daß jeder über seine eigenen Wünsche und Vorstellungen verschiedene Themenbereiche betreffend spricht. Speziell bei den Freiheitlichen ist mir aufgefallen, daß der erste Redner, Abgeordneter Bauer, sich praktisch nur mit dem Euro beschäftigt hat, dann hat Herr Abgeordneter Ofner seine Themen Slowenien und Slowakei gebracht, der Herr Abgeordnete Scheibner hat nachgestoßen und sein Thema Sicherheitspolitik, NATO gebracht und der Herr Abgeordnete Meischberger das Thema Südtirol.

Gott sei Dank, meine Damen und Herren, ist die Außenpolitik etwas weiter gefaßt. Ich möchte aber doch auf den Abgeordneten Scheibner eingehen, der hier im Haus einen Entschließungsantrag betreffend jenen Antrag eingebracht hat, den die Kärntner Landesregierung an die Bundesregierung gerichtet hat, und schon eines dazu sagen: Sie haben vom Herrn Außenminister und Vizekanzler gehört, daß er die Anliegen der Kärntner Landesregierung befürwortet, sie in die Überlegungen einbezieht und daß dieser Katalog eine gute Basis ist, darüber weiterzuverhandeln.

Nur, Herr Kollege Dr. Scheibner – Entschuldigung, das sind Sie noch nicht, Sie sind noch im Studium begriffen –, etwas kann man nicht tun: Man kann nicht, wenn wir von der Erweiterung der Europäischen Union sprechen, jetzt ein Land herausgreifen und eine Resolution oder einen Vorschlag eines Bundeslandes ins Parlament einbringen und dies als das außenpolitische Ergebnis betrachten. (Abg. Scheibner: Das ist aber sehr dünn, was Sie jetzt sagen! Nur weil es Ihnen nicht paßt!) Das ist in den Relationen nicht richtig gesehen. (Abg. Scheibner: Der Minister hat selbst gesagt, daß der Antrag eine gute Basis ist!) Man kann nicht nur ein einziges Land, also etwa Slowenien, herausnehmen, sondern die Bundesregierung muß sich mit allen Nachbarstaaten auseinandersetzen, wenn es um die Osterweiterung geht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aus diesem Grund, Herr Abgeordneter Scheibner, werden wir Ihrem Entschließungsantrag, den Sie hier einbringen, nicht zustimmen. (Abg. Scheibner: Das ist Ihre Politik! Dort, wo es Ihnen paßt, verlangen Sie Ausnahmen, dort, wo Sie Flagge zeigen müßten, ziehen Sie zurück!) Er ist so durchsichtig, Herr Abgeordneter Scheibner, wir kennen das, und wir kennen dann Ihre Aussagen dazu. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch noch auf etwas anderes eingehen. Ich möchte mich beim Herrn Bundesminister sehr herzlich dafür bedanken, daß in einer Vereinbarung mit dem Finanzminister Edlinger der jahrelangen Forderung beziehungsweise dem Wunsch der Frauen der Botschafter im Ausland stattgegeben worden ist, und zwar dahin gehend, daß sie nun auch eine Sozialversicherung und für später eine Absicherung haben, denn gerade die Frauen der Botschafter haben keine Möglichkeit, im Ausland einer Beschäftigung nachzugehen. Es ist aber auch (Abg. Scheibner: Das ist typisch: Erst loben und dann dagegen stimmen!), Herr Abgeordneter Scheibner, sehr wichtig, die Aufgabe hervorzuheben, die die Ehepartner unserer Botschafter und Botschafterinnen erfüllen. Das ist ein ganz besonders wichtiger Beitrag, den sie leisten, und dieser wird damit auch anerkannt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte aber auch auf etwas zu sprechen kommen, was Frau Abgeordnete Gredler gesagt hat. Sie hat in ihrer tatsächlichen Berichtigung ein Beispiel gebracht, das zeigt, daß sie den Herrn Außenminister eigentlich nicht verstanden hat. Es geht darum, daß man Menschen, die eine kritische Position zur Osterweiterung und dazu, wie schnell oder wie langsam es gehen soll, einnehmen, nicht das Wort "Feind" unterstellt. Sie hat diesen Begriff in ihrer tatsächlichen Berichtigung nicht richtig erfaßt. Es tut mir leid, daß sie gerade nicht hier ist, aber ich weiß, das


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97. Sitzung / Seite 43

Liberale Forum hat jetzt andere Aufgaben, als diese Debatte zu verfolgen. (Abg. Mag. Peter: Bin ich Ihnen nicht ausreichend?)

Meine Damen und Herren! Herr Mag. Peter! Ich empfinde es als sehr wichtig, daß wir im kommenden Jahr, wenn wir die Präsidentschaft der Europäischen Union einnehmen, ganz besonders – so wie das der Herr Vizekanzler gesagt hat – als Mittler eine Rolle spielen. Und diesbezüglich kann ich sagen, daß gerade unser Außenminister auf internationaler Ebene – nicht nur in der Europäischen Union, sondern auch in unseren Nachbarstaaten auf den verschiedensten Regierungsebenen – einen hervorragenden Ruf und ein hervorragendes Vertrauen genießt. (Abg. Jung: Meinen Sie das Frühstück von Amsterdam?) Denn überall, Herr Abgeordneter Jung, egal, in welcher Funktion ich wohin komme, werden mir beste Grüße und Empfehlungen an den Herrn Außenminister bestellt als Dank dafür, wie er die Anliegen der einzelnen Staaten versteht und auch in die Europäische Union einbringt. Das ist eine gute Voraussetzung und eine gute Basis für den Vorsitz in der Europäischen Union, den wir in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres innehaben werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Daß wir diese Funktion auch bei Ländern erfüllen, die nicht, wie der Herr Abgeordnete Moser beklagt hat, sofort in der ersten Runde der Beitrittsanwärter zur Europäischen Union dabei sind – das ist im Hinblick auf unsere Nachbarländer explizit auf die Slowakei bezogen –, beweist, daß man ein gutes Verhältnis zu Nachbarstaaten haben kann, aber sie dennoch darauf aufmerksam machen muß, welche Schritte und Maßnahmen sie setzen sollen, wenn sie in die Europäische Union wollen, um sie so auf diesem Weg zu begleiten.

Österreich, das als kleines Land den Beitritt zur Europäischen Union zustande gebracht hat, ist hinsichtlich der Art, wie es politisch, aber auch wirtschaftlich seinen Weg gegangen ist, bei der Ostöffnung ein Vorbild für diese Staaten. Und diese Vorbildrolle können wir gerne noch ausbauen, indem wir diesen Ländern auch sagen, wie der Weg in Zukunft weitergehen soll, und ihnen dabei Hilfestellungen geben. Dieses Vertrauen gibt eine gute Basis für unsere Außenpolitik für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

11.54

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich nicht zu Wort gemeldet, wenn ich heute nicht so wunderbare Äußerungen und Ausführungen der Kollegen der Sozialdemokraten erleben hätte dürfen; und zwar auf der einen Seite jene des Kollegen Schieder, der meines Erachtens eine sehr staatstragende – im besten Sinn des Wortes – Rede gehalten hat (Beifall bei der SPÖ) und der andererseits eine offensive Entwicklung im Zusammenhang mit einer Friedenspolitik formuliert hat, die nicht diesen chromblitzenden, raketenbestückten NATO-Zug meint, in dessen Führerhaus unser allerschönster und allerbester Präsident der westlichen Hemisphäre, Bill Clinton, sitzt.

Meine Damen und Herren! Ich halte diesen Beitrag deshalb für so notwendig, weil wir offensichtlich nach dem Zerfall des Warschauer Paktes in eine merkwürdige NATO-Euphorie geraten sind, wonach die meisten oder viele hier in diesem Haus meinen, es gäbe nur diese eine Option. Zum Glück sind die Umstände, die in den letzten Wochen und Monaten eingetreten sind, derart gewesen – das ist ja auch ein bißchen die Komik der Geschichte –, daß sich Minister Fasslabend und Minister Schüssel in dieser Frage etwas zurückgenommen haben.

Dennoch, Kollege Schieder, würde ich Sie schon ersuchen, sich mit Ihren Kollegen abzusprechen. Ich weiß schon, eine große Partei hat noch größere Schwierigkeiten, die Vielstimmigkeit abzustimmen, als eine kleine Partei, aber daß ich heute gleich drei außenpolitische Reden vernehmen mußte – von Ihnen die staatstragende, von Herrn Kollegen Gusenbauer die linke und von Herrn Kollegen Cap die rechte –, das war zwar eine sehr interessante Darbietung für den Parlamentarismus, aber für eine Regierungspartei, die eine klare politische Linie vorgeben sollte, ist das vielleicht ein bißchen problematisch. Das sagt aber nichts über die Qualität oder Nichtqualität der einzelnen Beiträge aus.


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97. Sitzung / Seite 44

Meine Damen und Herren! Ich möchte nun ganz kurz auf die Äußerungen des Kollegen Meischberger eingehen, der die Südtirol-Aktivisten generalamnestiert haben möchte. Ich bin auch der Meinung, daß Menschen, die Ideale und Ziele gehabt haben und die in einer Verblendung und möglicherweise in einer Sozialisierung mit Verirrungen geglaubt haben, sie könnten das herbeibomben, was sie sich wünschen, das Recht haben, irgendwann einmal wieder so akzeptiert zu werden wie normale Staatsbürger – mit allen Rechten und Pflichten. Aber was ich nicht verstehe, ist, daß Sie nur Verständnis für jene Menschen aufbringen, die Ihrer Geisteshaltung näher sind – ich sage das jetzt gar nicht polemisch, Herr Kollege Khol –, Ihren Zielen näher sind. Da haben Sie freundlichere Worte, verständnisvollere Worte. (Abg. Ellmauer: Sie auch!)

Die Grünen, Herr Abgeordneter Khol, haben überhaupt kein Verständnis für die Wahl der Mittel, nämlich die Gewalt. Deshalb gibt es bei uns auch immer diese heftigen Diskussionen, weil die Versuchung oft sehr groß ist, Ziele und Visionen mit militärischen oder Gewaltmitteln durchsetzen zu wollen.

Herr Abgeordneter Khol! Ich habe deshalb zwischengerufen, weil es hinsichtlich Ebergassing bei Ihnen keinen Zweifel zu geben scheint. Aber da waren ebenso Bomben im Spiel, gelegt von Menschen, die geglaubt haben, sie könnten ihre Ideale verwirklichen. Was immer das ist, wie obskur, wie verrückt sie sein mögen: Es waren Menschen, österreichische Staatsbürger, und ich halte es für unangebracht, daß Sie meinen, daß das etwas ganz anderes wäre, nur weil es Ihrer Ideologie und Ihren Zielsetzungen nicht entspricht.

Diese Menschen haben einen Strommast gesprengt und haben sich dabei selbst getötet. Die Südtirol-Aktivisten haben Bomben gelegt, um etwas herbeizuführen, das auch Sie ideologisch vertreten. Das ist ebenso abzulehnen! Das ist schon etwas länger her, nur wollen wir doch über diese Menschen so reden wie über Menschen, die einen großen Fehler begangen haben, die das Gewaltmittel gewählt haben, was absolut abzulehnen ist. Das war immer die grüne Position und wird sie auch immer bleiben! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Schaffenrath. )

Meine Damen und Herren! Herr Minister Schüssel hat heute bei seinen Ausführungen die NATO-Frage ziemlich ausgeklammert. Ich verstehe das. Die Kollegin Pollet-Kammerlander hat das auf seinen diplomatischen Fauxpas in Amsterdam zurückgeführt, und es hat sicher auch damit zu tun, daß es dadurch der SPÖ gelungen ist, diese Offensivstrategie der ÖVP ein bißchen einzuschränken. Aber darauf will ich jetzt nicht näher eingehen. Ich will nur anmerken, daß seine Haltung zur Slowenenfrage sehr klug und meines Erachtens sehr ausgewogen war.

Nur würde ich auch in dieser Frage um eines ersuchen – das an die Adresse der Freiheitlichen, vor allem an Herrn Ofner –: Es ist schon richtig, daß den Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben worden sind, Unrecht getan worden ist, es ist auch richtig, daß dieser Zynismus von slowenischer Seite absolut unverständlich und unangebracht ist. Es ist aber auch richtig, daß wir innerhalb Österreichs größte Schwierigkeiten damit haben, mit den Minderheiten umzugehen, die von unserer Seite vertrieben worden sind, wo unsere Schattenseiten der Geschichte sind.

Denken Sie nur etwa an die Problematik in der Steiermark. Denken Sie an dieses merkwürdige Milieu, das in der Steiermark entstanden ist und dazu geführt hat, daß Menschen, die gemeint haben, sie könnten sich nicht mehr anders ausdrücken, politische Veränderungen auf diese Art und Weise herbeibomben wollten, wie das zum Beispiel Franz Fuchs getan hat.

Das ist ein Klima, ein Milieu, das in den Grenzregionen sehr häufig anzutreffen ist und angesichts dessen wir besondere Sensibilität zeigen müßten. Das, was da jetzt ein paar Meter weiter südlich passiert, in Kärnten, wo der Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Grasser – der irgendwann einmal gemeint hat, man sollte jene Unternehmen, die Ausländer, nämlich Slowenen und Italiener, beschäftigen, nicht fördern – für die Abhaltung von Olympischen Spielen in dieser Region eintritt, halte ich für eine Vorgangsweise, die klüger ist als die vorhergehende, dieser unglaubliche, unökonomische und einfältige Vorschlag. Aber da entwickelt sich etwas, und Sie


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sollten darüber mit derselben Klarheit und Deutlichkeit reden, meine Damen und Herren, wie Sie es bei Ihrer Parteinahme für Menschen tun, die in anderen Staaten wohnen.

Meine Damen und Herren! Noch ein Satz zu Herrn Höchtl, der gemeint hat, man dürfe bei Menschenrechtsfragen nicht schweigen. – Ich weiß, er hat sogar einmal eine Reise in die Türkei gemacht, bei der er aber nicht gerade dadurch aufgefallen ist, daß er etwa die Kurdenfrage mutig vorangetrieben hätte (Abg. Dr. Stippel: In Nordkorea!) – nein, das war in der Türkei; aber in Nordkorea war es ebenso –, er ist also nicht dadurch aufgefallen, daß er die Kurdenfrage besonders mutig angeschnitten hätte.

Dazu hätte ich auch gern ein paar Sätze von Herrn Minister Schüssel gehört. Wie sieht er denn eigentlich die Tatsache, daß ein NATO-Land Krieg führt? – In diesem großen "Friedensbündnis" der NATO-Länder führt ein Land Krieg, mit regulären Truppen, mit regulären Einsätzen, mit regulären Vernichtungsszenarien. Ganze Dörfer werden vernichtet. Man stationiert sogar Truppen in einem anderen Land. Wie wird das vom Herrn Außenminister gesehen? Oder gebietet es die diplomatische Feinheit oder die diplomatische Höflichkeit, daß man darüber nicht spricht?

Solange diese Art der Auseinandersetzung ... (Abg. Scheibner: Was soll die NATO denn machen?! Wollen Sie NATO-Truppen in der Türkei haben?!)

Herr Kollege Scheibner! Ich weiß schon, diese Seite erwähnen Sie auch selten, wenn Sie so euphorisch mit dem Herrn Lichal zusammensitzen und Ihre Referate abwickeln. Aber ich meine, daß Sie darauf eingehen sollten, daß wir es da nicht mit einem Friedensbündnis zu tun haben, sondern mit einem Militärpakt. Und innerhalb dieses Militärpakts gibt es auch Opportunitäten, die offensichtlich von Ihnen geduldet werden.

Nun kann man als Opposition verschiedene Rollen spielen. Aber der Herr Minister sollte dazu klar Position beziehen. Das wäre nämlich ein solider Beitrag zu einer aktiven Friedenspolitik, zu einer Weiterentwicklung im Sinne des Kollegen Schieder, im Sinne einer Friedenspolitik, die Österreich in bester Tradition machen könnte und mit der Österreich international auch reüssieren könnte. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schieder. )

Meine Damen und Herren! Wie schon Kollege Schieder vor mir komme ich nun wieder zum eigentlichen Thema, das meines Erachtens Österreich im Augenblick am meisten beschäftigt, nämlich zur Frage: NATO-Beitritt, ja oder nein? Gibt es eine andere Option? – Ich würde mir wünschen, daß wir in dieser schwierigen Frage eine sehr sensible, ausgewogene Diskussion führen, ganz im Sinne der Beiträge der Sozialdemokraten, aber auch ganz im Sinne der Beiträge von anderen Parteien.

Meine Damen und Herren! Letztendlich ist es die Aufgabe der Politik und die Aufgabe der Regierung, dem Souverän in einer so wichtigen Verfassungsangelegenheit die entscheidende Frage zu stellen: Was will das Volk, was wollen die Bürgerinnen und Bürger?, und ich würde mir wünschen, daß diese Frage relativ bald gestellt wird.

Ich halte diese opportunistische Vorgangsweise der Sozialdemokratie, diese Abstimmung doch bis über das Wahljahr 1999 hinaus aufzuschieben, für sehr gefährlich, denn dadurch passiert möglicherweise genau das, was Sie nicht möchten, Herr Kollege Schieder. Auf der einen Seite werden in sämtlichen Veranstaltungen hervorragende Koalitionen zwischen ÖVP und FPÖ geschlossen – ich darf das in der letzten Zeit öfters mitverfolgen –, und auf der anderen Seite gibt es eine zurückhaltende, vornehme bis passive Haltung der Sozialdemokratie sowie eine Haltung der Grünen, die als Position einer Partei erkannt wird, die eben schwach ist, die nur 5 Prozent der Stimmen hat, nicht mehr und nicht weniger – manchmal weniger, manchmal mehr.

Das ist aber sehr gefährlich, weil dadurch in der österreichischen Bevölkerung der Eindruck entstehen könnte: Es ist ohnedies nichts mehr zu tun, es ist nichts mehr zu machen, der Zug fährt und fährt und fährt. Genauso stellen es ja auch jene Referenten dar, die die ÖVP immer zu solchen Veranstaltungen schickt: Da ist ein Zug, und sonst weit und breit nichts. Es gibt kein


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Gefährt, keine neue Option und keine erkennbare außenpolitische Konstruktion in dem Sinne, wie Sie, Herr Kollege Schieder, sie skizziert haben.

Das halte ich für sehr gefährlich (Abg. Scheibner: Was ist denn die Alternative?!), denn auf der einen Seite, Herr Kollege Scheibner, gibt es die "Kronen Zeitung", der ich heute zum Beispiel wieder entnehmen kann, daß ich in der Stalinschen Kaderschmiede war, daß ich bei Fidel Castro ausgebildet worden bin und daß nun auch der aus dem Kommunismus kommende Öllinger an die Spitze drängt. (Abg. Dr. Khol: Wabl! Du immunisierst diese Dinge! – Abg. Dr. Cap: Öllinger ist aus der SPÖ ausgeschlossen worden! Wirklich! Das war der einzige Ausschluß, den der Kreisky gemacht hat!)

Und weiter heißt es da – unter Beihilfe des geschätzten Herrn Khol –, daß es Anschläge gibt auf das edle Antlitz, auf das edle Bild der Frau Petrovic. Die ÖVP folgt ja diesem seinerzeit eingeschlagenen Weg. Ich erinnere mich noch, wie Sie hier herausgekommen sind und gesagt haben: Da oben sitzen die Terroristen!

Das kann man im Protokoll nachlesen. Ich habe mich damals furchtbar darüber aufgeregt – was ich heute nicht tue – und Sie als Diffamierer beschimpft. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kollege Khol! Das ist die direkte Verhetzungsstrategie, die gemacht wird. Deshalb ist die beschriebene Vorgangsweise so gefährlich. Die eine Gruppe, die klein ist, wird verhetzt, da kann man spielend drüber gehen. Gegen die Sozialdemokraten zu hetzen, das probiert nicht einmal die Sozialdemokratie selbst. Da gelingt es zwar manchmal, gegen den Einem zu hetzen, gegen den Scholten zu hetzen – möglicherweise, weil seine Religion nicht ganz der prosemitischen Linie des Blattes entspricht –, aber gegen eine ganze Partei, die über einen Prozentanteil wie den Ihren verfügt, ist es schwer, zu hetzen. Da genügt es, unsere kleine Partei herunterzumachen, mit Beihilfe des großartigen Khol, des Südtirol-Aktivisten und -Kämpfers. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Vizekanzler Dr. Schüssel: Was soll das? – Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Tatsächliche Berichtigung!)

Herr Kollege Schieder! Wir müssen hier Partei nehmen. (Abg. Kiss: Worum geht es überhaupt? Wovon redet er? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was das hier in diesem Zusammenhang soll? – Herr Kollege Schüssel! Ich weiß, Sie sehen Ihre Welt ganz anders und klein, etwa so: Dort ist ein Frühstück und dort ist der Herr Kurde und dort ist der Herr Türke und dort ist die NATO, und dann teilen wir uns diese Welt so schön auf, und dann finden wir einen poetischen Spruch und spielen ein bißchen Sprachpolizei hier herinnen und sagen der Frau Gredler, Sie darf das Wort "Feind" nicht in den Mund nehmen. Dieses Wort darf zwar in der Bibel stehen, aber wenn die Frau Gredler es verwendet, dann kommt der Sprachpolizist und macht das sauschweinisch gut, wie er hier die Sprachpolizei spielt! (Abg. Mag. Steindl: Wabl! Das ist ein Niveau!)

Meine Damen und Herren! Wenn das die Außenpolitik Österreichs ist, dann kann und will ich nicht mithalten. Nur um eines möchte ich Sie ersuchen, Herr Kollege und Herr Minister Schüssel, um eines möchte ich Sie bitten: Nehmen Sie zur Kenntnis, es gibt eine österreichische Verfassung und es gibt österreichische Parteien, und die Diffamierung, die hier in diesem Haus mit Hilfe der ÖVP, mit Hilfe der "Kronen-Zeitung" passiert, ist eine Tatsache, Herr Khol! Das ist nicht leugbar. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Die Kollegen von der Sozialdemokratie sollten bedenken, welche Stimmung hier bereits aufkommt. (Abg. Dr. Maitz: Sie wollen sich zum Opfer hochstilisieren! – Abg. Kiss: Wovon redet er? Das ist doch wirr!)

Herr Kollege Maitz! Ich weiß schon, Sie wollen die Diktion der "Kronen Zeitung" weiter fortführen. Sie sollten vielleicht zum Herrn Morak und zum Herrn Rasinger gehen, um das Wort "Täter" richtig einzuschätzen. Die "Kronen Zeitung" weiß das. Sie schreibt nicht "Abgeordneter Wabl", sondern "Abgeordneter W.", um die Täternähe anzudeuten, und zwar in einer Sache, die völlig harmlos und bedeutungslos ist, die aber von Ihrer Fraktion aufgeblasen und dann an die "Kronen Zeitung" herangetragen wurde. Das ist ganz eindeutig der Tatbestand der Verhetzung,


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und ich sage Ihnen, Sie habe Mithilfe geleistet, Sie haben dazu beigetragen. (Abg. Dr. Maitz: Wirres Geschwätz!)

Herr Kollege Maitz! Sie wissen das nicht. Reden Sie mit Ihren Kollegen, die in unserem Klub waren, um zu überprüfen, was sie gemacht haben. (Zwischenruf des Abg. Kröll.  – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Unruhe im Saal.)

Meine Damen und Herren! Ich weiß, in Ihren Augen ist das natürlich völlig wirr. Aber ich weiß, was wirklich wirr ist: Wenn die "Kronen Zeitung" am Sonntag titelt "Psychokrieg bei den Grünen" und der Herr Kollege Khol die Munition dafür liefert. Das ist wirr, das ist staatspolitisch untragbar! (Beifall bei den Grünen.) Das ist bei einer Partei, die in der Regierung sitzt, unakzeptabel, und das wird von mir, von der Fraktion der Grünen und, wie ich hoffe, von allen aufrechten Demokraten bekämpft werden, und zwar in diesem Haus und außerhalb dieses Hauses! (Beifall bei den Grünen.)

12.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol gemeldet. – Herr Abgeordneter! Bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

12.10

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Der Vorredner hat von einer Beihilfe zur Verhetzung durch meine Person und durch meine Fraktion im Zusammenhang mit einem heute offensichtlich in der "Kronen Zeitung" erschienenen Artikel gesprochen. Er hat auch auf einen anderen Artikel der "Kronen Zeitung" – offenbar auf den vom letzten Sonntag im Zusammenhang mit einer Schmieraktion – Bezug genommen. (Abg. Wabl: Sie diffamieren schon wieder!)

Dem stelle ich den richtigen Sachverhalt gegenüber. (Abg. Wabl: Sie sind ein unverschämter Diffamierer!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Wabl! Bitte lassen Sie den Abgeordneten Dr. Khol jetzt reden! (Abg. Wabl: Herr Präsident! Wenn er lügt, dann werde ich einen Zwischenruf machen können! – Abg. Dr. Maitz: Eine künstliche Erregung! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Grünen. – Unruhe im Saal.)

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (fortsetzend): Es wurde keine Beihilfe zur Verhetzung geleistet. Es gibt keine Beihilfe zu diesem Artikel, und meine Fraktion hat damit nichts zu tun. (Beifall bei der ÖVP.)

12.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Karlsson. – Bitte.

12.11

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich möchte – unabhängig von "Kronen-Zeitung"- und sonstigen Artikeln – wieder auf den Budgetposten Äußeres zurückkommen und vier Punkte, die mir wichtig erscheinen, dazu anmerken.

Erster Punkt: Eine weitere Dimension unserer Europapolitik, die heute besondere Aktualität hat, ist die europäische Dimension der Gleichstellung von Mann und Frau. Ich möchte sie nicht deshalb anmerken, weil ich glaube, daß von Regierungsseite etwas dagegen spricht, sondern weil dieser Bereich grundsätzlich erwähnt werden soll.

Der EuGH hat in einem richtungweisenden Urteil auch infolge der geänderten politischen Lage seit dem Amsterdamer Gipfel nunmehr festgestellt, daß es EU-konform ist, spezielle Frauenförderungsprogramme zuzulassen. Dies ist auch in einer Änderung des EU-Vertrages vorgesehen und wird, wie ich meine, infolge der nunmehr verlangsamten Abwicklung des Ratifizierungsvertrages neben der MinisterInnenkonferenz eine Dimension sein, die in unserer Präsidentschaft zum Tragen kommen wird.


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Was das größere Europa betrifft, ist Frauenministerin Prammer heute zu einer Konferenz nach Istanbul gefahren, um dort über die Gleichstellungsfragen zu beraten, die den Europarat betreffen.

Zweiter Punkt: Von Herrn Abgeordneten Spindelegger wurde zu Anfang der Debatte ein Anliegen angesprochen, das uns besonders am Herzen liegt, und zwar die Landminenfrage. Herr Kollege! Ich bin diesbezüglich wirklich ganz Ihrer Meinung. In dieser Frage müssen wir internationale Zustimmung erringen. Ich möchte noch ergänzend darauf hinweisen, daß unsere Stellung in dieser Frage deshalb so stark ist, weil wir innenpolitisch unser Haus in Ordnung gebracht haben, indem wir mit vier Parteien und überwältigender Mehrheit dieses Hauses ein innerösterreichisches Verbot der Erzeugung dieser Waffen, der Anti-Personen-Minen, durchgesetzt haben.

Dritter Punkt: Naher Osten. Vom Abgeordneten Gusenbauer ist der Irak angesprochen worden. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß über der Sorge, die wir bezüglich dieses Konfliktes und der verschiedenen diesbezüglichen Standpunkte haben, auch der schwelende Konflikt hinsichtlich der Lage der Palästinenser nicht vergessen werden darf. Wenn wir etwa sehen, wie Punkt um Punkt jene Zusicherungen, die den Palästinensern gegeben wurden, die wirklich schon jahrelang auf ihre Rechte warten, ihnen nun wiederum vorenthalten werden und wie damit auch die Stellung bestimmter Politiker in der palästinensischen Führung geschwächt wird, dann kann uns das nicht unberührt lassen.

Österreich war die Hoffnung der Palästinenser hinsichtlich der Durchsetzung ihrer Rechte, und diese Rolle sollten wir auch weiter spielen. Es hat keinen Sinn, zum Beispiel die Stellung – ich möchte nur einen Namen nennen – Yassir Arafats weiter zu unterminieren, denn er ist einer, der sich sehr früh gegen jegliche Gewalt ausgesprochen hat, der verhandlungsbereit war und der, und das erscheint mir heute besonders wichtig, immer einer säkularen Staatspolitik und nie dem Fundamentalismus verpflichtet war. Daher finde ich es wirklich an der Zeit, daß sich Österreich in diesen Friedensprozeß wieder aktiv einschaltet.

Damit im Zusammenhang steht auch mein letzter Punkt, die Frage der Menschenrechte. Vom Abgeordneten Höchtl ist gesagt worden, wir sollten uns ein bißchen darum kümmern. Ich meine aber, wir sollten uns besonders darum kümmern! Wir brauchen ein einiges Bekenntnis der zivilisierten Welt zu den Menschenrechten! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben gesehen, wie es China gelungen ist, bei der letzten Sitzung der Menschenrechtskommission gerade die Divergenzen über die Auslegung der Konvention auszunützen und sich erfolgreich durchzusetzen. Auch im europäischen Rahmen gibt es gewisse Schwierigkeiten, zum Beispiel bezüglich der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei Druck auf dieses Land zu machen, wie der Abgeordnete Wabl schon gesagt hat. Deshalb muß es ein gemeinsames Vorgehen geben, egal, wo die Menschenrechte verletzt werden. Wirtschaftliche Interessen dürfen dabei keine Priorität haben.

Zur Weiterentwicklung der Menschenrechte könnte Österreich, wie ich meine, sehr wohl etwas beitragen. Ich weiß, wir haben es im Ausschuß schon besprochen, aber ich wiederhole es hier: Es ist bedauerlich, daß wir trotz vieler kleiner Budgetposten keinen eigenen Budgetposten für das Jubiläum "Fünf Jahre Menschenrechtskonferenz in Wien" – diese Konferenz war 1993 sehr erfolgreich – haben. Ich meine, was die neuen Technologien, die Informationsgesellschaft und die menschenrechtlichen Auswirkungen all dessen betrifft, könnte Österreich sehr wohl zur Weiterentwicklung beitragen.

Im Weltmaßstab gesehen ist es doch eine Schande, daß es gegen Ende des 20. Jahrhunderts eine Umweltkatastrophe in einem Ausmaß gibt, angesichts dessen wir uns überlegen müssen, inwieweit kollektive Menschenrechte auf reine Luft, die man noch ohne Gasmaske atmen kann, und auf reines Wasser eigentlich durchzusetzen wären.

1998 ist ein Jubiläumsjahr. Wir feiern das Jubiläum der Menschenrechtsdeklaration und "Fünf Jahre Menschenrechtskonferenz in Wien". Wir sollten dieses Jubiläum dem Anlaß entsprechend


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inhaltlich und mit entsprechenden Veranstaltungen begehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen.)

12.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.18

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Herr Vizekanzler und anschließend Frau Abgeordnete Tichy-Schreder haben es für notwendig gehalten, eine Äußerung der Frau Abgeordneten Gredler mißverständlich zu interpretieren. (Abg. Tichy-Schreder: Nein!)

Ich halte es daher für erforderlich, hier klar und eindeutig festzustellen: Das Liberale Forum begrüßt die Ostöffnung. Wir halten das Jahr 1989 für einen der wesentlichsten Marksteine der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wir freuen uns darüber, daß wir neue Nachbarn haben. Wir sehen die außenpolitische Aufgabe Österreichs darin, diese neugewonnenen Nachbarn in die Europäische Union zu führen.

Wir wissen um die Schwierigkeiten dieser Integration, und niemand im Liberalen Forum kommt auf die Idee, selbst den Begriff "Feinde" zu verwenden. Das, was Frau Gredler gemeint hat, ist, es wäre der größte und wirklich schwerwiegendste Fehler, in diesen neugewonnenen Nachbarn Feinde zu sehen. Das will das Liberale Forum nicht, und ich halte es für bedauerlich, wenn sowohl der Herr Vizekanzler als auch Frau Tichy-Schreder vorsätzlich, um des parteipolitischen Kleingelds willen, auf einer solchen Äußerung herumreiten. Ich hoffe, ich habe dies hiermit endgültig berichtigt. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

12.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.19

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Die Außenpolitik des Jahres 1998, deren Budget wir heute beschließen werden, wird primär natürlich auf die Präsidentschaft der Europäischen Union konzentriert sein, die Österreich im zweiten Halbjahr 1998 innehaben wird.

Der Außenminister hat es hier schon angesprochen: Die Schwerpunkte dieser österreichischen Präsidentschaft werden selbstverständlich die Beschäftigung und das Recht auf Arbeit sein, und es wird natürlich auch Schwerpunkte im Umweltbereich geben. Österreich ist ja als ein Umweltmusterland in der OECD-Reihung bekannt und hat, wie ich meine, auch als Vorbild bereits einen sehr positiven Einfluß auf die Umweltpolitik der Europäischen Union genommen. Ein weiterer Schwerpunkt wird letztendlich auch die innere Sicherheit sein, ein Thema, das jeden von uns betrifft und das jedem von uns wichtig ist.

Ich darf davon ausgehen, daß sich in der Zeit der österreichischen Präsidentschaft auch weitere Bemühungen in Richtung des internationalen Tierschutzes entwickeln werden. Es ist dem Außenminister ja in einer österreich-italienischen Initiative gelungen, den Tierschutz in den Vertrag von Amsterdam hineinzubringen und damit einen wesentlichen Schritt in bezug darauf zu setzen, daß auch in dieser Frage eine gemeinsame Initiative unternommen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich in den wenigen Minuten, die mir zur Verfügung stehen, aber darauf konzentrieren, auch die Frage der Menschenrechte anhand von drei Beispielen anzusprechen, weil das Jahr 1998 ja auch das Menschenrechtsjahr sein wird.

Ich habe in diesem Zusammenhang – und es ist sicher kein Zufall, daß ich als Behindertensprecherin meiner Partei darauf hinweise – mit großer Freude auch die Initiative des Außenministers beim Vertrag von Amsterdam begrüßt, die die Aufnahme einer Antidiskriminierungs


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klausel für Behinderte in diesen Vertrag durchgesetzt hat, die dann in weiterer Folge auch zu einer nationalen Gesetzgebung geführt hat.

Dies weist den Weg zur aktiven Antidiskriminierung behinderter Menschen und zu ihrem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Aber wir müssen in der nationalen Gesetzgebung sicherlich noch viele Schritte setzen, um in dieser Frage auch das zu erreichen, was die betroffenen behinderten Menschen unter einer Antidiskriminierung und unter einem selbstbestimmten Leben verstehen.

Frau Abgeordnete Gredler hat in ihrem Redebeitrag die Aktivitäten der "Lobby für Kinder" begrüßt. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Sie hat dann aber gesagt, daß es eine Mißachtung der österreichischen Außenpolitik sei, zur internationalen Konferenz nach Oslo "nur" einen Botschafter zu schicken. – Ich möchte gegen diese Diskriminierung eines Botschafters, der im Ausland ein außerordentlicher und bevollmächtigter Minister ist, klar Stellung nehmen und meinen, daß es doch sehr wichtig ist, was dort passiert. Wenn der Außenminister zu jeder internationalen Konferenz fahren müßte und sollte, dann wäre er hier im Parlament wahrscheinlich nie zu sehen, Frau Abgeordnete.

Ich meine, daß es doch wichtig ist, was auf dieser Konferenz passiert ist, nämlich, daß es Österreich gelungen ist, dort eine entsprechende Initiative zu setzen, ILO-Mittel für Projekte gegen Kinderarbeit umzuschichten. (Beifall bei der ÖVP.)

Da das Licht bereits zu blinken beginnt, möchte ich nur noch ganz kurz auch auf das Recht auf Sicherheit zurückkommen und auf die Initiative im Bereich der Anti-Personen-Minen verweisen. Diese Frage wurde auf nationaler Ebene – das hat Frau Abgeordnete Karlsson schon angesprochen – zwar vorbildlich gelöst, aber letztendlich kann ein nationales Gesetz in dieser Frage nur sehr bescheiden wirken. Noch wichtiger ist die außenpolitische Initiative. Und da ist es vor allem dem österreichischen Außenminister und seinen Beamten zu verdanken, daß bereits viele Schritte in diese Richtung gesetzt wurden. (Beifall bei der ÖVP.)

Aufgrund dieses österreichischen Beschlusses und auf österreichische Initiative kam die gemeinsame Aktion der Europäischen Union am 1. Oktober 1996 zustande und wurde ein Text für das Totalverbot von Anti-Personen-Minen zweimal weltweit bilateral konsultiert.

Es hat natürlich auch wesentlich zum Lobbying beigetragen, daß im Februar 1997 eine internationale Expertenkonferenz in Wien stattgefunden hat, an der 111 Länder teilgenommen haben, und daß derzeit von Österreich ein internationales Lobbying für die Konferenz in Ottawa im Dezember 1997 stattfindet, was hoffen läßt, daß mehr als 100 Staaten diese Initiative unterzeichnen werden.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß diese Initiative aber nur dann Erfolg haben wird, wenn es uns auch gelingt, die Produzentenländer, nämlich China und die Russische Föderation, davon zu überzeugen, daß dieses Totalverbot von Anti-Personen-Minen auch greift.

Ich denke, daß es auch wichtig ist, österreichische Hilfe anzubieten, etwa beim Entminen und bei der Ausbildung von Entminern. Es war letztendlich eine österreichische Firma, nämlich die Firma Schiebel, die hervorragende Geräte dafür entwickelt hat.

Gerade diese Initiative ist meiner Ansicht nach ein hervorragendes Beispiel dafür, wie auch ein kleines Land wie Österreich mit einem intensiven Einsatz seines Außenministers international sehr viel erreichen kann! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bevor ich als letzter Rednerin in dieser Debatte Frau Abgeordneter Jäger das Wort erteile, möchte ich folgendes festhalten:

Ich habe mich soeben anhand des Protokolls davon vergewissert, daß im Laufe dieser Debatte Herr Abgeordneter Wabl in Richtung des Herrn Abgeordneten Dr. Khol folgende Formulierungen


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verwendet hat: "Sie unverschämter Diffamierer!", und mich und das Präsidium apostrophierend hat er weiter gesagt: "Wenn er lügt, dann werde ich einen Zwischenruf machen können!".

Herr Abgeordneter Wabl! Ich erteile Ihnen für diese Formulierungen einen Ordnungsruf.

Zu Wort gemeldet ist jetzt Frau Abgeordnete Jäger. – Bitte. (Abg. Wabl: Man darf alles tun, überhaupt kein Problem! Die ungeheuerlichsten Sachen! Die Sprachpolizei im Haus funktioniert! – Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Grünen. – Unruhe im Saal.)

12.26

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die indische Ökonomin Vandana Shiva hat die Aussage gemacht, daß unsere Welt nur dann Zukunft hat, wenn sich drei Ökonomien die Waage halten: erstens die Ökonomie der Ökologie, das heißt die Naturkreisläufe, die Erhaltung der Natur, zweitens die Ökonomie des Lebens, das sind die Lebensbedingungen und alles, was mit der Erziehung der Kinder, mit der Altenbetreuung und so weiter zu tun hat, und drittens die Ökonomie des Marktes.

Sie sagt weiters, daß sich diese Ökonomie des Marktes derzeit auf Kosten der anderen beiden Ökonomien ausweitet. In bezug auf die Ökonomie der Ökologie muß man einfach feststellen, daß die letzte Klimakonferenz gezeigt hat, daß sich in den USA die Öl-Lobbyisten wieder gegen die Stimme der Vernunft durchgesetzt haben. Ich sehe auch das Staudammprojekt am Jangtsekiang als Problem für die letzten Naturreserven.

Zur Ökonomie der Lebensbedingungen. Der Armutsbericht 1997 der Vereinten Nationen zeigt ganz klar, daß die Ausrottung der Armut ein erreichbares und auch finanzierbares Projekt ist und daß etliche Länder darin bereits große Fortschritte gemacht haben. So haben zum Beispiel China und 14 andere Länder in weniger als 20 Jahren die Armut um die Hälfte reduzieren können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist daher ein Skandal, daß auf der einen Seite der Reichtum zunimmt, daß die Zahl der Milliardäre und Billiardäre im Steigen ist – so ist etwa die Zahl der Billiardäre von 1989 bis 1996 von 157 auf 447 angestiegen –, während auf der anderen Seite die Armut tatsächlich erschreckend zunimmt. Das gilt es zu bekämpfen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als bedrohlich empfinde ich auch die Zunahme der Armut in Osteuropa. So hat zwischen 1989 und 1997 die Armut in Osteuropa um 25 Prozent zugenommen. Es sind dort Entwicklungen wie in Lateinamerika zu beobachten. Ich denke, die Menschen in Osteuropa haben sich von der freien Marktwirtschaft etwas anderes erwartet. Sie haben sich vor allem fairere Lebensbedingungen erwartet.

Diese Entwicklung in Osteuropa zeigt ganz klar, daß ein sozialer Ausgleich nur dann funktioniert, wenn staatliche Strukturen diesen Ausgleich schaffen. Und das ist für unsere Debatte wichtig, denn wenn es uns nicht gelingt, in Zeiten einer EU-Osterweiterung die Frage der Armutsbekämpfung in den Mittelpunkt dieser Diskussion zu stellen, dann wird auch die Osterweiterung nicht in dem Ausmaß gelingen, wie wir uns das vorstellen. Das heißt, das Augenmerk muß auf die Anhebung der Sozial- und Umweltstandards in Osteuropa gelegt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Minister hat angesprochen, daß die Entwicklungszusammenarbeit auch für die EU ein ganz wichtiger Bereich ist. Generell muß allerdings festgestellt werden, daß diese weltweit im Sinken begriffen ist. Daß heißt, die OECD-Staaten sind auf 0,25 Prozent des BIP gesunken, und das ist das niedrigste Niveau seit 1950.

Nun ist mir schon klar, daß es nicht allein die Entwicklungszusammenarbeit ist, die die Armutsbekämpfung in den Ländern des Südens bedingt, daneben muß auch ein vermehrtes Augenmerk auf die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit diesen Ländern gelegt werden. Und auch in diesem Bereich ist die EU wiederum gefordert. Die realen Rohstoffpreise der neunziger Jahre sind um 45 Prozent niedriger als in den achtziger Jahren. Und es ist auch so,


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daß durch die Ausfuhr von subventionierten Agrarprodukten aus der EU in die Entwicklungsländer die landwirtschaftliche Eigenproduktion nachhaltig erschwert wird.

Der Reality-of-Aid-Bericht der NGOs zeigt die wirtschaftlichen Probleme auf, die es im Zuge der Subventionierung von Stieren mit 10 000 S pro Stück von seiten der EU gegeben hat. Eine Diskussion darüber hat es nur in bezug auf Tierquälerei gegeben. Aber das hat noch eine andere Dimension. Durch den Import dieses billigen Rindfleisches ist für die südafrikanische Wirtschaft ein Schaden in der Höhe von 95 Prozent der jährlichen Hilfe, die die EU für Südafrika leistet, entstanden.

Gerade im Zuge des Lomé-Abkommens muß auf diese Frage großes Augenmerk gelegt werden. Und ich denke, wenn es die Europäische Union nicht schafft, die Agrarsubvention für den Agrarmarkt einzuschränken, dann wird es weder im Falle von Osteuropa noch auch im Zuge der Entwicklungszusammenarbeit gelingen, gerechte weltwirtschaftliche Handelsbeziehungen und auch gerechte Bedingungen für die Menschen im Süden zu schaffen.

In diesem Sinne denke ich mir, daß eine wichtige Forderung die Reformierung, die Demokratisierung des Europäischen Parlaments und auch die Reformierung der Strukturen innerhalb Europas ist, um sozusagen auch weltweit eine gerechte Handelsbeziehung herstellen zu können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin begehrt kein Schlußwort.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen über die Beratungsgruppe III des Bundesvoranschlages für das Jahr 1998 ab. Diese umfaßt das Kapitel 20 des Bundesvoranschlages in 841 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Diese Beratungsgruppe ist angenommen worden.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, daß die Abstimmung über den Entschließungsantrag, der im Rahmen dieser Debatte eingebracht wurde, sogleich erfolgt.

Besteht dagegen ein Einwand? – Ich nehme an, daß kein Einwand besteht, daher gehen wir so vor. (Abg. Dr. Kostelka: Es wird keiner erhoben! – Abg. Dr. Khol: Es wird keiner erhoben!)

Ich lasse über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Genossen betreffend Klärung der offenen Probleme zwischen Slowenien und Österreich vor dem Beitritt der Republik Slowenien zur Europäischen Union abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt. (Abg. Dr. Khol: Nicht einmal der Haider ist dafür! – Haupt, Haider und Stadler sind nicht dafür!)

Beratungsgruppe IX

Kapitel 63: Handel, Gewerbe, Industrie, Fremdenverkehr

Kapitel 64: Bauten und Technik (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zur Verhandlung über die Beratungsgruppe IX: wirtschaftliche Angelegenheiten.


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Auch da wurde auf die mündliche Berichterstattung verzichtet.

Wir gehen daher sofort in die Debatte ein.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

12.36

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wenn man aus der Sicht der Opposition über Wirtschaftspolitik in diesem Haus spricht, dann leeren sich die Abgeordnetensitze der Regierungsparteien ungefähr so, wie sich das Budget leert, wenn man nach Wirtschaftsimpulsen in diesem Budget sucht, Herr Minister! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Wo ist der Haider?) – Der Wirtschaftssprecher ist am Wort, und Ihre Abgeordneten sind weg, Frau Fekter! (Abg. Dkfm. Stummvoll: Wir sind da! Haider ist nicht da!)

In einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit steigt und die Wirtschaftsimpulse fehlen, Frau Ministerin Fekter ... – Waren Sie schon einmal Ministerin für Wirtschaft oder Staatssekretärin? – Das weiß ich jetzt nicht mehr. (Abg. Dr. Fekter: Ich war nicht Minister!) Das erinnert mich an einen Häuslbauer, der im Herbst in sein Haus zieht und draufkommt, daß keine Heizung vorhanden ist, und daraufhin das Dach abdeckt. So ähnlich kommt mir das Kapitel Wirtschaft in diesem Budget vor, Frau Fekter! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber diese Budgetpolitik ist so wie die Genossenschaftspolitik: von Löcher stopfen zu Löcher stopfen. Wir lesen es täglich in den Zeitungen. Und da muß ich Ihnen sagen, Herr Minister – ich hoffe, Sie sind mir deshalb nicht böse –: Ich habe am Anfang gesagt, Ihre Erfahrung im Milchwirtschaftsfonds wird sich möglicherweise auf die Privatwirtschaft nicht positiv auswirken. Aber daß sie sich so stark auf die Milchwirtschaft auswirkt, das hätte ich mir nicht erwartet. Denn die Milliardenverluste, die wir derzeit dort haben, entsprechen ungefähr unserem Budgetdefizit.

Meine Damen und Herren! Von ausgabenseitiger Budgetsanierung kann sowieso keine Rede sein. Und da möchte ich einmal bei den letzten Jahren, also nach 1990 einhaken. Die Staatsausgaben und -abgaben sind um 57 Prozent beziehungsweise 53 Prozent gestiegen. Das BIP ist um 43 Prozent gestiegen. Alle, die in der Privatwirtschaft tätig sind, wissen, was das heißt. Das heißt, daß der Umsatz des Unternehmens weniger gestiegen ist als die Abgaben und die Verwaltungskosten. Wenn wir das in der Wirtschaft auch so gemacht hätten, dann, kann ich dazu nur sagen, gäbe es heute keine Privatwirtschaft mehr. Aber so schaut das Budget aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Seit 1995, als die Sache schon sehr kritisch war, sind die Abgaben um 15 Prozent gestiegen, die Ausgaben um 10 Prozent und das BIP wieder nur um 9 Prozent. Sie haben also aus der ersten Hälfte der neunziger Jahre nichts gelernt. Die Abgabenquote ist von 1990 bis 1995 immerhin von 40,9 Prozent auf 43,8 Prozent gestiegen. Interessant dabei ist, daß 75 Prozent aufgrund von Steuererhöhungen hereingekommen sind und letztlich nur ein Viertel für Sozialversicherungsbeiträge aufgewendet wurde. Das läßt tief blicken.

Im Wirtschaftsausschuß hat sich das dann so dargestellt: Man hat gesagt, eine Runde zum Budget darf gefragt werden, die Opposition hat eine Runde, aber nach dieser ist es vorbei. Dann beginnt im Prinzip die Plauderstunde des Ministers, und dann gibt es nichts mehr aus der Sicht der Wirtschaft zum Budget zu sagen. Aus! Ende der Debatte! Debatten sind keine zu führen, wenn schon, dann am besten hier, wo man der Opposition nicht zuhört. Solche Debatten führen Sie hier, aber im Wirtschaftsausschuß lassen Sie keine zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Dafür haben Sie im Budget die öffentlichen Investitionen um 27 Prozent gekürzt, also auf einen All-time-low-Tiefstand gebracht. Und das nennen Sie Beschäftigungs- und Wirtschaftsförderung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben ein strukturelles Budgetdefizit von 2,5 Prozent bis 3 Prozent, meine Damen und Herren! Bei der ersten Konjunkturdelle erreichen Sie die Maastricht-Kriterien nicht mehr.


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Das heißt, Sie haben keine Wirtschaftsimpulse, Sie haben kein strukturelles Budget gelegt, sondern Sie warten auf Godot. Nichts anderes machen Sie. Daher wollen Sie auch keine Debatte im Wirtschaftsausschuß, sondern eine Plauderstunde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn man im Ausschuß Vorhalte macht und sagt, wir sind in Österreich Schlußlicht bei der Liberalisierung, wir sind Schlußlicht beim Wettbewerb, dann sagen Sie, daß Sie der große Wettbewerbshüter in Brüssel sind. Sie schaffen die Kartelle ab. – Brüssel zwingt uns, die Kartelle abzuschaffen. Sie schaffen gar nichts ab. Sie schaffen bestenfalls mit diesem Budget Arbeitsplätze ab, aber sonst nichts! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir sprechen über das Kapitel Forschung und Entwicklung seit Jahren und sagen: Schauen Sie sich das in anderen Ländern an! Wie schaut es dort mit der Forschung und Entwicklung aus? – Darauf sagen Sie doch allen Ernstes im Wirtschaftsausschuß: Internationale Vergleiche sind nicht zielführend. Ich habe geglaubt, ich träume. Was ist dann bitte zielführend?

Sie fragen in demselben Wirtschaftsausschuß: Wo bringen wir eigentlich unsere Forschungs- und Entwicklungsgelder unter? – Diese braucht niemand in Österreich, wir haben keine Nachfrage. – Herr Minister! Gehen Sie doch zur Biochemie nach Kundl. Gehen Sie doch zu Herrn Direktor Leitner und fragen Sie ihn, wie die Firma Novartis in Europa Forschungs- und Entwicklungsgelder beansprucht, wieviel sie bekommt und wieviel sie in Österreich nicht bekommt. Er sagt, daß wir bei der Zuteilung von Forschungs- und Entwicklungsgeldern Schlußlicht sind. Gehen Sie zu Direktor Leitner, und halten Sie keine Plauderstunden im Wirtschaftsausschuß ab! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber ich verstehe das natürlich. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Wenn man immer im geschützten Bereich arbeitet, Frau Abgeordnete, und wenn sich die Kammerfunktionäre als Wirtschaftsminister die Hand geben, dann darf man sich nicht wundern. Das verstehe ich schon. Daher können Sie wahrscheinlich auch mit dem Wort "Globalisierung" wenig anfangen, obwohl ich es Ihnen, Herr Minister, intellektuell zutrauen würde. Aber irgendwie haben Sie hier eine Barriere, und da nützen auch die Besuche bei den Handelsdelegierten nichts.

Aber reden wir über die Belastung der Arbeitskosten. Sie sagen, die Belastung der Arbeitskosten sei eigentlich kein Problem. Die Belastung der Arbeitskosten ist deswegen kein Problem, weil die Lohnstückkosten wichtig sind. Sie tun so, als ob es den ganzen Bereich Dienstleistungen nicht gäbe, obwohl Sie vor einem Jahr noch gesagt haben, Österreich ist als Dienstleistungsmarkt ein Entwicklungsland. Da habe ich mir gedacht, schau, der Minister nennt endlich das Kind beim Namen. Und jetzt verwässern Sie wieder alles, indem Sie sagen, die Belastung von Arbeitskosten ist nicht das Kriterium, sondern es sind die Lohnstückkosten.

Ich muß Ihnen sagen: Schon wieder haben Sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Und Sie sind in Folge der dritte Minister, der es zuläßt, daß die Arbeitskosten ständig steigen, und haben eigentlich auch in den letzten Monaten keine Zeichen gesetzt, wie diese zu reduzieren sind.

Dann sagen Sie weiters in diesem Ausschuß, Herr Minister: Die Bürokratie ist zurückgegangen. Stellen Sie sich einmal vor, die Betriebsanlagengenehmigungen dauern jetzt nur mehr drei Monate. Die "Junge Wirtschaft" – ich glaube, diese steht der ÖVP nahe, wenn ich richtig informiert bin (Abg. Haigermoser: Gehört ihr sogar!) –, hat eine Ausarbeitung gemacht, und in dieser Ausarbeitung wurde auf das Bundesland genau die Dauer von Genehmigungsverfahren erhoben. In der Steiermark dauert es 304 Tage; wenn ich richtig rechnen kann, sind das zehn Monate und nicht drei. Die besten Länder, Oberösterreich und Salzburg, haben fünf Monate.

Herr Minister! Nennen Sie doch das Kind beim Namen! (Abg. Zweytick: Das ist schon lange her, Herr Kollege!) Beschönigen Sie nicht ständig! Sie werden sonst den Umdenkprozeß nur verhindern und kein Betreiber sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dann sagen Sie zur E-Wirtschaft, bei der nichts weitergeht ... (Abg. Dr. Puttinger: Alles verschlafen Sie!) Herr Kammerfunktionär Puttinger! Die Standortnachteile in Österreich sind eigentlich der Grund dafür, daß ... (Abg. Dr. Puttinger: Wir haben eine Gewerbeordnung! Sie ver


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schlafen alles!) – Mit dieser Gewerbeordnung können Sie sich verstecken, die können Sie nächstes Jahr wieder reformieren, das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Standortnachteile der E-Wirtschaft sind wohl der größte Witz. Wir haben den höchsten Anteil an Wasserkraft, und Sie reden von Standortnachteilen. Die Standortnachteile sind vorhanden, weil Sie Ihren parteipolitischen Funktionären Jobs über Jobs in den Gesellschaften zuschanzen, bis die Personalkosten ein solches Maß erreicht haben, daß auch das Wifo und Herr Breuss nicht mehr zurückkönnen und sagen, 15 bis 20 Milliarden Schilling müssen eingespart werden, sonst werden die Energiegesellschaften in Österreich Konkurs anmelden können. Das schreibt er in den Berichten, und Sie sagen, unser Nachteil ist unser Standort, obwohl wir so viel Wasser haben.

Aber auch bei den Klein- und Mittelbetrieben ist es nicht viel anders. Sie werden erleben, daß wir bei den Klein- und Mittelbetrieben gerade aufgrund dieser Entwicklung auf dem Energiesektor enorme Probleme bekommen werden, weil diese sich im Unterschied zu den Großen nicht helfen können und natürlich die Rechnung zu bezahlen haben. Im Endeffekt ist das beim Haushalt genauso wie beim Telefon.

Damit bin ich beim nächsten Punkt. Herr Minister! Sie haben eigentlich nichts getan, um Ihrem Kollegen Einem im Verkehrsministerium bei der Telekom-Privatisierung auf die Sprünge zu helfen. Es wäre doch zumindest Ihre Aufgabe gewesen, daß Sie nicht nur der Proporzregierung gegenüber Räson zeigen, sondern auch Wirtschaftsinteressen vertreten und Ihrem Herrn Minister Einem auf die Sprünge helfen, damit nicht eine solche Tarifreform, wie sie jetzt vorliegt, kommt. Auf der anderen Seite wird auch noch eine Privatisierung durch Ihren Vorgänger Ditz hintertrieben, damit bei der Post möglichst alles so bleibt, wie es ist. Hauptsache, die Privaten nehmen uns die Briefe und Pakete weg, damit diese Form der Privatisierung stattfindet. Wir schicken 8 000 Postler in die Frühpension beziehungsweise schieben 114 Milliarden Schilling Schulden bei der Post ewig vor uns her, weil nichts privatisiert wird.

Welche Folgen hat das? – Der Dienstleistungsbereich, den Sie auch immer schmählich vernachlässigt haben, gerade auf dem Telekom-Sektor, ist in Österreich ein Stiefkind. Dort wäre seit Jahren ein Wachstumspotential für Arbeitskräfte gewesen, aber auch das wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen.

Herr Minister! Als Sie angetreten sind, haben Sie gesagt, Sie wollen nichts mehr werden. Das einzige, was Sie wollen, sei, Spuren zu hinterlassen. Dazu muß ich Ihnen sagen, Spuren haben Sie hinterlassen. Das ist Ihnen gelungen. (Abg. Haigermoser: Staub aufwirbeln!) Wir sind Schlußlicht beim Wachstum, die Steuern steigen von Monat zu Monat, wir kommen von einem Höchststand zum anderen, wir haben uns in den internationalen Wettbewerbspositionen verschlechtert, und die Arbeitslosigkeit steigt.

Ich habe bei Ihrem Antritt gesagt, ein Mann mit Ihrer Erfahrung ist die schlechteste Wahl. Vielleicht war das sehr direkt, vielleicht war das nicht sehr freundlich, aber es war sehr richtig. Vielleicht sollten Sie aus dieser Richtigkeit letztendlich die Konsequenzen ziehen, denn ich glaube, auch die größten Skeptiker Ihrer Person haben mit einer solchen Entwicklung und mit einem solchen Budget 1998 aus der Sicht des Kapitels Wirtschaft nicht gerechnet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Sauer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen. (Abg. Haigermoser: Minister werden, ist nicht schwer, Minister sein dagegen sehr!)

12.47

Abgeordneter Willi Sauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter Prinzhorn hat behauptet, daß der Milchwirtschaftsfonds in der letzten Zeit sehr viel an Defizit eingefahren hat. (Abg. Haigermoser: Milchwirtschaftsfonds!)


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Ich berichtige tatsächlich: Es gab in den letzten Jahren keinen Milchwirtschaftsfonds mehr, und daher kann er kein Defizit einfahren. (Abg. Haigermoser: Milchwirtschaftsfonds! – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn. ) Ich bitte, das im Protokoll nachzulesen, Herr Kollege Prinzhorn! (Beifall bei der ÖVP.)

12.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.48

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ludwig Erhard hat einmal gesagt, daß die Wirtschaft zu 50 Prozent aus Psychologie bestünde. Das dürfte Herrn Abgeordneten Prinzhorn völlig entfallen sein, denn wenn seine Vorstellungen Realität wären, dann würde es der Wirtschaft katastrophal gehen und Österreich wäre ein furchtbares Land.

Herr Abgeordneter Prinzhorn! Sie haben am 23. April 1996 gesagt, daß sich die Regierung spätestens 1997 in Neuwahlen flüchten wird. Bald ist das Jahr 1997 zu Ende – von Neuwahlen ist keine Rede!

Aber ich möchte nicht nur zu Ihnen, Herr Abgeordneter Prinzhorn, sondern allgemein zu den Oppositionsparteien noch etwas sagen. (Abg. Haigermoser: Das glaube ich Ihnen schon, daß Sie nicht wählen wollen! Das hat einen eindeutigen Grund!) Es freut mich, daß Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner gerade bei der Tür hereingekommen ist, er hat also wieder etwas Zeit für das Plenum.

Sie haben am 21. März 1996 in Ihrer Budgetrede gesagt, daß die Wirtschaftswachstumsdaten überhaupt nicht stimmen, daß das Budget 1997 von ganz falschen Voraussetzungen ausgeht. Sie haben wörtlich gesagt, von 1,6 Prozent werde gesprochen, dabei werden es maximal 1,2 Prozent sein, all das stimme nicht. – All das ist unrichtig, Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. (Abg. Dr. Haselsteiner: Ich habe im Ausschuß gesagt, daß ich lernfähig bin im Gegensatz zu Ihnen! Ein Liberaler lernt dazu, ein Schwarzer nicht! Das ist das Problem!) Das freut mich, aber Sie sind nicht ganz lernfähig, weil Sie gerne etwas unterstellen, und das mache ich nicht. Unterstellungen sind das letzte, was ich hier vornehme, ich bringe nur Tatsachen.

Aber auch Herr Professor Van der Bellen hat sich bei seiner Prognose bezüglich des Wirtschaftswachstums und der Budgetsituation geirrt. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und dem Liberalen Forum.) Daran zeigt sich eindeutig, wie notwendig es ist, daß die Bundesregierung die richtigen Daten kalkuliert und auch nach diesen vorgeht und daß sich die Wirtschaft, Herr Abgeordneter Prinzhorn, auf die Daten der Bundesregierung verlassen kann.

Eines zeigt sich ganz deutlich: daß das Bruttoinlandsprodukt, das Wachstum 1996 um 1,3 Prozent gestiegen ist. 1997 lautet die Prognose auf 1,6 Prozent. 1996 waren es dann 1,6 Prozent, und für 1998 werden 2,5 Prozent prognostiziert.

Meine Damen und Herren! Worauf wird das zurückgeführt? – Das wird – in den heutigen Tageszeitungen steht zu lesen, daß das Wirtschaftsforschungsinstitut darauf hingewiesen hat – auf die starke Exportentwicklung der österreichischen Wirtschaft zurückgeführt. Das heißt, meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Prinzhorn, daß sich die Exporte von 1993 bis 1996 um 31 Prozent erhöht haben, also von 467 Milliarden auf 612 Milliarden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Weiters, Herr Abgeordneter Mag. Peter, hat sich seit dem Beitritt zur Europäischen Union die Zahl der Exporteure verdoppelt. Natürlich – und das hat die Bundesregierung immer gesagt – schaffen die Wirtschaftstreibenden die Arbeitsplätze. Da sind wir einer Meinung. Aber die Rahmenbedingungen schaffen die Regierung und wir hier im Parlament. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Was ist das für eine Regierung?)

Meine Damen und Herren! Schauen wir uns den Halbjahresvergleich von 1997, also das erste Halbjahr, an. (Abg. Haigermoser: Die Rahmenbedingungen fehlen bei der Lehrlingsausbildung, bei diesem Paragraphen!) – Herr Abgeordneter Haigermoser! Sie haben die Möglichkeit, später


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hier zu sprechen. Ich möchte Ihnen folgendes sagen, Herr Abgeordneter Haigermoser: Die Exporte haben sich im ersten Halbjahr um 9 Prozent erhöht und die Importe nur um 7 Prozent. Das zeigt, wie stark die österreichische Wirtschaft gewachsen ist! (Abg. Haigermoser: Solche Reden sind nicht einmal in der Panik vor der Wende gesprochen worden!) Herr Abgeordneter Haigermoser! (Abg. Haigermoser: Sie sollten in die Hauskapelle gehen und nicht zum Rednerpult!)

Herr Abgeordneter Haigermoser! Ich weiß, wirtschaftliche Fakten passen Ihnen nicht. Aber vielleicht paßt Ihnen folgendes Faktum: Herr Abgeordneter Prinzhorn! Sie haben die Firma Novartis aus Tirol angesprochen, und Sie haben gesagt, daß es zuwenig Investitionen in Österreich gäbe. Am Samstag gab es die Eröffnung eines neuen Werkes mit einer Investition in der Höhe von 200 Millionen Schilling. Welche Begründung gab es dafür, daß der Standort Österreich gewählt worden ist, Herr Abgeordneter Prinzhorn? – Es wurde explizit von der Firmenleitung herausgestrichen, daß der Standort Österreich deshalb gewählt wurde, weil das Betriebsanlagenrecht, das wir hier im Haus verabschiedet haben, ermöglichte, daß alle notwendigen Bewilligungen innerhalb von drei Monaten erteilt worden sind. Zweitens wurde angeführt, daß die Ausbildung unserer Mitarbeiter hervorragend ist, und weiters wurde bei der Eröffnung dieses Werkes von der Geschäftsleitung ganz explizit erwähnt – Herr Abgeordneter Prinzhorn, das wird Sie vielleicht stören –, daß der Strompreis in Tirol so günstig ist, und aus diesem Grund Österreich beziehungsweise Tirol als Standort gewählt wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es hat sich aber auch, entgegen den Unkenrufen der Opposition, auf dem Beschäftigungssektor etwas getan. 1986 hatten wir 2,780 Millionen unselbständig Beschäftigte, die Prognose für 1997 lautet auf 3,045 Millionen. (Abg. Böhacker: Teilzeitbeschäftigte sind da dabei!) Momentan haben wir 3,1 Millionen. Herr Abgeordneter! Selbstverständlich sind auch Teilzeitbeschäftigte dabei. (Abg. Böhacker: Vergleichen Sie nicht Äpfel mit Birnen!) Aber im Verhältnis zu anderen Staaten hat Österreich noch immer zuwenig Teilzeitbeschäftigte. Herr Abgeordneter Böhacker! Sie müssen auch auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. (Abg. Böhacker: Teilzeitbeschäftigung ist ja nichts Schlechtes! Aber sagen Sie einmal die ganze Wahrheit!) Nicht alle wollen vollzeitbeschäftigt sein!

