Stenographisches Protokoll

22. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 10. Mai 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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22. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 10. Mai 2000

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 10. Mai 2000: 9.01 – 20.50 Uhr

*****

Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen

Beratungsgruppe I: Präsidentschaftskanzlei; Bundesgesetzgebung; Verfassungsgerichtshof; Verwaltungsgerichtshof; Volksanwaltschaft; Rechnungshof

Beratungsgruppe II: Bundeskanzleramt mit Dienststellen; Kunst

Beratungsgruppe III: Äußeres

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Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht des Abgeordneten Mag. Franz Steindl 10

Angelobung des Abgeordneten Johann Loos 10

Personalien

Verhinderungen 10

Ordnungsrufe 91, 97, 101, 122, 135

Geschäftsbehandlung

Verkürztes Verfahren gemäß § 28a der Geschäftsordnung (Verzicht auf Vorberatung der Regierungsvorlage 85 d. B.) 11

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 12

Wortmeldung der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic betreffend die Vorgangsweise des Präsidenten Dr. Heinz Fischer im Zusammenhang mit der tatsächlichen Berichtigung des Abgeordneten Karl Öllinger 29

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer hinsichtlich der Ausführungen der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic 29


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22. Sitzung / Seite 2

Verlangen des Abgeordneten Dr. Andreas Khol auf Erteilung eines Ordnungsrufes 37

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka betreffend Ausführungen des Abgeordneten Dr. Andreas Khol 37

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Heinz Fischer betreffend Debattenbeiträge während seiner Vorsitzführung 38

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen betreffend Zwischenrufe des Abgeordneten Haigermoser 123

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka betreffend Erteilung von Ordnungsrufen 123

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 10

Ausschüsse

Zuweisungen 11

Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (60 und Zu 60 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (80 und Zu 80 d. B.) 11

Gemeinsame Beratung über

Beratungsgruppe I: Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei, Kapitel 02: Bundesgesetzgebung, Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof, Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof, Kapitel 05: Volksanwaltschaft, Kapitel 06: Rechnungshof 12

Beratungsgruppe II: Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen, Kapitel 13: Kunst (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag) 12

Redner:

Dr. Peter Kostelka 13

Dr. Andreas Khol 16

Mag. Gilbert Trattner (tatsächliche Berichtigung) 20

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 20

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (tatsächliche Berichtigung) 24

Ing. Peter Westenthaler 24

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 28

Friedrich Verzetnitsch (tatsächliche Berichtigung) 30

Dr. Gabriela Moser (tatsächliche Berichtigung) 30

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 30

Dr. Alfred Gusenbauer 35

Josef Edler (tatsächliche Berichtigung) 38

Heidrun Silhavy (tatsächliche Berichtigung) 38

Mag. Kurt Gaßner (tatsächliche Berichtigung) 39

Dr. Michael Spindelegger 39

Mag. Terezija Stoisits 41

Mag. Gilbert Trattner 46

Dr. Evelin Lichtenberger (tatsächliche Berichtigung) 50

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 50

Peter Schieder 54

Rosemarie Bauer 56

Inge Jäger (tatsächliche Berichtigung) 59

Mag. Werner Kogler 59

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (tatsächliche Berichtigung) 62


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22. Sitzung / Seite 3

Dr. Harald Ofner 62

Gabriele Binder 64

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 66

Dr. Eva Glawischnig 68

Staatssekretär Franz Morak 70

Dr. Reinhard Eugen Bösch 72

Mag. Maria Kubitschek 73

Karl Donabauer 75

Dr. Günther Kräuter 77

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 80

Hermann Böhacker 80

Otto Pendl 82

Mag. Cordula Frieser 84

Mag. Johann Maier 85

Dr. Michael Krüger 87

Volksanwältin Ingrid Korosec 89

Dr. Günther Kräuter (tatsächliche Berichtigung) 91

Mag. Brunhilde Plank 91

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 93

Gerhard Reheis 95

Mag. Beate Hartinger 97

Dr. Josef Cap 98

Dr. Gertrude Brinek 101

Dr. Peter Wittmann 103

Dr. Brigitte Povysil 105

Mag. Walter Posch 107

Volksanwalt Horst Schender 110

Volksanwältin Dr. Christa Krammer 112

Dr. Andrea Wolfmayr 115

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler 116

Dr. Christof Zernatto 118

Dr. Peter Pilz 120

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen betreffend das Kunstbudget – Ablehnung 109, 124

Annahme der Beratungsgruppe I 123

Annahme der Beratungsgruppe II 123

Beratungsgruppe III: Kapitel 20: Äußeres 124

Redner:

Peter Schieder 124

Dr. Michael Spindelegger 126

Mag. Ulrike Lunacek 129, 165

Mag. Karl Schweitzer 133

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 135

Dr. Josef Cap 138

Edeltraud Gatterer 141

Dr. Peter Pilz 143

Wolfgang Jung 145

Inge Jäger 148

Wolfgang Großruck 150

Dr. Evelin Lichtenberger 152

Dr. Gerhard Kurzmann 155

Mag. Christine Muttonen 158


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22. Sitzung / Seite 4

Mag. Karin Hakl 160

Anton Heinzl 162

Helmut Haigermoser 163

Dr. Gerhart Bruckmann 166

Harald Fischl 167

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen betreffend Schuldenerlass für Mosambik und Madagaskar – Ablehnung 143, 169

Entschließungsantrag der Abgeordneten Inge Jäger und Genossen betreffend die Absicherung der finanziellen Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit – Ablehnung 150, 170

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Inge Jäger, Mag. Karin Hakl, Dr. Martin Graf und Genossen betreffend Friedensprozess in der Westsahara – Annahme (E 9) 165, 170

Annahme der Beratungsgruppe III 169

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 11

79: Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit samt Anhängen und Schlussakte

84: Binnenschifffahrtsfondsgesetz

85: Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Haschemitischen Königreich Jordanien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte

90: Euro-Umstellungsgesetz-Wehrrecht – EUGW

91: Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 – ARÄG 2000

94: Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird

Bericht 11

III-41: Forschungsbericht 2000; Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz geändert wird (147/A)

Dr. Josef Cap und Genossen betreffend Finanzierung der Künstlersozialversicherung (148/A) (E)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Umweltanlagengesetz (149/A) (E)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (150/A)


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22. Sitzung / Seite 5

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Ausgliederung von Bundessporteinrichtungen sowie das Haus des Sports (720/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend die Neuregelung der Bundessportförderungen (721/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundeskanzler betreffend tierschutzrechtliche 15a-Verträge (722/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Räumung Berger Deponie (723/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gedenkveranstaltung am 7.5.2000 in Mauthausen (724/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend AVNOJ-Beschlüsse (725/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Repräsentationsaufwendungen der Vizekanzler seit 1990 (726/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Repräsentationsaufwendungen der Vizekanzler seit 1990 (727/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Repräsentationsaufwendungen der Vizekanzler seit 1990 (728/J)

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Entbürokratisierung des Exekutivdienstes (729/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Krankengeld – Bezugsdauer (730/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Micro-Skate-Scooter (731/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend energiepolitische Planungen der Energie AG (732/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die rechtliche Organisation des Gesundheitswesens in Hinblick auf in diesem Bereich in Kraft stehende Gesetze und Verordnungen mit nationalsozialistischem Gedankengut (733/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundeskanzler betreffend nationalsozialistische Bestimmungen in österreichischen Gesetzen und Entfernung dieser Gesetzesstellen aus dem Rechtsinformationssystem (RIS) im Laufe des 19.4.2000 (734/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die anti-homosexuelle Sonderstrafbestimmung § 209 StGB (735/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Frequenznutzungsplan (736/J)


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22. Sitzung / Seite 6

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend ein "Gymnasium" in Ternitz (737/J)

Dr. Kurt Grünewald und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Festkommers in Innsbruck (738/J)

Dr. Kurt Grünewald und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Freiheitskommers in Innsbruck (739/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vergabe von Tabaktrafiken mit Lotto-Toto-Annahmestellen an behinderte Menschen (740/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Planungs- und Finanzierungsstand notwendiger Verbesserungen am Bundesstraßen-, Schnellstraßen- und Autobahnnetz im Bundesland Oberösterreich (741/J)

Mag. Brunhilde Plank und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Planungs- und Finanzierungsstand notwendiger Verbesserungen am Bundesstraßen-, Schnellstraßen- und Autobahnnetz in der Steiermark (742/J)

Gerhard Reheis und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Planungs- und Finanzierungsstand notwendiger Verbesserungen am Bundesstraßen-, Schnellstraßen- und Autobahnnetz im Bundesland Tirol (743/J)

Gabriele Heinisch-Hosek und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Planungs- und Finanzierungsstand notwendiger Verbesserungen am Bundesstraßen-, Schnellstraßen- und Autobahnnetz im Bundesland Niederösterreich (744/J)

Kurt Eder und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Planungs- und Finanzierungsstand notwendiger Verbesserungen am Bundesstraßen-, Schnellstraßen- und Autobahnnetz in der Bundeshauptstadt Wien (745/J)

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Gutachten des Bundesdenkmalamtes über den statischen Zustand des Bürohauses "Kaipalast", 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 47 (746/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Ausweitung des Mandates über die "Modalitäten der Teilnahme Österreichs" (747/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen (748/J)

Dr. Günther Leiner und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Vorgänge in der Salzburger Kammer für Arbeiter und Angestellte (749/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (419/AB zu 405/J)


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22. Sitzung / Seite 7

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (420/AB zu 410/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (421/AB zu 412/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (422/AB zu 414/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (423/AB zu 440/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (424/AB zu 455/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (425/AB zu 438/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (426/AB zu 434/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (427/AB zu 436/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Annemarie Reitsamer und Genossen (428/AB zu 395/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (429/AB zu 336/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (430/AB zu 396/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Gaál und Genossen (431/AB zu 403/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Riepl und Genossen (432/AB zu 515/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (433/AB zu 409/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr.  Peter Pilz und Genossen (434/AB zu 423/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (435/AB zu 426/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Anna Huber und Genossen (436/AB zu 427/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Anna Huber und Genossen (437/AB zu 429/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (438/AB zu 437/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (439/AB zu 452/J)


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22. Sitzung / Seite 8

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Marianne Hagenhofer und Genossen (440/AB zu 397/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (441/AB zu 394/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (442/AB zu 433/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (443/AB zu 424/J und 425/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen (444/AB zu 408/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Riepl und Genossen (445/AB zu 401/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Leikam und Genossen (446/AB zu 418/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Dobnigg und Genossen (447/AB zu 417/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Genossen (448/AB zu 404/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (449/AB zu 398/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Günter Kiermaier und Genossen (450/AB zu 393/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (451/AB zu 411/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (452/AB zu 416/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (453/AB zu 441/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Ludmilla Parfuss und Genossen (454/AB zu 448/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (455/AB zu 435/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Sophie Bauer und Genossen (456/AB zu 451/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (457/AB zu 456/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (458/AB zu 457/J)


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22. Sitzung / Seite 9

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (459/AB zu 419/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Beate Schasching und Genossen (460/AB zu 447/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (461/AB zu 450/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (462/AB zu 407/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Beate Schasching und Genossen (463/AB zu 446/J)

des Staatssekretärs im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (464/AB zu 428/J und 430/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Edeltraud Gatterer und Genossen (465/AB zu 568/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen (466/AB zu 491/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen (467/AB zu 501/J)

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des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Michael Spingelegger und Genossen (5/ABPR zu 5/JPR)


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22. Sitzung / Seite 10

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen, und eröffne die 22. Sitzung des Nationalrates, die für heute, 9 Uhr, anberaumt wurde.

Die Amtlichen Protokolle der 19. Sitzung sowie der 20. und 21. Sitzung sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und ohne Einspruch geblieben. Sie gelten damit als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Mag. Haupt und Ing. Gerhard Bauer.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, dass der Abgeordnete Mag. Franz Steindl auf sein Mandat verzichtet hat und an seiner Stelle Herr Johann Loos als Abgeordneter in den Nationalrat berufen wurde.

Da der Wahlschein vorliegt und der genannte Kollege im Hause anwesend ist, werde ich sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach der Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Haller, wird der neue Mandatar seine Angelobung – wie immer – mit den Worten "Ich gelobe" leisten.

Ich darf die Frau Schriftführerin bitten, die Gelöbnisformel zu verlesen.

Schriftführerin Edith Haller: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Ich gelobe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf den neuen Kollegen herzlich in unserer Mitte begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die heutige Sitzung hat das Bundeskanzleramt über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung eines Mitgliedes der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Herr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Bartenstein wird durch Herrn Bundesminister Molterer vertreten.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung darf ich auf die schriftliche Mitteilung verweisen, die im Sitzungssaal verteilt wurde. – Dazu gibt es keine Kommentare. Damit sind die Zuweisungen in dieser Form erfolgt.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


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A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 720/J bis 729/J.

2. Anfragebeantwortungen: 419/AB bis 467/AB.

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 5/ABPR.

3. Regierungsvorlagen:

Binnenschifffahrtsfondsgesetz (84 der Beilagen),

Euro-Umstellungsgesetz-Wehrrecht – EUGW (90 der Beilagen),

Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 – ARÄG 2000 (91 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (94 der Beilagen);

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuss:

Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit samt Anhängen und Schlussakte (79 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Forschungsbericht 2000 der Bundesregierung (III-41 der Beilagen).

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, dass noch folgende Vorlage eingelangt ist:

Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Haschemitischen Königreich Jordanien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte (85 der Beilagen).

Nach Rücksprache mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz schlage ich nach § 28a der Geschäftsordnung vor, von der Zuweisung dieses Gegenstandes an einen Ausschuss abzusehen und ihn auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen zu stellen.

Wird dagegen Widerspruch erhoben? – Das ist nicht der Fall. Ich werde so vorgehen.

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (60 und Zu 60 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (80 und Zu 80 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung der heutigen Sitzung ein.

Ein Wunsch des Berichterstatters auf Berichterstattung liegt nicht vor.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir werden die Debatte – einer langjährigen parlamentarischen Praxis folgend – so führen, dass allgemeine Ausführungen, die sonst den Gegenstand einer Ge


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neraldebatte bilden könnten, im Zusammenhang mit den Beratungsgruppen I und II ermöglicht werden. Diese Praxis hat sich bewährt und soll beibehalten werden.

Die weitere Gliederung der Debatte und der Abstimmungen im Sinne des § 73 Abs. 2 der Geschäftsordnung ist dem ausgegebenen Arbeitsplan zu entnehmen.

Darüber hat der Nationalrat zu befinden. Gibt es dagegen Einwendungen? – Dies ist nicht der Fall. Dann ist das so genehmigt.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialsitzung wurde Konsens über die Struktur der Debatte wie folgt erzielt: Es ist eine Tagesblockzeit für die heutige Sitzung von 10 "Wiener Stunden" vorgeschlagen, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 195 Minuten, Freiheitliche Partei und Volkspartei je 145 Minuten, Grüne 115 Minuten.

Die Redezeit des für die jeweilige Beratungsgruppe zuständigen Regierungsmitgliedes beträgt 20 Minuten, wobei, wenn diese Redezeit überschritten wird – und das gilt auch für die Staatssekretäre, deren Redezeit 10 Minuten ist –, die Überschreitung auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden soll.

Ferner soll die Redezeit ressortfremder Regierungsmitglieder beziehungsweise Staatssekretäre von Beginn an auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden.

Ausgenommen davon ist die Redezeit der Frau Vizekanzler bei der unter den Beratungsgruppen I und II abgehaltenen Debatte, sofern die Redezeit eine Dauer von 10 Minuten nicht überschreitet.

Auch darüber hat das Hohe Haus zu befinden. Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Beratungsgruppe I

Kapitel 01: Präsidentschaftskanzlei

Kapitel 02: Bundesgesetzgebung

Kapitel 03: Verfassungsgerichtshof

Kapitel 04: Verwaltungsgerichtshof

Kapitel 05: Volksanwaltschaft

Kapitel 06: Rechnungshof

Beratungsgruppe II

Kapitel 10: Bundeskanzleramt mit Dienststellen

Kapitel 13: Kunst (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur gemeinsamen Verhandlung über die Beratungsgruppen I und II des Bundesvoranschlages für das Jahr 2000.

Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung zu diesen Spezialgruppen liegt nicht vor.

Wir treten unmittelbar in die Beratungen ein.


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Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. Die gesetzliche Redezeit ist 20 Minuten; eine freiwillige Redezeit von 15 Minuten ist vorgeschlagen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.08

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren Volksanwälte! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Nach 100 Tagen beschäftigt sich dieses Haus das erste Mal nicht nur mit den wohlklingenden Worten zur Regierungserklärung und der Budgetrede, sondern tatsächlich mit Taten: mit dem Budget und dem Budgetprogramm. Meine Damen und Herren! Sie haben nicht nur in Österreich, sondern europaweit mehr Tadel als Lob in diesem Zusammenhang geerntet, und das zu Recht. Sie haben nämlich mühelos die von Ihnen selbst gelegte Latte unterschritten! (Beifall bei der SPÖ.)

Was haben Sie uns vor wenigen Wochen doch alles versprochen? – Dass das Budget von Ihnen endgültig saniert werden wird, dass eine mutige Politik für das Budget schwarze Zahlen bringen wird – schwarz-blaue Zahlen, um genau zu sein.

Meine Damen und Herren! In dieser Woche hat Ihr Bundesminister Grasser für genau das, was Sie dem Haus vorgelegt haben, einen herben Tadel in Brüssel einstecken müssen. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Der Präsident der Bundeswirtschaftskammer spricht in diesem Zusammenhang mit Recht von einer Rüge aus Brüssel. (Abg. Schwarzenberger  – in Richtung des Abg. Edlinger –: Dort sitzt der Missetäter!)

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei und von der ÖVP! Das ist eine schallende Ohrfeige für Ihr Budgetprogramm und für Ihr Budget! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Programm, das Sie vorgelegt haben, ist zu wenig ambitioniert, haben die 14 anderen Finanzminister ausgesagt. (Abg. Ing. Westenthaler: Nein, Ihr Programm!) Das Budget und Budgetprogramm, das Sie in Brüssel vorgelegt haben, erreicht den geplanten Defizitabbau nicht. Sie sind nicht auf Europakurs! – Das ist das Attest zu Ihrer Budgetpolitik! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen in diesem Zusammenhang mit allem Nachdruck: Versuchen Sie nicht, sich hinter Bundesminister Edlinger zu verstecken. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ihm hat man nämlich, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, in Brüssel stets geglaubt. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Als er österreichischer Finanzminister war, galt Österreich als respektierter, glaubhafter und verlässlicher Partner. Die geänderten Zahlen, die Sie vorgelegt haben, haben in Brüssel nur Kopfschütteln nach sich gezogen. Sie haben in wenigen Wochen die Glaubwürdigkeit Österreichs bei den anderen Finanzministern gründlich verspielt! (Beifall bei der SPÖ.)

Da hilft Ihnen auch nicht das kleine Azorenhoch, das Ihre Außenministerin zustande gebracht hat. Die Gewitterwolken über Brüssel ziehen sich zusammen. Die Gräuel- und Gruselgeschichten im Zusammenhang mit dem Budget, an dem insbesondere die ÖVP ja "nicht" beteiligt war, werden Ihnen nicht geglaubt. Sie haben dieses Gruselmärchen selbst zu Fall gebracht, meine Damen und Herren! In jenem Budgetprogramm, in jenem Stabilitätsprogramm, das Sie nach Brüssel gesandt haben, wird ausdrücklich festgestellt, dass das veranschlagte Budgetdefizit 1999 um 2 Milliarden Schilling unterschritten wurde und dass die Maastricht-Zahlen ebenfalls unterschritten wurden. Die Rüge, die Sie erhalten haben, gilt Ihrem eigenen Budget und Budgetprogramm! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sie haben Ihr erstes Budget in diesem Haus noch nicht einmal beschlossen, und schon beginnt unter Experten der Streit, wie die Budgetkrise zu bewältigen ist. Sie haben es wirklich fertig gebracht, eine Trendwende im Budgetbereich zustande zu bringen: Sie sind von den fallenden Defiziten Edlingers zu wieder steigenden Budgetdefiziten Grassers gekommen.

In diesem Zusammenhang mit aller Deutlichkeit: Sie sparen, ja, aber zu wenig und vor allem am falschen Platz! Sie sparen bei den Beziehern mittlerer und kleiner Einkommen, ihnen gegenüber brechen Sie nahezu jedes Wahlversprechen bedenkenlos! (Beifall bei der SPÖ.)


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Aber die budgetären Probleme, die Sie hier in diesem Haus, aber auch in Brüssel zu vertreten haben, haben Sie deswegen zu vertreten, weil Sie gleichzeitig mit beiden Händen das Geld hinauswerfen, und zwar in Richtung Ihrer eigenen Klientel; dieser gegenüber halten Sie nämlich die Versprechen. Sie machen eine Einkommenspolitik für die oberen Schichten, die zusätzliche Ausgaben verursacht. Für diese haben Sie sehr wohl Geld, um eine Förderung der selbständig Erwerbstätigen zu finanzieren sowie der mittleren und größeren Bauern und der Hausbesitzer. (Abg. Aumayr: Eine Unterstellung nach der anderen!)

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen in aller Offenheit: Sie bringen das soziale System, das System des sozialen Ausgleiches in Österreich zum Kippen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Kollege Kostelka! Wo ist Ihr Parteivorsitzender Gusenbauer? Ist er heute hier im Saal? Ist Gusenbauer noch in Paris?)

Das Rezept, nach dem Sie hier vorgehen, ist uralt: Die erste Argumentation in diesem Zusammenhang ist: Alle müssen sparen! Und das klingt durchaus gerecht. Natürlich müssen alle sparen. Nur: Sie, meine Damen und Herren, verwirklichen das mit einem linearen Sparkonzept.

Sie erhöhen vor allem jene Steuern, jene Abgaben, die alle im gleichen Ausmaß treffen: die Tabakgebühren (Abg. Schwarzenberger: Die Nichtraucher trifft die Tabakgebühr nicht!); einen Pass braucht jeder; die Erhöhung beim Strom trifft vor allem die kleinen und mittleren Haushalte, genauso die Erhöhung der Kfz-Steuer.

Meine Damen und Herren! Das Dritte ist das zynische Argument: Leistung muss sich wieder lohnen! Ich frage Sie wirklich: Leistet Ihrer Meinung nach ein Facharbeiter, ein Kraftfahrer, eine Verkäuferin, eine Kindergärtnerin nichts? – Das ist Ihr Selbstverständnis. (Abg. Haigermoser: Keine Polemik vom Rednerpult!) Leisten tut nach Ihrer Definition jemand etwas, der ein entsprechendes Einkommen hat. Meine Damen und Herren! Hinter dem Spruch "Leistung muss sich wieder lohnen!" verstecken Sie im Grunde genommen schrittweise Absagen an den sozialen Ausgleich. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie mir in diesem Zusammenhang nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens dem von Ihnen selbst nominierten Budgetexperten Lehner, aber auch Ihrem Arbeitnehmervertreter Dinkhauser.

