Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 48. Sitzung / Seite 70

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Sie alle, die Sie hier herinnen sitzen, hätten, wenn Sie Abgänger oder Abgängerinnen einer Sonderschule wären, wahrscheinlich nie die Möglichkeit gehabt – schon allein aufgrund des Stigmas einer Sonderschule –, hier herinnen zu sitzen.

Ich war Sonderschülerin, und es war für mich nicht einfach, mein Leben so zu gestalten, daß ich dieses Stigma ausmerzen konnte. Ich habe 200 Prozent Nerven gehabt, daß ich es schaffte, mich durchzusetzen und wieder in die Gesellschaft zu kommen. Wer sie aber nicht hat, schafft es nicht. Ich bin nicht gut und nicht besser als alle anderen behinderten Kinder, ich habe nur mehr Glück gehabt, daß ich es schaffte, in die Gesellschaft integriert zu werden.

Sie, die Sie hier sitzen, können niemals behaupten, daß die Sonderschule für behinderte Kinder in vielen oder in einigen Fällen die beste Schule ist. Ich kann aufgrund meiner eigenen Erfahrung mitreden, sehen Sie mich als Expertin in dieser Sache, und lassen Sie sich von behinderten Menschen und deren Vertretern, also von jenen, die Integration wirklich haben wollen, beraten! Tun Sie nicht immer so, als wären Sie die Experten und als wüßten Sie, was gut für behinderte Menschen ist. Sie sind keine Experten! (Abg. Mag. Mühlbachler: Aber Sie sind die einzige Expertin!) Sie können sich aufgrund unserer Erfahrung weiterbilden!

Nehmen Sie es endlich zur Kenntnis: Dieses Schulgesetz ist ein Rückschritt und wird auch in Zukunft verhindern, daß behinderte Menschen in die Regelschule kommen! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Ich möchte meine Rede mit einem Zitat von Dr. Feuser abschließen und bitte Sie – jeden einzelnen von Ihnen –, dieses Zitat genau zu überdenken, bevor Sie über diese Novelle abstimmen.

Ich zitiere Dr. Feuser: Wenn ich einem behinderten Menschen begegne, ihn anschaue und denke, wie er denn sein könnte, beschreibe ich mich selbst: meine Wahrnehmung des anderen. Ob ich die daraus entstehende Chance nutze, mich selbst zu erkennen, steht auf einem anderen Blatt. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Bitte nehmen Sie dieses Zitat zur Kenntnis und überlegen Sie noch einmal, ob es nicht besser wäre, wenn dieses Schulgesetz nicht beschlossen werden und man sich Zeit nehmen würde, ein ordentliches, anständiges Gesetz zu schaffen, das den behinderten Menschen wirklich zugute käme. – Danke. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

12.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Frau Abgeordnete Haidlmayr am Beginn Ihrer Ausführungen vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Abgeordneter Dr. Rada. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.50

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Frau Bundesministerin, zunächst einmal ein herzliches Dankeschön für das Lob, das Sie Lehrern ausgesprochen haben. Und da ich auch dieser Klientel angehöre, möchte ich hinzufügen: umso mehr ein herzliches Dankeschön.

Ich stimme voll mit Ihnen darin überein, daß den Lehrern immer wieder etwas aufgebürdet wird. Unter diesem Gesichtspunkt und aufgrund der Lösungsansätze, die die Lehrer in ihrer gewaltigen Aufgabenstellung immer wieder bewerkstelligt haben, kann ich Verständnis auch dafür aufbringen, daß sich die Lehrergewerkschaft so mancher Sorgen und Ängste annimmt und dabei gelegentlich etwas übers Ziel schießt, wenn es darum geht, entsprechende Anträge zu artikulieren, was eben Aufgabe einer Gewerkschaft ist.

Ich freue mich auch darüber – im Unterschied zur Abgeordneten Haidlmayr –, daß wir die Integrations-Novelle diesmal so rechtzeitig beschließen, daß die einzelnen Bundesländer die notwendigen Landesgesetze bis zum Eintritt in das Schuljahr 1997/98 bewerkstelligen können.


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