Noch etwas, Herr Abgeordneter Böhacker: Aufgrund der neuen Gesetzgebung, die wir erwirkt haben, werden wir die Zahl der Selbständigen erhöhen, wir werden neue selbständige Existenzen schaffen. Dies soll uns die Möglichkeit geben, die Veränderungen im Rahmen der Globalisierung ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Selbstverständlich gibt es bereits die neuen Selbständigen. Sie wissen das auch, Herr Abgeordneter Peter! Vielleicht sind Sie zu oft im "Weißen Rößl" und daher zuwenig bei anderen Wirtschaftstreibenden und neuen Selbständigen, die es sehr begrüßen, daß wir hier nicht nur Möglichkeiten, sondern auch sehr viele neue Arbeitsplätze schaffen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Peter: Ein schöner Platz!)

Noch immer sind wir mit der Arbeitslosenrate nicht zufrieden. In diesem Bereich muß sich noch einiges tun. (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie sitzen im Elfenbeinturm!) Aber, Herr Abgeordneter Haselsteiner! (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie haben Scheuklappen!) Herr Abgeordneter Haselsteiner! Ich bin bei meinem letzten Treffen Ihren Geschäftsführern begegnet. (Abg. Haigermoser: Wen haben Sie noch getroffen?) Sie waren dort weniger anzutreffen. Ich sitze also absolut nicht im Elfenbeinturm, Herr Abgeordneter Haselsteiner! (Abg. Dr. Haselsteiner: Ich weiß gar nicht, ob ich meine Geschäftsführer Ihrem Einfluß aussetzen darf!) Herr Abgeordneter! Das haben Sie zu entscheiden. Aber Sie und Ihre Vorstandsmitglieder brauchen vielleicht meine Unterstützung bei verschiedenen Gesprächen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich stehe viel mehr im geschäftlichen Leben, als Sie glauben, denn im Gegensatz zu manchen anderen bin ich praktizierende Unternehmerin (Abg. Mag. Peter: Das freut uns und ehrt Sie!), und aus diesem Grund bin ich auch morgen nicht hier. (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie sind auch die einzige in Ihrer Partei!) Nein, nein, wir haben etliche. Unterstellen Sie mir daher nicht, daß ich im Elfenbeinturm lebe. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Was möchte ich mit diesen kurzen Anmerkungen hier aussagen? – Ich möchte einen Satz unseres Landeshauptmannes Wendelin Weingartner zitieren, der da


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lautet: Besinnen wir Österreicher uns auf unsere Stärken, nutzen wir unsere Chancen und überlassen wir unser Land nicht den Jammerern und Zauderern der Opposition! (Beifall bei der ÖVP.)

12.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.57

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Der "Jammerer und Zauderer" Helmut Peter meldet sich zum Dienst. (Abg. Dr. Schwimmer: Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung!) Hohes Haus! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Neben der rosaroten Statistikakrobatik meiner Vorrednerin und dem wütenden Sturmlauf des Herrn Prinzhorn muß es doch noch einen Mittelweg geben. Ich werde versuchen, diesen zu gehen.

Die Wolken lichten sich, Herr Minister! Gott sei Dank lichten sich die Wolken. Österreich hat bezüglich des Wirtschaftswachstums lange genug am Ende der Europäischen Union verharrt. Wir haben eine neue Dynamik im österreichischen Wachstum. Freuen wir uns einmal darüber, meine Damen und Herren! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir erleben vor allem im Export eine Entwicklung, die ausgesprochen positiv ist. Wir alle wissen, daß diese nicht zuletzt aufgrund der Bewältigung des Strukturwandels in der Industrie, aber vor allem auch aufgrund der Währungsabwertung des Schillings ermöglicht worden ist. Wir sind wieder konkurrenzfähiger geworden. Das ist eine erfreuliche Sache. Und ich verstehe schon, daß die Bundesregierung versucht, das auf ihre Exportoffensive zurückzuführen, die noch nicht einmal stattgefunden hat. Das haben wir aber bei einer letzten Debatte schon ausdiskutiert.

Die Beschäftigung in der Produktion sinkt aber weiter. Und unser Problem ist, daß die Arbeitslosigkeit trotz Wirtschaftswachstum weiter steigt. Frau Präsidentin! Ich bin ganz Ihrer Ansicht, wir müssen neue Beschäftigungsfelder finden, und diese werden in den Klein- und Mittelbetrieben zu suchen sein. Aber jetzt diskutieren wir ernsthaft, Frau Präsidentin! (Abg. Tichy-Schreder: Ja!) Gerade in den Klein- und Mittelbetrieben ist die Auslese nach wie vor beinhart, die Insolvenzwelle in der Großindustrie, bei den Großbetrieben ist gestoppt, aber es gibt nach wie vor eine große Zahl an Insolvenzen bei den Klein- und Mittelbetrieben. Die Rahmenbedingungen haben sich dort in den letzten Jahren nicht verbessert, das muß auch der Herr Wirtschaftsminister zugeben. Sie haben sich durch Sparpakete, durch Strukturanpassungspakete weiter verschärft. Das Beschäftigungspotential in der persönlichen Dienstleistung konnten wir bisher nicht ausnützen, weil die Rahmenbedingungen dazu nicht ausgereicht haben.

Herr Bundesminister! Was mich am meisten betroffen macht, wenn ich Ihr Budget durchlese und Ihre Äußerungen sehr interessiert und sehr kritisch verfolge, ist, daß ich wenig davon merke, daß Sie es verstanden und in Politik umgesetzt haben, daß wir am Eingang zur digital economy stehen. Die digitale Wirtschaft – ich habe es gleich für dich, Holger, übersetzt – wird völlig neue Formen des Wirtschaftens bringen, und sie wird vor allem auch eine Vielzahl von Zwischenhändlern, eine Vielzahl von alten Branchen aus dem Markt drängen. (Abg. Haigermoser: Kostet der Apfelstrudel noch immer 90 S auf der Terrasse?)

Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt die Frage des Herrn Haigermoser gehört. Er fragt immer, was der Apfelstrudel kostet. Er hat mir diesmal 90 S angeboten. Ich glaube, wir haben diese Qualität von Zwischenrufen jetzt beendet und versuchen, uns weiter sachlich auseinanderzusetzen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Haigermoser: Du weißt noch immer nicht, was der Apfelstrudel kostet! Mich interessiert das einfach!) Ich will eigentlich darauf nicht antworten. Es macht mir keinen Spaß.

Diese digital economy wird eine völlig neue Form des Wirtschaftens finden, die wir noch politisch antizipieren müssen, Herr Bundesminister, in die Rahmenbedingungen, die wir hier vorfinden, einbauen müssen – neue Produktivitäten, neue Kosten, wesentlich neue Dienstleistungen und vor allem neue produktive und Produktionsformen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)


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Wir erleben jetzt – heute schon und in der Zukunft – den Wegfall vieler Zwischenhändler, ob das die Retailer im Reisebürobereich sind oder ob es den Buchhandel betrifft. Sie wissen doch sicherlich, daß heute der größte Autohändler in Amerika nicht mehr irgendeine Firma ist, die eine große Ausstellungsfläche hat, sondern der größte Autohändler ist Microsoft, der über ein Programm im Internet 20 Prozent der Autos in Amerika verkauft. All das sind Wandlungen in der Wirtschaft, aber ich sehe in Ihrer Politik, Herr Wirtschaftsminister, keine Antworten darauf. Ich sehe nicht, daß Sie zukunftsweisend nach vorne gehen und den Wandel in der Wirtschaft, der ohne Sie und mit Ihnen stattfinden wird, befördern. Ganz im Gegenteil, unser Problem ist: Die Antworten, die diese Bundesregierung auf die Veränderungen des Wirtschaftens gibt, sind die Antworten der Industriegesellschaft, die Antworten der Blue-collar-Worker. Aber diese Industriegesellschaft ist im Auslaufen begriffen. Das macht mich stutzig, das macht mich betroffen.

Ich werde mir erlauben, Ihnen zwölf Punkte einer Partei innerhalb der Europäischen Union vorzulesen, und Sie dürfen raten, welche politische Partei diese zwölf Punkte zu den Eckpunkten ihrer Modernisierungs- und Reformpolitik gemacht hat.

Erstens: Wir werden unternehmerischen Geist und unternehmerische Tatkraft überall ermutigen und fördern.

Zweitens: Wir werden die Modernisierung und die überfälligen Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft rasch und entschlossen anpacken.

Drittens: Wir werden uns für ein handlungsfähiges Europa einsetzen.

Viertens: Wir werden mit Vorrang die innovativen Kräfte in Wissenschaft, Technik, Bildung und Weiterbildung mobilisieren.

Fünftens: Wir werden den Faktor Arbeit entlasten. (Beifall der Abg. Dr. Gredler. )

Sechstens: Wir werden den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren wieder stärker zur Geltung bringen. – Hayek wird im Ausland zitiert. Bei uns wird Hayek nicht zitiert. Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren ist eine der klassischen Thesen von Friedrich August von Hayek.

Siebtens: Wir werden den öffentlichen Sektor mit Nachdruck modernisieren.

Achtens: Wir werden unsere sozialen Sicherungssysteme an die veränderte Organisation der Arbeitswelt anpassen.

Neuntens: Wir werden Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren.

Zehntens: Wir werden Vermögensbildung bei unselbständig Beschäftigten mit Nachdruck fördern.

Elftens: Wir werden dafür sorgen, daß mehr Menschen von personenbezogenen Dienstleistungen leben können.

Zwölftens: Wir werden die wirtschaftlichen Entwicklungspotentiale, die in ökologisch nachhaltigen Produkten und Verfahren liegen, nach Kräften unterstützen.

Meine Damen und Herren! Diese Punktation von 12 Punkten stammt von niemand anderem als von den Sozialdemokraten in Deutschland. Es ist das Programm, das Ministerpräsident Gerhard Schröder im deutschen Vorstand beschlossen hat. Wie viele Abgeordnete haben die Sozialdemokraten in Österreich noch? – Zwei, vier, sechs, sieben insgesamt bei einer Wirtschaftsdebatte, das halte ich für besonders aufschlußreich. Diesen sieben Anwesenden der Sozialdemokraten sei ins Stammbuch geschrieben: Sie regieren seit 1970! Seit 1970 haben Sie alle Macht in diesem Staat! Nehmen Sie bitte dieses Papier her, und fragen Sie sich einmal, ob Sie erst einmal in Opposition gehen müssen, damit Sie in der Lage sind, solch ein Papier zu formulieren! (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Das ist moderne Wirtschaftspolitik. Das ist die Idee, wie man Zukunft "finden" kann. Warum machen Sie das denn nicht nach insgesamt 27 Jahren, die Sie den Bundeskanzler stellen? – Vergleichen Sie doch den Zustand dieser Republik in wirtschaftspolitischen Fragen, in Fragen der Rahmenbedingungen des Wirtschaftens mit den modernen Punkten, die die deutsche Sozialdemokratie allerdings in Opposition erst finden mußte! Ist es unbedingt notwendig, daß Sie zuerst in Opposition gehen, um eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu formulieren? – Vielleicht denken Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, einmal darüber nach!

Frau Tichy-Schreder hat die neue Selbständigkeit angesprochen. Sie entsteht eben nicht durch schöne Sprüche und Worte. Sie entsteht durch ganz klare Hard-Facts, durch ganz klare Rahmenbedingungen, die die neue Selbständigkeit fördern. Frau Tichy-Schreder! Sie brauchen nicht pausenlos neue Unternehmer zu fördern! Hören Sie auf, sie zu behindern! Das ist der Punkt! (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Böhacker.  – Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. )

Solange Sie an Ihren reaktionären zünftlerischen Gewerbeordnungen – Ladenschluß, Bürokratieregelungen und so weiter und so fort – festhalten, behindern Sie die Gründung neuer Unternehmen. Wenn heute ein Posten öffentlich ausgeschrieben wird – für einen Freiberufler, nicht für ein produktives Unternehmen –, muß der Bewerber 37 Seiten ausfüllen, bevor er überhaupt zur Ausschreibung kommt.

Sie installieren heute ein Arbeitnehmerschutzgesetz, das für diejenigen Betriebe unter 100 Mitarbeiter ab dem Jahr 2000 jährlich über 1,2 Milliarden Schilling kosten wird. Das haben Sie von der Österreichischen Volkspartei mitbeschlossen – gegen den wütenden Protest des Liberalen Forums. Wir haben eine Aktuelle Stunde dazu gemacht. Wir haben Sie aufgefordert: Seien Sie doch in der Lage, zwischen gefährdeten Betrieben und nicht gefährdeten Betrieben zu trennen. – Das Bekenntnis zum Arbeitnehmerschutz vertreten wir alle in diesem Haus. Warum ändern Sie nichts? – Das sind die vielen kleinen Bausteine, die Beschäftigung schaffen.

Warum stellen Sie sich nicht der Frage der Eigenkapitalbildung? – Es nützt doch nichts, wenn wir immer wieder davon reden, die österreichische Wirtschaft habe zuwenig Eigenkapital. Ja, das stimmt. Ich gratuliere von diesem Pult aus der österreichischen Industrie, die ihre Eigenkapitalanteile von mickrigen 25, 26 Prozent jetzt auf immerhin 31 Prozent gesteigert hat. Aber wo findet denn die Summe der Beschäftigung statt? Wo entsteht denn das neue Wachstum, Herr Wirtschaftsminister? – In den KMUs selbstverständlich. Wenn Sie sich die Vergleichsziffern – egal, ob die der Nationalbank oder von Forschungsinstituten – anschauen, dann stellen Sie fest, Sie haben zu Buchwerten – ich betone: zu Buchwerten – Eigenkapitalsituationen, bei denen der Medianwert irgendwo knapp über Null liegt, das obere Quartil sich in der Größenordnung von unter 10 Prozent bewegt und das untere oder schlechteste Viertel mit einem negativen Eigenkapital arbeitet.

Wenn Sie glauben, daß die Buchwerte falsch sind, wenn Sie immer damit argumentieren, daß doch die stillen Reserven so viel wert seien, dann stimmen Sie doch dem liberalen Antrag zu – die Freiheitlichen unterstützen ihn Gott sei Dank ebenfalls (Zwischenruf des Abg. Böhacker ), richtig, vielen Dank –, damit wir die Möglichkeit haben, in den Unternehmen, in denen es tatsächlich stille Reserven gibt, diese im Eigenkapital darzustellen und darüber hinaus die Verzinsung dieses buchmäßigen Eigenkapitals mit der Sekundärmarktrendite auch nur der KESt-Besteuerung zu unterziehen. Dann haben Sie eine horizontale Steuergerechtigkeit. Heute muß jeder gute Betriebsberater und Wirtschaftsberater selbstverständlich seinem Klienten, der eine Kommanditgesellschaft, eine OHG, eine Einzelfirma hat, sagen: Nimm alles Geld aus der Firma heraus, und lege deine Liquidität in Staatspapieren oder sonstwo an, und lukriere die 25prozentige KESt-Endbesteuerung. Denn wenn du es in der Firma läßt, zahlst du dafür 50 Prozent! (Abg. Böhacker: Gibt es eh nicht mehr lange! Das ist nur eine Frage der Zeit!)

Herr Wirtschaftsminister! Sie werden mich jetzt fragen: Was hat all das mit mir zu tun? – Er redet da von Steuern und von Eigenkapital. Ich bin doch der Wirtschaftsminister. – Das ist der Punkt. Das ist das große Mißverständnis, das ich in Ihrer Auffassung von Ihrer Position als


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Wirtschaftsminister orte. Herr Dr. Farnleitner! Sie sind für eine Querschnittsmaterie zuständig. Die Regierung ist ein Kollegialorgan. Sie tragen für all die Rahmenbedingungen, die wir Unternehmer mit unseren Mitarbeitern gemeinsam in Österreich vorfinden, die Verantwortung. Wir brauchen einen Wirtschaftsminister, der sich darauf konzentriert, in der Querschnittsmaterie all das, was Wirtschaft betrifft, die Prügel für die Wirtschaft aus dem Weg zu räumen – ohne die sozialen Dämme niederzureißen, ohne eine Gesellschaft der Beliebigkeit zu errichten, sondern eine Gesellschaft mit sozialer Verantwortung, mit zukunftsorientierter Produktivität und ökologischem Bewußtsein.

Aber Ihre Aufgabe wäre es, all das, was ich jetzt in einer kurzen Parlamentsrede anspreche, in Ihrem Arbeitsprogramm zu haben und aus dem Weg zu räumen. Die Verantwortung für die Qualität des Wirtschaftsstandorts drückt sich zum Beispiel in Irland aus. Ich weiß, Irland ist einer der europäischen Mitgliedstaaten, die besonders viele Förderungen aus Brüssel bekommen. Das stimmt. Aber können Sie das alleine damit begründen, daß Irland in den letzten Jahren – von 1994 bis 1998 – ein Wachstum zwischen 6 und 10 Prozent hatte? Wissen Sie, was die Iren gemacht haben? – Sie haben gefragt: Wie können wir in den Wirtschaftsstandort investieren?

"Microsoft errichtet Europazentrale in Dublin", "Telenor mit neuer Forschungszentrale, "SAP-Software nach Irland", "HP stockt auf 4 000 Leute auf"... – Offensichtlich, Herr Wirtschaftsminister, haben die Iren etwas anders gemacht als wir. (Bundesminister Dr. Farnleitner: 6 Prozent Zuschuß aus dem BIP!) – Ich weiß, daß sie einen Zuschuß bekommen. Das habe ich schon vorher erwähnt. (Bundesminister Dr. Farnleitner: Damit senke ich meine Steuer auf 20 Prozent!)

Die Iren haben aber trotzdem eine solche Wirtschaftspolitik gemacht. Sie haben geöffnet und gesagt: Wir müssen Wirtschaften zulassen, um mehr Steuern einzunehmen. – Wir dürfen nicht Wirtschaften überbesteuern, weil es dann nämlich nicht stattfindet. Das ist der Punkt. Und Sie können das nicht wegdiskutieren.

Wir haben heute in Österreich die höchste Steuern- und Abgabenquote, die wir jemals in der Zweiten Republik hatten. Das ist ein wirtschaftsfeindliches Klima. Für das tragen Sie als Wirtschaftsminister die Verantwortung. (Abg. Haigermoser: Und sein Vorgänger!)

Meine Damen und Herren! Das Wirtschaftsministerium – ich danke Ihnen dafür und gratuliere zu der Idee – wird am 19. November ein Standortforum machen. Ich hoffe, dieses Standortforum wird uns in den von mir angeschnittenen Themen ein großes Stück weiterbringen.

Es kann wohl keine Rede zum Kapitel Wirtschaft enden, wenn ich hier beim Rednerpult stehe, in der ich nicht noch einige wenige Sätze über die Frage der Tourismuswirtschaft verliere. (Abg. Dr. Haselsteiner: Selbstverständlich!) – Mein Freund Haselsteiner hat mich, bevor ich heruntergegangen bin, aufgefordert, ich sollte das auf keinen Fall vergessen.

Die österreichische Tourismuswirtschaft hat alle Marktchancen dieser Welt. Wir freuen uns auf die Öffnung des Schengener Raums, wir freuen uns auf den Euro als ganz wichtigen Bestandteil, daß wir in unseren Preisen endlich vergleichbar werden und die Qualität unserer Dienstleistungen auch preislich bewertet werden kann, und wir sind der Überzeugung, daß die Öffnung Österreichs dem Osten gegenüber, das heißt die Aufnahme unserer Nachbarstaaten in die Europäische Union, ein ganz großer weiterer Schritt in der touristischen Entwicklung ist.

"Puppi" Aumayr hat natürlich sofort sagen müssen: nur für das "Weiße Rößl". – Das ist darauf zurückzuführen, daß ihr kein anderer Zwischenruf einfällt. Haigermoser redet vom Apfelstrudel und "Puppi" Aumayr vom "Weißen Rößl". Ich danke für die Werbung, die jetzt im Protokoll steht. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Haigermoser: Immer wieder! Das nächste Mal Topfenstrudel! Ich wechsle!)

Das Problem ist, meine Damen und Herren, daß diese Tourismuswirtschaft, die tatsächlich alle Marktchancen hat, Rahmenbedingungen auf dem Kostensektor vorfindet, die sie teilweise aus den Märkten preßt und auf der anderen Seite sowohl beim Herrn Wirtschaftsminister als auch


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bei den zuständigen Landesregierungen auf Hilflosigkeit stößt. Es nützt nichts, wenn man das Phänomen Tourismus nicht versteht, es nützt nichts, wenn man die Schuld von den Ländern auf den Bund und wieder zurück schiebt! Setzen Sie sich doch einmal mit den Ländern zusammen, entwickeln Sie einmal ein Konzept, wie Tourismusförderung gehen kann, wie Sie eine regionalpolitische Katastrophe abwenden!

Herr Bundesminister! Tourismus hat in die letzten Täler Österreichs Wohlstand gebracht. Gott sei Dank! Die ärmsten Regionen sind die reichsten geworden! Was Sie heute erleben, ist eine Gefährdung des Erreichten!

Reden wir nicht nur von den Umsätzen insgesamt, reden wir nicht nur von den Nächtigungen – die wir auch dazu brauchen werden –, aber reden wir von der betriebswirtschaftlichen Situation der Anbieter, insbesondere in der Hotellerie, die in einer Doppelmühle stehen, nämlich der Kapitalintensität und der Personalintensität.

Herr Wirtschaftsminister! Das, was Sie in der Tourismuspolitik bisher geboten haben, war leider enttäuschend. Ich glaube, ein neuer Anlauf wäre vonnöten! (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Haselsteiner: Jetzt tust du dir schwer, nach diesem Vorredner!)

13.12

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe nur wenig Zeit, daher kann ich nur einige Sätze sagen, Herr Kollege Peter! In manchen Dingen stimmen wir überein, dennoch ertappe ich Sie immer wieder bei Widersprüchlichkeiten.

Zuerst haben Sie sehr vehement gefordert: Fördern Sie nicht mehr, machen Sie Schluß mit Förderungen! – Und zuletzt haben Sie gesagt: Ich weiß, wie man fördern soll. – Das nur zur Einleitung. Man sollte bei einem Standpunkt bleiben: Wenn man gegen Förderungen ist, dann ist man dagegen, aber man darf dann nicht in der gleichen Rede sagen: Fördern wir doch!

Meine Damen und Herren! Ich habe nur wenig Zeit, daher in aller Kürze: Ich möchte zum Kapitel Wirtschaft die Themen Außenhandel, Leistungsbilanz und EU-Osterweiterung, so ich das in der kurzen Zeit durchbringe, ansprechen.

Die Daten, meine Damen und Herren – ich "schnalle" bei Kollegen Prinzhorn immer ein bißchen "ab", weil ich an sich der Auffassung bin, daß er ein realistischer Mensch ist –, müßte man doch zur Kenntnis nehmen. Zurzeit – Halbjahr, drittes Viertel, Wirtschaftsjahr – haben wir fulminante Wirtschaftsdaten: niedrige Inflationsrate wie nie zuvor, niedrige Zinsraten wie nie zuvor. Wir haben eine Situation, auch bei der Lohnstückkostenentwicklung und beim Wettbewerb, die sich erheblich verbessert hat. Nur muß man die Zusammenhänge richtig darstellen! Wir wissen schon, daß wir von 1992 bis 1995 eine Verschlechterung hatten. Jetzt, in den letzten zwei Jahren, 1996 beginnend, heuer fortgesetzt, hat sich die Lohnstückkostensituation – alles nachlesbar; man braucht sich nur die Statistiken anzusehen – erheblich verbessert, und dieser Trend setzt sich fort. Dementsprechend sehen auch die Prognosen aus.

Wenn man uns aber nicht glaubt und die Opposition uns immer Gesundbeten vorhält – ich sage immer dazu, daß auch Kritik wichtig ist, darüber gibt es überhaupt keine Diskussion, Herr Kollege Peter –, dann sollte man objektive Statistiken heranziehen. Sie haben Irland erwähnt. Ich habe mir heute etwas aus dem Internet genommen, weil ich den letzten Stand haben wollte. Wie schaut die Bewertung der Wirtschaftskraft aus? – Wissen Sie, auf welchem Platz Irland ist? – Auf Platz 12! Wissen Sie, auf welchem Platz Österreich ist? – Mit Deutschland auf Platz 4! Kein Kommentar mehr dazu, das sind nur die Fakten! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) – Ich habe nur wenig Zeit! Ich würde mich gerne im Detail damit auseinandersetzen, aber das könnten wir bei anderer Gelegenheit tun. (Abg. Dr. Haselsteiner:


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Du weißt, daß es auf den Trend ankommt!) – Das sind Fakten, nicht meine subjektive Meinung, das ist von EUROSTAT. Die letzte Aussendung habe ich mir heute um zirka 13 Uhr geholt.

Meine Damen und Herren! Leistungsbilanz: Bei all den Wirtschaftsdaten, die positiv sind, sehe ich die Entwicklung der Leistungsbilanz 1996/97 durchaus ungünstig – keine Frage! Ich sehe sie nicht unbesorgt. Nur wenn man es sich genauer ansieht, muß man auch wieder sagen, daß sie wirtschaftspolitisch nicht so dramatisch ist, wenn man bestimmte Faktoren berücksichtigt. Natürlich ist ein Hauptfaktor für die Entwicklung der Leistungsbilanz der EU-Beitrag, natürlich ist ein weiterer Hauptfaktor die Entwicklung im Tourismus – überhaupt keine Diskussion –, die Reiseverkehrsentwicklung – diese wirkt sich natürlich unmittelbar auf die Leistungsbilanz aus –, und ebenfalls ein Hauptfaktor ist die Wechselkursentwicklung. Aber auch da hat es im Laufe des letzten halben, Dreivierteljahres eine wesentliche Änderung gegeben, das spielt auch – das gebe ich zu – in die Lohnstückkostenentwicklung hinein, aber man soll sehen, daß es nicht nur der Wechselkurs ist – so wichtig er in einzelnen Relationen war, sei es Italien oder seien es andere Länder, die vor zwei, drei Jahren abgewertet hatten. Es war bei uns eine strukturelle Verbesserung feststellbar, und es war eine Produktivitätssteigerung feststellbar. Das sagen uns die Daten.

Über die positive Exportentwicklung ist schon gesprochen worden. Ich möchte nur einige Sätze dazu sagen, weil wir darüber sowohl im Außenpolitischen Ausschuß als auch im Wirtschaftsausschuß gesprochen haben. Ich gehe ein bißchen weiter, als wir bisher immer diskutierten, als wir sagten: Seien wir froh, es entwickelt sich wieder positiv. – Ich würde mir wünschen, daß man die Entwicklung sowohl in der Außenpolitik wie auch in der Außenwirtschaftspolitik noch ein bißchen weiter sieht. Was meine ich? – Ich habe es schon im Ausschuß gesagt. Bezüglich der Entwicklung im Südgürtel der ehemaligen Sowjetunion – ich nenne nur Turkmenistan und Usbekistan – kann man sagen, dort sind neue Märkte! Vor kurzem war ich dort, und ich wundere mich: Von Österreich ist nichts zu sehen. Die Italiener und Franzosen sind schon dort – vor Ort, sehr aktiv, mit Erfolg. Schließlich entwickeln sich diese Länder der ehemaligen Sowjetunion.

Was will ich damit zum Ausdruck bringen? – Nur punktuell: Wir sollten von der bisherigen Außenhandelspolitik ein bißchen abgehen und sie erweitern. Ich nenne nur ein Schlagwort: Asien ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Vielleicht gibt es in unserer Nähe etwas günstiger zu entwickelnde Märkte. Das heißt, es sollte ein Umdenken in bezug auf die Regionalität stattfinden.

Meine Damen und Herren! Osterweiterung: Ich freue mich, daß der Herr Vizekanzler den Satz gesagt hat: Eindruck vermeiden, die Nachbarländer draußen halten zu wollen. – Ich gehöre zu jenen, die absolut dieser Auffassung sind – nicht, weil es die EU jetzt beschließt –, daß die Osterweiterung stattzufinden hat. Aber im selben Atemzug sage ich: Wir dürfen gerade als Grenzland – ich bin selbst ein Kind aus einem Dorf unmittelbar an der Grenze – nicht die Augen davor verschließen, daß das von heute auf morgen angesichts der jetzigen sozialen Situation, der Lohnsituation und der Umweltsituation – ob das jetzt in drei Jahren oder in vier Jahren ist – nicht machbar ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke nur immer daran: Wir haben auch – wir waren aber in einer besseren Situation – von den Assoziationsverträgen 1972 bis zum Jahr 1995 gebraucht, bis wir ein einigermaßen gleichwertiges Land innerhalb der EU waren. Warum kann man das nicht auch anderen zumuten? Ich denke jetzt nicht an eine so lange Zeitdimension bei diesen Ländern, sondern ich bin der Auffassung, wir sollten einen kürzeren Zeitraum vorgeben, aber wir sollen die Probleme sehen und nicht die Augen davor verschließen, indem wir unserer Bevölkerung – vor allem in Grenzlandbereichen, in der Ostregion – einen harten Wettbewerb in verschiedenen Bereichen zumuten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)


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13.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. )

13.17

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Sie haben recht, ich werde auch über Energiepolitik reden, so wie Herr Abgeordneter Peter sein Steckenpferd beim Tourismus hat. Es wurde schon angesprochen, daß der Herr Bundesminister eine breite Palette zu vertreten hat, und mein Steckenpferd ist selbstverständlich die Energiepolitik.

Aber bevor ich darauf zu sprechen komme, möchte ich mich mit dem Begriff beschäftigen, den auch Herr Abgeordneter Peter in die Diskussion gebracht hat – um dieses Ritual einer Wirtschaftsdebatte mit wenigen Abgeordneten zu durchbrechen, die davon geprägt ist, daß die Regierungsparteien naturgemäß die Wirtschaftspolitik verteidigen und ihnen jedes Fünkchen kritische Distanz fehlt, wie das Frau Abgeordnete Tichy-Schreder hier leider bewiesen hat, während die Oppositionsparteien ... (Abg. Marizzi: Wo sind Ihre Abgeordneten?) – Natürlich! Das gilt auch für die Oppositionsabgeordneten! Nicht nur, daß es für die Regierungsabgeordneten schwierig ist, dieses Ritual durchzuführen, es ist auch für uns ... (Abg. Eder: Wenn wir da sind, werden wir geschimpft! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Darum lassen Sie uns versuchen, nicht polemisch zu diskutieren, sondern vielleicht kann man doch auch, wenn man zuhört, von den Argumenten anderer ein bißchen profitieren.

Herr Abgeordneter Peter redet von moderner Wirtschaftspolitik. Es wäre interessant, darüber zu diskutieren, was wir denn unter "modern" verstehen und ob wir ähnliche Vorstellungen darüber haben, für wen Wirtschaftspolitik gemacht werden soll und für wen nicht. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.) – Jetzt sind so wenige anwesend, und trotzdem tratschen Sie! Wie in der Schule! (Abg. Dr. Fekter: Frau Oberlehrerin! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Nein, wenn Sie das Bedürfnis haben, zu plaudern, würde ich Ihnen nur vorschlagen: Gehen Sie doch hinaus, und lassen Sie uns, die paar Verbliebenen, die noch hier sind, diskutieren!

Was richtig ist und auch schon angesprochen wurde, ist, daß nicht nur die österreichische, sondern natürlich die europäische Wirtschaft insgesamt großen Veränderungen ausgesetzt ist. Große Unternehmen, die einen Jahresumsatz haben, der mit dem Bruttonationalprodukt kleinerer oder mittlerer Staaten vergleichbar ist, haben natürlich auch entsprechende politische Macht.

Wir stehen vor liberalisierten Märkten, vor ganz neuen Kriterien. Wir stehen vor dem Phänomen einer zunehmenden strukturellen Arbeitslosigkeit, die man mit alten Förderinstrumenten in dieser Form nicht wird lösen können. Wir stehen davor, daß sich auch in Europa immer mehr das amerikanische Modell des Shareholder value durchsetzt – im Gegensatz zu dem, was bisher in Europa auch bei den Unternehmen sehr stark im Vordergrund stand, nämlich so etwas wie Stakeholder value – und plötzlich viele, ursprünglich am System Interessierte nicht mehr oder zu wenig berücksichtigt werden.

Wenn im Zusammenhang mit moderner Wirtschaftspolitik darüber gesprochen wird, daß das automatisch bedeuten würde, daß – das ist im Rahmen einer Budgetdebatte natürlich interessant – die Abgaben- und Steuerquote zu senken sei und daß man Förderungen und Subventionen generell zu reduzieren habe, so muß ich sagen, ich halte das für einen nicht richtigen Ansatz. Ich nehme dazu auch als Unterstützung einen Gastkommentar von Professor Tichy her, der gestern in der "Presse" eine neue Studie des Währungsfonds beschrieben hat. Er schreibt, daß diese Studie mit sehr populären Vorurteilen aufzuräumen versucht. Einen Bereich streicht Professor Tichy heraus – ich nehme nicht an, da er gerade auch der ÖVP bekannt ist, daß er im Verdacht steht, ein blinder Keynesianer zu sein – und schreibt:

"Weniger klar als der Einfluß des Steuersystems ist derjenige der Steuerhöhe an sich. Hohe Steuern wirken nicht notwendig wachstumsdämpfend, es kommt auf die Verwendung der dadurch erzielten Einnahmen an, also auf das Zusammenspiel von Steuern, Ausgaben und Budgetpolitik."


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In diesem Zusammenhang befürwortet er vor allem – das ist eine Hauptkritik von uns –, daß Staatsausgaben dahin gehend überdacht werden müssen, daß sie vor allem für die neuen, wichtigen Bereiche Bildung und Forschung konzentriert werden müssen und natürlich wachstumsfördernd wirken werden und notwendig und sinnvoll sind.

Herr Bundesminister! In dem Zusammenhang halte ich es für falsch, daß in einem Abänderungsantrag die ursprünglich klar ausgewiesene Summe von 470 Millionen für den FFF nicht mehr aufscheint und daß es nun Ihnen und Ihrem Ressort überlassen sein wird, in welcher Form der FFF gefördert werden soll oder über die Mittel verfügen soll.

Es gibt Bereiche, in denen die Politik, auch wenn sie großen Konzernen gegenübersteht, die weit mehr die Wirtschaft im Land beeinflussen, als es Herr Bundesminister Farnleitner tut, natürlich Rahmenbedingungen setzen kann und muß. Es ist nur an einem Beispiel zu demonstrieren, daß diese Richtung aus meiner Sicht falsch ist oder die Rahmenbedingungen eben nicht richtig gesetzt werden. Ein Kennzeichen der Wirtschaftspolitik ist für mich, daß versucht wird, im alten System an ein paar Schräubchen zu drehen, und daß versucht wird, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen – die neuen Gegebenheiten der Liberalisierung der Märkte, der strukturellen Arbeitslosigkeit, dieses Shareholder value.

Im Bereich – da komme ich zu dem Gebiet, bei dem ich mich zu Hause fühle – der Energiewirtschaft gibt es große, notwendige Umstrukturierungen. Wir stehen wahrscheinlich vor der größten Herausforderung in der Zweiten Republik, was die Umstrukturierung der Energiewirtschaft betrifft. Durch die Liberalisierungsrichtlinie der Europäischen Union ist auch Österreich gezwungen, seine bisherige Struktur im Energiewirtschaftsbereich nicht nur zu überdenken, sondern schlicht neu zu organisieren.

Herr Bundesminister! Sie haben zu Beginn Ihrer Amtsaufnahme einige Vorschläge oder Ideen präsentiert, mit denen wir uns sehr gut hätten anfreunden können. Einer der Vorschläge war, daß Sie offensichtlich ursprünglich auch daran dachten, daß es notwendig sei, eine österreichische Lösung zu suchen, da die einzelnen Landesgesellschaften im europäischen Wettbewerb zweifellos nicht konkurrenzfähig sind.

Wir haben in diesen neun Landesenergiegesellschaften einen aufgeblähten Apparat mit überbezahlten Vorstandsposten, mit – in der Regel – überbezahltem normalem Personal. Das ist in keiner Weise in Europa konkurrenzfähig. Die bisherige Struktur, so wie sie sich derzeit präsentiert, kann ab 1999, wenn diese EU-Richtlinie in Kraft tritt, einfach nicht ausreichen und wird nicht ausreichen, um bei den alten Eigentumsverhältnissen bleiben zu können.

Mir ist es ein Rätsel, warum es offensichtlich nicht gelingt, zwischen den Bundesländern einen Konsens zu finden. Herr Minister! Mir tut es wahnsinnig leid, daß Sie bei Ihren Bemühungen, eine österreichische Lösung zu versuchen, offensichtlich gescheitert sind, wobei ich nicht glaube, daß man in die Eigentumsrechte der einzelnen Landes-EVUs ... (Abg. Kopf: Wer sagt das? Woraus leiten Sie das ab?)  – Ich leite das aus dem jetzt vorliegenden Elektrizitätswirtschaftsorganisationsgesetz des Herrn Ministers ab. (Abg. Kopf: Daß keine Lösung zustande kommt, das hat mit dem Gesetz nichts zu tun!)

Das hat wohl etwas mit dem Gesetz zu tun, Herr Abgeordneter Kopf! Es fehlt eine österreichweite Koordination. Das Suchen nach einer österreichischen Lösung sieht so aus, daß man eine österreichische Kraftwerksgesellschaft anstrebt, in die die einzelnen Landesgesellschaften ihre in ihrem Besitz befindlichen Kraftwerke einbringen, die auch bis auf weiteres von mir aus in deren Eigentum bleiben, aber man muß versuchen, sich endlich gemeinsam zu koordinieren, eine gemeinsame Netzgesellschaft zu gründen (Abg. Kopf: Zu erzwingen!) und damit auch als geschlossener und einziger Single-buyer aufzutreten.

Es ist mir völlig schleierhaft, wie man ein Gesetz vorlegen kann, in dem man die EU-Richtlinie so interpretiert, daß man 15 Single-buyer hat und glaubt, man könne mit ein paar kleinen Veränderungen – man dreht da an einem Schrauberl und dort an einem Schrauberl – im Grunde alles so lassen, wie es derzeit ist. So die gut österreichische Proporzlösung auf Brüssel übertragen. (Zwischenruf des Abg. Kopf. )


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Das mag bei Ihren Personalbesetzungen in der Kommission oder in den verschiedenen Institutionen in Brüssel gelingen, aber im Wirtschaftsbereich wird es nicht funktionieren. Sie werden mit der Lösung einfach "aufkrachen". Es wird dann so sein, daß Teile der einzelnen Landes-EVUs – ob das zuerst die Steweag oder zuerst die OKA ist – dann den Bayern-Werken oder anderen großen Energieversorgungsunternehmen gehören. Außer es gelingt doch noch, sich über diese Föderalismusgrenzen hinweg zusammenzusetzen und eine gemeinsame Lösung zwischen dem Verbund auf der einen Seite und den neun Landes-EVUs auf der anderen Seite zu erarbeiten.

In dem Entwurf, den Sie ausgeschickt haben, gibt es überhaupt keine ökologische Ausgestaltung. Es fehlt völlig ein Kraftwerkseinsatz nach ökologischen Kriterien. Es fehlt wieder, daß man ein Least-cost-Planning in ein Gesetz hineinnimmt. Das gibt es in einigen Bundesstaaten in Amerika seit 1974 und hat sich bewährt. Es gibt in dem Zusammenhang, wenn wir gerade über Ihr Budget reden, überhaupt keine Anreize, auf alternative Energieträger umzusteigen, sprich eine deutliche Förderung von Biomasse, von Windenergie und natürlich auch von Photovoltaik und Solarenergie.

Es ist absurd, wenn wir über die Klimakonferenz diskutieren, die in wenigen Wochen in Kioto stattfindet, daß wir uns mit dem Herrn Umweltminister auseinandersetzen, denn der eigentlich zuständige Minister sitzt selbstverständlich hier. Es ist ein Faktum, daß die CO2-Emissionen in Österreich nicht reduziert werden, sondern daß sie im Jahr 1996 sogar um rund 2 Prozent zugenommen haben. Der Grund hiefür liegt schlichtweg darin, daß keine Energiepolitik stattfindet.

Der Wirtschaftsminister versteht sich – jedenfalls aus meiner Sicht – in keiner Weise als Energieminister – oder zumindest nur in dem Sinne, daß er seinen Sektionschef auf der einen Seite schalten und walten läßt und sich auf der anderen Seite möglichst wenig in die Politik der neun Landes-EVUs einmischt. Das hat natürlich zur Folge, wenn alles beim alten bleibt, daß die CO2-Emissionen steigen und daß wir uns international lächerlich machen werden, wenn wir sagen: Wir reduzieren bis zum Jahr 2010 die CO2-Emissionen um minus 25 Prozent. (Abg. Kopf: Das behaupten Sie jetzt schon so lange! Das wird nicht richtiger!)

Das ist schon richtig. Wenn Sie mir nicht glauben, dann reden Sie mit Professor Schleicher. (Abg. Kopf: Das habe ich getan!) Das ist der Vorsitzende des österreichischen Klimabeirates, der nicht nur im Zusammenhang mit der Förderung im Bereich der Alternativenergie des Wirtschaftsministers Farnleitner von einer lächerlichen Alibihandlung – das ist ein Originalzitat – spricht, sondern der auch zugibt, daß die CO2-Emissionen im Jahr 1996 gestiegen sind. Ich weiß, die Sprachregelung wird sein – die Sprachregelung auch vom Ministerium ist –: Wir haben uns auf hohem Niveau stabilisiert – wobei das "hohe Niveau" das beinhaltet, daß es einmal 2 Prozent mehr und dann vielleicht 1 oder 2 Prozent weniger sind. Ich will mit Ihnen nicht streiten, ob es jetzt 1 Prozent oder 2 Prozent mehr sind.

Die wichtige Tatsache ist: Wir haben uns bei den CO2-Emissionen auf hohem Niveau stabilisiert, und das bedeutet, daß wir natürlich nicht annähernd die großen Ziele, die immer bei internationalen Konferenzen angekündigt werden, erreichen werden.

Abgesehen davon, daß wir uns damit international lächerlich machen, verpassen wir aber auch eine große Entwicklungschance. So wie laut dem Artikel von Professor Tichy, den ich vorhin zitiert habe, gibt es tatsächlich die Möglichkeit, von seiten der öffentlichen Hand jene Technologien zu fördern, die noch nicht unmittelbar so marktfähig sind, um bestehen zu können, und damit zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nämlich einerseits ökologisch etwas zu bewirken, die CO2-Emissionen zu reduzieren, und andererseits eine neue Technologie wirklich marktfähig zu machen, weil sie in der Folge mehr eingesetzt wird.

Das haben Deutschland und Dänemark mit dem Einsatz der Windkrafttechnologie gezeigt. Dort ist in den letzten fünf Jahren eine Versiebenfachung des Stroms aus Windkraft erreicht worden, und zwar mit entsprechend guten ökologischen, aber auch arbeitsplatzpolitischen Auswirkungen.


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Wir haben hundert Projekte, die derzeit auf Eis liegen. Herr Minister, Sie wissen das, wir haben ja schon öfters darüber geredet. Sie antworten immer: Wir haben so viel Strom in Österreich, wir haben solch einen Überschuß, man kann doch nicht noch mehr heruntergehen mit den Preisen! Wir brauchen keine neuen Kraftwerke!

Im Prinzip gebe ich Ihnen recht: Wir brauchen keine neuen Kraftwerke – aber nur wenn das ein reines zusätzliches Faktum wäre. Aber was wir brauchen, ist ja die Substitution. (Abg. Kopf: Das funktioniert mit Windenergie sicher nicht!) Wenn wir CO2-Emissionen reduzieren wollen, brauchen wir eine Reduzierung des Einsatzes fossiler Brennstoffe. Wir brauchen eine Reduzierung des Einsatzes von Kohle, Erdöl und Gas. Übrigens: Die Kohle wird in Österreich – das kann man auch aus dem Budget des Wirtschaftsministers ersehen – mit rund 170 Millionen Schilling jährlich gefördert. Das ist um ein Zigfaches mehr, als Alternativenergieträger in Österreich gefördert werden.

Das heißt, wie die konkrete Politik – denn man kann ja viel reden, so wie Herr Umweltminister Bartenstein bei Konferenzen, hier im Parlament oder wo immer – tatsächlich ausschaut, sieht man anhand der Zahlen. Darum sind Budgetdebatten natürlich spannend, wenn man sich die konkreten Zahlen ansieht und erkennt, wie ernst es der Politik ist, wenn es konkret um Förderungen geht, wenn es konkret um die Umstellung geht, zum Beispiel auch jene im Steuerrecht, um etwa zu einer CO2-Reduktion zu kommen.

Bei der Energiesteuer, Herr Wirtschaftsminister, haben Sie sich ja bisher leider auch nicht als Verbündeter erwiesen. Natürlich – es wurde vorhin angesprochen – sind die Arbeitskosten in unserem Land hoch, und eine weitere Erhöhung wäre wahrscheinlich, wenn man versuchte, sich noch Budgetmittel durch eine Steuererhöhung in diesem Bereich zu holen, nicht möglich. Es gibt entsprechende Beratungen im Finanzministerium.

Ich glaube, es ist notwendig, eine Ökologisierung des Steuersystems vorzuziehen, sie schnell zu machen. Man könnte – wie Sie es zum Teil ja in der Pensionsfrage gemacht haben – wirklich endlich einen großen Schritt setzen, indem man die verschiedenen Vertragspartner an einen Tisch holt, die verschiedenen Aspekte diskutiert und endlich einen Abtausch macht, nämlich eine Reduzierung der Steuerlast auf Arbeitskosten und eine entsprechende Erhöhung der Besteuerung von verschiedenen Energieträgern.

Hier gäbe es eine Menge zu tun, Herr Wirtschaftsminister! Es wird von Ihnen wenig bis nichts in diese Richtung gemacht. Sie sind in diesem Sinne ein Vertreter des alten Systems, der sich einfach nicht traut, einen neuen Schritt zu setzen, oder der sich bei den verschiedenen Verhandlungspartnern nicht durchsetzen kann. Es wird nicht gelingen, mit reinen Reparaturmaßnahmen hier etwas zu bewirken.

Ein Letztes noch: In Ihren Bereich fällt auch das Berggesetz. Sie haben vor kurzem einen Ministerialentwurf zur Begutachtung versendet. Wir haben eine entsprechende Stellungnahme dazu abgegeben. Nicht nur wir, auch verschiedene Universitätsprofessoren haben festgestellt: Dieser Entwurf ist verfassungswidrig – so wie es aus unserer Sicht schon die Novelle von 1990 war, weil damals einfach unsachgemäß in einem Bereich eine Ausweitung des Begriffes des Bergbaus vorgenommen wurde. Nicht Sie haben das damals gemacht, sondern Ihr Vorgänger, aber Sie führen diesen Weg jetzt fort.

Sie versuchen, ein altes maria-theresianisches Recht in einer Weise aufzublähen, die weder den ökologischen noch den wirtschaftlichen Vorstellungen in diesem Lande auch nur annähernd gerecht wird. Sie können das ausführlich in unserer Stellungnahme nachlesen. Ich möchte Sie ersuchen, Herr Minister, dafür zu sorgen, daß es nicht wieder – so wie 1990 – dazu kommt, daß ein Bergrecht verabschiedet wird, das im Grunde nur alle gegen die Politik aufbringt.

Bei Podiumsdiskussionen waren alle Parteien, von der SPÖ – ich kann mich erinnern, Kollege Parnigoni war dort – über die ÖVP – diese hat immer Landtagsabgeordnete geschickt – bis zu den Freiheitlichen, im Konsens der Meinung: So wie dieses Bergrecht ist, muß es sogar ersatzlos abgeschafft werden, weil es nicht verbesserungsfähig ist. Das wurde bei solchen Anlässen immer unter großem Applaus von seiten vieler Anrainer von Schottergruben verkündet. Wenn


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es aber konkret wird, dann setzen sich eindeutig wieder die Schotter- und Kieslobbys durch. Ich weiß nicht, ob Frau Fekter einfach so fleißig ist oder ob es ... (Abg. Dr. Haselsteiner: Haben Sie Mitleid mit der Frau Fekter und mit mir!)  – Ich habe ganz wenig Mitleid mit Frau Fekter, wenn ich erkennen muß, daß einerseits wortwörtlich – das muß man sich in dem Ministerialentwurf wirklich anschauen – die Vorschläge von seiten der Bundeswirtschaftskammer beziehungsweise der Sektion, die eben in der Bundeswirtschaftskammer dafür verantwortlich ist, übernommen wurden und andererseits kein einziger Punkt – kein einziger! – von den Kritikern dieses Gesetzes in diese Ministerialvorlage eingeflossen ist.

Herr Bundesminister! Ich habe Sie einmal hier von der Regierungsbank aus von "Empowerment" sprechen gehört und davon, wie notwendig es sei, den einzelnen Spielpartnern mehr Rechte und Möglichkeiten zu geben. Das gilt nicht nur, glaube ich, für den Bereich der Bundeswirtschaftskammer, daß denen dort mehr Mitsprache und mehr Rechte zu geben wären, sondern das muß gerade bei solchen Gesetzen wie dem Bergrecht, wo so viele Leute betroffen sind, auch für jene gelten, die dort leben. Daß Sie nicht nur die Bürger, sondern letztlich auch die Gemeinden ausschalten, ist für das Jahr 1997, wenn man über Empowerment redet, einfach nicht mehr zeitgemäß. (Abg. Dr. Fekter: Die Wirtschaftskammer hat sich sehr kritisch zu dem Entwurf geäußert! Wie paßt das dann zusammen, wenn die Stellungnahme so kritisch war?)

Ich hoffe sehr, Herr Wirtschaftminister – und diese Hoffnung richtet sich vor allem auch an die Kollegen von der SPÖ –, daß wir über dieses Gesetz genauso wie über das Energieorganisationsgesetz in diesem Hause noch mehr diskutieren werden, daß wir in den Ausschüssen darüber reden werden und nicht nur in den Sektionen der Bundeswirtschaftskammer und daß wir mehr im Parlament verhandeln, als hier über dieses Budget verhandelt wurde. – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

13.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.37

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ganz kurz einige Worte zur Frau Kollegin Langthaler: Sie muß entweder einen anderen Entwurf zum Berggesetz gelesen haben oder sie hat ihn überhaupt nicht gelesen. Andernfalls müßte sie nämlich gesehen haben, daß es dort eine Parteistellung des Bürgermeisters gibt, daß es eine Parteistellung der Bürger gibt und daß es jetzt eine Verzahnung des Landschaftsschutzes mit dem Bergrecht gibt. Das sind alte Forderungen, die in diesem Berggesetz verwirklicht sind.

Frau Kollegin Langthaler! Bitte lesen Sie zuerst den neuen Entwurf des Berggesetzes, bevor Sie hier heraußen Behauptungen aufstellen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Langthaler: Habe ich gelesen!) Das stimmt! Lesen Sie ihn bitte, dann werden Sie das darin finden.

Hohes Haus! Vorerst einige Bemerkungen zum Fremdenverkehr. Herr Kollege Peter! Ich gebe Ihnen in vielen Punkten recht. Zwei Dinge lassen Sie mich Ihnen aber sagen: Wenn wir wie Irland 16 Prozent Förderungen vom Bruttoinlandsprodukt bekämen, dann würde es unserem Minister auch sehr leichtfallen, in Österreich die Steuern zu senken oder andere Aktionen zu setzen. 16 Prozent vom BIP – das ist etwas ganz anderes, Herr Kollege! (Abg. Mag. Peter: 6 Prozent!)

Weiters möchte ich schon sagen: Ich weiß, daß wir viel Kapital brauchen. Ich weiß, daß wir in unserer Branche viel Personal haben, Herr Kollege. Aber wir können nicht von doppelter Intensität sprechen, denn intensiv kann man nur in einem Bereich sein: entweder kapitalmäßig oder personalmäßig. – Ich wollte das nur dazusagen.

Zum Fremdenverkehr allgemein. Herr Minister! Ich bin froh, daß im Prinzip alle Budgetpositionen in unserem Interesse behandelt werden. Ich bin froh, daß die Österreichische Hotel- und Fremdenverkehrstreuhand als Tourismusbank etabliert wird. Es ist möglich, daß die TOP-Tourismus-Linie beschlossen wird. Es ist möglich, daß die Aufnahme von Beteiligungsfinanzie


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rungen, also Risikokapitalfinanzierung für den Tourismus, in Angriff genommen wird. Wir haben die Jungunternehmerförderungen wesentlich ausgebaut, Herr Minister. Und was für uns das wesentlichste ist: Wir haben auch die Förderungsmittel für die "Österreich Werbung" auf gleicher Höhe gehalten beziehungsweise jetzt nochmals um 50 Millionen Schilling aufgestockt. Wir haben damit die gleichen Mittel zur Verfügung wie im vergangenen Jahr.

Herr Minister! Gestatten Sie mir zwei Fragen. Erstens: Worauf führen Sie die relativ große Fluktuation bei den Menschen, die bei der "Österreich Werbung" beschäftigt sind, zurück? Und zweitens: Wie schaut es mit der zukünftigen Entwicklung aus, mit den Synergieeffekten, mit der Kooperation zwischen der "Österreich Werbung" und unseren Wirtschaftsvertretungen im Ausland?

Als drittes noch eine Anregung, Herr Minister, beziehungsweise eine Forderung, die nicht erfüllt ist, mit der wir uns aber zu beschäftigen haben: Wie schaut es mit der Tourismus-Milliarde aus? Es gibt viele Dinge, die anstehen und nicht bewältigbar sind: Reservierungssystem, Informationssystem, Ausbildung, regionale Gliederung. All diese Aufgaben müssen wir erfüllen, und dazu wird die Fremdenverkehrswirtschaft Geld brauchen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die aktuellen Prognosen der Wirtschaftsforscher zeigen, daß es in Österreich aufwärtsgeht. Wir haben den höchsten Beschäftigungsstand. Wir haben Exportquoten, wie wir sie schon lange nicht mehr gehabt haben. Wir haben jetzt die meisten Lehrlinge. Wir haben ein steigendes BIP. Ich glaube, das sind alles Dinge, die uns zeigen, daß es aufwärtsgeht. Das ist eine solide und grundlegende Basis, auf der wir weiter aufbauen können.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition! Ich glaube, alle Oppositionparteien, wie sie hier herinnen sitzen, haben sich von einer solchen soliden und grundlegenden Basis schon längst verabschiedet. Wenn ich sehe, daß das LIF bei der Wirtschaftsdebatte jetzt mit null Personen anwesend ist (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser, der soeben den Sitzungssaal betreten hat), dann erkenne ich daran das Interesse, welches das LIF an dieser Budgetdebatte überhaupt hat. Da braucht es nicht einmal einen Haselsteiner, der nicht weiß, wovon er spricht, wenn er ein Wachstum von 0,5 Prozent behauptet (Abg. Dr. Haselsteiner: Das war der Schüssel!), wenn er das Wort "Schwindelbudget" verwendet. Ich will nicht all das wiederholen, was hier schon mehrmals gesagt worden ist. Nur eines, glaube ich, muß man bitte schon feststellen: Wir sind nicht dazu da, Herr Haselsteiner, negative Propheten zu sein. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das war der Schüssel!) Das könnten Sie sich in Ihren Betrieben überhaupt nicht leisten. Das wissen Sie genausogut wie ich. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme aber auch zu den Freiheitlichen. (Abg. Haigermoser: Günter, auf das habe ich gewartet!) Mich freut es, daß Sie meinen, ich solle mich ein bissel ruhiger verhalten. Aber auch Sie kommen dran! Und ich werde Ihnen auch gerne beweisen, auf welcher "soliden" Basis Sie arbeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Abg. Haigermoser: Du hast ja nicht mehr so viel Zeit!)

Ich habe mir die Mühe gemacht, ein bißchen nachzulesen. Ich habe mir hier auf vier Seiten – auf blaues Papier geschrieben, damit es in eurer Farbe ist (der Redner hält einige blaue Seiten in die Höhe)  – Behauptungen herausgeschrieben, die Sie aufstellen, die aber in keiner Weise wahr sind oder nur Halbwahrheiten sind. Es ist aber heute behauptet worden, es gebe bei uns Leute, die Halbwahrheiten sagen. Hier steht folgendes – ich kann es euch der Reihe nach aufzählen –: Notprogramm; Panikbudget; Fortsetzung des Weges in die falsche Richtung; Kahlschlag auf Kosten der Bevölkerung ohne Rücksicht auf irgendwelche anderen Maßnahmen; kurzfristige Geldbeschaffung; Neuwahlen spätestens 1997 (demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen); chaotische Geldbeschaffungspolitik; Belastungspaket; Kahlschlag im Sozialsystem; Österreich als Patient, der auf der Intensivstation liegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So etwas kann man doch als Opposition nicht sagen! Das sind Halbwahrheiten, das sind Irrtümer! Es tut mir leid, das sagen zu müssen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ihr Führer spricht von Ehrlichkeit, von Ehrlichkeit in der Politik. Seien Sie doch wenigstens einmal so ehrlich und akzeptieren Sie das vorgeschlagene Budget, weil Sie erkennen, daß es richtig und gut ist. Damit könnten Sie beweisen, daß Sie ehrlich sind! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Abschluß möchte ich Ihnen nur sagen: Das ist nicht unsere Meinung alleine, das ist nicht nur die Meinung der Experten der Regierungsparteien, sondern auch Ihre Experten sagen, daß das Budget in Ordnung und gut ist. Ich habe hier drei internationale Meinungen, die Sie sich – es wird Ihnen nichts anderes übrigbleiben – anhören müssen:

Die "Frankfurter Allgemeine" schreibt zum Beispiel: Österreich, das als eines der wenigen Mitglieder der Europäischen Union schon heute die Maastricht-Kriterien für den Euro erfüllt, beginnt die Aufmerksamkeit ausländischer Investoren auf sich zu ziehen.

Die Italiener schreiben: Die österreichische Bundesregierung hat einen ganz großen Wurf gelandet. – Damit sind die Budgets 1998 und 1999 gemeint.

Und die "Financial Times" – diese werden Sie ja auch kennen, nehme ich an – schreibt: Das Budget beweist, daß Österreich die Bedingungen für den Eintritt in die Währungsunion erfüllt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn drei große, international anerkannte Wirtschaftszeitungen das behaupten, wenn alle Experten das behaupten, dann seien Sie doch als "Partei der Ehrlichkeit" so ehrlich, das auch zu akzeptieren, das positiv zu sehen und in unserem Sinne mitzustimmen. Wir von der ÖVP tragen Verantwortung für diese Politik, wir sind dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

13.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.44

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Ein paar kurze Anmerkungen zu Günter Puttinger, den ich an sich sehr schätze, aber mit dem man sich natürlich auch inhaltlich ein bissel auseinandersetzen muß. Gott sei Dank gibt es noch keine weiblichen Ministranten, sonst müßte Frau Tichy-Schreder heute in die Hauskapelle. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Das war unter deiner Würde, Kollege Puttinger!

Meine Damen und Herren! Jetzt kommen wir zum Thema Ehrlichkeit. (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. ) Herr Peter Hochegger, Leiter des WIFI der Wirtschaftskammer Steiermark, schreibt folgendes – wörtliches Zitat aus der jüngsten Ausgabe der Wirtschaftskammerzeitung aus der Steiermark –: "Solange es solche Gesetze gibt, die kein Mensch versteht, werden wir die Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht in den Griff bekommen." – Originalzitat eines schwarzen Kapazunders, der bejammert hat, was Sie vor wenigen Wochen beschlossen haben.

Das heißt also: Wo ist da die Ehrlichkeit: im Parlament, Kollege Puttinger, Lobeshymnen auf die sozialistische Koalition abstatten und in den Kammerzwangszeitungen dann das Gegenteil verkünden? Darüber werden wir uns einmal unterhalten, was ehrlich ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Puttinger: 80 Millionen!)

Ist es ehrlich, die Getränkesteuer draußen zu bekämpfen und hier herinnen umzufallen? Ist es ehrlich, die Werkvertragsregelungen draußen zu bekämpfen und hier herinnen umzufallen? Ist es ehrlich, den Bürgern einzureden, ihr wäret gegen das Arbeitnehmerschutzgesetz, und da im Liegen noch umzufallen, verdammt und zugenäht, werter Puttinger? (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Puttinger: 80 Millionen hat er gefordert!)

Meine Damen und Herren! Eine Budgetdebatte ist stets auch das Sittenbild der Regierung und der Koalition. Und aus diesem Blickwinkel betrachtet haben Sie Schwierigkeiten. Bundeskanzler Klima hat gestern durch Abwesenheit geglänzt und den armen Staatssekretär, dessen Name


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mir im Augenblick nicht einfällt, als Sittenbild der Regierung auf die Bank gesetzt. Er hat einen großen Bogen gemacht um das Haus, der Herr Klima, und um das so gefeierte Budget. Er wird schon wissen, warum: weil ihn nämlich dieses Budget schnell einholen wird, wenn es umgesetzt werden muß.

Wir wissen, daß die Sozialdemokratie natürlich froh ist, wenn sie nicht diskutieren muß, weil sie ja, wie man immer hört, bei den Menschen draußen große Schwierigkeiten hat. Es herrscht Endzeitstimmung: in Vorarlberg bedeutungslos, in Tirol ausgepfiffen, in Salzburg lahmt das Pferd, da wird auch bald die Mähre eingehen, und in Kärnten heillos zerstritten.

Die gestrigen Wortmeldungen gipfelten wirklich in Ideenlosigkeiten, insbesondere jene der Frau Cordula Frieser (Abg. Parnigoni: Die ist aber nicht von der SPÖ!), welche, in einer Zigarettenpause aus der Lobby kommend, vom Rednerpult aus einen politischen Lungenzug nach dem anderen gemacht hat. Sie sollten uns einmal erklären, wie dieses Budget wirklich in der Umsetzung ausschaut, Frau Cordula Frieser! (Abg. Schwarzenberger: Warum sind Sie so frauenfeindlich?) Ihre kohlrabenschwarze Lunge bedauere ich ja ob Ihres Zigarettenkonsums. Das ist nicht mein Problem, meine Damen und Herren, aber es ist das Problem der österreichischen Staatsbürger und Steuerzahler.

Nun zu Ihnen, Herr Bundesminister Dr. Farnleitner. Ich unterstelle Ihnen grundsätzlich einmal guten Willen. Was Sie uns aber heute wie auch schon einmal im Ausschuß vorgesetzt haben, das war – ich drücke mich zurückhaltend aus – wirklich ein Kaffeeplauderstündchen ohne Kaffee. Das war ein bißchen wenig, keine Vision, Herr Dr. Farnleitner! Die Aufnahme von Amerikanismen in den Sprachschatz ist kein Ersatz für ein wirtschaftspolitisches Programm! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nehmen wir uns einmal die Probleme des Handels vor; ein Spezialgebiet, von dem ich etwas zu verstehen meine. Wir haben jetzt 250 000 Mitarbeiter. Die Zahl der Lehrlingsausbildungsplätze geht zurück. Die Nahversorgung bricht weg. Wertvolle Vollzeitarbeitsplätze werden durch McJobs ersetzt – und keine neuen geschaffen, wohlgemerkt; darüber könnten wir uns ja noch unterhalten. Und dies nicht nur wegen der Globalisierung und nicht nur wegen des geänderten Verbraucherverhaltens – Herr Bundesminister, das wissen Sie genausogut wie ich –, sondern primär wegen einer fehlenden kartellgesetzlichen Bestimmung, die Nachfragemacht, Marktmacht hätte einschränken können!

Seit Jahren versprechen Ihre Vorgänger und Sie uns eine derartige kartellgesetzliche Regelung, um den Handel in den Dörfern, Märkten, Gemeinden und Städten überleben zu lassen im Sinne der Arbeitsplatzsicherung. Rot und Schwarz haben gemeinsam ein derartiges Kartellrecht verhindert, und zwar aus verschiedenen Gründen, die Schwarzen insbesondere wegen des Raiffeisenkonzerns. Und jetzt holt euch die Geschichte relativ geschwind ein.