Die Experten haben darüber hinaus auch noch anderes festgestellt: dass das Budget intransparent ist – das zur Argumentation der Ehrlichkeit –, dass die Nachhaltigkeit fehlt, da allzu viele und allzu große Einmalmaßnahmen gesetzt wurden, und dass eine neue budgetäre Krise droht.

Lesen Sie nach im heutigen "Kurier", ich empfehle Ihnen die Lektüre der Seite 15. Ein anerkannter Volkswirt sagt, dass zwar kein Zwang zu Steuererhöhungen besteht, dass das, was wir brauchen, aber eine Wohnbaureform und eine Bundesstraßenreform sind. Das heißt auf Deutsch: weniger Wohnungen und zusätzlich ordentliche Belastungen der Länder, die diese im Übrigen mit Sicherheit nicht mehr tragen können.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut sagt mit aller Deutlichkeit, dass entweder bis 2003 neue Sparpakete notwendig sind oder dass Sie Ihre Wahlschlager verschieben oder vergessen können, nämlich die Lohnnebenkostensenkung oder das Familienpaket.

Meine Damen und Herren! Sie waren mit Ihrer Politik vor die Wahl gestellt, zu entscheiden, wo Sie zuerst die Glaubwürdigkeit verlieren wollen: in Brüssel oder in Österreich. Im Interesse kurzfristiger Umfragedaten haben Sie sich für Österreich und nicht für Brüssel entschieden. Meine Damen und Herren! Sie haben sich damit einen Bärendienst erwiesen, denn Sie wissen, dass wir auf europäischer Ebene ohnedies gewisse Probleme haben, und es muss Ihnen klar sein, dass das die Glaubwürdigkeit Österreichs nicht wirklich erhöht. (Abg. Mag. Schweitzer: War wieder jemand im Ausland von Ihnen?)

Meine Damen und Herren! Das Budget, das Sie vorgelegt haben, ist ein Budget der sozialen Ungerechtigkeit und der sozialen Unausgewogenheit. Wie Ihnen das Wirtschaftsforschungsinstitut nachweist – das können Sie nicht wegdiskutieren –, belasten Sie das untere Einkom


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mensdrittel mit 1,6 Prozent und das oberste Einkommensdrittel mit 0,8 Prozent. Sozial Schwächere müssen daher doppelt so viel zahlen wie die Spitzenverdiener. Das ist ein Budget der sozialen Kälte. Die Ellenbogengesellschaft und die Entledigung der Verantwortung jenen gegenüber, die Hilfe brauchen, sind das Programm. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen die Kernsätze des Gutachtens des Wirtschaftsforschungsinstituts nicht ersparen – ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten (ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Khol ) –: Die geplanten Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung belasten die ärmere Bevölkerung überproportional. – Zitatende. Das ist nichts zum Lachen, Herr Kollege Khol! (Abg. Dr. Khol: Die "Genehmigung des Herrn Präsidenten"!) Sie sollten sich diese Worte sehr ernst anhören.

Es heißt weiter: Die Anhebung der Verbrauchsabgaben und Gebühren um rund 14 Milliarden Schilling trifft die Ärmeren etwa doppelt so stark wie die besser Verdienenden. – Ist das sehr humorvoll, Herr Kollege Khol? – Weitere Belastungen stehen noch bevor, denn 33 Milliarden Schilling Einmalmaßnahmen im Budget 2000 müssen noch dauerhaft bedeckt werden. Und die neuen Begünstigungen für Unternehmen, wie beispielsweise die Lohnnebenkosten, Landwirte und Familien in der Größenordnung von 25 Milliarden Schilling müssen noch von jemandem bezahlt werden.

Daher schließt das Wirtschaftsforschungsinstitut: Es kann eine politische Strategie im Geiste von Reagan und Thatcher sein, die Unternehmen sowie die besser Verdienenden zu entlasten nach dem Motto "Leistung muss sich wieder lohnen" und die einkommensschwächeren Haushalte stärker zur Kasse zu bitten.

Der Schlusssatz lautet – vielleicht finden Sie den auch zum Lachen, Herr Kollege Khol –: Aber man sollte diese Strategie nicht als Politik für den "kleinen" Mann verkaufen. – So weit Experten des Wirtschaftsforschungsinstituts. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist die Antwort in diesem Zusammenhang? – Das Wirtschaftsforschungsinstitut, seit 50 Jahren eine von Sozialpartnern und der Bundesregierung getragene Stütze der wirtschaftspolitischen und der wirtschaftlichen Forschung und auch der Sozialpartnerschaft, wird vom Herrn Bundeskanzler in diesem Zusammenhang scharf parteipolitischer Polemik geziehen.

Meine Damen und Herren! Ein Spiegelbild beseitigt man nicht, indem man den Spiegel zerstört. Argumentieren Sie! Stellen Sie sich der Kritik, und stellen Sie sich auch den Fakten! Geben Sie zu, dass höhere Verbrauchsabgaben schlicht und einfach die sozial Schwächeren mehr belasten müssen, dass die Pensionsreform zur beträchtlichen Reduktion von niedrigen Einkommen führen wird, dass der Selbstbehalt im Krankenversicherungsbereich vor allem zu Lasten der Ärmeren gehen wird und dass Kfz-Steuer, Stromsteuer vor allem kleinere Einkommen belasten werden!

Meine Damen und Herren! Sie verändern das soziale Klima in Österreich. Sie betreiben eine soziale Polarisierung, und Sie setzen bewusst Akzente. Der Mehrkinderzuschlag wird der Sozialstaffel entkleidet. Das heißt, zukünftig bekommen auch Spitzenverdiener den Zuschlag von 400 S ab dem dritten Kind. In der gleichen Zeit diskutieren Sie aber ernsthaft darüber, Mindestrentnern die Befreiung von der Telefongrundgebühr in Höhe von 198 S monatlich zu entziehen. Meine Damen und Herren! Das ist kein Zufall, das ist die Zielsetzung Ihrer Politik, und damit entlarven Sie sich auch. (Beifall bei der SPÖ.) Damit entlarven Sie sich auch. Robin Hood wird zum Sheriff von Nottingham.

Meine Damen und Herren! Dabei lassen Sie viele Fragen offen. Die notwendigen Zukunftsinvestitionen, Forschungsförderung, Investitionen an den Universitäten werden nicht nur unterlassen, ja die Beträge, die Sie den Forschungseinrichtungen und Universitäten zur Verfügung stellen, werden sogar gekürzt. Die Inflationsrate wird auf Grund Ihrer Gebühren- und Steuererhöhungen beträchtlich steigen. Sie sind nach wie vor jede Antwort schuldig, wie die Einmalmaßnahmen in Zukunft finanziert werden sollen. Herr Präsident Prinzhorn hat in diesem Zusammenhang die Handy-Lizenzen entdeckt, aber auch diese kann man, so das Wesen von Lizenzen, nur einmal verkaufen.


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Die Zwangsarbeiter-Milliarden, die zu zahlen sein werden, denen wir grundsätzlich positiv gegenüberstehen, haben keine Bedeckung in diesem Budget, auch nicht in Ihrem Budgetprogramm, und wie die Länder und Gemeinden, denen Sie die Getränkesteuer wegnehmen, ihren Finanzierungsbedarf decken sollen, ist völlig offen.

Meine Damen und Herren! Die Nebelschwaden beginnen sich langsam über das von Ihnen so gelobte Land blau-schwarzer Politik zu heben. Was wir sehen, ist eine sehr unwirtliche Gegend, in der vor allem die Distel der sozialen Ungerechtigkeit wächst. Wir werden diesem Budget, mit Ausnahme der Kapitel Oberste Organe, daher nicht die Zustimmung geben. Sie haben das vor dem Wähler zu verantworten. Wir lehnen das Budget aus guten Gründen ab. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

9.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Die Uhr ist auf 15 Minuten gestellt. – Bitte.

9.24

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Dass bei einer ersten Lesung des ersten Budgets einer neuen Regierung die Klubobleute beider Oppositionsfraktionen nicht anwesend sind und sich auch nicht auf die Rednerliste setzen lassen, ist ein erstaunliches Faktum und zeigt, wie ernst die Opposition ihre Aufgabe nimmt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber dass Herr Van der Bellen und Herr Gusenbauer nicht da sind, und zwar wahrscheinlich im Ausland sind, das erfüllt mich mit Sorge für Österreich. (Abg. Haigermoser:  Sind vernadern! – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! 100 Tage ist die neue Regierung im Amt. Die Opposition hat ihr keine Schonfrist gewährt. Die Regierung hat keine Schonfrist gebraucht. Sie hat gearbeitet, und ihre Bilanz kann sich sehen lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben ein neues Ministeriengesetz mit weniger Ministerien, die sachgerechter geordnet sind, und wir haben so viele wichtige Ministerien mit Frauen besetzt wie noch keine Regierung zuvor. Das ist Frauenpolitik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben in diesen 100 Tagen Probleme gelöst, an denen die alte Koalition jahrelang gescheitert ist. Wir haben Arbeiter und Angestellte endlich gleichgestellt (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), die verstaatlichte Industrie endlich privatisiert und von der Leine der Parteipolitik gelassen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Objektivierung der Postenvergabe: Die Frau Vizekanzlerin bringt noch in diesem Monat ein Gesetz ein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben die Mieten gesenkt, den Strompreis liberalisiert und verbilligt, die Krankenkassen neu geordnet, die Pensionsreform eingeleitet, ein Budgetprovisorium beschlossen und legen jetzt ein Budget 2000 vor, das Herr Edlinger nicht zustande gebracht hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und was hat die Opposition in diesen 100 Tagen getan? (Abg. Dietachmayr: Eine Märchenstunde!) Ich will einmal gar nicht davon reden, was die Opposition im Ausland getan hat. In Österreich hat die Opposition Fundamentalopposition betrieben. Unerhört! Bevor die neue Regierung vorgestellt war, wurde sie mit einer Sondersitzung in dieses Haus geholt. Es gab ein Misstrauensvotum, bevor sie überhaupt dem Haus vorgestellt wurde. Das ist Fundamentalopposition! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Einer Ministerin, die erst wenige Tage im Amt war und die sich seither sehr bewährt hat (ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), wurde von einer Ministerin, die gerade wenige Tage nicht mehr im Amt war, nachdem sie jahrelang für den Stillstand verantwortlich war, eine Dringliche Anfrage präsentiert. Die alte Ministerin, die


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alles wusste und wissen musste, hat der neuen Ministerin, die drei Tage im Amt war, 60 dringliche Fragen präsentiert. Das ist Fairness! Oder? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Man hat von Seiten der Opposition versucht, Legitimität gegen Legalität auszuspielen. Frau Lunacek! Ich kann mich noch genau an Ihre Rede erinnern. Sie wollten dieser Regierung, die vom österreichischen Volk, vom österreichischen Nationalrat gewählt wurde und gestützt wird, die Legitimität absprechen. Sie wollten zum Widerstand aufrufen und eine gesetzlich und verfassungsmäßig zustande gekommene Regierung über den Druck der Straße stürzen. Das haben Sie gemacht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Trotz dieser Umstände war die Regierung dennoch, meine Damen und Herren, dynamisch, hat sich nicht beirren lassen und hat eine Reihe von Reformen eingeleitet. Es geht wie eine Befreiung durch dieses Land, dass hier dynamisch regiert wird, erfolgreich regiert wird und endlich die heißen Eisen angepackt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Kostelka! Sie erinnern sich sicher noch an den Reformstau. (Abg. Dr. Kostelka: Das waren aber Sie! Sie haben gestaut!) Heute wirft uns niemand mehr den Reformstau vor. Die gleichen Kritiker sagen: Ja warum muss denn alles so schnell gehen? Mit dieser Kritik können wir leben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

All jenen, die gemeint haben: Ja warum muss es denn so schnell mit der Pensionsreform gehen, mit der Neuordnung der Arbeitsmarktverwaltung? Warum muss es so schnell gehen im öffentlichen Dienst, bei der Privatisierung?, muss ich entgegenhalten, dass in den Berichten des ECOFIN – Herr Kostelka, man sollte die Berichte zur Gänze lesen und auch zur Gänze verstehen – ganz klar gesagt worden ist: Ohne Strukturreformen wird es nicht möglich sein, die Budgetziele zu erreichen. Und das sind eben die Strukturreformen, bei denen es Ihnen allen zu schnell geht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Regierung hat unter schwierigen Umständen arbeiten müssen: keine Schonfrist, Fundamental-Opposition, Druck auf Sturz und dann ungerechtfertigte EU-vertragswidrige, dem europäischen Geist widersprechende Sanktionen von 14 EU-Ländern, die in einem Femeverfahren sondergleichen über Österreich verhängt wurden. (Abg. Schwemlein: Das glaubt ihr ja selber nicht!) Mit Druck der EU wollten manche diese Regierung stürzen und sprechen auch noch heute in Gegenwart eines österreichischen Parteiobmannes von Strafaktionen gegen diese Regierung, ohne dass dieser Parteiobmann protestiert. (Abg. Schwemlein: Aber nicht gegen das Volk!)

Meine Damen und Herren! Man wollte die Regierung stürzen. Begonnen hat es bei der Holocaust-Konferenz am 26. Jänner, das war die letzte internationale Aktion des Kurzzeitkanzlers Viktor Klima. Und von dieser Konferenz, von dieser letzten internationalen Aktion gingen die Sanktionen aus.

Nachdem die Minderheitsregierungsversuche der Sozialisten (Abg. Schwemlein: Sozialdemokraten!) mit Hilfe der Freiheitlichen gescheitert waren, denn am 21. Jänner gab es ein diesbezügliches Verhandlungsangebot, das hier von der Regierungsbank bestätigt und vom anwesenden Minister Schlögl, der diese Verhandlungen geführt hat, nicht entgegnet wurde, nachdem also diese SPÖ-FPÖ-Minderheitsregierung am Nein der FPÖ gescheitert ist, versuchte man uns, die Volkspartei, international unter Druck zu setzen. Aber, meine Damen und Herren, diese Versuche sind gescheitert und werden scheitern! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Sozialdemokraten haben diese Sanktionen bisher noch nie verurteilt und immer verteidigt. Ob sie sie herbeigeholt haben, das wird die Geschichte zu beurteilen haben. Jedenfalls waren wir mit unserem Versuch, einen rot-weiß-roten Kosens zu erzielen, bisher erfolglos. Wir werden aber nicht lockerlassen. Leider Gottes wurde eine Hoffnung wieder enttäuscht. Die letzte internationale Aktion von Klima war Holocaust und die Sanktionen, die erste von Gusenbauer war Sozialismus in Paris, Besuch bei den sozialistischen Parteifreunden.

Ich habe eigentlich erwartet, dass Gusenbauer hingeht und sagt: Diese Sanktionen sind ungerecht, reden wir doch über einen Ausstieg. Da wir österreichischen Sozialdemokraten am


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26. Jänner dabei waren, als die Sanktionen für Österreich geplant wurden, wollen wir auch beim Ausstieg dabei sein und bieten unsere guten Dienste an: Sozialistische Kameraden gemeinsam gegen die ungerechten Sanktionen! – Das hätte ich mir eigentlich erwartet, und ich hätte dem Patrioten Gusenbauer applaudiert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was war das Ergebnis? – "Die Presse" schreibt heute – Zitat –: "Freundliche Ablehnung", denn die Sanktionen werden nicht verschärft. – Das ist, wenn man die sozialistische Geschichte in diesem Zusammenhang kennt, eine großartige Leistung: Sie werden nicht verschärft.

Alle anderen Vorschläge darf Herr Gusenbauer nunmehr schriftlich einreichen. Und man denkt nach – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –, die Sozialisten in Frankreich sagen, sie werden über die Effizienz der Sanktionen nachdenken. Was heißt das? – Das heißt, dass Herr Gusenbauer ihnen gesagt hat, diese Sanktionen haben leider keinen Erfolg, sie haben eher einen gegenteiligen Erfolg. Das österreichische Volk lehnt das ab. Andere Sanktionen – andere Sanktionen!  – müssen erfunden werden, effizientere. Das ist die Vermutung. Ich glaube, dass man es als österreichischer Patriot nicht akzeptieren kann, wenn ein französischer Minister von Strafaktionen gegen eine frei gewählte verfassungsmäßige Regierung spricht. (Ruf bei der ÖVP: Ungeheuer! – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gusenbauer hat die Sanktionen nicht in Frage gestellt. Wie könnte er auch. Die Sozialdemokraten haben sie ja immer begrüßt. Er hat darüber hinaus diese Regierung neuerlich im Ausland bei den Sozialisten angeschwärzt als europafeindlich und fremdenfeindlich. Und dem Fass den Boden ausgeschlagen hat der Vorschlag, die berüchtigte Stelle der EU gegen Fremdenhass und Rassismus damit zu beauftragen, über uns den Tugendwächter zu spielen.

Ja so weit wird es noch kommen! Dieser Vorschlag diskreditiert ja die ganze Aktion. Ich habe in meinem Leben noch nie eine derart beispiellose Beleidigung gesehen wie die Eröffnung dieser Rassismusstelle der EU in Wien. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Auf österreichischem Boden, mit unseren Steuermitteln wurde unsere Benita Ferrero-Waldner vom Rednerpult aus beleidigt und als unerwünscht erklärt.

Diese Stelle wollen Sie damit beauftragen, die Sanktionen gegen Österreich wegzubringen? Für diese Objektivität danke ich Ihnen. Hier hat sich gezeigt, was Sie wirklich beabsichtigen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe gestern, nachdem ich jetzt schon mehrere Male das Wort "Krafthose" gehört habe – Herr Kollege Kostelka hat von der "Krafthose" gesprochen, auch Herr Kollege Gusenbauer, wie der Herr so das Gescherr, hat von "Krafthose" gesprochen –, in allen Lexika nachgeschaut, den Ausdruck "Krafthose" gibt es nicht. Es gibt viele Kombinationen mit dem Wort "Hosen". Da gibt es leere Hosen, es gibt andere Hosen. (Rufe: Volle Hosen!)

Aber ich kann nur eines sagen, Herr Kollege Kostelka, ich hätte mir erwartet, dass Herr Gusenbauer in Paris die Krafthosen anzieht und die Sanktionen von Österreich wegbringt. Ich lehne das Wort "Monitoring" ab. "Monitoring" heißt im Europarecht Albanien, Russland, Tschetschenien et cetera. Ich lehne auch jede Art von Kuratel über Österreich ab. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen keine Fact-Finding-Missions, wir brauchen niemanden, der hier ... (Abg. Dr. Kostelka: EDU! In Ihrer eigenen Parteiarbeit wissen Sie, was Sie zu tun haben, in Österreich ist Ihnen das Wurscht!) Herr Kollege Kostelka, ich darf Ihnen sagen, das ist die Europäische Volkspartei und nicht die EDU. Wer in den Details sich irrt, irrt sich auch im Großen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir brauchen das nicht, denn jeder von Ihnen weiß, die 14 EU-Staaten haben hervorragend ausgestattete Botschaften in diesem Land. Die 14 EU-Botschafter kennen jeden Bericht, jede Zeile, sitzen mit ihren Abgesandten im Hauptausschuss, beobachten das Parlament. Wenn die sich informieren wollen, was in Österreich vorgeht, dann muss ich darauf hinweisen, dass sie sich jede Woche einmal zu einem Mittagessen treffen, sie sollen ihre Berichte austauschen. Das Problem ist nur, es liest diese offensichtlich in den Staatskanzleien niemand, denn sonst könnte


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niemand davon sprechen, dass wir in Österreich eine Regierung haben, die auch nur in den Geruch der Nähe eines Verfahrens nach Artikel 6 und 7 des EU-Vertrages kommen könnte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Gusenbauer – wollte ich jetzt sagen, aber er ist nicht hier. Ich habe es nämlich heute Früh, als ich mich auf die Rede vorbereitet habe, nicht für möglich gehalten, dass der Klubobmann einer großen Oppositionspartei an der Generaldebatte zum Budget nicht teilnimmt, das ist unglaublich. (Abg. Ing. Westenthaler: Frühstück mit den ...!)

Vielleicht richtet man es ihm über das Protokoll aus. Herr Gusenbauer hat nicht die französischen Sozialisten von Österreich überzeugt, sondern er hat von Strafaktionen gegen Österreich gehört und nichts gegen die Sanktionen getan.

Wir haben einen Aktionsplan gegen die Sanktionen entwickelt, meine Damen und Herren. Die erste Phase: stille Diplomatie. Diese drei Monate sind vorbei, und ich gratuliere unserer Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und dem gesamten Kabinett dazu, was in diesen ersten drei Monaten mit stiller Diplomatie, Gelassenheit und Vertragstreue bewältigt wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jetzt kommt die Phase zwei. Zur stillen Diplomatie tritt die öffentliche Aktion hinzu. Wir brauchen die Information des Auslandes. Wir brauchen die Mithilfe der österreichischen Bundesländer, und meine Hoffnung ist von Gusenbauer auf Häupl übergegangen, denn die Landeshauptleute werden ja jetzt einen rot-weiß-roten Konsens formulieren, so hoffe ich. Wir brauchen die Unterstützung der anderen Parlamente. Wir brauchen die Auslandsösterreicher, und unsere österreichischen Mitbürger brauchen Rechtsschutz, wenn sie von jenen Sanktionen erfasst werden, die gegen Österreich ergriffen wurden und die rechtswidrig sind. All das ist in dem Aktionsplan drinnen. Alles steht voll auf dem Boden des EU-Vertrages, und ich glaube, es ist absolut notwendig, dass wir diesen Aktionsplan einhalten und durchführen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, wir geben die Hoffnung auf einen rot-weiß-roten Konsens hinter diesem Aktionsplan nicht auf. Auch wenn Herr Gusenbauer in Paris wiederum nicht als österreichischer Patriot gehandelt hat, sondern als sozialistischer Internationaler, ich gebe trotzdem die Hoffnung nicht auf, dass es einmal einen Konsens gibt für dieses Land und nicht einen Konsens gegen dieses Land. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel  – in Richtung des Redners, der sich zuletzt nach rechts gewandt hatte –: Da schauen Sie schon in die richtige Richtung!)

