BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 61

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(Die Sitzung wird um 12 Uhr unterbrochen und um 12.03 Uhr wieder aufgenom­men.)

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Vizepräsident Jürgen Weiss (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbro­chene Sitzung wieder auf und erteile Herrn Bundesrat Schennach das Wort. – Bitte.

 


12.03.37

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich stand im Jah­re 2005 hier, als wir den Verfassungsvertrag abgestimmt haben. Und ich habe damals gesagt, dass ich für eine Volksabstimmung eintrete.

Ich sage es hier auch ganz offen und ehrlich: Auch mir wäre viel lieber gewesen, hät­ten wir den EU-Reformvertrag einer Volksabstimmung unterworfen, aber aus anderen Motiven – nicht aus dem Motiv, diesen EU-Reformvertrag zu kippen, sondern diesen EU-Reformvertrag in der Vertiefung einer breiten europäischen Legitimation zu unter­werfen. Aber nicht als eine nationale Volksabstimmung, sondern als eine Volksab­stimmung, die gleichzeitig in allen europäischen Ländern stattfindet und wo eine Mehr­heit der Bevölkerung Europas und eine Mehrheit der europäischen Staaten diesem EU-Reformvertrag eine direkte Legitimation gegeben hätten.

Nur: Alle anerkannten Verfassungsexperten sagen, dieser EU-Reformvertrag ist keine Veränderung der Verfassung. Und er ist auch, wenn die beiden Kammern des österrei­chischen Parlaments ihn verabschieden, der Bundesrat heute mit großer Mehrheit, kein Verfassungsbruch! Dies ermöglicht auch uns Grünen, hier und heute diesem EU-Reformvertrag unsere Zustimmung zu geben.

Allerdings stehen wir vor einer relativ großen Vertrauenskrise in Österreich – einer Ver­trauenskrise, die auch ihre Ursachen hat. Im Jahr 1994 wurden den Menschen bei der Volksabstimmung über den EU-Beitritt einige Dinge versprochen, die bis heute nicht gehalten haben. Die Versprechen waren falsch, nicht die Daten.

Zum Beispiel wurde den Österreichern versprochen: Niemals wird sich die Schilling- Währung ändern. – Und wir haben nur wenige Jahre danach den Euro bekommen.

Es wurde den Menschen damals auch versprochen: Die Transitregelung wird halten. – Und sie hat nicht gehalten.

Es wurde auch damals absurderweise und gegen unsere massive Kritik immer wieder versprochen: Die Anonymität der Sparbücher wird halten. – Und sie wurde Gott sei Dank und richtigerweise zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität verändert.

Und nicht zuletzt der berühmte „Gitti-Ederer-Tausender“, den jeder mehr in seiner Geldtasche haben wird. – Das wurde wohl zu einem Minus von 1 000 € in jeder Geld­tasche durch die Preislawine, die wir jetzt erleben.

Das hat eine Vertrauenskrise ausgelöst – eine Vertrauenskrise, die heute eine Gegner­schaft zur EU in Österreich beinhaltet. Man muss wohl jenen unterstellen, die heute eine Volksabstimmung verlangen, dass es um eine Gegnerschaft geht, der wir auch derzeit aufgrund der Emotionalität argumentativ gar nicht begegnen können.

Das wird noch angeheizt durch eine Situation, bei der wir uns alle, aber insbesondere die Regierenden in den Bundesländern und in der Bundesregierung, an der Nase neh­men müssen, nämlich dann, wenn es um das Spiel geht, wir in Österreich würden alles


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