Herr Kollege Puttinger! Sie sollten nicht nur die "Frankfurter Allgemeine" lesen, sondern hin und wieder auch die Klassiker, nämlich Herrn Goethe, der in seinem "Zauberlehrling" schon vieles geniös niedergeschrieben hat. Und dieser "Zauberlehrling" begleitet die Bundesregierung jetzt in ihrem Tun und Unterlassen. (Zwischenruf des Abg. Zweytick. )

Herr Bundesminister! Faktum ist, daß zum Beispiel wegen des Verhinderns des Verkaufs unter dem Einstandspreis, wo Sie bei den linken Genossen nicht durchkommen, die, wie gesagt, aus anderen Gründen diese Geschichte ablehnen, die Nahversorgung, der Mittelstand wegbricht. Das sind Fakten. Da können Sie mit noch so vielen Zahlen hausieren gehen, was den Export anbelangt! Der Mittelstand, der Hauptarbeitsplatzerhalter, bricht Ihnen laut KSV weg, meine Damen und Herren. Und dagegen sollten Sie Maßnahmen setzen, Kollege Puttinger, und nicht jetzt eine Philippika reiten für ein Budget. Aber ich verstehe ja, daß du das tun mußt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu den Lohnnebenkosten. Herr Bundesminister! Sie sind natürlich nicht direkt zuständig; das weiß ich schon. Aber in Ihrer Gesamtverantwortung im Ausschuß haben Sie gesagt: Die Lohnstückkosten sind viel interessanter, die Lohnnebenkosten sind nicht so wichtig. Herr Bundesminister! Haben Sie noch nie etwas von Dienstleistung gehört? Gibt es diese nicht? Da


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sollten Sie sich einmal fragen, ob es richtig ist, daß in den letzten drei Jahren die Sozialabgaben seitens der Unternehmer um 0,3 Prozent gestiegen sind und daß das die Wirtschaft insgesamt 7,5 Milliarden Schilling an Belastungen kostet, welche Sie natürlich nicht in Ihrer Kriegskasse, um nach Europa gehen zu können, drinnen haben.

Das ist das Problem, meine Damen und Herren, das Sie haben. In der Forschungsförderung null! Gründeroffensive: Na bitte, reden Sie mir doch wirklich nicht ein, daß Ihre Gewerbeordnung eine Gründeroffensive in Gang setzt. Seien Sie mir bitte nicht böse, wenn ich das sage, aber allein dieser Verordnungsentwurf zum Teilgewerbe! Nur ein Satz dazu. Liste der Teilgewerbe: Folgende Tätigkeiten sind Teilgewerbe: Abbruch von eingeschoßigen Gebäuden. – Na was ist mit den eineinhalbgeschoßigen Gebäuden, Herr Bundesminister? Ein Bürokratiemonster sondergleichen, eine Verhinderungsverordnung ist das und sonst gar nichts! Und das wissen Sie. Ein Papiertiger! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und wo bleibt Ihre Mittelstandsoffensive, meine Damen und Herren? Wir haben es hören müssen bei der jüngsten Mission des Ringes Freiheitlicher Wirtschaftstreibender in China, weil es uns der Außenhandelsdelegierte dort selbst gesagt hat: Die Eigenkapitalbasis fehlt, darum sind so wenige österreichische Firmen bei uns in China tätig. Und was tun Sie dazu? – Sie sitzen auf der Regierungsbank und waschen Ihre Hände in Unschuld. Der Pontius Pilatus war schon vor Ihnen da. Meine Damen und Herren, Sie sollten offensiv werden!

Jetzt sage ich Ihnen abschließend noch folgendes: Sie behaupten – etwa Frau Tichy-Schreder bläst in dieses Horn hinein –, die Freiheitlichen hätten keine Ahnung, keine Konzepte und so weiter. Da gibt es eine Umfrage der Wirtschaftskammer – Kämmerer, herhören! –, mit Zwangsmitgliedsbeiträgen finanziert. Das IMAS-Institut hat tausend Österreicher befragt: Ist die starke Belastung der österreichischen Wirtschaft durch den Staat für die Gefährdung der Arbeitsplätze hauptverantwortlich? Für 64 Prozent war die Antwort ja. Sind das jetzt die "bösen" Freiheitlichen gewesen? Oder sind das die Bürger gewesen? Von euch, von der Wirtschaftskammer, abgefragt, meine Damen und Herren! Wer ist für dieses Wirtschaftsklima in Österreich zuständig? – Wer denn sonst als diese sozialistische Koalition!

Jetzt wird es interessant, was die Kompetenz anbelangt. Kollege Puttinger! Herhören, die Ohren spitzen! Wenn es um die Lösung wirtschaftlicher Probleme geht, so sind laut diesen Befragten am kompetentesten: mit 13 Prozent die Sozialdemokraten – auch nicht das Gelbe vom Hühnerei, aber immerhin –, mit 8 Prozent eure schwarzen Freunde – also ihr von der SPÖ habt ganz schön die Nase vorn! –, und jetzt kommen die Freiheitlichen: Die Freiheitlichen haben 18 Prozent Kompetenz zugeordnet bekommen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Also allein haben wir genausoviel wie ihr miteinander, ihr seid aber dreimal so viele oder zweieinhalbmal so viele Abgeordnete! (Abg. Kröll: Die höchste Kompetenz hat die Wirtschaftskammer!) Ja wo bleibt denn das Hirnschmalz, das Sie einbringen wollen, meine Damen und Herren? Aus diesen und vielen anderen Gründen lehnen wir dieses Budget ab: weil es rückschrittlich ist, nicht innovativ ist und auf der Stelle tritt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Puttinger: Die höchste Kompetenz hat die Wirtschaftskammer laut Statistik!)

13.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.54

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach einem Vorredner wie Kollegen Haigermoser ist es nicht schwierig, die Debatte hier im Hohen Haus wieder etwas zu versachlichen. Aber auch aus Zeitgründen habe ich nicht die Möglichkeit, auf seine Beiträge einzugehen. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Herr Bundesminister! Ich habe Mitte dieses Jahres mit Freude zur Kenntnis genommen, daß von Ihnen und Generaldirektor Gruber das Generalübereinkommen für die Förderung erneuerbarer Energieträger unterzeichnet wurde. Es hat mich auch gefreut, daß unsere Forderungen,


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sprich Fondslösung, Investförderung, Einspeisetarife, den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechend in diesem Generalübereinkommen enthalten sind.

Wesentlich weniger freute mich die Dotierung dieses Generalübereinkommens. 20 Millionen Schilling sollten aus dem Wirtschaftsministerium kommen, 60 Millionen Schilling, wenn alle EVUs unterschreiben, von den EVUs. Aber, wie gesagt, ich habe der Kritik standgehalten. Ich habe einfach erklärt, eine minimale Lösung sei besser als keine.

Herr Bundesminister! Leider mußte ich nahezu ein halbes Jahr danach feststellen, daß dieses Generalübereinkommen noch immer nicht wirksam wurde. Ich ersuche Sie daher von hier aus, mit Ihren Regierungskollegen, mit Landwirtschaftsminister Molterer, mit Umweltminister Bartenstein, noch einmal darüber zu reden, ob es nicht möglich wäre, sie zum Beitritt zu diesem Generalübereinkommen zu bewegen, denn dann hätten wir wenigstens eine ordentliche Dotierung. Die 250 Millionen Schilling, die beide auf den Weg bringen wollen, plus die 80 Millionen Schilling, das wären dann 330 Millionen Schilling. Damit könnten wir gezielt und wirksam erneuerbare Energieträger fördern.

Ein Anliegen diesbezüglich ist mir auch, daß wir auch die Länder dazu bringen, beizutreten, damit mit dem bestehenden Fleckerlteppich der Förderungen im Zusammenhang mit erneuerbaren Energieträgern endlich einmal aufgeräumt wird.

Abschließend, Herr Bundesminister: Das beste Übereinkommen ist erst dann ein gutes Übereinkommen, wenn es endlich wirksam wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.57

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich auf bestimmte Schwerpunkte konzentrieren, und zwar insbesondere auf die für den Wirtschaftsstandort Österreich nicht ganz unwesentliche Frage einer Neuordnung der österreichischen Elektrizitätswirtschaft. Ich muß zu meinem Bedauern feststellen, daß der Herr Bundesminister diesbezüglich eine Zeitreihe vorgelegt hat, die aus der Sicht der Liberalen unerfreulich ist.

Zu Beginn seiner Ministerschaft hatte er noch eine politische Ansage gewählt, die die Hoffnung berechtigt erscheinen ließ, es werde zu einer echten Strukturreform kommen. Mittlerweile sind wir bei einer Punktation gelandet, die eigentlich eine Kapitulation ist, nämlich eine Kapitulation vor den Landeshauptleuten. Und das ist für die langfristige und nachhaltige Entwicklung einer Infrastrukturfrage zu allen Zeiten schlecht gewesen. Denn Landeshauptleute sehen Infrastrukturprobleme sehr stark aus einer verkürzten egoistischen Sicht, aus einer zu stark regionalbetonten Sicht. Und die Infrastrukturfrage der großen Elektrizitätsnetze in diesem Land und einer auch gut organisierten Aufbringung von elektrischem Strom wird in den Händen der Landeshauptleute verkommen; verkommen zu Projekten wie Lambach, verkommen zu Projekten, die wir aus gesamtvolkswirtschaftlicher Sicht, aber auch aus der unmittelbaren Notwendigkeit des Wirtschaftens zumindest vom Zeitpunkt her nicht brauchen, wenn überhaupt.

Aber solche Fragen werden dann nicht diskutiert werden, wenn, Herr Bundesminister, das Wirklichkeit werden sollte, was Sie sich unter Strukturreform der österreichischen Elektrizitätswirtschaft vorstellen. Es wird nicht gut sein, wenn wir hier eine der wesentlichen Aufgaben des Bundes eigentlich kampflos abtreten. Herr Bundesminister Farnleitner! Sie sind ja als langjährig mit diesen Themen befaßter Mann hinlänglich kenntnisreich, um zu wissen, daß das, was jetzt von Ihrem Haus beziehungsweise von Ihnen vorgeschlagen wird, nicht die beste Lösung ist. Sie wissen, daß sie problematisch ist vor dem Hintergrund der Liberalisierung der Elektrizitätsmärkte. Sie wissen, daß sie problematisch ist vor dem Hintergrund der Herstellung eines zumindest auf dieser Ebene relativ einheitlichen Wirtschaftsraumes mit einheitlichen Konditionen für die Unternehmen von der Struktur her. Denn was, glauben Sie, wird ein Investor sagen, wenn er bemerkt, daß es bei Ihren Überlegungen einen wesentlichen Unterschied


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ausmacht, ob er seine Investition in Enns oder in Amstetten tätigt, nur weil zufällig eine Bundesländergrenze dazwischen ist, wo wir doch eigentlich im Begriff sind, einen einheitlichen Wirtschaftsraum Europa zu schaffen?

Daher bitte ich Sie ganz inständig – oder auch sehr forsch, wie Sie es lieber haben –: Überlegen Sie sich noch einmal, ob Sie den Weg, in dieser Frage Parteipolitik vor Sachpolitik zu stellen, tatsächlich weitergehen wollen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Gerade in diesem Zusammenhang mahne ich etwas ein, und ich bin diesbezüglich im Gespräch mit den Energiesprechern der anderen Fraktionen: Das Parlament wird nicht einmal in die Vorkonsultation, ja in überhaupt keiner Weise eingebunden (Abg. Hans Helmut Moser: Typisch!), und all das, was jetzt im Gange ist, läuft ausschließlich zwischen den Büros der Landeshauptleute und Ihrem Haus – bestenfalls noch zwischen Ihrem Haus und den Büros anderer Lobbyisten –, und das ist ganz schlecht, weil es um wesentliche, langfristige Weichenstellungen geht. (Abg. Hans Helmut Moser: Das ist aber typisch für diese Bundesregierung!)

Ich erspare mir, Ihnen im Detail vorzustellen, was eigentlich Sache sein sollte im Bereich der Elektrizitätsstruktur – alle, die sich wirklich dafür interessieren, wissen das ohnehin –, aber ein paar Bemerkungen darf ich schon machen. Wenn Sie diesen merkwürdigen und unheiligen Gegensatz zwischen den Bundesländern und dem Bund nicht aufbrechen und eine österreichweite, aus einer Hand heraus agierende neue Verbundgesellschaft schaffen, die sich ihrer Aufgabe als Netzgesellschaft und für das Lastmanagement zuständige Stelle besinnt und dies auch ungestört von Dritteinflüssen betreiben kann, dann werden Sie erleben, daß über kurz oder lang die eigentlichen Entscheidungszentren über die Weiterentwicklung der Infrastrukturen insbesondere in den Höchstspannungsnetzen irgendwohin, weit weg von unserem Land, abwandern. Wenn Sie nicht Prinzipien einführen, die Ihnen allen bekannt sind, wie eben ein echtes Unbundling, dann werden Sie den sinnvollen Druck des Wettbewerbs innerhalb der Elektrizitätswirtschaft nicht wirksam werden lassen, mit all den bekannten Effekten auf unverhältnismäßig hohe Preise – "unverhältnismäßig" ist das wesentliche Wort.

Daß Sie vor diesem Hintergrund keine besonderen Anstrengungen unternehmen, um sich von Ihrem Haus aus im Rahmen einer ökologischen Steuerreform auf der politischen Ebene stark zu machen, ist zwar kein Wunder, aber ich muß Ihnen schon sagen, ich hätte mir da mehr von Ihnen erhofft. Sie wissen so gut wie ich, daß die Beamtenschaft Ihres Hauses in der Lage, willens und bereit ist, sich auch bei innovativen Reformen voll einzusetzen, aber die politische Vorgabe muß von Ihnen kommen. Wenn aber die politische Vorgabe nicht von Ihnen kommt beziehungsweise zwar von Ihnen, aber eigentlich von den Landeshauptleuten kommt, dann kann sich nichts entwickeln. Herr Bundesminister, ich bitte Sie wirklich, sich das noch einmal zu überlegen. Kehren Sie zu Ihrer Sachlichkeit zurück und überwinden Sie dieses Parteienhickhack!

Daß die Sache am Parlament vorbeigetragen wird, ist aus mehreren Gründen schade. Sie wissen, daß es gerade in diesem Feld sehr konstruktive Ansätze auch im Bereich der Oppositionsparteien gibt. Ich will hier keine andere Fraktion vereinnahmen, aber für die liberale Fraktion kann ich Ihnen sagen: Wir wären jederzeit zur Verfügung gestanden und wir stünden auch in Zukunft zur Verfügung, denn wenn es um solche Überlebensfragen geht, dann kneifen wir nicht. Dann lehnen wir uns nicht einfach hämisch in unseren Sesseln zurück und warten, bis es mißlungen ist, um nachher gut schimpfen zu können. Dieses Thema ist uns zu wichtig! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zum Abschluß eine Feststellung im Zusammenhang mit einem wichtigen Umweltaspekt, der von meiner Vorrednerin Langthaler schon angesprochen wurde: Die CO2-Problematik haben Sie aus den Augen verloren. Sie wissen ganz genau, eine CO2-Reduktion ist nur möglich, wenn es tatsächlich gelingt, sinnvolle mengenmäßige Einsparungen beim Einsatz von fossilen Energieträgern zu bewirken. Daher schlage ich Ihnen vor: Reden Sie doch einmal mit Ihrem Ministerkollegen Bartenstein. Vielleicht hat er einmal Zeit, sich auch um Umweltfragen zu kümmern, wenn er vielleicht einmal den Blick von seiner familienpolitischen Verkrampfung hebt. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.05


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kröll. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.05

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Es wurden von meinen Vorrednern schon viele Klarstellungen, Richtigstellungen und Ergänzungen gebracht. Zum Kollegen Haigermoser muß ich eines sagen – jetzt ist er da (Abg. Haigermoser: Ich höre! Ich spitze die Ohren!)  –: Es stimmt alles mit den Prozentzahlen, die du im Zusammenhang mit der Kompetenzfrage genannt hast, nur hast du vorher und nachher nicht weitergelesen. Dort wird auch die höchste Kompetenz genannt, und das ist die Wirtschaftskammer. Das hat auch etwas mit dem Wirtschaftsbund und mit Puttinger zu tun, das ist schon klar. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Ehrlichkeit wegen sollte man das schon im gesamten zitieren und nicht nur das, was für die ÖVP am schlechtesten ist, bringen und das, was für die ÖVP am besten ist, vergessen! (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Es geht nur um die Ehrlichkeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zu den Kapiteln 63 und 64, Tourismus und Bauten. Das Grundbudget für das Kapitel 63 beträgt rund 2,8 Milliarden Schilling, und für das Kapitel Bauten sind 18,3 Milliarden Schilling im Voranschlag. Die Mautvignette hat sich bewährt, und wenn man das zusammen mit der ASFINAG sieht, dann kann man feststellen, daß auch der Bundesstraßenbau in seiner Programmfortsetzung finanziell gesichert ist. Diese stabilen Einnahmen von über 3 Milliarden Schilling sichern die Fortführung des Straßenbaues.

Im Bautenausschuß kam auch zur Sprache, daß Bundesstraßen künftig in die Länderkompetenz fallen sollen. Dies ist grundsätzlich sicherlich richtig und auch begrüßenswert. Es sollten aber auch in Zukunft Bundesstraßen von überregionaler Bedeutung in der Kompetenz des Bundes bleiben. Der Herr Minister hat im Ausschuß dazu seine Meinung gesagt. Ich bin sehr dankbar, daß man dies entsprechend berücksichtigen wird.

Einige Betrachtungen zum Tourismus. Die Sommersaison war wirklich kalt – warm, wie wir auf dem Land so schön sagen, oder, wenn Sie wollen, verregnet, aber dann kam doch auch der Sonnenschein. Das ist sprichwörtlich und bildlich gesprochen, aber auch von der Statistik her belegt. Die genaue Abrechnung beziehungsweise die Statistik über das Sommerhalbjahr 1997 liegt noch nicht amtlich vor, aber man kann schon sagen, daß mit einem erträglichen Minus zu rechnen ist – ich betone: mit einem erträglichen Minus. Die negativen Prognosen, die etwa im Juli veröffentlicht wurden, und die Erwartungen aufgrund dieser Prognosen hinsichtlich eines zweistelligen Rückganges der Prozentzahlen konnten erfreulicherweise durch einen viel besseren Verlauf der zweiten Hälfte des Sommers – auch wetterbedingt, das möchte ich unterstreichen – weitgehend wieder wettgemacht werden.

Das soll nicht heißen, daß wir keine Probleme haben, es zeigt aber, daß auch noch so teure Studien über eines nicht hinwegtäuschen können: Der Tourismus ist unheimlich wetterabhängig. Wir haben das gesehen: Als es sechs Wochen durchgeregnet hat, da waren die Zahlen mit einem zweistelligen Minus im Keller, und als die Sonne geschienen hat, sind die Leute wieder zum Urlauben an die Seen und in die Berge gekommen. Das ist bitte eine Tatsache. Es wird wohl mit einem Nächtigungsminus von etwa 3 Prozent zu rechnen sein, und bei den Ankünften könnte es sogar gelingen, die Personenanzahl des Vorjahrs zu halten, was natürlich heißt, daß ein kürzerer Aufenthalt zu verzeichnen war. Bei den Tourismuseinnahmen zeichnet sich ebenfalls ein geringer, etwa 2prozentiger Rückgang ab.

Ich sagte schon, wie wetterabhängig die Tourismuswirtschaft ist. Es gibt aber auch, meine Damen und Herren, und darauf bin ich als Steirer besonders stolz, gerade im vergangenen Sommerhalbjahr starke regionale Unterschiede. Bei der Länderwertung schneidet die Steiermark mit rund 1,6 Prozent Plus bei den Nächtigungen und bei den Umsätzen mit sogar über 2 Prozent Plus am allerbesten von allen Bundesländern ab. Ich möchte daher das, was hier kritisch vermerkt wurde, umgekehrt als Dank zum Ausdruck bringen: Es gab eine gute


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97. Sitzung / Seite 76

Kooperation, verbunden mit großen Events. Sie wissen, gerade ein touristisches Großereignis wie der Österreichring schlägt sich positiv zu Buche, und darüber freuen wir uns.

Meine Damen und Herren! Besonders freue ich mich darüber, daß es doch möglich gemacht wurde – ich möchte mich in diesem Punkt Puttinger anschließen, der schon darauf hingewiesen hat –, daß nun die volle Dotierung der "Österreich Werbung" von 350 Millionen Schilling zur Verfügung steht, daß also die Nachdotierung von 50 Millionen Schilling möglich war. Wir können feststellen, daß die Umstrukturierung der "Österreich Werbung" – ein Strategiekonzept der "Österreich Werbung" in Kooperation mit Ländern, Interessenvertretungen, aber auch mit den Gemeinden – bereits Früchte trägt. Der Werbemitteleinsatz der "Österreich Werbung" konnte erfreulicherweise vom Budgetanteil 1995 mit 44 Prozent auf nunmehr 57 Prozent für Werbe- und Marketingmaßnahmen im Jahre 1998 umstrukturiert und verbessert werden. Ich glaube, daß dieses Konzept absolut aufgeht, und ich möchte das als sehr positiv herausstreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Darüber hinaus sind die TOP-Tourismus-Förderung 1997 bis 1999 auch für umweltbezogene Energieeinsparungsprojekte, Abfallvermeidung und dergleichen mehr, die Gewerbestrukturverbesserung und das Umweltschutzzeichen positiv zu erwähnen.

Im Rahmen des EU-Vorsitzes Österreichs ist eine große Qualitätsmanagement- und Tourismuskonferenz in Mayrhofen vorgesehen. Davon erwarte ich mir einiges. Österreich wird dort sicherlich Themen wie die Ferienstaffelung international zur Sprache bringen.

Zum Schluß kommend: Ich meine, daß 1998 – wie von vielen prognostiziert – so etwas wie die Talsohle einer mehrjährigen rückläufigen Entwicklung sein kann und wird. Österreich hat sicherlich gute Chancen, im verstärkten internationalen Wettbewerb weiterhin gut zu bestehen, und zwar als eines der bedeutendsten Tourismusländer Europas. Denn wir haben in den Gemeinden eine gute Infrastruktur für Sommer und Winter mit großartigen Leistungen, geschultes und freundliches Personal, eine positive Tourismusgesinnung, eine Kulturlandschaft und Naturschönheiten, ein breites kulturelles Angebot, einen hohen Umweltstandard und qualitativ großartige Betriebe in der Gastronomie, in der Hotellerie, im Privatbereich und auch auf dem Bauernhof. Großveranstaltungen runden dieses Bild ab. (Abg. Dr. Khol: Zeit!)

Ich meine, daß der Tourismus für uns alle von eminenter Wichtigkeit ist, denn er bietet vielen Menschen Arbeit und Existenz und schafft einen Lebensraum, einen Überlebensraum auf dem Land, in den Bergen und in den Tälern. Er bedeutet aber auch für viele Menschen Begegnung – national und international. – Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Van der Bellen. – Bitte.

14.12

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich spreche ausschließlich zur Technologieoffensive, die angeblich einen Schwerpunkt dieser Bundesregierung darstellt.

Ich darf Sie daran erinnern, daß zur Jahresmitte 1997 die Dotierung des Forschungsförderungsfonds der gewerblichen Wirtschaft, des FFF, mit sage und schreibe 1 000 S vorgesehen war, also praktisch mit einem Erinnerungsgroschen. Das hätte bedeutet, daß der FFF ab Juli 1997 seine Förderungstätigkeit hätte einstellen müssen.

In der Folge wurden dann im Budget 1998, im einschlägigen Kapitel 63, 470 Millionen Schilling Zuschuß für den FFF budgetiert; diese Zahl fand sich auch im Teilheft zum Bundesvoranschlag 1998.

Herr Bundesminister! Sie haben Mitte Oktober an einen Wirtschaftstreibenden, einen Manager, folgenden Brief im Zusammenhang mit der Tätigkeit des FFF geschrieben:

"Sehr geehrter Herr Sowieso! Zu Ihrem Schreiben vom 6. Oktober des Jahres darf ich Ihnen folgendes mitteilen:


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97. Sitzung / Seite 77

Der Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft erfüllt meines Erachtens nach eine zentrale Rolle in der österreichischen Technologiepolitik. Es ist daher keineswegs daran gedacht, ihn in seiner Förderungsvergabe zu beschneiden, vielmehr werde ich mich dafür einsetzen, daß die bewährte Förderung von unternehmerischen Forschungs- und Entwicklungsprojekten des Fonds eine zentrale Rolle im Rahmen der Technologieoffensive der Bundesregierung spielen wird.

Das bottom-up-Prinzip des FFF ergänzend wird es künftig notwendig sein, verstärkt spezifische Regierungsoffensiven und Impulsprogramme zu forcieren ..." und so weiter, "mit freundlichen Grüßen, Hannes Farnleitner."

Das war Mitte Oktober, zu einer Zeit, als die Abänderungsanträge zum BVA zumindest den einschlägig befaßten Ministern und ihren Beamten durchaus bekannt sein mußten.

Am 31. Oktober, ungefähr 14 Tage später, fand die Sitzung des Budgetausschusses statt. In dieser Sitzung wurde von Minister Edlinger klargestellt, daß die budgetierten 470 Millionen Schilling für den FFF auf null gekürzt werden, daß der entsprechende Betrag in die allgemeine Wirtschaftsförderung des Wirtschaftsministeriums transferiert wird, daß eine Finanzierung des FFF 1998/99 nicht vorgesehen ist, daß statt dessen der Fonds seine Politik von einer Darlehensvergabe auf Zinsenzuschüsse umstellen sollte und daß frühestens ab dem Jahr 2000 an eine neuerliche Dotierung des Fonds gedacht sei.

Ich gehe gar nicht auf die theoretisch interessante Frage ein, inwieweit diese neue Politik der Zinsenzuschüsse mehr eine Bankenförderung als eine Forschungsförderung ist, sondern beschränke mich auf die Reaktion des FFF und zitiere aus einem Brief des Präsidenten Dr. Werner Frantsits an Herrn Bundeskanzler Mag. Viktor Klima vom 7. November dieses Jahres, also eine Woche nach der Sitzung des Budgetausschusses:

"Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Laut Mitteilung der APA und Bestätigung durch das Finanzministerium wurden im Budgetausschuß die für den FFF als Dotation 1998 vorgesehenen 470 Millionen Schilling in die ,allgemeine Wirtschaftsförderung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten‘ transferiert. Damit ist der Budgetansatz für den FFF für 1998 auf öS NULL gesetzt, entgegen den Mitteilungen des Wirtschaftsministers an die Presse. Für die österreichische Forschungsförderung und den FFF stellt dies eine außergewöhnlich prekäre Situation dar. Auch wenn der FFF seine Darlehensrückflüsse (verfügbar etwa 460 Millionen Schilling) alle in Zuschüsse umwandelt, würde sich damit gegenüber 1997 (Barwert knapp 1 Milliarde Schilling) de facto der mögliche Förderbarwert des kommenden Jahres halbieren und die Förderungstätigkeit muß sich ausschließlich in eingeschränktem Umfang auf die Fortsetzung früher begonnener F&E-Projekte konzentrieren."

"Neue Forschungsprojekte" – ich bin immer noch beim Brief des FFF an Bundeskanzler Klima – "können keine in Angriff genommen werden, erfolgreiche und notwendige Aktionen wie die geplante und den Firmen bereits avisierte Lebensmittelinitiative, Kooperation KMU-Wissenschaft, Technologiecluster Kfz-Zulieferer, Ansiedlung von F&E-Abteilungen internationaler Konzerne müssen abgesagt oder zurückgestellt werden.

Wir ersuchen Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, nachdem unsere bisherigen Mitteilungen an Sie keinerlei sichtbaren Erfolg erbrachten, dringend" – fettgedruckt –, "die ausreichende Dotierung des FFF zu veranlassen. Die sonstige Konsequenz ist ein völliger Zusammenbruch der im Wirkungsbereich des FFF erfolgreich begonnenen ,Technologieoffensive‘ ab Jänner 1998." – Das Wort "Technologieoffensive" wird hier mit Recht unter Anführungszeichen gesetzt.

"Fairerweise" – ich zitiere weiter – "muß der FFF die Tatsache, daß er nur noch marginale Fördermittel für 1998 für neue Projekte zu vergeben hat, spätestens im November" – also jetzt – "den forschenden Firmen mitteilen. Hochachtungsvoll Ihr Werner Frantsits."

Ich habe das deshalb in extenso vorgelesen, weil ich möchte, daß diese beiden Schreiben in den Stenographischen Protokollen des Parlaments festgehalten sind: der Brief des Wirtschaftsministers, der zur gleichen Zeit verfaßt wurde, als die Dotation des FFF von 470 Millionen


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Schilling auf null gekürzt wurde, und jener Brief, der eine Woche nach der Sitzung des Budgetausschusses an den Bundeskanzler geschrieben wurde. In diesen Briefen wird, wie ich meine, unmißverständlich auf die Konsequenzen dieser Politik hingewiesen. Es soll keiner meiner Kolleginnen und Kollegen hier im Hause nachher sagen können: Wir haben das ja leider nicht gewußt.

Herr Bundesminister Farnleitner! Die Ankündigung der sogenannten Technologieoffensive wurde von allen fünf Parteien dieses Hauses begrüßt. Es ist aber leider bei der Ankündigung geblieben. Es gibt keine Technologie-Milliarde, weder 1997 noch 1998 noch 1999. Es gibt lediglich in Kapitel 5183 einen Budgetposten von 1 Milliarde Schilling, aber die ist ja zu einem erheblichen Teil für die sogenannte Exportoffensive zweckgebunden. Gleichzeitig wurde aber die FFF-Dotation von 470 Millionen Schilling auf null gekürzt. Und das nennen Sie eine Technologieoffensive!

Ich frage mich wirklich, Herr Wirtschaftsminister, wie Sie das verantworten können angesichts der Tatsache, daß die Technologieoffensive einer der wenigen Punkte war, die interessant waren – sowohl in der Regierungserklärung wie in der Budgetrede des Finanzministers und in anderen Äußerungen vor allem des Bundeskanzlers und auch von Ihnen selbst. Und dann folgt diesen Worten nichts, außer daß die Dotation des FFF von 470 Millionen Schilling auf null gekürzt wird. "Gekürzt" ist in diesem Zusammenhang ein euphemistischer Ausdruck.

Herr Bundesminister! Ich erwarte von Ihnen zumindest, daß Sie heute verbindlich erklären, daß Sie nach wie vor gedenken, die 470 Millionen Schilling, die jetzt in Ihr eigenes Budget überwiesen, transferiert wurden, dem FFF zur Verfügung zu stellen. Daran hindert Sie doch niemand. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

14.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

14.21

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich wollte zwar erst später sprechen, aber zu zwei Bereichen muß ich zwischendurch das Wort ergreifen, um es Nachrednern zu ersparen, mir Dinge zu unterstellen oder vorzuwerfen, die mit der Realität wenig zu tun haben.

Zur Frage der Forschungsförderung, die Herr Professor Van der Bellen dargestellt hat. Wenn das so einfach wäre, wie Sie es darstellen, Herr Abgeordneter, dann wäre das ein liebenswertes Land. Es ist aber anders.

Minister Edlinger und ich haben uns bei den Budgetverhandlungen in der Forschungspolitik im Prinzip darauf geeinigt, da wir den optimalen Einsatz von jedem Schilling in der Forschungsförderung wollen, daß der FFF von seiner Standardpraxis, Kredite statt Zuschüsse zu vergeben und wie eine Bank zu arbeiten, abgeht und das Geld mit einer Multiplikatorwirkung für Zuschüsse verwendet.

Das Ergebnis war, daß wir draufgekommen sind, daß der FFF schon immer Belastungen vorgenommen hat, mit denen er seinem Jahresbudget weit vorgegriffen hat. Wir hatten eine zweifache Erziehungsarbeit gegen eine außerordentlich unkonstruktive Arbeit mancher Herren des Fonds in Briefen an diverse Unternehmer durchzuführen.

Sich zu dieser neuen Politik zu bekennen, hat einige Zeit gedauert. Jetzt ist es so, daß der FFF freiwillig soweit ist, daß er teilweise an Kleinstbetriebe, wo es notwendig ist, weiterhin Kredite vergibt, aber Großbetrieben nur mehr Zuschüsse gewährt. Damit hat er aufgrund der Rückflüsse hinreichend Geld zur Verfügung, um die wichtigsten laufenden Projekte zu dotieren.

Dann kam die Geschichte mit den 427 Millionen Schilling. Es war vor einer Sitzung im Herbst, im September, als von seiten des FFF behauptet wurde, er werde, wenn er keinen Budgetposten


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zur Deckung habe, keine Vorbelastung vornehmen, wie er es sonst jedes Jahr ohne Schwierigkeit getan hat. Wir haben daher diese budgetäre Zwischenmaßnahme getroffen, um ihm die entsprechende Rechtfertigung zu geben.

Wir sind zusammengesessen und haben darüber beraten, was er an Vorhersehbarem braucht, wenn er die neue Finanzierungspolitik macht und wenn er nächstes Jahr neue Projekte bekommt. – Die Information, die wir bekommen haben, lautete dahin gehend, daß er, wenn er aus den 2 Milliarden Schilling aus der Bank-Austria-Privatisierung und der CA-Privatisierung jeweils etwa 300 Millionen Schilling bekommt – und das ist im Finanzministerium für beide Budgets in den Regierungsbeschlüssen vorgesehen –, bei keinem Projekt eine Abweisung zu befürchten hat.

In der Zwischenzeit haben die Gespräche zur Exportoffensive ihren Fortgang genommen. Herr Präsident! Erlauben Sie mir auch dazu einige informierende Worte an das Hohe Haus.

Es ging dabei um vier Komponenten. Die erste Komponente war eine Neudefinition des Rates für Wissenschaft und Forschung und seine Neuansiedlung. Es besteht in den legistischen Vorarbeiten, die aber noch nicht offiziell ausgesendet worden sind, Einvernehmen darüber, daß dieser Rat zwischen Bundeskanzler und Vizekanzler angesiedelt, neu besetzt und sozusagen als eine Art Steering Committee für Forschungspolitik in Österreich etabliert wird.

Zweiter Punkt: Es ging darum, die bisherigen zwei Fonds und den noch einzurichtenden KIR unter ein gemeinsames Dach zu bringen. Da gibt es noch eine Diskussion über die Ansiedlung dieses Daches.

Dritter Bereich: Finanzierung. Es war und ist außer Streit, daß aus Mitteln des ERP-Fonds schon im nächsten Jahr etwa 1 Milliarde Schilling in die Finanzierung der beiden Fonds eingebracht wird, unter heftigem Aufschrei aller dort Betroffenen – natürlich, wo geht so etwas bei uns ohne Aufschrei. Weiters werden in den Folgejahren jeweils 660 Millionen Schilling für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehen.

Viertens reden wir über ein budgetunabhängiges Fondsstiftungsvermögen, das man am besten nicht offiziell diskutiert, aber es steht hinreichend zur Diskussion, wo eine solche Dotation herkommt.

Ich sehe für die Forschungsdotation kein Problem und bitte Sie, das auch zur Kenntnis zu nehmen. Ich bin gerne bereit, Herr Professor Van der Bellen, auch im bilateralen Dialog sicherzustellen, daß wir uns einfach nicht länger – unter Anführungszeichen – "rollen" lassen.

Ich selbst war schon vor einiger Zeit bei Herrn Generaldirektor Sellemond. Er wird alle Forschungsprojekte, die er in Österreich vorhat, zu seiner Zufriedenheit gefördert erhalten. Es gibt auch kein Standortproblem. Da brauche ich mir, wenn ich auf den Erstredner Bezug nehme, keine Betriebsbesuche anraten zu lassen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich darf generell auf die Frage Energiepolitik eingehen. Meine Damen und Herren! Es gibt oftmals Berichte in den Medien, bei deren Lektüre ich selbst erstaunt bin, was ich alles gesagt haben, nicht getan haben und wofür ich überall Prügel bezogen haben soll. (Abg. Dr. Khol: Woher kommen die Berichte, Herr Minister?) Es wird hier mehr erfunden als recherchiert, und es ist ein "guter" Grundsatz, sich durch keine Recherche eine vorgefaßte Meinung abhanden kommen zu lassen.

Es läuft das auf einer Ebene, die nichts mit dem Energiegesetz zu tun hat, weil Eigentum und Umsetzung einer EU-Richtlinie wirklich zwei Paar Schuhe sind. Ich darf nun auf die Dinge, die auf der österreichischen Lösungsschiene laufen, kurz eingehen. Es besteht bereits Konsens, daß zwischen Verbundgesellschaft, WIENSTROM und EVN – eingeladen sind Oberösterreich und die Steiermark – eine Art dispositiver Optimierung der Stromerzeugung in Österreich sehr rasch stattfinden soll, jedenfalls vor Inkrafttreten der Richtlinie, damit unbeschadet davon die erforderlichen eigentumsmäßigen Verflechtungen und Neukonstruktionen in Angriff genommen


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werden können. Das ist bei den in Österreich bestehenden Organisations- und Mentalitätsunterschieden wahrscheinlich eine der schwierigsten Aufgaben, die man sich vorstellen kann. Ich bitte, das nicht zusammenzuwerfen. Es laufen bereits sehr konkrete Gespräche. Man wird sehen, ob die Steiermark und Oberösterreich dabei mittun.

Zum Gesetz selbst, das dieser Tage in Begutachtung geht. Es geht um die Umsetzung der EU-Richtlinie. Diese wird zügig umgesetzt, wir werden den Öffnungsgrad mit 40 GWh beginnen. Wir werden Verteilernetze öffnen, die selbst zugelassene Kunden haben, und Verteilernetze in einem größeren Rahmen. Wir werden sie auch für alle Landesgesellschaften öffnen, die selbst importieren wollen. Das alte traditionelle Monopol wird nicht mehr existieren, und es gibt entsprechende Regelungsvorstellungen. Diese werden Sie in Kürze alle vorliegen haben.

Ich bitte aber – weil ich wieder auf die Einspeistarife angesprochen worden bin – auch eines zu bedenken. Wir haben im Augenblick den Zustand, daß wir die Frage der Einspeistarife und der Einspeisregelung an die Landeshauptleute delegiert haben. Parallel dazu haben wir das Generalübereinkommen verhandelt. Nun ist die letzte Botschaft jene, daß die Länder nicht bereit sind, auf diese ihnen eingeräumte Kompetenz zu verzichten. Gleichzeitig hat sich herausgestellt, daß es bei der Umsetzung der EU-Richtlinie legistisch nahezu unmöglich ist, eine Steuerung in Richtung alternative Energie durchzuführen. Es haben sich wahrscheinlich mehrere über Zwischentöne aus Brüssel gefreut, daß das so nicht geht. (Abg. Mag. Schweitzer: Das stimmt ja gar nicht! Es gibt nationale Spielräume genug! Das ist gar nicht wahr!)

Auf der anderen Seite ist es völlig klar, daß wir, wenn wir etwa ein Modell haben, bei dem wir die Einspeistarife beim Land belassen und gleichzeitig aus der Symbiose von Eigentümer und Einspeisungsregler etwas sehr Fernes aus dem EOG, dem Energieorganisationsgesetz haben, wahrscheinlich zu einem namhafteren Einsatz von Alternativenergie kommen könnten, als wir das über das Generalübereinkommen, über nicht mögliche Steuerungsinstrumente aus der EU-Richtlinie zusammenbringen.

Herr Präsident! Soviel wollte ich zum Stand der Dinge sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mag. Gaßner vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Es war kein einziger Liberaler im Raum, der den Minister hätte hören können! Kein einziger Liberaler ist hier gewesen!) Entschuldigen Sie, Herr Klubobmann Khol, was sagten Sie? (Abg. Dr. Khol: Der Herr Minister hat den Liberalen geantwortet, und es war kein einziger Liberaler im Raum!)

Herr Abgeordneter Mag. Gaßner, bitte.

14.29

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich werde Sie hier nicht verleumden, wie das vorhin so angeklungen ist, ich möchte aber trotzdem mit einem Wort von Ihnen beginnen, das Sie bei der Ausschußdebatte gesagt haben, als Sie davon gesprochen haben, wie wichtig die Nord-Süd-Verbindung zwischen Tschechien und Oberösterreich sein wird, und als Sie auf die Bedeutung des Donauhafens Enns und die zukunftsträchtige Zusammenarbeit dieser beiden Regionen hingewiesen haben.

Mein Vorgänger in diesem Hohen Haus, Abgeordneter Robert Elmecker, an den ich mich im Zusammenhang mit meinem ersten Startversuch in Dankbarkeit erinnere, hat sich schon immer mit dieser Thematik auseinandergesetzt und ist hinter dieser leistungsfähigen Nord-Süd-Achse gestanden.

Ich möchte mich mit dem Ausbau des Donauhafens Enns beschäftigen. In einem Protokoll, das im Wirtschaftsministerium im März des vergangenen Jahres abgefaßt wurde, heißt es – ganz


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kurz daraus zitiert –: Die Region Ennshafen ist eines der größten Betriebsansiedlungsgebiete Österreichs. – Das ist eine ganz wesentliche Aussage. Weiters heißt es dann: Dort sind 4 000 Arbeitsplätze – ich wiederhole: 4 000 Arbeitsplätze! – allein auf oberösterreichischer Seite möglich. Es gibt große Firmen, die sich dafür interessieren, die aber leider dort nicht investieren, weil es an der notwendigen Verkehrsanbindung mangelt. Daneben ist zu bemerken, daß im Bereich Ennshafen bereits eine dreiviertel Milliarde Schilling öffentlicher Gelder investiert wurden.

Es fehlt also ganz eindeutig eine aufnahmefähige Verkehrsanbindung. Es fehlen zwei Autobahnanschlüsse, der eine im Raum St. Valentin/Rems, der andere zwischen Enns und Asten – von den Oberösterreichern "Eckmayr-Knoten" genannt –, und dazwischen eine leistungsfähige Verbindung, die, um Synergien zu nützen, mit der Bahn hergestellt werden könnte, aber leider ist man bei der Straße noch nicht so weit.

Man hat hin und wieder den Eindruck, daß die verantwortlichen Stellen in Ober- und Niederösterreich wahre Kirchturmpolitik betreiben. Jeder fürchtet, daß, wenn er etwas tut, der andere einen größeren Vorteil daraus zieht. Es ist also dringend notwendig, diese Verbindung herzustellen, will man auch die ökologisch so bedeutungsvolle Wasserstraße Rhein-Main-Donau-Kanal nützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hoffe, daß ich an dieser Stelle noch des öfteren die Möglichkeit haben werde, auf dieses dringende Problem hinzuweisen. Ich ersuche Sie, Herr Minister, daß Sie die Koordination dieses Vorhabens beobachten und begleiten und daß Sie diesem dringenden Anliegen den notwendigen Stellenwert beim Vollzug des Budgets einräumen, geht es dabei doch um Arbeitsplätze, auf die die Menschen in dieser Region dringend warten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Rosenstingl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.33

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Herr Bundesminister! Es ist sehr interessant, was Sie sagen, auch wenn es nicht ganz zur Sache ist. Sie haben nämlich Ihre Ausführungen mit der Bemerkung eingeleitet: Wenn das so einfach wäre, dann wäre das Land liebenswert oder lebenswert. – Wir haben das nicht ganz genau verstanden. – Ich möchte Ihnen dazu nur sagen: Das Land ist trotz der Regierungspolitik noch immer liebenswert und lebenswert! Aber diese Bemerkung von Ihnen zeigt deutlich, welches Österreich-Bewußtsein Sie und auch viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich verstehe schon, daß die Abgeordneten der Koalition die Wirtschaftssituation in Österreich beschönigen müssen. Tatsache ist aber, daß die Wirtschaftspolitik mit einem Kanzler Klima und unter den Wirtschaftsministern Schüssel, Ditz und Farnleitner von Hilflosigkeit gezeichnet war und ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist doch so, daß die Lage der Klein- und Mittelbetriebe immer schlechter wird und daß die Zahl der Insolvenzen dramatisch angestiegen ist. Und was machen Sie dagegen? Was macht diese Regierungskoalition dagegen? – Nichts! Ganz im Gegenteil, Sie erfinden immer neue Belastungen. Sie haben die Scheingewinnbesteuerung eingeführt, indem Sie außerbilanzmäßige Hinzurechnungen geschaffen haben und diese besteuern. Sie besteuern dadurch Einkommen, das die Unternehmer gar nicht haben. Sie haben laufend neue Belastungen durch zusätzliche Bürokratie geschaffen.

Herr Bundesminister! Ich kann mich an einen Redebeitrag von Ihnen erinnern, in dem Sie gesagt haben, man müsse die Betriebe entlasten, insbesondere, was die Statistiken betreffe. – Herr Bundesminister, warum machen Sie das nicht? Sie wissen doch ganz genau, welchen Verwaltungsaufwand die Betriebe zu bewältigen haben. Warum setzen Sie keine Handlungen? Warum setzen Sie sich gegenüber dem Koalitionspartner nicht durch? (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Bundesminister! Wo sind Ihre Ideen für die Wirtschaftsankurbelung? – Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Zitat von Ihnen bringen, und zwar im Zusammenhang mit einer schriftlichen Anfrage, die ich an Sie gerichtet habe. Auf die Frage "Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um insbesondere die Privatinvestitionen im Baubereich wieder anzukurbeln?" haben Sie mir geantwortet: "Privatkapital in beträchtlicher Höhe könnte hier sehr kurzfristig investiert werden. Voraussetzung dafür ist, daß die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen klar sind und den Investoren Rechtssicherheit für den gesamten steuerlich relevanten Betrachtungszeitraum zugesichert wird."

Herr Bundesminister! Sie haben ja gemeinsam mit den Sozialisten rückwirkende Steuergesetze beschlossen, wodurch die Rechtssicherheit in Österreich nicht mehr gegeben ist. Sie schreiben, das könne man machen, da müsse so sein, machen aber genau das Gegenteil und setzen überhaupt keine Handlungen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wer ist denn dafür zuständig, Herr Bundesminister? – Sie sind dafür zuständig! Sie müssen sich in der Regierung durchsetzen! Sie müssen die Rahmenbedingungen schaffen! Wozu sitzen Sie denn auf der Regierungsbank, Herr Bundesminister? – Offensichtlich nur, um die Hilflosigkeit dieser Bundesregierung zu repräsentieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie schreiben in dieser Anfragebeantwortung weiter: "Wesentlich ist ferner, daß nach Berechnungen anerkannter Fachleute auf steuerrechtlichem Gebiet bei einer Investitionsprämie in Höhe von 2 Prozent auf zehn Jahre den Ausfällen an Steuern und Sozialbeiträgen höhere Steuereinnahmen gegenüberstehen. Das heißt, dieses Modell rechnet sich, auch auf steuerlichem Gebiet."

Herr Bundesminister! Wenn sich dieses Modell rechnet, das heißt, wenn Sie dadurch sogar höhere Steuereinnahmen haben, weil das, wie Sie behaupten – und das glaube ich sogar –, die Bauwirtschaft ankurbeln würde, dann frage ich Sie: Warum haben wir diese Position nicht im Budget? Warum wurde das im Rahmen der Budgetbegleitgesetze nicht beschlossen? Warum haben Sie wieder einmal nicht gehandelt?

Herr Bundesminister! Sie sind ein großer Ankündiger, aber leider sind Sie ein Umsetzungszwerg. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und die österreichische Wirtschaft muß mit diesen Umsetzungszwergen auf der Regierungsbank leben, leider ist das so.

Herr Bundesminister, werden Sie endlich Ihren Aufgaben gerecht, und setzen Sie Handlungen im Interesse der österreichischen Wirtschaft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Ellmauer. Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.37

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Skandalisierer und Schwarzseher von der "F"! Ich glaube, eines ist unbestritten: Daß es mit der Wirtschaft in Österreich zurzeit aufwärts geht, kann man in jeder Zeitung nachlesen. Daß die Wirtschaftsforschungsinstitute bereits zweimal die Prognosen nach oben revidieren mußten, ist auch jedem bekannt. Und daß wir für das kommende Jahr ein Wirtschaftswachstum von zumindest 2,5, wenn nicht 3 Prozent zu erwarten haben, Herr Kollege Prinzhorn, wissen wir auch. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, einige Worte zum Budgetkapitel Bauten. Das Kapitel Bauten unterscheidet sich gegenüber dem Vorjahr aufgrund der umfassenden Änderungen im Bereich des Infrastrukturgesetzes sowie durch die Konsequenzen der Novellierung des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes, Änderungen, die wir vor der Sommerpause gemeinsam beschlossen haben. Das ist zu berücksichtigen, wenn man sich die Zahlen dieses Budgets vor Augen hält.


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Waren im Bundesvoranschlag 1997 noch 16,67 Milliarden an Ausgaben für Straßengesellschaften, Bundesstraßen A und S vorgesehen, so fällt der Ansatz für 1998 mit 7,69 Milliarden vergleichsweise gering aus. Das Kapitel Katastrophenfonds hingegen ist mit einem Budgetaufwand von 434 Millionen Schilling um etwas mehr als 50 Millionen höher dotiert. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Bundesminister, dafür, denn nun können verschiedene Lawinenschutzbauten, die bereits begonnen wurden, fertiggestellt und neue in Angriff genommen werden.

Im Bereich Straßen machen alleine die ausgelagerten Straßengesellschaften ein Ausgabenvolumen von 6,3 Milliarden Schilling aus, um das das Budgetkapitel Bauten schrumpft. Durch die Ausgliederung gehen naturgemäß auch die Einnahmen für das Budget zurück. Die Einnahmen aus dem Titel 642 erreichen gegenüber 6,6 Milliarden im Vorjahr nur mehr eine Höhe von 1,67 Milliarden. – Soweit zu den Zahlen.

Wie ist es um die Infrastruktur in Österreich bestellt? Was wird realisiert? – Aus der Sicht des Tourismus und aus der Sicht der Bürgermeister und Gemeinden sind Ortsumfahrungen vorrangig zu behandeln. Der Gast kommt nach wie vor gerne mit Auto oder Bus. Er schätzt seine Mobilität und erwartet daher zeitgemäße Anbindungen. Doch nicht nur die Gäste leiden unter den hohen Verkehrsdichten und Staus bei den Ortsdurchfahrten, auch für die heimische Bevölkerung überschreitet die Verkehrsbelastung inzwischen oft das erträgliche Maß. Daher sind allein in Oberösterreich derzeit 25 Umfahrungsprojekte mit einer projektierten Summe von 3 Milliarden Schilling in die höchste Dringlichkeitsstufe gereiht worden. Herr Bundesminister! Eine Aufstockung der Budgetmittel in diesem Bereich wäre wünschenswert und notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

Hohes Haus! Es ist wichtig, daß der Bund die Kompetenzen für den Bau von Bundesstraßen, einschließlich der hiefür notwendigen Finanzmittel, an die Länder abtritt. Die Verländerung der Bundesstraßen bringt eine Reihe von Vorteilen. Jeder zusätzliche Instanzenzug bedeutet Zeitverlust. Daher ist es sinnvoll, wenn die Entscheidungen beim jeweiligen Bundesland konzentriert werden. Der Bund sollte sich lediglich die Kompetenz für den Ausbau von Strecken überregionalen Charakters vorbehalten. Auch Umveltverträglichkeitsprüfungen sowie wasserrechtliche Angelegenheiten sollen bei Bundesstraßen die Länder übernehmen.

Die Vignette als Benützungsentgelt hat sich bewährt. Als positiv hervorzuheben ist vor allem der geringe Verwaltungsaufwand. Inzwischen stellt sich auch immer klarer heraus, daß eine österreichische Vorreiterrolle in Sachen Road-Pricing teuer und risikoreich wäre. (Abg. Haigermoser: Sehr interessant! Warum habt ihr es dann ins Regierungsübereinkommen hineingeschrieben?) Ich trete daher für eine Lösung im europäischen Gleichschritt ein, damit wir insbesondere unsere Transportunternehmen nicht der Gefahr von Vergeltungsaktionen aussetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Die letzten Bilder von Streiks aus Frankreich haben eindrucksvoll bewiesen, daß nationale Aktionen in diesem Bereich europaweite Auswirkungen haben. Die ab Dezember erhältliche neue Zehntagesvignette mit freier Wählbarkeit des ersten Gültigkeitstages ist aus Sicht des Tourismus als äußerst positiv zu beurteilen. Österreich verfügt über ein leistungsfähiges, gut ausgebautes Verkehrssystem. Daher sind Benützungsentgelte in angemessener Höhe auch zu rechtfertigen.

Vor dem Hintergrund der notwendigen Budgetdisziplin und im Hinblick auf die nachhaltige Erreichung der Konvergenzkriterien ist mit dem Budgetkapitel Bauten ein solider Voranschlag erstellt worden, dem ich meine Zustimmung im Interesse des Infrastrukturausbaus und der gesamten Bevölkerung Österreichs gerne gebe. (Beifall bei der ÖVP.)

14.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Rossmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.43

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werter Herr Bundesminister! Sie wissen es ganz genau, Sie sind mitverantwortlich


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dafür, daß in den letzten Jahren die Tourismusindustrie in Österreich 50 Milliarden Schilling an Einnahmen verloren hat. Wir Freiheitlichen haben ständig davor gewarnt, haben ständig die Regierung aufgefordert, endlich Maßnahmen zu setzen, aber es ist nichts passiert. Auch von Ihrer Seite her ist nichts passiert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun stehen wir vor den Trümmern der ersten Insolvenzwelle. Ich war auf der Gastronomiemesse in Salzburg und kann Ihnen versichern: Die nächste Insolvenzwelle rollt. Sie wird zwar nicht die genannte Summe erreichen, wohl aber die Zahl der Insolvenzen, und das alleine wegen der Einführung der Besteuerung der Sanierungsgewinne. Es ist ganz logisch, daß die Steuerberater ihren in Insolvenz befindlichen Klienten raten, möglichst schnell, noch vor dem 1. Jänner 1998, die Abwicklung zu tätigen. Aber Sie wissen das ohnehin ganz genau.

Und was unternehmen Sie dagegen, Herr Minister? – Sie schalten um Millionen fast ganzseitige Inserate in ganz Österreich. (Die Rednerin zeigt eine Zeitschrift.) Sie haben uns im Ausschuß gesagt, das kostet 1,5 Millionen. Sie haben uns weiters im Budgetausschuß mitgeteilt – das muß man sich einmal vorstellen! –, Sie schalten deshalb Inserate, weil Pressekonferenzen nichts bringen und die Journalisten nicht dementsprechend berichten. Da seien Ihnen Anzeigenschaltungen lieber.

Das muß man sich vorstellen! Aber es ist ja kein Wunder. Solche Dinge könnten ja Journalisten gar nicht berichten. Wissen Sie, was in diesem Inserat unter dem Titel "Vernünftige Politik für Unternehmer und Konsumenten" steht? – Das Hohe Haus wird das interessieren –: "Wir" – der Herr Minister – "fordern bessere Gesetze!" – Sie fordern bessere Gesetze! Sie sitzen in der Regierung und fordern bessere Gesetze.

Weiters fordern Sie in diesem Inserat Dynamisierung. – Ich erinnere nur an die Gewerbeordnung oder an die leidige Pensionsregelung.

Oder: Sie fordern Zufriedenheit der Unternehmer. – Das fordern Sie als Minister! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Sie machen die Gesetze und fordern Zufriedenheit der Unternehmer! Das ist zum Lachen!

Weiters fordern Sie Zufriedenheit der Konsumenten. – Ich denke nur etwa an die Vignettenlösung. Jetzt kommt der Schaber fürs Pickerl. Das ist Ihre Wirtschaftspolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Ich muß Ihnen sagen, ich bin empört – und die österreichische Bevölkerung sicherlich auch. Sie schalten um Steuergelder österreichweit Inserate, weil Sie Ihre Anliegen in der Regierung nicht umsetzen können. Das ist das Faktum. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Baldrian! Baldrian!) Sie waren diejenige, die diesen Weg zuerst beschritten hat. Sie waren um nichts besser, Frau Kollegin Fekter.

Wissen Sie, was diese Inseratenschaltung in meinen Augen ist? – Das ist Ihre Kapitulation als Wirtschaftsminister, weil Sie als Wirtschaftsminister gezwungen sind, Inserate zu schalten, um Ihre Forderungen und Anliegen kundzutun. Es gibt doch einen Ministerrat, und es gibt viele andere Möglichkeiten. Sie können selbst Ihr Ministerium dazu anregen, entsprechende Vorlagen auszuarbeiten. Aber was machen Sie? – Sie schalten Inserate.

Die Redezeit ist leider zu Ende, weil ich meinem Kollegen Schweitzer noch eine Minute abtrete. (Abg. Grabner: Gott sei Dank!) Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Minister: Handeln Sie, sonst werden Sie wirklich – und das ist ernst – als einer der unfähigsten Wirtschaftsminister dieser Republik in die Geschichte eingehen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ellmauer: Das ist unerhört! Unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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14.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Eder vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.47

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde es nicht so emotional machen wie meine Vorrednerin und will mich ihrer Meinung in überhaupt keiner Weise anschließen. Aber eine freudige Mitteilung habe ich trotzdem: Dank des Bemühens der Bundesregierung und auch des Bundesministers, der hinter mir sitzt, ist gestern im OMV-Vorstand beschlossen worden, daß zu den 106 Lehrlingen, die dort beschäftigt werden, weitere 20 zusätzlich freiwillig aufgenommen werden. Und für diese Bemühungen danke ich auch dem Herrn Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Bei dieser Benzinpreistreiberei kann man sich das schon leisten!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, ganz kurz auch zur Bauwirtschaft einige Bemerkungen zu machen, vor allem, was den Hochbau und den Tiefbau betrifft. Zum Hochbau nur ein paar Anmerkungen in die Richtung, daß in den letzten sechs, sieben Jahren dank einer großen Initiative der sozialdemokratischen Fraktion österreichweit enorm viele neue Wohnungen gebaut wurden. Das Angebot ist derzeit in einer Größenordnung, daß bereits die Mietpreise zu sinken beginnen. Das ist eine erfreuliche Mitteilung.

Ich kann auch feststellen, daß die Mittel für die Wohnbauförderung 1998 gegenüber 1997 entsprechend angehoben worden sind. Es ist allerdings so, daß die Wohnbauförderung von den Ländern, die sie verteilen, in Zukunft doch etwas intelligenter eingesetzt und vor allem in den Altbau fließen sollte. Es sollen in den Städten in erster Linie Althaussanierungen gefördert werden, denn diese sind besonders beschäftigungsintensiv und können auch das Baugewerbe und alle anderen damit verbundenen Gewerbe entsprechend ankurbeln. Ich hoffe, daß Wien, wo das bereits in großem Umfang geschieht, für die anderen Bundesländer eine entsprechende Vorbildwirkung hat.

Zum zweiten, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich erwähnen, daß im Bereich des Tiefbaus in den letzten Monaten insbesondere die Ausgliederung der ASFINAG im Mittelpunkt gestanden ist. Diese ASFINAG-Neu hat einerseits die Aufgabe, im hochrangigen Straßennetz den Lückenschluß vorzunehmen, und andererseits, die Straßenbewirtschaftung zu betreiben.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Dabei möchte ich nochmals auf das hinweisen, was Sie im Ausschuß gesagt haben, nämlich daß über die Vignetten für PKW 2,8 Milliarden Schilling eingenommen wurden, für LKW bis 12 Tonnen allerdings nur 300 Millionen Schilling, und die Straßenbenützungsabgabe lediglich 600 Millionen Schilling betragen hat, was aber nicht der ASFINAG, sondern dem Finanzminister zufließt. Was das Road-Pricing für LKW anbelangt – die Zahlen sprechen ja eine deutliche Sprache –, möchte ich Sie ersuchen, mit uns aktiv zu sein und möglichst dem Gesetz entsprechend, das wir gemeinsam beschlossen haben, die Termine einzuhalten.

Ich würde auch meinen, daß die Industrie – und das habe ich heute wieder durch Aussendungen bestätigt bekommen – durchaus in der Lage ist, das Road-Pricing auch für LKW – das betone ich noch einmal – rechtzeitig einzuführen. Ich bitte hier um entsprechende Unterstützung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.50

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Das Budget 1998 ist eine weitere Fortschreibung der bisherigen Budgetpolitik. Unnötiges wird fortgeschrieben, Wichtiges wie in den Vorjahren unberücksichtigt gelassen. Es fehlen Ansätze zu Strukturreformen, es fehlen Ansätze zur Senkung von Lohnnebenkosten, es fehlen Ansätze zum Abbau der Regelungsdichte. – Und genau jene Budgetposten werden gekürzt, die die Wirtschaft stärken würden, nämlich Forschung und Entwicklung, Exportoffensive und Weiterbildungsmaßnahmen.


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Daß das Budget 1998 keine Zielsetzungen enthält, wie etwa Maßnahmen zur Verringerung des Handelsbilanzdefizites oder zur Eigenkapitalverbesserung der KMUs, sei nur nebenbei erwähnt.

Nun kurz zur Technologie- und Forschungsförderung. Ursprünglich versprachen der Bundeskanzler, der Finanzminister und Sie, Herr Dr. Farnleitner, die Aufwendungen für die Technologie- und Forschungsförderung durch eine zusätzliche Technologie-Milliarde aufzustocken und damit die weit unter dem OECD-Durchschnitt von 1,55 Prozent liegende österreichische Forschungsquote deutlich anzuheben. Diese Versprechungen wurden medial groß angekündigt, aber wie sieht die Wahrheit aus? – Professor Dr. Van der Bellen hat Ihnen den Brief des FFF-Präsidenten Frantsits an den Herrn Bundeskanzler bereits vorgelesen – ich erspare mir die Wiederholung; ich wollte genau dasselbe tun. Aber, Herr Bundesminister, die Antwort, die Sie in Ihrem Redebeitrag gegeben haben, ist unbefriedigend, genauso wie Ihre schriftliche Antwort auf meine Frage, warum die Mittel für den FFF bereits vorher von 630 Millionen auf 470 Millionen gekürzt worden sind.

Darüber hinaus, Herr Bundesminister, wird mehr als deutlich, daß die Exportsteigerungen im heurigen Jahr ausschließlich auf den weicher gewordenen Schilling zurückzuführen sind. Auch der Konjunkturtest des Wifo vom Oktober bestätigt eine weiterhin zurückhaltende Inlandsnachfrage. Warum? – Weil die Belastungsmaßnahmen der Regierung die Kaufkraft geschädigt und durchgreifende Reformen unmöglich gemacht haben. Diese stehen bis heute aus. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Österreichs Wirtschaft wird durch das weitere Verlieren der internationalen Wettbewerbsfähigkeit langsam ins Abseits getrieben. Und die Regierung nimmt auch die Entwicklung auf dem Kapitalmarkt nicht wahr. Denn das Kapital hat eben "Flügel", Herr Bundesminister, wie Niederlassungsgründungen Vorarlberger Banken in der Schweiz beweisen. Diese wollen nämlich Anlegern entgegenkommen, die vor dem Euro flüchten.

Ich gebe Ihnen folgendes Beispiel: 150 000 D-Mark bringt der durchschnittliche deutsche Anleger nach Österreich. Unter Vorarlberger Banken geht bereits die Angst um, daß der Kapitalfluß in Zukunft einen Bogen um unsere Banken in Vorarlberg machen könnte. Sie bauen dem Euro mit eigenen Filialen in der Schweiz und Liechtenstein vor, schließlich wollen sie ja auch weiterhin an der lukrativen Kapitalflucht aus Deutschland mitnaschen. Denn innerhalb kürzester Zeit wurde jetzt eine Niederlassung der zweiten Vorarlberger Bank im Kanton St. Gallen eingerichtet, und zwar mitten in der St. Gallener Altstadt.

Der Vorstandsdirektor der Hypo-Bank Vorarlberg, Jodok Simma, hat dazu gesagt: Dieser Schritt kommt, weil einige unserer Kunden aus der EU ihr Geld in einem Land haben wollen, das in mittlerer Zukunft nicht zur EU gehören wird. Den Geld- und Kapitalströmen folgend, wollen wir unsere Kunden nicht irgendeinem Partner zuführen, sondern uns selbst, denn manche wollen nicht nur die Fluchtwährung zum Euro, sondern auch das Land dazu. (Abg. Mag. Stadler: So ist es! Das ist Tatsache! Sie ignorieren das einfach, Herr Bundesminister!)

Herr Bundesminister! Das ist die Situation. Die Bundesregierung spricht laufend von zusätzlichen Arbeitsplätzen. Dieses Beispiel zeigt aber, daß bereits Arbeitsplätze in die Schweiz verlagert werden. Mit Ihrer Politik, Herr Bundesminister, werden in Österreich keine weiteren Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Das vorliegende Budget trägt der Beschäftigungspolitik in keiner Weise Rechnung, und durch die einseitige Fixierung auf Maßnahmen, die der Maastricht-Kriterien-Erfüllung dienen, wird von den wichtigen Themen abgelenkt. Wie anders wäre es sonst möglich, daß im Rahmen dieser "kreativen Buchhaltung" mit Tricks in der Größenordnung von annähernd 60 Milliarden Schilling – wenn man das Budget genau durchsieht, kommt man auf diese Zahl – gearbeitet wird? – Erklären Sie mir diese Differenz! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Zu diesem Thema paßt wie die Faust aufs Auge das Problem der Mautflüchtlinge, die wir ja in großer Zahl in Vorarlberg haben. Vorwiegend aus Deutschland einreisende Ausländer, die in der Schweiz einkaufen und jetzt auch noch ihr Geld dort anlegen wollen, haben sich auf die Gemeindestraßen Vorarlbergs geflüchtet – zum Nachteil Tausender


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Bürger, die das in dieser Form auch nicht mehr hinnehmen können. Bringen Sie diese Autofahrer bitte wieder auf die höherrangigen Bundesstraßen zurück!