Ich möchte alle warnen, zu glauben, dass das ein leichter Weg sein wird, bis wir die Sanktionen loswerden. Der erste Schritt ist mit Geduld, Mühe und Sachkunde vorbereitet worden. Und da werden noch viele Schritte notwendig sein. Unser Ziel muss es sein, bis zum Rat von Feira, also bis Mitte Juni, den Anfang des Ausstieges, das Ende der Sanktionen zu erreichen. Den Anfang des Endes! Bis dorthin werden noch viel Geduld und viel Arbeit nötig sein. Wir werden diese Arbeit leisten. Aber wenn bis dorthin dieses Szenario nicht zum Erfolg führt, dann müssen wir uns das österreichische Volk an unsere Seite holen. Wenn Sie uns den rot-weiß-roten Konsens verwehren, so müssen wir uns den rot-weiß-roten Konsens von unseren Mitbürgerinnen und -bürgern in einer Volksbefragung erbitten, und ich hoffe, wir werden ihn auch erhalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wird natürlich ein verfassungsgemäßes Referendum, eine verfassungsgemäße Volksbefragung sein, denn alles, was Fragen der Mitgliedschaft berührt, und alles, was Fragen der Sanktionen nach dem Artikel 6 und 7 des EU-Vertrages berührt, ist österreichisches Primärrecht, muss von diesem Haus genehmigt werden und ist daher nach Artikel 49b eine Angelegenheit, für die der Bundesgesetzgeber zuständig ist. Daher soll sich niemand Sorgen machen. Wir halten diese Verfassung ein, wir hüten sie wie unseren Augapfel. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Wie war das mit dem "Verfassungsbogen"?)

Meine Damen und Herren! Ein harter Weg liegt noch vor uns. Wir müssen im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher sehr bald diesen Bleiklotz am Fuß, diese Sanktionen, weg


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bringen. Unsere Regierung ist in der Lage, auch mit diesem Klotz am Bein große Sprünge zu machen, aber noch größere Sprünge werden wir machen, wenn wir uns wieder voll auf die Lösung unserer Probleme in Österreich konzentrieren können. Ich bitte alle Bürgerinnen und Bürger, aber auch alle Volksvertreter in diesem Haus, uns dabei zu helfen. Gehen Sie mit uns den Weg eines vollberechtigten Österreichs in der Europäischen Union! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Trattner gemeldet. – Bitte: behaupteter Sachverhalt – tatsächlicher Sachverhalt.

9.44

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Kollege Kostelka, Sie haben behauptet, die Bundesregierung hat den Ländern und Gemeinden die Getränkesteuer weggenommen. – Diese Behauptung ist unrichtig.

Erstens wurde die Getränkesteuer als EU-widrig vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben. (Abg. Dr. Kostelka: Ihr habt dem aber zugestimmt!) Zweitens hätte der vormalige Finanzminister eine 100-prozentige Ersatzlösung schon längst realisieren können. Aber das Edlinger-Budgetloch war einfach zu groß, als dass eine 100-prozentige Ersatzlösung möglich gewesen wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

9.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Die Uhr ist auf 20 Minuten eingestellt. – Bitte.

9.45

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Mitglieder der österreichischen Bundesregierung! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Volksanwältinnen und Volksanwälte! Hohes Haus! Die Budgetdebatte ist traditionell ein Anlass, eine Generaldebatte über die Standpunkte der Regierung und die Positionen der Opposition durchzuführen. Was in der Erstrede vom Klubobmann Khol kam, hat mich eigentlich enttäuscht, weil nicht der Funke eines Ansatzes erkennbar war, in einen möglicherweise produktiven Dialog einzutreten.

Die Kritik am selektiven Sparkurs der Regierung ist bereits ausführlich in den Medien abgehandelt worden, sodass ich mich auf einige wenige Punkte konzentrieren kann. Es ist kein Sparkurs, der alle Österreicherinnen und Österreicher gleichermaßen, ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend, trifft, sondern es ist ein im höchsten Maße selektiver Sparkurs, der einige, vor allem die Frauen, die Jugend, überproportional und völlig unangemessen trifft, während es in anderen Bereichen geradezu – Sparkurs hin und Konsolidierungserfordernis her – ein blau-schwarzes Füllhorn gibt. (Beifall bei den Grünen.)

Das blau-schwarze Füllhorn gibt es für die NATO-Aufrüstung des Bundesheers und für den Ausbau des Überwachungsstaates. Man will ja genau wissen, wer an dieser Regierung Kritik übt und wie man den Kritikerinnen und Kritikern zusetzen könnte.

Vor allem ist es ein Sparkurs, der die finanziell Schwachen, der die Frauen und die Personen, die unser aller Solidarität brauchen, völlig überproportional trifft. Es ist ein Sparkurs, der sehr deutlich ideologische Akzente setzt und damit sogar in Konflikt mit der Verfassung gerät, der etwa – und das vor dem Hintergrund der NATO-Aufrüstung – einseitige Sparmaßnahmen zu Lasten des Zivildienstes, der in der Verfassung als gleichwertig anerkannt ist, einführt. Es ist ein Sparkurs, der Kulturinitiativen, Sozialinitiativen und kleine Zeitungen im Wege der Posttarife bestraft. Es ist ein Sparkurs, der bei den Ermessensausgaben die Schraube anzieht – genau dort, wo sich ein moderner, sozialer, ausgleichender und kulturell fördernder Staat zu bewähren hätte. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist aber mehr noch als dieses selektive Sparen zu Lasten all derer, die vielleicht an der Regierung Kritik üben könnten, es ist auch ein Sparkurs, der ganz offen und unverhüllt Systembrüche in Kauf nimmt. Alle sozialen Systeme in Europa haben einen Reformbedarf, denn die soziale Realität ist eine dynamische, und die sozialen Normen müssen sich an diese Realität an


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passen. Was aber jetzt passiert, ist ganz eindeutig nur noch ideologisch gefärbt, widerspricht dem Sparziel und betrifft vor allem die Frauen. Es ist die Umsetzung eines blau-schwarzen Frauenbildes, das exakt den Anliegen des Frauen-Volksbegehrens widerspricht, weshalb es von uns abgelehnt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wie deutlich diese Tendenz ist, dafür sprechen die Zahlen: 8 Milliarden Schilling mehr für die häusliche Kinderbetreuung. Unter dem Schlagwort "Karenzgeld für alle" wollen Sie ein Kinderbetreuungsgeld – aber nicht für alle, sondern für fast alle einführen. Für alle, die nicht in die Fonds eingezahlt haben, schütten Sie das blau-schwarze Füllhorn aus. Für diejenigen, die es am dringendsten brauchen, nämlich die Alleinerzieherinnen, so sie mehr verdienen, als eine relativ niedrige Zuverdienstgrenze erlaubt, wird es kein Kinderbetreuungsgeld geben. (Abg. Rosemarie Bauer: Wer sagt das?) Das hat Minister Bartenstein in Beantwortung unserer Dringlichen Anfrage hier vor dem Hohen Haus gesagt, und ich hoffe nicht, dass die ÖVP-Abgeordneten an den Worten ihres eigenen Ministers zweifeln. (Abg. Rosemarie Bauer: Durch ständiges Wiederholen wird es auch nicht wahr!) Ich finde das traurig, Frau Abgeordnete Bauer, und es würde mich freuen, wenn Sie sich dem Protest der Grünen in diesem Punkt anschließen könnten!

Meine Damen und Herren! Was heißt denn das? – Das Kinderbetreuungsgeld ist nunmehr eine Leistung des Familienlastenausgleichsfonds und damit nicht mehr eine arbeitsgebundene Versicherungsleistung, die in der Vergangenheit durchaus auch ihre Defizite hatte. Die Grünen haben oftmals Kritik geübt am früheren Karenzsystem, was jedoch jetzt passiert, ist ein totaler Systembruch. Denn während zumindest die Kinderbeihilfe, die Familienbeihilfe – was wir immer für richtig gefunden haben – allen Kindern gebührt und allen Kindern zusteht, wird jetzt eine Leistung aus dem Familienlastenausgleichsfonds geschaffen, die genau denjenigen, die immer in diese Fonds eingezahlt haben und weiter berufstätig sein wollen oder müssen, nicht mehr zusteht. Ich frage Sie alle: Was hat das mit Gerechtigkeit zu tun? Es ist ein Systembruch, der diejenigen trifft, die unsere Solidarität eigentlich am dringendsten nötig hätten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und es gibt weitere Systembrüche. Sie haben – auch an die Adresse der SPÖ und des bisherigen Finanzministers – immer wieder gesagt, es werde zu viel ausgegeben, man hätte in den fetten Jahren für die mageren Jahre ansparen sollen. Was ist nun aber Ihre Antwort mit diesem Ihrem blau-schwarzen Budget? Genau dort, wo es Zweckbindungen gab und gibt, genau dort, wo es darum ginge, präventiv Kosten in der Zukunft zu vermeiden, also beispielsweise in die Arbeitsmedizin zu investieren, in die Vorsorge zu investieren für Personen, die etwa im Zuge von Insolvenzen zu Schaden kommen könnten, sind die Fonds ausgeräumt worden, wurde das Geld abgezweigt. Auch das ein Systembruch, der es erschwert, für die Zukunft Vorsorge zu treffen und in Zukunft große Einsparungspotentiale zu nutzen.

Ich komme zur Budgetkritik im engeren Sinn, die darauf basiert, dass es Ihnen nicht ums Sparen geht, sondern um Ideologie: 8 Milliarden Schilling für die häusliche Kinderbetreuung, null auf Bundesebene für zusätzliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Sie wissen, was das heißt bei einem Defizit, das von niemandem in Frage gestellt wird. Das heißt, die Kinderbetreuung wird nicht mehr ausgebaut, und die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie vor allem für die sozial Schwachen wird fortgeschrieben. Kinderbetreuung ist oftmals unerschwinglich, unzugänglich oder nicht existent, und das ist in einem entwickelten Industriestaat eigentlich eine Schande. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich verkenne nicht, dass es ein Konsolidierungserfordernis gibt. Nur in der Art und Weise, wie Sie dem nachkommen – einerseits das Füllhorn, andererseits die drückende Schraube –, ist nicht wirklich Konsolidierungswille zu erkennen, sondern bloß blau-schwarze Ideologie. Und wie nehmen Sie, anstatt auf die Kritik – Herr Bundeskanzler, das betrifft Sie –, wie sie etwa von wissenschaftlicher Seite geäußert wird – nicht von der politischen Opposition, sondern vom Wirtschaftsforschungsinstitut –, ernsthaft zu reagieren, dazu Stellung? Sie sprechen vom Unsinn einer Aussage, die eigentlich völlig außer Frage steht und unzweifelhaft so ist, nämlich dass Verbrauchssteuern und Gebühren die Armen stärker treffen als die Reichen.


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Herr Bundeskanzler! Teilen Sie nicht die Auffassung, dass es für eine Alleinerzieherin, für eine Mindestrentnerin schwieriger ist, beispielsweise die Gebühren für einen Reisepass aufzubringen, als etwa für Politikerinnen und Politiker? Glauben Sie nicht, dass das Wifo da Recht hat? Und wieso, frage ich Sie, gehen Sie nicht auf diese Kritik ein, sondern sprechen am 2. Mai von einem "wirklichen Unsinn"? Ist das der neue Stil des Regierens, die, die wissenschaftliche Kritik üben, eigentlich zu beschimpfen und sie des Unsinns zu zeihen? Wir lehnen einen derartigen Stil mit Nachdruck ab. (Beifall bei den Grünen.)

Die Kritikfähigkeit der Regierung ist eine sehr eingeschränkte, sei es gegenüber der Opposition, sei es gegenüber Stimmen aus dem Ausland. Gerade Kritikfähigkeit wäre aber wichtig, um die internationale Kreditwürdigkeit, das Ansehen unseres Landes zu stärken, zu bewahren und zu erhalten. Und das ist eigentlich der Hauptpunkt meiner Kritik am heutigen Tage.

Schauen wir uns an, was die Bundesregierung, was Mitglieder der Regierungsparteien für diese Kreditwürdigkeit, für das Ansehen Österreichs im In- und Ausland geleistet haben. (Abg. Öllinger: Herr Kabas zum Beispiel oder Herr Schmid!) Dazu, Herr Bundeskanzler, in aller Form die Frage: Ich habe von Ihnen wenig gehört zu solchen Ausritten wie dem "Westentaschen-Napoleon", den AK-Wahlplakaten, die bei aller berechtigter Kritik, die es an allen Kammern geben mag, wirklich dem Fass den Boden ausschlagen, oder auch zur Bezeichnung "Strolchi" an Ihre Adresse. (Abg. Dr. Pilz: "Strolchi" – was sagen Sie denn dazu?)

Klubobmann Khol hat das bei einer Debatte in der Industriellenvereinigung als "sehr lustig" bezeichnet und hat gemeint, mir fehle der Humor. Ich würde sagen, Herr Bundeskanzler, fragen Sie doch da einmal die Bevölkerung, wie die Leute das sehen, die Arbeiterkammerwahlplakate der Freiheitlichen, den "Strolchi", den "Westenthaler ..." (Abg. Ing. Westenthaler: Gut! – "Westenthaler-Napoleon"!), den "Westentaschen-Napoleon". "Westenthaler" – ja, da gibt es eine Verbindung, denn Sie, Herr Westenthaler, Sie können sich ja auch noch an so Äußerungen wie "Scherzkeks" und Ähnliches erinnern. Ist das die Würde des Hauses? Dient das dem Ansehen? Von den "Humpen" und "Dumpen" und von der Wortbedeutung dieser Neuschöpfungen will ich da gar nicht reden. Ist das das Ansehen und die Würde, die Sie immer beschwören und die Klubobmann Khol in theatralischen Worten versucht hat, dem Hause nahe zu bringen? Wie stehen Sie dazu? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Kogler: Das ist die "Verhumpung" der Republik! – Rufe bei den Freiheitlichen: Parlamentsblockierer! Demonstrierer!)

Aber das sind ja nur die, sage ich einmal, am Rande zwischen lächerlich und traurig herumschwirrenden Äußerungen. Viel ernster sind Äußerungen und Handlungen, die es allesamt nach dem Wahltermin von Seiten Ihres Koalitionspartners gegeben hat.

Herr Bundeskanzler! Sie wissen es, und es liegen auch Anfragen dazu vor. Was halten Sie denn von den vom freiheitlichen Parlamentsklub ausgehenden Hetzparolen gegen Frau Knoll, die dazu geführt haben, dass die Superintendentin kaum noch ihrer Arbeit nachgehen kann? (Abg. Dr. Ofner: Ungeheuerlich, so etwas unter dem Schutz der Immunität zu behaupten!) Schwarz auf weiß! Ist das nicht Ihre Anschrift: Parlament Wien, Telefon 40110, Klappe 5855, Dipl.-Ing. Schöggl? Geht das nicht von Ihnen aus? (Abg. Dr. Ofner: Lesen Sie es ganz vor! Ganz vorlesen!)

Oder, Herr Bundeskanzler, von den Guntramsdorfer Freiheitlichen eine Einladung, ein Aufruf zu Julfeiern, dem Gedenken an die Helden, die im Kampf gegen den Feind für unsere Heimat das Leben ließen. Kein Wort von den Opfern der Shoah, kein Wort vom Angriffskrieg gegen Staaten, die sich verteidigt haben, kein Wort der Versöhnung und der Wiedergutmachung!

Oder, Herr Bundeskanzler, was halten Sie davon: Freiheitliche in Salzburg nehmen gegen die United Parade, gegen die Love Parade, Punks und offene Homosexualität Stellung und fordern dazu auf, die Gesellschaft durch ein Verbot von so etwas vor diesen kriminellen Elementen zu schützen? Homosexualität als kriminell – sehen Sie das auch so, Herr Bundeskanzler? (Abg. Dr. Ofner: Lesen Sie es vor! Wo steht denn, dass Homosexualität kriminell ist?) Wie stehen Sie denn dazu?


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Herr Bundeskanzler! Der stellvertretende freiheitliche Parteiobmann von Mödling verlangt in der "Kronen Zeitung" den Austritt aus der EU als einer Gemeinschaft der Günstlinge, Korruptionisten und Bürokraten, verbunden mit der Einstellung aller Zahlungen. (Abg. Dr. Ofner: Das wird man wohl noch verlangen dürfen!) Na ja, sehen Sie das auch so? Zustimmung aus den freiheitlichen Reihen – bitte das zu protokollieren! (Abg. Dr. Ofner: Ich bin dafür, dass jeder das sagen kann, und zwar, ohne dass er zensuriert wird!) Sehen Sie, der Sie immer den Einklang in Europa und die Notwendigkeit einer Verständigung beschwören, das auch so, sehen Sie auch die Partnerstaaten in der EU als Günstlinge, Korruptionisten und Bürokraten, verlangen auch Sie die Einstellung aller Zahlungen?

Oder dann am 15. März im Europäischen Parlament anlässlich einer Debatte über Menschenrechte, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vom FPÖ-Abgeordneten Sichrovsky der Ausspruch, die Frage, wann denn das antifaschistische Kasperltheater ein Ende haben werde. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Ofner: Das war der Tag, an dem Sie die EU unterstützten, weil Sie sich für andere "geschämt" haben! – Abg. Dr. Martin Graf: Das soll eine Budgetrede sein?)

Das sind nur die hervorstechendsten Äußerungen, die, Herr Bundeskanzler, doch auch einmal der österreichischen Bevölkerung zu einer Meinungsbildung vorgelegt werden sollten. Auch Ihre Meinung dazu würde uns sehr interessieren.

Herr Klubobmann Khol hat heute, statt eine sachliche Debatte zu führen, von einem Femeverfahren gesprochen. Herr Klubobmann, Sie wissen, was das rechtshistorisch war (Abg. Dr. Khol: Ein Strafverfahren ohne Anhörung der Beschuldigten!), und Sie wissen, welchen Vergleich Sie hier angestellt haben. Deshalb frage ich Sie in aller Form, ob Sie das wirklich so sehen angesichts dieser Zitate und dieser Aussprüche, die ich Ihnen hier zur Kenntnis gebracht habe.

Herr Klubobmann! Sie sind sehr stark im Austeilen von Vorwürfen. Sie haben aber andererseits Anträge auf Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, in dem wir uns das alles anschauen könnten, immer abgelehnt. Ich frage Sie: Warum? Und ich frage Sie, ich frage den Herrn Bundeskanzler: Was halten Sie von diesen Aussprüchen? Und: Wie ist es Ihnen ergangen bei der Gedenkfeier am Mauthausen-Gedenktag, als vom polnischen Botschafter, von Herrn Bartoszewski, erschütternde Worte kamen, als er klar und eindringlich und auf Argumente gestützt sich dagegen ausgesprochen hat, dass irgendjemand die österreichische Nation als Missgeburt bezeichnet (Abg. Dr. Ofner: Das hat er nicht einmal gesagt – er hat aber eine parteipolitische Rede gehalten!), als er sich dagegen verwahrt hat. Das regt Sie sehr auf, Herr Abgeordneter Ofner, und das regt Sie zu Recht auf. Das regt mich auch auf, und darüber sollten wir die Debatte führen in diesem Haus. Sie kommen an dieser Debatte nicht vorbei, das sage ich Ihnen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Ich hätte mir etwas anderes erwartet!)

Und als ein Opfer des Nationalsozialismus, als ein Überlebender des KZ-Terrors hat Bartoszewski leidenschaftlich zurückgewiesen, dass irgendjemand in dem Land die NS-Beschäftigungspolitik als eine "ordentliche" bezeichnet, gab es nur Abgeordnete in Ihrem Sektor, und es waren auch Sie, Herr Abgeordneter, die nicht zugestimmt haben und diesen Äußerungen keinen Applaus gezollt haben. Keinen Applaus! (Abg. Dr. Ofner: Es war eine Veranstaltung, bei der der Herr Präsident einen Redner korrigieren musste!)

Herr Bundeskanzler, das ist die Debatte, die dieses Land endlich führen wird müssen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht auf diese Art!): sachlich, offen, aber nicht auf diesem Auge blind. Ansonsten sind Sie es, der mit diesen EU-Sanktionen ein sehr übles parteipolitisches Spiel spielt, weil Ihr eigentliches Interesse darin liegt, durch derartige Äußerungen, durch ein derartiges Verhalten die europäische Kritik möglichst lange aufrechtzuerhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.04


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22. Sitzung / Seite 24

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl zu Wort gemeldet. Es gilt dasselbe, was ich bei der vorhergehenden tatsächlichen Berichtigung gesagt habe. – Bitte.

10.05

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Abgeordnete Petrovic hat in ihrer quasi hasstriefenden Rede (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) wiederholt wahrheitswidrig ... (Abg. Schieder: Na bitte! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den zu berichtigenden Sachverhalt und dann den tatsächlichen Sachverhalt!

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (fortsetzend): Ich gehe auf den Sachverhalt ein: Wiederholt wurde wahrheitswidrig behauptet, auf meiner Homepage würde eine Hetzkampagne gegen die evangelische Superintendentin Mag. Gertraud Knoll betrieben.

Ich stelle richtig und zitiere, was auf meiner Homepage steht: "Toleranz ist der Ausdruck der Achtung vor der menschlichen Würde des Andersdenkenden, kann aber nach meiner Auffassung nicht die kritiklose Anerkennung von Standpunkten bedeuten, welche sich gegen die Grundlagen unserer Religion, unserer Kultur und unseres menschlichen Zusammenlebens richten."

Das steht auf meiner Homepage. Dazu stehe ich. Das gilt generell und ist nicht ausschließlich im Zusammenhang mit den Äußerungen von Frau Knoll zu sehen. Die Auseinandersetzung mit Frau Knoll bezieht sich ausschließlich auf die Vereinbarkeit zwischen Kirchenamt und politischer Aktivität. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. Die Uhr ist wunschgemäß auf 15 Minuten eingestellt. – Bitte.

