Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 156. Sitzung / 104

ligung an Hilfsmaßnahmen für Brasilien wirft eine Reihe von Fragestellungen auf, die wir im Zuge der heutigen Debatte zu diskutieren versuchen. Ich meine jedenfalls, daß die Situation in Brasilien nicht losgelöst von der gesamten weltwirtschaftlichen Situation zu betrachten ist.

Festzustellen ist, daß es derzeit relativ massive Repressionskräfte in der Weltwirtschaft gibt, was sich unter anderem darin dokumentiert, daß es einen massiven Rückzug der Auslandsinvestitionen von den "emerging markets" gibt. Und festzustellen ist weiters, daß wir es in den letzten zwei Jahren mit einer Verringerung des Welthandels und einer Senkung der Rohstoffpreise zu tun haben. Darüber hinaus war es so, daß in den letzten eineinhalb Jahren, und zwar in verschiedenen Teilen der Welt, nationale Volkswirtschaften in erhebliche Schwierigkeiten geraten sind und daß letztendlich das, was in Südostasien begonnen und sich über Rußland fortgesetzt hat, nunmehr die letzte Verteidigungslinie der aufstrebenden Märkte, nämlich Brasilien erreicht hat.

Es ist davon auszugehen, daß, wenn es nicht gelingt, die Situation in Brasilien einigermaßen in den Griff zu bekommen, weiterhin nicht nur verlangsamende, sondern repressive Kräfte in der Weltwirtschaft wirken werden. Aber das kann doch nicht in unser aller Interesse gelegen sein. Daher gibt es für das, was in der Weltwirtschaft passiert, da es ja uns alle betrifft, auch so etwas wie globale Verantwortung. Und es ist die Frage zu stellen: Wie wird diese globale Verantwortung wahrgenommen?

Der Punkt, den ich in der Kritik des Kollegen Firlinger für berechtigt halte, ist, daß sich in den letzten Jahren aufgrund umfassender Kapitalverkehrsliberalisierungen herausgestellt hat, daß zwar die Gewinne immer privatisiert und umfassend abgeschöpft werden, daß aber immer dann, wenn es darum geht, eine Krise zu lösen, öffentliche Gelder in Anspruch genommen werden, eine geeignete Beteiligung privater Investoren an Krisensanierungspaketen aber bisher nicht zu sehen war. Und das muß meiner Auffassung nach als kritischer Punkt in bezug auf alle bisherigen Krisenlösungsstrategien festgehalten werden.

Zweiter Punkt: Sind die Institutionen, die derzeit das Management der Weltwirtschaft betreiben, geeignet, dies zu tun, und werden von ihnen politische Maßnahmen ergriffen, die letztendlich auch wirksam sind?

Die beiden entscheidenden Institutionen in diesem Zusammenhang sind der Internationale Währungsfonds und das amerikanische Finanzministerium, die im wesentlichen die Richtlinien vorgeben. Die Politik dieser beiden Institutionen ist zu Recht kritisiert worden. Ich möchte etwa nur daran erinnern, daß das Hilfspaket für Rußland beschlossen wurde, und fünf Wochen danach ist die Krise in Rußland schlagend geworden. Ende November 1998 wurde ein Hilfspaket für Brasilien beschlossen, und wenige Wochen danach wurde die Krise in Brasilien schlagend. Da ist natürlich erheblicher Zweifel an der Richtigkeit diese Strategien angesagt.

Andererseits stellt sich natürlich die Frage, ob nicht auch ein Grund für diese Strategie darin lag, zumindest Zeit zu gewinnen, denn wenn knapp nach Rußland gleich Brasilien schlagend geworden wäre, wären die Turbulenzen in der Weltwirtschaft möglicherweise noch größer gewesen, als sie es jetzt ohnehin sind. Das heißt, man muß auch anerkennen, daß es schon einen gewissen Sinn hatte, das Ganze zumindest zu versuchen.

Bisher wurden diese gesamten Krisenlösungspakete vor allem von dem Standpunkt aus kritisiert, daß die sozialen Auswirkungen auf die Bevölkerung meistens sehr dramatisch waren und daß es im Gefolge dieser Pakete – vor allem in Südostasien – auch zu einigen politischen Turbulenzen gekommen ist. Ich verweise in diesem Zusammenhang vor allem auf die Situation in Indonesien.

Diese Kritik ist für das Brasilien-Paket meiner Auffassung nach jedoch nicht stichhaltig, denn vom sozialen Standpunkt aus betrachtet war das Brasilien-Paket ausgewogener als jene Pakete, die in Südostasien zur Anwendung gekommen sind. Kernpunkt der Auseinandersetzung ist allerdings, daß all die Zusagen, die die brasilianische Regierung im Austausch für dieses Paket gegeben hat, in Brasilien bisher nicht in die Tat umgesetzt wurden und daher der Zeitgewinn,


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