Ich bringe in diesem Zusammenhang folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Edith Haller, Ing. Wolfgang Nußbaumer und Kollegen betreffend die rasche Umsetzung von Maßnahmen zur Mautfreistellung für die Benützung von grenznahen Straßenabschnitten

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu setzen, die eine Mautfreistellung für die Benützung grenznaher Straßenabschnitte entsprechend dem Antrag 596/A der Abgeordneten Ing. Nußbaumer, Haller und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird, zum ehestmöglichen Zeitpunkt, spätestens jedoch bis zum 15. Dezember 1997, ermöglichen."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zusammenfassend, Herr Bundesminister: Ein Budget, bestehend aus Tricks, ein Budget mit weiteren Belastungen für die Bürger – allein die Abgaben- und Steuererhöhungen machen über 10 Milliarden aus –, ein Budget ohne sichtbare Ansätze zu Strukturverbesserungen wird wohl die Probleme der Zukunft nicht lösen können. Bedauerlicherweise wird der Jugend ein weiteres Jahr die Zukunftsperspektive vorenthalten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zweytick. – Herr Abgeordneter, Sie haben 3 Minuten bis zur Unterbrechung um 15 Uhr.

14.57

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ist es jetzt einfach schön langsam zuviel, daß man hier permanent immer nur alles schlechtmacht, die Jugend bedauert und in dieser unserer österreichischen Bevölkerung seitens der Wirtschaft alles immer nur schlechtmacht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es gibt hier immer nur negative Prognosen, es wird alles schlechtgemacht. – Es ist gar nicht so schlecht in unserem Land! Dieses Land hat bessere Daten als viele andere Länder in diesem europäischen Raum. Die Wirtschaftsdaten gehen nach oben, was beweist, daß der eingeschlagene Kurs den richtigen Weg darstellt. Und ihr (zu den Freiheitlichen) könnt singen und plärren und alles, was ihr wollt, es wird euch keiner glauben, denn diese Regierung samt ihren Wirtschaftsministern ist den richtigen Weg gegangen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ganz Europa beneidet uns darum. Das müßt ihr doch zugeben! Seid doch so ehrlich und gebt zu, daß der Weg zum großen Teil der Österreichischen Volkspartei unter unserem Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel zu verdanken ist, der sich oft trotz starken Gegenwinds durchgesetzt hat. Ohne die Entschlossenheit, lieber Freund Blünegger, hätten wir ein Budgetdefizit von 8 Prozent statt eines von 2,8 Prozent, keine so niedrige Inflationsrate von 1,2 Prozent, keine so niedrige Arbeitslosenrate im internationalen Vergleich und keine Steigerung in der für uns so wichtigen Exportwirtschaft. Ich erinnere daran, daß jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich von der Exportwirtschaft abhängt. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Ich halte die Steigerung der österreichischen Exportkraft für den wichtigsten strategischen Schritt zur Stärkung der österreichischen Wirtschaft und bin deshalb über die finanzielle Auf


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stockung der Finanzierungsfonds für österreichische Exporte sehr froh. Dies zeigt, daß wir die Zeichen der Zeit sehr wohl erkannt haben, unseren Kopf nicht in den Sand stecken, sondern aktive Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik betreiben.

Wir haben durch unsere Initiativen 3 000 zusätzliche Lehrplätze geschaffen. Es gibt eine immer stärker werdende Kooperation mit der Landwirtschaft. Jeder Beschäftigte in der Landwirtschaft, jeder dem Bauernstand Zugehörige in Österreich bringt einen weiteren Arbeitsplatz in der vor- oder nachgelagerten Industrie in Österreich. Arbeitsplätze werden nicht durch die Verwaltung von Arbeitslosen geschaffen, sondern durch eine funktionierende Wirtschaft, die in ihren Bemühungen unterstützt und gestärkt gehört.

Das Beispiel Südsteiermark, wo ich herkomme und wo während der letzten Jahre mehr als 14 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden konnten, zeigt, daß durch viel Engagement und den Willen zur Veränderung vieles bewegt werden kann.

Dort ist der Mittelstand zu Hause: Über 400 Klein- und Mittelbetriebe sorgen dort für Beschäftigung und Arbeit, und sie bringen auch etwas weiter. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) Liebe Frau Kollegin! Die zahlen auch Steuern ein!

Herr Präsident! Ich komme zum Schlußsatz: Die Zukunft bedeutet nur für die Mutigen eine Chance. Meine Damen und Herren! Mit Zaudern und Jammern schaffen wir die nötige Erneuerung, ich meine damit auch die Erneuerung unseres Denkens und Handelns, nicht! (Abg. Mag. Stadler: Gesundbeten nach Zweytick!)

Herr Stadler! Sie könnten ein bißchen mehr an Konstruktivität einbringen! Das würde uns in diesem Land weiter bringen als Totjammern und Schlechtreden! Ich wünsche Ihnen dabei alles Gute für die Zukunft! Ich wünsche mir mehr Beteiligung an guten Ideen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.  – Beifall bei der ÖVP.) In Vorarlberg herrschen andere Voraussetzungen als in anderen Ländern, in der Steiermark ebenso. Aber wir leben alle Österreich, und hier geht es, insgesamt gesehen, weiter. Man kann das auch europaweit sehen und darstellen, vergleichbare Meßwerte beweisen uns das. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.0


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1

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich trage noch nach, daß der zuvor verlesene Entschließungsantrag entsprechend eingebracht und unterstützt war und daher mit in Verhandlung steht.

Kurze Debatten über Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Die Verhandlungen über die Beratungsgruppe IX werden jetzt, um zirka 15 Uhr, unterbrochen, damit – wie heute früh angekündigt – eine Kurzdebatte durchgeführt werden kann.

Die jetzige kurze Debatte betrifft den Antrag der Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen, die beantragt haben, dem Verkehrsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 97/A (E) betreffend eine dauerhafte Regelung für den öffentlichen Nahverkehr eine Frist bis zum 9. Dezember 1997 zu setzen.

Nach Schluß dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden. Danach wird noch eine weitere Kurzdebatte stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß nach § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Als erster erhält Herr Abgeordneter Mag. Stadler das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.03

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist bemerkenswert – man ist schon fast dabei, sich daran zu gewöhnen –, daß schon wieder – wie immer, wenn die Freiheitlichen ein Thema im Parlament diskutieren wollen – das entsprechende Regierungsmitglied durch Absenz glänzt. (Bundesminister Mag. Schlögl: Ich bin hier!) Hochgeschätzter Herr Innenminister! Sie vertreten jetzt Caspar Einem? Sie werden wahrscheinlich sein nächster Nachfolger im Verkehrsministerium sein! Bitte bleiben Sie im Innenministerium, damit er im Innenministerium nicht wieder so viel Schaden anrichten kann! Tauschen Sie bitte nicht! Übernehmen Sie das Verkehrsministerium dazu! Das ist gescheiter, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Ich möchte trotzdem noch einmal darauf verweisen, daß es bemerkenswert ist, daß beispielsweise gestern während der gesamten Debatte über das Kapitel Bundeskanzleramt der Bundeskanzler nicht ein einziges Mal im Hohen Haus war! Offensichtlich ignoriert er das Hohe Haus. (Abg. Dr. Haider: Er hat Angst!) Er hat nicht nur Angst, das haben wir bei der letzten Dringlichen gesehen, sondern er ignoriert das Hohe Haus, weil ihm das Parlament letztlich egal ist.

Meine Damen und Herren! Das erste Mal haben wir Freiheitlichen vom Verkehrsminister am 28. April 1994 in einem Entschließungsantrag eine gesetzliche Grundlage für die Finanzierung und Organisation des öffentlichen Nahverkehrs verlangt. Dieser wurde von der Koalition abgelehnt. Man hat uns versprochen, daß das aber bald geregelt werden wird.

Ein zweiter Antrag wurde am 30. November 1994 gestellt. Er wurde schubladisiert, und durch die vorgezogenen Nationalratswahlen ist er letztlich ein Jahr später obsolet geworden.

Meine Damen und Herren! Daraufhin haben wir im Jänner 1996 den dritten Antrag eingebracht, die Finanzierung und Organisation des öffentlichen Nahverkehrs auf eine klare gesetzliche Grundlage zu stellen. Dieser Antrag wurde nach noch einmal fast einem Jahr, am 21. November 1996, im Verkehrsausschuß endlich in Behandlung genommen, jedoch dann wieder schubladisiert mit der Begründung, daß der Verkehrsminister derzeit dabei sei, ein Nahverkehrsfinanzierungsgesetz fertigzustellen; es sei eine interne Vorbegutachtung im Gange.

Meine Damen und Herren! Bei der kommenden Ausschußsitzung am 25. November ist der Antrag wieder nicht auf der Tagesordnung! Man will ihn wieder nicht behandeln, weil die interne Vorbegutachtung, die vorher schon x-mal stattgefunden hat, wieder zu einem Ergebnis gleich null geführt hat. Daher wird die ganze Angelegenheit ein weiteres Mal schubladisiert und nicht gelöst. (Abg. Eder: Das stimmt, wie üblich, nicht!) – Doch, das stimmt! Ich kann es Ihnen nachweisen. Ich weiß schon, daß Sie gewisse Probleme mit der Datumsabfolge haben, aber diese ist nachvollziehbar, glauben Sie es mir! Ich nenne Ihnen Datum für Datum!

Meine Damen und Herren! Bei der öffentlichen Nahverkehrsfinanzierung herrscht Unehrlichkeit, insbesondere hinsichtlich der beiden großen Unternehmen in der Hand des Bundes, Post und Bahn. In diesem Zusammenhang wären jetzt Herr Kollege Edler, der Edle von der Bundesbahn, Herr Kollege Hums und Herr Kollege Sigl gefordert! Sie alle wären jetzt gefordert, einmal aufzustehen und zu sagen: Behandeln wir doch endlich auch einmal die Eisenbahner mit etwas mehr Ehrlichkeit!

Meine Damen und Herren! Ich erinnere Sie an die gestrigen Zeitungsartikel! Alle waren verblüfft, als sie lasen – um ein Beispiel dafür zu liefern, wie unehrlich die Debatte mit den ÖBB abläuft –, daß die Regierung vorgestern eine Vereinbarung getroffen hat, wonach jetzt die Ruhensbestimmungen, die angeblich alle harmonisiert sind, plötzlich auch für die Bundesbahner gelten sollen. Auf die Reaktionen von seiten der Österreichischen Bundesbahnen werde ich gleich zu sprechen kommen.

Herr Kollege Hums! Ich habe Sie gestern darauf aufmerksam gemacht. Was Sie gestern hätten wissen müssen und was ich heute schwarz auf weiß vor mir habe, ist, daß die Bundesregierung bereits am 10. Oktober 1997 im Ministerrat folgendes beschlossen hat: Minister Caspar Einem wird am 10. Oktober aufgefordert, unverzüglich mit den Belegschaftsvertretern der Österreichischen Bundesbahnen Verhandlungen aufzunehmen, damit im November 1997 auch noch eine


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Harmonisierung des Pensionsrechtes der Eisenbahner beschlossen werden kann. (Abg. Parnigoni: Haben wir schon Dezember?) – Herr Kollege Parnigoni! Wenn Sie sich noch eine halbe Minute zurückhalten, dann sage ich Ihnen, worin das Problem liegt!

Das Problem liegt darin, daß man dieses Protokoll einen Monat lang verschwiegen hat, weil in der Zwischenzeit nämlich die Personalvertretungswahlen bei den Österreichischen Bundesbahnen stattgefunden haben. Man hat den österreichischen Eisenbahnern die Unwahrheit gesagt! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Man hat ihnen vor den Personalvertretungswahlen, die am 5. und 6. November stattgefunden haben, nicht gesagt, daß man in ihre Pensionsrechte eingreifen will! (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. )

Herr Kollege Hums! Ist das, was ich Ihnen jetzt erzähle, unwahr? Haben Sie gewußt, was die Regierung vorhat? Hat man einem Eisenbahner gesagt, was die Regierung vorhat? – Gestern ist die Bombe geplatzt! (Abg. Dr. Haider: Wer hat das unterschrieben?) Das wurde zunächst einmal im Ministerrat einvernehmlich ausgemacht. Das haben alle miteinander beschlossen. Und gestern hat man ein Abkommen zur Umsetzung dessen, was man vorher im Ministerrat bereits geheim beschlossen hatte, mit den Unterschriften der Herren Molterer, Edlinger, Einem und so weiter getroffen; ich weiß nicht, wer sonst noch von der Koalition dabei war. Edlinger, Molterer und Einem sind auf jeden Fall dabei gewesen.

Seit 10. Oktober haben Sie die Eisenbahner an der Nase herumgeführt. Seit 10. Oktober haben Sie verschwiegen, daß Sie vorhaben, auch das Pensionsrecht der Eisenbahner anzutasten! – Herr Kollege Hums! Korrigieren Sie mich, wenn ich etwas Unwahres sage! Seit 10. Oktober – ist Ihnen das Protokoll der Regierung bekannt? (Abg. Dietachmayr: Was hat das mit dem Fristsetzungsantrag zu tun?) Seit 10. Oktober haben Sie den Eisenbahnern verschwiegen, daß Sie vorhaben, in einem Pakt mit der Österreichischen Volkspartei dafür zu sorgen, daß die Eisenbahnerpensionen genauso behandelt werden wie alle anderen Pensionen! (Abg. Dr. Keppelmüller: Was will die Freiheitliche Partei bei den Eisenbahnern? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das, was Sie nicht dazugesagt haben, was Herr Hums aber gestern dankenswerterweise – ich muß Sie heute loben, ich hoffe, es schadet Ihnen in Ihrer Fraktion nicht allzusehr! – in einer Presseaussendung erwähnt hat, war Gegenstand meiner Rede von letzter Woche: Ich habe der Regierung vorgeworfen, daß sie die Politikerbezüge nicht harmonisiert hat. – Herr Hums! Das ist auch Gegenstand Ihrer Presseaussendung! (Abg. Dr. Keppelmüller: Stadler! Was ist Ihre Position? – Zwischenruf des Abg. Hums. )

Herr Hums! Sie werden mit einem gewissen Herrn Nowak, Ihrem Nachfolger, im "Kurier" zitiert. Da heißt es: "Sollte der Gesetzgeber in die Verträge der Eisenbahner eingreifen, so bricht ein Damm, wie man im SPÖ-Klub prophezeit: ,Was ist dann mit den Politikerbezügen? Was ist mit den Nationalbankverträgen? Was ist mit den Kammern und Sozialversicherungsverträgen, die ihre Systeme nur für Neueintretende geändert haben, wie es auch die Eisenbahner taten?’" – Ende des Zitates. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Hums! Das braucht Ihnen ja nicht peinlich zu sein! Sie haben ja recht! Die Politiker richten es sich ein paar Jahre vorher, die Sozialversicherungsträger richten es sich, die Kammerfunktionäre richten es sich auch, aber jetzt will man bei den Eisenbahnern kassieren, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist eine Politik der Unehrlichkeit! Herr Edler von der Bundesbahn! Sie gehören zum Bahnadel, Sie haben es sich als Politiker gerichtet! Herr Edler von der Bundesbahn! Sie gehören zum Bahnadel, der es sich gerichtet hat, weil Sie auch zum Politikeradel gehören! Sie haben es sich gerichtet! Aber jetzt sollen die kleinen Eisenbahner drankommen, und das haben Sie ihnen einen Monat lang verschwiegen! (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) Sie haben seit einem Monat, unter Bedachtnahme auf die Personalvertretungswahlen vom 5. und 6. November, den kleinen Eisenbahnern verschwiegen, daß Sie in ihre Pensionsrechte eingreifen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Mit dieser unehrlichen Politik wollen wir aufräumen! Diese unehrliche Politik bringt Sie so weit, daß wir Sie wöchentlich mindestens einmal ertappen! (Abg. Dr. Keppelmüller: Stadler! Sagen Sie mir die Position der Freiheitlichen!) – Wenn Sie etwas Vernünftiges und Gescheites zu melden haben, dann gehen Sie an das Rednerpult! Aber krakeelen Sie nicht in der vorderen Reihe herum! Sie sollten eine ehrliche Politik in Ihrer Partei umsetzen, mit der Sie die Eisenbahner, die zum Urgestein der SPÖ gehören, nicht derart massiv beschwindeln, wie Sie das jetzt getan haben, meine Damen und Herren! Ich würde nicht krakeelen, ich würde mich dafür schämen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Was wollen denn Sie? Sagen Sie es!) Ich würde mich schämen, wenn meine eigene Partei seit einem Monat wüßte, daß man die Eisenbahner-Pensionisten zur Kassa bittet, ihnen das aber vor der Wahl nicht rechtzeitig sagt! (Abg. Dr. Keppelmüller: Nennen Sie uns endlich die Position der Freiheitlichen!) – Das werden wir Ihnen im Ausschuß sagen! (Abg. Dr. Keppelmüller: Sagen Sie es jetzt! Nennen Sie uns Ihre Position!)

Herr Kollege! Wenn Sie jetzt einmal eine halbe Minute zuhören, dann nenne ich Ihnen unsere Position. (Abg. Dr. Keppelmüller: Ich bitte darum!) Unsere Position ist, daß Sie und Sie und Sie mit Ihren Politikerpensionen den Anfang machen müssen! Erst dann haben Sie die demokratische Legitimation, den kleinen Leuten die Pension zu beschneiden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Bitte.

15.13

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist schon sehr eigenartig, wie die Geschäftsordnung von einigen Herrschaften hier ausgelegt wird. Ich lese in dem Antrag, der jetzt zur Debatte steht, daß es darum geht, dem Verkehrsausschuß zur Berichterstattung betreffend eine dauerhafte Regelung für den öffentlichen Nahverkehr eine Frist zu setzen. Herr Abgeordneter Stadler tritt jedoch hier zum Rednerpult und spricht über ein ganz anderes Thema.

Es steht mir nicht zu, den Präsidenten zu berichtigen, aber ich möchte doch festhalten, daß ich es sehr eigenartig finde, wenn in diesem Zusammenhang jetzt über das Pensionsrecht der Eisenbahner gesprochen wird, noch dazu, wenn bekannt ist – und auch Herr Stadler müßte das wissen! –, daß die erste Verhandlungsrunde mit den Eisenbahnern zur Stunde gerade zu Ende gegangen ist.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Etwas muß Ihnen auch schon aufgefallen sein: Sie haben die ganz besondere Gabe, Dringliche Anfragen, Dringliche Anträge oder Fristsetzungsdebatten immer dann zu verlangen, wenn Sie genau wissen, daß der zuständige Bundesminister eine dringende anderweitige Verpflichtung hat. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, daß die FPÖ nicht weiß, daß heute zur gleichen Zeit, beginnend um 15.00 Uhr, eine große Konferenz aller Minister der Vereinten Nationen, die für Umwelt und Verkehr zuständig sind, im Austria Center stattfindet, bei der zu Tagesordnungspunkt 1 die beiden Minister Bartenstein und Einem Referate halten. (Abg. Dr. Haider: Es war bekannt, daß heute Nationalratsplenum ist!) Sie machen das ja immer! Und dann stellen Sie sich hierher und beklagen, daß der zuständige Minister nicht hier ist! Ihr Spiel ist durchschaut! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. )

Es ist gefährlich, wenn man als Bundesminister von Herrn Abgeordnetem Stadler besonders gelobt wird. Ich würde dieses Lob sehr vorsichtig betrachten, Herr Bundesminister, denn bei nächster Gelegenheit herrscht wieder eine ganz andere Situation! (Zwischenruf der Abg. Aumayr. )

Nun zur Sache. Ich möchte jetzt einige kurze Anmerkungen zum Nahverkehrsfinanzierungsgesetz machen.

In einem künftigen Nahverkehrsfinanzierungsgesetz sollen die organisatorischen und finanziellen Grundlagen für den öffentlichen Personen-Nah- und -Regionalverkehr unter Beachtung


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der Vorgaben und Empfehlungen der EU festlegt werden. Dieses Gesetz bildet die Grundlage für die damit zusammenhängende Gestaltung von Verkehrsverbünden und für die bessere Nutzung des Potentials des öffentlichen Personenverkehrs.

Auch wir Sozialdemokraten haben ganz fixe Vorstellungen für dieses Nahverkehrsfinanzierungsgesetz. Es sollen unter anderem die Grenzen der Verkehrsverbünde nach Pendlerströmen optimiert werden. Das kann unter Umständen auch ein bundesländerübergreifendes Gebiet umfassen. Es sollen eine möglichst kundenfreundliche Planung und Organisation erreicht werden, auch unter Einsatz privater Unternehmen und privater Verkehrsträger.

Die Erlösverantwortung sollte den Unternehmen zurückgegeben werden. Derzeit besteht eine hundertprozentige Kostenabdeckung. Wenn das an die Unternehmen zurückgegeben wird, besteht auch die Möglichkeit, auf diese Weise die unternehmerische Eigenverantwortung zu stärken. Der Unternehmer soll selbst entscheiden, ob und wie oft er eine Strecke befährt. Bei kostendeckenden Strecken wird das kein Problem sein, Probleme könnten nur bei nicht kostendeckenden Strecken auftreten. In Zukunft sollen daher innerhalb des Verkehrsverbundes jenem Verkehrsunternehmen die Verkehrsrechte zugeordnet werden, welches des niedrigsten Zuschusses bedarf.

Es werden auch noch eine ganze Reihe anderer Möglichkeiten in diesem Gesetz verankert. Ich möchte als Beispiel anführen, daß die Gemeinden und die Länder aufgefordert sind, selbst auch Mittel in die Hand zu nehmen und entsprechende Studien in Auftrag zu geben. Das hat zum Beispiel die Stadt Linz gemeinsam mit dem Land Oberösterreich gemacht, und auch der Bezirk Linz-Land, aus dem ich komme. Es wurde die Prognos-Studie erstellt, und wir haben uns durchgesetzt und gemeinsam mit dem Land und acht Anrainergemeinden eine Zusatzstudie erreicht, in welcher bestimmte Verkehrsströme in Linz-Land genau analysiert werden. Es können auch ohne zusätzliche Mittel Sofortmaßnahmen getroffen werden, indem verschiedene Verkehrsträger besser eingebunden und die Zeiten und Umsteigestellen besser aufeinander abgestimmt werden.

Meine Damen und Herren! Ich komme schon zum Schlußsatz: All das soll dazu dienen, bei gleichem Komfort eine Kostenoptimierung durch entsprechenden Einsatz marktwirtschaftlichen Denkens in den Unternehmungen zu erreichen. Die SPÖ wird dafür sorgen, daß das Nahverkehrsfinanzierungsgesetz im Jahre 1998 beschlossen wird! (Beifall bei der SPÖ.)

15.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Johann Kurzbauer. Gleiche Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

15.17

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine langjährige Forderung der Österreichischen Volkspartei, daß Maßnahmen gesetzt werden, um den öffentlichen Nahverkehr zu koordinieren.

Nach Aussage des zuständigen Bundesministers Einem im Rahmen der Beratungen des Budgetausschusses Ende Oktober ist nun ein Gesetz, das sich mit dem regionalen Nahverkehr befaßt, in der Phase der Endberatung, und noch in diesem Monat soll eine Vorbegutachtung dieses Entwurfes durchgeführt werden.

Die Länder und Gemeinden sollen durch dieses Gesetz mehr Einflußmöglichkeiten, also mehr Mitsprache erhalten. Als Bürgermeister begrüße ich diese positiven Ansätze grundsätzlich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch die vermehrte Einbindung vor allem der Gemeinden, die die Situation vor Ort am besten kennen, müßte es gelingen, ein attraktives Angebot, das bedarfsgerecht ist, zu erzielen. Diese Bedarfsgerechtigkeit müßte in Verbindung mit einer besseren Ausstattung im Ergebnis zu mehr Akzeptanz durch den Kunden führen. Bedarfsgerecht heißt aber auch, daß Maßnahmen gesetzt werden, die eine bessere Koordination von Schiene und Straße bewirken.


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Letztendlich sollen diese Maßnahmen den Bürgern zugute kommen, den Bürgern etwas bringen, denn wenn sie den Bürgern etwas bringen, dann ist das auch für unsere Gemeinden von Vorteil. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es können jedoch hiefür nicht die Gemeinden als Zahler in Anspruch genommen werden, denn die Nahverkehrskoordinierung ist letztlich im überregionalen Interesse. Aus diesem Grund muß auch die umweltpolitische Bedeutung der Schiene Berücksichtigung finden. Es sollten Finanzierungsinstrumentarien gefunden werden, die vorrangig aus den vorhandenen Finanzierungsquellen wie der Mineralölsteuer oder Verbundzuschüssen bestehen. Die Gemeinden dürfen nicht zusätzlich belastet werden. Sollten jedoch andere Finanzierungsmöglichkeiten erforderlich sein und es trotzdem zu Belastungen der Gemeinden kommen, müßte man diesen die Möglichkeit geben, andere Einkommensquellen zu erschließen, sodaß das Nahverkehrsfinanzierungsgesetz im Endergebnis zu keiner Mehrbelastung für die Gemeinden führt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion steht diesem neuen Nahverkehrsfinanzierungsgesetz grundsätzlich positiv gegenüber. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.22

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Antrag des Abgeordneten Rosenstingl, gemäß § 43 Abs. 1 Geschäftsordnungsgesetz eine Fristsetzung für seinen am 31. Jänner 1996 eingebrachten Antrag zu verlangen, ist wohl gerechtfertigt, denn ein Antrag, der seit Beginn des Jahres 1996 hier im Hause liegt, sollte auch im Ausschuß behandelt werden. Wir werden daher dem Fristsetzungsantrag zustimmen.

Allerdings ist in der Debatte jetzt klargeworden, daß der Inhalt des Antrages selbst zumindest für Abgeordneten Stadler anscheinend nicht das Wesentliche war und ist. Wenn Sie sich nämlich den Entschließungsantrag ansehen – nur soviel inhaltlich anzumerken sei mir gestattet! –, dann werden Sie feststellen, daß darin verlangt wird, daß eine "dauerhafte Gesamtlösung für die Fragen der Organisation und der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs, die den Grundsätzen einer fairen Konkurrenz zwischen den Verkehrsunternehmen und Verkehrsträgern entspricht", hier im Hause beschlossen wird.

Herr Abgeordneter Rosenstingl hat es nicht der Mühe wert gefunden, ein wenig zu explizieren, was die Grundsätze und Kriterien eines fairen Wettbewerbs sein sollen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß, als es mit der "Organisation Fahrgast" auf dem Westbahnhof ein Treffen gab, bei welchem Vertreter anderer Fraktionen aus diesem Hause, etwa der SPÖ, anwesend waren, Abgeordneter Rosenstingl nicht gekommen war, und zwar deshalb, weil er anscheinend inhaltliche Auseinandersetzungen in dieser Frage scheut.

Ich glaube, Herr Abgeordneter Parnigoni, daß man nichtsdestoweniger Abgeordnetem Rosenstingl die Blamage nicht ersparen sollte, diesen Antrag im Ausschuß erläutern zu müssen, und deshalb meine ich, daß es sinnvoll wäre, der Fristsetzung zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gabriela Moser. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.24

Abgeordnete Mag. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, daß uns der Nahverkehr praktisch unter den Nägeln brennt, und es wird leider, wie ich befürchte, nicht das letzte Mal sein.


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Sie wissen, daß gerade im Bereich von Ballungszentren die Schadstoffbelastung durch den Individualverkehr, der auch zu Lasten des öffentlichen Verkehrs geht, sehr, sehr groß ist. Sie wissen auch, daß jetzt eine Verkehrskonferenz der UNO-Wirtschaftskonferenz in Wien zum Thema Umwelt und Verkehr stattfindet, bei der morgen eine Vereinbarung unterschrieben werden wird, die darauf abzielt, daß der Individualverkehr im städtischen Bereich und in Ballungszentren reduziert wird, und zwar aus den verschiedensten umwelt-, verkehrs- und auch kostenpolitischen Gründen.

Gerade vor diesem globalen Hintergrund müssen wir auf die regionale und lokale Herausforderung eines Nahverkehrsfinanzierungsgesetzes eingehen, insbesondere auch unter dem Aspekt, daß die Mehrheit der Bevölkerung – bekannterweise stellen die Frauen die Mehrheit der Bevölkerung dar – darunter leidet, daß es im öffentlichen Nahverkehr kein ausreichendes Angebot gibt. Grund dafür ist nicht zuletzt, daß die Finanzierung in der Luft hängt.

Sie wissen sicher, daß Frauen im Gegensatz zu Männern eine Vielfalt von Wegen zu bewältigen haben. Bei ihnen handelt es sich nicht nur um den Weg von der Wohnung zur Arbeit, sondern es spielen auch das Einkaufen und die Versorgung der Kinder eine Rolle. Dadurch ergibt sich ein Wegenetz, das unter den gegebenen Bedingungen, bei Reduzierung, Ausblutung und finanzieller Aushungerung des öffentlichen Verkehrs, nur schwer bewältigt werden kann. Die Frauen werden zusehends gleichsam gezwungen, mit dem Auto zu fahren. Und das wird sich leider, wenn nicht eine politische Gegensteuerung erfolgt, auch negativ auf die Schadstoffbilanz und auf das Verkehrsverhalten auswirken.

Darum meine ich, daß es besonders wichtig ist, daß das Anliegen, die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs einer Regelung zuzuführen, auch wenn es von der FPÖ kommt, massiv unterstützt wird. Denn nur durch dieses Finanzierungsgesetz und die Koppelung von Länder-, Gemeinde- und Bundesinteressen wird uns ein finanzielles Instrument in die Hand gegeben, daß massiv in Richtung öffentlichen Verkehr, der die einzige Alternative für die Ballungszentren darstellt, umgelenkt wird.

Studieren Sie die Aussendungen von Geschäftsleuten, die kürzlich in der APA zu lesen waren. In diesen wird darauf hingewiesen, daß praktisch 50 Prozent der Schadstoffemissionen auf das stop and go, das Parkplatzsuchen und Herumirren, weil man nicht weiß, wie man das Auto los wird, auf Staus und die Überlastung der Straßen zurückzuführen sind. Diese Belastung durch Schadstoffe in den Städten ist auf eine falsche Verkehrspolitik zurückzuführen, die wenig Geld in Richtung öffentlichen Verkehr fließen läßt und vor allem den öffentlichen Verkehr aufsplittert, in Bund, Land und Gemeinden, und es verabsäumt, eine Bündelung zu erzielen. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb werden wir, obwohl der Antrag der Freiheitlichen heute nicht gerade in attraktiver Form serviert worden ist, diesen Entschließungs- und Fristsetzungsantrag unterstützen. Ich hätte mir eine sachlichere Diskussion gewünscht, weil die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs nicht nur ein Gebot der Stunde ist, sondern ein Gebot des ausgehenden Jahrhunderts und des nächsten Jahrtausends. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rosenstingl. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.28

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Barmüller – er ist schon wieder entschwunden! Im Unterschied zum Liberalen Forum haben wir einen Antrag eingebracht und wollen über diesen Antrag diskutieren. Das Liberale Forum war in diesem Bereich untätig. Ihr habt überhaupt nichts zur Diskussion über die Nahverkehrsfinanzierung beigetragen! Ich hoffe aber, daß uns vom Liberalen Forum, wenn dieses Thema im Ausschuß behandelt wird, nicht unbedingt Herr Kollege Barmüller geschickt wird. Ich hätte gerne einen Diskussionspartner, der ein bißchen mehr von der Nahverkehrsfinanzierung versteht als Herr Kollege Barmüller! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Kollege Dietachmayr! Es ist an dieser Diskussion überhaupt nichts eigenartig. Wir Freiheitliche müssen die Untätigkeit und die Unehrlichkeit der Verkehrspolitik aufzeigen, die von den Sozialdemokraten immer wieder betrieben wird. Es ist nun einmal so – Sie hören es nicht gerne, aber ich muß es dennoch festhalten –: Sie haben gesagt, daß es heute die ersten Verhandlungen mit den Eisenbahnern gegeben hat. Meines Wissens befinden wir uns am heutigen Tag aber schon nach den Personalvertretungswahlen und nicht vor den Personalvertretungswahlen! Das beweist doch, daß wir recht haben. Sie haben dem Personal der ÖBB die Unwahrheit gesagt! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben dem Personal der ÖBB nicht vor den Personalvertretungswahlen gesagt, daß Sie vorhaben, Eingriffe vorzunehmen. (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. ) Herr Kollege Dietachmayr! Es wird nicht besser, Sie stehen schlecht da! Denn es hat am 10. 10. 1997 einen Ministerratsbeschluß gegeben, und diesen haben Sie den Eisenbahnern nicht mitgeteilt! Es ist bedauerlich, daß hier in Ihren Reihen die Eisenbahnervertreter sitzen, ein Herr Hums, ein Herr Edler und so weiter, sie haben das den Eisenbahnern auch nicht mitgeteilt!

Sich erst im nachhinein stark zu machen und zu sagen, daß man das sowieso nicht zulassen werde, ist unehrlich. Sie haben vor den Personalvertretungswahlen nicht gesagt: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird in Zukunft vielleicht Eingriffe geben; wir müssen uns darüber unterhalten. Den Kolleginnen und Kollegen Eisenbahnern vor den Personalvertretungswahlen alles so darzustellen, als ob überhaupt nichts passieren könnte, ist unehrliche Verkehrspolitik seitens der Sozialdemokraten. Aber das ist eben die typische Politik, die Sie betreiben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Parnigoni! Sie sind auch einer der Privilegienverteidiger. Sie verteidigen immer die eigenen Privilegien. (Abg. Parnigoni: Herr Kollege Rosenstingl! Eine Frage: Was hat das Pensionsrecht mit der Verkehrspolitik zu tun?) Bei den Politikergehältern waren Sie stark, bei den Politikerpensionen haben Sie alles verteidigt, was möglich ist. Warum verteidigen Sie nicht die Pensionen der Eisenbahner? Warum haben Sie das nicht vor den Personalvertretungswahlen gesagt? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei anderen greifen Sie zu, aber schauen, daß Sie die eigenen Schäfchen im trockenen haben. Diese Politik lehnen wir ab! (Abg. Parnigoni: Ich würde gerne wissen, was das mit Verkehrspolitik zu tun hat! Erklären Sie mir das! Das ist ein Mißbrauch der Geschäftsordnung!)  – Herr Kollege Parnigoni! Gar nichts ist ein Mißbrauch! (Abg. Parnigoni: Na selbstverständlich!) Sie selbst sind ja ein typisches Beispiel dafür, wie Sie mit der Verkehrspolitik umgehen.

Lieber Kollege! Du hast uns im Ausschuß zugesagt, daß unser Antrag betreffend die Nahverkehrsfinanzierung im Herbst behandelt wird. (Abg. Parnigoni: Der ist noch nicht aus!) Der Herbst ist vorbei! Dieser Antrag betreffend die Nahverkehrsfinanzierung steht nicht auf der Tagesordnung der nächsten Ausschußsitzung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es wird voraussichtlich keine Sitzung mehr stattfinden. Für mich als Abgeordneter ist es wirklich nicht beruhigend, wenn mir gesagt wird, daß der Minister jetzt einen Gesetzentwurf in Vorbegutachtung hat.

Kollege Parnigoni! Wie stehst du zu deinem Selbstwertgefühl als Abgeordneter (Abg. Parnigoni: Sehr!), wenn du als solcher nicht die Vorgaben für die Nahverkehrsfinanzierung machen kannst?! Diese Vorgaben könntest du im Ausschuß machen, wenn unser Antrag behandelt werden würde. Genauso wie du uns versprochen hast, daß unser Antrag behandelt wird, genauso wie versprochen wurde, daß alle Probleme betreffend die Verkehrspolitik gelöst werden, habt ihr die Eisenbahner unehrlich behandelt: Den Eisenbahnern habt ihr vor den Personalvertretungswahlen nichts davon gesagt, daß Eingriffe geplant sind. Die Eisenbahner haben geglaubt, ihre Pensionen seien abgesichert. (Abg. Parnigoni: Das hat nichts mit Verkehrspolitik zu tun! Das hat trotzdem nichts damit zu tun!) Sie haben sich auch dementsprechend verhalten und müssen nun damit leben, daß etwas ganz anderes gemacht wird, als ihnen vorher versprochen wurde.

Das ist unehrliche Politik gegenüber den "Kleinsten" in unserer Gesellschaft. Ihr Sozialdemokraten habt immer nur eines im Sinn, nämlich Politikerprivilegien abzusichern, so wie die ÖVP


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die Kammerprivilegien absichern will. Aber auf die "Kleinen" vergessen sowohl die Sozialdemokraten als auch die ÖVP! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen fordern mehr Ehrlichkeit in der Verkehrspolitik und daß die Verkehrsprobleme endlich gelöst werden! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Wir fordern daher die Behandlung unseres Antrages betreffend die Nahverkehrsfinanzierung! Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen, dem Verkehrsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag betreffend dauerhafte Regelung für den öffentlichen Nahverkehr eine Frist bis zum 9. Dezember dieses Jahres zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur nächsten Kurzdebatte. Sie betrifft den Antrag der Abgeordneten Mag. Peter und Genossen, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 546/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz und das Körperschaftsteuergesetz geändert werden, eine Frist bis 5. Dezember 1997 zu setzen.

Auch in diesem Fall wird nach Schluß der Debatte über den Antrag abgestimmt werden.

Wir gehen in die Beratungen ein. Es gelten die gleichen Spielregeln. Herr Abgeordneter Mag. Peter begründet den Antrag. Redezeit: 10 Minuten. Alle anderen Redner haben dann eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.35

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Vielen Dank dafür, daß es die Möglichkeit gibt, eine wesentliche Sache zu diskutieren. Es geht um das Sanierungsgewinngesetz, das wir am 11. Juli 1997 als Antrag eingebracht haben.

Es geht eigentlich wieder einmal – wie schon so oft – um die Eigenkapitalsituation österreichischer Unternehmungen. Das ist ein Dauerbrenner der wirtschaftspolitischen Debatte, da gerade die kleineren und mittleren Betriebe buchmäßig gering mit Eigenkapital ausgestattet sind, was bereits bei jeder kleineren Krise eine Gefährdung des Unternehmens mit sich bringt.

Das buchmäßige Eigenkapital in den Betrieben sind natürlich historische Werte; historische Werte, die über Jahre und Jahrzehnte gewachsen sind, während denen das Unternehmen existiert hat. Sie sind noch durch vorzeitige Abschreibungen definiert und vor allem dadurch bestimmt, daß sie Grund und Boden, den sie im Betriebsvermögen ihres Unternehmens haben, nicht abschreiben können.

Aber der Hauptgrund für die geringe Eigenkapitaldecke – und das ist die Basis dessen, worüber wir heute diskutieren – ist letztlich die Ertragsschwäche der Unternehmungen. Die Kosten, denen sich die Unternehmer in einer Vielfalt gegenübersehen, führen offensichtlich dazu, daß sie – viele Untersuchungen im Gewerbe, im Handel, im Verkehr und vor allem im Tourismusbereich zeigen das – nur ganz geringe Umsatzrenditen und Erträge haben, die es nicht ermöglichen, daß ein Unternehmen Eigenkapital im Betrieb selbst akkumuliert.


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Der zweite Grund der Eigenkapitalarmut ist ohne Zweifel das Bewertungsrecht, das ich jetzt angetönt habe. Sie wissen, daß vor wenigen Wochen die erste Lesung über ein Euro-Bilanzgesetz, wie wir es genannt haben, stattgefunden hat. Sie haben dann vorgeschlagen, es "Jahrtausenderöffnungsbilanz" zu nennen. Mir sind beide Namen recht. Es geht darum, zu sagen, welche Möglichkeiten wir durch eine befristete Öffnung des Handelsgesetzbuches haben, damit Unternehmungen, die über stille Reserven verfügen – das sind bei Gott nicht alle – und die das freiwillig machen wollen, ihr Anlagevermögen unter Bezahlung einer Aufwertungssteuer aufwerten, um damit im neuen Währungsraum in der Lage zu sein, mit wirklich europafähigen Bilanzen in den internationalen Wettbewerb einzutreten.

Der dritte Grund dafür, daß wir in österreichischen Unternehmungen eine schlechte Eigenkapitalsituation haben, ist nach der Ertragsschwäche, der Frage des Bewertungsrechtes ohne Zweifel das Besteuerungsrecht. Wir besteuern Substanzen aus Betrieben weg.

Wir haben auch folgendes nicht verstanden, Herr Professor Nowotny, nämlich daß jede Betriebssteuer, die vor Entnahme erhoben wird, ein Kostenfaktor ist. Wir erhöhen damit die Kosten des Unternehmens. Ich bin dafür, daß jeder Schilling, der aus einem Unternehmen entnommen wird, selbstverständlich der vollen Besteuerung zu unterliegen hat – das ist gar keine Frage –, aber solange das Geld nicht aus dem Unternehmen entnommen wird, sollte es in diesem thesauriert werden können, um dort einen neuen Investitionsmultiplikator in Gang zu setzen und neue Marktchancen zu nützen.

Diese Argumentationen wurden bisher aus ideologischen Gründen – ich möchte sie "Scheuklappen" nennen – verweigert. Es geht im Steuerrecht ganz konkret darum, daß wir den Vorschlag noch antragsmäßig unterbreiten werden und Ihnen sagen werden, warum wir dieses neue buchmäßige Eigenkapital, das durch das "Jahrtausenderöffnungsbilanzgesetz" möglich geworden ist und in dem wirkliche Werte in den Bilanzen stehen, so nennen. Wir werden auch erklären, warum das buchmäßige Eigenkapital im Sinne eines Vorausgewinns mit 5 Prozent oder zum Beispiel nach der Sekundärmarktrendite verzinst wird; dieser Zinsertrag wird mit der KESt besteuert, so wie auch der Zinsertrag einer Anleihe oder eines Sparbuches mit der KESt besteuert wird. Nur der darüber hinausgehende Gewinn wird in der vollen Höhe besteuert.

All das hat mit der Frage der Unternehmensreorganisation zu tun. Meine Damen und Herren! Sie haben vor wenigen Monaten das Unternehmensreorganisationsgesetz beschlossen und ein Verfahren eingeleitet, bei dem ein Handelsrichter einen Buchprüfer, einen Fachmann damit beauftragen muß, ein Unternehmen, das an der Grenze zur Insolvenz steht – Sie haben sogar die nachhaltige Entschuldungsdauer mit 15 Jahren festgelegt und gesagt, das Eigenkapital dürfe nicht unter 8 Prozent fallen –, einem Reorganisationsverfahren zu unterziehen.

Wir Liberalen haben klar gesagt, daß wir dieses Unternehmensreorganisationsverfahren für viel zu statisch halten. Wir meinen, es kann der Dynamik der Wirtschaft nicht gerecht werden. Sie haben es beschlossen. Jetzt wird das, was Sie im April 1996 mit dem Strukturanpassungsgesetz beschlossen haben, schlagend. Sie haben gesagt, Sanierungsgewinne, die bei einem Ausgleich, bei einer Unternehmensreorganisation entstehen, sind voll zu besteuern; und das ab 1. Jänner 1998. Sie sind da wirklich in Verzug geraten.

Wenn Sie unserem Antrag nicht die Zustimmung geben, ihn nicht behandeln, bedeutet das, daß ein Unternehmen eine Reorganisationsphase durchläuft, die entweder ein stiller oder ein offizieller Ausgleich sein wird, und einen Sanierungsgewinn hat – das ist der Schuldennachlaß –, von dem Steuern zu bezahlen sind.

Wenn der Verlustvortrag in diesem Unternehmen kleiner ist als der Sanierungsgewinn, wird die Differenz besteuert. Aber worum geht es bei der Sanierung? – Meine Damen und Herren! Bei der Sanierung geht es doch darum, die Strukturen eines Unternehmens neu zu ordnen und ihm ein neues Rückgrat – sprich: ein neues Paket an Eigenkapital – zu geben, damit es die Zukunft erleben und überleben wird und weiter wachsen kann. Wenn Sie ihm nun dieses neugewonnene Eigenkapital im Sinne der Besteuerung der Sanierungsgewinne – sei es eine Kapitalgesellschaft oder eine Personengesellschaft – mit 50 Prozent Einkommensteuer oder 34 Prozent Körper


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schaftsteuer "wegsteuern", bedeutet das, daß Sie das eben sanierte Unternehmen durch einen Abfluß an Liquidität wieder schwächen und sein Eigenkapital reduzieren. Das kann doch nicht ernsthaft Ihr Gedanke dabei gewesen sein!

Sie haben ein riesiges Strukturanpassungsgesetz beschlossen, 78 Gesetze auf einen Streich – wir alle erinnern uns an den April 1996, als Sie die Sanierungsgewinne abgeschafft haben. Jetzt haben Sie eine ganz andere Materie, das Unternehmensreorganisationsgesetz, beschlossen. Ich bin Frau Dr. Fekter sehr dankbar dafür, daß sie es war, die in Besprechungen im Justizministerium darauf hingewiesen hat, daß diese Sache repariert werden muß. Ich bitte sie auch, dazu Stellung zu nehmen und zu sagen, auf welche Weise sie es reparieren will.

Wir Liberalen haben einen Vorschlag gemacht. Wir haben gesagt: Das ist der Punkt. Sie müssen zumindest die Sanierungsgewinne – und das steht in unserem Vorschlag – aus dem Reorganisationsverfahren hinsichtlich der Besteuerung freisetzen, damit dieses reorganisierte Unternehmen ein neues Rückgrat, neues Eigenkapital bekommt, damit es wirklich eine Zukunft hat. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Krüger. )

Meine Damen und Herren! Ich darf mit dem schließen, mit dem ich begonnen habe: Die Eigenkapitalsituation in den österreichischen Unternehmungen ist in vielen Fällen der Begrenzungsfaktor für wirtschaftliche Expansion, für die Antwort auf neu erkannte Kundenbedürfnisse. Wenn Sie dieses neu geschaffene, durch Unternehmensreorganisation geschaffene Eigenkapital gleich wieder der vollen Besteuerung unterziehen, es in der Personengesellschaft halbieren oder in der Kapitalgesellschaft um ein Drittel kürzen, schmälern Sie die Zukunft des eben sanierten Unternehmens. Das können Sie doch nicht wollen!

Ich bitte Sie daher, diesem Fristsetzungsantrag zuzustimmen, das im Ausschuß so zu behandeln, daß wir diese Gesetzesreparatur in der nächsten Plenardebatte vornehmen können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Krüger. )

15.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Debatte selbst betragen die Redezeiten 5 Minuten. Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. – Bitte.

15.42

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich darf zu diesem Fristsetzungsantrag zunächst formal bemerken, daß am 2. Dezember eine Sitzung des Finanzausschusses stattfinden wird. Ich darf Ihnen jetzt schon zusagen, daß wir diesen Punkt in die Tagesordnung dieser Sitzung aufnehmen werden. (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum.) Das bedeutet: Inhaltlich hat sich diese Sache damit erübrigt, und der Fristsetzungsantrag ist quasi gegenstandslos geworden. Wir werden ihm daher nicht zustimmen können. (Abg. Mag. Peter: Das ist eine "Logik"! Warum können Sie da nicht zustimmen?) Das ist die formale Seite.

Ich möchte mich aber zur inhaltlichen Seite nicht verschweigen. Inhaltlich müssen wir über dieses Thema natürlich sehr seriös und bewußt diskutieren, wobei ich zunächst zu Ihren generellen Ausführungen über Eigenkapitalausstattung darauf hinweisen möchte, daß Angaben über die Eigenkapitalausstattung der österreichischen Wirtschaft, in einem Land, in dem es, wie Sie wissen, anonyme Sparbücher gibt und auch die Bewertungsgesetzgebung eine Fülle von Möglichkeiten für stille Rücklagen schafft, international kaum vergleichbar sind. Jetzt kann man vielleicht sagen: Das ist alles nicht gut!, nur: So ist es eben. Daher wäre ich von dieser Seite her bei internationalen Vergleichen sehr vorsichtig. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Ja, ich gehe auch auf den zweiten Punkt ein.

Man muß schon auch folgendes sehen: Die Entwicklung der Gewinne war in den letzen drei, vier Jahren sehr massiv, sie sind deutlich stärker gestiegen als andere Einkommensarten. (Abg. Mag. Peter: Finanzanlagen!) Daher muß man das auch von dieser Seite her, meine ich, mit gewisser Vorsicht sehen.


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Ich stimme mit Ihnen darin überein, daß man theoretisch – theoretisch! – sagen könnte: Eigentlich will ich die Unternehmen gar nicht besteuern. Das, was ich besteuern will, ist das persönliche Einkommen. Nur: Dann müßten Sie konsequenterweise auch das Vermögen besteuern, denn sonst können Sie einen Vermögenszuwachs als solchen in Ihrem System überhaupt nicht erfassen.

Wenn Sie das wollen, wäre ich für diese Klarstellung dankbar. Im gegenwärtigen System müssen wir auch die Unternehmen besteuern, denn sonst hätten wir eben eine Steuerlücke. Es gäbe gewisse Einkommen, die überhaupt nicht steuerlich erfaßt wären; das heißt, die nichts zum Allgemeinwohl beitrügen. Immerhin wird aber die Infrastruktur des Landes auch von Unternehmen genutzt, und daher ist es sinnvoll, daß auch Unternehmen zur Erhaltung dieser Infrastruktur, und zwar sowohl der materiellen als auch der sozialen, beitragen.

Was den letzten Punkt betrifft, nämlich die Frage – das ist ja der eigentliche Punkt Ihres Antrages – im Zusammenhang mit den Sanierungsgewinnen, gebe ich zu, daß ich persönlich hinsichtlich der Regelungen, die wir im Unternehmensreorganisationsgesetz getroffen haben, nicht ganz ohne Skepsis bin. Ich meine, es ist auch sinnvoll, daß wir genau beobachten, wie sich das wirklich auswirkt, ob wir nicht ein vielleicht etwas zu kompliziertes Verfahren gewählt haben, aber ich würde sagen, daß man das erst anhand der Praxis feststellen kann.

Die steuerliche Ergänzung im Zusammenhang mit diesem Verfahren ist doch in Verbindung mit den Regelungen zu sehen, die wir gerade auch wieder mit dem Abgabenänderungsgesetz getroffen haben, nämlich der "Verewigung" des Verlustvortrages. Das heißt, wir haben mit diesem permanenten Verlustvortrag nun eine Begünstigung geschaffen, haben aber auf der anderen Seite die Regelung bezüglich Sanierungsgewinne abgeschafft.

Jetzt können Sie natürlich argumentieren: Eigentlich möchte ich es umgekehrt haben, ich möchte lieber den Sanierungsgewinn haben, aber dafür begrenzte Verlustvorträge. Auch darüber kann man reden, nur: Alles Gute zugleich haben zu wollen und sich die Rosinen herauszupicken, ist eine nicht ungefährliche Entwicklung, eine Entwicklung, vor der ich warnen würde. Dazu kommt noch – Sie haben das ja selbst angedeutet –, daß die bisherige Regelung bezüglich Sanierungsgewinne extrem mißbrauchsanfällig war.

Man kann argumentieren: Vielleicht finden wir etwas anderes. Nur: Wir sollten auf keinen Fall zum alten System zurückkehren, dieses hat sich keinesfalls bewährt. Wenn man etwas anderes will – worüber wir immer zu sprechen bereit sind –, muß man davon ausgehen, daß man eine Wahl treffen muß. Man kann sich im steuerlichen Bereich nicht sozusagen die Rosinen herauspicken. Das wäre weder im volkswirtschaftlichen noch letztlich im unternehmerischen Interesse, denn das würde ja bedeuten, daß die Möglichkeiten der Infrastruktur, des Staates, die entsprechenden Grundlagen zu schaffen, geringer wären.

Ich kann Ihnen versichern, daß wir uns mit dieser Materie eingehend auseinandersetzen werden, kann Ihnen aber keine Versicherung einer materiellen Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fink. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.48

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Peter, ich bin mit Ihrer inhaltlichen Begründung bezüglich der Sanierungsgewinne einverstanden. Ich vertrete hiezu die gleiche Ansicht und meine, daß der Entfall der Sanierungsgewinne aus der Einkommensdefinition dem Wegfall des § 36 ab 1998 entspricht, aufgrund dessen diese Einkommen absetzbar waren; absetzbar insofern, als Schuldennachlässe eben nicht versteuert wurden.

Ich bin der Meinung: Solang wir diese Sanierungsgewinne nicht steuerfrei lassen, so lang ist dieses Unternehmensreorganisationsgesetz totes Recht. Das bedeutet, daß die Sanierungs


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gewinne, diese Schuldennachlässe, steuerfrei bleiben müssen. Wenn sie nicht steuerfrei bleiben, werden, so meine ich, mehr Unternehmen in den Konkurs getrieben als saniert.

Ich bin daher grundsätzlich damit einverstanden – ich bin der Ansicht, daß wir im Finanzausschuß in der inhaltlichen Diskussion zu einer Regelung kommen werden –, daß man den Unternehmen, die saniert werden, helfen soll. Wir werden den 2. Dezember abwarten und im Finanzausschuß entsprechende Weichen stellen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

15.50

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Als im Zusammenhang mit dem Belastungspaket der § 36 EStG, die Steuerfreistellung der Sanierungsgewinne, ersatzlos gefallen ist, haben wir Freiheitlichen von Anfang an darauf hingewiesen, daß es sich bei dieser Bestimmung um ein arbeitsplatz- und betriebsvermögenvernichtendes Gesetz handelt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich verstehe daher den Fristsetzungsantrag, und es verwundert mich, daß Kollege Nowotny meint, er werde diesem Fristsetzungsantrag deswegen nicht zustimmen, weil diese Frage ohnehin am 2. Dezember in der Ausschußsitzung behandelt wird. (Abg. Rosemarie Bauer: Sehr richtig!) Ist es in diesem Hohen Haus wirklich so, daß eine Regierungspartei einem Antrag, nur weil er nicht von einer Regierungspartei kommt, nicht zustimmen kann? (Abg. Dr. Fekter: Wir haben schon gehandelt!) Wie ist eigentlich das Selbstverständnis eines Abgeordneten einer Regierungspartei? (Abg. Rosemarie Bauer: Was ist wichtiger?)

Ich darf Ihnen folgendes sagen: Wir Freiheitlichen werden diesem Fristsetzungsantrag sehr wohl zustimmen, weil es wirklich "brennt", denn diese Bestimmung wird mit 1. Jänner 1998 in Kraft treten.

Angesichts der Signale aus dem Finanzministerium – so meint etwa Herr Universitätsdozent Peter Quantschnigg in der "Presse" vom 6. November: "Wir denken nicht an eine Nachjustierung" – frage ich mich, wer in Österreich die Gesetze beschließt, wer Nachjustierungen bestimmt: das Parlament, also wir hier im Hohen Haus, oder die Damen und Herren im Ministerium?

Auch das Argument des Kollegen Nowotny, seit dem Belastungspaket seien die Verlustvorträge unbeschränkt abzugsfähig, ist nicht zutreffend. Es stimmt zwar, daß Verlustvorträge nun immerwährend abzugsfähig sind, aber was passiert, Herr Professor, wenn die Verlustvorträge nicht ausreichen, um den buchmäßigen Sanierungsgewinn abzudecken? – Dann tritt die volle Steuerpflicht ein.

Auch das Argument, es läge eine Doppelbegünstigung vor – einerseits Steuerfreiheit des Sanierungsgewinnes, andererseits ewiger Verlustvortrag –, stimmt schlicht und einfach nicht, weil die gesetzlichen Bestimmungen aussagen, daß Verlustvorträge zunächst auf den Sanierungsgewinn, auf einen früher steuerfrei gewesenen Anteil am Gesamteinkommen anzurechnen sind, und erst der dann verbleibende Verlustvortrag ist mit laufenden Einkünften zu verrechnen. Daher sollte aus freiheitlicher Sicht diese Bestimmung des ehemaligen § 36 EStG wiedereingeführt werden.

Herr Kollege Peter! Am Inhalt des Antrages auf Änderung des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes stört mich die Einschränkung auf: Sanierungsgewinne infolge eines Reorganisationsverfahrens im Sinne des zweiten Abschnitts des Unternehmensorganisationsgesetzes. Ich glaube nicht, daß diese Einschränkung zielführend ist. Wenn wir die dringend notwendige Steuerfreistellung der Sanierungsgewinne wiedereinführen, dann nur in vollem Umfang! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Des weiteren gilt es festzuhalten, daß es durch die Bestimmung, Sanierungsgewinne steuerpflichtig zu machen, zu einer Besserstellung der Finanzverwaltung des Staates gegenüber den privaten Gläubigern kommt. Der Staat und seine Finanzverwaltung profitieren am Schuldennachlaß durch private Gläubiger. Das kann doch wirklich nicht im Sinne des Erfinders sein!

Wenn Sie uns nicht glauben, daß durch den Entfall des § 36 EStG Tausende Arbeitsplätze in Österreich gefährdet sind, dann fragen Sie die Kreditschutzverbände. Dort kann man Ihnen entsprechende Zahlen vorlegen.

Ich möchte abschließend Kurt Haendel vom Kreditschutzverband von 1870 zitieren: ",Dadurch sind Tausende Arbeitsplätze bedroht, Firmenvermögen wird vernichtet, der Insolvenzausfallsgeldfonds zusätzlich belastet und der Staat erst recht um Steuereinnahmen gebracht.’ ... Er habe bereits erste derartige Fälle auf dem Tisch und schätze, daß rund 4 000 Arbeitsplätze auch durch Anschlußinsolvenzen von Kleinlieferanten betroffen sein könnten."

Meine Damen und Herren! Diese Aussage sollte uns zu denken geben. Wir wollen in Österreich Arbeitsplätze schaffen und erhalten, aber nicht durch unsinnige Steuergesetze vernichten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte.

15.55

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Nowotny, ich möchte auf einige Ihrer Ausführungen eingehen.

Niemand von den Liberalen hat die Absicht, Rosinen herauszupicken. Wir haben ein Sachproblem aufgezeigt und gesagt, Sie können diese Gesetzesbestimmung ruhig vergessen. Denn meiner Ansicht nach ist es völlig klar, daß Sie, wenn Sie das nicht durch eine Novelle ändern, in Zukunft von einem Sanierungsgewinn in diesem Land nicht mehr zu sprechen brauchen, weil Sie einfach keinen mehr haben werden. Sie können dann auch nichts besteuern, weil diese Kombination von Restrukturierungsbestimmungen und Besteuerung von Sanierungsgewinnen eine erfolgreiche Sanierung schlicht und ergreifend verhindern wird.

Ich lege meine Hand nicht dafür ins Feuer, daß das bei allen Fällen, also in 100 Prozent der Sanierungsfälle, so sein wird, aber ich wette jeden Betrag mit Ihnen, daß weit über 90 Prozent davon betroffen sein werden. Damit muß uns allen doch klar sein, daß diese gesetzliche Bestimmung ins Leere geht! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wenn ich einen Begriff, nämlich den Sanierungsgewinn, definiere und diesen besteuern möchte, aber durch eben diese Besteuerung keinen mehr bekomme, dann ist das wohl deutlich genug.

Herr Kollege Nowotny, lassen Sie mich noch etwas erwähnen: Sie behaupten, es würden sonst Lücken im Steuergesetz entstehen. Das sehe ich nicht so wie Sie. Ich sehe es auch nicht im Zusammenhang mit einer nicht vergleichbaren Kapitalausstattung und mit anonymen Sparbüchern. Es ist immer eigenartig, wenn Sie von den Regierungsfraktionen uns sagen, das und jenes werde durch die anonymen Sparbücher verhindert. Wir fordern schon seit Wochen und Monaten, ja seit Jahren: Schafft endlich die anonymen Sparbücher ab! Traut euch das und macht statt dessen ein anständiges Bankgeheimnis! Das liegt im Interesse der Sparer, der Wirtschaft und der Bürger. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Nowotny: Das ist kein sachlicher Grund!) Aber ich bitte Sie!

Sie sind offensichtlich nur die Verhandlungsart mit Ihrem Koalitionspartner gewohnt, daß Sie nur dann bereit sind, einer bestimmten Sachentscheidung zuzustimmen, wenn Sie sich dafür etwas einhandeln. Herr Kollege Nowotny! Wir glauben, daß Sachentscheidungen für sich selbst zu rechtfertigen sind und daß man sich, wenn sie rechtfertigbar sind, nichts dafür einhandeln muß!


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(Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Nowotny: Das ist ein inhaltlicher Zusammenhang!)

Daher sage ich Ihnen: Belassen Sie ruhig die Verlustvorträge, aber führen Sie wieder eine moderate Regelung hinsichtlich der Sanierungsgewinne ein!

Herr Kollege Böhacker! Ich bin nicht Ihrer Meinung, auch ich glaube, daß die alte Sanierungsgewinnregelung mißbraucht wurde, und zwar in erheblichem Umfang. Deshalb sehe ich eine durchaus sinnvolle ... (Abg. Böhacker: Solange es keine "ewigen" Verlustvorträge gegeben hat!)  Ja, Herr Böhacker! Es gibt nach meinem Dafürhalten einen sinnvollen Zusammenhang, aber wir können im Ausschuß auch besprechen, daß man Sanierungsgewinne zwar wieder steuerfrei stellt, sie aber auf bestimmte Fälle begrenzt und damit diesem neuen Gesetz, das in diesem Haus beschlossen wurde, durch ein entsprechendes neues Verfahren Sinn gibt. (Abg. Böhacker: Nur wird das nicht passieren!)

Herr Kollege Nowotny! Lassen Sie mich etwas Grundsätzliches zum Themenkreis Vermögensteuer, Endbesteuerung von Kapitalerträgen et cetera anfügen: Sie wissen so gut wie ich, daß die Frage, ob Vermögen eine taugliche Besteuerungsgrundlage ist, eine höchst ideologische ist. Trotzdem muß ich Ihnen sagen: Es wäre eine von mir aus auch kontroversielle Diskussion um diese ideologische Frage durchaus der Mühe wert, wenn sie irgendein Ergebnis brächte. Aber wir wissen, daß unser Hauptproblem in diesem Zusammenhang ist, daß wir das Vermögen in unserer Gesellschaft und in unserer Wirtschaft nicht mehr fokussieren können. Die steuerpflichtigen Bürger könnten es, wenn es Besteuerungsgrundlage wäre, wirkungsvoll dem Fiskus entziehen.

Daher sollten wir uns, glaube ich, darauf konzentrieren, insbesondere ... (Abg. Dr. Nowotny: Ich habe nicht für die Einführung plädiert ...!) Ich weiß, ich beantworte ja nur Ihre Aussagen betreffend eine Wiedereinführung der Vermögensteuer. Ja, darüber können wir reden, nur, Herr Kollege Nowotny: Viel wichtiger wäre es, wenn Sie und Ihre Fraktion im ECOFIN, in dem der Herr Bundesminister ist, gewichtig dafür plädieren würden, dringend, dringend, dringend und rasch, rasch, rasch – so rasch wie möglich! – die europäischen Harmonisierungsbemühungen auf dem Gebiet der Kapitalbesteuerung voranzutreiben, damit es eventuell wieder einmal die Möglichkeit gäbe, eine weitere Steuerbemessungsgrundlage, wie etwa Vermögen oder bestimmte Vermögensgruppen, heranzuziehen.

Ich erachte das deshalb auch für besonders dringend (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), weil wir wissen – das ist mein Schlußsatz, Herr Präsident –, daß wir, da Arbeit als Besteuerungsgrundlage keine Zukunft mehr hat und unsere öffentlichen Aufgaben trotzdem erfüllbar bleiben müssen, Phantasie aufwenden müssen, um andere Besteuerungsgrundlagen zu finden. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.00

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Grünen stimmen dem heutigen Antrag der Liberalen natürlich zu. Er bezieht sich auf einen Antrag, der von den Kollegen Peter und Haselsteiner sowie von mir gemeinsam eingebracht worden ist. Das heißt aber nicht, daß die Grünen mit allem einverstanden sind, was Kollege Peter heute gesagt hat, denn er hat viel weiter ausgeholt.

Ob die Betriebssteuer, wenn ich Sie richtig verstanden habe, die Besteuerung der Entnahmen oder die Nichtbesteuerung der entnommenen Gewinne sinnvoll ist, ist damit in keiner Weise tangiert. (Abg. Dr. Haselsteiner: Nein! Das hat er nicht so gemeint!) Es ist kein neues, sondern ein schon lange diskutiertes Steuermodell, bei dem ich dieselben, jedenfalls ähnliche Bedenken wie Kollege Nowotny habe.