10.06

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren Volksanwälte! Herr Rechnungshofpräsident! Frau Kollegin Petrovic, es ist wieder einmal Ihnen vorbehalten geblieben, eine Debatte über sehr wichtige Themen wie das Budget, die EU-Sanktionen, eine Debatte, die bisher doch sehr interessant verlief, auf ein Niveau zu führen, das der Würde dieses Hauses einfach nicht entspricht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Petrovic! Ich frage Sie, weil Sie hier einige Attacken und Zitate erwähnt haben: Haben Sie schon vergessen, dass es vor nicht allzu langer Zeit Demonstrationen gegeben hat, die Sie mitorganisiert haben und bei denen wir auf den mitgeführten Transparenten lesen mussten: Widerstand! Widerstand! Schüssel, Haider an die Wand!? (Abg. Dr. Martin Graf: So ist es!) Haben Sie schon vergessen, dass Demonstrationen stattgefunden haben, die Sie mitorganisiert haben, bei denen Sie mitmarschiert sind und bei denen auf Transparenten etwa zu lesen war: Zyklon B für die FPÖ!? Haben Sie vergessen, dass Politiker der Grünen diese Regierung als Schurken bezeichnet haben und für Österreich Quarantäne gefordert haben? Haben Sie vergessen, dass Politiker der Grünen die Regierung unter die Erde gewünscht haben – wörtliches Zitat! –, "weil sie dorthin gehört"? (Abg. Haigermoser: So eine Gaudi, was, Herr Kogler!) Und haben Sie vergessen – zum Herrn Kogler komme ich dann noch und erkläre euch, warum er so lacht –, dass wir erst bei der letzten Parlamentssitzung von Ihrer Fraktion eine Blockade des Parlaments erleben mussten oder zumindest den Versuch dazu? Und haben Sie vergessen, dass in der letzten Präsidialsitzung – und jetzt komme ich zum Kollegen Kogler – Kollege Kogler mit erhobenem Zeigefinger gedroht hat, dass eine Blockade des Parlaments jederzeit wieder vorkommen könne? (Abg. Wattaul: Schämen sollte er sich! – Abg. Haigermoser: Anarchisten! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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22. Sitzung / Seite 25

Und wissen Sie, Frau Kollegin Petrovic, was hier das letzte Mal vorgefallen ist, dieser Versuch einer Blockade, war nichts anderes als eine Attacke auf Parlament, Demokratie und Republik, die in der Geschichte bisher beispiellos war. Das sage ich Ihnen ganz offen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Angesichts dieser aufgelisteten Vorfälle bis hin zur Blockade, die Sie hier versucht haben, haben Sie überhaupt nicht das Recht, andere Fraktionen, andere Politiker anzupatzen. Ich weiß schon, Sie haben das Recht, mit dieser inhaltslosen Rede und mit diesen Attacken Ihre inhaltsleere Politik und Ihr Nichtwissen für die Öffentlichkeit zu kaschieren, zu kaschieren, dass Sie überhaupt nichts sagen konnten zum Thema EU-Sanktionen, zum Thema Budget. Stattdessen haben Sie Ihre Rede fokussiert auf Attacken, auf niederträchtige Attacken – ich sage das auch ganz offen –, die hier eigentlich nichts verloren haben. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Das gehört einmal ordentlich und offen gesagt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber ich wende mich jetzt wichtigeren Themen zu, denn eigentlich sollte man für solche Aussagen nicht so viel Zeit vergeuden. In Wirklichkeit ist es so – und wenn wir heute die Tageszeitung "Kurier" aufschlagen, in der die neueste OGM-Umfrage veröffentlicht worden ist, sehen wir das bestätigt, denn das Institut kommt zum Resümee –: Die Regierung hat sich stabilisiert, die Opposition findet keine Strategie. Das ist das Zeugnis nach 100 Tagen dieser neuen Regierung, nach 100 Tagen Wende in Österreich. Das ist gut. Und ich ergänze: Die Regierung hat sich nicht nur stabilisiert, sondern der schwarz-blaue Reformzug fährt mit vollem Tempo, und das trotz Fundamentalopposition, trotz ungerechter rechtswidriger Sanktionen, trotz unverhohlener Drohungen der Gewerkschaft, trotz SPÖ-Erbes nach 30 Jahren roter Finanzpolitik. Und das ist schon eine beträchtliche Leistung dieser Bundesregierung. Da kann man nur gratulieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist eine ganz gewaltige Bilanz, die wir in den ersten 100 Tagen unserer Regierungstätigkeit eingefahren haben. Klubobmann Khol hat einige Punkte davon genannt, und ich darf sie noch ergänzen: Wir haben die Budgetsanierung zustande gebracht (Abg. Dr. Kostelka: Brüssel ist da anderer Meinung!) mit einem Budget, das wir von Ihnen mit einem Loch von 109 Milliarden Schilling geerbt haben, und wir haben jetzt ein Budgetdefizit, das das niedrigste nach 20 Jahren ist. Ich betone: das niedrigste nach 20 Jahren!

Wir haben ein Demokratiepaket mit mehr Mitbestimmungsmöglichkeit beschlossen. (Abg. Dr. Kostelka: Wo haben Sie das beschlossen?) Die Regierung hat es beschlossen, und jetzt ist es im Parlament vorliegend. Wir laden Sie ein, bei diesem Demokratiepaket, das mehr direkte Demokratie, mehr Mitbestimmung der Bevölkerung zum Inhalt hat, hier in diesem Hohen Hause mitzumachen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben eine "Aktion Fairness", die Gleichsetzung der Arbeiter mit den Angestellten im Arbeitsrecht durchgesetzt. Dabei geht es beispielsweise um längere Krankenstände und eine bessere Bezahlung der Arbeitnehmer. Überdies haben wir eine Sozialversicherungsreform durchgesetzt. Es werden keine Selbstbehalte beim Arztbesuch, Herr Kollege Kostelka, eingeführt (Abg. Edlinger: Das kommt schon noch!), wie Sie das heute hier erwähnt haben, aber dafür gibt es ein Reformpaket zum Abbau der Sozialversicherungsbürokratie, das auf Punkt und Beistrich umgesetzt werden muss, damit man die entsprechenden Sanierungen vornehmen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben die Entpolitisierung vorangetrieben. Stichwort: ÖIAG. Außerdem sind die Pensionsreform, ein Mietensenkungsprogramm, eine Strom- und Gaspreissenkung auf der Schiene. Wir haben ein Familienpaket und eine Lohnsteuersenkung beschlossen. Überdies werden die Lohnnebenkosten um 15 Milliarden Schilling gesenkt, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu sichern. Wir haben letztlich erst vor einer Woche einen Beschluss gefasst, dass wir den neuen Kommunikationstechnologien noch größere Aufmerksamkeit schenken werden. E-Mail für alle, papierlose Behörde: Das soll nicht mehr Vision bleiben, sondern soll in den nächsten Jahren auch konkret umgesetzt werden – im Sinne von mehr Zugang zu neuen Technologien in unserem Land! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Das ist eine ganz ordentliche Bilanz, die wir da vorweisen können.

Aber wir haben noch etwas ganz Wichtiges beschlossen, nämlich einen Aktionsplan gegen die EU-Sanktionen, die Österreich auferlegt worden sind. Dieser Aktionsplan hat – und man kann es, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Oppositionsparteien, drehen und wenden, wie man will – bereits am vergangenen Wochenende, also wenige Stunden nach seinem Beschluss in der Regierung, Wirkung gezeigt. Das beweisen zahllose Zeitungsartikel vom Wochenende bis zum gestrigen Tag. Ich darf einige Schlagzeilen zitieren: "Sowohl in Österreich als auch international Nachdenkprozess über die Sanktionen eingeleitet." "EU-Partner bereit zu Dialog mit Österreich", schreibt der "Standard". Oder: "Auf den Azoren bekam das EU-Eis erste Sprünge." Oder: "Ein Türspalt zur EU ist endlich geöffnet." In diesem Artikel heißt es unter anderem: "Die ‚Eisbrecher‘ in Sachen Umdenken waren Irland, Italien, gefolgt von Finnland, Dänemark, Griechenland und Spanien." Oder: Die hochangesehene "NZZ" schreibt zum Beispiel unter dem Titel "Azorenhoch für Österreichs Koalitionsregierung?" "Europa hört uns wieder zu", sinngemäß: Der finnische Außenminister plädiert für ein Überdenken der Sanktionen. Oder: "Signale der Entspannung" titeln die "Salzburger Nachrichten".

Auch international haben der Gipfel am Wochenende und auch der Aktionsplan gegen die EU-Sanktionen wirklich aufhorchen lassen. So schreibt zum Beispiel der Madrider "El Pais" wortwörtlich: "Einheit der EU bezüglich politischer Isolierung Österreichs beginnt zu bröckeln." Und jetzt wird es interessant, da heißt es:

"Das zudringliche Insistieren Österreichs und das Verstreichen der Zeit beginnt an der Festigkeit der 14 zu nagen. Die Spannung der ersten Tage ist bereits geschwunden ebenso wie die unhöfliche Behandlung österreichischer Minister bei formellen und informellen Treffen."

Oder: In Barcelona titelt "La Vanguardia": "Nur drei EU-Länder sind dagegen, die Sanktionen gegen Österreich aufzuheben." (Abg. Edlinger: Alle mit sozialistischem Präsidenten! Was ist mit dem Genossen Chirac?)

Nun zu französischen Zeitungen; das ist auch ganz interessant. – Der berühmte "Le Figaro" titelte am 8. Mai: "Die ‚Ablehnungsfront‛ bekommt Sprünge." – Das ist ein hochinteressanter Artikel. Darin wird vom Aktionsplan der Bundesregierung berichtet. Und dann heißt es darin: "Am Freitag, vor Beginn des Treffens in Furnas, hat die österreichische Regierung einen ‚Aktionsplan‘ verabschiedet, in dem sie ihren Partnern droht, im Herbst ein Referendum über die Sanktionen abzuhalten, falls sich in puncto ‚Normalisierung‘ der Situation nichts ändere." Und dann wird darin ein Minister zitiert, der seinen Namen nicht nennen wollte, der anonym bleiben wollte – ich zitiere –: "Unter diesem Gesichtspunkt" – also als Hinweis auf den Aktionsplan – "wird aber nun einigen klar, dass es unmöglich beziehungsweise unzweckmäßig sei, an der Methode der Sanktionen weiterhin festzuhalten."

Das ist ein Riesenerfolg für die Regierung und für diesen Aktionsplan, und das beweist, dass er richtig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

"Eine ‚kritische Masse‘" – schreibt "Le Figaro" weiter (Abg. Edlinger: Der Experte Fischler denkt darüber anders!) – , "die eine Änderung verlangt, ist im Begriff sich zu konstituieren."

Oder: Das "Handelsblatt" in Deutschland titelt: "Front der Österreich-Boykotteure zeigt Risse".

Herr Kollege Edlinger! Was ich nicht verstehe, ist, dass Ihnen diese Schlagzeilen, die ja so positiv für Österreich sind, so wehtun, dass sie pausenlos dazwischenreden müssen. Das entlarvt Sie auch als jemand, der in Wirklichkeit keine Aufhebung der Sanktionen will. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Wenn Sie mit Schlagzeilen zufrieden sind! Schlagzeilen nützen nichts, die Sanktionen müssen weg!)

Sie müssten sich doch freuen über diese Schlagzeilen. Sie müssten doch zufrieden sein, wenn etwa das deutsche "Handelsblatt" schreibt: "Front der Österreich-Boykotteure zeigt Risse" und wenn quer durch Europa positive Artikel kommen.


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Ich glaube, diese Aufweichung, diese positiven Reaktionen beweisen, dass die selbstbewusste Haltung der Regierung Wirkung hat. Das geschah auch – und das muss man ganz klipp und klar sagen – aufgrund des Auftretens der Außenministerin beim Außenministerrat. Respekt und Anerkennung für das diplomatische Geschick der Außenministerin und dieser Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehen Sie, Herr Kollege Edlinger – ich wollte gerne auch sagen: Herr Kollege Gusenbauer und Herr Kollege Van der Bellen, doch leider sind sie nicht im Haus (Abg. Edlinger: Aber nicht auf dem Fußballplatz!)  –, es ist gar nicht so schwer, in Österreich ein Patriot zu sein. Ausdauer, Mut und aufrechter Gang im Sinne Österreichs sind nicht nur nicht verboten, sondern ausdrücklich erwünscht und zahlen sich auch aus.

Immer mehr Bedenken hinsichtlich der Unrechts-Sanktionen der EU werden geäußert, und ich bin wirklich davon überzeugt, dass wir es schaffen, dass diese ungerechten, absurden und rechtswidrigen Sanktionen aufgehoben werden – auch wenn wir jetzt erst am Beginn stehen, erst am Anfang des Weges. Da gebe ich Ihnen Recht: Wir stehen erst am Anfang eines Weges. Aber wir haben entscheidende Weggabelungen richtig gewählt. Wir sind bereits an ein paar Weggabelungen gestanden und haben immer den richtigen Weg eingeschlagen. Daher ist mir die Vorgangsweise des SPÖ-Vorsitzenden Gusenbauer, der auch Weggabelungen zu überwinden hatte, aber bisher leider immer den Weg in die Sackgasse gewählt hat, völlig unverständlich und für mich nicht nachvollziehbar. Jedes Mal, wenn er auftritt, wählt er den Weg in die Sackgasse. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Er tat dies auch gestern wieder – wahrscheinlich waren diese europaweiten Schlagzeilen zu positiv –: Kollege Gusenbauer reiste nach Paris und traf sich dort mit den Scharfmachern gegen Österreich – ich betone: mit den Scharfmachern gegen Österreich (Abg. Wattaul: Zauberlehrling!)  –, gab mit ihnen Pressekonferenzen und hat wieder eine Chance vertan, den rot-weiß-roten Konsens über die Bühne zu bringen. Wenn man sich das anschaut, was da von dieser Pressekonferenz aus Europa mit Gusenbauer und dem sozialistischen Fraktionschef kommt, dann läuft einem der kalte Schauer über den Rücken, meine Damen und Herren, und jedem patriotischen Österreicher auch. Er richtet uns nämlich von Paris an der Seite eines der Oberscharfmacher aus, welche Bedingungen Österreich zu erfüllen hat, damit die Sanktionen nicht verschärft werden, und nicht, dass sie aufgehoben werden. Und er richtet aus, die österreichische Bundesregierung solle ihre "antieuropäische Kampagne" stoppen. – Es gibt keine antieuropäische Kampagne der Bundesregierung, aber es gibt eine Kampagne für Gerechtigkeit für Österreich, gegen die Sanktionen, und diese wird es auch weiterhin geben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Interessant ist, dass er von Paris aus dann auch fordert, die in Aussicht gestellte Volksbefragung zu den Sanktionen abzusagen. – Das wird es nicht spielen! Das kann ich ihm gleich sagen und zurück nach Paris rufen: Diese Volksbefragung wird dann kommen, wenn es nicht gelingt, hier in Österreich einen Schulterschluss zustande zu bringen, und wenn es nicht gelingt, die Sanktionen aufzuheben. Wenn sich die Scharfmacher hier in Österreich und auf der europäischen Ebene durchsetzen, dann werden wir den Konsens und Schulterschluss mit der österreichischen Bevölkerung suchen und ihn auch finden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Gusenbauer richtet uns weiter aus, dass wir einen nationalen Aktionsplan gegen Fremdenhass und Rassismus erstellen und uns auch entschieden zur Osterweiterung bekennen sollen. – Ich möchte dem Kollegen Gusenbauer vorschlagen, das Regierungsübereinkommen dieser Bundesregierung zu lesen, vor allem auch die Präambel. Hätte er dies getan, dann hätte er sich diese Forderung ersparen können. (Abg. Dr. Mertel: Der Haider soll die Präambel auch lesen!)

Des Weiteren will er eine Beobachtungsgruppe einsetzen. Er will jetzt also das Monitoring, das er im Europarat abgelehnt hat, wofür er sich gebrüstet hat, für Österreich eingesetzt haben. Ein Monitoring, wie es zuletzt für Länder wie Uganda und Albanien eingesetzt worden ist, will er nun auf europäischer Ebene. Dazu sage ich auch ganz klipp und klar: Das brauchen wir nicht! Wir


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brauchen keinen Big Brother, den lassen wir im Fernsehen bei der Unterhaltung, den brauchen wir wirklich nicht in Österreich. Das haben wir nicht notwendig! Wir brauchen das nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Gusenbauer hat dann – und das ist auch interessant, deshalb muss ich es auch erwähnen – bei der genannten Pressekonferenz wortwörtlich gesagt: Das Signal, dass man die Regierungsbeteiligung einer rechtsextremen Partei nicht banalisieren kann, ist durch die Sanktionen in Österreich angekommen. – Das ist der direkte Schluss: Sanktionen – rechtsextreme Partei. Und ich sage es jedes Mal und werde es immer wieder sagen, wenn Herr Gusenbauer Derartiges von sich gibt: Das im Ausland, aber auch im Inland zu sagen, ist nicht Parteipolemik, ist nicht zulässige Kritik, sondern das ist mieseste Vernaderung. Ich weise das im Namen der Freiheitlichen auf das Schärfste zurück! Diese FPÖ ist keine rechtsextreme Partei. Das sollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Aber es ist zulässig, dass man euch so sieht!)

Geendet hat dieses Defilee der beiden Sozialisten mit einer ordentlichen Kopfwäsche für den SPD-Politiker und Vorsitzenden des Deutschen Bundestages, Hans Ulrich Klose, der es gewagt hat, ein Nachdenken über die Sanktionen der EU-14 zu fordern. Da sagte der Franzose sogleich, er, Herr Klose, solle sich genau überlegen, ob eine derartige Forderung zum jetzigen Zeitpunkt angebracht wäre. – Also Kopfwäsche und Vergatterung, das ja nicht zu sagen.

Bei all den Berichten von dieser Pressekonferenz, bei all den Berichten über Gusenbauers Reise kann man nur eine Forderung aussprechen: Herr Kollege Gusenbauer, bleiben Sie lieber zu Hause, beteiligen Sie sich an Parlamentssitzungen, reisen Sie bitte in der nächsten Zeit nicht mehr ins Ausland, denn das schadet Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Edlinger, noch einen Satz! – Der Herr Finanzminister hat vor kurzem eine schwierige Mission beim Ecofin-Rat iin Brüssel durchzuführen gehabt, und Kollege Kostelka hat Recht, wenn er sagt, er habe dort politische Ohrfeigen bekommen. Allerdings muss man dazusagen: Er hat dort jene politischen Ohrfeigen bekommen, die Sie, Herr Kollege Edlinger, sich hätten abholen sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Es war von Vornherein klar, dass Sie damit gemeint waren, wie das etwa der deutsche Finanzminister Eichel in der Tageszeitung "Die Presse" gesagt hat oder wie es auch im ORF gesendet wurde. Ich zitiere wortwörtlich: In der geringen Anstrengung, die sie in den letzten zwei Jahren gemacht haben, liegt die Kritik. – Zitatende.

Das ist eine Abreibung für Sie und Ihre falsche Budgetpolitik – und nicht für den neuen Finanzminister, der ein Sanierungsprogramm erstellt hat, das sich sehen lassen kann (Abg. Edlinger schüttelt verneinend den Kopf), das er durchsetzen wird und das im Sinne der Bevölkerung auch durchgesetzt werden muss, damit wir eine bessere Zukunft für unsere Jugend, für die Arbeitnehmer und für die Wirtschaft in diesem Land haben und damit wir letztlich den Sanierungskurs fortsetzen können und auch in den nächsten Jahren stabile Verhältnisse in unserem Land haben und nicht so eine Budgetpolitik, wie Sie sie uns hinterlassen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich möchte den Ausdruck "niederträchtige Attacke" zum Anlass nehmen, gleich am Beginn des ersten Tages der Budgetdebatte zu bitten – alle Fraktionen zu bitten! –, nicht wieder an einer verbalen Eskalationsschraube zu drehen, denn wo wir dann am Abend des dritten oder fünften Tages der Budgetdebatte landen, das weiß niemand.

Zu Wort gelangt zu einer tatsächlichen Berichtigung Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

10.23

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank und im Hohen Hause! Herr Abgeordneter Westenthaler hat in seiner Rede behauptet, dass von Seiten der Grünen in der letzten Sitzung des Nationalrates eine "Blockadeaktion" erfolgt sei, die eine "niederträchtige Attacke" auf Demokratie und Freiheit in dieser Republik dargestellt habe. (Abg. Wattaul: Waren Sie nicht da? Wo waren Sie?)


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Ich stelle demgegenüber richtig: Die Blockadeaktion, wenn man das so bezeichnen will, der Abgeordneten Haidlmayr war ein Versuch, über ein ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Öllinger! Es tut mir Leid, aber das sind Wertungsfragen. Das haben wir schon oft besprochen: Das kann im Zuge von Diskussionsbeiträgen korrigiert werden. Wenn das Ganze nicht stattgefunden hätte, dann kann man berichtigen, es habe nicht stattgefunden – aber wie das zu bewerten ist, das kann nicht Gegenstand einer tatsächlichen Berichtigung sein. Ich bitte, das in den Debattenbeiträgen richtig zu stellen! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Herr Präsident! Sie müssen mir schon auch die Möglichkeit geben, meine Wortmeldung zu beenden oder so auszuführen, dass ich den Inhalt erklären kann. (Abg. Ing. Westenthaler: Das geht leider daneben!)

Ich stelle richtig: Die Aktion der Frau Abgeordneten Haidlmayr (Abg. Böhacker: Hat nicht stattgefunden!) hat auch nach Ansicht des damals den Vorsitz führenden Zweiten Präsidenten des Nationalrates keine Blockade dargestellt (Abg. Ing. Westenthaler: Es wird leider nichts mehr!), und der ordnungsgemäße Ablauf der Sitzung war garantiert. (Rufe bei der ÖVP: Nein! – Heftiger Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Beifall bei den Grünen.)

10.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Öllinger! Ich habe Ihrem Wunsch entsprochen, dass Sie den Satz fertig sprechen können, aber ich glaube, das, was hier aus der tatsächlichen Berichtigung herauszuholen ist, ist damit gesagt. Bitte, dies zu beenden! (Abg. Öllinger schickt sich zum Weitersprechen an.)

Nein! Den Anordnungen des Präsidiums ist Folge zu leisten! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Vielleicht ist das die nächste Blockade! – Abg. Öllinger: Ich habe noch einen anderen Punkt!)

Herr Abgeordneter Öllinger sagt, er habe noch einen anderen Punkt. Das ist möglich, aber es ist die Redezeit von 2 Minuten beendet. Dann muss das ein anderer Kollege seines Klubs machen. Ich will Sie nicht um ein legitimes Recht bringen! (Abg. Öllinger verlässt das Rednerpult. – Abg. Dr. Petrovic: Zur Geschäftsordnung!)

Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Petrovic.

10.26

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Ich ersuche neuerlich, die Frage der tatsächlichen Berichtigungen einer Debatte in der Präsidiale zu unterziehen, denn wenn das nach Auffassung des Präsidenten, die letztlich die entscheidende ist, keine tatsächliche Berichtigung war, dann stelle ich mir in aller Form die Frage, was eine Bewertung einer Aufforderung auf der Homepage der Freiheitlichen oder auf der Homepage des Abgeordneten Schöggl von den Ausführungen des Abgeordneten Öllinger unterscheidet.

10.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Petrovic! Selbstverständlich können wir in der Präsidiale darüber reden, und ich behaupte auch nicht, dass diese schwierige Aufgabe der Bewertung von mir immer perfekt wahrgenommen wird; ich kann mich auch irren. Nur: Das Beispiel "Schöggl" ist nicht geeignet, denn da wurde ein Text vorgelesen, und einen Text vorzulesen und einer entgegengesetzten Behauptung gegenüberzustellen, ist etwas anderes, als die Frage zu bewerten, wie sich die Aktion der Kollegin Haidlmayr auf den Parlamentarismus ausgewirkt hätte – noch dazu, wo wir das doch in der Präsidialsitzung diskutiert und letztlich mit großer Mühe ein Minimum an Konsens in dieser Frage erzielt haben.

