Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll33. Sitzung / Seite 12

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 393/A(E).

Da dieser in der Zwischenzeit allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

In den letzten Wochen und Monate kam es in Österreich zu Szenen, die so wohl we­nige in unserem Land erwartet hatten: im Zuge von Abschiebungen wurden Familien auseinandergerissen, Kinder wurden auf dem Schulweg von der Fremdenpolizei aufge­griffen, Jugendliche drohen aus Angst vor der Abschiebung mit Selbstmord, und ganze Gemeinden, Schulklassen und Nachbarschaftsinitiativen kämpfen für ein Bleiberecht ihrer MitbürgerInnen. Die vielen tragischen Schicksale langjährig integrierter Menschen und Familien mit Kindern haben eines klar zu Tage treten lassen: Gesetzgebung und Vollzug des Fremdenrechtes in Österreich müssen dringend einer Änderung unterzo­gen werden.

Es ist schlimm genug, dass Österreich mit dieser Art von verweigerter Migrationspolitik wichtige Zukunftschancen verspielt. Noch wesentlich schlimmer sind allerdings die tief­greifenden menschenrechtlichen Defizite in Österreich, die angesichts der Abschiebun­gen von integrierten Menschen offenkundig werden.

Der Respekt vor dem Familien- und Privatleben des Einzelnen ist unbestritten eines der höchsten Güter in der Gesellschaft. Es untersteht daher auch dem besonderen Schutz der Gesetze, insbesondere des Verfassungsrechtes. Das Grundrecht auf Privat- und Familienleben ist durch Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonven­tion umfassend und im Verfassungsrang geschützt. Die Gesetzeslage in Österreich, somit auch die Fremdenrechtsgesetzgebung hat sich innerhalb dieses Rahmens zu be­wegen. Menschenrechte müssen innerhalb der Rechtsordnung wirksam umgesetzt und durchgesetzt werden können. Das betrifft sowohl den einfachen Gesetzgeber als auch die Vollziehung. Daran fehlt es dem seit 2006 gültigen Fremdenrechtspaket.

Die Erteilung humanitärer Aufenthaltsgenehmigungen, wie sie im 7. Hauptstück des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes geregelt ist, erfolgt als Ermessensentschei­dung des Bundesministers für Inneres. Betroffene dürfen in Österreich nur ein form­loses Ersuchen an die Landesbehörden (Bezirkshauptmannschaften) richten. Die Be­zirkshauptmannschaft (BH) darf ein Ersuchen aber nicht selbst bewilligen, sondern ist lediglich befugt, es an das Innenministerium zu übermitteln. Die Kompetenz der Länder geht somit über eine „Botenstellung“ nicht hinaus. Nur dem Bundesminister für Inneres steht es zu, diesem Ersuchen zuzustimmen oder nicht. Im Falle der Zustimmung wird der BH die Erteilung einer humanitären Aufenthaltsgenehmigung aufgetragen. Die Be­troffenen selbst haben nicht einmal das Recht auf die Weiterleitung ihres Ersuchens von der BH an das Innenministerium, schon gar kein Recht auf eine juristisch bekämpf­bare und begründete Entscheidung über das Gesuch. Das BMI muss die Ablehnung des Gesuchs nicht einmal begründen. Viele BittstellerInnen erhalten nach den Erfah­rungen aus der Praxis gar keine Nachricht über ihr Ansuchen.

Die Vollzugsbehörden brauchen die Ergebnisse der Gesuchsprüfung durch den Innen­minister nicht abwarten und können sofort abschieben. Eine seriöse und verbindlich vorzunehmende Überprüfung, wieweit eine Abschiebung mit dem Menschenrecht auf Privat- und Familienleben in Konflikt käme, ist so nicht möglich.

Das Menschenrecht auf Privat- und Familienleben bleibt somit ein bloßer Gnadenakt des Ministers und wird nicht in einem rechtsstaatlichen Verfahren geklärt, auf das die Betroffenen ein Anrecht hätten. Im Vergleich dazu hat in Österreich jeder Schrebergar­tenbesitzer, der ein Gartenhäuschen errichten möchte, ein Antragsrecht, ein Recht auf


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