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Die Besteuerung der Entnahmen hat, würde ich sagen, einen gewissen "Charme", denn damit würden auch die Entnahmen aus Verlustbetrieben besteuert. (Abg. Böhacker: Auch die Entnahme von Kapital!) Man müßte darüber diskutieren, welche Auswirkungen das hat. Ob es aber besonders sinnvoll ist, die Gewinne in bestimmten Betrieben zu thesaurieren, ist eher zu bezweifeln. Ich sehe gerade im jetzigen System einen Vorteil darin, daß ein gewisser Anreiz besteht, das Kapital in verschiedene Betriebe sozusagen zu diffundieren. Aber das ist ein separates Kapitel.

Was den Rest betrifft, die Nichtbesteuerung von buchmäßigen Sanierungsgewinnen, soweit sie aus dem Reorganisationsverfahren entstehen, ist unser Fristsetzungsantrag nun gewissermaßen hinfällig, da Kollege Nowotny gesagt hat, es stehe ohnehin auf der Tagesordnung des 2. Dezember. – Wunderbar, würde ich sagen. Wir stimmen trotzdem für den Antrag, und du (in Richtung des Abg. Dr. Nowotny) könntest unter diesen Umständen eigentlich ruhig auch dafür stimmen, denn es ändert daran gar nichts. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Sanierungsgewinne, soweit sie aus dem Reorganisationsverfahren stammen, sollten nicht besteuert werden. Ich hätte aber auch Bedenken, Sanierungsgewinne wie früher grundsätzlich freizustellen, obwohl die Verlustvorträge jetzt auf "ewig" gelten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, dem Finanzausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 546/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz und das Körperschaftsteuergesetz geändert werden, eine Frist bis 5. Dezember 1997 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag des Abgeordneten Peter stimmen wollen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Damit haben wir die beiden Kurzdebatten durchgeführt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die Verhandlungen über die Beratungsgruppe IX, wirtschaftliche Angelegenheiten, wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Firlinger.

16.04

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Als Herr Bundesminister Dr. Farnleitner vor eineinhalb Jahren sein Amt angetreten hat, haben viele gemeint, daß es vielleicht gar nicht so schlecht sei, wenn jemand aus der Kammer die Reformvorhaben, die sein Amtsvorgänger zwar angekündigt, aber nicht umgesetzt hat, weiterführt. – Damals hatte ich mich dieser Meinung angeschlossen. Leider war schon nach kurzer Zeit klar, daß Herr Bundesminister Farnleitner die Erwartungen nicht erfüllt.

Ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt gab es wieder eine große Wirtschaftsdebatte in diesem Hause, im Zuge derer ich mein Urteil nach unten revidieren mußte. Ich habe mir damals gedacht, der Herr Bundesminister hat zwar ganz gute Ideen, aber er ist ein Theoretiker und kann sich nicht durchsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In dieser Meinung wurde ich bestärkt, als der Herr Bundesminister in Sachen Straßenbau – Ausgliederung der ASFINAG-Finanzierung – die größten Schwierigkeiten hatte, seine Meinung bei den Landeshauptleuten durchzusetzen.


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Meine Damen und Herren! Heute muß ich mein persönliches Urteil nochmals nach unten revidieren. Ich bin nun soweit, Ihnen, Herr Bundesminister, zu sagen, daß Sie ein massives Glaubwürdigkeitsproblem haben, und ich will Ihnen auch sagen, woraus das resultiert.

Vor fünf Wochen hat Ihnen Herr Dr. Haider vorgeworfen, daß der Millionenauftrag für die Vergabe der Vignetten, der in die Zuständigkeit Ihres Ministeriums fällt, widerrechtlich erfolgt ist. Sie, Herr Bundesminister, haben sich beeilt, sofort zu sagen, daß das überhaupt nicht stimme und Dr. Haider die Unwahrheit sage. – Heute steht in der "Kronen Zeitung": "Millionenauftrag für Vignetten wurde widerrechtlich vergeben, Rechnungshof übt massive Kritik an Vorgangsweise der Behörden." (Rufe bei den Freiheitlichen: So, so! Aha!) Hauptsache, Herr Bundesminister, Sie haben Ihre Wut wieder einmal an Dr. Haider ausgelassen und ihn der Unwahrheit bezichtigt. Nun stehen Sie aber da wie ein begossener Pudel! Das muß ich schon sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Ein schwarzer Pudel!)

Herr Bundesminister! So macht man keine Politik! Seien Sie mir nicht böse, aber wenn Sie schon derart vollmundige Aussagen in Richtung des Dr. Haider machen, dann müssen Sie sich auch gefallen lassen, wenn diese eindeutig widerlegt werden! Ich bin neugierig darauf, was Sie dann dazu sagen.

Aber das ist ja nicht das erstemal, daß Sie etwas relativ salopp formulieren, was einer näheren und einer kritischen Beurteilung nicht standhält. Ich erinnere etwa nur daran, was Sie in den letzten Monaten zum Thema "Euro" von sich gegeben haben, und ich möchte nur ein Beispiel herausgreifen.

Am 2. September 1997 stand zu lesen, der Wirtschaftsminister stelle klar, Dr. Haider betreibe mit dem Anti-Euro-Volksbegehren "Volksverdummung". Bundesminister Farnleitner sagte weiters am Europa-Telefon, daß es dem FPÖ-Obmann überhaupt nur darum gehe, daß er so lange einen diebischen Spaß haben kann, solange ihm die Leute auf den Leim gingen.

Aber dann kommt es noch besser. Ich glaube, es geht Ihnen, Herr Bundesminister, die Argumentation aus, die argumentative Luft wird für Sie immer dünner. In der gleichen Euro-Telefonstunde antworteten Sie am 2. September einer "Patriotin", die sich eben als solche bezeichnete und die darauf hofft, daß der Euro nicht kommt und unser Schilling bleibt, mit einer Aussage Ihrer Großmutter, die einst gemeint hätte, es sei ihr völlig Wurscht, wie das Geld heiße, Hauptsache man habe welches. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Farnleitner. )

Es steht in der APA, Herr Bundesminister. Das letzte Mal haben Sie mir gesagt, ich soll nicht alles glauben, was in der APA steht. Ich bin aber auf Meldungen angewiesen. – Ich meine nur, die Luft in Ihrer Euro-Argumentation ist so unbeschreiblich dünn geworden, daß es besser wäre, Sie würden sich in der Euro-Thematik nicht mehr zu Wort melden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Schüssel hat auch alles abgestritten!)

Herr Bundesminister! Bei aller fachlichen Diskussion, die man hier einbringen kann: Sie gehören auch zu jenen, die ihren Aufsichtspflichten nicht nachkommen. Sie wissen, in Ostasien ist eine schwere Währungskrise im Gange. Diese Krise hat zwar hausgemachte Ursachen, deren Eintreten aber wurde vom Internationalen Währungsfonds verschlampt. Auch wir haben einen Vertreter in diesem Gremium, der meines Wissens unter Ihrer Aufsicht steht; dort wurde aber eigentlich nichts gemacht.

Herr Bundesminister! Ich komme abschließend nicht umhin, meine Wertung folgendermaßen auszudrücken: Hätten Sie drei Augen, würde ich Ihnen attestieren, am ersten Auge den grauen Star zu haben und am zweiten, dem europäischen Auge, halbblind zu sein, und am asiatischen Auge sind Sie überhaupt vollblind! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Maitz: Eine starke, "sachliche" Aussage!)


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16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

16.10

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, Sie wieder auf die Ebenen des Tourismus zurückzuführen. Ich möchte in diesem Beitrag zur Budgetdebatte drei Problembereiche ansprechen.

Zunächst möchte ich es positiv bewerten, daß es uns gemeinsam gelungen ist, den Budgetansatz bei der "Österreich Werbung" um 50 Millionen Schilling zu erhöhen. Gerade jetzt ist es notwendig, die vorhandenen Mittel operativ einzusetzen, damit wir in einer Zeit Werbung betreiben, in der es erforderlich ist, den Gästen unser Angebot deutlich zu machen.

Herr Bundesminister! Ich möchte bei dieser Gelegenheit zur "Österreich Werbung" bemerken, daß die von Ihnen angesprochene Kooperation der Außenhandelsstellen der Bundeswirtschaftskammer mit den Außenstellen der "Österreich Werbung" nur dann sinnvoll ist, wenn sie wirklich Kosteneinsparungen bringt, wenn die fachliche Qualifikation der Vertreter der Bundeswirtschaftskammer in den Außenhandelsstellen gegeben ist und wenn es nicht – mehr oder weniger – zu einer Subvention der Bundeswirtschaftskammer kommt.

Ich beziehe mich dabei auf eine von Ihnen anläßlich der 50-Jahr-Feier der ÖHT heute getroffene Aussage, in der Sie gemeint haben – dabei haben Sie meine Unterstützung –, daß die Tourismusbetriebe schließlich Mitglieder der Bundeswirtschaftskammer sind, sodaß die Kammer, ohne dafür Kosten in Rechnung zu stellen, für ihre Mitglieder draußen in der Welt etwas zu tun hat. Dabei werden Sie auch unsere Unterstützung haben. Die "Österreich Werbung" braucht ihr Geld, um operativ mit vielen Möglichkeiten sehr vielfältig Werbung zu betreiben.

Meine Damen und Herren! Bei der Gelegenheit sollte man auch darüber nachdenken, ob die "Österreich Werbung" nicht doch in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt werden sollte.

Zweite Bemerkung: Ich bin sehr froh, daß im Budgetansatz ausgewiesen ist, daß die Tourismusförderung in der Richtung geändert werden konnte, daß sie einem Entschließungsantrag entspricht, den ich lange Zeit forciert habe: daß Kooperation zwischen den Regionen möglich wird und daß Kooperation zwischen den Betrieben zu erhöhter Effizienz führen kann. Das ist meiner Ansicht nach eine sinnvolle gemeinsame Möglichkeit.

Meine dritte Bemerkung betrifft die Oppositionspolitik. Mir hat diese und vor allem die vorherige Debatte gezeigt, daß die Oppositionspolitik insbesondere der FPÖ so aussieht, wie sie im "NEWS" mit Bezug auf den Parteiobmann Haider zitiert wird: Haider hat statt einer Haltung eine hemmungslose, chamäleonartige Marketingstrategie. – Das ist es schlußendlich, und das haben Sie heute wieder einmal unter Beweis gestellt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Blünegger. Er hat das Wort.

16.13

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister Farnleitner! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wenn ich die Lobeshymnen über das Budget, die ich von der Regierungskoalition gehört habe, richtig verstanden habe, komme ich mir vor, wie wenn ich in einem anderen Staat oder sogar auf dem Mond leben würde.

Denn Herr Kollege Puttinger hat bei den Lobeshymnen, die er heute hier vorgetragen hat, sicherlich eines vergessen: Er hat vergessen, daß er die Arbeitslosigkeit in Österreich nicht ernstgenommen und nicht einmal die Vergleichszahlen angesehen hat. Wenn ich vergleiche, daß im Monat Oktober 1996 214 293 Arbeitnehmer arbeitslos waren und im Jahr 1997 im gleichen Monat 219 383 Arbeitnehmer ohne Arbeit gewesen sind, dann sehe ich, daß es heuer um fast 5 100 Personen mehr sind. Jeder Arbeitslose mehr zeigt aber, daß die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nicht in Ordnung ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Davon sind allein 19,55 Prozent ältere, über 50 Jahre alte Arbeitslose. Auf diesem Gebiet ist im vorliegenden Budget überhaupt nichts drinnen. Das ist sicherlich verfehlte Wirtschaftspolitik, und das ist meiner Ansicht nach eine Katastrophe, meine sehr geschätzten Damen und Herren!

Oder wenn ich den Märchenvergleich von Bundeskanzler Klima ansehe: Die Zahlenspielerei mit den Lehrlingen ist hier gelobt worden, sie wird aber unter anderem im heutigen "Kurier" anders dargestellt: "Klimas Lehr-Versprechen" steht dort. Kollege Koppler! (Abg. Koppler: Bitte?) "Klimas Lehr-Versprechen": 3 000 Jugendliche ohne Arbeit. Herr Kollege! Bundeskanzler Klima hat unter anderem immer wieder gesagt, daß kein Jugendlicher auf der Straße steht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Guggenberger und Koppler. ) Im "Kurier" steht: "3000 Jugendliche werden heuer keine Lehrstelle finden." Kollege Koppler! Genau das ist das leere Versprechen des Kanzlers. (Abg. Koppler: Kollege Blünegger! Das ist schon so oft zitiert worden, laß das endlich! – Abg. Mag. Guggenberger: Herr Kollege Blünegger! Es ist noch Zeit!)

Oder wenn ich den Vergleich des Wachstums in der Industrieproduktion hernehme: Im Jahr 1994 waren es 5,5 Prozent Steigerung, im Jahr 1996 sind es nur noch 4,3 Prozent gewesen, und im Jahr 1997 werden es der Prognose nach magere 3 Prozent sein. Ist es das, was die Bundesregierung unter Wirtschaftspolitik versteht? – Ich stelle nur die Frage.

Oder die Forschungs- und Wirtschaftsförderung: Sie macht knapp 1,5 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes aus. Nach meinem Dafürhalten ist sie sogar so niedrig wie in einem Entwicklungsland. Denn wie hoch ist der EU-Durchschnitt? – Im EU-Durchschnitt beträgt die Wirtschafts- und Forschungsförderung 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Oder wenn ich die Darstellung des Abgeordneten Van der Bellen über den Forschungsförderungsfonds heranziehe, die ich sofort voll unterstützen kann, dann kommt es mir vor, als ob Sie alle den Brief nicht gelesen haben, den uns das Institut geschickt hat, meine Damen und Herren! Ich kann mich den Worten des Abgeordneten Dr. Van der Bellen nur voll anschließen.

Ich glaube, daß höhere Arbeitslosigkeit, weniger Jugendbeschäftigung und geringes Industriewachstum letztlich bedeuten, daß wir in diesem Budget keine guten Ansätze haben. Das alles, meine sehr geschätzten Damen und Herren, sind Fakten über diese Bundesregierung oder diese Koalition, die wir Freiheitliche Ihnen immer wieder vergeblich vor Augen gehalten haben.

Das Budget ist die in Zahlen gegossene Politik, und Sie, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, sollten sich die Worte Ihres Gesinnungsfreundes Oskar Lafontaine zu Herzen nehmen, der im Jahr 1992 gesagt hat: Das, was wirtschaftlich falsch ist, kann politisch nicht richtig sein. – Deshalb sollten auch Sie diesem Budgetkapitel keine Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kampichler. – Bitte.

16.18

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Nachdem Kollege Blünegger sein Klagelied über die schlechte Wirtschaftssituation in Österreich beendet hat, möchte ich mich kurz wieder einigen positiven Dingen zuwenden.

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich mit dem Thema Betriebsansiedlung in Österreich auseinandersetzen, einem Bereich, der insbesondere für das südliche Niederösterreich von sehr großer Bedeutung ist. Wir haben vor allem durch den Niedergang der verstaatlichten Industrie sehr viele Arbeitsplätze verloren, aber wir haben eine sehr gute Industrieinfrastruktur und damit optimale Voraussetzungen für neue Betriebe, die sich bei uns ansiedeln wollen. Wir haben optimale Verkehrsverbindungen, wir haben bestens ausgebildete Arbeitskräfte, und wir haben vor allem eine hohe Akzeptanz der Bevölkerung für Industriebetriebe.

Erfreulicherweise gibt es sehr viele positive Beispiele aus den letzten Jahren, initiiert vor allem durch die Betriebsansiedlungsgesellschaften des Landes und des Bundes. Das Budget 1998


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bietet mir eine Gelegenheit, die Aktivitäten unserer Betriebsansiedlungsgesellschaft kurz zu skizzieren. Die Austrian Business Agency, die Nachfolgegesellschaft der ICD, fällt durch eine besonders positive Bilanz im ersten Halbjahr 1997 auf. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden 24 Betriebe in Österreich neu angesiedelt. Über 700 Arbeitsplätze wurden damit geschaffen – eine gewaltige Leistung, wenn man bedenkt, daß die einzelnen Projekte immer kleiner werden, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Zeiten sind vorbei, da mit einer einzigen Ansiedlung Hunderte Arbeitsplätze geschaffen wurden. Deshalb lautet der Grundsatz der ABA: Qualität vor Quantität. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Betriebsansiedlungsgesellschaft des Bundes bedient sich bei ihren Aktivitäten einer Kommunikationsoffensive, zu der eine Werbe- und PR-Kampagne, eine Multimediapräsentation und eine neu überarbeitete Internetpräsentation gehören. All diese Maßnahmen sollen den Boden für kommende erfolgreiche Betriebsansiedlungen in Österreich aufbereiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist das Ziel, der ganzen Welt bewußtzumachen, daß Österreich eines der führenden Industrieländer der Welt ist. Im Ausland kooperiert die ABA mit den Außenwirtschaftsorganisationen der Wirtschaftskammer. Diese vertreten die ABA ehrenamtlich im Ausland. An besonders wichtigen Standorten sollen Investmentmanager eingesetzt werden. Diese sollen die Akquisition vor Ort durchführen. Dieses Modell ist bereits in New York erprobt worden; als weitere Standorte sind Seoul und Taipeh im Gespräch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wechsel in den Zuständigkeitsbereich des Wirtschaftsministeriums ist der Ausgangspunkt für diese positive Entwicklung unserer Betriebsansiedlungsgesellschaft. Mit einem Budget von etwa 76 Millionen Schilling wird sehr effektiv gearbeitet, und ich gratuliere unserem Wirtschaftsminister zu dieser erfolgreichen Arbeit der in seinem Kompetenzbereich befindlichen Betriebsansiedlungsgesellschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist aber nicht nur bei der Ansiedlung neuer Betriebe erfolgreich, sondern vor allem auch bei der Absicherung bestehender Arbeitsplätze. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. ) Ich möchte das am Beispiel Semperit Traiskirchen kurz hervorheben.

Die Dramatik um diesen Betrieb wurde der Öffentlichkeit sehr breit dargestellt und war auch Thema hier im Hohen Haus. Der Parteiführer einer Oppositionspartei hat durch spektakuläre, besonders medienwirksame Auftritte versucht, daraus politisches Kapital zu schlagen. (Abg. Aumayr: "Parteiobmann" heißt das für Sie! – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. ) Die Bundesregierung aber hat gearbeitet, und es ist gelungen, das Auftragsvolumen mit der japanischen Kfz-Industrie wesentlich auszuweiten. In harten Verhandlungen hat unser Minister auch erreicht, daß wieder große Anteile des Bereiches Forschung und Entwicklung nach Traiskirchen zurückgebracht wurden. Heute gibt es nur noch positive Meldungen über Semperit Traiskirchen. Ich möchte mich beim Herrn Minister namens der Arbeitnehmer aus meiner Region sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Budget 1999 ist die Grundlage für eine solide Wirtschaftspolitik, damit auch für die Absicherung bestehender und für die Schaffung neuer, hochqualifizierter Arbeitsplätze. Ich werde diesem Budget sehr gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann zu Wort. – Bitte.

16.24

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Wirtschaftsminister! Ich nehme an, Sie


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97. Sitzung / Seite 108

verstehen mich, wenn ich keine Lobeshymnen auf Ihre Politik zu singen beginne. (Abg. Dr. Fekter: Sie können es aber gerne tun!)

Vorgänge, die derzeit in der E-Wirtschaft stattfinden, zwingen mich dazu, eine meiner Ansicht nach besorgniserregende Fehlentwicklung am Beispiel der Energie Steiermark beziehungsweise der EStAG hier aufzuzeigen – ähnliches geschieht auch in Oberösterreich –, weil es naheliegend ist und alles dafür spricht, daß es zu einem Ausverkauf der österreichischen E-Wirtschaft kommen wird. Herr Wirtschaftsminister! Ihr mehrmals geäußerter Wunsch nach einer sogenannten österreichischen Lösung mag zwar in Anbetracht der Vorweihnachtszeit zulässig sein, er ist jedoch keinesfalls ausreichend.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Wirtschaftsminister! Der Ausverkauf ans Ausland ist sozusagen eingeläutet. Ausländische EVUs erstellen Angebote für Anteile österreichischer Landes-EVUs, und Sie, Herr Wirtschaftsminister, haben es meiner Ansicht nach verabsäumt, tatsächlich Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine österreichische Lösung garantieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Immer wieder hört man, eine solche Vorgangsweise sei im Rahmen der Europäischen Union nicht möglich. Wir hätten nur die Richtlinien nationalstaatlich zu vollziehen und könnten nicht anders. Ich bin überzeugt davon: Wenn Sie wollten, dann könnten Sie!

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nicht zusehen, wie ausländische Atomstromproduzenten par excellence sich jetzt um Anteile der EStAG bewerben und – in einer möglichen Verschränkung mit der oberösterreichischen OKA – letztlich einen Fuß am österreichischen Energie- und Strommarkt haben. Deshalb erlaube ich mir, einen entsprechenden Entschließungsantrag einzubringen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Mag. Karl Schweitzer, Franz Lafer, Anna Elisabeth Aumayr und Kollegen betreffend die sich abzeichnenden Fehlentwicklungen bei der Neuorganisation der E-Wirtschaft sowie die Fehlentwicklung des österreichischen Strommarktes durch die Kürzung der Förderungen im Bereich Energie

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird ersucht, durch sofortige Kontaktaufnahme mit den Eigentümervertretern der Elektrizitätsversorgungsunternehmen die derzeit laufenden Ausschreibungen zu stoppen, sofern eine Lösung unter bestimmendem österreichischem Einfluß nicht gewährleistet ist.

Weiters wird der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ersucht, nicht wie bisher nur Wünsche für eine österreichische Lösung bei der Neuorganisation der E-Wirtschaft zu äußern – "Standard", 22. Oktober 1997 – und sich angesichts der Verpflichtung zur Liberalisierung der Resignation und Untätigkeit hinzugeben, sondern von unabhängigen Experten ein verbindliches Modell ausarbeiten zu lassen, das eine Privatisierung unter der Prämisse ,österreichische Lösung‘ weitgehend garantiert.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird ebenso ersucht, durch das Modell einer Energieholding – nach Vorbild des Freiheitlichen Poolmodells – die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, um den Wettbewerbsnachteilen, die sich durch die bestehenden Strukturen und das dadurch resultierende hohe Strompreisniveau ergeben würden, entgegenzuwirken."

*****


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97. Sitzung / Seite 109

Herr Wirtschaftsminister! Sie sollten sich bemühen, nicht als Totengräber einer eigenständigen österreichischen Strompolitik in die Geschichte einzugehen. Tun Sie in diesem Bereich etwas! Es ist noch nicht zu spät. Aber wenn ich Sie auffordere, in dieser Angelegenheit aktiv zu werden, bitte ich Sie zugleich, es nicht so zu tun wie beim Generalübereinkommen mit dem Verband der E-Wirtschaft, als es um die Einspeisevergütung ging – mein Kollege Mag. Schweitzer wird hiezu noch das Wort ergreifen –, denn damit haben Sie bereits begonnen, die Grube auszuheben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß unterstützt und verlesen worden; er steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurt Wallner.

16.28

Abgeordneter Kurt Wallner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zwei meiner Vorredner der freiheitlichen Fraktion, nämlich Blünegger und Firlinger, haben zu den Themen Arbeitnehmer über 50 und Euro gesprochen. Den beiden Herren möchte ich empfehlen, sich mit ihrem Wirtschaftssprecher Prinzhorn zusammenzusetzen.

Ich verweise auf zwei Erlebnisse aus meiner täglichen Praxis beziehungsweise der Erfahrung der letzten Jahre zum Thema Euro: Bereits im Jahr 1993 habe ich bei einem Betriebsbesuch bei Brigl & Bergmeister den Herrn Geschäftsführer Maier getroffen, der mich gefragt hat: Wann wird endlich die gemeinsame europäische Währung eingeführt? Wir haben in der Papierindustrie bei unseren Exportgeschäften große Währungsverluste.

Ich kann mich erinnern, daß man sogar hier im Haus eine Lösung für die Papierindustrie gefunden hat. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Aber der Herr Maier ist nicht mehr und hat das Unternehmen nur hinabgeführt!) Ja, aber Sie haben es jahrelang mit ihm in Kooperation geführt. Wie auch immer: In diesem Fall, in dem Sie riesengroße Währungsverluste hatten, dürfte er meiner Ansicht nach nicht danebengelegen sein. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn. )

Was die Arbeitnehmer über 50 betrifft, so vergeht kaum ein Monat, in dem nicht ein Arbeitnehmer, der in Ihrem Betrieb beschäftigt ist, kommt und sagt: Bitte helfen Sie mir, ich möchte gern in die Frühpension gehen. Ich erhalte Signale von der Geschäftsführung, daß ich nicht mehr gebraucht werde. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: ... hat er nur Mitarbeiter abgebaut! – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. ) Das kann ich jederzeit mit Akten beweisen. Lieber Herr Schöggl! Zu Ihnen komme ich jetzt gleich, wenn Sie es unbedingt wollen und sich hier aufdrängen. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: O ja! Gerne!)

Meine Damen und Herren! Die Industrie ist sicherlich der Motor der österreichischen Exportwirtschaft. Sie floriert sehr gut, und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, anläßlich der Budgetdebatten hier immer über die Stahlindustrie im Bereich der Steiermark, die ehemalige ALPINE, zu sprechen, und zwar deshalb, weil man uns schon sehr oft totgesagt hat und weil wir wirklich ausgezeichnete Erfolge vorweisen und einen wertvollen Beitrag zum Erfolg der börsennotierten Stahl AG leisten können.

In ganz Westeuropa werden die sogenannten Langproduktionen abgestoßen. Thyssen in Deutschland zum Beispiel hat die Produktion sogar an einen indischen Konzern verschenkt. Alle investieren in den Bereich Flach, in die Erzeugung von Blechen, weil diese verstärkt im Bereich der Automobilindustrie und der Haushaltsindustrie gebraucht werden. In Österreich gibt es eine völlig konträre und in diesem Bereich äußerst positive Entwicklung. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Fragen Sie Experten!) Es ist gelungen, nach den Jahren, in denen man eigentlich die Stahlprodukte zuwenig veredelt hat, nachzudenken, eine ausgeprägte Nischenpolitik an den Tag zu legen und Stahlspezialitäten anzubieten, vor allem im Bereich der Schiene und des Drahtes, aber auch des Erdölrohres.


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97. Sitzung / Seite 110

Es ist zu erwarten, daß im heurigen Jahr in Donawitz 330 000 Jahrestonnen Schiene erzeugt werden. Damit ist dieses Werk in der Obersteiermark, das aufgrund der hohen Transportkosten bei Exporten einen gravierenden Standortnachteil hat, zum größten Schienenerzeuger der Welt geworden, und ich denke, das ist ein großartiger Erfolg. Die Konkurrenz liegt fünf Jahre zurück. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wem verdanken wir das? Dem Betriebsrat, oder was?) Ihnen sicher nicht, Herr Schöggl, und der FPÖ auch nicht!

Da kann ich gleich einen Teil vorziehen, den ich sowieso erwähnen wollte. Herr Schöggl! Ich danke Ihnen, daß Sie mir dazu Gelegenheit geben. Ich möchte Sie ersuchen, gemeinsam mit Kollegen Grollitsch und anderen Ihren großen Einfluß wahrzunehmen, endlich zu Ihrem Parteiobmann zu pilgern – wenn er anwesend ist – und ihm zu sagen: Lieber Freund, du hast im Jahr 1987 einen riesengroßen Blödsinn gemacht. Du hast gefordert, daß das Werk in Donawitz geschlossen werden soll – das ist aktenkundig und kann jederzeit in den verschiedenen Pressediensten ausgehoben werden, 1987 war das –, bitte stell jetzt klar, daß du dich geirrt hast! (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wenn wir so weiterwirtschaften, werden sie eh zusperren!) Vor allen Dingen: Bitte entschuldige dich endlich einmal bei den Arbeitnehmern, die dort Großartiges leisten! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber dazu reicht weder Ihr Einfluß noch Ihr Wille. Daher muß ich sagen, Sie lassen sich zu einem willfährigen Parteisoldaten degradieren. Ich denke, das ist leider Gottes das Problem, das so viele in Ihren Reihen haben: Sie scheuen sich, hier eigenständig ihre Meinung zu artikulieren. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wie viele Mitarbeiter hatte die VOEST 1960, und wie viele hat sie jetzt?) Ich verlange ja nicht, daß Sie das öffentlich tun. Aber tun Sie das endlich einmal in einem persönlichen Gespräch!

Es kann ja nicht immer nur so sein, daß der Herr Haider aus unserer Region bezieht. Einer seiner größten Sponsoren sitzt ja im Bezirk Leoben, der Herr Hofmann – nicht der Abgeordnete Hofmann hier, sondern ein anderer Herr Hofmann; Sie würden wahrscheinlich zu wenig verdienen –, und dieser andere Herr Hofmann betreibt unter anderem in Ungarn, nördlich von Pecs, eine Schweinemast mit 10 000 Muttersäuen. Man muß sich einmal vorstellen, welchen Umfang das hat, und man muß sich auch überlegen, was das, wenn die EU-Osterweiterung kommt, für unsere Schweinebauern bedeutet. Aber das nur nebenbei. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das Porsche-Cabrio stammt auch aus dem Bezirk Leoben, vom Autohaus Bäck, das ist auch recht billig gewesen. Auch Tennis spielt er immer wieder bei uns. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Seid froh!) Aber wie auch immer. Ich möchte euch nur sagen: Ihr seid so oft mit ihm beisammen: Redet einmal mit ihm! Vielleicht kann er diesen Akt der Vernunft setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt auf meine ureigenste Aufgabe zurückkommen, hier die Region zu vertreten, und tue das mit besonderer Leidenschaft, wie Sie sehen. Ich möchte gar niemanden von Ihnen beleidigen und Ihnen, Herr Prinzhorn, sagen: Ich danke Ihnen trotzdem, daß Sie seinerzeit, als wir die Probleme mit Leykam hatten, bereit waren, diese Firma zu übernehmen. Aber ich versuche, aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen auch sachlich zu sagen, was bei uns Faktum ist, damit Sie das ebenfalls zur Kenntnis nehmen. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Da werde ich Sie dann gleich berichtigen, keine Sorge!)

Meine Damen und Herren! Donawitzer Schienen werden weltweit verkauft. Ich darf Ihnen sagen, daß die Straßenbahn in Berlin auf Donawitzer Schienen fährt, ebenso in Sydney und auch in der Türkei. Dort gibt es große Ausbauprojekte, sodaß auf der Strecke Istanbul – Ankara – Izmir die Bahn ebenfalls auf Donawitzer Schienen rollen wird. Ich könnte diese Liste unendlich fortsetzen.

Ich danke allen, die dazu beigetragen haben, diesen Erfolg zu erreichen, und möchte ganz bescheiden anmerken, daß die Sozialdemokraten immer diejenigen waren, die auf der Seite dieses Werkes und der Arbeitnehmer gestanden sind. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Ein Kompaktstahlwerk! Die Belegschaft wird er auch reduzieren! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

16.35


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97. Sitzung / Seite 111

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweitzer. Er hat das Wort.

16.35

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wallner! Der Betriebseigentümer der von Ihnen angesprochenen Firma hat mich ersucht, Sie insoweit zu korrigieren (Abg. Dr. Nowotny: Kann er das nicht selbst?), als es wohl laufend Frühpensionierungen in Leoben-Donawitz gibt, wofür mehrheitlich die Sozialdemokratische Partei verantwortlich ist, während der Personalstand bei Brigl & Bergmeister seit fünf Jahren konstant ist, obwohl unser Kollege Prinzhorn eine desolate, auch von Ihrer politischen Seite her in den Fast-Ruin geführte Firma übernommen hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Er hat dort freiheitliche Wirtschaftskompetenz in die Praxis umgesetzt. Lernen Sie davon, bevor Sie hier Unwahrheiten verbreiten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Dienstleistung beendet? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Sie haben in einem Debattenbeitrag gesagt, daß Sie durch die Richtlinie zur Liberalisierung des Strommarktes im nationalen Bereich keinen Spielraum haben. Im Gegensatz dazu denke ich, daß diese Richtlinie durchaus nationalen Spielraum für die Elektrizitätsunternehmen zuläßt. Denn gemeinwirtschaftliche Pflichten, die im öffentlichen Interesse liegen, sind in dieser Richtlinie ganz besonders angesprochen und in den nationalen Bereich verwiesen. Diese Pflichten sind durchaus auch solche, die sich auf den Umweltschutz erstrecken, Herr Bundesminister. Sie haben dort genügend Möglichkeit, die Ökologisierung der Stromerzeugung in Österreich entsprechend voranzutreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber, Herr Bundesminister, Ihre Aktion rund um den Abschluß des neuen Generalübereinkommens hat gezeigt, daß Sie kein Interesse an der Erzeugung von Strom aus erneuerbarer Energie haben. Wie sonst ist es möglich, daß der Einspeisetarif in Österreich zwischen mickrigen 37,5 Groschen und 64,8 Groschen pro Kilowattstunde liegen kann? – Das spottet jeder Beschreibung und ist mit Abstand der niedrigste Tarif innerhalb der Europäischen Union. Da haben Sie europäische Standards bei weitem noch nicht erreicht, obwohl es in diesem Fall wirklich Sinn machen würde, europäische Standards zu erreichen. Aber offensichtlich liegt das nicht in Ihrem Interesse. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auf diese äußerst unfaire Art und Weise des Umgangs mit der erneuerbaren Energie lassen Sie einer zukunftsträchtigen Produktionssparte kaum eine Möglichkeit, sich zu entwickeln, Herr Bundesminister. Wir von den Freiheitlichen wollen aber, daß wir uns, was den Energieimport betrifft, schön langsam selbständig machen und diese 60 Milliarden Schilling jährlich nicht mehr oder zumindest keinen Betrag in dem Ausmaß mehr aufwenden müssen. Deshalb bringen wir einen Entschließungsantrag, der da lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Mag. Karl Schweitzer, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Franz Lafer und Kollegen betreffend Förderungen im Bereich Energie

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird ersucht, mit den wichtigsten österreichischen Handelspartnern unter den EU-Mitgliedstaaten, Deutschland und Italien, hinsichtlich der Einspeisetarife für Strom aus erneuerbarer Energie zumindest den annähernden Gleichklang herzustellen, wobei die Höhe des zu fixierenden Einspeiseentgeltes die durchschnittliche Höhe des österreichischen Haushaltstarifes keinesfalls unterschreiten darf.


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Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird weiters ersucht, dafür Sorge zu tragen, daß für die Einspeisung von Strom aus erneuerbarer Energie ein freier Netzzugang ermöglicht wird."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Trinkl. (Abg. Dr. Khol: Das ist ein sehr guter Abgeordneter!)

16.39

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Erfolge der österreichischen Wirtschaft und der österreichischen Wirtschaftspolitik können nicht geleugnet werden. Auch wenn sich die Opposition noch sosehr darum bemüht, wird es ihr nicht gelingen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben im letzten Jahrzehnt 100 000 neue Arbeitsplätze geschaffen, wir haben zurzeit die meisten unselbständig Erwerbstätigen, die es in Österreich jemals gab. Auch ich bin ein leidenschaftlicher Regionalvertreter, und ich darf sagen, daß auch unsere Elin in Weiz zurzeit eine hervorragende Performance hat, weil wir rechtzeitig mit den Betrieben und den Verantwortlichen die richtigen Schritte eingeleitet haben.

Vor allem Klein- und Mittelbetriebe haben sich als der Motor dieser wirtschaftlichen Entwicklung in Szene gesetzt. (Abg. Dr. Khol: Nicht nur Großindustrielle wie der Prinzhorn!) Ich freue mich sehr, daß Redakteur Georg Wailand das heute in der "Kronen Zeitung" so treffend angemerkt hat und das auch anerkennt.

Es sind aber auch diese Klein- und Mittelbetriebe – und ich möchte jetzt zu meinem eigentlichen Thema kommen –, die Ausbildungsplätze für die Jugend zur Verfügung stellen. 40 Prozent aller Schulabgänger finden in Klein- und Mittelbetrieben ihren Ausbildungsplatz. Wir bilden heute 120 000 Jugendliche in der Wirtschaft aus. Die Wirtschaft leistet daher, so glaube ich, einen gewaltigen Beitrag für die Jugendbeschäftigung.

Mit Recht hat Vizekanzler Schüssel heute hier von der Regierungsbank aus erklärt, Österreich ist das bestvorbereitete Land, ein Land, das nächste Woche ohne Sorge in den EU-Beschäftigungsgipfel gehen kann. Wir sind sehr, sehr stolz darauf, daß unsere Maßnahmen, die wir vor dem Sommer gesetzt haben, auch gegriffen haben. Wir haben 3 000 neue Lehrplätze geschaffen. (Beifall bei der ÖVP.) Mit 6 Prozent haben wir die niedrigste Jugendarbeitslosenrate in Europa.

Es ist heute hier von der Ehrlichkeit gesprochen worden. Herr Abgeordneter Haigermoser! Um der Ehrlichkeit auch ein bißchen zum Durchbruch zu verhelfen: Die letzten Daten vom Oktober 1997 lauten: Jugendarbeitslosigkeit von September auf Oktober minus 3,8 Prozent, Lehrstellensuchende minus 2,4 Prozent, offene Lehrstellen plus 6,7 Prozent. Das ist Wirtschaftspolitik, wie wir sie machen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Aber der Haigermoser ist jetzt nicht da!) Wie immer, wenn man ihn braucht – beziehungsweise nicht braucht, aber ihn gerne ansprechen würde. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) Also bitte, ich opfere diese halbe Minute. Der Herr Haigermoser hat heute hier zum besten gegeben, daß er seine wirtschaftspolitischen Kenntnisse aus China hat, daß er das dort gelernt hat. – So waren seine Ausführungen auch zu verstehen. (Ruf bei der ÖVP: Das war Chinesisch!)

Trotzdem, das gebe ich zu, ist jeder Jugendliche, der keinen Ausbildungsplatz hat, zuviel. Ich möchte jetzt eine Lanze brechen für die Verbesserung dieses unseres Ausbildungssystems (Abg. Aumayr: Was haben Sie gegen die Chinesen? Da macht ihr parlamentarische Delegationen nach China!), weil wir zur Kenntnis nehmen sollten, Frau Kollegin Aumayr, daß sich die Wirtschaft ändert, die Gesellschaft ändert, daß sich die Berufe ändern. Wir haben zur Kenntnis


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zu nehmen, daß noch vor 20 Jahren 20 Prozent aller Jugendlichen keine Ausbildung genossen haben. Wir haben aber auch zur Kenntnis zu nehmen, daß sich dadurch, daß dieser Prozentsatz auf 1 Prozent reduziert werden konnte, natürlich auch die Einstiegsqualifikation für Lehranfänger verändert hat. Auf der anderen Seite erfordern neue Techniken und Dienstleistungen auch eine höhere Qualifikation. (Abg. Dr. Krüger: 1 Million Österreicher sind unter dem Existenzminimum!)

Wir fordern daher eine Fortentwicklung des Berufsausbildungssystems, und wir ersuchen, über neue Modelle, wie die Teillehre, wie die Stufenlehre, wie flexible Lehrzeiten, wirklich offen und unvoreingenommen zu diskutieren. Nicht jedem das gleiche, sondern jedem das Seine, das ist unsere Devise. Wir sollten auch den Jugendlichen eine Chance geben, die den Leistungsanforderungen einer regulären Lehre nicht gewachsen sind. Wir sollten ihnen die Chance einer beruflichen Qualifikation und damit auch der gesellschaftlichen Anerkennung geben. Ich appelliere an die Gewerkschaften, auch an den Herrn Prager: Verschließen Sie sich nicht diesen wichtigen Anliegen! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir brauchen nichts Neues zu erfinden – es gibt genügend Modelle, etwa in der Steiermark, in Vorarlberg –, wir brauchen nur den jetzigen Zustand gesetzlich anzuerkennen. Wir müssen die Beschäftigung zulassen. Wir sollten dem Arbeitsmarkt keine Fesseln anlegen, sondern wir sollten tatsächlich neue Chancen im Rahmen eines neuen Ausbildungssystems für unsere Jugend eröffnen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister.

16.45

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte noch einige Sätze zur Frage Energie anfügen, vor allem zum Abgeordneten Hofmann.

Ich habe vor Wochen die Landeshauptleute und die verantwortlichen Landesräte der Gesellschaften, die für einen österreichischen Kern in Frage kommen, zu einem Gespräch gebeten. Wir haben auch die verschiedenen Vertretungen in den Ländern ersucht, vorsichtig zu sein und nicht in einem Versteigerungsverfahren Anteile ans Ausland zu verkaufen und hinterher eine wichtige Chance österreichischer Industrie-, Wirtschafts- und vielleicht auch längerfristig Energiepolitik verpaßt zu haben. – Das zum einen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zum zweiten, auch zum Abgeordneten Schweitzer. Ich kann nur zweimal wiederholen: Im Augenblick sieht es so aus, daß es eine klügere Lösung sein wird, es bei der Ermächtigung der Landeshauptleute zu belassen, daß sie die Energieeinspeisetarife für Alternativenergien festlegen. Sie haben es als Eigentümer der jeweiligen Gesellschaften auch ausschließlich in der Hand, entsprechend hohe Anteile für diese Energie zu reservieren, ohne damit im geringsten mit irgendwelchen internationalen Regulierungen in Konflikt zu kommen. Mit dieser Variante möchte ich vielleicht den Bereich Energie für meinen Teil abschließen.

Darf ich zu meinem eigenen Budget nochmals festhalten, weil heute auch gesagt wurde, das Budget sei geringer als im Vorjahr: Diese Optik ist natürlich, weil die ASFINAG und damit Teile des Straßenbaus jetzt einen eigenen Rechnungskreis bilden. Alles, was in meinem Haus an Investitionen vorgesehen war, kann auch im entsprechenden Umfang und im entsprechenden Tempo vorgenommen werden.

Es wird mich auch im Bereich Forschung, der uns allen wirklich zentral am Herzen liegt, in dem Tauchspiel, das immer vor einer Neupositionierung der Rayons stattfindet, niemand davon abbringen, daß das, was wir momentan an Forschungsprojektwelle in Österreich haben, finanziert wird. Denn eines lassen Sie mich deutlich sagen: Zum erstenmal gelingt es uns, Großunternehmen in Österreich wieder zum Forschen zu veranlassen. Semperit ist hier genannt worden, General Motors wird mit dem Eco-Motor Forschung nach Österreich bringen. Dasselbe wird bei Chrysler und anderen der Fall sein.


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Ich glaube, daß unser Forschungsdefizit zum Teil – hier bin ich hinsichtlich meiner Äußerungen im Ausschuß falsch zitiert worden – von einem nicht ausreichenden Zusammenspiel industrienaher Forschung in Österreich – "Henne-Ei-Problem" – herrührt. Ich glaube, daß wir, weil jetzt genug Forschungsprojekte da sind, die Forschungsfinanzierung danach ausrichten müssen. – Soviel zur Politik meines Hauses. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe heute einige neue diminutive Bezeichnungen geerbt, die ich mit Stolz meinen Enkelkindern weitererzählen möchte. (Rufe bei der SPÖ: Welche?) Das kann man ruhig mitnehmen. Da kann man sogar noch eine Backe hinhalten. Sie haben es gehört, aber falls Sie draußen waren: Es war der "Umsetzungszwerg" zum Beispiel. Das ist wirklich lieb. Ich weiß, daß Zwerge sehr fleißig sind. Aber sei’s drum!

Eines aber kann ich nicht unwidersprochen lassen: Wenn man aus alten Unterlagen über Anlagenverfahren in Österreich zitiert, dann ist das einfach unfair, auch wenn sie von der Jungen Wirtschaft stammen. Ich habe das den Autoren dieses Papiers auch sofort gesagt. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Es ist trotzdem ein falsches Papier, Herr Abgeordneter. Es tut mir leid. Fragen Sie auch Bezirkshauptmannschaften und fragen Sie nicht die Junge Wirtschaft.

Wir haben, seit wir das neue Anlagenrecht diskutieren, einen Wettbewerb zwischen den Bezirkshauptmannschaften und den Bundesländern um die Raschheit der Erledigung von Anlagenverfahren. Ich kann aus einem jüngsten Gespräch in der Steiermark berichten: 80 Prozent aller Verfahren werden in weniger als drei Monaten durchgeführt. Daß wir in manchen Bürgerbeteiligungs- und Umweltverträglichkeitsverfahren Schwierigkeiten haben, ist ein anderer Punkt. Aber wir haben diesen Wettbewerb, und der wird im Ausland bereits zur Kenntnis genommen – als Beispiel hiefür ist heute bereits die ABA, die Austrian Business Agency, genannt worden –, denn wir hatten noch nie einen solchen Andrang von Klein- und Mittelfirmen nach Österreich, und zu den Vorteilen zählt auch die rasche und kundenfreundliche Erledigung von Investitionswünschen kleiner ausländischer Unternehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der zweite Punkt: Es ist uns über Jahre vorgeworfen worden, daß seit dem Jahr 1975 die Zahl der Lehrlinge in Österreich zurückgegangen ist. Seit dem Jahr 1975! Wir können heuer aufgrund dieser gemeinsamen Bemühungen von Bundesregierung, Betrieben, Ländern und Gemeinden festhalten, daß wir erstmals wieder eine Zunahme der Lehrlingszahlen im Ausmaß von 5 Prozent haben und insofern einen sehr gefährlichen Trend gebrochen haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Die Arbeitsplatzgarantie für Lehrlinge stimmt nicht! Die war nicht ernst gemeint!)

Ich muß auch hinzufügen, daß wir gesehen haben, daß wir durch fünf neue Lehrberufe in wenigen Wochen einige hundert neue Lehrlinge haben. Wir werden den Weg fortsetzen müssen, rasch über neue, praxisnahe Lehrberufe für die zukünftige, für die nächstjährige Generation weitere Berufschancen zu schaffen. Aus meinem Haus sind bereits vier, fünf neue Berufe zur Diskussion gestellt und weitere vier andiskutiert, die noch mit den ... (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel dafür, wie lange es in Österreich üblicherweise dauert, was einen neuen Beruf angeht.

Der Verwaltungsassistent, den wir jetzt gerade publiziert haben, wird in wenigen Wochen wahrscheinlich bis zu 200 Lehrlinge haben. Das ist eine völlig neue Sache! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Daß das nicht immer leicht ist und manchmal Wochen und Monate dauert (Ruf bei den Freiheitlichen: Jahre!)  – bei mir dauert nichts Jahre! –, liegt daran, daß es im Gesetz vorgeschriebene Fristen gibt, in denen Beiräte ihre Stellungnahmen abgeben können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zur Exportpolitik, weil mir irgendein Kollege ein blindes Auge in Asien vorgeworfen hat. – Ich glaube nicht, daß jemand in den letzten Wochen öfter in Asien war als ich, außer er war selber als Exportkaufmann dort. Und weil Herr Haigermoser Asien zitiert hat: Sie waren wahrscheinlich nicht zu der Zeit dort, als wir die neuen Asien-Fonds vorgestellt haben, bei denen sich genau zeigt, daß wir eine riesige Interessenwelle ... (Abg. Dr. Krüger: Die Arbeitsplatzgarantie, die Lehrlingsgarantie des Bundeskanzlers war nicht seriös! – Weitere


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Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wenn Sie mir bei einer Reise dauernd so dreinreden würden, könnte ich Sie nicht mitnehmen! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Gut. Aber es sei gerne darauf zurückgekommen.

Wichtig ist, daß wir auf den größten asiatischen Märkten Jahrzehnte-Durchbrüche haben. Wenn wir heute mit holzverleimten Bindern den japanischen Holzmarkt beherrschen (Abg. Dr. Khol: Und eine Tiroler Firma, die das macht!) und das in einem Jahr geschafft haben, dann muß das Zusammenspiel Marktöffnung mit Firmeninnovation und einem Joint-venture, das sich dort niedergelassen hat, funktionieren. Das ist wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir heute auf den meisten Wachstums- und Hoffnungsmärkten zweistellige Exportzuwachsraten haben, so ist das natürlich vor allem ein Verdienst der Unternehmen, die heute mit einer unglaublichen Dynamik, mit einer neuen, erfolgreichen Generation von Exportkaufleuten, vielsprachig und unglaublich leistungsbewußt, dort hart arbeiten. Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen (Abg. Haigermoser: Das wäre gut!), daß sie das können.

Und, Herr Abgeordneter, es ist nicht so, daß die indirekte Währungskursveränderung des Schillings durch die Aufwertung vieler anderer Währungen die alleinige Ausrede für unseren Exportboom ist. Sie können das mit den englischen, auch mit den schwedischen Mitbewerbern bereden: In den ersten sechs, sieben Monaten nach derartigen Währungsveränderungen wird das bis zu 30, 40 Prozent von den Exporteuren geschluckt. In England sagen uns die Wettbewerber: Wir halten bis Weihnachten aus. Bis jetzt ist der Goldregen aus der "Abwertung" – unter Anführungszeichen – noch nicht in allen Betrieben gekommen, weil bis jetzt die Aufwertungsländer im Wettbewerb mithalten. Aber es hilft uns, das muß man dazusagen.

Nächster Punkt – ein weiterer Trend, der gebrochen wurde –: Meine Damen und Herren! Seit Jahren können Sie feststellen, daß sich in Österreich pro Jahr rund 5 000 bis 6 000 neue Unternehmer angemeldet haben. Wir haben im letzten und vor allem im heurigen Jahr ganz sicher über 12 000 neue Unternehmen – die Werkverträge nicht mitgerechnet –, das heißt, wir haben einen Durchbruch in einer Art Gründerwelle – oder wie immer Sie es nennen wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber sehen Sie sich auch die Detailzahlen an. Der "GEWINN" hat diese Woche – bei einer Beteiligung von 2 500 Jungunternehmern – die 100 besten Jungunternehmer Österreichs, also neue Unternehmen Österreichs, ausgezeichnet. Und das Faszinierendste an dieser Auszeichnung war, daß zwei Drittel aller Unternehmer nicht mehr für den österreichischen Markt arbeiten, sondern schon gegründet werden, um auf dem Binnenmarkt und auf den Weltmärkten erfolgreich zu sein. Auch in allen unseren Technologiezentren, in jedem Bundesland, zeigt sich derselbe Trend. Man sollte dieses Land nicht nur herunterreden! Es gibt bei uns unglaublich belebende, positive Zeichen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich füge noch hinzu, daß wir uns in manchen Bereichen zweifellos damit herumschlagen, daß noch nicht genügend Flexibilität da ist. Aber auch da möchte ich Professor Streissler zitieren, sicherlich nicht einer der unkritischesten österreichischen ökonomischen Geister, der auch jüngst gesagt hat: In Österreich zeigt sich mittelfristig, daß die private Wirtschaft alle Elemente einer positiven Entwicklung hat, daß im Budget und bei der Pension die Probleme noch nicht endgültig gelöst sind und daß wir uns in der Globalisierung lange über die neue Rolle des Staates unterhalten müssen, gerade im Hinblick auf das, was sich heute auf den Währungsmärkten abspielt.

Lassen Sie mich zu diesen Rahmenbedingungen noch sagen: Ich bin gerne bereit, mich mit jeder und jedem auseinanderzusetzen, um nachzuweisen, daß österreichische Unternehmen in den letzten 50 Jahren in keinem Jahr, wenn sie nicht in einem geschützten Sektor tätig waren, vergleichbar günstige Rahmenbedingungen hatten. Wir haben eine Inflation von 1 Prozent, de facto also Deflation. Wir haben die niedrigste Unternehmensbesteuerung seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir haben die niedrigsten Zinsraten seit über 100 Jahren für jene, die Fremdkapital finanzieren müssen. (Abg. Aumayr: Und die meisten Arbeitslosen!) Wir haben zum ersten Mal seit dem Ende des Ersten Weltkrieges freien Marktzutritt zu allen Nachbarmärkten und dank


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WTO-Vereinbarung freien Marktzugang in der Industrie zu sehr vielen anderen Ländern in der Welt. Wir haben dank der Vereinbarung der Sozialpartner in den letzten Wochen auch vernünftige Flexibilisierungsregelungen, und nicht zuletzt haben wir es auch geschafft, daß wir – um noch einmal auf den Herrn Abgeordneten Prinzhorn zurückzukommen – jetzt seit drei Jahren sinkende Lohn-Stück-Kosten haben, was uns gegenüber allen anderen EU-Ländern auszeichnet, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn hier Bemühungen hinsichtlich der Rahmenbedingungen auf der einen Seite plus Bemühungen der Sozialpartner auf der anderen Seite und die vielen Bemühungen auf Unternehmerseite, die neuen Möglichkeiten zu nützen, zusammenspielen, dann sollte uns um die nächsten Daten der österreichischen Wirtschaftspolitik nicht bang sein! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Zweite Wortmeldung. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Kennen Sie den Baron Münchhausen, Herr Minister? – Abg. Schwarzenberger: Haigermoser imitiert ihn!)

16.56

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sie werden schon recht haben mit Ihrem Streissler-Zitat. Und mit Streissler glauben ja viele, glaube vor allem auch ich, daß die österreichische Wirtschaft allerhand aushält, so dynamisch ist sie. (Abg. Haigermoser: Sogar diese Regierung!) Vor ein oder zwei Jahren habe ich auch schon einmal gesagt, die österreichische Wirtschaft muß tatsächlich kerngesund sein, um diese Art von Politik auszuhalten. Wenn Sie bei Kollegen Streissler einmal nachlesen würden, was er über die österreichische Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren sagt, würden Sie Zitate finden, die in ihrem Sarkasmus kaum zu überbieten sind.

Herr Bundesminister! Es hat mich gefreut, daß Sie bei Ihrer vorletzten Wortmeldung gleich auf meine Bedenken bezüglich der Technologieoffensive und der Forschungsförderungsoffensive, Forschungsförderung in Österreich, eingegangen sind. Ich danke Ihnen auch für die angedeutete Möglichkeit eines – Anführungszeichen – "bilateralen" Gedankenaustausches zu diesem Punkt, aber überzeugt haben Sie mich noch nicht. Überzeugt bin ich immer noch davon, daß Sie mit dieser Art von Budgetpolitik der österreichischen Technologieoffensive keinen Dienst erweisen, vor allem keinen guten Dienst. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich glaube, es ist nicht richtig, wenn Sie jetzt Hals über Kopf und offensichtlich ohne das mit dem FFF abgestimmt zu haben, den FFF budgetär auf Null stellen. Das ist nämlich der Fall, Herr Minister! Sie verlassen sich voll und ganz darauf, daß das neue Förderungsverfahren, also eine bloße Änderung des Förderungsverfahrens, genausoviel bringt wie im Jahre 1997, 1996, 1995 und so weiter. Sonst kann das ja sowieso keinen Sinn machen, was Sie da vorhaben. Wir halten das nicht für richtig.

Die Grünen bringen daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Freunde und Freundinnen zum Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage: Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 samt Anlagen, Spezialbericht zur Beratungsgruppe IX, Kapitel 63 (910 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage: Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 samt Anlagen in der Fassung des Ausschußberichts (910 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

1. In der Anlage I sind die nachstehenden Voranschlagsansätze wie folgt zu ändern:


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VA-Ansatz

Aufgabenbereich

Bezeichnung

von

abzuändern um Millionen Schilling

auf

Kapitel 63

 

Handel, Gewerbe, Industrie, Fremdenverkehr:

     

1/63156

36

Förderungen

988,138

-470,0

518,138

1/6317

36

Technologie- und Forschungsförderung (gewerblich):

     

1/63176

36

Förderungen

81,907

+470,0

551,907

 

*****

Meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ! Mit diesem Abänderungsantrag wird exakt der Zustand des Bundesvoranschlags 1998 wiederhergestellt, wie er im Druck vorlag, wie er im September vorlag, wie er den ganzen Oktober vorlag, wie er bis zur Sitzung des Budgetausschusses am 31. Oktober 1997 vorlag.

Das heißt, der Bundesvoranschlag wird so wiederhergestellt, wie er bis vor 14 Tagen ausgesehen hat. Es wird lediglich die Umbuchung, die Sie vor 14 Tagen vorgenommen haben zu Lasten des FFF, wieder rückgängig gemacht. – Danke schön. (Beifall der Abg. Ing. Langthaler.  – Abg. Dr. Khol: Die einzig Anwesende der Abgeordneten der Grünen applaudiert!)

17.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Günter Kiermaier. – Bitte.

17.01

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Problematik Semmering-Basistunnel ist zwar eine, die in den Verkehrsausschuß gehört, andererseits ist die wirtschaftliche Komponente dieser Frage einfach nicht davon zu trennen. Schon aus der Geschichte wissen wir, daß überall dort, wo es Wirtschaft gab, auch eine leistungsfähige Bahn notwendig war.

Da gibt es nun Kräfte, die sich auf ihre Fahnen geschrieben haben, den Bau des Semmering-Basistunnels zu verhindern. Es ist zwar nicht meine Art, mich mit dem Koalitionspartner im Plenum auseinanderzusetzen, aber ich möchte hier schon feststellen – aber nicht in Richtung ÖVP, nicht in Richtung ÖVP-Niederösterreich, sondern einzig und allein in Richtung Landeshauptmann, der mehr oder weniger die Kampagne gegen den Tunnel anführt –: Diesem Mann dürften die Industrie- und Wirtschaftsstandorte entlang der Südbahnlinie ziemlich egal sein. Solidarität mit den Steirern und Kärntnern traue ich ihm ohnehin nicht zu. Aber was denkt er sich eigentlich dabei, wenn er die Tunnels in einen guten – den Straßentunnel – und einen bösen – den Bahntunnel – einteilt? Glaubt er denn allen Ernstes, daß man künftig auf der Strecke Wien – Semmering und von Semmering bis Tarvis 170 Stundenkilometer fährt und dann über den Berg 50 Stundenkilometer? Diese Strecke nimmt sicherlich kein Mensch an. (Zwischenruf des Abg. Kampichler. ) Herr Kollege, ich habe nur 3 Minuten! (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)


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Es ist für mich interessant und bezeichnend: Dieser Vertrag stammt aus der Zeit, als der jetzige Herr Landeshauptmann noch Stellvertreter war und er das alles unterschrieben hat. Herr Kollege, er selber hat es unterschrieben, das können Sie nicht wegdiskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

In der "Frankfurter Allgemeinen" heißt es: Ein Bremser geht um. Dort geht es um die gleiche Situation. Wenn Sie etwas von Eisenbahntransversalen im Norden und im Süden des Kontinents verstehen, dann werden Sie wissen, daß wir eine Verbindung brauchen, und zwar nicht über Ungarn, sondern eine leistungsfähige Bahn in Österreich. Das müßten Sie eigentlich zur Kenntnis nehmen. (Abg. Mag. Posch: Der Khol hat seine Intellektuellen nicht im Griff!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landeshauptfrau der Steiermark – eine sehr gescheite Frau, kann ich Ihnen sagen, die weiß genau, worum es geht – ist absolut nicht einverstanden mit ihrem Kollegen in Niederösterreich. Daher glaube ich, man müßte da einiges ins rechte Lot bringen.

Ich glaube, daß diese Bahn wichtig ist für die niederösterreichische Wirtschaft, für all jene, die entlang der Südbahnstrecke wohnen, in den Städten, in den Dörfern. Die Fabriken, die Betriebe werden diese Haltung nicht verstehen, das garantiere ich Ihnen. Die brauchen diese Bahn, und daher sind wir für diese Bahn. Ich vertrete die niederösterreichische Wirtschaft, denn ich bin der Vorsitzende des Freien Wirtschaftsverbandes. Ich stehe für diese Bahn ein und bin der Meinung, wir müssen diesbezüglich einen klaren Standpunkt beziehen. Ich möchte an alle, die diesem Projekt positiv gegenüberstehen, appellieren, eine klare und eindeutige Haltung für einen Semmering-Basistunnel, für eine leistungsfähige Bahn, für eine Verbindung von Nord nach Süd einzunehmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte.

Ich habe für alle nachfolgenden Redner eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 3 Minuten angegeben. – Bitte.

17.04

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt wieder mit dem Baubereich beschäftigen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Vielleicht hat Frau Klasnic zwei Karl-May- Bücher gelesen, nämlich nicht nur den "Schatz im Silbersee", sondern auch "Der Schut". (Abg. Dr. Khol: Den Witz verstehe ich nicht! Oder bin ich zu blöd? Was hat "Der Schut" mit dem Semmering-Tunnel zu tun?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Das Verhältnis der Investitionen Straße – Schiene ist 1 :  4. Ich glaube, das ist sehr ausgewogen. Über ASFINAG Neu wurde schon gesprochen. Das BIG ist positiv auf Schiene. Alles in allem kann man, wenn man von der Vignettenproblematik absieht, sagen, es ist ein gutes Budget, und auch im Baubereich ist alles in Ordnung.

Ich möchte mich auf einen Punkt konzentrieren, den ich schon im Ausschuß mit Ihnen besprochen habe. Herr Bundesminister! Ich gehe davon aus, daß eines der drei Projekte kommen wird – ich verkürze das jetzt –: erstens Stronach-Kugel, zweitens Business Park, drittens Dujsik-Freizeitprojekt. Das bedeutet 15 000 PKWs zusätzlich auf der Süd Autobahn. Die Mega-Staus sind jetzt schon programmiert: Es gibt wöchentlich entsprechende Schlagzeilen, Herr Bundesminister, auch diese Woche wieder. Es geht auf der Süd Autobahn nichts mehr!

Ich möchte hier gar nicht die Verkehrsstatistik zitieren, sondern ich will Ihnen nur zwei Zahlen sagen: 1971 betrug das Verkehrsaufkommen auf der Süd Autobahn 20 580 PKWs, jetzt 87 000 PKWs. Im Sommer kommt noch das Baustellenchaos dazu, und es ist nicht so, wie Sie, Herr Bundesminister, mir gesagt haben, daß nur außerhalb des "normalen" Verkehrs, nämlich nur in der Rush-hour, diese Staus produziert werden. Ich habe heute mit dem ÖAMTC und anderen Autofahrerorganisationen gesprochen. Wir haben ungefähr – und das ist sehr interessant,


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meine Damen und Herren – Staukosten von 20 Millionen Schilling in der Stunde. Auf der Süd Autobahn sind es 100 Stunden jährlich. Das bedeutet: 2 Milliarden Schilling volkswirtschaftlicher Verlust im Jahr auf der Süd Autobahn!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis, Herr Bundesminister, daß wir jetzt auch im Süden diese Projekte für die Pendler machen. Die Gesichter der Pendler, die eine Stunde im Stau stecken und ihrem Job nicht nachkommen können, sagen alles. Man muß bedenken, welcher Schaden da entsteht.

Der ARBÖ hat ein 10-Punkte-Programm erstellt. Der Generaldirektor der Porr AG sagt, ohne Investitionsschub droht Baurekordarbeitslosigkeit. Der tägliche Stau ist mangels Investitionen programmiert. – Ich weiß, Herr Bundesminister, Sie haben es nicht leicht. Ich ersuche Sie aber, in der nächsten Zeit entsprechende Planungen vorzunehmen, vielleicht in der Form, daß man zumindest die Süd Autobahn bis Baden vierspurig macht und vielleicht, damit man nicht egoistisch erscheint, wenn man aus dem Süden kommt, auch die West Autobahn bis St. Pölten dreispurig. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Riepl. Gleiche freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.07

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich glaube, Sie geben mir recht, wenn ich sage, daß es für eine überwiegende Anzahl von Arbeitgebern in unserem Land selbstverständlich ist, gewerberechtliche Vorschriften und kollektivvertragliche Mindestbestimmungen einzuhalten sowie die gesetzlich vorgeschriebenen Abgaben auch tatsächlich zu entrichten. Ich glaube, das tut die große Mehrzahl unserer Arbeitgeber, die große Mehrzahl der Wirtschaftstreibenden.

Gleichzeitig aber gibt es eine Gruppe, für die das kein Thema ist, die sich nicht daran hält, solche, die gewerberechtliche Vorschriften, Mindestbestimmungen nicht einhalten und Abgaben nicht leisten, wann sie es sollten. Vielfach davon betroffen sind Arbeitnehmer, ausländische Arbeitnehmer, die oft von illegalen Arbeitgebern, von Schwarzunternehmern ausgebeutet werden. Damit entgeht unserem Staat, unserem Budget, entgehen den Sozialversicherungen Abgaben und Steuern, und ich glaube, diesem Umstand sollte man auch in einer Budgetdebatte Rechnung tragen.

Es kommt durch die Schwarzarbeit, vielfach durch eine organisierte Schwarzarbeit, in einigen Branchen zu einer Konkurrenzverzerrung, die letztendlich eine Gefährdung für Firmen darstellt, da sie dadurch weniger Aufträge bekommen und auch weniger Arbeitsplätze sichern. Die Arbeitsinspektion ist aufgerufen, die Kontrolle der Betriebe vorzunehmen. Es ist ganz interessant, sich anzusehen, wie die Überprüfungsstatistik des heurigen Jahres ausschaut.