Ich habe aber jetzt noch eine tatsächliche Berichtigung des Herrn Abgeordneten Verzetnitsch aufzurufen. Ich bitte meinen Freund Fritz Verzetnitsch, es mir nicht schwer zu machen. – Bitte.


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10.28

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Ich hoffe, ich kann den Vorstellungen des Präsidenten entsprechen. – Herr Abgeordneter Westenthaler hat behauptet, dass diese Regierung die "Aktion Fairness" erledigt hat.

Faktum ist, dass dies nicht der Fall ist: dass die Frage der Kündigungszeiten nicht erledigt ist, die Bezahlung der "Aktion Fairness" ausschließlich auf die Arbeitnehmer beschränkt wird und sogar noch ein Körberlgeld für die Unternehmer drinnen ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war ein Debattenbeitrag!)

10.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteile, habe ich noch eine dritte tatsächliche Berichtigung aufzurufen. – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Ich bitte, dem behaupteten Sachverhalt den tatsächlichen Sachverhalt gegenüberzustellen. (Abg. Wattaul: Das ist nur Aktionismus!)

10.28

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Abgeordneter Westenthaler behauptete, dass Grüne Mitglieder der Bundesregierung als "Schurken" bezeichnet hätten.

Ich berichtige tatsächlich – unser Klubobmann Van der Bellen hat schon einmal in einer tatsächlichen Berichtigung diesen Sachverhalt widerlegt, und ich weise ihn auch zurück –: Es hat niemand von den Grünen Mitglieder dieser Bundesregierung als "Schurken" bezeichnet! (Beifall bei den Grünen.)

10.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt nun der Herr Bundeskanzler.

Es ist vereinbart, dass die Redezeit eines Regierungsmitgliedes 20 Minuten beträgt. Wenn eine solche Rede länger dauert, wird diese Überschreitung von der Redezeit des jeweiligen Parlamentsklubs abgezogen.

Bitte, Herr Bundeskanzler.

10.29

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Eigentlich geht es heute hier um die Generaldebatte zum Budget und damit auch um eine erste Wertung der ersten 100 Tage dieser Bundesregierung.

Man merkt natürlich schon auch, wie emotionsgeladen die Diskussion manchmal ist – vielleicht heute weniger als noch vor einigen Wochen oder Monaten, aber die Nerven sind natürlich noch immer blank.

Ich habe es noch im Ohr, und ich sehe noch die Bilder vor mir – das sei auch nicht vergessen –, dass schon zu Beginn dieser Regierungstätigkeit, noch bevor wir die Chance gehabt haben, Ihnen eine Regierungserklärung zu präsentieren, die Opposition mit einem Misstrauensvotum gekommen ist. Das war wirklich einmalig in der Zweiten Republik. Ich werde das nicht vergessen, denn es hat mich getroffen – wie jeden, der auf der Regierungsbank Platz genommen hatte.

Ich habe noch im Ohr, wie man versucht hat, über die Straße Stimmung in einer Art zu machen, die ein sachliches, ruhiges Arbeiten für Österreich schwer möglich macht. Auch das soll heute nicht weggeblendet werden, denn es hat uns alle getroffen – und ich glaube, sogar die Nachdenklicheren unter den Oppositionspolitikern.

Drittens zu den Sanktionen, die vorher verhängt worden sind. – Das war keine Re aktion, es war eine vor eilende Aktion, das weiß jeder! Bevor diese Regierung noch gebildet war, sind diese Sanktionen angekündigt und zeitgleich in Kraft gesetzt worden. (Abg. Silhavy: ... Sie Außenminister!)  – Lassen Sie mich auch meine Interpretation hier wiedergeben. Ich versuche nicht, zu emotionalisieren, sondern ich will Ihnen eben nur aus meiner Sicht einen ehrlichen


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Einblick in unsere Gefühle geben. Vielleicht ist nicht alles schwarz oder weiß: Vielleicht ist nicht alles, was wir bisher gemacht haben, ein Triumphgeheul wert, vielleicht ist nicht alles, was an Kritik kommt, von vornherein falsch, und vielleicht können wir es schaffen, irgendwann zu einer etwas differenzierteren Bewertung des Politischen in Österreich zu kommen. Es wäre meiner Meinung nach hoch an der Zeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Was mich auch trifft – auch in der heutigen Debatte –, ist, dass man eigentlich immer nur auf den anderen zeigt. Ich sage: Wir haben Fehler gemacht! Niemand von uns – ob in der FPÖ oder in der ÖVP, ob auf der Regierungsbank oder Parlamentarier – ist frei von Fehlern.

Ich fange bei mir an: Ich glaube nicht, dass alles hundertprozentig geglückt ist, aber wir haben uns bemüht. Wir hatten auch sehr schwierige Situationen zu meistern, wir haben beispielsweise noch in der Nacht nach der Angelobung selbst das Bundesministeriengesetz neu formuliert, weil wir keine Möglichkeit hatten, auf die gesamte Administration zuzugreifen, weil wir keine Möglichkeit hatten, die normalen Recheneinheiten zu bedienen, die Computer und, und, und. Vergangenheit! – Das war unglaublich schwierig.

Und dass es schon in der ersten Sitzung der neuen Bundesregierung ein Budgetprovisorium gegeben hat, war nicht ganz so selbstverständlich, wie es heute klingt. Dass wir Ihnen heute ein Budget für das Jahr 2000 vorlegen, das natürlich eine Reihe von Einmaleffekten enthält und daher noch nicht die gesamte Strukturänderung enthalten kann, weiß niemand besser als wir – Karl-Heinz Grasser, ich und alle, die wir auf der Regierungsbank sitzen –, aber anerkennen Sie wenigstens, dass wir uns wirklich bemüht haben, und zwar so ambitioniert, wie es in wenigen Tagen und Wochen nur möglich gewesen ist, eine etwas ehrgeizigere Budgetsanierung in Angriff zu nehmen, als es das frühere Finanzministerium gemacht hat. Und das ist wichtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehen Sie doch die Notwendigkeit ein, dass wir im Interesse der sozialen Stabilität, im Interesse der Sicherung der Pensionen und des Sozialnetzes etwas tun müssen – nicht, weil ich oder weil die Sozialministerin gerne das Frühpensionsalter anheben will, sondern weil wir die Balance halten müssen zwischen der aktiven Bevölkerung, die es letztlich zahlt, beziehungsweise den Steuerzahlern, die es mitbezahlen, und den Älteren, die eine sichere Pension haben wollen. Und wenn wir länger leben, dann muss eben, wie in allen europäischen Ländern, schrittweise das Frühpensionsalter angehoben werden.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich appelliere schon an Sie und auch an Ihr Verantwortungsbewusstsein, denn so einfach kann man es sich nicht machen, einerseits hier zu kritisieren, dass unser Budget noch zu wenig ambitioniert sei, andererseits aber bei jedem einzelnen Punkt Fundamentalkritik zu äußern: Das ist nicht gerecht, das ist nicht ausgewogen, das ist nicht vertretbar! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mich trifft der Vorwurf, dass Sie sagen, das Budget sei nicht sozial ausgewogen, es gebe eine Klientel, die überhaupt nicht betroffen sei. Allerdings gebe ich zu bedenken: Ist das wahr? Ist der Vorwurf berechtigt, dass etwa die Wirtschaft nichts zur Budgetkonsolidierung beiträgt? – Die Fakten sprechen eine ganz andere Sprache. Die Wirtschaftsvertreter verweigern allerdings – und das sei ihnen auch hoch angerechnet – nicht den Dialog, sie verhandeln, und am Ende tragen sie im Interesse des Volkes zum Gesamtwohl bei.

Nehmen Sie den Beitrag der Wirtschaft zu diesem Budget 2000 als Beispiel: Wir schöpfen 14 Milliarden Schilling von Arbeitgeberbeiträgen zur Sanierung des diesjährigen Budgets ab. – Ich sage: Danke, österreichische Unternehmer, für dieses Verständnis!, und danke auch der Interessenvertretung, dass sie sich dem Dialog nicht verweigert! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Verzetnitsch: Was sind das für Mittel?)

Nehmen Sie die Getränkesteuer-Ersatzlösung. – Diese Steuer hat übrigens nicht, wie da gesagt wurde, die Bundesregierung abgeschafft – das ist ein ziemlicher Unfug! –, sondern der Europäische Gerichtshof. Mir wäre es – nach dem alten Grundsatz: alte Steuer, gute Steuer – am liebsten gewesen, bei jenen 10 Prozent Getränkesteuer zu bleiben. Das war bitte immer ... (Abg. Dr. Heindl: Das wäre möglich gewesen!)  – Nein, das wäre nicht möglich gewesen, denn damit


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hätten wir uns in eben jene Rolle hineinbegeben, dass wir einem Urteil des europäischen Höchstgerichtes mit irgendwelchen Schlawinermethoden ausweichen wollen. Die Rache wäre fürchterlich gewesen!

Im Interesse der Rechtssicherheit haben wir eine Ersatzlösung vorbereitet. Und wer wird sie bezahlen? – Die österreichische Wirtschaft, überwiegend der österreichische Tourismus, ist dazu bereit. Ich sage: Danke, österreichische Wirtschaft, dass Sie bereit sind, hier mitzutun! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Oder nehmen Sie etwa die Frage der Zwangsarbeiter! – Ich weiß, das ist ein heikles Thema, das kostet Geld. Aber wir stellen uns dieser Geschichtsaufarbeitung und wollen etwas tun, jedoch nicht deshalb, weil wir rechtlich verpflichtet sind, sondern weil wir uns moralisch verpflichtet fühlen. – Und wer, bitte, zahlt in diesem Bereich? Das sei ja auch einmal gesagt! – Maria Schaumayer verhandelt derzeit mit Heinz Kessler, einem namhaften Industriellen, und verschiedenen anderen Wirtschaftstreibenden, um ein möglichst großes Opfer, einen möglichst großen Beitrag von Seiten der österreichischen Wirtschaft zustande zu bringen.

Also die Legende, wonach es Begünstigte gebe, die nicht zum Gesamtwohl beitragen, ist falsch. Sie ist Gott sei Dank falsch, und ich bedanke mich dafür bei der österreichischen Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Noch etwas trifft mich, weil es eine Legende ist, die gefährlich werden kann: Es wird behauptet, Österreich stelle sich nicht seiner Geschichte. – Meine Damen und Herren! Lesen Sie den in der heutigen Ausgabe der "Presse" erschienenen Artikel von Hubert Feichtlbauer. Das ist ein Mann, der ganz sicher nicht zu den Radikalen im Lande gehört, er ist ein Stiller; aber die Stimme der Vernunft muss nicht unbedingt laut sein. Er hat die entsprechenden Daten – mühsam! – zusammengetragen, er schreibt gerade ein Buch, das man jedem zeitgeschichtlich Interessierten, eigentlich bis hinein in die Schulen, zur Pflichtlektüre geben sollte. In diesem Artikel zitiert er eine ganze Reihe von Quellen, darunter übrigens auch Gabi Holzer, eine österreichische Diplomatin, die unter dem Titel "Verfreundete Nachbarn" die diesbezügliche Geschichte Österreichs mit jener Deutschlands verglichen hat. Wir haben unsere Aufarbeitung der Geschichte genauso engagiert, vielleicht sogar engagierter gemacht als andere!

Und Hubert Feichtlbauer legt diese Zahlen vor: Gegen 100 000 Personen wurde in Deutschland ermittelt, in Österreich gegen 137 000 – wir wissen aber schon, dass Österreich ein bisschen kleiner als Deutschland ist –, 6 500 wurden in Deutschland rechtskräftig verurteilt, in Österreich 23 477. In Deutschland gab es 12 Todesstrafen, 43 in Österreich. Dazu kommen natürlich noch andere Länder, die ebenfalls Urteile, Todesurteile, Strafen und, und, und ausgesprochen haben. Wir müssen auch daran erinnern, dass sich die Alliierten die schwersten Delikte für ihre Gesetzgebung vorbehalten haben: Die britische Militärmacht hat in Österreich 25, die amerikanische 16 Prozesse durchgeführt; die Briten haben 53, die Amerikaner acht Todesurteile gefällt.

Ich sage daher: Hören wir auf, so zu tun, als ob Österreich nie etwas zur Aufarbeitung seiner Geschichte gemacht hätte! Das ist falsch, erwiesenermaßen falsch! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Petrovic! Ich habe die Rede von Bartoszewski beachtlich gefunden, und ich glaube, wir müssen sie aushalten, weil dieser Mann als Opfer des Konzentrationslagers viel erduldet hat. Der Vorwurf, dass wir nicht kritikfähig sind, kann also nicht stimmen, denn wir müssen diese Kritik aushalten. Österreich hat Bartoszewski eingeladen, daher müssen wir uns das anhören. – Wir können zwar in dem einen oder anderen Punkt anderer Meinung sein, aber für mich gehört zu Meinungsfreiheit und -vielfalt auch dazu, dass man zuhört. Und dass wir alle zugehört haben, ist meiner Ansicht nach ein beachtliches Signal.

Dass sich Präsident Heinz Fischer am Ende der Veranstaltung mit einer sehr spezifischen Bemerkung zu Wort gemeldet und damit etwas zurechtgerückt hat, verdient Respekt – von mir und hoffentlich auch von Ihnen! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)


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Frau Abgeordnete Petrovic! Ich bitte aber auch um Gelassenheit: Man muss auch der österreichischen Opfer gedenken dürfen! Es muss möglich sein, ohne falsche Verdächtigung der österreichischen Gefallenen – 380 000! – zu gedenken, ohne gleichzeitig auch alles andere in einen Topf zu werfen. Denn wir gedenken ja auch spezifisch der Opfer der Shoah in einem ganz besonderen Moment. Und es muss auch möglich sein, der österreichischen Kriegsgefangenen-Generation Recht zukommen zu lassen oder an die Gefallenen zu denken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Der Westenthaler will ...!)

Wenn wir also zu einer neuen Diskussions-, vielleicht Konflikt-, aber auch Konsenskultur kommen wollen, dann müssen wir, glaube ich, durchaus auch etwas aushalten – und dazu gehört zuallererst ein bisschen Humor, und bitte nicht jede einzelne Erklärung auf die Goldwaage der Gerichtsprotokolle zu legen! Ich halte den "Strolchi" aus, andere werden vielleicht den "Asterix" oder den "Troubadix" aushalten müssen. (Rufe bei der SPÖ: Lump!)  – Ja, auch das zählt nicht zu den Highlights sprachlicher Emanationen, das wissen wir selbst!

Ich bin der Überzeugung, dass wir dann, wenn jeder bei sich selbst anfängt, wenn jeder etwa mit dem Gebrauch des Wortes "Faschist" ein wenig sorgsamer umgeht und nicht jeden gleich an die Wand stellen oder umbringen will, gleichzeitig aber auch nicht sofort zur Klage schreitet und die Freiheit der Kunst in Frage stellt, ein Stück weiterkommen werden. Fangen wir bei uns selbst an! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zu den Sanktionen: Diese Sanktionen treffen! Sie treffen vor allem mich, da ich – ich wiederhole es – einer derjenigen bin, die im Jahre 1994 nach Alois Mock durch eine Kampagne landauf, landab ungeheuer viel – so glaube ich jedenfalls – dazu beigetragen haben, dass es zu jener Zweidrittelmehrheit bei dieser Volksabstimmung gekommen ist.

Diese Sanktionen treffen, sie schmerzen nicht nur, sie treffen auch, sie diskriminieren uns, sie diskriminieren das Land! Wenn der österreichische Botschafter in Paris keinen Zugang zu Kabinettsmitgliedern, keinen Zugang zu den Mitarbeitern der Ministerpräsidenten, zu den Ministern, zum Präsidenten hat, dann ist das mehr als nur eine schmerzliche Geste! Ich sage das schon dazu. Es behindert Österreich, es behindert unsere Entfaltungsmöglichkeit, für Österreich etwas zu tun. Und wenn sich der französische Verteidigungsminister weigert, eine Einladung an den österreichischen Verteidigungsminister zu unterschreiben (Abg. Mag. Posch: Haben Sie auch gehört, was der Botschafter gesagt hat?), dann ist das mehr als eine Frage der Höflichkeit, nämlich eine Frage des Artikels 10, wonach jedes Mitgliedsland durch volle Kooperation verpflichtet ist, die anderen Mitgliedsländer zu fördern und in ihrer Entfaltung zu unterstützen. – Das ist der Punkt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn man uns bei internationalen Abstimmungen, etwa im Kontext der Vereinten Nationen, behindert, dann ist das ein Skandal! Es freut mich aber, dass – ich teile Ihnen das heute gerne mit – das alles nichts nützt, denn bei einer der letzten Wahlen in vier Kommissionen der ECOSOC – es erfolgte einiges per acclamationem, da hat die EU nachgegeben, aber bei einer musste gewählt werden – hat Österreich die meisten, nämlich 45 Stimmen bekommen, gefolgt von Frankreich mit 44 und der Schweiz mit 39 Stimmen und so weiter. (Abg. Ing. Westenthaler: Wirksam!) Ich bin stolz darauf, dass wir mit unseren Diplomaten einen solchen Erfolg gehabt haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Noch schöner wäre es aber, wenn wirklich ein klarer, schallender Ruf aus Österreich käme: Weg mit den Sanktionen! – Wenn der SPD-Politiker Klose, der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages, sagt: Weg mit den Sanktionen, sie "widersprechen" – wörtlich! – "Geist und Buchstaben des EU-Vertrages", dann hätte ich das gerne ebenso von unseren sozialdemokratischen Freunden auch im Ausland, auch in Europa, selbst in Paris gehört. Und das ist nicht zu viel verlangt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir, die Regierung, müssen zwar vorsichtig sein – ich weiß schon, kein Triumphgeheul –, die Azoren waren nicht die Lösung, aber es war ein großer erster Schritt, dass es unserer Außenministerin dort gelungen ist, sichtbar zu machen, dass sich die Mehrheit der europäischen Partnerländer aktiv um eine Veränderung der Position bemüht. Ich danke Benita Ferrero-Waldner


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für dieses großartige Engagement. Das hat sie – und nur sie! – zustande gebracht: Danke! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir müssen aufpassen, dass wir nicht überziehen – das weiß ich schon –, und jeder von uns wird sich daran halten. Aber ich bitte auch Sie, nicht zu überziehen. – Herr Kollege Gusenbauer! In Frankreich davon zu reden, dass es eine antieuropäische Kampagne dieser Bundesregierung gibt, ist nicht nur falsch (Abg. Dr. Stummvoll: Ungeheuerlich!), sondern ein wirklicher Fehler, denn genau damit werden die Ressentiments, die ja wach sind, geschürt. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Österreich-Vernaderer! – Abg. Dr. Fekter  – in Richtung SPÖ –: Staatsverräter!) Sie kennen mich lange genug und wissen daher: Solange ich Bundeskanzler bin, wird es nie eine antieuropäische Kampagne dieser Bundesregierung geben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Petrovic: Ich hoffe, das ist alles im Protokoll aufgenommen!)

Aber in einer Demokratie muss bitte auch Kritik an einer undemokratischen Maßnahme eines anderen Landes oder an der Europäischen Union gestattet sein. So weit, dass alle anderen glauben, uns Bewährungshelfer oder Monitoren oder Observer – oder ich weiß nicht was – vor die Nase setzen zu müssen, kann es nicht gehen! Das erinnert manchmal schon an den Völkerbund der zwanziger Jahre.

Ich muss ganz ehrlich sagen, da sperrt sich bei mir etwas. Wir sind gerne bereit, mit jedem zu reden. Die Europäische Volkspartei kommt nicht als Oberlehrer, sondern da kommen wache, neugierige, partnerschaftliche Menschen, die wissen wollen, was in Österreich geschieht. Sol-che Gäste und solche Beobachter der innenpolitischen Situation sind jederzeit willkommen. Die EU-Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die Sie vorgeschlagen haben, hat meiner Meinung nach unglaublich viel Kredit verspielt durch die Art und Weise, wie sie unobjektiv, unwissenschaftlich und einseitig vorgegangen ist. Das kann keine Basis für uns sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher nützen wir die kommenden Wochen bis zum Europäischen Rat von Feira! Wenn wir das gemeinsam klug anlegen, dann könnten wir, glaube ich, einen Einstieg in eine Lösung sichtbar machen. Das wäre schon etwas, denn mir ist völlig klar, dass niemand das Gesicht verlieren darf. Das ist also nicht der Punkt. Aber das gilt auch für Österreich, um das auch einmal doppelt zu unterstreichen, denn auch Österreich hat ein Gesicht, auch diese Regierung, wir alle, die wir hier im Hohen Haus sitzen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Arbeiten wir also an einer solchen vernünftigen Lösung, bemühen wir uns darum!

Zum Budget darf ich sagen: Das ist ein erster Schritt, er ist meiner Ansicht nach sozial ausgewogen und wohl überlegt. Ich sage auch dazu, dass es mich treffen würde, wenn Sie all jene Dinge, die wir in den letzten Wochen sehr sorgsam placiert haben oder zur Diskussion gestellt haben, einfach wegblenden.

Natürlich wurde die völlige Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, die auch die Kündigungsfristen miteinschließt, noch nicht dem Parlament vorgelegt, weil das eine Sozialpartnerfrage ist. Ich habe, Herr Präsident Verzetnitsch, noch sehr genau im Ohr, dass Sie immer wieder bei bestimmten politischen Gesprächen gesagt haben, es gebe Dinge, die müssen die Sozialpartner selbst klären, und die Kündigungsfristen gehören dazu. – Bitte, setzt euch zusammen! Sie werden jede Unterstützung von Regierungsseite haben. Ich bin ein umso glücklicherer Mensch, je schneller die völlige Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten zwischen den Sozialpartnern kostenneutral gelöst wird. Das wäre ein wichtiges Anliegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir legen Ihnen ein Gesetz vor, das die Gleichstellung im Krankheitsfall bringt (Abg. Verzetnitsch: Das ist aber nicht kostenneutral!), was bedeutet, dass eineinviertel Millionen Arbeiter mehr Geld für eine längere Zeit bekommen werden.

Wir werden Ihnen demnächst – wir hoffen, im Herbst so weit zu sein – ein modernes Abfertigungsrecht vorlegen, das nicht die Hälfte der Arbeitnehmer ausschließt, sondern einschließt.


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Auch das soll wiederum ohne zusätzliche Belastungen, einfach durch ein modernes Sozialrecht gelöst werden.

