BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 34

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Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile es ihr.

 


10.19.20

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Volksanwaltschaft! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Wichtigkeit der Volksanwaltschaft ist ja heute schon einige Male betont worden, auf der einen Seite wichtig als Unterstützung für den Einzelnen – Behördenwillkür wird es immer geben –, auf der anderen Seite aber auch deshalb, weil gerade so ein Bericht wie dieser klarmacht, in welchen Bereichen oft eine gesetzliche Regelung fehlt oder zumindest nachzubessern wäre. Und unsere Aufgabe sehe ich jetzt darin, dass wir diesen Bericht gut lesen, uns das auch zu Herzen nehmen und versuchen, das auch umzusetzen.

Ich habe mir naturgemäß in erster Linie die Bereiche Umwelt und Verkehr angeschaut. Bei der Umweltgesetzgebung besteht oft das Problem, dass die Auswirkungen von Rechtsverletzungen erst sehr spät sichtbar werden und man erst im Nachhinein draufkommt, dass man etwas anders hätte machen sollen.

Da gibt es zum Beispiel eine mangelhafte Erhebung der Wasserrechtsbehörde bei der Beurteilung der wasserrechtlichen Bewilligungspflicht eines Fleischproduktionsgatters. Die ganze Geschichte ist so gelaufen: Es gab einen Brunnen mit gutem Trinkwasser. 1992 wurde daneben ein Betrieb bewilligt, der Wildtiere züchtet, wodurch das Trink­wasser verunreinigt wurde. Der Einfluss des Betriebes auf das Grundwasser wurde allerdings von der BH nicht untersucht. Die BH ist davon ausgegangen, dass es sich um eine geringfügige Einwirkung handelt. Insbesondere der Gemeingebrauch sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung. Das heißt, wenn man das Gebiet nebenan land- und forstwirtschaftlich nutzt, dann wird nicht automatisch von einer Beeinträchtigung des Grundwassers ausgegangen.

Ein weiteres Problem, das ich da auch noch sehe, ist die Behandlung von Trinkwasser­schutzgebieten. Auf der einen Seite gibt es das Trinkwasserschutzgebiet 1, das einge­zäunt ist, wo jeder weiß, da darf ich nicht hinein und da darf ich auch nichts anstellen. Daneben gibt es das Trinkwasserschutzgebiet 2: Das ist nicht mehr abgezäunt, 60-Tagesreserve nennt sich das, das heißt, innerhalb von 60 Tagen fließt dort das Grund­wasser in Richtung Trinkwasser. Was dort passiert und welche Beeinträchtigungen es dort geben darf, ist nirgends geregelt, und es ist auch nicht geregelt, wer dort den Trinkwasserschutz zu erfüllen hat. Sprich, wenn vom Grundstückseigentümer selbst dort zum Beispiel Autos abgestellt werden, gibt es niemanden, der ihn dafür haftbar machen kann.

Ein weiteres Problem bei Grundwasserschutz habe ich schon erwähnt: Landwirtschaft­liche Betriebe werden in vielen Bereichen anders behandelt und anders beurteilt als Gewerbebetriebe. Eine gewerberechtliche Genehmigung für einen Kleinbetrieb ist schwerer zu erreichen als zum Beispiel eine Genehmigung für einen Schweinestall mit 600 Zuchtschweinen, der aber sicher eine schlimmere Auswirkung auf das Grundwas­ser hat als so mancher andere kleine Gewerbebetrieb.

Ein zweites Problem bei der Umweltgesetzgebung ist, dass Umweltgesetze sehr oft als Schikane gesehen werden. Es gibt zum Beispiel folgenden Fall: Der Landeshauptmann hat dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie – der Titel hat sich inzwi­schen geändert – Verdachtsflächen bekannt zu geben. Der Umweltminister hat dann diese Verdachtsflächen zu erfassen, abzuschätzen und zu bewerten und die Daten daraus dem Umweltbundesamt zu übermitteln, das dann einen Verdachtsflächenkatas­ter erstellen muss.

 


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