In den ersten drei Quartalen, also von Jänner bis September, wurden insgesamt 11 499 Betriebe von der Arbeitsinspektion in ganz Österreich kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, daß es insgesamt 3 039 ausländische Arbeitskräfte gibt, die nicht korrekt angemeldet sind, für die keine Steuern und keine Abgaben geleistet werden. Wenn man das hochrechnet auf das ganze Jahr, können wir davon ausgehen, daß es im heurigen Jahr rund 4 000 werden.

Dazu ist zu sagen, daß wir die Aktion der Bundesregierung vom 4. November 1997 ausdrücklich begrüßen. Es gibt einen Regierungsbeschluß, wonach eine Aktion "Sauberer Arbeitsplatz" gestartet werden soll. Koordiniert wird das über das Sozialministerium, und das Ziel ist, die Verbesserung der Anmelde- und Beschäftigungsmoral der Arbeitgeber zu erreichen, eine Verbesserung der entsprechenden Rechtsvorschriften vorzuschlagen und auch Behördenorganisation und Kontrollmöglichkeiten zu verstärken.


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Ich glaube, daß wir mit Interesse verfolgen sollen, welche Vorschläge die Bundesregierung in diesem Bereich vorlegen wird. Es ist im ersten Quartal des nächsten Jahres ein Bericht vorgesehen, und ich lade schon heute die Damen und Herren des Hohen Hauses und die Klubs ein, diese Vorschläge ordentlich zu prüfen und auch umzusetzen. Ich glaube, wir sollten alle darangehen, die illegale Beschäftigung, wo immer sie auftritt, zu bekämpfen und nach Möglichkeit zurückzuschrauben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.1


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1

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Doris Bures. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.11

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann nahtlos anschließen: Im Mittelpunkt der Budgetdebatte 1997/98 steht natürlich die Beschäftigungspolitik. Daher möchte ich mich, da es eng im Zusammenhang damit steht, kurz mit dem Bereich der Wohnbauförderung auseinandersetzen, die sehr hohe nicht nur sozialpolitische, sondern auch beschäftigungspolitische Effekte hat.

Wenn wir heute wissen, daß die Errichtung einer Wohnung Kosten von rund 23 000 S pro Quadratmeter auslöst, dann bedeutet dies, daß eine Neubauwohnung ohne Wohnbauförderungsmittel rund 2 Millionen Schilling kostet. Das entspricht, wie wir wissen, rund dem Sechsfachen des jährlichen österreichischen Haushaltseinkommens. Daher ist es notwendig, die Wohnbauförderung in der Form nicht nur beizubehalten, sondern sie, wenn sich die budgetäre Situation verbessert, auszubauen.

Nichtsdestotrotz gibt es natürlich immer wieder die Diskussion darüber, wie sozial treffsicher diese Wohnbauförderung ist beziehungsweise ob diese Mittel vor allem jenen zugute kommen, die sie auch tatsächlich benötigen.

Vor acht Jahren, 1989, haben wir die Vergabe der Wohnbauförderungsmittel verländert, weil wir auf die unterschiedliche Situation in den einzelnen Bundesländern eingehen wollten, und daher liegt die Verantwortung dafür, ob die Mittel so eingesetzt werden, daß tatsächlich jene davon profitieren, die sie am meisten brauchen, bei den Bundesländern. (Beifall bei der SPÖ.)

Einen Aspekt wollte ich noch einbringen, nämlich die Frage: Wozu führt es, wenn es die Förderungsmittel nicht mehr geben sollte? In unserem Nachbarland Deutschland wurden die Wohnbauförderungsmittel gänzlich gestrichen. Wir wissen, es gibt dort keinen einzigen geförderten Wohnbau mehr, und wir wissen auch, daß Angebot und Nachfrage sich auf den Preis auswirken und es daher zu einem extremen Explodieren der Mietkosten kommt.

Herr Bundesminister! Es gibt auch Finanzmittel in ihrem Ressort, die die Wohnbauforschung betreffen, und ich denke mir, daß es angebracht wäre, darauf zu achten, daß begleitende Untersuchungen, die es natürlich gibt, viel stärker in die parlamentarische Diskussion einbezogen werden.

Und wenn ich schon bei der Leistbarkeit von Wohnungen bin, auch dazu ein Punkt: das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das auch in Ihren Bereich fällt, Herr Bundesminister Farnleitner. Historisch betrachtet waren Wohnbaugenossenschaften jene, die die Aufgabe hatten, Gemeinschaftseigentum, Gemeinschaftseinrichtungen zu schaffen. Davon haben sich diese in der Vergangenheit in vielen Bereichen leider entfernt, und ich glaube, es wäre höchst angebracht, auch eine Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes in der Weise durchzusetzen, daß die Mieter nach Rückzahlung aller Darlehen und Annuitäten nur mehr jenen Beitrag zahlen, der für die Erhaltung des Hauses notwendig ist, aber nicht darüber hinaus noch Annuitäten und Darlehen, die es nicht mehr gibt. Daher ersuche ich Sie, Herr Bundesminister, diesbezüglich Initiativen zu ergreifen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat Herr Abgeordneter Karl Gerfried Müller das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.15

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Wirtschaftsminister! Geschätzte Damen und Herren! Im Vordergrund der österreichischen Budgetpolitik steht ein Haushaltsvoranschlag, welcher auf die Erhaltung der Beschäftigungssituation und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich Bedacht nimmt.

Durch die nicht immer populären Einsparungsmaßnahmen können wir unsere fiskalpolitischen Handlungsspielräume vergrößern, sodaß wir in Zukunft wesentlich mehr und neue Gestaltungsmöglichkeiten haben. Dabei stehen für uns Sozialdemokraten Effizienzsteigerung, Verteilungsgerechtigkeit und Ausgewogenheit absolut im Vordergrund.

Die Schreckensszenarien, die von der Opposition, allen voran natürlich von den Freiheitlichen, mit verbalen Ausritten wie "ruinenhaftes Zahlenwerk", "ökonomisches Märchenbuch", "irreale Annahmen", "Steuervandalismus" und so weiter an die Wand gemalt werden, sind weder im Jahr 1996 eingetreten, noch wird das Budget 1997 Anlaß geben, derartige unqualifizierte Äußerungen ernst nehmen zu müssen, und schon gar nicht beim Budget 1998 zutreffen.

Für eine derartige Skandalisierung besteht überhaupt kein Anlaß. Im Gegenteil: Durch diese Verunsicherung in der Bevölkerung wird der soziale Friede gestört, und wenn noch zusätzlich Gruppierungen gegeneinander ausgespielt werden, zeigt das bei vielen Oppositionspolitikern, daß eine Sachpolitik anscheinend nicht immer gefragt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Kapitel Bauten hat durch die Ausgliederung der ASFINAG gravierende Änderungen erfahren. Bei einem Vergleich mit den Budgetzahlen 1997, wo 27,6 Milliarden Schilling an Ausgaben und 8 Milliarden Schilling an Einnahmen vorgesehen waren, stehen 1998 eben 18,3 Milliarden Schilling an Ausgaben und 2,9 Milliarden Schilling an Einnahmen gegenüber. Da die Mauteinnahmen ebenfalls der ASFINAG vorbehalten bleiben, wirkt sich das natürlich im Budget 1998 aus. Wesentlich dabei ist aber, daß die Einnahmen zweckgebunden für die Erhaltung und für den weiteren Ausbau unserer Infrastruktur verwendet werden.

Die Finanzierung der Straßeninfrastruktur wird uns auch in Zukunft noch sehr intensiv beschäftigen müssen. Von den derzeit 3,1 Milliarden Schilling Vignetteneinnahmen aus dem Jahr 1997 entfallen nicht einmal 10 Prozent auf den LKW-Verkehr. Es zeigt sich also klar, daß der PKW-Verkehr den das Straßennetz wesentlich stärker belastenden LKW-Verkehr finanziert. Da müssen wir bald einen gerechten Ausgleich schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

17.18

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben vom Vorredner gehört, daß der Budgetteil Bauten für das kommende Jahr um etwa 9 Milliarden Schilling weniger ausweist. Der Grund dafür liegt in der Überführung des Ausbaues und der Erhaltung der A- und S-Straßen in die ASFINAG. Diese soll die Finanzierung durch die Vignetteneinnahmen bewerkstelligen. Ich glaube, daß Erhaltung und Ausbau damit nicht finanzierbar sein werden. Trotzdem meine ich, daß es auch unsere Aufgabe ist, rasche Verbindungen herzustellen, sichere Straßen bereitzuhalten und – aufgrund der europäischen Anerkennung – für eine 50prozentige Kostendeckung zu sorgen.

Von der Aufteilung der Vignetteneinnahmen haben wir soeben gehört. Das bedeutet, daß ein starkes Mißverhältnis zuungunsten des PKW im Verhältnis von drei zu eins besteht. Berücksichtigt man dazu noch die Prognose für die nächsten beiden Jahrzehnte, so bedeutet dies, daß sich der Frachtverkehr in etwa verdoppeln und der PKW-Individualverkehr um etwa 40 Prozent zunehmen wird. Das heißt, daß, wenn wir nicht gegensteuern, eine weitere Quersubventionierung in verstärktem Maße notwendig sein wird, das heißt, daß die Grenze der Flächennutzung Straße absehbar ist, und das bedeutet auch, daß der Güterverkehr auf der Schiene in eine bedeutungslose Größenordnung abgedrängt wird.


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Daraus folgt, daß ein vernünftiger Ausbau der Verkehrswege sehr rasch zu erfolgen hat – und das natürlich unter Berücksichtigung der Kostenwahrheit. Das bedeutet auch Road-Pricing für LKW. Abgesehen davon, daß wir dies per Gesetz bereits für 1998 vorgegeben haben, haben sich im Oktober auch die europäischen Verkehrsminister dazu bekannt.

Wie schon Ihre Vorgänger, Herr Bundesminister, haben auch Sie dieses Road-Pricing nunmehr bis zum Jahr 2001 zurückgestellt, und zwar mit Argumenten, die, wie ich meine, nicht wirklich relevant sind, sondern eher dazu dienen, daß das Road-Pricing für LKW mit der derzeitigen Steuerbelastung möglichst aufkommensneutral kompensiert werden soll. Das, meine Damen und Herren, Herr Bundesminister, ist keine Verursachergerechtigkeit, daher darf das in dieser Form auch nicht geschehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch der internationale Gleichklang ist meiner Meinung nach kein Argument, noch dazu, da alle europäischen Länder bereits Maut einheben beziehungsweise diese vorbereiten.

Auch das technische Argument kann nicht gelten. Die europäische Vornorm, die mit der Weltnorm ISO abgestimmt ist, verhindert, wenn sie berücksichtigt wird, eine Insellösung zumindest in Europa, sie ermöglicht auch Konkurrenzsysteme, und sie gewährleistet die Kommunikation der Systeme untereinander.

Die Vorarbeiten zum Road-Pricing in Österreich sind im wesentlichen abgeschlossen. Ich glaube, Österreich weiß, was es will, daher ist eine rasche Umsetzung auch nach Meinung der österreichischen Industrie und österreichischer Experten innerhalb von längstens zwei Jahren umzusetzen. (Abg. Haigermoser: Kein Mensch braucht das!) Wenn das bis zum Jahr 2000 nicht möglich ist, dann kann der Grund wahrscheinlich nur im Nichtwollen liegen.

Herr Bundesminister! Ich sehe schon ein, daß Sie Probleme mit den Frächtern haben, trotzdem ersuche ich Sie, im Interesse einer dauerhaften Budgetkonsolidierung rasch zu entscheiden. (Beifall bei der SPÖ.)

17.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Herrn Abgeordneten Mag. Kaufmann das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.22

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich melde mich nur deswegen noch zu Wort, weil es mir einigermaßen sonderbar erscheint, daß im Wirtschaftsministerium Anträge liegen, in denen es um die Schaffung von Lehrstellen geht, und diese verzögert, ich hoffe jedoch, nicht endgültig verhindert werden.

Worum geht es? – Das BFI-Niederösterreich hat ein Angebot erarbeitet, wonach einige Ausbildungseinrichtungen geschaffen werden könnten, und zwar eine Ausbildungseinrichtung in Sigmundsherberg und eine in Wiener Neustadt, womit 30 Ausbildungsplätze für Lehrlinge geschaffen werden könnten, und eine Ausbildungsstätte in Gänserndorf, durch die 20 Ausbildungsplätze hätten geschaffen werden können.

Nun weiß ich, daß das Problem Gänserndorf durch die OMV erledigt ist, weil die OMV 20 zusätzliche Lehrlinge aufnehmen wird. Es ist der Firma OMV, insbesondere auch den Betriebsräten, die sich dafür eingesetzt haben, besonders zu danken. Aber, Herr Minister, das Problem bezüglich Wiener Neustadt und Sigmundsherberg bleibt weiterhin offen.

Voraussetzung für die selbständige Ausbildungseinrichtung nach § 30 Berufsausbildungsgesetz ist die Sicherstellung der Qualität einer solchen Ausbildung, die Aufrechterhaltung über einen bestimmten Zeitraum und vor allem der Bedarf. Unbestritten dürfte nach allen Stellungnahmen sein, daß die Qualität der Ausbildung und die Sicherstellung über eine längere Zeit hindurch gegeben ist, aber offensichtlich wird der Bedarf bezweifelt.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Wiener Neustadt gibt es 65 Lehrstellensuchende, im Waldviertel insgesamt 100, im gesamten Niederösterreich sind es 1 050. Es ist auch die Finanzierung dieser Ausbildungseinrichtungen gesichert.

Herr Minister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Trinkl hat gesagt, man soll möglichst unvoreingenommen an die Fragen der Lehrausbildung herangehen. Ich glaube das auch, und man sollte daher auch unvoreingenommen an die Fragen herangehen, daß eben auch einmal Lehrlinge außerhalb eines Betriebes in speziellen Ausbildungseinrichtungen ausgebildet werden.

Ich ersuche Sie daher, Herr Minister, wirklich unvoreingenommen an eine solche Ausbildungseinrichtung, wie sie in Wiener Neustadt und in Sigmundsherberg notwendig ist, heranzugehen und sie nicht mehr länger zu verzögern, sondern sie endgültig zu ermöglichen. Die Finanzierung ist gesichert, der Bedarf ist da, und ich kann Ihnen auch ankündigen, daß es Gespräche mit der Arbeiterkammer Niederösterreich sowie mit der Gewerkschaft Metall, Bergbau, Energie gegeben hat und daß eine solche Einrichtung auch im Rahmen der Lehrwerkstätte von Böhler-Uddeholm für Waidhofen an der Ybbs geplant ist. Ich ersuche Sie jetzt schon, auch diese Ausbildungseinrichtung positiv zu sehen und zu befürworten. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

17.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Ankündigung, daß Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann der letzte Redner in dieser Debatte ist, war etwas voreilig. Es hat sich jetzt Herr Bundesminister Dr. Farnleitner noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

17.25

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Ich weiß, daß es nicht populär ist, zu verzögern, aber ich möchte auf den letzten Redner wirklich antworten.

Ich würde die Arbeiterkammer ernsthaft bitten, mich erst dann in der Öffentlichkeit zu rügen, wenn ich ihre Anträge im Haus habe. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Mich dann, wenn die Anträge im Berufsausbildungsbeirat liegen, was bedeutet, daß ich auf das gemeinsame Gutachten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern warten muß, weiterhin zu rügen, ist der nächste "lustige" Effekt.

Dritter Punkt: Ich habe von Anfang an deutlich gemacht: Ich bin für Versuche, die Lehrwerkstätten aus Industriebetrieben auszulagern und dann mit großem Cash-flow zu punkten, nicht zu haben. Daher habe ich verursacht, daß OMV auch entsprechend reagiert hat. Das sind zwei Dinge, die ich bitte, zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Vierter Punkt: Wiener Neustadt und Sigmundsherberg. Im Augenblick ist bezüglich der Anträge 7 und 12 , die die Lehrlinge betreffen, die Zusage vom Land noch nicht da. Wir haben in beiden Fällen gesagt, wir schauen uns das an, dann treffen wir die Entscheidung. Mein Haus wird nicht verzögern, aber es geht auch nicht an, daß Entscheidungen eingefordert werden, ehe der Antrag bei mir auf dem Tisch liegt. Ich bitte um Verständnis: Das ist einfach unfair!

Zum Abgeordneten Marizzi sei noch einmal gesagt: Es bleiben auch Autofahrer stehen und bedanken sich für die vierte Spur auf der Süd Autobahn im Mischbereich, der bis zuletzt an allen Widerständen gescheitert war. Aber etwas müssen wir tun – darum ergreife ich noch einmal das Wort –: Wir überlegen mit dem Verein Kuratorium für Verkehrssicherheit, ob wir nicht zumindest in Spitzenzeiten auf den Autobahnen auf der vierten oder auf der dritten Spur, die wir jetzt haben, Car-pool-Lösungen machen, weil wir ansonsten eigentlich zusätzliche Staus haben. Auf der Süd Autobahn etwa fällt ja auf, daß in 90 Prozent der Autos eine Person wohlverpackt sitzt und sehr lange fährt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt liegt dazu tatsächlich keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.


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Der Herr Spezialberichterstatter wünscht kein Schlußwort.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen ab über die Beratungsgruppe IX des Bundesvoranschlages für das Jahr 1998. Diese umfaßt die Kapitel 63 und 64 des Bundesvoranschlages – samt dem zum Kapitel 64 gehörenden Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages – in 841 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 910 der Beilagen.

Die Abgeordneten Dr. Van der Bellen und Genossen haben hiezu einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen finanzgesetzlichen Ansätze und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Beratungsgruppe IX des Bundesvoranschlages für das Jahr 1998 abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Van der Bellen und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Vorschlagsansätze 1/63156 und 1/63176 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um eine Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse jetzt über diese Teile der finanzgesetzlichen Ansätze des Bundesvoranschlages für das Jahr 1998 in der Fassung des Spezialberichtes in 910 der Beilagen abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Diese Teile sind in der Fassung des Spezialberichtes in 910 der Beilagen mehrheitlich angenommen worden.

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Kapitel 63 und 64 – samt dem zum Kapitel 64 gehörenden Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages – in 841 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 910 der Beilagen.

Ich ersuche, jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Diese Teile sind mehrheitlich angenommen worden.

Der bisherigen Praxis dieser Budgetdiskussion entsprechend schlage ich Ihnen vor, daß die Abstimmung über die eingebrachten Entschließungsanträge zur Beratungsgruppe IX ebenfalls jetzt erfolgt.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Daher können wir so vorgehen.

Ich lasse zunächst über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haller und Genossen betreffend die rasche Umsetzung von Maßnahmen zur Mautfreistellung für die Benützung von grenznahen Straßenabschnitten abstimmen.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann und Genossen betreffend Fehlentwicklungen bei der Neuorganisation der E-Wirtschaft sowie Fehlentwicklung des österreichischen Strommarktes.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann und Genossen betreffend Förderungen im Bereich der Energie.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Dipl.-Ing. Keppelmüller stellt sich versehentlich zwischen die Reihen. – Abg. Mag. Stadler:


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Danke, Keppelmüller! – Abg. Dipl.-Ing. Keppelmüller ruft "Oh!" und nimmt sofort wieder Platz. – Allgemeine Heiterkeit.)  – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir haben damit über alle eingebrachten Entschließungsanträge abgestimmt.

Beratungsgruppe IV

Kapitel 11: Inneres (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zur Verhandlung über die Beratungsgruppe IV: Inneres.

Der Spezialberichterstatter verzichtet auf die mündliche Berichterstattung.

Wir beginnen sofort mit dem Aufruf der Wortmeldungen.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

17.32

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Das Budget für den Bereich innere Sicherheit ist heuer gestiegen, und zwar um ungefähr 2 Milliarden Schilling. Das ist die eine Seite, und zwar die erfreuliche Seite dieses Budgets.

Auf der anderen Seite ist das Budget für den Bereich innere Sicherheit schon bisher jährlich gestiegen, aber diese Steigerung des Budgets hat sich eigentlich nicht in einer größeren Sicherheit in Österreich niedergeschlagen, sondern wir haben noch immer eine sehr hohe Kriminalitätsrate. Die Zahl der strafbaren Handlungen liegt bei ungefähr 500 000 im Jahr, was nicht weniger als 1 400 strafbare Handlungen pro Tag bedeutet.

Das ist sehr viel, und wenn der Herr Innenminister von Zeit zu Zeit sagt, die Kriminalität ist im Sinken, weil die Statistik um 1 oder 2 Prozent weniger zeigt, dann muß ich schon sagen, das liegt aber an der Statistik, denn diese wird ja – Herr Minister, das muß ich Ihnen vorwerfen – ganz ordentlich frisiert.

Da gibt es zum Beispiel den Erlaß des Herrn Innenministers, der besagt, daß die Zahl der bekanntgewordenen strafbaren Handlungen nach dem Suchtgiftgesetz jene der Tatverdächtigen nicht übersteigen darf. Auch bei Serieneinbrüchen, die von ein und derselben Einbrecherbande verübt werden, darf in der Kriminalitätsstatistik nur noch von einer Tat gesprochen werden. Das heißt, man versucht mit allen möglichen Mitteln, die Kriminalitätsrate zu senken, zum Beispiel, indem man die Statistik ordentlich frisiert. Daher ist es kein Argument, wenn der Herr Minister sagt: Die Statistik zeigt ohnehin einen Rückgang der Kriminalität, es wird darin um 1 Prozent weniger ausgewiesen. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Wir sind jetzt bei der Anzahl der Delikte. Sie dürfen nicht die Aufklärungsquote und die Anzahl der Delikte verwechseln, Herr Kollege Schwemlein. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich habe jetzt nicht von der Aufklärungsquote gesprochen, sondern ich habe von der Höhe der Kriminalität gesprochen. – Aber Sie wissen, ich habe nur eine beschränkte Redezeit, deshalb muß ich in meinen Ausführungen weiterschreiten, denn ich habe dem Herrn Minister noch einiges vorzuwerfen, zum Beispiel die Suchtgiftkriminalität.

Herr Minister! Nach Ihrem eigenen Bericht ist die Suchtgiftkriminalität enorm gestiegen. In den einzelnen Bundesländern liegt die Steigerung der Zahl der Delikte zwischen 3,4 Prozent und 95 Prozent!

Herr Minister! Sie beschönigen auch diesen Bereich, indem Sie sagen: Es wird sehr intensiv gearbeitet, dadurch wird jetzt mehr aufgedeckt. – Auch dieses Argument hinkt ganz entsetzlich, denn wenn man zum Beispiel sagen würde: Wir ermitteln überhaupt nicht mehr, wir decken überhaupt nichts mehr auf!, dann kann man ja auch nicht davon sprechen, daß wir keine Suchtgiftkriminalität oder keinen Suchtgiftmißbrauch mehr hätten. – All diese Argumente sind


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wirklich nur Ausreden, die vorgeschoben werden, um die schlechte Statistik in irgendeiner Weise zu beschönigen.

Herr Minister! In der heutigen Ausgabe einer Zeitung – ich glaube, es war der "Kurier" – kann man lesen, daß die Polizei selbst schätzt, daß es in Wien rund 10 000 Heroinsüchtige gibt. Jeden Tag wird Heroin im Wert von 5 Millionen Schilling umgesetzt, das entspricht einem Jahresumsatz von 1,8 Milliarden Schilling. Erfahrene Kriminalisten sagen aber, daß diese Schätzung viel zu niedrig ist, man muß eigentlich vom Doppelten ausgehen. Und ebenso hoch wie der Heroinumsatz ist auch der Kokainumsatz.

Ich muß Ihnen sagen, Herr Minister, ich habe wirklich den Eindruck, daß Ihnen die Sache – gerade, was die Drogenkriminalität betrifft – entglitten ist. Es findet überhaupt keine Bekämpfung der Drogenkriminalität mehr statt, sondern man hat sich mehr oder weniger damit abgefunden und gibt sich damit zufrieden, zu sagen: Wir decken jetzt ohnehin mehr auf. Dabei gibt es aber nicht mehr Beamte, die aufdecken, es gibt keine neuen Methoden und überhaupt keine neuen Strategien, wie man der Drogenkriminalität Herr werden könnte. Und das ist das allergefährlichste an Ihrer Sicherheitspolitik, sehr geehrter Herr Minister. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die organisierte Kriminalität hat sich in Österreich fest etabliert. Erst neulich hat die organisierte Kriminalität in Wien ein wirklich gefährliches Zeichen gesetzt, indem eine Bombe in einem Restaurant deponiert wurde. Man sieht daran auch, daß diese Kriminellen vor nichts zurückschrecken. Die Experten sagen, diese Bombe hätte im Umkreis von 15 Metern alles vernichtet, was da gewesen wäre. Daran sieht man ja, wie gefährlich und aggressiv diese Täter sind. – All das hat sich in Österreich weiterhin verstärkt, obwohl das Budget immer wieder erhöht wurde.

Herr Minister! Daß wir jetzt nicht mehr vor dem Briefbombenterror zittern, haben Sie ja eigentlich nur einem Zufall zu verdanken, denn jahrelang ist von Ihrem Ministerium – nicht unter Ihrer Führung, aber in Ihrem Ministerium – in die falsche Richtung ermittelt worden. Und nur durch Zufall ist der mutmaßliche Täter gefunden worden.

Das, was sich damals im Innenministerium abgespielt hat, ist ja etwas, was man nicht so einfach unter den Tisch kehren darf. Dieses Ministerium, dieser Apparat hat nur in die rechte Richtung ermittelt und hat infolgedessen wichtige Tätergruppen überhaupt nicht durchleuchtet. (Abg. Schwemlein: Das stimmt doch nicht!) Aber selbstverständlich stimmt das, Herr Abgeordneter Schwemlein! 300 Millionen Schilling sind für die Fahndung nach dem Briefbombenattentäter ausgegeben worden.

Ich weiß schon – das habe ich Ihnen auch persönlich gesagt –, daß es äußerst schwierig ist, gerade Briefbombenattentate aufzudecken. Aber die Schuld Ihres Vorgängers, Herr Minister, war, daß er in seinem ideologischen Gebäude einfach nicht zulassen konnte, daß der Täter nicht aus dem rechten Bereich kommt. Es war für ihn denkunmöglich, daß der Täter aus dem linken Bereich kommen könnte.

Hätte er die Vermutung zugelassen, daß der Täter aus dem linken Bereich kommt, dann hätte er erstens das Täterprofil schon früher veröffentlicht (Zwischenruf des Abg. Schwemlein )  – nein, er hat das Täterprofil unterdrückt! –, und zweitens hätte er auch in eine andere Richtung ermitteln lassen. Er wäre dann draufgekommen, daß man den Täter ebensogut im sozialistischen Bereich suchen und dort auch fündig werden kann. (Abg. Haigermoser: Dort hat man ihn dann ja auch gefunden! Ein Sozi war’s! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.) Selbstverständlich! Man ist ja im linken und nicht im rechten Bereich fündig geworden. Selbstverständlich im sozialistischen Bereich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Mertel und Schwemlein. ) Sie wissen ja ganz genau, daß der mutmaßliche Bombenattentäter aus einer sozialistischen Familie kommt. Aber genausowenig, wie Sie das heute wahrhaben wollen, wollte das der damalige Innenminister wahrhaben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie sehr der Herr Innenminister Einem, der ja immer die Toleranz gepredigt hat, in seinem Ministerium in der Fahndung nach dem Briefbombenattentäter Druck ausgeübt hat, hat ja Herr Generaldirektor Sika ganz deutlich zum Ausdruck


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gebracht. Er hat gesagt: Ich bin psychisch unter Druck gesetzt worden, damit ich ja keine Ermittlungsarbeiten in die richtige Richtung vornehme. – Diese richtige Richtung wäre auch die linke Richtung gewesen, während für den Herrn Innenminister Einem nur die rechte Richtung zählte, alles andere war für ihn nicht vorstellbar. Und das muß man Ihnen vorwerfen! Aber dieser Minister, der eine solche Fehlentscheidung getroffen hat, ist jetzt neuerlich von den Sozialisten in ein Ministeramt berufen worden. Und das ist es, was uns Freiheitliche sehr bedenklich stimmt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jedenfalls sind durch diese falschen Ermittlungen 300 Millionen Schilling vergeudet worden, zum Beispiel bei unsinnigen Hausdurchsuchungen. Bei 90jährigen Personen, die zufällig einen Strohhalm im Haus hatten, oder bei Witwen, deren Ehemann einmal Bezieher der Zeitschrift "Aula" war, sind Hausdurchsuchungen durchgeführt worden, weil man geglaubt hat, dort werden die großen Bombenattentäter zu finden sein.

Deshalb betone ich: Es nützt nichts, wenn man mehr Mittel und noch mehr Mittel zur Verfügung hat, wenn man sie nicht richtig einsetzt. Und ich behaupte, diese Mittel sind im Innenressort teilweise nicht richtig eingesetzt worden.

Herr Minister! Stünden Ihnen diese 300 Millionen Schilling noch zur Verfügung, dann müßten Sie nicht 83 Polizisten einsparen. Ich frage Sie wirklich: Wie kommen Sie darauf, die Zahl der Polizisten zu kürzen? Wie kommen Sie darauf, Einsparungen bei der Exekutive zu machen? – Gerade die hohe Kriminalitätsrate spricht doch dafür, daß man die Exekutive ausweitet, aber nicht dafür, daß man Einschränkungen macht. Statt daß Sie für eine bessere Ausstattung der Exekutive sorgen, wie es dringend notwendig wäre, sparen Sie noch ein. Man sagt sogar, daß Sie in Wien 159 Exekutivplanstellen einsparen wollen. Ich verlange von Ihnen eine Antwort, wieso Sie solche Reduzierungen vornehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Sie haben im Ausschuß gesagt, daß wir bei der Exekutive wenigstens jene Infrastruktur brauchen, die die Verbrecher, die Kriminellen haben. Ich gebe Ihnen da absolut recht. Aber in den vergangenen Jahren lief alles nur zugunsten der Kriminellen. Beispielsweise ist immer der Täter im Mittelpunkt gestanden, das Opfer ist immer an zweiter Stelle gekommen. Die Sicherheitspolitik hat sich vom Bürger weg- und zu den Tätern hinbewegt. Tausende Exekutivbeamte sind eingespart worden, statt daß man ihre Zahl erhöht hätte, wie es ihren Aufgaben entsprechen würde. So, Herr Minister, können Sie die Sicherheitspolitik nicht weiter betreiben, denn so werden Sie die Kriminalität nie richtig bekämpfen können.

Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, Sie sollten sich ein Beispiel daran nehmen, wie man in New York gegen die Kriminalität vorgegangen ist. (Abg. Haigermoser: So ist es! – Ironische Heiterkeit des Abg. Schwemlein. ) Ich glaube nicht, daß man das lächerlich machen sollte. (Abg. Mag. Stadler: Sag dem Schwemlein, wo New York ist! – Abg. Schwemlein: In Vorarlberg vielleicht?!)

Das, was aus dem Osten auf uns zukommt, ist alarmierend! Das ist wirklich kein Unsinn. Reden Sie mit Experten darüber, was aus dem Osten auf uns zukommt, dann werden Sie sehen, wie notwendig es ist, daß wir wirklich effiziente Maßnahmen gegen die Kriminalität in Österreich setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser – zu Abg. Schwemlein –: New York hat früher einmal "Neu Amsterdam" geheißen. – Abg. Schwemlein: Hast du damals schon Socken verkauft? – Abg. Dr. Mertel: Krawatten-Shop!)

17.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Leikam. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Haigermoser: Ein Genosse war’s ...! – Weitere Zwischenrufe.)

17.43

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur einen Satz zu meiner Vorrednerin, zur Kollegin Partik-Pablé: Sie hat heute auf Punkt und Beistrich die gleiche Rede gehalten wie vor einigen Wochen, als wir hier sehr ausführlich über den Bericht des Herrn Innenministers zur Briefbombencausa diskutiert


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haben. (Abg. Schwemlein: Darum ist mir das so bekannt vorgekommen! – Abg. Dr. Mertel: Wortgleich!)

Ich möchte daher nicht noch einmal auf all die Argumente eingehen, die wir ohnehin bei dieser Debatte damals gehört haben und die, wie ich meine, ein sehr bezeichnendes Licht auf die rechte Seite dieses Hauses geworfen haben. Ich will nicht darauf eingehen.

Sie hat vermutlich auch die gleiche Rede gehalten wie vor einigen Monaten bei der Debatte über den Sicherheitsbericht 1995. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Probleme haben sich nicht geändert!) Es war heute nichts Neues dabei, wenngleich ich das zusammenfassend vielleicht sogar als Kompliment und als Anerkennung dessen werte, daß im Innenressort einiges weitergegangen ist. Denn ich erinnere mich auch noch an jene Reden von Ihnen, Frau Kollegin Partik-Pablé, bei denen Sie hier beim Rednerpult viel schärfer waren. Da haben Sie – beim Sicherheitsbericht und beim Budget für die innere Sicherheit – dem Minister immer wieder massive Vorwürfe gemacht, daß nichts weiterginge, daß zu wenig Geld vorhanden sei, daß die Ausrüstung nicht mehr stimme, daß die Unterkünfte schlecht seien und vieles andere mehr. Das tun Sie seit einiger Zeit nicht mehr, und ich werte das durchaus als Anerkennung für eine gute Politik des sozialdemokratischen Innenministers. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Khol hat bei meinem Aufruf, als ich hier zum Rednerpult gegangen bin, gemeint: der besondere (Abg. Dr. Khol: Der berühmte!), richtig, der berühmte Abgeordnete Leikam. Er könnte damit recht haben, denn ich muß mich heute tatsächlich in einem Teil meiner Ausführungen mit Ihnen, Herr Klubobmann Khol, und mit Ihrer Fraktion beschäftigen. Ich muß das tun.

Das Hölzchen dazu hat mir eigentlich vorhin der Herr Wirtschaftsminister in seinen Ausführungen geworfen, als er gegenüber dem Abgeordneten Kaufmann gemeint hat – mit Recht, wenn es stimmt, was er gesagt hat –, daß man ihn nicht für etwas verantwortlich machen kann, was noch nicht in seinem Ministerium eingelangt ist. Wenn das so ist, dann hat der Herr Minister Farnleitner recht. (Abg. Dr. Khol: Jetzt kommt das Vereinsrecht! Hoffentlich kommt das, das würde ich gerne hören!) So ist es!

Herr Klubobmann Khol! Erklären Sie mir und diesem Haus und somit auch der Öffentlichkeit bitte, warum Sie und Ihre Abgeordneten im gesamten Bundesgebiet – in einem Bundesland etwas weniger, im anderen etwas heftiger – genau diese Vorgangsweise gewählt haben. (Abg. Mag. Stadler: Die ÖVP ist ja in der Opposition, deswegen machen sie das! Die ÖVP ist eine alte Oppositionspartei!)

Obwohl es im Innenministerium nicht einmal eine Diskussionsgrundlage und schon gar keinen Gesetzentwurf für ein neues Vereinsrecht gibt (Abg. Dr. Khol: Warum diskutiert dann das Haus am 20. November darüber?!), zieht die ÖVP landauf und landab und fordert die Bevölkerung, die Öffentlichkeit auf, in diesem Bereich gegen den Innenminister aktiv zu werden. Für etwas, das es nicht gibt! Es ist dies eine Vorgangsweise, die Ihr Minister Farnleitner gegenüber einem SPÖ-Abgeordneten mit Recht als nicht vertretbar bezeichnet hat.

Herr Dr. Khol! Was es gibt, ist die Veröffentlichung einer juristischen Arbeit im Verlag Manz (Abg. Dr. Khol: Schon gelesen!) – Sie wissen genau, was da auf dem Tisch liegt –, erschienen im März 1997, also vor acht Monaten. (Abg. Dr. Khol: Von wem ist es denn? Wer sind denn die Autoren?!)

Zuerst habe ich mich gefragt: Warum macht die ÖVP das? Aber dann ist mir eingefallen, warum sie das tut, denn es ist mir ein Zeitungsartikel über Ihre heurige Klubtagung untergekommen, in dem steht, daß der angeblich so erfolgreiche oberösterreichische Landeshauptmann – der Verlust von mehreren Prozenten der Wählerstimmen wird ja von Ihnen noch als Erfolg verkauft (Abg. Dr. Khol: Was ist mit dem Hochmair?!)  – gesagt hat, man könne der Bundespartei nur die Empfehlung geben, sich rechtzeitig bestimmter Themen anzunehmen und diese ständig in der Öffentlichkeit auszutrommeln. So könne man bei Wahlen erfolgreich sein. (Abg. Dr. Khol: Danke für die Propaganda!) – Das könnte eine Erklärung dafür sein, daß Sie ohne jede Basis,


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ohne jegliches Vorhandensein eines solchen Antrages diese Kampagne österreichweit gestartet haben. (Abg. Dr. Khol: Der Toni Leikam durchschaut uns heute bis auf die Knochen!)

Die Kärntner sind dabei anscheinend besonders fleißig. Da gibt es ein Inserat des Kärntner Klubobmannes Ferdinand Sablatnig, in dem es heißt – ich zitiere –:

"Mit vereinter Kraft für Kärntens Vereine. Der Innenminister will Kärntens Vereinen das Leben schwermachen durch unnötig strenge Reglementierung, durch ein rigide verschärftes Aufsichtsrecht und durch eine Rechnungslegungspflicht nach handelsrechtlichen Vorschriften. Wir geben dem Innenminister viele kleine Nachdenkzettel." – Zitatende. (Abg. Mag. Stadler: Aber da hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht! – Abg. Dr. Khol: Bitte weiterlesen!) Und diese Zettel, diese Listen werden an die Kärntner Vereine verschickt.

Die Kärntner Medien schreiben über eine Pressekonferenz der ÖVP: "Kärntner Vereine im Abwehrkampf gegen diesen unmöglichen Innenminister."

Meine Damen und Herren! Obwohl das Innenministerium zweimal öffentlich erklärt hat, daß es keine Basis für eine solche Aktion der ÖVP gibt, daß es keinen solchen Gesetzentwurf gibt, und auch im Budgetausschuß Abgeordneter Freund vom Herrn Minister persönlich Aufklärung verlangt hat, wann er denn die Kampagne gegen die Vereine einstellen werde, hat auch er aus dem Munde des Herrn Ministers gehört, daß nur die ÖVP-Landeshauptleute eine solche Kampagne gestartet haben, nicht der Innenminister.

Das hat aber dem Herrn Abgeordneten Freund und der ÖVP anscheinend noch immer nicht genügt, und man hat dann die Aktion verstärkt. Man hat in Kärnten, Herr Abgeordneter Khol, sogar Plakate in dieser Größe affichiert. (Der Redner entfaltet ein Plakat. – Abg. Mag. Stadler: Ich halte es auf der anderen Seite! – Heiterkeit. – Der Redner hält das Plakat mit Hilfe des Abg. Mag. Stadler gut sichtbar in die Höhe.) Ich habe den Kollegen Stadler sonst noch nie um Mitarbeit gebeten, aber jetzt bin ich ihm eigentlich sehr dankbar dafür.

Das ist also das Plakat der ÖVP, meine Damen und Herren. Herr Kollege Khol! Sie können es behalten, damit Sie wissen, was Ihre Parteifreunde in Kärnten alles unternehmen. Das ist Ihre dortige Parteilinie. (Abg. Dr. Khol geht zum Rednerpult und nimmt das Plakat. – Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Dazu klatschen Sie auch noch?! (Abg. Dr. Fekter: Danke für die Werbung!) Das wirft ein bezeichnendes Licht auf den Koalitionspartner, der mit einer Lügenpropaganda durch das Land zieht und die Menschen und die Vereine verunsichert. Das ist also Ihre Antwort. (Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Sie schreiben hier: Wir geben dem Innenminister viele kleine Nachdenkzettel. Aber die Vereine dieses Landes verdienen es nicht, für eine parteipolitische Aktion mißbraucht zu werden. (Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Sie wollen keine Nachdenkzettel verteilen. Die Wählerinnen und Wähler werden Ihnen einen Denkzettel erteilen, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei. (Abg. Dolinschek: Toni, das ist die beste Rede, die du in diesem Haus gehalten hast!) – Leider, muß ich dazu sagen, aber die Aktionen, die von der Österreichischen Volkspartei im ganzen Lande gesetzt werden, kann man sich nicht bieten und gefallen lassen.

In Niederösterreich verschickt die ÖVP-Landesleitung Briefe an die Bürgermeister. Eine vorgedruckte Resolution liegt schon bei. Vermutlich sind die Bürgermeister gar nicht selbst in der Lage, solche Resolutionen zu verfassen, daher wird diese beigelegt. Die Bürgermeister werden aufgefordert, das in den Gemeinden zu beschließen und dem Herrn Innenminister als Nachdenkzettel zu schicken – zu etwas, das er gar nicht vorhat.

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen, es wird irgendwann einmal notwendig sein, über ein neues Vereinsrecht zu diskutieren, denn das bestehende ist über 100 Jahre alt. Wir werden darüber reden müssen, weil vieles in diesem Bereich reformbedürftig ist. Aber es wird ein


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Vereinsrecht werden, das nicht gegen die Vereine gerichtet sein wird, sondern wir werden gemeinsam mit den Vereinen, mit Experten und mittels eines entsprechenden Anhörungsverfahren ein neues, modernes Vereinsrecht schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Dort können Sie mitarbeiten, aber wir machen Sie natürlich schon darauf aufmerksam, daß wir die Bevölkerung über das, was Sie jetzt im Lande angestellt und womit Sie Unfrieden gestiftet haben, über die Kampagne, die vom Anfang bis zum Ende nicht stimmt, bei jeder Gelegenheit informieren werden.

Meine Damen und Herren! Ich habe auch nur 10 Minuten Zeit. Die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion werden noch sehr ausführlich zu diesem Budget Stellung nehmen. Ich kann nur zusammenfassend sagen: Ich bin dem Innenminister und auch dem Finanzminister sehr dankbar, denn obwohl dieser Budgetkonsolidierungskurs, der seit einigen Jahren von dieser Bundesregierung beschritten wird, auch für das Budget 1998 Gültigkeit hat, ist es diesem Innenminister gelungen, eine deutliche Ausweitung des Budgets für das Kapitel Inneres zu erzielen. Wir werden damit dieses hohe sicherheitspolitische Niveau, das es in Österreich gibt, weiterhin sichern.

Frau Kollegin Partik-Pablé! Sie wissen auch, daß die Werte, die Zahlen, die wir in Österreich verzeichnen, europaweit Spitze, ja sogar weltweit Spitze sind. Mit der Erhöhung dieses Budgets wird ein weiterer Schritt zur Erhaltung dieses Niveaus gesetzt werden können.

Ich bin diesem Innenminister und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den über 32 000 Exekutivbeamten im Lande sehr dankbar dafür, daß sie solch gute Arbeit in diesem Lande leisten, daß die Zahlen der Verbrechen rückgängig sind und daß die Aufklärungsquoten steigen – erstmals über 50 Prozent. Sie leisten gute Arbeit. Ihnen gebührt unser Dank und unsere Anerkennung! (Beifall bei der SPÖ.)

17.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Khol hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen.

17.54

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Der berühmte Abgeordnete Toni Leikam hat gesagt, es gäbe keine Pläne des Justizministers zur Reform des Vereinsrechtes. (Abg. Leikam: Gesetzentwurf habe ich gesagt! Das ist falsch! Das habe ich nicht gesagt! Das ist die Unwahrheit! Das habe ich nicht gesagt! Sie schreiben "Gesetzentwurf"! Lesen Sie Ihr eigenes Plakat!)

Ich darf dem entgegenhalten: Es gibt eine Einladung zur Tagung "Reform des Vereinsrechtes" am 21. November im Parlament, Budgetsaal Lokal VI, und dort hält das Eröffnungsreferat Mag. Karl Schlögl – schau, schau! –, Bundesminister für Inneres. (Beifall bei der ÖVP.)

17.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Leikam: Legen Sie den "Gesetzentwurf" vor!)

17.55

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nachdem Herr Kollege Leikam Klubobmann Khol ordentlich die Leviten gelesen hat, können wir wieder zur Debatte über das Budget zurückkehren. Herr Kollege Khol! Sie sollten als Klubobmann schon wissen, daß die Einladung zu einer Enquete beziehungsweise die Tatsache, daß der Minister eine Eröffnungsrede hält, noch lange nicht heißt, daß es einen entsprechenden Gesetzentwurf gibt oder daß das Gesetz in dieser Richtung geändert wird. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Herr Kollege Khol! Eines sollten Sie wirklich nicht machen: Sie sollten diese Vereine, die eine sehr wichtige Arbeit für unsere Gesellschaft, nämlich für die Freizeitgestaltung, und auch für die Öffentlichkeit und für die Gemeinschaft leisten, nicht durch eine derartige Kampagne verun


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sichern. Das muß mit aller Klarheit und Deutlichkeit gesagt werden. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Nun zum Budget des Kapitels Inneres. In der Tat können wir für das Budget 1998 gegenüber dem Jahr 1997 eine Steigerung verzeichnen. Ich meine, daß das wirklich sehr bemerkenswert ist. Offensichtlich ist es dem Innenminister in den Budgetverhandlungen gelungen, sich gegenüber dem Finanzminister durchzusetzen. Immerhin stehen der Exekutive für das Jahr 1998 nun 22,6 Milliarden Schilling zur Verfügung, und auch der Anteil am Bruttoinlandsprodukt ist gestiegen. Das ist positiv anzumerken, das ist positiv festzustellen.

Herr Kollege Khol zieht sich jetzt zurück (Abg. Dr. Khol: Zieht sich nicht zurück!), aber wenn man das mit dem Bereich der Landesverteidigung vergleicht, dann sieht man, wie wenig erfolgreich Ihr Verteidigungsminister Fasslabend war, dann sieht man, wer in der Bundesregierung die Interessen seines Verantwortungsbereiches ordentlich vertritt.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß mit diesem Budget die Aufgaben für die Exekutive erfüllbar geworden sind, daß es nun möglich wird, die Exekutive mit moderner Ausrüstung auszustatten. An dieser Stelle, Herr Bundesminister, kommt mein erster Appell an Sie: Es wird jetzt an Ihnen liegen, sehr rasch die Modernisierung der österreichischen Exekutive voranzutreiben.

Frau Kollegin Partik-Pablé ist auch auf den Sicherheitsbericht beziehungsweise auf die Kriminalstatistik eingegangen. Man muß mit aller Objektivität festhalten, daß es einfach nicht stimmt, daß wir eine steigende Kriminalitätsrate haben. Wir haben eine in der Tendenz sinkende Kriminalitätsrate, auch wenn – das gebe ich zu – 500 000 und mehr Delikte eine sehr hohe Zahl sind. Aber im internationalen Vergleich liegen wir gut. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich habe nicht gesagt, daß sie steigt, sondern daß sie hoch ist!)

Sie ist hoch, das ist richtig! Wir haben aber in der Tendenz – und ich glaube, das ist der richtige Maßstab, der angelegt werden muß; die Kriminalitätsrate ist nicht punktuell zu sehen, sondern wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt hat – eine sinkende Kriminalitätsrate, wir haben eine steigende Aufklärungsrate, und das ist positiv und spiegelt auch die Arbeit der Exekutive wider. Daher sollten wir hier im Hohen Haus nicht anstehen, der Exekutive auch dafür unseren Dank auszusprechen.

Meine Damen und Herren! Wenn man unsere Sicherheitslage mit der anderer Länder vergleicht, kann man ohne weiteres sagen, daß Österreich ein sehr sicheres Land ist. Sehen wir uns beispielsweise die Tötungsdelikte im internationalen Vergleich an: Auf 100 000 Einwohner in der Bundesrepublik Deutschland kommen 4,3 Delikte, in der Schweiz 2,8 und in Österreich immerhin 2,2. Das ist ein sehr positives Faktum. Oder im Bereich Diebstahl: In Deutschland sind es an die 4 500, in der Schweiz 4 800 und in Österreich 2 800. Das ist eine positive Entwicklung. Das sollte man feststellen und festhalten, da es gerade in einer derartigen Frage nicht redlich ist, Panik zu machen.

Herr Bundesminister! Ich erwarte von Ihnen, daß Sie mit den ausreichend zur Verfügung stehenden Budgetmitteln im Einsatz der Exekutive, aber auch in der Kriminalitätsbekämpfung klare Schwerpunkte setzen, nämlich dort, wo die aktuelle Herausforderung gegeben ist. Und diese aktuelle Herausforderung ist zum Beispiel im Bereich der Drogenkriminalität und im Bereich der internationalen Kriminalität gegeben. Das werden die Schwerpunkte sein (Abg. Schwemlein: Die nächsten Waffengeschäfte!), und ich erwarte von Ihnen, daß Sie diese Schwerpunkte auch augenscheinlich und klar erkennbar setzen.

Herr Bundesminister! Es ist notwendig, daß Sie Reformen nicht nur ankündigen, sondern auch tatsächlich durchführen und umsetzen. Herr Bundesminister! Ich fordere von Ihnen eine längst fällige Strukturreform der österreichischen Sicherheitsexekutive und eine klare Trennung zwischen Sicherheitsexekutive auf der einen Seite und Sicherheitsverwaltung auf der anderen Seite ein. Es macht Sinn, die Aufgaben der Sicherheitsverwaltung den zivilen Behörden zu übertragen. Sie hätten beispielsweise Einsparungspotential und Rationalisierungspotential, wenn in


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Wien diese Aufgaben, so wie es in den Bundesländern die Bezirkshauptmannschaften machen, die Magistrate übernehmen würden.

Ich meine auch, daß wir innerhalb der Sicherheitsexekutive Reformbedarf haben, indem wir die verschiedensten Exekutivkörper zusammenlegen. Ich weiß, Sie vertreten diesbezüglich noch eine andere Auffassung, noch einen anderen Zugang, weil Sie sich nicht in der Lage sehen, diese notwendige Reform tatsächlich durchzusetzen.

Herr Bundesminister! Es gibt Reformbedarf bei der Staatspolizei. Es gibt Reformbedarf im Ausbildungsbereich der Exekutive. Als Mandatar, der in Traiskirchen zu Hause ist, bin ich sehr froh darüber, daß wir endlich die Sicherheitsakademie bekommen. Sie ist sehr wichtig für die Exekutive, weil eine gemeinsame Offiziersausbildung notwendig und ein Gebot der Stunde ist. Es wird auch notwendig sein, dieser Offiziersausbildung, also dieser Akademie einen entsprechenden Stellenwert zu geben, nämlich den Status einer Fachhochschule. Herr Bundesminister! Ich erwarte das von Ihnen. Setzen Sie die notwendigen vorbereitenden Maßnahmen, damit die entsprechenden Ausbildungsprogramme auf die Erfordernisse des Fachhochschul-Studiengesetzes abgestimmt werden. Nehmen Sie sich, wenn Sie wollen, eine Anleihe bei der Militärakademie, die Gott sei Dank gemäß Entscheidung des Fachhochschulbeirates nun diese Ausbildung als Fachhochschullehrgang festgelegt hat. Ich glaube, die Militärakademie zu Wiener Neustadt kann da als Vorbild gelten, und es könnten diese Studienunterlagen auch für die Exekutive entsprechend adaptiert und verwendet werden.

Das, was mir im Zusammenhang mit der Sicherheitsakademie ganz besonders wichtig erscheint, ist die Entpolitisierung des Ausbildungsbereiches. Ich möchte jetzt schon vorweg sagen, daß ich mich ganz massiv gegen die Einrichtung der verschiedensten Beiräte, die hier geschaffen werden sollen, aussprechen werde. Herr Bundesminister! Sie haben genügend qualifizierte Polizeioffiziere, genügend qualifizierte Juristen in Ihrem Ministerium, die Sie bei der Ausübung der Dienstaufsicht gegenüber der Sicherheitsakademie beraten können. Ich gehe davon aus, daß Sie bei der Besetzung dieser sehr wichtigen Funktion den besten Ihnen zur Verfügung stehenden Offizier und Juristen nehmen werden. Daher ist es nicht notwendig, dem Leiter dieser "Sicherheitsakademie" einen Beirat zur Seite zu geben, der noch dazu aus den Vorgesetzten des Ministeriums zusammengesetzt ist. Das, glaube ich, ist ein falscher Ansatz. Es wird vielmehr notwendig sein, ganz klare Verantwortlichkeiten festzulegen und auch die Dienstaufsicht entsprechend effizient zu gestalten.

Herr Bundesminister! Lassen Sie mich im Rahmen dieser heutigen Debatte noch auf einen Punkt eingehen, nämlich auf die Frage der Aufstellung der Grenzgendarmerie. Es ist zunächst einmal sehr wichtig festzustellen, daß Österreich ab Dezember dieses Jahres Vollmitglied des Schengener Abkommens ist, daß dieses Schengener Abkommen nun in Kraft gesetzt wird und daß wir dann keine EU-Innengrenzen mehr haben. Dadurch können wir eine ganz wesentliche Freiheit und ein ganz wesentliches Prinzip der Europäischen Union realisieren, nämlich die Freizügigkeit im Personenverkehr. Natürlich wird aufgrund dessen seitens der Europäischen Union auch ein gewisser Druck ausgeübt und eine Erwartungshaltung zum Ausdruck gebracht, nämlich daß wir die EU-Außengrenzen wirksam absichern.

Diese Sicherung unserer Außengrenzen wäre schon längst fällig gewesen, Herr Minister, nämlich spätestens mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, spätestens mit den politischen Umwälzungen in unseren östlichen Nachbarländern. Das ist tatsächlich ein Versäumnis Ihrer Vorgänger, und ich erwarte von Ihnen, daß Sie zumindest mit mehr Fortüne an die Sache herangehen, da bis dato noch keine effektive und effiziente Grenzgendarmerie aufgebaut werden konnte. (Abg. Schwemlein: Übe dich im Blick in die Zukunft!) Da haben Sie Handlungsbedarf, Herr Bundesminister, da sind Maßnahmen notwendig.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich ganz entschieden dagegen aussprechen, daß der Assistenzeinsatz des Bundesheeres vielleicht für weitere zehn Jahre verlängert wird, so wie Sie es sich wünschen. Herr Bundesminister! Das ist dann kein Assistenzeinsatz mehr, damit wird die Grenzsicherung durch das Bundesheer, die gemeinsam mit der Exekutive ausgeübt wird,


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diese sicherheitspolizeiliche Aufgabe des Bundesheeres zu einer Kernaufgabe des Bundesheeres umfunktioniert, und das entspricht nicht unserer Verfassung.

Setzen Sie alle Maßnahmen im Sinne Ihrer Verantwortung für die sicherheitspolizeiliche Überwachung unserer Staatsgrenzen! Realisieren Sie all diese Maßnahmen rasch! Machen Sie Schluß in Ihrer Verantwortung als Mitglied der Bundesregierung mit einem verfassungsrechtlich bedenklichen Einsatz des Bundesheeres an der Staatsgrenze! – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.07

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich habe mit Interesse den Vorwurf des Kollegen Leikam an die Adresse der Kollegin Partik-Pablé verfolgt (Abg. Leikam: Entschuldige dich für diese Aktion!) ; er hat nämlich gesagt, sie hätte eine Rede gehalten, die wir schon einmal gehört hätten. (Abg. Schwemlein: Zweimal!) – Gut, zweimal.

Sie hat sich wenigstens in ihrer Rede – das möchte ich attestieren – mit jenen Themen beschäftigt, die ein Sicherheitssprecher hier im Hohen Haus abzuhandeln hat, nämlich mit den grundsätzlichen Fragen der inneren Sicherheit. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist aber sehr nett!)

Herr Kollege Leikam! Neun Zehntel der Rede des Sicherheitssprechers der SPÖ – ich sage es einmal so – haben vom Vereinsrecht gehandelt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Kiss! Heute applaudiere ich Ihnen!) Ich war einigermaßen erstaunt darüber. Noch dazu war es für mich ein verbaler Amoklauf, wie ich ihn vom Sicherheitssprecher der SPÖ nicht kenne. Ich glaube, wir haben in diesem Land andere Sorgen und andere Probleme! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

An die Adresse des Sicherheitssprechers der SPÖ: Die innere Sicherheit verdient es nicht, so abgelutscht, so abgenudelt zu werden. (Abg. Leikam: Das ist eine Propaganda! – Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.) Auch an die Adresse der SPÖ gerichtet sage ich: Die ÖVP steht für die Vereine in diesem Land, werte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der ÖVP.)

Die ÖVP sagt, daß Österreich seine Vereine braucht. (Abg. Gaál: Wir sagen das auch!) Wir sagen, daß Österreich reicher ist durch die Vereine. Sie wollen, daß Österreich ärmer wird. Das werden wir nicht zulassen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leikam: Das ist ein parteipolitischer Mißbrauch!)

Unsere Form, Bürgersolidarität zu interpretieren, unsere Auffassung, Bürgersolidarität täglich zu leben, liegt dort, wo wir sagen: Wo Menschen für andere da sind, wo Menschen bereit sind, mehr zu geben, dort haben sie uns an ihrer Seite. Dafür tritt die ÖVP ein! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leikam: Unanständig ist das! Unanständig ist das, was Sie tun!)

Wer im eigenen Auge einen Splitter hat, sollte nicht am Balken im Auge eines anderen rütteln. Kollege Leikam! Balken, wie Sie sie derzeit haben, verdienen ein scharfes Kontra. (Abg. Leikam: Das ist parteipolitischer Mißbrauch! – Abg. Gaál: Halten Sie sich zurück!) Nein, das ist nichts Parteipolitisches und schon gar nichts Polemisches, das ist etwas Faktisches. Das ist Realität. Das verdienen sich unsere Vereine, das verdienen sich Zehntausende Menschen – Frauen und Männer – in Österreich! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leikam: Das ist ein parteipolitischer Mißbrauch! Das ist eine unanständige Aktion! Das ist parteipolitischer Mißbrauch!)

Ich habe jetzt noch kein einziges Wort über den Herrn Innenminister gesagt, sondern ich habe ausschließlich eine Gewichtung, eine Wertung über den Sicherheitssprecher der SPÖ, Kollegen Leikam, abgegeben. (Abg. Leikam: Das ist eine Unwahrheit! Sie mißbrauchen die Parteipolitik!)


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Ich komme jetzt zu dem, was meine Aufgabe und meine innere Überzeugung ist: die innere Sicherheit. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Leikam. ) Ich stehe zu dem, was mit diesem Budget vorgelegt wird. Wir haben für die innere Sicherheit im Budget 1998 mehr Geld, nur der Bereich des Unterrichts hat auch ein Mehr in diesem Budget.

Wir haben mehr Dienstposten, und dieses Mehr kann sich mit einem Plus von 7,9 Prozent gegenüber 1997 durchaus sehen lassen. Die Relation zwischen Personalaufwand und Sachaufwand zeigt, daß wir den richtigen Weg gehen, Herr Bundesminister! Noch nie hatten wir einen niedrigeren Personalaufwand bei einem Voranschlag – es sind 69 Prozent –, und noch nie war der Sachaufwand höher – es sind 31 Prozent! Für diese Linie haben Sie die Unterstützung der ÖVP! Das ist der Budgetkurs, den wir mittragen! (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Moser hat in seiner Rede einiges gesagt, womit wir uns nicht identifizieren – ich habe es auch schon erwähnt. Selbstverständlich hat uns der Innenminister an seiner Seite, wenn er eine langjährige Forderung, die die ÖVP propagiert, zu seiner Forderung erhebt, wenn es darum geht, den Assistenzeinsatz des Bundesheeres zu verlängern. (Abg. Hans Helmut Moser: Das ist eine schleichende Änderung der Bundesverfassung!) Es ist die personell vernünftigste, die kostensparendste Variante, und die Burgenländerinnen und Burgenländer, die in den Genuß dieses Assistenzeinsatzes kommen, wissen, daß es sich lohnt, die Soldaten an unserer Grenze zu haben. Daher sage ich ein Nein zu den Überlegungen des Liberalen Forums! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. )

Eine kleine Korrektur, Kollege Moser – ich möchte mich jetzt in keiner Weise beckmesserisch äußern –: Wir wissen, daß erst mit 1. Dezember die Flughafenkontrolle in Schwechat in Kraft tritt und wir den Schengener Informationssystem-Computer anzapfen. Erst mit 1. April nächsten Jahres haben wir dann die Binnengrenzen verwirklicht, fallen die Grenzkontrollen im personellen Bereich zwischen Deutschland und Österreich, zwischen Italien und Österreich, aber nicht mit 1. Dezember. Und hinsichtlich der Problematik Schengen, hinsichtlich der Problematik der EU-Außengrenzensicherung habe ich einige Fragen an den Herrn Innenminister, Fragen, die auf der Hand liegen, Fragen, die die österreichische innere Sicherheit in hohem Maße tangieren.

Herr Bundesminister! Wie steht es um den Aufbau des Grenzdienstes: personell und ausstattungsmäßig? Sind wir im Plan? Ist es so, daß all das, was die Schengen-Standards an Vorgabe haben, auch wirklich umgesetzt wird?

Herr Bundesminister! Wie schaut es mit den Vorkehrungen für die Schleierfahndung aus? Sind wir im Plan, geht alles den richtigen Weg?

Eine weitere Frage: Haben Sie, Herr Bundesminister, zum Schutz der "blauen" Grenze Vorkehrungen getroffen? – Wir glauben, daß unsere "blaue" Grenze nach wie vor löchrig wie der sogenannte Schweizer Emmentaler ist.

Wie schaut es mit der schon lange versprochenen Schaffung von Schubhafträumlichkeiten aus, Herr Innenminister? – Da muß noch einiges geschehen. Diese Schubhafträumlichkeiten und den Mangel an Räumlichkeiten nehme ich zum Anlaß, auf etwas hinzuweisen, was auch im Rahmen dieser Spezialdebatte zum Kapitel Innere Sicherheit gesagt werden muß.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister, Sie wissen, daß Sie ein Abkommen mit Ungarn, mit Ihrem Kollegen Gábor Kuncze ratifiziert haben. Dieses Abkommen hat der österreichische Nationalrat bis dato noch nicht gesehen. Wir haben es nicht im Innenausschuß und damit natürlich auch noch nicht im Plenum gehabt.

Das Erstaunliche an dieser Situation, die ich jetzt kurz skizziere, ist (Abg. Schwemlein: Steht auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung!) eine für mich nicht nachvollziehbare Volte des burgenländischen Landeshauptmannes Stix. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. ) Er sagt, die Ungarn seien schuld daran, daß dieses Abkommen nicht ratifiziert worden sei, was natürlich willfährig vom SPÖ-Klubobmann des Burgenlandes bestätigt wurde, der sofort, wenn Stix etwas sagt, mit dem Weihrauchkessel wedelt. (Abg. Schwemlein: Was dir völlig fremd ist!)


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Es wurde in die Richtung assistiert, daß er der Bevölkerung des Burgenlandes völlig falsche Informationen gibt, die den Tatsachen widersprechen.

Wahr ist, daß dieses Schubabkommen bis dato nicht in den Nationalrat gekommen ist, daß dieses Schubabkommen noch nicht im Innenausschuß behandelt wurde, daß dieses Schubabkommen, da noch keine Diskussion und keine Beschlußfassung im Innenausschuß, noch nicht ans Plenum weitergeleitet wurde.

Ich habe eine Beobachtung gemacht, die ich kaum fassen konnte, die aber stimmt: Herr Bundesminister! Ein Beamter Ihres Innenministeriums hat auf kritische Fragen seitens Reportern – zum Beispiel auf die Frage: Warum ist dieses Schubabkommen noch nicht im Parlament behandelt worden? – eine rotzfreche Antwort von sich gegeben, die natürlich nicht stehengelassen werden kann. (Abg. Leikam: Um Gottes willen!)

Ein Beamter des Innenministeriums sagte, das Parlament habe wichtigere Dinge zu tun, als ein Schubabkommen zu ratifizieren. – Herr Bundesminister! Es steht einem Beamten des Innenministeriums nicht zu, unqualifizierte Aussagen in dieser Art und Weise zu tätigen. (Abg. Leikam: Der Kiss hat "Stil": Beamtenbeschimpfung!)

Zweitens steht es ihm auch deswegen nicht zu, weil er damit die Schuld ungarischen Freunden, die dafür nachweislich nichts können, zuschiebt. – Das ungarische Parlament hat schon ratifiziert.

Drittens – das möchte ich als Abgeordneter sagen; ich glaube, ich sage es auch im Namen meiner Kollegen –: Ich lasse mich nicht von einem Beamten des Innenministeriums abqualifizieren, der mir dann unterstellt, ich wüßte schon, was besser ist. Wir behandeln jene Materien, die entsprechend eingebracht werden, sorgsam, und wir prüfen und entscheiden nach bestem Wissen und Gewissen! (Beifall bei der ÖVP.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluß: Wofür steht die ÖVP? – Ich habe es oft genug gesagt, ich wiederhole es hier noch einmal. (Abg. Schwemlein: Das fragen wir uns auch! Das ist eine schwierige Frage!) Die ÖVP steht für einen starken Staat. Wir stehen für den starken Staat deswegen, weil wir wissen, daß erst der starke Staat Recht, Ordnung und Sicherheit der Bürger, auf die unsere Bürger ein Anrecht haben, auf Dauer und, wie ich glaube, in einer vorbildlichen Art und Weise garantiert. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leikam: Recht und Ordnung! Unwahrheiten verbreiten Sie in diesem Staat!)