Wir werden Ihnen eine Familienreform vorlegen, die Müttern, Vätern und Kindern mehr bringen wird. – Frau Abgeordnete Petrovic, ich kann Ihnen versichern, dass wir die Zuverdienstgrenzen erhöhen werden. Wie hoch, werden wir noch diskutieren, aber ich glaube jedenfalls, dass wir alle Mütter, Väter und Kinder gleich behandeln müssen. Daraus abzuleiten, dass es Schlechterstellungen geben wird, muss auf einem Missverständnis beruhen. So etwas hat diese Bundesregierung nicht vor, und das wird sie Ihnen auch nicht vorlegen.

Aber Folgendes muss auch klar sein: Karenzgeld für alle oder Kindergeld für alle ist eine hochnotwendige sozialpolitische Leistung, ein Meilenstein, den wir dem Hohen Haus in absehbarer Zeit gerne vorlegen wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ein letzter Punkt, den ich kurz erläutern möchte, damit meine Zeit nicht überzogen wird: Es wird immer von einer Wifo-Studie berichtet. Das ist nicht korrekt. Das ist ein Artikel, den zwei Mitarbeiter des Wirtschaftsforschungsinstituts für die Zeitschrift "Wirtschaft und Gesellschaft" der Arbeiterkammer publiziert haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Ach so ist das!) Meinungsfreiheit heißt, dass jeder publizieren darf, nur es ist bitte keine ... (Abg. Dr. Kostelka: Auch der Inhalt ist wichtig!) Natürlich! Aber auch der Inhalt ist ganz interessant, denn die beiden Autoren sagen etwa, der Ausbau der Familienförderung begünstigt zweifellos die einkommensschwächeren Haushalte relativ stärker. – Warum polemisieren Sie dann eigentlich genau gegen die Verstärkung der Familienförderung, die wir als Regierung Ihnen vorschlagen werden.

Das Zweite, was diese beiden Autoren ebenfalls sagen: Eine Senkung der Lohnnebenkosten erscheint langfristig aus standort- und beschäftigungspolitischen Gründen sinnvoll. – Also warum polemisieren Sie dauernd, dass wir Milliardengeschenke an die Unternehmer machen, wenn die von Ihnen selbst zitierten Autoren sagen, die Senkung der Lohnnebenkosten hilft den Arbeitsplätzen. Und das ist das Einzige, das wir wollen. Jetzt haben wir um 45 000 Jobs mehr als vor einem Jahr. Auf diesem guten Weg wollen wir weitergehen. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer zu Wort, da Kollege Schieder ihm nach § 60 Abs. 5 GOG das Wort abgetreten hat. (Abg. Mag. Kukacka: Jetzt hat er es schwer! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.52

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich glaube, wenn wir seriös und offen darüber diskutieren wollen, welche Lösungsmöglichkeiten es für Österreich und die österreichische Bundesregierung gibt, die außenpolitische und europapolitische Isolation zu überwinden, ist man gefordert, eine ganzheitliche Sicht der Dinge zu haben (Abg. Ing. Westenthaler: Das stimmt! Das ist richtig!) und nicht permanent zu trennen zwischen der Sprache und – ich sage – der Agitation, die in Österreich gepflogen wird, und dem, was versucht wird, den Partnern in der Europäischen Union zu vermitteln.

Wenn Sie den Berichten der Frau Außenministerin über das vergangene Wochenende auf den Azoren genau zugehört haben, dann wird Sie Ihnen mitgeteilt haben, dass das Allerschwierigste war, dort zu vermitteln, dass sich in der jetzigen Situation die österreichische Bundesregierung dazu entschließen will, mit einer Volksbefragung in Österreich Druck auf die Europäische Union auszuüben, und dass es einer der schwierigsten Punkte war, zu vermitteln, dass es überhaupt ein Interesse der Regierung gibt, einen Ausweg aus der Situation zu finden. (Abg. Haigermoser: Na geh! – Abg. Ing. Westenthaler: Warst du dabei?) Und alle anderen, so auch der österreichische EU-Kommissar Franz Fischler und der Beauftragte für die Osterweiterung, Dr. Busek, bestätigen dies eindeutig: Dieser Kurs führt zu keiner Lösung. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben den portugiesischen Ratspräsidenten Antonio Guterres kontaktiert und gemeint, der Parteitag der FPÖ am 1. Mai und die Veränderungen, die es dort ge


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ben wird, wären doch eine gute Möglichkeit und ein Anlass, dass die Europäische Union oder die 14 Mitgliedstaaten versuchen, eine Veränderung der Haltung zu erwirken. Es haben daher in Bezug auf Ihre Initiative alle europäischen Partner genau verfolgt, was sich an diesem Parteitag der FPÖ getan und geändert hat. Sie sind zu einem klaren Ergebnis gekommen: Es hat sich nichts geändert! Die FPÖ setzt ihre traditionelle Agitation fort! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Bei euch hat sich auch nichts geändert! Ihr habt jetzt auch noch 300 Millionen Schilling Schulden! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Es ist absolut illusionär, zu glauben, dass bei den europäischen Partnern nur das zur Kenntnis genommen wird, was ihnen bei Ministerräten erzählt wird. Es wird sehr wohl auch zur Kenntnis genommen, was hier in Österreich jeden Tag passiert. Es ist daher auch zur Kenntnis genommen worden, welche Ausfälle und welche Anwürfe es gegen den österreichischen Bundespräsidenten beim Wiener Parteitag der FPÖ gegeben hat. Und das bestürzt unsere Partner in Europa, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das darf ja nicht wahr sein! Das ist ja ungeheuerlich!)

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie heute sagen, wir brauchen kein Monitoring und keine Aufpasser, denn das habe den Geruch, dass wir überwacht werden müssten, möchte ich Sie an Ihre eigenen Vorschläge erinnern. An Ihre eigenen Vorschläge! (Abg. Großruck: Der Herr Bundeskanzler braucht keine Belehrung!) Am Beginn Ihrer Regierung haben Sie selbst vorgeschlagen, dass es doch möglich sein müsste, dass nach einer gewissen kurzen Überprüfungsphase, die, wenn möglich, vor dem Ende der portugiesischen Präsidentschaft abgeschlossen werden soll, die Europäische Union zur Auffassung gelangen könnte, dass diese Bundesregierung nicht so schlimm ist, wie die europäischen Partner meinen. (Abg. Großruck: Der Herr Bundeskanzler ist so erfahren! Da braucht er keine Belehrung!) Sie selbst haben vorgeschlagen, dass es hier eine Überprüfung durch die Partner geben soll. Heute distanzieren Sie sich davon. Herr Bundeskanzler! Sie haben in dieser Frage keinen klaren Kurs, weil Sie nämlich dem Druck der FPÖ nachgeben und nicht den Interessen des Landes folgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie es überhaupt sonderbar ist, dass Sie die Meinung vertreten, die Sanktionen, die Maßnahmen schaden Ihnen persönlich, schaden der Wirksamkeit der österreichischen Bundesregierung – Sie waren immerhin Außenminister und müssten daher wissen, wie Signale in Europa aufgenommen werden –, und dass Sie sich, nachdem Sie das selbst eine Zeitlang abgelehnt haben, nun von Jörg Haider und der FPÖ haben zwingen lassen, den Ministerratsbeschluss vergangenen Freitag zu treffen und damit den EU-Partnern die Rute ins Fenster zu stellen. Sie wissen ganz genau, dass das nicht zum Erfolg führt, und tun es trotzdem. Sie tun es, weil Sie von der FPÖ dazu getrieben werden und weil Sie sich ganz offensichtlich in einem negativen Wettlauf mit dieser FPÖ befinden. – Und das ist schädlich für Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

In der Europäischen Union gibt es viele, die bereit sind, darüber nachzudenken, wie man aus dieser Situation herauskommen kann, denn die Existenz fremdenfeindlicher, teilweise rassistischer Parteien ist nicht ein Sonderphänomen der FPÖ, solche Parteien gibt es auch in anderen Staaten Europas (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Was heißt denn das? Das ist ja unerhört! – Abg. Aumayr: Das ist ungeheuerlich! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja ungeheuerlich! Wenn das kein Ordnungsruf ist! Das ist der Vorwurf eines strafbaren Tatbestandes!); ebenso wie es Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auch außerhalb von Parteien gibt, wie sich das ja auch niederschlägt im Anzünden von Asylantenheimen in Deutschland, wie es sich ausdrückt in der Verfolgung von Ausländern im südlichen Spanien und sonst wo. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Diese Rede ist ungeheuerlich! Diese Anwürfe! Das darf doch nicht wahr sein! – Weitere Zwischenrufe.)

Die EU-Partner sind sich dessen bewusst, dass das ein gesamteuropäisches Phänomen ist und dass ein grundsätzlicher Umgang mit dieser Frage gesucht werden muss. Aber wenn Sie der Meinung sind, dass mit dieser Haltung, die Sie hier in Österreich vermitteln, dass Sie mit diesen rhetorischen Kraftakten überhaupt einen Spielraum eröffnen können, in Europa etwas zu erreichen ist, dann täuschen Sie sich. (Anhaltende Zwischenrufe.) Halten Sie sich lieber an das, was Ihnen der EU-Kommissar Fischler, der die Lage kennt, empfiehlt! Halten Sie sich an das, was die Außenministerin im Ausland sagt und Sie in Österreich nicht mitvertreten! Halten Sie sich


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daran, was bei unseren Gesprächen mit den Partnern herauskommt, nämlich sinnvolle Auswegstrategien zu suchen, die garantieren, dass in Zukunft jedes einzelne europäische Land gleich behandelt wird, dass es eine gemeinsame Strategie gegen politisch unangenehme Erscheinungen gibt und dass es gleichzeitig auch eine Auswegstrategie für Österreich gibt! Das ist nur im Dialog zu lösen und nicht in der Konfrontation. (Beifall bei der SPÖ.)

Und selbst in Paris, wo den Franzosen immer wieder unterstellt wird ... (Abg. Haigermoser: Sie sind ein Vernaderer! – Abg. Ing. Westenthaler: Was Sie da machen, ist ein Skandal! Das sage ich Ihnen! Sie sind ein Vernaderer, das sage ich Ihnen! Sie sind ein Österreich-Vernaderer! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Haigermoser: Ein Vernaderer! Er ist ein Obervernaderer! – Abg. Ing. Westenthaler: Sie gehen hier heraus und beschimpfen die FPÖ! Das ist unerhört! Das ist ein Skandal, wie Sie sich aufführen hier und im Ausland! Das ist ja unglaublich! – Abg. Haigermoser: Ein Obervernaderer sind Sie! – Weitere lebhafte Zwischenrufe.)

Es wäre der österreichische Parlamentarismus in einer schwierigen Situation, wenn das Niveau der guten Sitten durch den Herrn Westenthaler definiert würde, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Selbst in Paris, wiewohl Frankreich immer wieder unterstellt wird, dass es eine besonders radikale Haltung einnehmen würde (Abg. Haigermoser: So ist es! So ist es!), ist absolute Bereitschaft gegeben, nachzudenken, wie man diese Situation gemeinsam bewältigen kann. (Abg. Ing. Westenthaler: Denken Sie daran, dass Sie in Moskau die Erde geküsst haben! Moskaus rote Erde!) Wenn es solche Signale und solch eine Bereitschaft gibt, ist es die richtige Antwort, in einem sorgsamen Dialog diese Möglichkeiten zu erweitern – diese meine Auffassung teilt übrigens der Botschafter der Republik Österreich in Paris, mit dem ich mich gestern über diese Frage unterhalten habe,  vollinhaltlich (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist aber sehr interessant!)  –, Schritt für Schritt die Möglichkeiten zu nutzen, aus dieser Situation herauszukommen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Das Schlechteste ist Ihre Agitation und Ihr Geschrei, das in diesem Land niemandem nützt. Denn es geht nicht darum, was Sie (in Richtung ÖVP) gerne hören wollen oder was Sie (in Richtung Freiheitliche) gerne hören wollen, sondern darum, was Österreich und seiner Bevölkerung nützt. Das ist das Wichtigste! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Zur Geschäftsbehandlung!)

11.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Dr. Khol. – Bitte.

11.02

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich beantrage die Herbeischaffung des provisorischen Protokolls zur Feststellung der Äußerungen des Vorredners, der hier einer Partei den Vorwurf des Rassismus gemacht hat.

Rassismus ist nach dem § 283 Strafgesetz der Vorwurf der Verhetzung und ist auf Grund der in Österreich im Verfassungsrang stehenden Rassendiskriminierungskonvention der Vorwurf des Verfassungsbruchs.

Wenn dieser Vorwurf wirklich erhoben wurde, beantrage ich einen Ordnungsruf. (Beifall bei der ÖVP.)

11.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich werde mir das Protokoll vorlegen lassen.

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Dr. Kostelka. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Nur nicht nervös werden!)

11.03

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich verstehe schon, dass der Abgeordnete Khol ein bisschen ins Stolpern gekommen ist, weil die


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Geschäftsordnung in diesem Punkt sehr klar ist. Er hätte beim Präsidenten nur einen Ruf zur Sache oder zur Ordnung verlangen können.

Dazu gibt es keine Berechtigung. Eine politische Auseinandersetzung in diesem Hause muss möglich sein! Wenn nicht, dann wird die freie Rede wirklich in Frage gestellt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Sie sprechen von freier Rede! Sie haben das Rednerpult blockiert! Das ist doch ungeheuerlich!)

11.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Klubobmann Kostelka! Herr Präsident Fischer hat mich darüber informiert, dass er das Protokoll auf Antrag des Herrn Klubobmannes Westenthaler bereits angefordert hat, und ich werde mir das Protokoll, sobald ich es in Händen habe, durchlesen.

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Präsident Dr. Fischer. – Bitte. (Ruf: Der Präsident zur Geschäftsbehandlung?!)

11.04

Abgeordneter Dr. Heinz Fischer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich habe jetzt keine andere Möglichkeit, um eine notwendige Klarstellung zu treffen.

Es sind während meiner Vorsitzführung zwei Verlangen an mich gerichtet worden, Protokolle beizuschaffen, und zwar von Frau Abgeordneter Dr. Petrovic wegen des Vorwurfs "Hochverrat" und von Herrn Abgeordneten Westenthaler wegen des Vorwurfs "Rassismus".

In beiden Fällen habe ich das schon während meiner Vorsitzführung veranlasst, und ich habe dem Herrn Präsidenten Prinzhorn, wie er selbst ausgeführt hat, davon Mitteilung gemacht. Die Herbeischaffung des Protokolls ist schon veranlasst. – Danke schön. (Abg. Ing. Westenthaler: Das hat er ja gesagt! – Abg. Dr. Khol: Aber was er in Paris gemacht hat, das ist interessant!)

11.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Danke, Herr Präsident.

Als Nächster zu Wort gemeldet zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Herr Abgeordneter Edler. Sie kennen ja die Bestimmung der Geschäftsordnung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.05

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler hat behauptet, die "Aktion Fairness" sei eine kostenneutrale Regelung. (Abg. Haigermoser: Das hat er nicht gesagt! – Abg. Dr. Martin Graf: Das ist nicht wahr! Das hat er gar nicht gesagt! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich berichtige tatsächlich: Diese Regelung der Bundesregierung verschlechtert im Wesentlichen das Urlaubsrecht und kostet die Kolleginnen und Kollegen Arbeiterinnen und Arbeiter Milliarden. Es ist ein wesentliches Geschenk von rund 2 Milliarden Schilling an die Unternehmer. (Beifall bei der SPÖ.)

11.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Silhavy zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.06

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Bundeskanzler Schüssel hat in seiner Rede gesagt, dass die Wirtschaft einen Beitrag von 14 Milliarden Schilling für die Budgetsanierung leiste. (Abg. Dr. Martin Graf: 15! – Abg. Schwarzenberger: Er hat 15 gesagt!)

Ich berichtige tatsächlich: Die Mittel aus dem Familienlastenausgleichsfonds, die zur Budgetsanierung abgeschöpft werden, sind, wie allen bekannt ist, Beiträge, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unseres Landes leisten und nicht die Wirtschaft. (Abg. Dr. Stummvoll: Nein,


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das stimmt nicht!) Das ist somit ein weiterer Beweis der sozialen Schieflage dieses Budgets. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Ich habe den Verdacht, Sie sind noch stolz darauf!)

11.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Gaßner zu Wort gemeldet. Bitte, beginnen Sie mit dem zu berichtigenden Satz und stellen Sie dem die Berichtigung gegenüber.

11.07

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Bundeskanzler! Sie haben behauptet, die österreichische Wirtschaft trage die Ersatzlösung für die Getränkesteuer, und haben sich dafür bedankt.

Ich berichtige tatsächlich: Sowohl die alte Form der Getränkesteuer als auch die neue noch zu beschließende Ersatzlösung der Getränkesteuer tragen ausschließlich die Konsumentinnen und Konsumenten (Ruf bei der SPÖ: So ist es!), und den Ausfall daraus tragen ausschließlich die österreichischen Gemeinden, was wiederum den Konsumentinnen und Konsumenten auf den Kopf fällt. (Beifall bei der SPÖ.)

11.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Spindelegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

11.08

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben erlebt und auch in den letzten Tagen erlebt, wie man Außenpolitik betreiben kann. Da gab es eine Außenministerin Ferrero-Waldner, die am letzten Wochenende auf den Azoren etwas sehr Bemerkenswertes zustande gebracht hat. Sie hat zustande gebracht, dass der Allgemeine Rat überhaupt einmal über diese Sanktionen gegen Österreich redet, und – siehe da! – sie hat auch zustande gebracht, dass sich sechs Staaten der Europäischen Union dazu bekannt haben, dass man aus diesen Sanktionen wieder aussteigen soll, dass man einen Mechanismus finden soll, wie wir diese Sanktionen loswerden können. Ich würde sagen, eine wirklich bemerkenswerte Leistung der Frau Außenministerin, für die ich mich herzlich bedanke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Martin Graf. )

Meine Damen und Herren! Wir haben aber auch erlebt, wie Kollege Gusenbauer eine außenpolitische Initiative gesetzt hat. Er ist nach Frankreich gefahren und hat uns mit vier neuen Vorschlägen beglückt, die ich eigentlich gar nicht näher bewerten möchte. Es sind vier neue Geißeln für Österreich, die er dort verkündet hat, meine Damen und Herren. Aber zurückgekehrt ist er mit einer wirklichen Frohbotschaft. Die Frohbotschaft war, dass der französische Premierminister ihm zugesichert hat, die Sanktionen nicht zu verschärfen, sie aber auch nicht aufzuheben.

Meine Damen und Herren! Der Vergleich dieser beiden außenpolitischen Initiativen macht uns sicher. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Frau Außenministerin tut das, was die Österreicher wollen: Sie versucht, diese Sanktionen von Österreich abzuwenden. Herr Kollege Gusenbauer versucht auch etwas, ich will nicht interpretieren was, aber ich würde meinen, dem Ziel der Österreicher war das nicht dienlich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Es tut mir sehr Leid, dass Kollege Gusenbauer sehr selten im Saal ist, insbesondere wenn es um Budgetfragen geht, die, so glaube ich, doch eine gewisse Bedeutung für dieses Land haben. (Zwischenruf des Abg. Großruck. ) Er hat offenbar dazu – er hat auch kein Wort zum Budget gesagt – nichts zu sagen. Aber ich möchte doch einen Vergleich anbringen, meine Damen und Herren, weil ich es irgendwie verstehe, dass man sich als Sozialdemokrat anlässlich dieser Budgetsituation nicht gerade freuen kann.


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Ich glaube, dass es die SPÖ mit den Staatsschulden genau so hält wie mit den EU-Sanktionen. Zum Ersten: Weder die Sanktionen noch die Staatsschulden werden verurteilt, sondern sie werden mit einem gewissen Augenzwinkern zur Kenntnis genommen.

Zum Zweiten: Man bekämpft auch weder die Sanktionen noch die Staatsschulden, sondern man zieht das mit in das politische Kalkül.

Zum Dritten: Man versucht, den Eindruck zu erwecken, die Sanktionen treffen eigentlich nur die Regierung und nicht die Österreicher, man versucht auch den Eindruck zu erwecken, die Staatsschulden treffen nur den Staat und nicht die Staatsbürger. – Beides, meine Damen und Herren, ist ein verhängnisvoller Irrtum. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Bei den Sanktionen wissen wir, dass die Österreicher klar auf der Seite derjenigen stehen, die sie abwenden wollen. Sie identifizieren sich mit Österreich und mit dem angeklagten Österreich in diesem Europa, auch wenn sie persönlich vielleicht von den Sanktionen nichts gespürt haben.

Dass die österreichischen Staatsbürger für die Schulden der letzten 30 Jahre geradestehen müssen, meine Damen und Herren, das ist eine schmerzliche Botschaft, aber sie ist jedem Österreicher klar. Ich glaube, dass die Chance, die dieses Budget 2000 und die Debatte darüber heute bieten, wirklich etwas Einmaliges ist. Das ist ein Abgehen von dem Kurs 30 Jahre Schuldenpolitik in Österreich unter sozialdemokratischer, sozialistischer Verantwortung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Wittmann: Wo waren Sie die letzten 30 Jahre? Wo waren Sie?)

Wenn ich auf diese Zahlen blicke, gerade nach dem Ecofin-Rat, der am Montag in Brüssel stattgefunden hat, dann ist es wahrlich nicht so, dass man sich als Österreicher freuen kann, meine Damen und Herren! Und ich glaube, Frau Kollegin, auch Sie werden sich nicht darüber freuen. Blickt man allein auf die Budgetsalden, dann zeigt sich doch im Vergleich mit den anderen, dass es mittlerweile schon fünf Staaten gibt, die keinen negativen, sondern einen positiven Budgetsaldo pro Jahr erwirtschaften. Wenn Dänemark, Irland, Luxemburg, Finnland und Schweden kein Nettodefizit mehr haben, sondern positiv abschließen, dann ist das doch ein gewisses Signal. Dass Österreich im Jahr 2000 mit minus 1,7 Prozent am Ende der Skala liegt, ist für uns wahrlich kein Ruhmesblatt, meine Damen und Herren!

Andere Staaten, wie Griechenland, das jetzt mit minus 1,2 Prozent in die Euro-Nähe rückt, haben uns abgehängt. Ich würde sagen, dass wir die "rote Laterne" in Europa haben, ist wahrlich kein Aushängeschild für die Finanzpolitik der letzten Jahre. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Fischl. )

Wenn wir die gesamte Schuldenquote Österreichs betrachten, dann muss man sagen, verhält es sich ähnlich. Wir haben sogar von 1998 auf 1999 wieder einen Anstieg registrieren müssen. Erst ab dem Jahre 2000 wird es wieder bergab gehen, und wir werden uns dem Ziel, das in den Maastricht-Kriterien mit 60 Prozent betitelt wurde, nähern, indem wir im Jahre 2000 bei 64,1 Prozent liegen werden – nur noch gefolgt von Belgien, Italien und Griechenland. – Das ist kein Ruhmesblatt für Österreich, meine Damen und Herren!

