Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 200

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Darum habe ich an Sie als Sozialminister auch dieses Ersuchen gerichtet. Aber es hat sich leider Gottes nichts geändert, es ist alles beim alten geblieben.

Herr Minister! Auch die Agrarpolitik hat Auswirkungen auf unser Sozialbudget. Und Sie stimmen einer Agrarpolitik zu, die eine massive Abwanderung der Bauern ausgelöst hat. Daher ist es kein Wunder, Herr Minister, daß sich heute das Pensionssystem der Bauern so darstellt, daß ein aktiver Bauer einen Pensionisten erhalten muß. Wissen Sie, warum das so ist? – Weil die Jugend die Bauernhöfe überhaupt nicht mehr übernehmen will. Deshalb ist der Generationenvertrag bei den Bauern nicht mehr gesichert.

Herr Minister! Es ist heute schon viel davon gesprochen worden, daß Handlungsbedarf besteht. Ich glaube, es ist nicht richtig, wenn man in diesem Zusammenhang in der Gegenwart spricht. Handlungsbedarf bestand nämlich schon vor Jahren, Herr Minister! Eine so zögernde, immer hinausschiebende Lösung von Problemen, die wirklich anstehen, ist wirklich fehl am Platze. Ich kann die Österreicher, die sich nicht sehr viel mit Politik beschäftigen, sich jetzt aber dennoch beunruhigen, und zwar zu Recht, verstehen. Ich verstehe, wenn sie sagen: Wir möchten heute nicht mehr von einer Regierung regiert werden, die nicht imstande ist, Entscheidungen zu treffen für das Wohl der österreichischen Bürger! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. Er hat das Wort. (Abg. Dr. Haider: Auf geht’s!)

21.48

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich heute in meinem Beitrag mit dem Tätigkeitsbericht der Arbeitsinspektion des Jahres 1994 beschäftigen.

Es wird immer sehr viel gejammert, daß die Arbeitsinspektion betriebsfeindlich und schikanös sei. – Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache: Die Zahl der Betriebsprüfungen nimmt – das kann man im Bericht nachlesen – ständig ab. Von 1988 bis 1994 betrug die Abnahme 35 Prozent, nämlich von 84 600 auf 58 437. Auch die Zahl der festgestellten Beanstandungen hat ab 1992 rapid abgenommen. Statistisch gesehen wurde nur jeder vierte Betrieb überprüft.

Auch wenn diese Tendenz mit der Zunahme der Zahl der Betriebe, mit der verbesserten Qualität der Betriebsprüfungen und mit der zunehmenden Beratungstätigkeit im Zusammenhang steht, so wird die ureigenste Aufgabe des Arbeitsinspektorates, nämlich die Überwachungsbehörde für den Arbeitnehmerschutz zu sein, doch mehr und mehr in Frage gestellt. Nachdem im Gesetzentwurf zum Arbeitsschutzgesetz im Jahre 1995 noch davon gesprochen wurde, daß 20 zusätzliche Arbeitsinspektoren erforderlich sind, um den Mehraufwand durch die Beratungstätigkeit, die hinzugekommen ist, sicherzustellen, nachdem auch die Überwachung der Ausländerbeschäftigung vom Arbeitsmarktservice auf das Arbeitsinspektorat übertragen wurde, müßte eine beträchtliche Steigerung der Zahl der Arbeitsinspektoren erfolgen, damit überhaupt eine gleichbleibende Zahl der Betriebsprüfungen gewährleistet ist.

Meine Damen und Herren! Ein anderes Thema, das auch ganz wesentlich ist in diesem Zusammenhang, ist das Thema Streß. Die internationale Arbeitsorganisation bezeichnet Streß als die Krankheit des 20. Jahrhunderts und zieht Schlüsse aus zahlreichen Studien, die dieser Erscheinung in der Arbeitswelt inzwischen gewidmet worden sind: Arbeitstempo, Akkordarbeit, monotone Arbeit, Schichtarbeit, Überstunden, ungenügende Pausen, mangelnde soziale Kontakte und der Druck durch Vorgesetzte sind die häufigsten Streßfaktoren.

Nach einer Studie des Statistischen Zentralamtes aus dem Jahre 1991 klagen 1,1 Millionen von rund 3 Millionen unselbständig Beschäftigten in Österreich über starken Zeitdruck am Arbeitsplatz. Ermüdungen, Kopfschmerzen, Reizbarkeit, Frustration, Aggression, Schwindelanfälle, Bluthochdruck, Magengeschwüre und Herzattacken sind die bekanntesten Folgeerscheinungen. Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten ordnet beispielsweise ein Viertel aller Berufsunfähigkeitspensionen den typischen streßbedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu, und ich glaube, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch viel höher.


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