Wir stehen für den starken Staat, auch wenn es die SPÖ nicht hören will, weil wir uns als Motor der Regierung mit dem identifizieren, was die Bundesregierung an Beschlüssen zum Kapitel Innere Sicherheit gefaßt hat. Wir sind für Härte und Konsequenz gegen Verbrecher, gegen Kriminelle, wir sind für volles Verständnis und für Hilfe für die Opfer. – Das sage ich deshalb, damit nicht umgekehrt argumentiert werden kann, wie es in diesem Land mittlerweile modern geworden ist. (Abg. Schwemlein: Rentner, Witwen und Waisen!)

Sicherheit für Österreich, Sicherheit für unsere Bürger – das ist die Linie, die wir vertreten, dafür kämpfen wir, dafür machen wir Politik! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Amen!)

18.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte. (Abg. Schwemlein: Bitte, Terezija, laß du den Lehrerfinger unten!)

18.17

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dobar ve#er, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Wofür stehen die Grünen? (Abg. Dr. Khol: Gute Frage! – Abg. Schwarzenberger: Für Betriebe verhindern, für Arbeitsplätze verhindern! – Heftige Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Die Grünen stehen für einen starken Rechtsstaat, die Grünen stehen für die Beachtung von Bürger- und Menschenrechten in diesem Land, die Grünen stehen dafür, daß sich Österreich


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aufgrund seiner Politik nicht international isoliert, sondern daß Österreich international einen Platz bekommt (Abg. Dr. Khol: Friede! Für Frieden steht ihr!), der der Beachtung dieser Grundsätze, nämlich ein starker Rechtsstaat zu sein, gerecht wird. (Abg. Dr. Khol: Welche Grünen meint ihr: die Chorherr-Grünen, die Wabl-Grünen, die Van der Bellen-Grünen, die Anschober-Grünen oder die Öllinger-Grünen?) Österreich steht dafür – und die Grünen stehen in erster Linie dafür und fordern es ein –, daß die Europäische Menschenrechtskonvention beachtet wird, daß schlicht und einfach die österreichische Bundesverfassung beachtet wird, in der Prinzipien wie diese festgelegt sind, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Khol: Jeder Grüne ist eine Fraktion!)

Die Grünen stehen dafür, daß die Tradition in Österreich gewahrt wird (Abg. Dr. Khol: Man muß jeden Grünen fragen, wofür er steht! Jeder Grüne steht für etwas anderes! Die einen stehen für Gewaltfreiheit, die anderen für Frieden!), die eine gute Tradition ist, die uns international einen Ruf eingebracht hat, von dem wir, wenn wir reisen – sofern das auch Mandatare der ÖVP tun –, international noch immer profitieren; bedingt vor allem durch die kluge und differenzierte Außenpolitik eines Bruno Kreisky, aber auch bedingt durch eine Asylpraxis in Österreich. Wir haben ausnahmsweise aus der Geschichte gelernt, zum Teil aus der Geschichte unserer eigenen Vergangenheit während der NS-Zeit. Und das ist nicht unwesentlich mit Politikerpersönlichkeiten wie etwa Bruno Kreisky verbunden, der selbst ein Flüchtlingsschicksal erdulden mußte.

Dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, steht Österreich: für einen starken Rechtsstaat! Und der Rechtsstaat sollte es sein, der vor allem bei einer Debatte über Sicherheit und innenpolitische Sicherheitsaspekte im Mittelpunkt steht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist ein sicheres Land! Österreich ist ein Land, in dem ich gerne lebe, und zwar nicht nur gerne, sondern sehr gerne. Es gibt keinen Platz auf der Welt, an dem ich lieber leben möchte als in Österreich. Es gibt keine Großstadt auf der Welt, in der ich mich lieber bewege als in Wien. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

Es gibt keine vergleichbare Großstadt – Wien ist die einzige Großstadt Österreichs –, in der man sich als Frau in der Nacht bewegen kann und in der die Gefahr, von einem betrunkenen Autofahrer niedergefahren oder verletzt zu werden, wesentlich größer ist, als Opfer eines Verbrechens zu werden. Deshalb lebe ich gerne hier, und deshalb verurteile ich aufs schärfste, daß österreichische Politikerinnen und Politiker, die in dieser Hinsicht gänzlich verantwortungslos sind, durch Panikmache – das kommt in erster Linie vom rechten politischen Rand in Österreich – verunsichern. (Beifall der Abg. Dr. Karlsson. )

Wenn wir von Sicherheit sprechen, sollten wir in erster Linie davon sprechen, was Sicherheit bedeutet. Herr Bundesminister! Ich möchte heute in der Budgetdebatte nicht das wiederholen, was ich erst vor ein paar Wochen in der Debatte zum Sicherheitsbericht 1995 gesagt habe. Sie haben mir damals zugehört und auch immer wieder – soweit ich das aus dem Blickwinkel gesehen habe –, zustimmend genickt, als es um dieses subjektive Sicherheitsgefühl ging; und das ist ein wesentlicher Teil.

Ich bin überzeugt davon – ich meine es nicht nur, sondern bin überzeugt davon –, daß politische Parteien die Verpflichtung haben, positiv und beruhigend auf die Bevölkerung zu wirken, wenn es um Sicherheit geht, und nicht das Gegenteil zu tun! Panikmache und Hetze ist das, was wir in einem solch sicheren Land wie Österreich nicht brauchen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Faktum ist, daß in Österreich – das ist jetzt kein Lob dem Bundesminister Schlögl gegenüber, sondern das sind Fakten, die ich dem Sicherheitsbericht entnehme, vor allem dem neuen Sicherheitsbericht, der vorgelegt wurde – die Kriminalität, insgesamt betrachtet, sinkt und die Aufklärungsquote steigt. In einem Land, in dem die Kriminalitätsrate zurückgeht und die Aufklärungsquoten steigen, ist es meine Verpflichtung – ich meine, ich habe sie –, zu sagen, daß die österreichische Polizei gut arbeitet und gut gearbeitet hat und daß ich allen österreichischen Polizistinnen und Polizisten und all jenen, die einen Beitrag dazu leisten, herzlich dafür danke. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)


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Ich möchte nicht in den Chor derer einstimmen, die – wir haben es bei einer Erstrednerin in dieser Debatte heute erlebt – immer wieder mit denselben Platitüden und denselben Vorwürfen agieren. Das nutzt sich ab, aber was soll man machen, jeder Abgeordnete hat das Recht, auch 27mal etwas zu wiederholen und die Bevölkerung in absolut unzulässiger Weise zu verunsichern.

Herr Minister! Ich möchte jetzt nicht schon das vorwegnehmen, was ich zum Sicherheitsbericht 1996 sagen werde – er wird auch noch vor Weihnachten im Nationalrat debattiert –, aber eines möchte ich schon sagen, vor allem meine geschätzten Damen und Herren von der ÖVP: Wissen Sie, daß im vergangenen Jahr in Österreich 1 027 Menschen einem Sicherheitsproblem zum Opfer gefallen sind, nämlich dem größten Sicherheitsproblem, das wir in Österreich haben? – Das größte Sicherheitsproblem in Österreich ist der Straßenverkehr! Die größte "Waffe", die in Österreich ein Mann und manchmal auch eine Frau in der Hand haben kann, ist ein Automobil. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie halten die Rede von Anschober!) Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, macht mir wirklich Angst.

Es macht mir Angst, daß bei 7,3 Prozent der Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang Alkohol im Spiel war und bei der weit größten Zahl der schweren Verkehrsunfälle, vor allem der Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang, überhöhte Geschwindigkeit die Ursache dafür war, daß Menschen sterben mußten, und daß es in Österreich im abgelaufenen Jahr 49 673 Verletzte im Straßenverkehr gegeben hat. Das muß man sich einmal vor Augen halten: Fast 50 000 Menschen fallen der "Waffe" Automobil zum Opfer! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum reden Sie nicht über die Drogenkriminalität?)

Herr Bundesminister! Da orte ich tatsächlich, um es politisch "neusprachlich" zu sagen, Handlungsbedarf. Ich orte tatsächlich Handlungsbedarf, wenn es darum geht, das größte Sicherheitsproblem in Österreich zu lösen. Ich ersuche und bitte Sie: Machen Sie etwas, um die Menschenleben nicht weiter zu gefährden und um Menschenleben zu retten! Ein Beitrag könnte sein, daß wir endlich die 0,5-Promille-Grenze einführen. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist nicht die Lösung allein, aber das könnte ein Beitrag sein, um Menschenleben zu retten. – Das paßt natürlich nicht ins populistische Schachterl des Sicherheitsproblems und der Kriminalität, stellt aber tatsächlich ein wesentliches Problem dar. Das ist es, was mir bei einer Debatte rund ums Budget Kopfzerbrechen bereitet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin nicht nur Justizsprecherin und Minderheitensprecherin, sondern auch Migrationssprecherin der Grünen. Der Herr Bundesminister ist nicht nur für den Straßenverkehr, die Aufklärungsquoten und den Grenzschutz verantwortlich, sondern auch für die Integrations-, sprich Migrationspolitik in Österreich.

Herr Bundesminister Schlögl! Daß das, was Sie im Zusammenhang mit der neuen Quotenverordnung planen, nicht meine Zustimmung findet, wird Sie nicht überraschen. Ich halte das schlicht und einfach für einen falschen Ansatz. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das verunsichert ihn aber sehr!) Wir haben schon viele Diskussionen darüber geführt, auch hier.

Ich möchte meine Ausführungen nicht unnötig in die Länge ziehen, denn es wird noch viele Anlässe geben, um diese Diskussion zu führen. Aber, Herr Bundesminister, über die Quotenverordnung entscheidet nicht das Plenum des Nationalrates, darüber entscheidet nur der Hauptausschuß – das ist nur ein kleiner Teil. Ihr Quotenentwurf wird demnächst den Hauptausschuß passieren. Und so, wie das Verhalten in den letzten Jahren war, ist bis jetzt vom Parlament noch nie Courage gezeigt worden, um wesentliche Änderungen vorzunehmen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Frau Abgeordnete! Wir haben immer Courage gezeigt!) Darum kann ich nur meinen Appell an Sie richten, jene Bedenken, die in der Begutachtung vorgebracht wurden, ernst zu nehmen – Bedenken nicht von den Grünen, sondern von den Organisationen und Institutionen, die mit diesem Problem tagtäglich konfrontiert sind, nämlich mit dem Problem mangelnder Integrationsmöglichkeiten und -schritte, mit dem Problem des manchmal auch vorkommenden Fehlverhaltens von Behörden.


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Jetzt komme ich auf die aktuellen Anlaßfälle der letzten Woche zu sprechen, ich komme vor allem auch deshalb darauf, weil ich dieser Tage in der APA eine Stellungnahme der Österreichischen Bischofskonferenz zu den Schwachstellen im österreichischen Fremdenrecht gefunden habe. Es hat mich nicht besonders überrascht, daß sich die Österreichische Bischofskonferenz dazu äußert; sie hat das in der Vergangenheit schon öfter getan. Was mich aber überrascht hat, waren die klaren und präzisen Worte, die die Österreichische Bischofskonferenz, nämlich Bischof Weber als ihr Sprecher, dazu gefunden hat. Der Anlaßfall war die Situation der indischen Flüchtlinge auf dem Flughafen Schwechat, wie sie in den Medien dargestellt wurde. Die Österreichische Bischofskonferenz spricht wörtlich von einem "eklatanten Defizit im menschlichen Umgang mit Flüchtlingen". (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sollen wir alle aufnehmen ...?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erlaube mir zu ergänzen: Es ist nicht nur ein eklatantes Defizit im menschlichen Umgang mit Flüchtlingen in Österreich vorhanden, sondern es ist vor allem ein eklatantes Defizit auf gesetzlicher Basis für menschlichen Umgang mit Flüchtlingen vorhanden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum verunsichern Sie, Frau Stoisits? Warum verunsichern Sie?) Dieser Polizeidirektor aus Schwechat – ich habe das Interview in der "Zeit im Bild" gehört – hat gesagt – ich drücke es in meinen Worten aus –: Ich verstehe die Aufregung nicht. Das ist immer so. Warum regt man sich darüber auf, daß man Menschen über Wochen im Transitbereich – im wahrsten Sinn des Wortes – verkommen läßt?! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Weil sie illegal da waren!) Das ist alles gesetzlich völlig gedeckt!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was Herrn Bischof Weber und die Bischofskonferenz dazu bewogen hat, Stellung zu nehmen, ist nicht nur dieses als singuläres Ereignis berichtete menschliche Drama auf dem Flughafen. Es ist kein singuläres Ereignis, es kommt öfter vor, aber es ist singulär berichtet worden. Die Medien haben über diese Gruppe berichtet, viele andere sind bisher nicht in den Medien erwähnt worden.

Die Bischöfe sagen: Ihre schon öfter geäußerten Bedenken zum neuen Asylrecht erscheinen im Licht der jüngsten Berichte in einer neuen Dringlichkeit. – Herr Bundesminister! Ich bitte Sie, das zu beachten.

Ich als "kleine" grüne Abgeordnete, die ich zwar hier sitze und Stimme habe, aber in der Regel in diesen Fragen immer niedergestimmt worden bin (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber Sie verun-sichern ganz schön!), bitte Sie, die Worte des "großen" Sprechers der Österreichischen Bischofskonferenz Weber ernst zu nehmen. Er bittet Sie konkret, vor allem in drei Punkten Überlegungen anzustellen, was uns ab 1. Jänner 1998 erwartet. Das, was sich jetzt in Schwechat abgespielt hat, wird uns ab 1. Jänner 1998 an jeder österreichischen Staatsgrenze blühen, an den sogenannten EU-Außengrenzen – in Nickelsdorf, in Klingenbach, in Deutschkreutz, um jetzt nur drei zu nennen, die in meinem Bundesland sind. (Abg. Wabl: Spielfeld! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Thörl-Maglern) Spielfeld, Eibiswald-Radlpaß.

Meine Damen und Herren! Es wird ab 1. Jänner 1998 nicht in einem Transitbereich des Flug-hafens spazierende Flüchtlinge geben, sondern dann werden Menschen im wahrsten Sinn des Wortes im freien Feld des Niemandslandes kampieren – was heißt kampieren, sie können gar nicht kampieren, sie können sich im Freien aufhalten –, weil das österreichische, ab 1. Jänner 1998 in Kraft tretende Asylgesetz gar keine anderen Möglichkeiten vorsieht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was würden Sie vorschlagen?)

Herr Bundesminister! Ich hoffe, daß Ihnen das, was in den letzten Tagen im Zusammenhang mit dem Flughafen Schwechat berichtet wurde, zu denken gibt und daß Sie auf diese Situation vorbereitet sind. Ich habe Sie – nicht nur ich, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion und auch andere – hier im Parlament bei der Beschlußfassung davor gewarnt, und ich fühle mich durch die Intervention des Bischofs Weber nicht nur bestätigt, sondern neuerlich aufgefordert, das zu tun.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist tatsächlich ein ernstes Problem, wie wir mit Flüchtlingen, wie wir mit Menschen, die bei uns Hilfe suchen, umgehen, weil es nicht nur ein inner-österreichisches Problem ist, sondern ein Prüfstein dafür ist, wie auch die Außensicht auf uns


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ist. Der Maßstab für Demokratie ist allemal – in jeder demokratischen Gesellschaft – der Umgang mit Minderheiten, der Umgang mit Menschen, die schwächer sind. Wir können uns diesen Maßstäben nicht verschließen.

Herr Bundesminister! Ich hoffe, daß Sie für den 1. Jänner 1998 gewappnet sind. Ich bin es insofern, als ich meinen Beitrag, wenn es darum geht, menschliches Leid an der Grenze zu lindern, zu leisten versuchen werde. Aber Sie könnten mich sozusagen vor dieser auch für mich persönlich prekären Situation bewahren, indem Sie jetzt noch Handlungen setzen, um uns alle davor zu bewahren. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind die größte Verunsicherung, die es gibt, Frau Stoisits!)

18.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich Herr Bundesminister Mag. Schlögl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

18.33

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Herzlichen Dank für die bisherigen Ausführungen; sie sind sehr unterschiedlich und sehr kontroversiell gewesen. Ich erlaube mir, auf diese Fragen, Meinungen und auf die Kritik sehr offen einzugehen und von meiner Sicht der Dinge her Antwort zu geben.

Das erste, wofür ich mich bedanken möchte, ist, daß von allen Rednerinnen und Redner klargestellt wurde, daß das Budget 1998 eines ist, das im Bereich der inneren Sicherheit, im Innenressort deutliche Verbesserungen gegenüber der Vergangenheit bringt. Wir haben im nächsten Jahr nahezu 1,6 Milliarden Schilling mehr zur Verfügung als im vergangenen Jahr, und in der Budgetvorschau für 1999 sind noch einmal um rund 500 Millionen Schilling mehr vorgesehen, und das ist ein sehr positives Signal, ein sehr positives Zeichen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte auch auf die Kritik eingehen, die vor allem von Frau Abgeordneter Partik-Pablé gekommen ist, nämlich daß wir im nächsten Jahr Einsparungen durchführen werden. In geringem Maße stimmt diese Kritik, andererseits werden wir in verschiedenen Bereichen eine deutliche Personalvermehrung haben. Ich könnte jetzt, Frau Abgeordnete, argumentieren, daß wir uns die Zahlen aus dem Jahre 1988 ansehen sollten. Damals hatten wir insgesamt 29 798 Planstellen, am Ende des Jahres 1998 werden wir fast 34 000 Planstellen haben. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Wenn ich so argumentiere, dann habe ich sicher recht. Andererseits muß ich Ihnen natürlich auch beipflichten, daß die Jahre 1996 und 1997 für die österreichische Exekutive schmerzlich gewesen sind, weil wir in beiden Jahren je 500 Planstellen einsparen mußten. Ich war in der Situation, daß ich als neuer Innenminister im Jahre 1997 diese Einsparungen zum Teil exekutieren mußte. Darum bin ich froh darüber, daß die Einsparungen für das Jahr 1998 nur äußerst gering sein werden und durch die Aufstockung im Grenzgendarmeriebereich, aber auch durch die Aufstockung in anderen Bereichen zumindest von der Zahl her, von der Quantität her wettgemacht werden.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat kritisiert, daß – meiner Meinung nach zum Teil richtigerweise – entgegnet worden ist, daß die Kriminalitätsrate im internationalen Vergleich nicht befriedigend ist. Ich glaube, daß wir uns im internationalen Vergleich gesehen in bezug auf die Kriminalitätsrate ohne Zweifel sehen lassen können, daß wir sehr stolz sein können. Wir sind das einzige Land Europas, das in den vergangenen Jahren eine stetig sinkende Kriminalitätsrate und eine stetig steigende Aufklärungsquote hatte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie dem Liberalen Forum. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das sind Statistiken!) – Auch wenn Sie meinen, daß das Statistik ist, so zeigt es doch sehr deutlich, daß wir in diesem Bereich deutliche Fortschritte machen.

Ich bin froh darüber, daß ich nicht Innenminister eines anderen europäischen Staates, beispielsweise Frankreichs, Spaniens oder Deutschlands, bin, wo es viel größere sicherheitspolitische Probleme gibt, als es bei uns der Fall ist.


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Der Vergleich mit New York ist nur zum Teil richtig, Frau Abgeordnete. Natürlich stimmt es, daß ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da habe ich Ihnen schon den Artikel gegeben letztes Mal! Haben Sie ihn schon gelesen?) – Sie haben ihn mir schon gegeben, und ich habe ihn selbstverständlich auch gelesen. Alles, was ich von Ihnen bekomme, studiere ich sehr ausführlich, weil es falsch wäre, all das, was von Frau Abgeordneter Partik-Pablé kommt, als unrichtig einzustufen, weil manches auch sehr ernst zu nehmen ist.

Es stimmt auch, daß man in bezug auf New York eine deutliche Verbesserung der sicherheitspolitischen Situation feststellen kann. Aber – da hat Herr Abgeordneter Schwemlein schon recht – man muß festhalten, von welchem Niveau aus gemessen diese Kriminalitätsrate und die Zahl der Morde gesunken sind, zum Teil auch, mit welchen Methoden vorgegangen wurde, Frau Abgeordnete. Ich hoffe, daß ich als Innenminister nie in die Situation komme, polizeiliche Übergriffe in dem Ausmaß rechtfertigen oder dagegen vorgehen zu müssen, wie das die Polizeiverantwortlichen in New York in den letzten Monaten tun mußten. Ich glaube, wir alle wollen das nicht. (Abg. Dr. Fekter: Das ist aber nicht wirklich belegt, daß das so ist! Nein, nein, nein!) Die Berichte über die polizeilichen Übergriffe, die manchmal in New York stattfinden, muß man auch ernst nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber die Strategien ...!)

Frau Abgeordnete! Ich darf Ihnen meine Strategie darlegen, wie ich glaube, wie man gegen Verbrechen, gegen Kriminalität vorgehen soll. Ich glaube, man müßte drei Hauptsäulen haben.

Erstens: Aufgabe jeder Sicherheitsexekutive, jedes politisch Verantwortlichen ist es, mit aller Härte, mit aller Strenge gegen Kriminalität vorzugehen.

Zweite Säule, zweite Aufgabe ist es, daß man aber auch mit aller Härte gegen die Wurzeln der Kriminalität vorgeht. Wenn es nicht gelingt, gegen die Wurzeln der Kriminalität, nämlich soziale Unsicherheit, wirtschaftliches Desaster, Arbeitslosigkeit und ähnliche Phänomene in der Gesellschaft, vorzugehen, dann wird Kriminalität gefördert, und man wird Kriminalität wuchern lassen, und dagegen muß man deutlich auftreten! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nicht zufällig so, daß es in Frankreich, vor allem rund um die großen Ballungszentren in Frankreich, große sicherheitspolitische Probleme gibt. Gründe dafür sind, daß es dort viel Zuwanderung gegeben hat, eine hohe Arbeitslosigkeit gibt, vor allem Jugendarbeitslosigkeit, die weit über 50 Prozent beträgt. Das ist nach wie vor der Nährboden der Kriminalität. Dagegen müssen wir vorgehen.

Drittens: Was für mich genauso wichtig ist – um auf die Anregungen der Frau Abgeordneten Stoisits zu sprechen zu kommen –: Die österreichische Exekutive hat auch die Aufgabe, alles zu tun, um präventiv, um vorbeugend zu wirken, um Kriminalität an den Wurzeln zu ersticken. Da haben wir in manchen Bereichen sehr große Erfolge, in manchen Bereichen müssen wir noch besser werden, als das bisher der Fall ist.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat gemeint: Es mag sein, daß die Kriminalitätsrate gleich bleibt oder vielleicht leicht sinkt, aber jedenfalls haben wir in manchen Bereichen Sorgen und Probleme, die allzuoft gerne unter den Tisch gekehrt werden oder denen wir nicht die entsprechende Bedeutung beimessen. Frau Abgeordneter! Ich meine, daß wir in drei Bereichen große Probleme haben, daß wir in drei Bereichen der Kriminalität in Österreich Sorgen für die Zukunft haben müssen, und ich glaube, daß es notwendig sein wird, gemeinsam dagegen zu handeln.

Der erste Bereich, der von Ihnen richtigerweise angeführt worden ist, ist die organisierte Kriminalität. Das, was sich im zweiten Bezirk vor einigen ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das glauben aber Ihre Leute noch nicht!) – Ich glaube schon, daß auch bei "meinen" Leuten, wenn ich das so ausdrücken darf, diesbezüglich ein großes Problembewußtsein besteht.

Das, was im zweiten Bezirk passiert ist, ist nur ein Zeichen dafür, was in den nächsten Monaten, in den nächsten Jahren unter Umständen auf uns zukommen kann. Darum ist es so notwendig und wichtig, daß wir mit den besten Fahndungsmethoden, mit der besten internationalen Zusammenarbeit, aber auch mit der besten technischen Ausstattung und mit den besten per


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sönlichen und personellen Ressourcen versuchen, gegen die internationale, gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen.

Österreich ist in vielen Bereichen noch ein "Ruheland", ein "Ruheraum" der organisierten Kriminalität. Wir sind aber in immer stärker werdendem Maße ein Land, das von aus dem Osten Europas kommender organisierter Kriminalität überlappt wird, und wir haben die Aufgabe, sehr vehement dagegen vorzugehen. Wir sind erst am Beginn einer wirkungsvollen Strategie gegen die organisierte Kriminalität.

Und zur Drogenkriminalität. Sie haben völlig recht: Das ist ein Problembereich, den wir einfach nicht im Griff haben. Ich gebe hier sehr offen zu, daß der Bereich der Drogenkriminalität für die österreichische Exekutive sehr schwierig ist. Aber machen wir nicht den Fehler, das ausschließlich auf die österreichische Exekutive abzuladen! Die österreichische Exekutive kann das nicht allein lösen! Das ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, bei der alle Bereiche unserer Gesellschaft gefordert sind! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Um Ihnen nur ein Beispiel zu bringen: Zwei Drittel aller weiblichen jugendlichen Drogenabhängigen sind Mädchen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexuell mißbraucht wurden. Allein diese Zahlen beweisen schon den engen Zusammenhang und zeigen, daß das nicht eine Aufgabe allein der österreichischen Exekutive sein kann, sondern daß sehr viele Schritte gesetzt werden müssen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sozialistische Erziehungspolitik! – Widerspruch bei der SPÖ.) Das wäre zu vereinfachend, wenn man es darauf reduzieren würde, Frau Abgeordnete! Ich kann Ihnen genügend Beispiele dafür nennen, daß es sehr viele Drogenabhängige gibt, die in keiner Weise irgend etwas mit sozialistischen Familien zu tun haben. Ich hoffe für alle, daß wir persönlich nicht in eine solche Situation kommen. (Abg. Dietachmayr: Schämen Sie sich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Abgeordnete! Sie hätten vielleicht recht, wenn das ausschließlich ein österreichisches Problem wäre. Aber schauen Sie sich um: Die Drogenkriminalität, die Drogenabhängigkeit ist kein österreichisches, sondern ein internationales Problem und tritt genauso in jenen Ländern auf, in denen es seit vielen Jahren und vielen Jahrzehnten konservative Regierungen gibt. Darum wäre es falsch, es auf das zu reduzieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Selbstverständlich hat die österreichische Exekutive in den letzten Jahren deutliche Fahndungserfolge erzielt. Die Zahlen sprechen dafür. Je höher die Zahl der Anzeigen ist, desto mehr ist das ein Beweis dafür, daß die österreichische Exekutive tätig ist. Nur: Mit dem Anzeigen, dem Verhaften und dem Verurteilen eines Drogenabhängigen und eines Drogenkriminellen haben wir das Problem noch nicht gelöst; dessen müssen wir uns bewußt sein. Wir müssen die gesellschaftlichen und die gesellschaftspolitischen Ursachen und Wurzeln bekämpfen, und dabei kann die Exekutive nur ein kleiner Bestandteil sein.

Der dritte Bereich, der mir große Sorgen macht, ist der Bereich der Gewalt in der Familie und der sexuellen Ausbeutung von Unmündigen, von Minderjährigen, von Kindern und von Jugendlichen. In diesem Bereich haben wir eine enorm hohe Dunkelziffer. Es gibt Untersuchungen aus Deutschland, die meiner Meinung nach auf Österreich übertragbar sind, die besagen, daß jedes vierte Mädchen und jeder zehnte Junge in seiner Kindheit oder in seiner Jugend in der einen oder anderen Form sexuell mißbraucht worden ist. Das sind Zahlen, die uns einfach zum Nachdenken anregen müssen. Wir müssen gemeinsam alle Maßnahmen setzen, um gegen sexuellen Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen vorzugehen.

Frau Abgeordnete! Die polizeiliche Kriminalstatistik aus dem Jahre 1997, der Dreivierteljahresbericht, also Jänner bis September 1997, zeigt, daß wir betreffend Beischlaf und Unzucht mit Unmündigen nach §§ 206 und 207 eine enorm gestiegene Zahl der bekanntgewordenen Fälle haben. Hatten wir von Jänner bis September 1995 noch 498, so waren es von Jänner bis September 1996 schon 673 und von Jänner bis September 1997 bereits 1 039. Das bedeutet innerhalb von zwei Jahren fast eine Verdreifachung allein der Zahl der bekanntgewordenen


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Fällen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Schwemlein: Das ist aber positiv, weil die Leute sich trauen!)

Das ist einerseits positiv, weil dadurch die Dunkelziffer ein wenig geringer wird, aber trotzdem muß uns bewußt sein, daß das auch ein Zeichen dafür ist, daß es nach wie vor noch eine enorm große Dunkelziffer gibt.

Sosehr ich mich zur Familie bekenne und sosehr ich glaube, daß die Familie in sehr vielen Fällen ein Ort der Idylle, der Zuflucht und der Besinnung ist, so sehr ist allerdings auch allzuoft die Familie ein Ort der Gewalt, der Brutalität und der Auseinandersetzung. Diesbezüglich müssen wir gemeinsam tätig werden. Ich bin sehr glücklich darüber, daß die österreichische Exekutive seit 1. Mai die gesetzliche Möglichkeit, gegen Gewalttäter in der Familie vorzugehen, und das Wegweiserecht hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

Ein anderes Thema, zu dem ich noch ganz kurz Stellung nehmen möchte, ist das Vereinsrecht. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten nicht den Fehler machen und mit Kanonen auf Spatzen schießen. Jeder weiß – ich möchte das hier klar sagen –: Es gibt keinen wild gewordenen sozialistischen Innenminister, der gegen die Vereine vorgeht! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist in keiner Weise der Fall, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz im Gegenteil: Ich bin so wie Sie jemand, der seit vielen Jahren in der Politik tätig ist. Jeder, der in der Politik tätig ist, ist auch in vielen Vereinen tätig, ist damit auch ein sogenannter Vereinsmeier und weiß, wie notwendig und wichtig Vereine sind. Wir haben in Österreich an die hunderttausend Vereine, und es wäre falsch, etwas zu machen, was gegen die Vereine gerichtet wäre.

Ich darf Ihnen daher noch einmal sehr eindeutig und klar versichern: Es gibt keinen Entwurf des österreichischen Innenministeriums oder des österreichischen Innenministers zur Reform des Vereinsrechtes! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich habe nicht einmal die Absicht, das österreichische Vereinsrecht zu reformieren, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr.  Partik-Pablé: Aber über das Waffenrecht haben Sie dasselbe gesagt! Nur haben Sie es leider nicht eingehalten!)  – Sie tun mir unrecht. Ich habe immer gesagt, daß ich für eine Reform des Waffenrechtes bin. Ich war immer einer jener, die das bekräftigt haben. Ich bin von unserem Koalitionspartner ein bißchen gebremst worden, weil er dazu eine andere Meinung hatte. Aber ich habe zur Reform des Waffenrechtes immer klar und deutlich Stellung genommen und gesagt, daß ich in manchen Bereichen eine Verschärfung des Waffenrechtes haben möchte. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um auf das Vereinsrecht zurückzukommen: Ich glaube, wenn es eine Reform des Vereinsrechtes gibt, die man ohne Zweifel anstreben kann, weil das Vereinsrecht, das wir derzeit haben, ein wenig antiquiert ist, um es so zu formulieren – es stammt aus dem Jahre 1951, im wesentlichen hat es aber die Wurzeln aus dem Jahre 1867; ich halte es für sinnvoll, daß man darüber diskutiert –, dann kann diese Reform nur im breiten politischen Konsens erfolgen. Es kann nur das Ziel sein, daß das Vereinsrecht praxisnäher wird, daß das österreichische Vereinsrecht entbürokratisiert wird und daß die vielen zehntausend Vereine in Österreich ein einfacheres Leben haben als derzeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Für eine solche Reform des Vereinsrechtes stehe ich, und ich bitte meinen Koalitionspartner, mich in dieser Weise zu unterstützen. Ich werde mich, lieber Klubobmann Khol, auch bei der Enquete am 21. November in diesem Sinne äußern (Abg. Dr. Khol: Wir werden dort sein!) und hoffe, daß ich da auch die Zustimmung der ÖVP bekomme. (Abg. Dr. Khol: Mit kritischer Solidarität!) – Solidarität ist immer gut, Herr Abgeordneter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Grenzgendarmerie und zur personellen Ausstattung: Die personelle Ausstattung wird mit Ende des Jahres 1998 abgeschlossen sein. Wenn der Nationalrat am Freitag in zweiter Lesung den Abänderungsantrag beschließt, wird es so sein, daß die letzten 250 Grenzgendarmen, Vertragsbedienstete, mit 1. September 1998 aufgenom


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men werden und die personelle Vollausstattung gegeben ist. Die technische Vollausstattung werden wir im Laufe des nächsten Jahres durchgeführt und abgeschlossen haben.

Die Schleierfahndung wird derzeit in enger Kooperation mit Deutschland und Italien besprochen. Wir werden zirka 300 bis 350 Gendarmen im Einsatz dafür haben.

Die Frage der "blauen" Grenze bereitet mir große Sorgen. Wir kooperieren diesbezüglich sehr eng mit Deutschland und versuchen gemeinsam, besser zu kontrollieren, als das bisher der Fall war. Ich möchte Ihnen sagen: Es wird nicht so leicht sein, Schiffe zu kontrollieren. Ein Schiff zu kontrollieren, ist viel, viel schwieriger und viel personalintensiver, als manche glauben. Aber da habe ich ein großes Problembewußtsein!

Zur Frage des Schubabkommens: Ich hoffe, daß es noch im heurigen Jahr im Parlament beschlossen werden wird. Ich möchte darauf hinweisen, daß das Schubabkommen zwischen dem ungarischen Innenminister und mir am 17. April dieses Jahres unterzeichnet worden ist und daß wir per Handschlag vereinbart haben, daß der Inhalt dieses Schubabkommens mit der Unterzeichnung bereits ungeschrieben Geltung hat zwischen unseren beiden Ländern, was zum Großteil von den Ungarn eingehalten worden ist. Daß es Verzögerungen bis zum Einlagen im Nationalrat gegeben hat, ist richtig. Das ist aber nicht allein die Schuld des Innenministeriums, sondern mindestens genauso die Schuld des Außenministeriums – das möchte ich hier auch deutlich sagen –, weil es vom Außenministerium im Ministerrat vorgelegt wurde. Ich bekenne mich aber dazu, daß wir vielleicht stärkeren Druck hätten ausüben sollen, als das der Fall war. Ich hoffe, daß es noch im heurigen Jahr beschlossen wird, weil es sehr, sehr wichtig ist.

Die Frage der Schubhafträumlichkeiten ist wichtig. Mein Ziel ist es, bis Ende 1999 in ganz Österreich 300 bis 400 zusätzliche Schubhaftplätze zu schaffen. Dies nicht nur, um zusätzlichen Platz zu haben, Frau Abgeordnete Stoisits, sondern auch deswegen, weil ich glaube, daß es wichtig und notwendig ist, daß man eine Trennung zwischen Schubhäftlingen und Verwaltungshäftlingen durchführt. Der Europarat hat das von uns gefordert, und ich bin ebenfalls dieser Ansicht.

Zur Frage der Integrationspolitik und der neuen Quoten: Ich glaube, daß es aufgrund der großen Zuwanderung, die es vor allem im letzten Jahrzehnt in Österreich gegeben hat – seit 1985 hat sich die Zahl der ausländischen Mitbürger in Österreich nahezu verdoppelt –, sinnvoll ist, in den nächsten Jahren die Zuwanderung sehr, sehr gering zu halten und im wesentlichen auf die Familienzusammenführung zu beschränken. Das ist auch durch die neue Zuwanderungsquote gegeben.

In diesem Sinne glaube ich, daß wir da eine sehr klare und kluge Politik machen; eine Politik, mit der wir uns nicht Zeitströmungen anpassen, aber versuchen, uns an den wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten unseres Landes zu orientieren, aber auch an der Bewußtseinshaltung der österreichischen Bevölkerung.

Über die Frage des Asyls an der Staatsgrenze könnten wir sehr lange diskutieren. Auf der einen Seite wird mir vorgeworfen, daß die Verfahrensdauer viel zu lange ist und daß es manchmal Wochen dauert, bis jemand Antwort bekommt, auf der anderen Seite wird kritisiert, daß das Asyl an der Staatssgrenze innerhalb von fünf Tagen abgehandelt wird. Es ist eben sehr schwierig, da einen Mittelweg zu finden. Ich glaube, daß die Entscheidung für ein rechtsstaatliches System mit kurzen Berufungsfristen, also die Schaffung klarer rechtsstaatlicher Instanzen, richtig war. Das hat sich im neuen Fremdenrecht und im neuen Asylrecht mit 1. Jänner 1998 niedergeschlagen. Ich glaube, daß das im wesentlichen ein sehr gutes Gesetz ist.

Ich möchte aber gleich dazusagen, daß ich immer betont habe, daß dieses Gesetz nicht der Weisheit letzter Schluß sein muß, und daß ich gerne bereit bin, nach einem Jahr dem Parlament einen Tätigkeitsbericht beziehungsweise einen Erfahrungsbericht über dieses neue Gesetz vorzulegen und aufgrund dieser Erfahrungen Adaptierungen im Bereich der Effizienz, der Wirksamkeit, aber auch der Humanität in der einen oder anderen Richtung vorzunehmen. Ich


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bin gerne bereit, einen solchen Bericht vorzulegen, und bitte Sie auch hier um Ihre Mitarbeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Gaál. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.54

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir diskutieren heute hier das Budgetkapitel Inneres und nicht Kärntner Gegebenheiten. (Abg. Kiss: Aus Kärnten kommt Leikam!) Der Herr Bundesminister hat ja bereits darauf hingewiesen, aber erlauben Sie mir noch einen Satz dazu, lieber Kollege Paul Kiss: Die Art, der Stil der Kärntner Aktionen, die du hier verteidigt und denen du das Wort geredet hast, wird sicher keine Stimmen bringen, sondern eher Stimmen kosten. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wem? – Abg. Kiss: Das ist nicht das Thema!)

Auf die Frage, die du gestellt hast: Wo steht die ÖVP?, wird man bald sagen müssen: Im politischen Abseits! (Beifall bei der SPÖ.) Ihr werdet Mühe haben, den dritten Platz, den ihr heute mit deutlichem Abstand einnehmt, zu verteidigen! – Das freut mich persönlich wirklich nicht, aber es wird so sein.

Daher meine ich: Man sollte von dem Gegeneinander wegkommen und mehr hin zu einem Miteinander finden. (Abg. Kiss: Dein Wort in Leikams Ohr!) Das sollte man in Zukunft überlegen. Was Stil und Inhalt angeht, ist diese Aktion sicher nicht geeignet, einem sinnvollen Miteinander, das zu einer erfolgreichen Politik in Kärnten führt, das Wort zu reden.

Meine Damen und Herren! Das vorliegende Budget 1998 – das haben ja schon meine Vorredner hier bestätigt – ist ein zukunftsorientiertes, ein zukunftsbejahendes Budget. Es ist ein Voranschlag mit sehr vielen Ideen – auch wenn anderes behauptet wird. Die Zahlen und Fakten ergeben ein weitaus positiveres Bild. Daher verstehe ich Sie nicht, Frau Dr. Partik-Pablé, wenn Sie hier behaupten, die Statistik wäre frisiert (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da hat mir der Minister schon recht gegeben!), und Sie bleiben für diese pauschale Verdächtigung jeglichen Beweis schuldig, liebe Frau Doktor. Sie behaupten nur etwas und bleiben jeden Beweis dafür hier schuldig! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Es hat mir ja der Minister schon recht gegeben!)

Sie haben gesagt, daß die Statistiken frisiert werden. Das kommt ja nahezu einem Amtsmißbrauch gleich. (Abg. Dr. Partik-Pablé – ein Papier in die Höhe haltend –: Darum hat er ja den Erlaß ...!) Da sind rechtschaffene Beamte tätig, und ich kann Ihnen bestätigen: Es werden keine Statistiken frisiert! – Ihre Behauptungen bleiben reine Behauptungen, Sie haben sie nicht bewiesen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Erlaß vom Herrn Minister kommt!) Gerade Sie als Richterin werden doch attestieren (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich bin als Politikerin da!), daß das doch eine etwas unfaire Vorgangsweise war. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Erlaß vom Herrn Minister ist da, wie man diese Dinge zu zählen hat!)

Wir wissen, daß Österreich trotz der ansteigenden Kriminalität – auch das können Sie an dieser Statistik ablesen – eines der sichersten Länder der Welt und Wien eine der sichersten Städte ist. Ich bin auch bereit, über Vor- und Nachteile von Statistiken zu reden. Darüber kann man diskutieren, da gebe ich Ihnen recht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Herr Minister hat einen Erlaß herausgegeben! Warum horchen Sie mir nicht zu, wenn ich das sage? – Abg. Dr. Mertel – in Richtung der Abg. Dr. Partik-Pablé –: Weil er am Wort ist, nicht Sie!) Nur: Beamten zu unterstellen, daß Statistiken "frisiert" werden, das ist eine sehr, sehr unfaire Vorgangsweise, vor allem gegenüber den Beamten dieses Ressorts. Und daher muß ich das entschieden zurückweisen, Frau Dr. Partik-Pablé.

Meine Damen und Herren! Daß Wien eine der sichersten Städte und Österreich eines der sichersten Länder dieser Welt ist, beweist, daß die vorhandenen Budgetmittel richtig eingesetzt


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worden sind und daß die Zusammenarbeit zwischen dem Innenminister und dem Parlament, insbesondere den Mitgliedern des Innenausschusses und den engagierten Beamten des Ressorts, ausgezeichnet funktioniert, wofür ich mich auch bei den Beamten bedanken möchte. (Beifall bei der SPÖ.)

Das, meine Damen und Herren, ist mit ein Grund dafür, daß wir in der jüngsten Vergangenheit sehr große Erfolge erzielen konnten. Damit wirklich effizient gearbeitet werden kann, haben wir gemeinsam für unsere Exekutive die gesetzlichen Voraussetzungen und optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen. Das haben wir in der Vergangenheit getan, und das werden wir auch in Zukunft tun. Wir haben durch Umstrukturierungsmaßnahmen dafür gesorgt, daß sich mehr Polizisten im Außendienst, also auf der Straße, befinden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Um 83 sind es weniger!) Und mehr Polizisten auf der Straße bedeutet auch mehr Sicherheit. Außerdem konnten wir die Effizienz durch Organisationsänderungen steigern. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Wir werden weiterhin alles daransetzen, meine Damen und Herren, daß die Sicherheit in unserem Land und in unseren Städten, wo immer es möglich ist, verbessert wird. Uns geht es nicht nur um den Schutz und um die Sicherheit der Bevölkerung, sondern es liegen uns auch der Schutz und die Sicherheit der Beamten am Herzen. Das beweisen auch die Anschaffungen in bezug auf Ausrüstung: Schutzhelme, Schutzkleidung und ähnliches mehr.

Wir werden uns auch weiterhin bemühen, daß die Aufklärungsquote bei der Gesamtkriminalität, die ja über 50 Prozent liegt, noch mehr steigt.

Dieser Budgetentwurf gewährleistet durch tiefgreifende Änderungen in der Organisationsstruktur eine sinnvolle und effektive Verteilung der verfügbaren Mittel. Daher werden wir diesem Budgetentwurf unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

19.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lafer. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.00

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Innenminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen auf die Ausführungen der Abgeordnetenkollegin von den Grünen eingehen. Sie hat aufgezählt, wofür die Grünen alles stehen. Sie hat dabei nur einen Satz vergessen: Die Grünen stehen dafür, daß die Exekutive entwaffnet werden soll und deren Arbeit Sozialarbeiter verrichten sollen. Das war auch einmal eine Aussage von seiten der Grünen. – So "ernst" kann man deren Aussagen nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Gaál! Sie haben vorhin die Statistik angesprochen. Diesbezüglich hat der Herr Innenminister ja meiner Kollegin Partik-Pablé schon recht gegeben. Diese Statistik wurde manipuliert, indem man gewisse Kriterien in dieser Statistik verändert hat. So wurden zum Beispiel – meine Kollegin Partik-Pablé hat das zitiert aus dem Erlaß des Bundesministeriums für Inneres – Suchtgiftdelikte eines Täters als eine Straftat zusammengefaßt. Auch bei anderen Delikten ist das geschehen. Deshalb geht man von einer sogenannten Manipulation der Statistik aus, welche die Zahl der Straftaten nachweislich nach unten gedrückt hat. In Wahrheit heißt das, daß die Zahl nicht gesunken, sondern gestiegen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Minister! Es freut uns Freiheitliche, daß Sie auch Fehler eingestehen und uns zugestehen, daß an unserer Kritik etwas dran ist. Das zeichnet Sie als einen sehr kompromißbereiten Innenminister aus. Wir würden uns aber auch freuen, wenn Sie unsere Anliegen auch einmal umsetzen würden. Damit könnten Sie zeigen, daß Sie auch unsere Arbeit als dementsprechend gut bewerten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Innenminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Budget. Da würde ich einmal behaupten: Es gibt ein weinendes und ein lachendes Auge. Ein lachendes Auge deswegen, weil sich das Budget in seiner Gesamtsumme erhöht hat, und ein weinendes Auge deswegen, weil


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genau in jenen Bereichen, die die Gendarmerie und die Polizei betreffen, weniger finanzielle Mittel eingesetzt werden.

Ein Grund dafür ist auch, daß das Geld sehr stark in den Grenzdienst der österreichischen Bundesgendarmerie und auch in andere Teilbereiche des Innenministeriums einfließt. Genau dies – Kollege Platter hat das im Ausschuß schon angeführt – begründet den Verdacht, daß da ein innenpolitisches Sicherheitsrisiko entsteht, das heißt, daß wir bei der Gendarmerie und bei der Polizei durch den Planstellenabbau ein Defizit erleben. Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man sollte den Dienst der Gendarmerie und der Polizei auch insofern unterstützen, als ja die Gesetze immer mehr werden, die Tätigkeit immer intensiver und komplizierter wird und im Gegensatz dazu die notwendigen Planstellen fehlen.

Aber ich möchte noch einmal auf die vorige Woche beschlossenen Begleitgesetze zurückkommen. Hinter der guten Tätigkeit der Exekutive, die sowohl vom sozialistischen Sicherheitssprecher als auch vom Sicherheitssprecher der ÖVP hervorgehoben wurde, hinter der guten Arbeit unserer Exekutivbeamten stehen die Freiheitlichen hundertprozentig. Es wird auch gesagt, daß es wichtig ist, daß die Motivation und der Einsatz der Beamten stimmt. Was bedeutet "Motivation der Beamten"?

Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Vorige Woche wurde durch die Begleitgesetze das Pensionssystem der öffentlich Bediensteten, sprich auch der Exekutivbeamten, geändert. Zuerst werden die Pensionen mit einer Deckelung und dann ab dem Jahre 2000 überhaupt gesenkt. Ich bringe Ihnen ein Beispiel, Herr Kollege Schwemlein: Ein heute 37jähriger Beamter bekäme, wenn er 40 Jahre lang Dienst gemacht hat, gemäß der heutigen Gehaltstabelle 26 829 S brutto. Nach der nunmehrigen Pensionsregelung verliert er 8 806 S. (Abg. Schwemlein: Es gibt Sonderregelungen für Exekutivbeamte! – Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung des Abg. Schwemlein –: Sie verstehen gar nichts davon!) Nun erklären Sie mir einmal, wie das die Motivation eines Exekutivbeamten erhöhen soll! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Das stimmt nicht!)  – Herr Kollege Schwemlein, hören Sie einmal zu! Sie wissen nicht, wovon Sie reden.

Oder zweitens: Abschlagszahlung. Wirkt es sich positiv auf die Motivation der Exekutivbeamten aus, wenn sie mit einem Abschlag zwischen 0,8 und 4,2 Prozent rechnen müssen? – Nein, das ist ein Schlag gegen die Motivation!

Drittens – auch vorige Woche in den Begleitgesetzen mitbeschlossen –: die Nebengebührenwerte. Ein heute 32jähriger Beamter erleidet einen Verlust bei den Nebengebührenwerten von 25 Prozent. Ein Beamter, der ab dem Jahr 2001 Nebengebührenwerte ansparen und erwerben kann, verliert bis zu 40 Prozent. (Abg. Leikam: Was verlieren Sie?) Erhöht das die Motivation der Exekutivbeamten? – Nein, das glaube ich nicht.

Das gleiche gilt in bezug auf die Jubiläumszuwendungen, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien. Vor dem 57. Lebensjahr bekommt er nichts, ab dem 57. Lebensjahr zwei Monatsbezüge, ab dem 58. Lebensjahr 2,5 Monatsbezüge und ab dem 59. Lebensjahr drei Monatsbezüge. Man nimmt nicht mehr Rücksicht darauf, wie lange seine Dienstzeit bei der Exekutive ist. Sollte das die Motivation steigern? – Nein, das ist ein Schlag gegen die Motivation der Exekutivbeamten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, würde ich Ihnen empfehlen: Halten Sie sich politisch aus dem Bereich der Sicherheit so weit wie möglich heraus! Der Irrweg, den Sie da beschreiten, fördert nicht die Motivation, sondern er behindert die Arbeit und erhöht die Probleme der Sicherheit gewaltig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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19.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Platter. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.06

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr verehrter Herr Minister! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich im Gegensatz zum SPÖ-Sicherheitssprecher Toni Leikam vorwiegend mit der inneren Sicherheit beschäftigen. Aber gestatten Sie mir trotzdem eine Fußnote zur geplanten Reform des Vereinsgesetzes.

Ich bin Bürgermeister einer mittleren Gemeinde, einer Gemeinde mit 3 300 Einwohnern. Wir haben in unserer Gemeinde 31 Vereine. (Unruhe und Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Bitte, hören Sie mir zu! – Dadurch ist die gesamte Bevölkerung in den Vereinen voll integriert. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich halte es für völlig undenkbar, daß Eingriffe in das Vereinswesen gemacht werden. (Abg. Leikam: Wer will denn das? – Abg. Dr. Mertel: Von welcher Reform sprechen Sie?) Ich verstehe dich, lieber Toni Leikam, daß du vielleicht aufgrund deiner Ideologie eine Verstaatlichung der Vereine haben möchtest. (Abg. Leikam: Das ist unerhört!) Aber ich muß dazu sagen: Wir können das nicht zulassen. Wir stehen hundertprozentig zu den Vereinen. (Beifall bei der ÖVP.)

Lieber Kollege Abgeordneter Gaál! Die ÖVP steht nicht im politischen Abseits, wie du das gesagt hast. Ich glaube, daß die ÖVP die Realisierung einiger Überlegungen des Koalitionspartners verhindern muß, wie zum Beispiel beim Waffengesetz und beim Vereinsgesetz. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sollten Vereinssprecher werden und nicht Sicherheitssprecher! – Ruf bei der SPÖ: Das ist unglaublich!)

Meine Damen und Herren! Ich komme jetzt zur inneren Sicherheit, die für mich von besonderer Bedeutung ist. Die Bilanz im Bereich der inneren Sicherheit ist grundsätzlich zufriedenstellend. Zufriedenstellend ist diese Bilanz deshalb, weil die Sicherheitsbeamten zweifellos hervorragende Arbeit leisten und Österreich zu den sichersten Ländern Europas zählt. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieser hohe Sicherheitsstandard ist in erster Linie für unsere Bürger von Bedeutung, aber auch für das Tourismusland Österreich; eine Bedeutung, die nicht hoch genug bewertet werden kann. Diese grundsätzlich zufriedenstellende Bilanz im Bereich der inneren Sicherheit muß jedoch auch kritisch hinterfragt werden.

Wir haben im Rahmen der Verbrechensbekämpfung, vor allem im Bereich der organisierten Kriminalität und des Suchtgifthandels, große Defizite. Trotz der ausgezeichneten Arbeit der Sicherheitsbeamten werden mehr als zwei Drittel der Verbrechen in Österreich nicht aufgeklärt. Darüber hinaus haben wir im Bereich der Bandenkriminalität eine 20prozentige Steigerung, im Bereich des Suchtgifthandels eine Steigerung von 7,3 Prozent. Aber auch beim Suchtgiftkonsum ist eine Steigerung von 32 Prozent feststellbar.

Diese Entwicklung ist für uns selbstverständlich besorgniserregend. Was können wir nun gegen diese Entwicklung tun? – Selbstverständlich ist gerade im Bereich der organisierten Kriminalität und des Suchtgifthandels eine internationale Zusammenarbeit erforderlich. Ich möchte aber neben der unbedingt notwendigen internationalen Zusammenarbeit auch auf unsere Hausaufgaben eingehen, die wir machen müssen, damit die Aufklärungsraten verbessert werden. – Die Antwort darauf ist: Personal, Ausbildung und vor allem größere Priorität für den Kriminaldienst.

Zuerst zum Thema Personal. Ich freue mich, daß im Jahre 1998 zusätzlich 500 Grenzgendarmen aufgenommen werden und 66 Planstellen von der Zollwache in das Innenministerium wechseln werden. Die Grenzsicherung ist von enormer Bedeutung, aber Grenzschutz allein ist zuwenig, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.) Die innere Sicherheit in unserem Land wird nur dann zufriedenstellend sein, wenn neben einem effizienten Grenzdienst auch im Landesinneren dem Sicherheitsdienst hohe Bedeutung zugemessen wird. Wenn ich aber höre, daß in den nächsten Jahren 400 Exekutivbeamte eingespart werden sollen, so muß ich aus Überzeugung sagen: Das, Herr Minister, ist für die Sicherheitspolitik in unserem Land unerträglich! Das bedeutet teilweise ein Aushungern der Gendarmerie- und Polizeidienststellen. Ich bin mit diesen geplanten Einsparungsmaßnahmen nicht einverstanden, weil ich weiß, was das für die Sicherheit unseres Landes bedeutet.


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Herr Minister! Ich bitte Sie: Lassen Sie diese Einsparungsmaßnahmen nicht zu! Setzen Sie sich da bei Ihrem Finanzminister und beim Bundeskanzler durch! Mit uns, der ÖVP, haben Sie hier einen guten Partner. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweiter Punkt: mehr Priorität für den Kriminaldienst. Diese Forderung habe ich mehrmals an Ihren Vorgänger gerichtet und möchte sie heute wiederholen. Die Verkehrsüberwachung ist äußerst wichtig, aber setzen Sie bewußt einen Schwerpunkt bei der Kriminalitätsbekämpfung! Ich kenne Länder, in denen beinahe ausschließlich Verkehrsüberwachung durchgeführt wird und wo die Einhebung der Organmandate besondere Priorität hat, aber der Kriminaldienst wird teilweise sträflich vernachlässigt. Herr Minister! Ich weiß, wovon ich rede – und die geringe Aufklärungsquote bei den Verbrechen bestätigt mich in meiner Meinung.

Der dritte Punkt: Ausbildung. Wir haben bei der Exekutive in Österreich ein Ausbildungsdefizit. Wir, die ÖVP, verlangen in diesem Zusammenhang schon seit vielen Jahren die Realisierung der Sicherheitsakademie. Wenn Sie, Herr Minister, bei den Budgetberatungen im Innenausschuß nun gesagt haben, daß Sie mit dem Baubeginn der Sicherheitsakademie im Herbst 1998 rechnen, wobei die Kosten zwischen 260 und 280 Millionen Schilling betragen werden, und daß der Betrieb der Sicherheitsakademie im Jahr 2001 aufgenommen werden soll, so freut mich das, und ich traue Ihnen das zweifellos zu. Nur bitte ich auch um Verständnis für meine skeptische Einstellung: Schon seit Jahren wird über Grundstück, Gebäude, Büroeinrichtung, ja sogar über die Türschilder geredet, aber geschehen ist bisher überhaupt nichts. Die ÖVP hingegen hat ein gut ausgearbeitetes Konzept, das unter Mitwirkung hervorragender Fachleute in so manchen Arbeitssitzungen erarbeitet wurde. Die ÖVP-Vorstellung entspricht den heutigen Ansprüchen einer kontinuierlichen, qualitativ hochwertigen Ausbildung, die Objektivierungskriterien für Führungskräfte beinhaltet und in der jeder Beamte die entsprechende Schulung erhält.

Herr Minister! Ich ersuche Sie daher dringend, der Verbrechensbekämpfung in Österreich höheren Stellenwert einzuräumen, und zwar durch folgende drei Punkte: Ausbildung, Personal und größere Priorität für den Kriminaldienst. (Beifall bei der ÖVP.)

19.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Kier vor. 9 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.14

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte hat schon ein paar Gesichtspunkte aufgezeigt, auf die ich eingangs eingehen möchte. Insbesondere möchte ich etwas richtigstellen, was Kollege Kiss Bezug nehmend auf Kollegen Moser zum Assistenzeinsatz des Bundesheeres gesagt hat. Ich möchte schon eindeutig klarstellen: Der Grenzeinsatz des Bundesheeres als Normalinstrument einer Grenzsicherung in Friedenszeiten – das ist das Problem und nicht die Tatsache, daß die Grenze an und für sich eine Zone ist, die der Sicherheitsüberwachung bedarf. Daß das Bundesheer geradezu schon zum Regelinstrument wird, ist ein Problem. Assistenzeinsatz heißt vorübergehender Hilfseinsatz, und wir machen einen Dauereinsatz daraus. Und das hat mein Kollege kritisiert, und dieser Kritik schließe ich mich gerne an. Ich weise also daher die Kritik des Kollegen Kiss zurück. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Kiss: Kollege Kier! Was ist die Alternative?)

Betreffend die Vereinsdebatte hier: Ich bin sicher ein Anhänger eines größtmöglich liberalen Vereinsrechtes. Es wurde hier schon zitiert, daß der geltende Stand aus dem Jahr 1867 stammt. Es ist eines der klassischen liberalen Gesetze dieser Ära des beginnenden Verfassungsstaates mit der Koalitionsfreiheit und der Vereinsfreiheit. Aber es so, wie es jetzt ist, als sakrosankt zu erklären, wäre ein Fehler, denn es ist sicher ein mangelhaftes Gesetz, und es ist sicher weiterentwickelbar.

Daher meine ich: Wenn eine Enquete zu diesem Thema angesagt ist und der Bundesminister ausdrücklich gesagt hat, einen Entwurf seines Hauses gebe es nicht, dann ist kein Grund zur Panik vorhanden, sondern das ist vielleicht einmal ein Anlaß, darüber nachzudenken: Was ist das Defizit im Vereinsrecht? So meine ich zum Beispiel, ein ordentliches Vereinsregister mit


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modernen Standards wäre schon etwas Feines – ohne daß man den Vereinen damit Bürokratie auflastet. Das würde Rechtssicherheit für alle schaffen: für die Vereine und für diejenigen, die mit Vereinen zu tun haben, weil sie sich in einem ordentlichen Register vergewissern können, ob jemand einen rechtens bestehenden Verein vertritt oder nicht. Bei den Firmen machen wir das so ähnlich. Deshalb, glaube ich, ist diese Aufgeregtheit und der sofortige Ruf nach einem starken Staat und nach Recht und Ordnung in diesem Zusammenhang wirklich unpassend.

Wenn ich jenen, die es vorhin nicht gehört haben, vielleicht noch ein Kiss-Zitat in Erinnerung rufen darf: Kollege Kiss hat gesagt, die ÖVP sei der "Motor dieser Regierung" – wahrscheinlich gemeint in Sicherheitsfragen. Ich würde sagen: wohl eher der Hilfsmotor mit Rutschkupplung. Ich sage Ihnen auch noch, was ich damit meine. (Heiterkeit und Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie beschwören den starken Staat, definieren ihn aber nicht. Ich habe meine Sorge, was Sie damit meinen könnten. Wir sind selbstverständlich auch für einen starken Staat, aber für einen starken Rechtsstaat. Da zitiere ich ganz bewußt eine meiner Vorrednerinnen. Denn ein Staat ist nur dann stark, wenn er sich auch an seine eigenen Regeln hält und wenn er diese rechtens zustande kommen läßt – und wenn er sie mit Sorgfalt anwendet und nicht zum Beispiel den Lauschangriff schon zu einem Zeitpunkt praktiziert, wo er noch gar nicht beschlossen war. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das ist kein starker Staat, sondern das ist ein mutwillig agierender Staat. Und das ist schlecht und vor allem nicht wirklich demokratisch legitimiert.

Aber die Rutschkupplung, Herr Kollege Kiss, das ist das Waffenrecht. Sie rufen zwar nach dem starken Staat, aber wenn das Waffenrecht einer neuen Ordnung zugeführt werden soll, dann könnte der Staat seine Stärke zeigen. Dort aber sagen Sie auf einmal: Nein, nicht mit uns! Da wollen Sie es offenbar lieber so ähnlich wie in Amerika, wo sich jeder, der will, eine Schußwaffe kaufen kann, und wenn er nur damit zufrieden ist, daß er sie wenigstens zu Hause liegen hat. Und was dann damit passiert, das wissen wir. Denn so manches, was an Gewalt in der Familie passiert, ist auch dadurch dramatischer, daß wir vielleicht ein etwas zu nachlässiges Waffenrecht haben. Und wer für den starken Staat eintritt, aber gleichzeitig bei der Verschärfung von waffenrechtlichen Vorschriften offenbar das Zittern bekommt, der ist ein Hilfsmotor mit Rutschkupplung! Das sage ich Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Kiss: Wir haben nach zweijährigen intensivsten Beratungen eines der modernsten Waffengesetze Europas!)

Abgesehen davon hat sich Kollege Kiss, was den Sicherheitsbegriff angeht, ausschließlich mit Fragen der Sicherheitsexekutive befaßt. Jetzt sage ich Ihnen von dieser Stelle aus: Selbstverständlich braucht ein Staat, der das Gewaltmonopol für sich in Anspruch nimmt – und unter anderem deswegen auch für ein strenges Waffenrecht eintritt –, eine rechtsstaatlich geordnete und gute Sicherheitsexekutive. Das ist völlig klar. Aber sie ist das Instrument, das man dann einsetzt, wenn man keine anderen Möglichkeiten mehr hat. Es ist die Ultima ratio, die permanente Drohung, die Abschreckung. Aber ein Sicherheitsbegriff muß umfassender sein, er muß auch das vorbeugende Krisenmanagement enthalten, und er muß sich auch damit beschäftigen, ob eine Gesellschaft so gestaltet ist, daß dem Krisenfall, wo dann vielleicht jemand auch zur Gewalt greift, möglichst vorgebeugt wird und nicht erst hintennach unter Einsatz des Gewaltmonopols bereinigt werden muß.

An einem Beispiel möchte ich Ihnen aufzeigen, wie wir mit dieser überschießenden Tendenz umgehen, und zwar im Bereich der Schubhaft. Es werden bei uns regelmäßig Leute in Schubhaft genommen, von denen bekannt ist, daß sie gar nicht abgeschoben werden können, weil der Fall so liegt, daß dies aufgrund internationaler und menschenrechtlicher Gründe nicht möglich ist. Also frage ich Sie: Was soll das? Noch dazu wissen wir, daß ein Tag Schubhaft den Bund zwischen 650 S und 700 S kostet, während ein Tag Bundesbetreuung auf ungefähr 200 S käme. Also wenn Sie schon diese Menschen "betreuen" wollen, dann betreuen Sie sie, aber nicht in Form von Schubhaft, denn das ist eine Betreuungsform, die der Menschenwürde nicht entspricht und im übrigen auch nicht ganz im Sinne des Zweckes ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der Herr Bundesminister hat gemeint, daß er drei Varianten sieht, dem Mangel an Schubhaftplätzen abzuhelfen, nämlich eventuell in Schwechat etwas zu bauen – dagegen sprechen an


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scheinend die Kosten, weil die Architekten meinen, das koste 130 Millionen Schilling, und er meint, er könne nur 80 dafür ausgeben –, als Variante zwei eine Kaserne auszubauen und als Variante drei die Überprüfung der Erweiterung der derzeitigen Anstalten. Da frage ich mich, warum er die vierte Möglichkeit vergessen hat. Die vierte Möglichkeit, das Schubhaftdilemma zu beseitigen, wäre, weniger Leute in Schubhaft zu nehmen. Dann hätte er dieses Dilemma auch nicht. Die Schubhaft kann doch nur eine Ultima ratio sein, wenn jemand tatsächlich im dramatischen Verdacht steht, hier Rechtsmißbrauch zu betreiben. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Ich halte das so fest, und ich meine, Herr Bundesminister, wer diese vierte Möglichkeit nicht bedenkt, der macht einen Fehler. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Andererseits möchte ich an dieser Stelle auch gerne ein Lob einbauen. Das Lob bezieht sich auf die immerhin jetzt doch erstreckte Aufenthaltsgenehmigung für Bosnier.