Ich glaube, dieser Vergleich mit anderen Ländern der Europäischen Union zeigt uns den Ernst der Lage. Das ist wohl wirklich kein Ruhmesblatt (Abg. Oberhaidinger: Für Ihre Partei!) – weder für dieses Haus, das auch die Budgets mitbeschlossen hat, noch für alle anderen, Herr Kollege, also für niemanden, der Verantwortung getragen hat.

Aber eines ist auch klar, und das darf ich als Tatsache festhalten: In jeder Bundesregierung gibt es eine klare Aufgabenverteilung, und dass ausgerechnet der Finanzminister 30 Jahre lang von Ihrer Fraktion gestellt wurde, würde, so glaube ich, es notwendig machen, dass Sie ein wenig Einsicht, ein wenig Reue für diesen Scherbenhaufen, den Sie hinterlassen haben, zeigen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Wittmann: Der Ministerratsbeschluss war einstimmig!)

Wir sehen uns jetzt vor die Notwendigkeiten gestellt, Maßnahmen zu treffen. Heute diskutieren wir Maßnahmen für die Obersten Organe, Einsparungen, die für uns alle schmerzlich sind. Je


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der würde gerne da und dort noch etwas dazugeben. Wenn wir uns allein den Schuldendienst Österreichs mit über 90 Milliarden Schilling pro Jahr ansehen, der für etwas, was in der Vergangenheit vergeudet wurde, aufgenommen wurde, um nächste Generationen zu belasten, meine Damen und Herren, dann frage ich mich, was wir mit über 90 Milliarden Schilling pro Jahr nicht alles anfangen könnten. Im Arbeitsmarkt, im Sozialbereich, aber auch bei der Förderung der Entwicklungshilfe oder anderer wichtiger Vorhaben für diese Republik könnte etwas getan werden.

Es ist schade, aber dennoch frage ich Sie bei allen schmerzlichen Maßnahmen, die wir ergreifen müssen: Wo ist die Alternative? Haben Sie von den Sozialdemokraten uns aufgezeigt, dass es eine Alternative gibt? – Sie würden uns nur vorschlagen, dass wir den Kurs der letzten 30 Jahre fortschreiben. Dazu können wir nur sagen: Nein, das wäre unverantwortlich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist unverantwortlich, den nächsten Generationen Schulden zuzuschieben und auf deren Kosten heute zu leben. Es ist eine unverantwortliche Politik, die in den letzten 30 Jahren von den Sozialdemokraten und Sozialisten in Österreich gemacht wurde, und wir müssen heute die Gelegenheit wahrnehmen und dazu eindeutig nein sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass dieses Budget 2000, die folgenden und die Debatte rund um dieses Budget 2000 eine Chance bieten: Es ist zum Ersten die Chance, von dieser Schuldenpolitik auf Kosten nächster Generationen wegzukommen.

Es ist zum Zweiten wohl auch eine Chance, Schluss damit zu machen, zu glauben, der Staat werde es irgendwie richten, sondern man muss sich selbst als Staatsbürger auch der Verantwortung bewusst sein, die man mitträgt, wenn Schulden in diesem Staat gemacht werden.

Es ist zum Dritten wohl auch eine Möglichkeit, aus dieser schwierigen Budgetsituation heraus Reformen zu entwickeln, die mithelfen, den Staat zu modernisieren, anstatt ihn in der Schuldenpolitik zu betonieren.

Diese Modernisierung auch in Richtung sozialer Vorhaben, wie einer Abfertigung neu, einer Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, wie auch einer Pensionsreform, um die wir noch ringen müssen, die aber notwendig ist, weil die Menschen älter werden, sollten wir ganz aktiv begleiten und mit dazu beitragen, dass diese Reformen gelingen, damit wir auch die Chance haben, zukünftig nicht nur eine Politik des Egoismus für den Augenblick zu machen, sondern wieder zu einer Politik der Generationen zu kommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

11.18

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen Volksanwältinnen! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Erlauben Sie mir, aus gegebenem Anlass in meinem Redebeitrag zur Generaldebatte zum Budget besonders auf die Rede des Herrn Bundeskanzlers einzugehen. Ich gehe auf seine Ausführungen vor allem deshalb ein, weil er bemerkenswert wenig zum Budget und bemerkenswert viel zu anderen Dingen gesagt hat. So ähnlich war es auch bei Klubobmann Westenthaler, der seinen Redebeitrag ausschließlich der Opposition und nicht der Regierungsarbeit und dem Budget gewidmet hat, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Geschätzter Herr Bundeskanzler! Zu Beginn zu Ihren Feststellungen bezüglich des Umgangs Österreichs mit seiner Vergangenheit: Herr Bundeskanzler! Ich finde, Sie haben heute einen bemerkenswerten Satz gesagt, den ich noch einmal zitieren möchte. Sie haben gesagt: Zuhören


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ist ein beachtliches Signal im Zusammenhang mit Österreichs Verarbeitung seiner Geschichte, und auf dieses Zuhören hat sich auch Ihr Redebeitrag konzentriert.

Herr Bundeskanzler! Wenn sich Ihre persönliche Position und Ihre persönliche Haltung in Bezug auf die Vergangenheitsbewältigung mit dem Satz: Zuhören ist ein beachtliches Signal! zusammenfassen lässt, dann kann ich nur sagen, das ist sehr mager und entspricht der Tradition der Nachkriegsgeschichte Österreichs: Nichts ändert sich! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler, sagen Sie mir einmal: Wer ist es, der ständig behauptet, dass nichts, absolut nichts im Zusammenhang mit der Bewältigung unserer Geschichte geschehen wäre? – Im Gegenteil, jene, die unter Umständen so etwas meinen, sind es, die den Druck erzeugen und das Tempo bestimmen, dass tatsächlich etwas passiert. Ich möchte jetzt nur auf die Dinge hinweisen, die ich selbst im Nationalrat in den letzten Jahren erlebt habe und die ich tatsächlich als beachtliche Signale werte. Ich meine damit nicht das Zuhören bei der Rede des ehemaligen Außenministers Polens Bartoszewski im Rahmen der Gedenkveranstaltung, auf die Sie sich in Ihrem Redebeitrag offensichtlich bezogen haben.

Die Einrichtung des NS-Fonds für die Opfer des Nationalsozialismus, des so genannten Nationalfonds, ist wahrlich ein beachtliches Zeichen gewesen – auch im internationalen Kontext gesehen –, aber, Herr Bundeskanzler, das, was der Fonds macht, und das, was passiert, sind Gesten, Gesten, die die Republik in Verneigung vor den Gräueln, die die Opfer erlebt haben, setzt. Es sind Gesten, und darauf beschränkt es sich.

Selbstverständlich ist auch – ich habe das schon mehrmals gesagt, und Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion haben es auch immer wieder erwähnt – die Rede des ehemaligen Bundeskanzlers Vranitzky beachtenswert, die er hier im Hohen Haus im Rahmen einer so genannten Jugoslawien-Debatte gehalten hat. Er hat die Mitverantwortung Österreichs für die Gräuel und Schrecken, die passiert und den Opfern widerfahren sind, einbekannt. Das war das erstmalige Einbekenntnis von solch hoher Stelle aus. Ein beachtliches Signal!

Deshalb, Herr Bundeskanzler, wird es doch noch erlaubt sein – immerhin sind seit Ende des Krieges 55 Jahre vergangen –, dass man ein bisserl Ungeduld zeigt und sagt, das Tempo sei zu langsam, die Aussagen seien zu weich, sie seien zu nebulos, sie seien zu wenig präzise, und dies auch im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Frau Regierungsbeauftragten, wie sie die ganze Angelegenheit Entschädigung – besser gesagt, Entschädigungsgesten, Entschädigung ist es ja keine – für die Zwangsarbeiter löst.

Darum, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, lassen wir uns und ich speziell nicht unterstellen, dass wir uns zuerst – in zeitlicher Abfolge gesehen – den Opfern des Nationalsozialismus widmen und erst dann, weil es dort viel weniger nachzuholen gibt, aber genauso intensiv, den weiteren Opfern des Krieges, nämlich den Gefallenen, ihren Verwandten, den Kriegsgefangenen, den Teilnehmern des Krieges.

Seit ich auf der Welt bin, habe ich es nicht erlebt, dass irgendjemand jemals geleugnet hätte, dass es die Menschen, nämlich die Österreicherinnen und Österreicher, während des Zweiten Weltkrieges schwer gehabt hätten. Alle haben ihre Männer, ihre Brüder, ihre Onkel, ihre Cousins, ihre Kinder im Krieg gehabt. Es war schwer, und sie sind gefallen, die Nachkriegszeit war schwer. Aber das ist nicht das Problem, Herr Bundeskanzler! Die Republik hat Renten bezahlt, tut dies heute noch und hat versucht, soviel Hilfestellung wie möglich zu geben. Aber bei den anderen Gruppen, nämlich bei den direkten Opfern des Nationalsozialismus, ist über Jahrzehnte kaum etwas passiert, und in manchen Bereichen ist gar nichts passiert. Darum, Herr Bundeskanzler, ist es geradezu Ihr und unser Auftrag, uns diesen Opfergruppen in erster Linie zu widmen. Und das erwarte ich von Ihnen, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Pittermann. )

Ich möchte jetzt nicht den Eindruck erwecken, dass es mir nur um die Kritik an Ihrer Person geht, sondern es geht mir jetzt auch um die Budgetdebatte. Es geht um Geld, obwohl Geld niemals die Gräuel, die die Menschen miterlebt haben, in irgendeiner Weise abdecken, wieder gut machen, entschädigen kann. Geld kann immer nur eine Geste sein, denn das, was erlebt wur


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de, ist mit keiner Summe der Welt wieder gut zu machen. Darum ist es uns jetzt solch ein Anliegen, dass Sie – das habe ich schon vor zwei Monaten gesagt – jetzt vor allem mit der Beauftragung von Präsidentin Schaumayer, aber auch mittels anderer Zeichen, die es nach außen gegeben hat, eine gewisse Bereitschaft gezeigt haben, sich intensiver diesen Problemen zu widmen, als Sie, Herr Bundeskanzler, es als Vizekanzler in der alten Regierung gemacht haben.

Meine Kritik hat sich nie an die Parteien als solche oder an Parteienvertreter gewandt, sondern an die Verantwortlichen der Republik. Die Parteien haben sich in den letzten 55 Jahren aus verschiedenen Parteienvertretern zusammengesetzt, und diesen ist ein zu langsames Handeln oder Nichthandeln vorzuwerfen, Herr Bundeskanzler!

Sie haben nun die Aufgabe, 6 Milliarden Schilling – das ist die Zahl, die Frau Dr. Schaumayer in der Vergangenheit mehrfach genannt hat; ich sage es jetzt einmal ein bisserl salopp – aufzutreiben. Das ist eine schwierige Aufgabe, und Sie kennen die Bereitschaft des Hohen Hauses beziehungsweise der Opposition, daran mitzuwirken, wo es geht, und zwar nicht nur bei der Formulierung des Gesetzes, sondern auch bei der Aufgabe, diese Summe bereitzustellen. Aber das ist im Vergleich zu dem noch nicht in Angriff genommenen Problem der Frage: Was ist mit allen anderen ungelösten Dingen? – ich fasse das unter dem Stichwort "Arisierung" zusammen – geradezu einfach.

Herr Bundeskanzler! Ich fordere Sie intensiv auf, ein wenig auf das Tempo zu drücken. Dabei geht es auch um Opfer, die sich, jetzt biologisch betrachtet, in ihrer letzten Lebensphase befinden und auch noch eine Geste empfangen könnten. Das ist auch eine Frage, bei der jeder Monat, jedes Vierteljahr und jedes Jahr, in dem nichts passiert, verloren ist.

Darum, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ist es auch so wesentlich, auf der einen Seite die Beiträge, die politische Aktion jenen zu widmen, die direkt partizipieren – egal, ob das jetzt symbolisch oder monetär ist, dazu haben wir uns immer bekannt – und auf der anderen Seite auch sozusagen Gedächtnisarbeit zu leisten, nämlich Gedächtnisarbeit dahin gehend, dass dieser Spruch "Niemals vergessen!" in der guten Nachkriegstradition der österreichischen Parteien Wirksamkeit erlangt. Dieser Antifaschismus in unserem Land ist nicht das Monopol einer Partei gewesen, denn der erste Bundeskanzler der Republik, Herr Ing. Figl, war ein KZ-Gefangener, war Insasse eines KZs. Auch er hat einen wesentlich Beitrag geleistet. Das ist also nicht etwas, wozu man sagen kann: Ach, das geht uns nicht so viel an, denn all das ist sozialdemokratische Geschichte!, nein, das ist eine gemeinsame Aufgabe aller Parteien, und jetzt ist es in erster Linie Ihre Aufgabe, hier etwas zu tun.

Deshalb, Herr Bundeskanzler, präzisieren Sie das "Zuhören als beachtliches Signal" ein bisschen genauer, damit kein Missverständnis entsteht!

Herr Bundeskanzler! Jetzt noch zu anderen Dingen, die Sie hier gesagt haben. Sie haben zu Beginn Ihrer Rede davon gesprochen, wie einmalig in der Zweiten Republik es gewesen wäre, dass eine Regierung, noch bevor sie konstituiert und angelobt war, bereits in einer Sondersitzung kritisiert wurde. Herr Bundeskanzler! Die Einmaligkeit lag nicht in der Tatsache, dass es diese Sondersitzung schon vorher gab, sondern die Einmaligkeit liegt in der Zusammensetzung dieser Regierung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Es ist nun einmal einmalig, dass eine Partei mit solch einem Parteichef – zu diesem Zeitpunkt war er es noch; jetzt ist er es nicht mehr auf dem Papier, aber praktisch – in der Regierung ist.

Diese Partei wurde – und das, Herr Bundeskanzler, ist passiert, lange bevor Sie bekannt gegeben haben, dass Sie mit den Freiheitlichen eine Regierung bilden werden – in Dokumenten, auf die Österreich nur geringsten Einfluss hat, als rechtsextrem und rassistisch bezeichnet, und zwar von einer Institution, die 40 Mitgliedstaaten hat, nämlich dem Europarat. (Abg. Dr. Spindelegger: 41!) Und darauf beziehen sich alle Bemerkungen, die da lauten: Die Freiheitliche Partei ist neben anderen europäischen Parteien eine rechtsextreme, eine gefährliche, eine ausländerfeindliche Partei. Das ist es! Das ist leider eine Tatsache, die schmerzt. Ich würde lieber in einem Land leben, in dem es solche Parteien nicht gibt. Aber das wurde vom Europarat festgestellt – noch vor der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen, Herr Bundeskanzler! (Abg.


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Ing. Westenthaler: Das glaube ich! Einsperren! Reisepässe wegnehmen! Ein Skandal, was Sie da sagen!)

Sie haben weiters in Ihren heutigen Ausführungen gemeint, es sei eigentlich unglaublich, dass Stimmung über die Straße zu machen versucht wurde. Gemeint haben Sie wohl jene Zehntausenden, ja Hunderttausenden Bürgerinnen und Bürger, die nichts anderes getan haben, als die Möglichkeit ihres Protestes zu nutzen, die sie haben; im Gegensatz zum Beispiel zu mir. (Abg. Zellot: 50 verletzte Polizisten!) Ich kann Parlamentsreden halten. Sie können erwidern. Sie haben "Pressestunden", "Report"-Auftritte und "ZiB 1"-Sendungen, aber der einzelne Bürger, die einzelne Bürgerin kann in einer Situation, in der sie Unmut, Unzufriedenheit und damit auch den Wunsch, Korrekturen anzubringen, ausdrücken möchte, nur auf die Straße gehen. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Das tun sie, und dass Sie das hier als gefährlich darstellen, dass Sie das verächtlich machen – das, Herr Bundeskanzler, zeugt nicht von allzu großem Demokratieverständnis, das Sie haben! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Ofner: Ungeheuerlich!)

Nun, Herr Bundeskanzler, zu Ihrer dritten Bemerkung oder zu Ihrem dritten Themenkomplex, Ihrem mehrfachen Dank an die Wirtschaft: Ich habe mir noch nichts dabei gedacht, als Sie dreimal der Wirtschaft für die Budgetkonsolidierung groß gedankt haben. Denn da dachte ich mir, jetzt wird der Herr Bundeskanzler doch wohl fortfahren und wird auch denjenigen danken, die wahrlich den wesentlichen Beitrag zur Budgetkonsolidierung leisten, nämlich den Bürgerinnen und Bürgern – jenen, die jetzt 1 000 S und nicht mehr 500 S für den Reisepass zu zahlen haben; jenen, die 1 000 S und nicht mehr 550 S wie in der Vergangenheit für die Vignette zu zahlen haben, unabhängig davon, wie arm, wie reich sie sind, wie mobil sie sind oder wie oft sie verreisen. Vielleicht verreist jemand nur einmal in zehn Jahren, das kostet dann eben 1 000 S.

Ihre – ich glaube, ich habe es in einem Interview im "Kurier" gelesen – flapsige Bemerkung, es kann doch nicht zu viel sein, für einen Grenzübertritt einmal jährlich 100 S zu zahlen, zeugt für mich, Herr Bundeskanzler, von einer unglaublichen Ignoranz gegenüber denjenigen, die wir sozusagen die kleine Bürgerin und den kleinen Bürger nennen. Es zeigt, Herr Bundeskanzler, dass Ihnen gänzlich die Sensibilität dafür fehlt, wenn Sie am Tag der Generaldebatte dreifach den Dank an die Wirtschaft richten und hier von 14 Milliarden Schilling sprechen, die die Wirtschaft beigetragen hat. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Dabei ist mir jedoch nicht klar, Herr Bundeskanzler, was Sie damit meinen. Meinen Sie etwa, dass die Konjunktur jetzt eine besonders günstige ist, die Steuereinnahmen deshalb größer sind und auf diese Weise mehr in den Staatssäckel fließt? Was haben Sie konkret gemeint? Oder haben Sie vielleicht gemeint, dass jetzt das Geld des Insolvenzfonds herangezogen wird? Selbstverständlich sind das Arbeitgeberbeiträge, aber zu welchem Zweck wurden sie denn eingeführt oder werden sie abgeführt? Was haben Sie denn mit Ihrem Dank gemeint? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was haben Sie denn gemeint, Herr Bundeskanzler, mit Ihrem Dank für diese vermeintliche Superlösung, was die Getränkesteuer angeht? – Herr Bundeskanzler, ich glaube, Sie gehen nie in ein Kaffeehaus, denn sonst wüssten Sie, dass es nicht die Wirtschaft ist, die den Preis zahlt, sondern dass es der Konsument und die Konsumentin sind, die das an die Wirtschaft zahlen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Böhacker: ... sind wir alle!) Selbstverständlich sind auch die Kaffeehausbesitzer betroffen. Sie werden wahrscheinlich Einbußen haben bei den Preiserhöhungen, die jetzt zu erwarten sind.

Herr Bundeskanzler! Da Sie jetzt noch hier sitzen und die Gelegenheit haben, etwas zu sagen, bitte ich Sie, auch noch ein paar Äußerungen zu anderen Dingen zu machen oder Präzisierungen vorzunehmen, beispielsweise zu der Tatsache, dass Frau Kollegin Fekter – sie ist im Moment nicht da – in einem Zwischenruf den Parteivorsitzenden der SPÖ, Gusenbauer, wegen der Aktivitäten in Paris als "Staatsverräter" tituliert. (Abg. Zellot: Zauberlehrling!)

Bitte schön, das müssen Sie sich einmal vorstellen, Herr Dr. Schüssel! Da geht es um den Klubobmann der größten Partei in dieser Republik, der größten Oppositionspartei! Was immer er tut,


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22. Sitzung / Seite 45

ob Sie es goutieren oder nicht, ob Sie mit dem Ergebnis zufrieden sind, ob es in allen Nuancen mit Ihren Bestrebungen übereinstimmt, das ist nicht die Frage. Aber eine nicht unmaßgebliche Abgeordnete schreit hier dazwischen: "Staatsverräter". (Abg. Dietachmayr: Eine Frechheit!) Herr Bundeskanzler, gefällt Ihnen das? Gefällt Ihnen das?

Ich weiß, dass es Ihnen nicht missfällt, wie die Freiheitliche Partei gegen die Superintendentin des Burgenlands Gertraud Knoll agitiert hat und immer noch agitiert. Es missfällt Ihnen nicht! Würde es Ihnen nämlich missfallen, dann hätten Sie in der Vergangenheit oder in der Gegenwart irgendwann einmal einen Ton dazu gesagt, Herr Bundeskanzler! Sie als christlich-sozialer Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Viele Jahrzehnte lang hatten wir keine christlich-sozialen Bundeskanzler. Ich bin – das habe ich schon oft gesagt – eine römisch-katholische Kroatin aus Österreich, denn die Kroaten sind alle römisch-katholisch, christlich und sozial – dafür muss man nicht Mitglied der ÖVP sein –, viel christlicher und viel sozialer, als Sie das überhaupt sein können. Unsere Solidarität mit der evangelischen Superintendentin ist ganz klar. Aber zu Ihrer Haltung kann ich jetzt nur andere zitieren, nämlich Klubobmann Westenthaler – ich würde solche Worte nämlich nicht verwenden –, diese Haltung kann ich nur als "niederträchtig" – das ist sein Zitat, auf eine andere Aktion bezogen – bezeichnen.

Jetzt komme ich zum Letzten, Herr Bundeskanzler (Abg. Ing. Westenthaler: Das war der beste Satz, jetzt zuletzt!), nämlich nicht zu Ihnen, sondern zu Ihrem intensivsten Partner, nämlich den Freiheitlichen und dem Herrn Klubobmann Westenthaler. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Er hat zum Budget überhaupt nichts gesagt, sondern ausschließlich ... – nein, Entschuldigung, Herr Bundeskanzler, ich habe noch etwas vergessen. Wahrscheinlich habe ich es deshalb vergessen, weil ich es von Ihnen immer schon gekannt habe, schon als Sie Außenminister waren, seit vielen Jahren.

Sie sind hier auf ein Statement von Frau Dr. Petrovic eingegangen (Abg. Böhacker: Wer ist eingegangen?), worin sie sich auf eine Aussage des Wifo bezogen hat. Das kann man in der APA nachlesen, das kann man auch in Zeitungen nachlesen, dass Sie heftige Kritik am Wifo, am Wirtschaftsforschungsinstitut geübt hätten, weil nämlich das Wifo festgestellt habe, dass das untere Einkommensdrittel von der Erhöhung der Verbrauchersteuern und der Gebühren stärker betroffen sei als das obere. Jetzt lese ich es Ihnen aus der APA vor: "Das hält Schüssel für wirklichen Unsinn."

