Bundesrat Stenographisches Protokoll 653. Sitzung / Seite 93

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der zu scheidenden Ehegatten einzubeziehen ist. Das ist richtig. Die reale Arbeitsbelastung hängt von ganz anderen Faktoren ab. Diese sind allerdings in der vorliegenden Novelle auch nicht ausreichend berücksichtigt. Nun geht es bei der Neuregelung – das ist einzuräumen – zwar um durchschnittliche familien- und vermögensrechtliche Verhältnisse und um durchschnittliche anwaltliche Leistungen; denn allein für sie soll die Pauschalierungsregelung eingreifen. Dieser allzu unbestimmte Rechtsbegriff wird aber zwangsläufig zu Auslegungsstreitigkeiten führen und ermöglicht eben dadurch wiederum keine sichere Vorhersehbarkeit der zu erwartenden Kosten.

Was gilt denn für Fälle, in denen mangels gegebener "Durchschnittlichkeit" die Pauschalierung über- oder unterschritten werden soll? Ist man sich dabei dessen bewußt, daß die freigewählten Rechtsanwälte an einer einvernehmlichen Scheidung nicht mehr sonderlich interessiert sein werden oder daß sich die Anwälte mit der Prüfung optimaler Bedingungen, der die Scheidung begleitenden Vereinbarungen möglicherweise nicht mehr ausreichend befassen werden? – Mit anderen Worten: Die Regelung erfüllt zwei Anforderungen nicht, nämlich die Voraussetzungen für das Pauschalhonorar präziser zu fassen und die zwar leistungsgerechte, aber für den Klienten noch vertretbare Höhe des Honorars zu bestimmen.

Ähnlich verfehlt ist die Obergrenze für den Streitwert von Klagen gemäß § 1330 ABGB, also auf Schadenersatz wegen Ruf- oder Kreditschädigung. Die Herabsetzung eines vom Kläger überhöht angesetzten Streitwertes gemäß § 7 Rechtsanwaltstarifgesetz reicht als Abwehrmittel wohl durchwegs aus.

Ich komme zum letzten Kritikpunkt. In bezug auf das Disziplinarrecht ist die neue Regelung abzulehnen, daß einstweilige disziplinäre Maßnahmen gegen einen Rechtsanwalt auch bereits aufgrund staatsanwaltlich genehmigter Ermittlungen der Sicherheitsbehörden verhängt werden können, selbst wenn sich darin kein ausreichender Tatverdacht äußert. Eine bloße Anzeige darf doch wohl keinen Rechtsanwalt entscheidend schädigen, er muß ja von den gegen ihn laufenden Vorerhebungen nicht einmal Kenntnis erlangt haben.

Ich erinnere Sie in diesem Zusammenhang mit Bezug auf die Causa Kalal und Hummelbrunner daran, wie rasch und leichtfertig Rechtsanwalt Dr. Merlicek in Untersuchungshaft genommen wurde, und daß es sich dann bald herausgestellt hat, daß nichts daran war.

Aufgrund all dieser zum Teil sehr schwerwiegenden Bedenken kann meine Fraktion dem Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetz die Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.47

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer. Ich erteile es ihm.

14.47

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Als einem Angehörigen des freien Berufsstandes der Notare gestatten Sie mir eingangs auf die sehr bedeutende Stellung der Notare und der Rechtsanwälte in unserem modernen Rechts- und Wirtschaftsleben hinzuweisen. Gerade in unserer Zeit, in der wir durch die Internationalisierung und durch unseren Beitritt zur Europäischen Union ein Öffnen, ein Aufbrechen der Wirtschaftsräume erleben, verstärken sich natürlich die internationalen Rechts- und Wirtschaftsbeziehungen, entstehen ganz neue Betätigungsfelder, stellen sich ganz neue Herausforderungen an diese beiden Berufsstände, der Anwälte und der Notare, als Träger des Rechtsstaates, als Rechtsberater, als die sie die Bürger vertreten beziehungsweise ihnen zur Durchsetzung ihrer Rechte verhelfen, und zwar im privaten Bereich, vor Gericht oder vor den öffentlichen Institutionen und natürlich auch vor den internationalen Behörden.

Es ist, so glaube ich, in dieser Situation besonders wichtig, daß entsprechende, zeitgemäße Rahmenbedingungen für diese beiden Berufsstände geschaffen werden, daß Berufsordnungen


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