Eine Bemerkung zur Quotenfrage: Herr Bundesminister, ich bin nicht glücklich damit, daß Sie die Quotenfrage so geregelt und eine der wesentlichen Aufgaben weiter vernachlässigt haben, nämlich die Harmonisierung des Aufenthalts- und des Beschäftigungsrechtes. Das wäre nämlich Sicherheitspolitik mit prophylaktischer Wirkung, etwas, was wir immer wieder von Ihnen einfordern, obwohl wir wissen, daß Sie nicht unmittelbar zuständig dafür sind, aber ganz ungehört wird Ihre Stimme im Ministerrat auch nicht verhallen. Reden Sie halt ein bißchen öfter mit Ihrer Kollegin Hostasch, vielleicht läßt sich hier doch etwas bewegen.

Als Memo zum Schluß: Herr Bundesminister! In einem Ministerium wie dem Ihren, wo Akkordbescheide – Sie wissen, was ich meine – nachgewiesen werden konnten, in einer bestimmten Abteilung Ihres Hauses, in der Verantwortung eines ganz bestimmten Sektionschefs, in so einem Ministerium ist meiner Meinung nach die Sicherheit in einem Rechtsstaat nicht gut aufgehoben. Vielleicht in einem Staat vom Zuschnitt des Kollegen Kiss, aber nicht in einem liberalen Rechtsstaat. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

19.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwemlein. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.22

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Hohes Haus! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe vor, mich im wesentlichen mit Fragen der Sicherheitsakademie zu beschäftigen, aber erlauben Sie mir, eines schon voranzustellen: Kollege Lafer hat von Motivation gesprochen. Ich bin ganz auf seiner Seite, wenn er sagt, daß Motivation für jeden Mitarbeiter etwas ganz Entscheidendes und Wichtiges ist. Aber ich bin auch davon überzeugt, daß bewußtes Fehl- und Falschinformieren wie bei dem Beispiel, das Kollege Lafer gebracht hat, demotivierend ist. Und wenn jemand Motivation einfordert, dann sollte er nicht gleichzeitig Demotivation betreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erlaube mir, das mit einem Beispiel zu unterstreichen. Kollege Lafer hat vom – unter Anführungszeichen – "durchschnittlichen Beamten" gesprochen. Ich nehme an, er meint den Revierinspektor, der kein Bezieher eines sehr hohen Einkommens ist. Er hat gesagt, dieser würde durch die Pensionsreform 8 000 S verlieren. Das ist im Protokoll nachzulesen. – Tatsache ist, daß das aufgrund der von uns getroffenen Beschlüsse gar nicht möglich ist. Der Betrag, den er durch diesen Solidaritätsakt, den wir alle hier herinnen mittragen wollen, verliert, macht in etwa gut 2 000 S aus. Sie wissen alle, wir haben eine Deckelung vorgenommen, die bis zum Jahr 2020 gültig ist. Daher sage ich noch einmal: Wer von Motivation spricht, darf nicht demotivieren!

Zur Sicherheitsakademie, meine Damen und Herren. Es ist eine Selbstverständlichkeit – und wir erfahren das Tag für Tag –, daß der Wandel ein stetiger ist. Sehr viele technische, soziale und gesellschaftliche Rahmenbedingungen verändern sich. Ich denke, daß es auch wesentlich ist, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsexekutive auf diese ständig neuen Anforderungen gewissenhaft vorzubereiten. Es ist daher wichtig, von den klassischen, herkömmlichen Ausbildungsstätten wegzugehen, um ein höheres Maß an Professionalisierung zu erreichen. Ich denke, daß wir das mit der geplanten Sicherheitsakademie erreichen können.


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Die Sicherheitsakademie soll Personalerwartungen erfüllen. Das heißt, sie soll die persönliche, die soziale, fachlich-methodische Kompetenz der Absolventen erhöhen. Dabei soll die persönliche Weiterentwicklung der Studierenden gefördert, Qualifikationsanreize geboten, Professionalisierung und Karrierechancen gesteigert werden.

Es ist daher von großer Wichtigkeit, daß wir uns auch anschauen, was diese Sicherheitsakademie denn letztlich leisten und im Endergebnis erbringen soll. Ganz wesentlich ist, daß das gesamte Ausbildungsspektrum der Sicherheitsexekutive koordiniert wird. Wesentlich ist, daß sie als polizeiliches Forschungszentrum und Stätte der Führungskräfteausbildung dient und handlungsorientiertes Wissen vermittelt. Vor allem glaube ich, daß wir uns dem nicht verschließen sollen und dürfen, daß sie eine Drehscheibe für nationalen und internationalen Wissenstransfer darstellt.

Daher bin ich überzeugt davon, daß es aufgrund all dieser vielen Anforderungen, die die Sicherheitsakademie erfüllen soll und erfüllen wird, wichtig ist, daß wir ihr den Status einer Fachhochschule einräumen, vor allem deshalb, weil die Qualität des in Zukunft zu vermittelnden Wissens das rechtfertigt. Darum bin ich der felsenfesten Meinung – und ich bitte Sie alle, diesen Gedanken zu unterstützen –, daß die Sicherheitsakademie einen Quantensprung in der Aus- und Fortbildung unserer Sicherheitsbeamten darstellt.

Bundesminister Mag. Schlögl geht den Weg der Realisierung der Sicherheitsakademie konsequent und zielorientiert. Wir alle werden ihn dabei bestmöglich unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Scheibner vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.28

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einige Punkte das Innenressort betreffend ansprechen. Vorher eines vielleicht noch zur Frau Kollegin Stoisits: Sie haben Abgeordnete Partik-Pablé kritisiert, weil sie auf die hohe Kriminalitätsrate hingewiesen und diesbezüglich Maßnahmen verlangt hat. Ich glaube nicht, daß das Panikmache ist und daß es die richtige Reaktion darauf ist, wenn Sie sagen, es ist wahrscheinlicher, bei einem Verkehrsunfall zu Schaden zu kommen als Opfer irgendeines Verbrechens zu werden. Ich meine, daß man hier schon Äpfel mit Äpfeln und Birnen mit Birnen vergleichen sollte. Man soll selbstverständlich mehr für die Verkehrssicherheit tun, aber man soll wohl – und da treffen wir uns hoffentlich – massiver als bisher – ich weiß schon, daß das im Burgenland oder in anderen nicht so dicht besiedelten Gebieten vielleicht nicht so ein Problem ist – in der Großstadt gegen eine vorhandene oder noch drohende Kriminalität, vor allem was den Bandenbereich und die organisierte Kriminalität betrifft, ankämpfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man soll ja Maßnahmen treffen, bevor es wirklich zu spät ist. Wir haben das ja in der Ausländerfrage gesehen. Hätte man rechtzeitig der ungebremsten Zuwanderung Ende der achtziger Jahre einen Riegel vorgeschoben, so wie wir das verlangt haben, dann hätte man sich viele Probleme erspart, vor denen wir heute gerade in den Ballungszentren Österreichs stehen.

Herr Bundesminister! Ein Problembereich, nämlich die Grenzsicherung, wurde heute schon einige Male angesprochen. Wir sehen, daß es hier keine Entwarnung gibt, sondern, ganz im Gegenteil, daß die Anzahl der aufgegriffenen Illegalen im Steigen begriffen ist. Von Jänner bis Oktober 1997 wurden über 5 000 Illegale aufgegriffen. Man kann davon ausgehen, daß die Dunkelziffer entsprechend höher sein wird, vor allem, wenn es stimmt, was ich höre, daß weite Teile der Problembereiche der Grenze nach wie vor nicht kontrolliert werden können beziehungsweise daß es stille Übereinkommen gibt, etwa was gewisse Forstbereiche anlangt, daß man dort nicht kontrolliert, weil man sonst das Wild und das Jagdvergnügen mancher Jagdpächter stören könnte.


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Ich hoffe, daß diese Gerüchte nicht stimmen. Jedenfalls wissen wir aber, daß weite Teile der problematischen Grenzbereiche nach wie vor nicht entsprechend gesichert sind. (Abg. Schwemlein: Sie schlagen aber nicht vor, daß die Jäger die Grenzkontrollen machen sollen!)  – Herr Kollege Schwemlein, auch Sie sollten einmal ein wenig Ernst an den Tag legen. Sie verlangen immer Sachlichkeit, und ich glaube, daß gerade die Frage des Problembereiches Ostgrenzen sehr wichtig ist, und wir sollten daher versuchen, mit entsprechender Sachlichkeit an dieses Problem heranzugehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Vor allem dann, Herr Innenminister, wenn es so ist, wie Sie unlängst gesagt haben, nämlich daß das Bundesheer noch weitere zehn Jahre an dieser Grenze bleiben soll. Interessanterweise nehmen Sie an, daß schon in zehn Jahren die EU-Osterweiterung vollzogen worden ist und wir dann nicht mehr Ostgrenze der Europäischen Union sind. Ich hoffe, daß das nicht der Fall sein wird, denn sonst werden die Österreicher schon wieder mit den nächsten Wirtschaftsproblemen, Budgetdefiziten und hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben, weil wir dann nach dem EU-Beitritt, nach der Einführung des Euro auch noch für die EU-Osterweiterung werden zahlen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister, Sie haben selbst gesagt, zehn Jahre soll das Bundesheer an der Grenze bleiben. Aber dann hoffen wir auch, daß dieser Assistenzeinsatz endlich auf eine professionelle Basis gestellt wird. Denn auch ich halte es für problematisch, einen Assistenzeinsatz, der zeitlich befristet sein sollte, der eine Unterstützung des Bundesheeres für ein anderes Ressort in einem zeitlich begrenzten Rahmen sein soll, endlos ausufern zu lassen und auszuweiten. Das darf nicht sein, weil er ja ein Provisorium darstellt. Und in vielen Bereichen sehen wir, daß es sich nach wie vor um ein Provisorium handelt, was die Unterkunft, was die Verpflegung, was die Personaleinteilung, was das Material anlangt – immer wieder gibt es diesbezüglich Beschwerden – und vor allem, das ist der wichtigste Punkt, was die budgetäre Absicherung dieses Assistenzeinsatzes anlangt.

Ich weiß schon, daß Sie beziehungsweise Ihr Ressort sich sehr viel Geld dadurch erspart, daß das österreichische Bundesheer mit Grundwehrdienern die Grenze absichert. Ich meine, daß im Bereich der Landesverteidigung, wo wir ein Sparbudget nach dem anderen hier zu beschließen haben, und morgen wird das nächste Sparbudget im Bereich der Landesverteidigung beschlossen werden ... (Abg. Donabauer: Sie haben keines beschlossen!)  – Das Parlament, Herr Kollege! Gott sei Dank sind wir nicht mitverantwortlich für diese Sparbudgets, die im Ernstfall keine Überlebenschance für unsere Grundwehrdiener bedeuten würden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Donabauer. ) Sie sollten sich einmal überlegen, was Sie damit im Ernstfall zu verantworten hätten, Herr Kollege. Das wäre besser, als hier irgendwelche Zwischenrufe herunterzubrüllen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Innenminister! Sie sollten in der Bundesregierung einmal dazu kommen, daß man diese Gelder, die Sie sich in Ihrem Ressort ersparen, zumindest zum Teil in den Bereich der Landesverteidigung überführt. Eine halbe Milliarde Schilling kostet das österreichische Bundesheer dieser Assistenzeinsatz. Ich meine, bei der derzeitigen budgetären Situation des Heeres ist eine derartige Übernahme von Aufgaben, die eigentlich von Ihrem Ressort wahrgenommen werden müßten, nicht möglich.

Zweiter Punkt, Herr Innenminister, und damit im Zusammenhang stehend: Maßnahmen gegen illegale Ausländer in Österreich. Es fehlen uns die Konzepte, wie Sie dieses Problem beheben werden, das ja nach wie vor aktuell ist, vor allem wieder in den Ballungszentren und in erster Linie in Wien, Herr Kollege Schwemlein. (Abg. Schwemlein: Wie lautet Ihr Konzept?)

Dieses Konzept vertreten wir seit vielen Jahren, Herr Kollege Schwemlein, nämlich daß man erstens in gezielten Aktionen – wir waren zwar die ersten, aber nicht letzten, die das verlangt haben – in den Problembereichen, etwa durch Planquadrataktionen, illegale Ausländer aufgreift und sie dann auch wirklich konsequent abschiebt. Aber es geht nicht an, daß man ihnen, so, wie es nach wie vor Praxis ist, eine Fahrkarte bezahlt und sagt: Liebe Freunde, verlaßt bitte dieses Land!, in der Hoffnung, daß sie das auch wirklich tun.


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Oder wir haben gefordert, daß man verhindert, daß sich illegale Ausländer, die sich in Schubhaft befinden, durch Hungerstreiks freipressen können, die dann entlassen werden und wieder in die Illegalität abgleiten. Das wären Maßnahmen, Herr Kollege Schwemlein, die einmal ... (Abg. Schwemlein: Wie viele sind das?) Das sind sehr viele, und die sind beispielgebend. Fragen Sie einmal die Frau Kollegin Partik-Pablé, die damit in ihrer Praxis zu tun hat. (Abg. Schwemlein: Der glaube ich auch nicht alles!)

Herr Kollege Schwemlein, ich lade Sie ein, gehen Sie einmal in die Problembezirke Wiens, und schauen Sie sich das an! Wer sich wirklich für Integration der Ausländer und für eine Lösung dieser Probleme einsetzt, der müßte sich in erster Linie für die Behebung der Mißstände in diesem Bereich einsetzen, und die gibt es nun einmal in erster Linie im Bereich der Illegalen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein letzter Punkt, Herr Bundesminister: Ich halte wenig davon, daß man jetzt mit einem eigenen Gesetz den Weiterverbleib der ehemals bosnischen Kriegsflüchtlinge in Österreich ermöglicht. Ich sage Ihnen auch, warum: Es gibt derzeit 730 000 legale Ausländer in Wien. Sie selbst haben Gott sei Dank erkannt, daß eine weitere Zuwanderung derzeit nicht möglich ist, und trotzdem ermöglichen Sie jetzt für einige Zehntausende bosnische Flüchtlinge einen Weiterverbleib in Österreich. Das ist meiner Ansicht nach insofern gefährlich, als diese Flüchtlinge unter ganz anderen Voraussetzungen nach Österreich gekommen sind. Wir waren alle – und ich glaube, da gab es einen Konsens in Österreich – dafür, daß man diesen verfolgten Menschen in Österreich Aufnahme gewährt. Aber wir sind alle davon ausgegangen, daß dann, wenn die kriegerischen Handlungen beendet sind, diese Flüchtlinge wieder zurück in ihre Heimat gehen und dort, auch mit unserer Hilfe, versuchen, sich eine neue Existenz aufzubauen. Das war auch das Vertrauen, das die Bevölkerung in Ihre Maßnahmen gesetzt hat.

Jetzt ist es anscheinend nicht so, jetzt können diese Flüchtlinge bei uns bleiben und müssen nicht mehr zurück. Und, Herr Bundesminister, was wird denn bei künftigen Flüchtlingsaktionen sein? Dann wird es kein Verständnis mehr bei der Bevölkerung geben, daß man eine Aufnahme zeitlich befristet befürwortet, weil jeder annehmen kann, daß es so wie bei den bosnischen Flüchtlingen wieder zu einer versteckten Zuwanderung kommt. Das sollten Sie sich überlegen, wenn Sie derartige Maßnahmen auch in Gesetzesform kleiden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Maitz. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.37

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zu meinem unmittelbaren Thema komme, möchte ich dem Kollegen Scheibner eine Antwort auf seine Kritik am Assistenzeinsatz durch das Bundesheer an der burgenländischen Grenze geben. Es ist dieser Einsatz flexibel und kostengünstig. Daher ist es richtig, daß das Bundesheer diese Grenzsicherung gegen illegale Einwanderung macht.

Ich gebe ihm aber durchaus recht, wenn er verlangt, daß wir in Verhandlungen seitens des Ministeriums für Landesverteidigung und des Innenministeriums eintreten sollten, um über eine Kostenteilung zu reden. Es ist zwar dem Staatsbürger gleich, aus welchem Säckel das bezahlt wird, solange das kostengünstig und flexibel abgewickelt wird, aber es ist für die Heeresangehörigen, die so viel sparen und so viel improvisieren müssen, nicht verständlich, daß diese Maßnahme ausschließlich zu Lasten des Bundesheeres geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Wir haben gestern im Kapitel Justiz über die Harmonisierung des materiellen und formellen Strafrechtes gesprochen und gemeint, daß dies eine wichtige Voraussetzung sei, um die organisierte Kriminalität besser bekämpfen zu können. Heute beim Kapitel Innere Sicherheit möchte ich auf weitere wichtige Voraussetzungen im Kampf gegen die organisierte Kriminalität hinweisen.


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Es geht um die Länge beziehungsweise um die von uns geforderte Verkürzung der polizeilichen Kooperationswege. Ich möchte das an einem konkreten Beispiel darstellen, aus der Praxis unserer Kriminalabteilung im Landesgendarmeriekommando Graz. In Graz wurde ein ausländischer Drogenkurier festgenommen, der eine Fülle von Telefonnummern und Adressen in seinem Notizbuch aufgeschrieben hatte. Um größere Zusammenhänge feststellen zu können, wurde von der Grazer Dienststelle über Interpol versucht, die Anschlußteilnehmer zu ermitteln und ihr eventuelles kriminelles Vorleben zu durchleuchten. Das sieht dann im konkreten so aus: Die Grazer Dienststelle übermittelt das Ersuchen an die Sicherheitsdirektion. Diese reicht den Schriftsatz an die Interpol-Zentralstelle Wien weiter. Diese reicht dieses Ersuchen an die Interpol-Zentralstelle des Ziellandes weiter. Diese reicht es weiter an die regionale Sicherheitsbehörde und schließlich an die örtliche Dienststelle der Polizei, die dort die tatsächliche Arbeit macht.

Dieser lange Weg über fünf Stationen hin und über fünf Stationen zurück ist derart zeitaufwendig, daß es für die kriminaltaktische Arbeit völlig ineffizient wird. Das heißt, in der Zwischenzeit – das dauert ja mehrere Wochen – haben die Täter die Beweismittel längst beseitigt, und wir sind dann leider die Zweiten, wenn wir aufklären wollen.

Dazu kommt noch, daß in manchen Ländern für die Abfrage von Geheimnummern bei den Telefonbetreibern eine staatsanwaltschaftliche oder richterliche Genehmigung notwendig ist. Das behindert sehr oft noch einmal die Aufklärung.

Auf eine weitere fehlende technische Möglichkeit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität möchte ich noch hinweisen. Es geht um die Telefonüberwachung von Mobiltelefonen. Es ist klar, bei der heutigen Entwicklung verwenden die Verbrecher für ihre Absprachen fast ausschließlich Mobiltelefone. Und unsere Kriminalbeamten können leider diese Überwachung der Mobiltelefone nicht vornehmen, weil es seitens der Netzbetreiber dazu die technischen Einrichtungen nicht gibt. Im August dieses Jahres haben wir im Telekomgesetz eine Verpflichtung für die Betreiber beschlossen, daß sie die sogenannten technischen Schnittstellen für eine solche Überwachung herstellen müssen. Jetzt erfahre ich, daß diese Mobiltelefonnetzbetreiber, also auch die große österreichische PTA und die Privaten, dieses Gesetz beim Europäischen Gerichtshof anfechten werden. Das würde uns zurückwerfen. Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie, Ihre Ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um diese Gesellschaften davon abzubringen.

Zum Schluß meiner Ausführungen möchte ich mit einem Irrglauben aufräumen und Sie alle bitten, dem entgegenzuwirken, nämlich dem Irrglauben, daß man durch rigorose Kontrollen an den Grenzen, die sehr notwendig und sehr effizient sein müssen, die organisierte Kriminalität aus Österreich aussperren könnte. Ich bleibe beim Beispiel Suchtgift: Eine an der Grenze beschlagnahmte Wagenladung Heroin und dazu die Festnahme des Chauffeurs sind ein großer Erfolg. Aber eine echte, effiziente und nachhaltige Bekämpfung der organisierten Kriminalität liegt im umfassenden Erkennen und Zerschlagen der personellen, finanziellen und warenmäßigen Struktur dieser Verbrecherbanden. Und diese Arbeit leisten, wie wir alle wissen, die Kriminalabteilungen im Landesinneren. Daher muß auch für die Aufstockung an der Grenze ein klares Ja gelten, aber bitte nicht zu Lasten der Dienststellen im Landesinneren. Das muß unser Ziel sein, daß wir in beiden Bereichen die bestmögliche Bekämpfung der organisierten Kriminalität schaffen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

19.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Die Restredezeit des gesamten freiheitlichen Klubs beträgt 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.43

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! In Anbetracht der kurzen verbleibenden Zeit werde ich mich auf die Themen Suchtgiftkriminalität und Drogenproblematik beschränken. Wenn Sie in Ihren Ausführungen, Herr Bundesminister, gesagt haben, das Problem Drogen habe man in


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Österreich leider nicht im Griff, so muß ich Ihnen recht geben, obwohl mir natürlich klar ist, daß es nicht auf Null zu reduzieren ist. Aber ich möchte insbesondere auf eine Sache hinweisen, nämlich daß gerade bei Jugendlichen die Suchtgiftproblematik permanent ansteigt. Es gibt 13jährige Drogentote. Ecstasy ist auf dem Vormarsch, eine, wie ich meine, verharmlosend bezeichnete "Modedroge", eine Designerdroge, von der wir wissen, daß es bereits Arten von Ecstasy-Pillen gibt, die mit ihrer verzögernden Wirkung und bei einer Einnahme von etwa drei Stück bereits tödliche Folgen haben können. Wir wissen, daß Nervenschäden aufgrund der Einnahme von Ecstasy bereits wissenschaftlich nachgewiesen sind.

Herr Bundesminister, es ist mir ein besonderes Anliegen, darauf hinzuweisen, daß wir uns diesbezüglich nicht die Schweiz als Vorbild nehmen, wie das auch der Wiener Drogenkoordinator Hacker getan hat. Er vergleicht das mit einer Ruhigstellung, von der ich meine, daß sie nicht stattfinden soll. Bezüglich eines Pilotversuches, der in Vorarlberg im Zusammenhang mit einer gleichsam staatlichen Heroinabgabe erfolgen soll, hat Frau Kollegin Motter bedauert, daß das viel zu langsam geht. Da möchte ich nur auf die Fehlversuche im Zusammenhang mit dem Methadonprogramm hinweisen. Ich stelle fest, daß die Liberalen daraus offensichtlich nichts gelernt haben und keine Konsequenzen ziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Wenn ich an die Statistik für das Jahr 1998, die 1999 veröffentlicht wird, denke, so meine ich, es ist die Gefahr in Anbetracht der am 18. November stattfindenden Sitzung des Hauptausschusses relativ groß, daß Sie Ihre Statistik schönen könnten, ohne Ihnen etwas Bösartiges unterstellen zu wollen. Ich weise darauf hin, daß im Handel übliche Tabletten ungefähr ein viertel tbis ein halbes Gramm Gewicht haben und davon nur ein Teil Wirkstoff ist. Und diese Grenzmengenverordnung, die beschlossen werden soll, ermöglicht es, daß Sie beispielsweise bei einem 50prozentigen Wirkstoffanteil und 40 Gramm erlaubter Wirkstoffmenge ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (fortsetzend): Ich komme zum Schluß, Herr Präsident. – Mit dieser Grenzmengenverordnung werden 160 Halbgrammtabletten oder 320 Einviertelgrammtabletten sozusagen als Partylieferung ermöglicht, wobei zu sagen ist, daß leider Gottes auch keine Summierungsklausel vorgesehen ist.

Ich darf Sie ersuchen, in Verbindung mit dem Justizministerium und dem Gesundheitsministerium darauf hinzuwirken, daß im Bereich der Drogenkriminalität und der Drogensuchtbehandlung keine Alibilösungen gesucht und gefunden werden, sondern daß dieser Kriminalität wirksam entgegengetreten und sie effizient bekämpft wird. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Parfuss. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.47

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ab 1. Dezember wird Österreich Schengen-Vollmitglied sein und damit auch Verantwortung für Europas Sicherheit übernehmen, wenn ab April 1998 stufenweise EU-intern die Grenzen fallen werden. Es ist erfreulich, festzustellen, daß Österreich äußerst gut vorbereitet ist. Ich erinnere an das Grenzkontrollgesetz, an das Waffengesetz und die Visabestimmung, Regelungen, die Anfang nächsten Jahres mit den anderen Schengen-relevanten Bestimmungen in Kraft treten werden. Österreich hat dadurch auf diesem Gebiet bessere Standards als die restlichen EU-Staaten.

Seit Juli 1997 sind 5 500 Personen im Grenzkontrolleinsatz tätig, die ihren Dienst versehen. Erfreulicher Nebeneffekt – ich bin an der Grenze wohnhaft – ist, daß im Bereich der Grenzbezirke die Kriminalitätsrate bereits sinkt.


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Als Grenzlandabgeordnete konnte ich mich erst kürzlich von der Effizienz der Grenzkontrolle persönlich überzeugen, und ich kann berichten, daß die Grenzbeamten nicht nur bestens motiviert, sondern auch bestens ausgerüstet sind. Die Beamten haben einen sehr schwierigen Dienst dort zu versehen, und ich glaube daher, man muß von seiten der Politik alles tun, um sie zu unterstützen. (Abg. Schwemlein  – Beifall spendend –: Das tun wir auch!)

Herr Kollege Scheibner hat wie immer schwarzweiß gemalt und die vermehrte Aufgreifung von Illegalen darauf zurückgeführt, daß es mehr illegale Grenzübertritte gibt. Herr Kollege Scheibner! Es ist eine Tatsache, daß die gute technische Ausrüstung und die motivierten Beamten der Grund für die vermehrten Aufgreifungen an der Grenze sind. Die Bilanz in der Steiermark kann sich sehen lassen: 1996, seit die Bundesgendarmerie im Grenzdienst tätig ist, konnten 139 Illegale und 20 Schlepper aufgegriffen werden. Im Jahr 1997 konnten bereits 244 Illegale und 31 Schlepper aufgegriffen werden.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Erlauben Sie mir bitte eine sehr persönliche Bemerkung in diesem Zusammenhang: Unsere österreichischen Grenzwachebeamten sind bestimmt Gefahren und Schwierigkeiten ausgesetzt, mit denen wir uns, meine ich, in Zukunft verstärkt auseinandersetzen müssen. Denn gerade sie sind es, die in dem großen Spannungsfeld stehen, einerseits die Grenzsicherung zu garantieren und andererseits die menschliche Würde der Flüchtenden zu respektieren. Wir müssen bemüht sein, den Beamten neben der Regelqualifikation auch eine psychologische Ausbildung zu ermöglichen, damit sie dieses Spannungsfeld überwinden können.

Bei meinem Besuch des Grenzüberwachungspostens in Soboth wurde von den Beamten eine Vollausbildung aller Grenzbeamten angeregt. Das unterstütze ich. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen und erlaube mir die Forderung, daß diese Vollausbildung auch von einem humanen Weltbild getragen sein muß, damit garantiert ist, daß Aggressionen größtmöglich ausgeschaltet werden.

Abschließend möchte ich noch bemerken, daß der Kontakt zwischen den Beamten und der Bevölkerung bestens funktioniert, und ich möchte mich von dieser Stelle aus dafür bedanken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sauer. – Bitte.

19.51

Abgeordneter Willi Sauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein altes Sprichwort sagt: Die Welt lebt von den Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht. Damit meine ich die Menschen, die in Vereinen arbeiten.

Es ist heute bereits mehrmals auf die Vereine hingewiesen worden. Der Herr Bundesminister hat erklärt, daß es von seinem Ministerium aus keinen "Anschlag" – so möchte ich sagen – auf die Vereine geben wird. Ich hoffe, daß ich mich auf das Wort eines Ministers verlassen kann! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Warum nicht? Das ist ja selbstverständlich! ) Denn das wäre natürlich auch ein gewisser Sicherheitsfaktor für jene Menschen, die in Vereinen arbeiten. Ich glaube, daß wir ... (Abg. Schwemlein: Warum agieren Sie dann mit Mißtrauen? Agieren Sie nicht mit Mißtrauen! Der Bundesminister hat agiert, und damit fertig!)

Ich agiere nicht mit Mißtrauen! Ich hoffe nur, daß der Herr Bundesminister sein Wort auch einlösen wird. Ich darf ihn in einem anderen Zusammenhang daran erinnern, was er bezüglich des Waffengesetzes gesagt hat. Damit bin ich eigentlich bei jenem Thema, das ich mir vorgenommen habe.

Das Waffengesetz ist kaum drei Monate in Kraft. Es wurde jedoch schon von einer Novellierung gesprochen, als es noch gar nicht in Kraft war, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil es einen Anlaßfall gegeben hat – leider Gottes einen sehr tragischen. Wenn ich mir aber die Zeitungsmeldungen der letzten Zeit ansehe, muß ich feststellen, daß es einige Gewaltverbrechen mit tödlichem Ausgang gegeben hat, bei denen immer Messer im Spiel waren. Die


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Schlagzeilen lauteten zum Beispiel: "Bauer bei Streit mit Messer erstochen", "Mit durchschnittener Kehle tot im Ehebett", "Jugendlicher vor Disco mit Messer erstochen" und so weiter und so weiter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es nach Herrn Kollegen Kier ginge, müßte man auch die Messer verbieten. Ich meine, daß es nicht gerade sehr zweckmäßig wäre, wenn ein Koch vor dem Zwiebelschneiden einen Psychotest machen müßte, um seine "Waffe" Messer zu gebrauchen. (Heiterkeit bei der ÖVP.  – Abg. Schwemlein: Der braucht kein Messer! Er kann den Zyliss hernehmen!) Möglich! (Abg. Mag. Posch: Vor allem die ÖVP-Männer haben Angst vor Messern! – Zwischenruf des Abg. Dr. Kier. ) Ja, das sind auch Messer, aber es gibt auch andere, Herr Kollege Kier!

Ich bin der Meinung, daß wir nicht unbedingt Handlungsbedarf haben, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen. Ich habe dies zumindest angenommen, bis ich gestern in den "Salzburger Nachrichten" folgendes gelesen habe: "Schlögl schießt scharf". (Abg. Mag. Posch: Soll der Schlögl die Messer verbieten?)

Gerade in diesem Zusammenhang möchte ich bei Ihnen, Herr Minister, das Wort einmahnen, das Sie im Ausschuß gegeben haben, wo Sie gesagt haben, daß die Ausnahmen, die im Waffengesetz für Jäger, Sportschützen und Vereine gelten, auch in Zukunft halten werden. Auf eine Anfrage des Abgeordneten Platter hier im Hohen Haus haben Sie, Herr Bundesminister, dieses Wort ein zweites Mal gegeben.

Herr Bundesminister! Ich vertraue auf Ihr Wort. Eines soll aber klargestellt werden: Das österreichische Waffengesetz ist erst seit drei Monaten in Kraft. Geben wir diesem Gesetz eine Chance! Wenn es gut ist, brauchen wir keine Veränderungen, wenn es schlecht ist, werden wir es verändern. (Beifall bei der ÖVP.)

19.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Achs. – Bitte.

19.56

Abgeordneter Matthias Achs (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte vorerst einige Klarstellungen zu Ausführungen des Kollegen Kiss treffen.

Kollege Kiss hat, was die Ratifizierung des Schubabkommens mit Ungarn betrifft, gesagt, daß der Innenminister und der burgenländische Landeshauptmann an der Verzögerung schuld wären. – Dazu einige Klarstellungen: Pauli Kiss weiß ganz genau, daß das Ressort des Außenministers dafür zuständig ist und daß dort die ganze Angelegenheit verschleppt wurde. Das Außenamt wurde nach der Unterzeichnung – das war am 17. April 1997 – mehrmals vergeblich um entsprechende Entwürfe gebeten.

Nachdem dem wiederholten Ersuchen nicht Rechnung getragen wurde, sind dem Außenministerium die Erläuternden Bemerkungen samt Vorbehalt übermittelt worden. Es handelt sich also keineswegs um ein Versäumnis des Innenministers, vielmehr ist das Außenministerium für die Verzögerung der Ratifizierung verantwortlich.

Meine Damen und Herren! Zum Budgetentwurf möchte ich folgendes festhalten: Durch das Budget 1998 können wir unseren soliden sicherheitspolitischen Kurs und Weg fortsetzen. Es wird gewährleistet, daß Österreich weiterhin eines der sichersten Länder der Welt bleibt. Dieses hohe Sicherheitsniveau kommt nicht von ungefähr: Es ist das Ergebnis einer Politik mit Weitsicht, einer Politik, die die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen der vergangenen Jahre erkannt und gut gemeistert hat.

Die Sicherung der EU-Außengrenzen wurde im Zuge des Schengener Beitrittes zu einer zentralen Frage der Sicherheit in unserem Land. Mit der Umsetzung des Schengener Konzepts – mehr Freiheit nach innen und mehr Sicherheit nach außen – wurden weitgreifende strukturelle und personelle Maßnahmen in Angriff genommen. Heute kann gesagt werden, daß diese


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Maßnahmen mittlerweile weit gediehen sind, und zwar sowohl im technischen als auch im personellen Bereich.

Im kommenden Jahr werden weitere 250 Grenzgendarmen aufgenommen. Bis spätestens 1. Jänner 1999 wird diese Zahl verdoppelt werden. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, daß es gerade in den Grenzregionen verstärkten Schutzbedarf gibt. Tagtäglich ist die Bevölkerung mit Problemen der illegalen Einwanderung konfrontiert.

Die Zahl grenzspezifischer Delikte ist in diesen Regionen gestiegen. Trotzdem kann sich die Bevölkerung durch die engagierte Arbeit der Exekutive und den Assistenzeinsatz des Bundesheeres sicher fühlen.

Das Ansteigen der Aufklärungsquote ist ein klares Zeichen für die Qualität unserer Exekutive. Aber auch das Bundesheer ist heute bei der Grenzsicherung kaum mehr wegzudenken. Die knapp 2 000 Soldaten an der langen EU-Außengrenze des Burgenlandes geben der Bevölkerung durch ihre ständige Präsenz das Gefühl der Sicherheit. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil eines sicherheitspolitischen Konzeptes. Daher ist die Verlängerung des Assistenzeinsatzes über die Jahrtausendwende hinaus im Burgenland auf große Zustimmung gestoßen.

Es geht auch darum, daß der professionelle Grenzdienst weiter ausgebaut wird. Durch das Mehr an Personal und den Ausbau des Sicherheitsstandards wird das Netz gegen Schlepper und andere Kriminelle immer engmaschiger und dichter. Darüber hinaus wird durch den Ausbau der Grenzsicherung auch die Sicherheit im Hinterland erhöht. Daher sorgt die Gendarmerie gemeinsam mit dem Bundesheer und der Zollwache dafür, daß sich alle Menschen in unserem Land sicher und wohl fühlen können.

Ich stehe nicht an, diesen Leuten für ihre großartige Arbeit zu danken. Den neuen Herausforderungen muß mit modernen Mitteln begegnet werden. Geben wir der Exekutive die Mittel in die Hand, die sie braucht, um unsere Sicherheit weiterhin zu gewährleisten! (Abg. Kampichler: Super!) Das Budget für das kommende Jahr wird diesem Anspruch, Herr Kollege, gerecht. Mehr Personal und mehr Ausgaben in der Höhe von 1,6 Milliarden Schilling sind ein deutliches Signal für noch mehr Sicherheit in unserem Land. Das ist keine Großzügigkeit, meine Damen und Herren: Es liegt vielmehr in unserem ureigensten Interesse, daß Österreich im Bereich der Sicherheit weiterhin führend in Europa und in der Welt bleibt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

20.03

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist wohl unbestritten, daß es neben einer florierenden Wirtschaft, neben sozialer Sicherheit, neben der Arbeitsplatzsituation und der Beschäftigungssicherheit eine wesentliche Aufgabe des Staates ist, die Bürger zu schützen und ihnen das Gefühl der Sicherheit zu geben.

Meine Damen und Herren! Dieser Aufgabe kommt der Herr Bundesminister nach. Auch das Budget wird diesen Anforderungen gerecht. Ich möchte mich dafür bedanken, daß die neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Schengener Abkommen angenommen worden sind und auf sie reagiert worden ist, denn im Gegenzug zu den offenen Grenzen ist eine polizeiliche Zusammenarbeit auf internationaler Ebene unabdingbar. Diese, Herr Bundesminister, könnte durchaus noch ein wenig schneller vorangetrieben werden. Wir alle wissen, daß Schengen für den einzelnen Bürger nicht nur weniger Wartezeit, sondern auch mehr Sicherheit bringt und daß schwere Verbrechen wie organisierte Kriminalität nicht durch Paßkontrollen behindert werden können. Denn wenn es so einfach wäre, wäre es ein leichtes.

Trotz des Schengener Abkommens, trotz der beabsichtigten Errichtung der europäischen Polizeibehörde Europol ist es für mich auch wichtig zu erfahren, wie es dem einzelnen Gendarmerieposten vor Ort, in den Gemeinden und den Bezirken geht. Wie und unter welchen


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Bedingungen können die Beamten, die für den kleinsten Bereich, den Bereich der Gemeinden, zuständig sind, Sorge für unsere Sicherheit tragen?

Ich habe gestern mit einem Beamten, der eine derartige Aufgabe vor Ort wahrzunehmen hat, gesprochen, weil mich die Meinung aus der Praxis interessiert und nicht so sehr das, was uns die Opposition einzureden versucht. Mich interessiert das, was jemand sagt, der vor Ort tätig ist, nämlich ein Gendarmeriebeamter, der politisch nicht der "Farbe" des Herrn Bundesministers zugehörig ist. Meine Fragen an ihn waren folgende: Was fehlt vor Ort? Wo gibt es Probleme? Wie ist die Ausstattung? Wie sind die Schutzeinrichtungen? Wie ist die Bezahlung?

Ich habe diesen Beamten in den letzten Jahren öfters so befragt. Dieses Mal hat er mir gesagt, wenn er ehrlich ist, dann ist er sehr zufrieden mit dem, was in den letzten Jahren und insbesondere unter Bundesminister Schlögl geschehen ist. – Das sollte auch einmal anerkannt werden! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Einen Wunsch hätte dieser Personalvertreter noch: Vielleicht wäre es möglich – das würde den Herrn Bundesminister besonders auszeichnen –, bei der Besetzung von Planstellen nach einem Objektivierungsverfahren, das klar vorgegeben ist, vorzugehen.

Ein weiterer Punkt ist die Bürokratie. Ich möchte hier – und Sie haben uns, Herr Bundesminister, dankenswerterweise sehr rasch einen Termin für ein Gespräch gegeben – den Wahlkostenersatz und die Führung der Wählerevidenz ansprechen; einen Problembereich, den die Gemeinden schon sehr oft angesprochen haben. Es ist eigentlich unverständlich, daß für derartige Abgeltungen mehrseitige Bescheide notwendig sind.

Ich habe hier einen Bescheid aus meiner Gemeinde, der die Führung der Wählerevidenz für das Jahr 1995 betrifft. Ich habe diesen Bescheid erst am 12. September 1997 erhalten – zweieinhalb Jahre für einen vierseitigen Bescheid! Dasselbe gilt für die Wahlkostenersätze, bei denen man genau anführen muß, wie viele Stunden, wie viele Überstunden, wieviel Strom, wieviel an Bürokosten und so weiter aufgewendet wurden.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich würde mir eine pauschale Abgeltung wünschen. Sie haben mir dankenswerterweise eine schriftliche Antwort zukommen lassen. Ich bin nicht ganz dieser Meinung, ich nehme an, daß einer Ihrer Beamten diesen Brief geschrieben hat – ich zitiere –: "Eine derartige Pauschalierungsregelung wäre unbillig, würden doch jene Gemeinden, die jetzt ihre Kostenersatzanträge sorgfältig dem zuständigen Amt der Landesregierung weiterleiten, gleichsam bestraft, hingegen jene Gemeinden, die sich bislang nicht um eine Vergütung der Wahlkosten gekümmert haben, gleichsam belohnt werden."

Herr Bundesminister! Es ist doch wohl so, daß jene Gemeinden, die sich aufgrund des bürokratischen Aufwandes bisher nicht um Kostenersatz bemüht haben, letztlich zur Schonung des Budgets beigetragen haben. Denn es ist auch Ihrer Beantwortung zu entnehmen, daß bei der Bundespräsidentenwahl 1992 771 Gemeinden, bei der Nationalratswahl 1994 629 Gemeinden, bei der EU-Abstimmung 715 Gemeinden keinen Antrag gestellt und bei der Führung der Wählerevidenz 1994 1 475 Gemeinden mit knapp 2 Millionen Wahlberechtigten keinen Antrag gestellt haben. Warum wohl? – Weil ihnen die Bürokratie zu aufwendig und zu umständlich ist. Ich würde meinen, wenn es in Oberösterreich möglich ist, bei der Landtagswahl einen pauschalierten Wahlkostenersatz zu geben, müßte das auch auf Bundesebene möglich sein.

Insgesamt möchte ich Ihnen, Herr Bundesminister, zu Ihrer Amtsführung gratulieren. Wir sind gerne bereit, diesem Budget zuzustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.09

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Zahlen des Budgets 1994 im Vergleich zu 1998 sprechen eine deutliche Sprache. Sie sind der Beweis dafür, daß die SPÖ und damit ihre Innenminister Franz Löschnak,


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Caspar Einem und Karl Schlögl in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Finanzministern Lacina, Klima und Edlinger der inneren Sicherheit immer einen besonders hohen Stellenwert eingeräumt haben. Der Budgetansatz Inneres stieg sowohl bei den Sachausgaben als auch bei den Personalausgaben kontinuierlich; die Zahlen wurden bereits erwähnt.

Ich möchte hier vor allem zu den Sachausgaben einige Worte sagen. Es gibt bei der Bevölkerung den Begriff der objektiven und der subjektiven Sicherheit. Subjektive Sicherheit bedeutet, daß man sich sicher fühlt, wenn man auf der Straße oder sonstwo oft einem Sicherheitsbeamten begegnet. Objektiv muß man aber sagen: Nicht nur die Anzahl von Beamten im Streifendienst ist maßgeblich, sondern auch die Zahl jener, die deren Arbeit erleichtern und wesentlich effizienter gestalten.

Daher sind gerade im Bereich der Sachausgaben die Zahlen in den letzten Jahren gewaltig angestiegen. Ich möchte nur als Beispiel erwähnen, daß alleine das EDV-Budget von 378 Millionen Schilling im Jahre 1994 auf 576 Millionen Schilling im Jahre 1998 angestiegen ist, was einen Zuwachs von etwa 200 Millionen Schilling bedeutet. Österreich ist damit in der Lage, den Anforderungen des Schengener Abkommens – man denke nur an das Schengen-Informationssystem und an die Europol-Verpflichtungen – voll gerecht zu werden. So werden im Jahre 1998 den Angehörigen der gesamten Sicherheitsexekutive etwa 11 600 Bildschirmarbeitsplätze zur Verfügung stehen. Im Vergleich dazu die Zahlen von 1994: Da waren es nur 3 553.

Dabei sind die Zahlen für die 300 Paßlesegeräte für den Grenzdienst im Jahr 1998 noch gar nicht miteingerechnet. Ich meine, daß dies auch ein ganz wesentlicher Faktor dafür ist, daß die Pässe, wenn es notwendig ist, entsprechend kontrolliert werden können.

Besonders wichtig ist der Sektor EDV. In der Broschüre, die meiner Meinung nach sehr aufschlußreich über das Innenministerium berichtet, heißt es im Abschnitt "EDV-Grundsatz": Der Einsatz von EDV dient im Bereich der Sicherheitsverwaltung im wesentlichen den Zwecken der Fahndung, Information und Kommunikation. – Zitatende.

Auch bei der Bundesgendarmerie konnten seit 1994 allein für den Austausch der Funkgeräte und Telefonanlagen, den Ankauf von Mobiltelefonen und Notrufübertragungsanlagen und vor allem auch für die Verbesserung des Funknetzes, die Einrichtung von sogenannten Landesleitzentralen in den Landesgendarmeriekommanden, wesentliche Aufwände verbucht werden. Nunmehr verfügt jede Gendarmeriedienststelle in Österreich über zumindest ein Kopiergerät, was vor einigen Jahren noch nicht selbstverständlich war.

Meine Damen und Herren! Die Bundesgendarmerie setzt aber auch Verbesserungen in ihren Amtsgebäuden. Die Arbeitsbedingungen sollen für unsere Gendarmen, die ja nicht immer einen angenehmen Dienst versehen, verbessert werden, damit sie zumindest bessere Unterkunftsmöglichkeiten vorfinden.

Besonders erfreulich im Budget 1998 ist für mich der Umstand, daß die Adaptierung der Räumlichkeiten der Alarmabteilung der Wiener Polizei in der Roßauer Kaserne zügig fortgesetzt werden kann. Damit kann einem langgehegten Wunsch der Alarmabteilung, nämlich vom jetzigen Standort Liechtenwerderplatz wieder in die Roßauer Kaserne zurückzukehren, entsprochen werden.

Insgesamt kann daher – auch wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, und ich meine damit besonders die Freiheitlichen und Frau Dr. Partik-Pablé, die die Bemühungen des Innenministers immer schlechtmachen – von einem sehr guten Budget gesprochen werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben wieder einmal nicht aufgepaßt oder es nicht verstanden! Der Minister selbst hat mir recht gegeben!) Ich meine, die Beamtinnen und Beamten der Exekutive finden gute Arbeitsbedingungen vor, weil die gewaltigen Investitionen der letzten Jahre in den Sektoren Ausstattung und Ausrüstung nun voll nutzbar werden. (Beifall bei der SPÖ.)


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97. Sitzung / Seite 161

20.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. 5 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Großruck: Wieviel ist die Gesamtrestredezeit der ÖVP?) 13 Minuten Gesamtrestredezeit.

20.14

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ohne in den Verdacht kommen zu wollen, Ihnen, Herr Bundesminister, Rosen streuen zu wollen oder "schlöglphil" zu sein, muß ich Ihnen einige Komplimente machen. (Abg. Schwemlein: Trauen Sie sich ruhig!) Herr Bundesminister! Ihnen ist es gelungen, das Mißtrauen, das die Exekutive Ihrem Vorgänger gegenüber hatte, einzudämmen, wieder Vertrauen in die Exekutive zu bringen und der Arbeit der einzelnen Beamten wieder Sinn und Existenzberechtigung zu geben. Sie haben also im wörtlichen Sinn für eine gewaltige Klimaverbesserung in der Exekutive gesorgt.

Das gilt auch für die Gerätschaften, mit denen die Beamten zufrieden sind, für Ausrüstung und Waffen. Hinsichtlich der Waffen möchte ich eine Kleinigkeit anführen. Es werden anscheinend noch immer Plastikhalfter für die Waffen geliefert, worüber sich die Exekutivbeamten beklagen; denn wenn sie die Waffe brauchen, können sie sie nicht ziehen, weil sie nicht aus dem Halfter herausgeht. Daher kaufen sie auf eigene Kosten bessere Lederhalfter. Es wäre eine Kleinigkeit, da Abhilfe zu schaffen.

Herr Bundesminister! Sie haben – und das sieht man – als ehemaliger Bürgermeister die nötige Sensibilität und Antenne für die Bedürfnisse jener, für die Sie zuständig sind. Ich meine, es ist angenehm, wenn wir das Gefühl haben, daß der Bundesminister das Ohr beim Volk hat und bei jenen, für die er zuständig ist, vernünftig und realistisch agiert! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber, Herr Bundesminister, Rosen haben bekanntlich auch Dornen. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und nicht alles eitel Wonne. Es gäbe eine Reihe von Kritikpunkten und Verbesserungsvorschlägen – das ist logisch, denn die absolute Zufriedenheit kann es nicht geben. Ich habe mir den Dienstpostenplan angeschaut, der von der Zahl her stimmt. Aber die Statistik ist eben auch sehr geduldig. Wenn ich sage, er stimmt statistisch, muß man auch etwas in die Tiefe gehen. Da wird man nämlich feststellen, daß manche Behörden, vor allem Zentralstellen, noch etwas mehr aufgerüstet werden und dort, wo es viel eher notwendig wäre, nämlich im ländlichen Raum, gespart wird. Ich spreche die Systematisierung an. Gerade in Oberösterreich gibt es eine Reihe von Exekutivbeamten zuwenig, und ich ersuche Sie, dieses Manko entsprechend zu beheben.

Es ist heute das Vereinsgesetz, das Sie angeblich ändern wollen, angeführt worden. (Abg. Schwemlein: Na!) Ich vertraue auf Ihre Ausführungen, Herr Bundesminister, und hoffe, daß das, was Sie uns hier versichert haben, eintrifft. Aber schon allein die Diskussion, die hier im Parlament stattfinden soll, berechtigt natürlich, aufmerksam zu sein, so nach dem Motto: Wehret den Anfängen! oder, wie die Berliner sagen: Nachtigall, ik hör dir trapsen!, oder die Oberösterreicher: Der Teufel schläft nicht! Wir sollten aufpassen, daß nicht die Vereine aufgrund dieser Diskussion zum Handkuß kommen.

Ich habe dafür Verständnis, Herr Bundesminister, auch Gewerkschaften sind Vereine. Vielleicht hat sogar der eine oder andere, als er das Gründungsblatt der FGÖ gelesen hat, daran gedacht, daß er dem einen Riegel vorschieben will. Es ist geradezu eine gefährliche Drohung, wenn ich hier lese, was Herr Gaugg an die Unternehmer schreibt – bitte hören Sie zu und lassen Sie es sich im Ohr und auf der Zunge zergehen –:

"Die FGÖ vertritt alle ,arbeitenden Menschen‘, also natürlich auch Sie und Ihre Interessen, für die wir – auch im Parlament – immer wieder großes Verständnis aufbringen". Und weiters schreibt er: "Ganz besonders dankbar wäre ich auch im Namen vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn Sie uns mittels beiliegendem Erlagschein auch eine finanzielle Unterstützung zukommen lassen könnten. Wir wollen nicht nur politisch, sondern auch finanziell unabhängig bleiben (...). Vielleicht ist auch Ihnen eine unabhängige Interessensvertretung etwas wert."

Herr Bundesminister! Da hätte ich sogar Verständnis, wenn das Anlaßfall zu einer strengeren Kontrolle des Vereinsgesetzes wäre. (Beifall bei der ÖVP.) Aber wegen solcher Dummheiten, die ausgeschickt werden und mit denen die Unternehmer und das Volk wirklich für blöd verkauft werden sollen, sollte man nicht ein so wichtiges Gesetz zur Diskussion stellen.


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97. Sitzung / Seite 162

Ich komme zum Schluß. Herr Bundesminister! Es ist das Waffengesetz angesprochen worden. Da gibt es eine Reihe von Änderungen. Meine Zeit läßt es nicht zu, ausführlich darauf einzugehen. Ich darf Ihnen ein Kurzprotokoll der Gespräche geben, die ich mit Interessierten beziehungsweise mit Fachleuten geführt habe. Da sind vernünftige Vorschläge gemacht worden, unter anderem, daß die Monopolstellung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit abgeschafft gehört. Es gibt auch andere Institutionen.

Herr Bundesminister! Ich darf Sie also ersuchen, die Schwachpunkte bei der Durchführung des Waffengesetzes zu korrigieren, es nicht zu verschärfen, sondern das Waffengesetz vertretbar und exekutierbar zu machen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Kiermaier vor. Gleichfalls 5 Minuten freiwillige Beschränkung der Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.20

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Budgetkapitel Inneres war ich sehr angenehm überrascht, als mir Minister Schlögl mitteilte, daß mit zirka 8 000 Einheiten die volle Ausstattung aller Gendarmerie- und Polizeidienststellen schon für Ende des Jahres 1998 zu erwarten ist.

Meine Damen und Herren! Wenn ich zurückdenke, so hat sich in den sieben Jahren, die ich in diesem Haus bin – immer als Mitglied des Innenausschusses –, einiges getan. Ich möchte daher meinem Innenminister meinen vollen Respekt bekunden, bei dieser Gelegenheit aber auch seinem Vorgänger, dem Bundesminister a. D. Franz Löschnak, für die wichtigen Weichenstellungen damals ein Dankeschön sagen. Es war wirklich deprimierend, wenn man bei Besuchen in Gendarmerieposten zweimal abgewohnte Möbel, museale Sanitärausstattungen und Beheizungsmöglichkeiten und so weiter vorgefunden hat. Schreibpapier mußte mit Blaupapier eingespannt und Fehler mit Radiergummi und Tipp-Ex-Streifen ausgebessert werden. Das war ein Relikt aus dem vorigen Jahrhundert. Ich bin froh, daß sich das geändert hat, denn ein guter Exekutivbeamter braucht ein gutes Werkzeug, wenn er eine gute Arbeit leisten soll. (Beifall des Abg. Dr. Mock. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ergebnisse bezüglich Schengen möchte ich nur mit einem Satz streifen. Sie sind hervorragend, und ich glaube, wir werden sehr bald Nutznießer dieser Errungenschaften sein.

Ich möchte mich betont kurz fassen und zum Schluß nur noch eines meiner Lieblingsthemen aufgreifen, nämlich die Gemeindewachkörper. Auch diesbezüglich habe ich eine sehr konstruktive Auskunft bekommen; sie war für die Gemeindewachbediensteten Ostern, Pfingsten und alles auf einen Schlag zusammen: Der Herr Bundesminister hat sie nämlich als wichtige und vollwertige Wachkörper bezeichnet, auf die man nicht verzichten könne.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da es manchen nicht bekannt ist, möchte ich noch anfügen, daß es sich bei diesen Gemeindewachkörpern um voll ausgebildete Bundespolizisten beziehungsweise Gendarmen handelt. Ich habe – das möchte ich dezidiert sagen – meine Vorbehalte gegen alle privaten Wachkörper. Bei vielen dieser privaten Sicherheitskörper streiche ich meine Bedenken sehr stark hervor. Ich möchte lieber von einem offiziellen Sicherheitsorgan als von irgendeinem privaten Wachkörper betreut werden. Das möchte ich hier klar und deutlich sagen! (Abg. Rosemarie Bauer: Das sag’ ich auch!)

Herr Bundesminister! Ich möchte dir recht herzlich für diese Erfolgsbilanz, die ich hier gezeichnet habe, danken. Ich möchte aber auch allen Mitarbeitern des Ministeriums, die uns immer wieder – das muß ich sehr deutlich hervorkehren – freundschaftlich und hilfsbereit gegenübertreten (Abg. Rosemarie Bauer: Das ist eine Freunderlwirtschaft!), ein Dankeschön sagen. Das Arbeiten im Innenausschuß ist wirklich eine Freude, und es macht einem Spaß, in diesem Bereich tätig zu sein.


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97. Sitzung / Seite 163

So wünsche ich allen Betroffenen – dem Herrn Bundesminister, den Angehörigen des Ministeriums, allen Landesgendarmeriekommanden, den Bezirkskommanden und allen Gendarmerieposten und Polizeikommissariaten – gutes Gelingen ihrer Arbeit. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosemarie Bauer: Wo ist der Geschenkkorb?)

20.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.24

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Da sich bereits meine Vorredner eingehend mit der Thematik Innenministerium befaßt haben und durchwegs positive Stellungnahmen und Dankesworte meiner Kollegen zu hören waren, möchte auch ich mich positiv zu Ihrer Amtsführung äußern, geschätzter Herr Bundesminister, möchte aber zwei Themenbereiche anschneiden, die mir leichtes Bauchweh bereiten.

Der erste sind die geplanten Kostenersätze im Zivildienst und die Absicht, diese Kostenersätze auch den sogenannten Blaulichteinrichtungen abzuverlangen. Es liegt bereits eine Regierungsvorlage, mit der wir uns in der nächsten Sitzung auseinandersetzen müssen, vor. Es geht dabei um eine Kostenvergütung für das Rote Kreuz und für den Arbeiter-Samariter-Bund. Ich stelle fest, daß für diese Einrichtungen die Sätze zwar verringert wurden, daß aber für sie damit trotzdem eine schwierige finanzielle Situation heraufbeschworen wird. Der Umstand, daß alleine in Oberösterreich 12 Millionen Schilling notwendig sein werden, um diese Kostenersätze zu leisten, geht eindeutig zu Lasten unserer Gemeinden, denn umgerechnet auf den einzelnen Gemeindebürger bedeutet das eine Mehrbelastung durch den Rettungsschilling von rund 5 S pro Person. – Es ist sehr schwer für mich, der Regierungsvorlage in diesem Punkt die Zustimmung zu geben.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie schon heute, dafür zu sorgen, daß man, für den Fall, daß es deswegen Schwierigkeiten und Engpässe geben sollte, nachjustieren kann, denn die freiwilligen Hilfsdienste dürfen auf keinen Fall gefährdet werden.

Auf das Vereinsgesetz wurde bereits eingehend hingewiesen, und ich freue mich, daß mein Ansprechen dieser Problematik in der Bugdetausschußsitzung dazu geführt hat, daß Kollege Leikam doch etwas nervös wurde. Vielleicht habe ich Sie gerade damit am linken Fuß getroffen. (Abg. Schwarzenberger: Das war ein Hühnerauge!) Ich möchte aber auch hier nochmals eindeutig dazu Stellung nehmen, denn der Herr Innenminister hat in dieser Sitzung erklärt, daß es sehr wohl eine vom damaligen Innenminister Löschnak eingesetzte Arbeitsgruppe gegeben hat, die ein Konzept dazu erarbeitet hat, das auch vorliegt. Diese Arbeit wäre ja völlig umsonst gewesen, wenn sie nicht zu einer Gesetzesveränderung führen würde.

Ich glaube, daß wir von der Volkspartei, die wir zu den Vereinen stehen, nun erreicht haben, daß es da vorerst zu keiner Änderung kommt. Wenn es aber zu einer Änderung kommt, dann machen wir das gemeinsam, und zwar so, daß auch die kleinen Vereine zu Wort kommen können und zu ihren Anliegen eindeutig Stellung genommen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir brauchen keine Verbürokratisierung und Schikanierung unserer Vereine, sondern wir müssen die Vereine und unsere Vereinsfunktionäre fördern, denn sie sind das wichtigste Bindeglied in unserer Gesellschaft. Gerade jene, die sich immer wieder als Vereinsfunktionäre zur Verfügung stellen, dürfen von uns nicht als "Vereinsmeier" abgetan werden, sondern deren Leistungen müssen anerkannt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich selbst bin Mitglied vieler Vereinen, und auch der Herr Innenminister war, wie ich glaube, als Bürgermeister sicherlich bei vielen Vereinen. Wir wissen, was diese Leute für unsere Gesellschaft leisten. (Abg. Leikam: Ich bin seit 35 Jahren Obmann in einem Verein! Mir brauchst du das nicht zu sagen!)


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97. Sitzung / Seite 164

In Oberösterreich haben wir sogar ein "Jahr der Freiwilligen", der Ehrenamtlichen eingeführten. Ich möchte von dieser Stelle aus die Anregung machen, auch auf Bundesebene ein Jahr der Ehrenamtlichkeit, ein Jahr der Freiwilligkeit oder sogar ein Jahr des Vereinsleben einzuführen, um verstärkt auf die Wichtigkeit unserer Vereine und der ehrenamtlich Tätigen hinzuweisen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Keppelmüller: Und die Zeltfeste freigeben! Die Zeltfeste der Feuerwehr!)

20.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist noch Herr Abgeordneter Zweytick. Die Restredezeit Ihres Klubs beträgt 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.29

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verbesserungen wie veränderte Strukturen unserer Exekutive, wie geschultes Personal, das den neuen Herausforderungen durch eine entsprechende Ausbildung begegnen kann, und vor allem aber die Sicherheitsakademie und die EDV-Ausstattung et cetera werden schon lange gefordert. Diesen Forderungen, die die Österreichische Volkspartei schon über viele Jahre erhebt, wird durch die Erhöhung des Budgets Rechnung getragen. Es gibt über 800 Millionen Schilling mehr für Personal, die generelle Steigerung liegt bei 8 Prozent.

Mit 1. Jänner 1998 können weitere 250 Beamte in den Grenzdienst eintreten. Hinzu kommen im Laufe des Jahres 1998 noch weitere 250 plus die 66 optierenden Beamten der Zollwache. Sie alle werden im Einsatz an unserer Außengrenze tätig sein und damit für die Sicherheit an den Außengrenzen der Europäischen Union sorgen. (Beifall bei der ÖVP.)

Für die Sicherheit steht in erster Linie das Personal! Weder Auto noch Gerät, sondern im wesentlichen die Menschen vor Ort! Dieses Personal erzielt auch eine optimale Effizienz. Ich wohne nur 300 Meter von dieser Außengrenze entfernt – meine Weingärten gehen bis nach Slowenien –, und ich merke, daß wir dem organisierten Verbrechen mit zivilen Beamten und zivilen Fahrzeugen teilweise noch viel effizienter entgegentreten könnten. Diese Forderung ist mir ein Anliegen. Es würde uns sehr helfen, effizienter aufzutreten. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Beispiel möchte ich den Grenzübergang Gamlitz-Eckberg anführen. In den wenigen Monaten seines Bestehens wurden bereits 77 Illegale und zusätzlich 15 Schlepper aufgegriffen. Das ist das Wesentliche, denn gerade gegen das menschenunwürdige Schlepperwesen muß restriktiv vorgegangen werden. Bundesweit waren es über 11 000 Menschen, die durch kriminelle Organisationen Leid und Schaden ertragen mußten. Ein effizienterer Einsatz zum Schutz der Menschenrechte müßte doch auch im Sinne der Grünen sein. Die Grünen müßten das eigentlich voll begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe nicht mehr so viel Zeit, aber es gäbe noch so vieles zu sagen! An den Grenzübergängen gibt es natürlich auch verstärkte und längere Staus durch die LKW-Kontrollen. (Abg. Rosemarie Bauer: Hannes, das Mikro!) Die Ausstattung mit Personal ist in diesem Fall nicht so großzügig, und um Staus an den Grenzen zu vermeiden, wäre es vielleicht vernünftig, im nachgelagerten Bereich – also ungefähr 15 Kilometer hinter der Grenze – verstärkte Kontrollen der LKWs mit Sonden durchzuführen, noch dazu, wo wir wissen, daß viele illegale Gruppen, die an der Grenze nicht erfaßt werden können, nach zirka 10 Kilometern in die LKWs einsteigen und oft weiter nach Deutschland reisen. (Abg. Rosemarie Bauer: Hannes, ins Mikro mußt du reden! Denk an die Stenographen!) Ich glaube, dadurch könnten wir Staus an den Grenzen verhindern, das Personal effizienter einsetzen und auch der illegalen Einwanderung wirkungsvoller begegnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte abschließend noch sagen, daß uns der Sicherheitsbericht bestätigt, daß sich im Hinblick auf die Erfüllung der Schengener Kriterien unsere Grenze – ich zitiere – "zu einem ernstzunehmenden Hindernis für die illegalen Transfers der Schlepperkriminalität, des Drogen- und Waffenhandels, der Kfz-Verschiebung sowie anderer grenzüberschreitender Delikte entwickeln muß". – So steht es im Sicherheitsbericht. (Beifall bei der ÖVP.)


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97. Sitzung / Seite 165

Von dieser Stelle aus darf ich aber auch auf die guten Erfolge hinweisen und für die sehr gute Arbeit unserer Grenzgendarmerie, aber auch – nicht zu vergessen – der Zollwache an den Grenzübergängen danken.

Ganz zum Schluß möchte ich noch sagen, daß es alles andere als im Sinne der ÖVP ist, nach einer jahrelangen Arbeit für die Sicherheit nun durch eine Waffensteuer eine neue steuerliche Belastung einzuführen. (Abg. Leikam: Hannes, das Licht blinkt!) Es ist dies auch nicht im Sinne der Bevölkerung. Wir wollen eher ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich bitte um den Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Johannes Zweytick (fortsetzend): Wir wollen eher Aufklärungsinitiativen als neue Steuern. – Ich danke Ihnen recht herzlich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Posch: Weinsteuer!)

20.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte zu diesem Zweck die Damen und Herren Abgeordneten, den jeweiligen Platz einzunehmen, und ich bitte auch die Mitarbeiter, die Gänge zwischen den Sitzreihen zu verlassen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beratungsgruppe IV des Bundesvoranschlages für das Jahr 1998. Diese umfaßt das Kapitel 11 des Bundesvoranschlages samt dem dazugehörenden Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages in 841 der Beilagen.

Im Falle ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Anfragen 3302/J bis 3308/J eingelangt sind.

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, Donnerstag, den 13. November 1997, 9 Uhr, mit folgender Tagesordnung ein:

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (841 und Zu 841 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1998 samt Anlagen (910 der Beilagen).

Zur Beratung kommen: Beratungsgruppe X: Wissenschaft und Verkehr, Beratungsgruppe VI: Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, Beratungsgruppe XII: militärische Angelegenheiten.

In dieser Sitzung findet keine Fragestunde statt.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 20.36 Uhr