Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung / Seite 50

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schwister sind, wo ihre Bekannten sind. Sie haben dem Tod ins Auge geschaut, und vor diesem Tod fliehen sie. Ich glaube, das ist ihr gutes Recht, das zu tun. (Abg. Hübner: Das ist aber nur ein Glaube !) – Nein, das ist kein Glaube, das ist eine Tatsache. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Angesichts dieser Hintergründe ist die Diskussion schon manchmal sehr zynisch. (Ruf bei der FPÖ: Zynisch ist leider was anderes!) Nachdem ich Ihnen zugehört habe, kann ich das nur so sagen. Ich frage mich: Wie steht es eigentlich um unser Europa? Wie steht es eigentlich um unsere Werte, wenn so eine zynische Diskussion geführt wird? (Ruf bei der FPÖ: Zynismus ist, die Schlepper!)

Manchmal wurde auch gegen die Seenothilfe gewettert oder argumentiert, weil es ja die Gefahr der Nachahmung gibt.

Aber, meine Damen und Herren, was würde das im Umkehrschluss heißen? Heißt das im Umkehrschluss dann: Wir schauen zu, wenn die Menschen ertrinken, denn das dient der Abschreckung? – Mit so einer Politik, meine Damen und Herren, lösen wir keineswegs das Flüchtlingsproblem, sondern beerdigen unsere eigenen Werte gemeinsam mit den Toten im Mittelmeer. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Die heute schon oft angesprochene Seenotrettung ist unsere Pflicht, und eigentlich bedarf sie überhaupt keiner Diskussion. Sie ist unsere Pflicht, und es gibt in dieser Frage keinen politischen Spielraum, den Sie hier ansprechen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Abg. Kickl: Ich finde Sie nicht auf der Rednerliste!) Ich bin daher froh, dass die Fürsprecher dieser Abschreckungspolitik sich nicht durchsetzen konnten und die jetzt beschlossene Verdreifachung der Mittel auf das damalige Niveau von Mare Nostrum gegeben ist, wobei ich schon hinzufügen möchte: Ich bin der Meinung, dass die EU der 28 mehr schultern könnte als das, was Italien in einem ganzen Jahr geleistet hat. (Ruf bei der FPÖ: Was können wir schultern?)

Die EU sollte aber auch in der Lage sein, die Aufgaben insgesamt solidarischer zu lösen. Ich unterstütze daher ausdrücklich die Position der Regierung, bis Juni in der EU eine gemeinsame Quotenregelung zu finden. Es kann nicht so bleiben, dass sich einige wenige Staaten kümmern und der Rest einfach wegschaut. Sich um die Flüchtlinge zu kümmern, ist eine gesamteuropäische Aufgabe.

Auch der nächste Punkt wurde schon angesprochen: Wir müssen einen neuen, besser berechneten Schlüssel für die Flüchtlingsaufnahme finden, wir brauchen aber auch einheitliche Standards bei der Anerkennung von Flüchtlingen, ganz zu schweigen von den Mindeststandards für die Versorgung von Flüchtlingen. Auch das Dubliner Abkom­men muss man sich genauer anschauen und möglicherweise ändern. (Abg. Kickl: Ah so?)

Die Seenotrettung ist Pflicht, sie ist aber sicher nicht die Lösung der Flüchtlingsfrage. Ebenso wenig ist die Lösung in der Bekämpfung von Schlepperbanden zu finden. Sicherlich muss man gegen sie vorgehen, das ist keine Frage, aber lösen werden wir damit das Problem der Flüchtlingsströme nicht, denn auch diese Rechnung geht nicht auf. Nicht zu viele Schlepper führen zu vielen Flüchtlingen, sondern: Es gibt so viele Schlepper, weil es so viele Flüchtlinge gibt.

Es gibt eigentlich nur ein wirksames Mittel, um Flüchtlingsströme zum Erliegen zu brin­gen: Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen erst gar nicht mehr flüchten müssen. Das zeigt aber, dass es keine kurzfristigen Lösungen gibt. Wir brauchen einen langen Atem, wir brauchen langfristige Strategien für Afrika und den Nahen Osten, um dort Frieden zu schaffen, und wir brauchen eine bessere Kooperation mit unseren afrika­nischen und arabischen Partnern. (Abg. Kickl: Das klingt ja fast neokolo-


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