Das hat Frau Dr. Petrovic kritisiert. Was haben Sie zehn Minuten später gemacht? – Sie haben von etwas ganz anderem geredet, haben das alles pauschal zurückgewiesen und haben hier die kühne Behauptung aufgestellt, das Budget sei sozial ausgewogen und wohl überlegt. (Demonstrativer Beifall des Abg. Böhacker. ) Was an diesem Budget sozial ausgewogen ist – diesen Nachweis müssen Sie erst einmal erbringen. "Wohl überlegt" ist daran zweifelsfrei gar nichts! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Denn das zeigt die Tatsache, dass Sie schon eine Wohlüberlegung angestellt haben, nämlich bestimmte Ideologien oder ideologische Vorstellungen, die eine ÖVP hat – aber sehr christlich-sozial, sage ich, ist das jedenfalls nicht –, nämlich dieses Bild "Frauen an den Herd, Kinder zu den Müttern" ausschließlich mit den Fördermaßnahmen, die es hier jetzt gibt, umzusetzen. (Abg. Zellot: Was soll das?) Wir befinden uns jetzt tatsächlich in einem Moment, in dem es einen absoluten Backlash für Frauen in diesem Land gibt.

Das, was jetzt passiert, hat es das letzte Mal vor 50 Jahren gegeben, als die Tatsache, sich Kindern zu widmen und Kinder auf die Welt zu bringen, belobigt und mit Orden ausgezeichnet wurde und es keine sonstige Unterstützung gab. Ich bin fern davon, diese Dinge zu vergleichen, aber in den Ideologien lassen sich sehr wohl Parallelen feststellen. Wenn Sie das als sozial ausgewogen und wohl überlegt bezeichnen, Herr Bundeskanzler, dann äußern Sie sich hier sehr eindeutig. Das möchte ich gerne von Ihnen bestätigt wissen, denn das ist interessant, und das wäre es, was wir in Zukunft wissen sollten, Herr Bundeskanzler!

Jetzt zuletzt noch zu Herrn ...


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22. Sitzung / Seite 46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist beendet. Den Schlusssatz, bitte!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Herr Präsident Prinzhorn! Ich zweifle nicht daran, dass der nächste Redner oder die nächste Rednerin der Grünen sich noch intensiv Herrn Klubobmann Westenthaler widmen wird. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Na, da freue ich mich schon darauf! Dafür bleibe ich extra da!)

11.39

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung Grüne –: Jetzt widmen wir uns einmal euch!)

11.39

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich werde mich mit den "exzellenten" Budgetbeiträgen der Grünen nicht befassen (Abg Dr. Khol: Du bist aber gnädig!), denn jedermann hier im Hohen Haus weiß jetzt darüber Bescheid, wie hoch die Steuereinnahmen in Österreich sind, wie hoch die Budgetausgaben sind, wie hoch die Staatsverschuldung ist und wie hoch das Defizit ist. Jeder hier im Hohen Haus weiß jetzt Bescheid und kennt sich aus bei der grünen Budgetpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber es ist natürlich so: Bei den Grünen hat alles einen gewissen Hintergrund. Der Hintergrund ist der, dass der Zugang der Grünen zum Umgang mit Steuergeld ein sehr bedenklicher ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt Ohren spitzen, Herr Van der Bellen!) Er ist insofern ein sehr bedenklicher: Wenn heute in Österreich eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer arbeitslos wird – das kann in Zeiten wie diesen leider passieren –, dann geht er zum Arbeitsamt und bekommt eine Arbeitslosenbeihilfe beziehungsweise eine Arbeitslosenunterstützung.

Anders ist es bei den Grünen. Bei den Grünen scheidet ein Regierungsmitglied in Tirol aus. Sie verlässt die Landesregierung, weil sie sich entschieden hat, in den Nationalrat zu gehen. Dagegen ist ja nichts einzuwenden. Aber sie erhält eine Arbeitslosenunterstützung in der Höhe von 160 000 S im Monat. (Abg. Dr. Khol: Nein!? – Abg. Haigermoser: Wie bitte? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie stellt den entsprechenden Antrag natürlich beim Amt der Tiroler Landesregierung. Ich habe hier die Antwort von Landeshauptmann Weingartner auf eine schriftliche Anfrage im Tiroler Landtag (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung Grüne –: Sie hat einen Antrag gestellt?): Nach dem Tiroler Landesbezügegesetz wurde ein Antrag auf Fortzahlung der Bezüge nach § 7 gestellt. (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Die Zahlung erfolgte von 1. April 1999 bis 28. Oktober 1999. (Abg. Haigermoser: Nein?) Die Bezugsfortzahlung war nach den genannten Bestimmungen in Höhe des monatlichen Bezuges eines Landesrates unter anteilsmäßiger Berücksichtigung der Sonderzahlungen zu leisten.

Wer war das? – Nur eine ist ausgeschieden: die grüne Abgeordnete Eva Lichtenberger. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Jetzt ist natürlich alles klar darüber, wie diese Grünen mit öffentlichen Geldern umgehen! Da ist auch ganz klar, dass hier keine Budgetzahlen angegeben werden. (Abg. Haigermoser  – in Richtung Grüne –: Schämen Sie sich!)

Das Nächste ist die Sozialistische beziehungsweise Sozialdemokratische Partei. Herr Klubobmann Kostelka! Beim Bundesparteitag der Sozialdemokraten hat Herr Gusenbauer zum "Bündnis der Vernünftigen" aufgerufen. Das ist alles in Ordnung. (Abg. Haigermoser: Er ist aber selber nicht dabei! – Abg. Dietachmayr: Unverschämtheit!) Gleich danach gehen selbstverständlich die Oberscharfmacher Scharping und Persson zum Rednerpult und sagen: Diese Sanktionen müssen mit aller Gewalt aufrecht bleiben! – Glauben Sie, am Parteitag steht bei den Sozialdemokraten irgendjemand Vernünftiger auf? Haben sie keine Vernünftigen? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Oder wie stehen Sie zur Aussage des Wiener Bürgermeisters, der sagt, die Regierung soll man aus dem Amt jagen? – Sind Sie damit einverstanden, Herr Klubobmann Kostelka? Gehen Sie heraus und sagen Sie: Ja, wir sind einverstanden. Die Regierung soll aus dem Amt gejagt werden. Wenn Sie sich damit nicht identifizieren können, Herr Kollege Klubobmann Kostelka, dann gehen Sie bitte heraus und sagen Sie: Nein, ich distanziere mich!

Kollege Gusenbauer ist wirklich das exzellenteste Beispiel dafür, wie man mit Menschen umgeht beziehungsweise wie man agiert und anderen Vorwürfe macht. Ich war mit ihm vor zwei Jahren bei der Weltbank beziehungsweise beim Internationalen Währungsfonds in Washington. Damals waren auch andere Fraktionen dabei, die Grünen, die Österreichische Volkspartei; damals waren noch die Liberalen herinnen. Dort wurde auch der Bericht des IWF über Österreich veröffentlicht, und dieser Bericht war sehr himmelblau gefärbt. Ich habe mir dort erlaubt, diesen Bericht etwas kritisch zu hinterfragen. Da hat Kollege Gusenbauer zu mir gesagt: Kollege Trattner, wir sind jetzt nicht im Inland in einer politischen Auseinandersetzung, sondern wir sind im Ausland; da greift man die österreichische Bundesregierung beziehungsweise die Budgetpolitik der Bundesregierung nicht an.

Da habe ich gesagt: Okay, tragen wir das im Inland aus. Aber ich erwarte auch von Herrn Kollegen Gusenbauer, dass er es so hält: dass die innenpolitische Auseinandersetzung hier und nicht im Ausland ausgetragen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Überhaupt das Ärgste, was sich Kollege Gusenbauer erlaubt hat: Er kommt aus Paris zurück, geht hierher, beleidigt 10 Minuten lang die Regierung und geht dann wieder. Hierher kommen, den Dreck abladen und dann wieder verschwinden: Das ist kein Parlamentarismus, wie ihn sich dieses Hohe Haus verdient! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Eigenartigerweise ist jetzt Kollege Edlinger nicht mehr da. Aber es hat einen bestimmten Grund, dass Kollege Edlinger nicht mehr da ist. Er scheint auch, wie ich gesehen habe, nicht auf der Rednerliste auf; vielleicht kann er sich noch zu einer Rede melden. (Abg. Dr. Khol: Er passt auf seinen Hund auf!) Aber er hat uns sein Erbe hinterlassen, und das ist ein eigenartiges Erbe. Wenn heute jemand ein Erbe antritt, dann ist er zwar zuerst traurig über den Todesfall, aber dann freut er sich darüber, dass er ein Erbe antreten kann. Wenn etwas vorhanden ist, dann gibt er eine unbedingte Erberklärung ab; das heißt, er bekommt ein Vermögen. Wenn jedoch die Schulden das Vermögen übersteigen, dann gibt er bestenfalls eine bedingte Erberklärung ab, damit kein Risiko auf ihn zukommt.

Diese Bundesregierung hat sogar eine unbedingte Erberklärung abgegeben, und zwar für ein Erbe mit 1 700 Milliarden Schilling an Schulden, außerbudgetären Schulden in Höhe von 300 Milliarden Schilling, 80 Milliarden Schilling an ÖIAG-Schulden, 700 Milliarden Schilling an Haftungen und – trotz eines Sparpakets von über 100 Milliarden – einem Budgetdefizit im Ausmaß von 109 Milliarden Schilling. Ungefähr eine Million Menschen lebten an der Armutsgrenze, der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen liegt noch immer bei 30 Prozent, die Krankenkassen sind mit 6 Milliarden Schilling in der Malaise, und der frühere Finanzminister hinterlässt uns EU-widrige Gesetze, die diese Bundesregierung erst zu administrieren hat. Damit meine ich die Getränkesteuer, und damit meine ich auch die Anonymität der Sparbücher. (Abg. Haigermoser: Ein sauberes Erbe!) Er hat sich einfach fortgeschlichen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein Erbe!)

Auch daran, wie die SPÖ mit dem Erbe – mit dem eigenen Erbe! – umgeht, zeigt sich eine eigenartige Vorgangsweise. Vor dem Parteitag haben wir immer wieder gehört: Die SPÖ hat Parteischulden in der Größenordnung von 411 Millionen Schilling. Das kann passieren, das tut der SPÖ bei dem Vermögen nicht weh. Am Parteitag selbst betrugen die offiziellen Schulden nur noch 351 Millionen.

Wir können uns daran erinnern, dass Kollege Westenthaler das Beispiel eines Kredites seitens der Steiermärkischen Bank in der Größenordnung von 60 Millionen Schilling gebracht hat. Diesen Kredit hat man dort vielleicht mit einem begünstigten Zinssatz von 3,75 Prozent saldiert, obwohl heute der Monats-VIBOR bereits über 4 Prozent liegt. Aber auf einmal scheint dieser


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Kredit unter den Verpflichtungen nicht mehr auf. (Abg. Ing. Westenthaler: Ach so? Wie geht das?) Ja, wie geht das? Ist er nicht mehr rückzahlbar? (Abg. Fischl: Hat er eine Erbschaft gemacht?) Oder ist er außerbudgetär finanziert? – Das ist eben der Umgang der SPÖ mit den Schulden! Deswegen hat auch die neue Bundesregierung unter dieser Schuldenlast der alten Bundesregierung – unter der Verantwortung des Herrn Finanzministers Edlinger – so zu leiden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wie die EU mit den so genannten Sanktionen umgeht beziehungsweise wie der Europäische Rat mit den diversen Berichten umgeht, ist ebenfalls signifikant. Da berichtet der Herr Finanzminister: Am 18. Jänner 1999 hat der Rat das Stabilitätsprogramm der Bundesregierung für die Jahre 1998 bis 2002 geprüft; für die Jahre nach 1999 sind im Programm keine generellen Aussagen zahlenmäßiger Art zur Haushaltspolitik enthalten gewesen. Das ist schon einmal eigenartig.

Aber das Programm sieht bis zum Jahre 2002 einen Abbau des gesamtstaatlichen Haushaltsdefizits auf 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor, während die Gesamtschuldenquote auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken soll. Der Rat begrüßt, dass im Haushaltsbereich deutlich bessere Ziele erreicht wurden als geplant, und er erkennt an, dass der als Ziel in Aussicht genommene mittelfristige Defizitwert von 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angesichts der geringen Schwankungen des Wirtschaftswachstums – und so weiter – ausreichen dürften, dass die automatischen Stabilisatoren bei einem normalen Konjunkturrückgang wirksam werden können, ohne dass die Gefahr einer Überschreitung des Referenzwertes von 3 Prozent des BIP besteht. Der Rat schließt daraus, dass das Programm in diesem Sinne den Bestimmungen des Wachstums- und Stabilitätspakts gerecht wird.

Was war der Hintergrund dazu? – 1999 war eine Nationalratswahl in Österreich. 1999 hat der Finanzminister dem Rat einen Bericht vorgelegt, der schlechter als der jetzige Bericht war. Damals hat der Rat diesen Bericht begrüßt und gesagt: Es ist alles in Ordnung, die österreichische Budgetpolitik ist in Ordnung; man kann ohne weiteres eine Steuerreform machen.

Jetzt reist der Finanzminister der neuen Bundesregierung nach Brüssel und bekommt dort für einen Bericht, der besser als der damalige ist, den großen Rüffel! Da muss ich ganz ehrlich sagen, es gibt auch standhafte SPD-Politiker wie den Finanzminister aus Deutschland, Herrn Minister Eichel, der gesagt hat: Das ist nicht in Ordnung, sondern Schuld an dem Ganzen haben die Budgetmaßnahmen und die Budgetpolitik der letzten zwei Jahre. Zu dem muss man einfach stehen! Man kann so etwas nicht heute auf eine Bundesregierung abschieben, die jetzt 100 Tage im Amt ist und innerhalb von vier Tagen ein Budget zustande gebracht hat, und alle Fehler, die Sie vorher gemacht haben, in Vergessenheit geraten lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da muss man sich wirklich überlegen: Wie geht der Rat mit den Berichten um? Wie geht der Rat mit den Berichten um, je nachdem, ob ein sozialistischer Finanzminister einen Stabilitätspakt nach Brüssel bringt oder ob ihn ein freiheitlicher Finanzminister nach Brüssel bringt? – Da darf es doch keine Unterschiede geben, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern da muss mit konkreten Zahlen beziehungsweise an konkreten Maßnahmen gemessen und auf dieser Grundlage beurteilt werden!

Dass diese Budgetzahlen schlecht sind, das wissen wir auch. Es lässt sich ein Budget auch nicht innerhalb von ein paar Monaten – für das Budget 2000 – in Ordnung bringen. Wir sind uns dessen bewusst, dass es sehr viele Einmaleffekte gibt. Aber wir müssen uns auch dessen bewusst sein, dass diese strukturellen Maßnahmen notwendig sind und durchgesetzt werden müssen. Dazu gehören nun einmal die Pensionsreform, die Reform im öffentlichen Dienst und die Privatisierung. Dabei werden alle mitmachen müssen.

Wenn Sie heute schon glauben, Sie können seitens der Gewerkschaft die Pensionsreform wieder nur mit Streiks blockieren, dann sage ich Ihnen: Das wird nicht gehen, denn wenn diese Strukturmaßnahmen nicht durchgesetzt werden, lavieren wir uns von einem Budget zum anderen, und wir werden auf ewige Jahre hinaus das Schlusslicht in der Europäischen Union


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bleiben. Aber das kann nicht Ziel dieser Bundesregierung sein, sondern da müssen alle zusammenstehen und die konkreten Maßnahmen als wichtig empfinden, damit sie durchgesetzt und reglementiert werden.

Es müssen positive Signale ausgehen, und positive Signale gehen mittlerweile aus, seit diese Regierung im Amt ist. Ausländische Unternehmer haben wieder Interesse, in Österreich zu investieren. Sie sagen: Diese Regierung ist da, sie will den Staat aus den Unternehmen zurückdrängen, sie will eine wirkliche Privatisierung durchziehen, sie will eine Privatisierung durchziehen in der Form, dass der Einfluss des Staates wirklich total zurückgedrängt wird. In diese Bundesregierung haben wir Vertrauen, und wir haben Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Österreich.

Das zeigen einfach die Investitionsmaßnahmen, die die Unternehmen hier in Österreich vorhaben. Daimler-Chrysler will an die Steyr-Fahrzeugtechnik innerhalb der nächsten zehn Jahre Aufträge in der Höhe von 50 Milliarden Schilling vergeben. Siemens plant Investitionen von 4,3 Milliarden Schilling. Magna plant für das Jahr 2000 ein Gesamtinvestitionsvolumen von 2,5 Milliarden Schilling, VW erwartet für 2000 ein Investitionsvolumen von einer Milliarde Schilling. MAN plant Investitionen von 1,5 Milliarden Schilling, Bombardier-Rotax investiert 1,5 Milliarden Schilling, BMW 2 Milliarden Schilling, Opel Austria 760 Millionen Schilling und so weiter und so fort. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Man kann nicht alles innerhalb kürzester Zeit schaffen, aber dieser Bundesregierung ist es gelungen, die entsprechenden Signale zu setzen, nämlich dass diese Regierung gewillt ist, diese Strukturmaßnahmen in Angriff zu nehmen, dass diese Regierung gewillt ist, den Staat aus den Unternehmen zurückzunehmen, und dass die Unternehmen beziehungsweise die Wirtschaft Rahmenbedingungen haben, unter denen sie wirtschaften und Arbeitsplätze schaffen können. Und das ist das Entscheidende. Die Arbeitsplätze schafft nicht die öffentliche Hand, sondern die Arbeitsplätze schafft die Wirtschaft.

Schauen Sie sich doch das Budget für das Jahr 2000 beziehungsweise das künftige Budget für 2001 beziehungsweise 2002 an! Sie haben immer kritisiert, das sei eine Umverteilung von unten nach oben. Das ist es nicht! Und da Sie heute schon den Chef des Wifo, den Helmut Kramer, zitiert haben, zitiere auch ich ihn. Er sagte im "Mittagsjournal" am 21. März 2000: Insgesamt tritt Entlastung ein, und zwar relativ mehr im Bereich der unteren Einkommen durch die Lohnsteuersenkung und auch durch das Familienpaket. – Man sollte das nicht auseinander nehmen.

Und wenn Sie die Budgetzahlen für das Jahr 2000 genau anschauen, dann werden Sie auch sehen, dass das Lohnsteueraufkommen absolut um 9 Milliarden Schilling niedriger ist, das Körperschaftsaufkommen absolut um über 4 Milliarden Schilling höher ist. Also, wo Sie hier eine Umverteilung sehen, kann ich nicht erkennen.

Deshalb meine ich, dieser Regierung soll eine Chance gegeben werden. Man kann nicht immer nur mit Streiks diese Maßnahmen behindern, und wir werden uns natürlich schon auch die Gewerkschaft ein bisschen genauer anschauen in Bezug darauf, wie sie mit ihrem Budget beziehungsweise mit den Beiträgen umgeht. Immerhin hat die Gewerkschaft 2,4 Milliarden Schilling Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, und von diesen 2,4 Milliarden Schilling Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen gehen 50 Prozent allein für Personalkosten auf. Darauf muss man auch einmal schauen, denn wenn man das durch die Anzahl der Mitarbeiter dividiert, kommt man drauf, dass ein Mitarbeiter bei der Gewerkschaft ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 500 000 S hat. Ich glaube, das ist sehr hoch. Die Spitzenfunktionäre in den Gewerkschaften müssten da mit gutem Beispiel vorangehen gegenüber den österreichischen Einkommensbeziehern, die wenig beziehungsweise sehr wenig verdienen, und nicht nur auf die Straße gehen und streiken, sondern positive Maßnahmen setzen.

Das gilt natürlich nicht nur für die Gewerkschaften, sondern selbstverständlich auch für den gesamten geschützten Bereich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.54


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22. Sitzung / Seite 50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.54

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Herr Abgeordneter Trattner hat behauptet, ich hätte nach meinem Ausscheiden aus der Landesregierung Arbeitslosengeld bezogen. – Das ist unrichtig! (Abg. Dr. Martin Graf: Sie haben es schon vor dem Ausscheiden bezogen?)

Richtig ist vielmehr, dass ich nach dem Ausscheiden aus der Landesregierung die Bezugsfortzahlung in Anspruch genommen habe (Aha!-Rufe bei den Freiheitlichen), die allen Regierungsmitgliedern, die Berufsverbot in ihrer Funktion haben, auch zusteht. Von diesem Geld habe ich die Hälfte karitativen Projekten zur Verfügung gestellt, wie zum Beispiel den Erdbebenopfern in der Türkei, der Caritas, wie zum Beispiel dem Verein "Ärzte ohne Grenzen" oder "Menschen für Menschen" für Äthiopien. Das sei hiemit berichtigt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr der Herr Bundesminister für Finanzen Mag. Grasser. – Bitte.

11.55

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Verehrte Volksanwälte! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Österreich braucht eine solide, braucht eine stabile Finanzpolitik mehr denn je zuvor. Wir werden in der Zukunft nur dann, wenn wir unseren Staatshaushalt in Ordnung bringen können, wenn wir unser Budget sanieren können, auch wirtschaftspolitisch erfolgreich sein.

Meine Damen und Herren! Wer niedrige Inflation haben will, wer ein hohes Wirtschaftswachstum haben will, wer Rahmenbedingungen haben will, damit die Unternehmer in diesem Land für Vollbeschäftigung sorgen können, der muss um die Sanierung der Staatsfinanzen in Österreich bemüht sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wer die Lebensqualität der österreichischen Bevölkerung nicht nur erhalten, sondern sie noch verbessern will, wer die Armut in diesem Land bekämpfen will, wer 1 Million Menschen, die an der Armutsgrenze lebten, die auch heute bereits in der Diskussion angesprochen worden sind, unterstützen will, wer soziale Gerechtigkeit in Österreich will, dem muss die Budgetsanierung, dem müssen ordentliche Staatsfinanzen in Österreich ein Anliegen sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Daher, meine Damen und Herren, bekenne ich mich auch zu einer Budgetpolitik, in der die Einnahmen und die Ausgaben eine Relation haben sollten, wo die Einnahmen, wenn möglich, auch die Ausgaben abzudecken in der Lage sein sollten. Ich bekenne mich zu einer Budgetpolitik, angesichts derer die Bevölkerung sagen kann: Wir wissen, dass diese Bundesregierung sparsam mit unserem Steuergeld, sparsam mit den Abgaben, die eingehoben werden, umgeht. Daher bekenne ich mich auch zu einem Stabilitäts- und Wachstumspakt, den Österreich mit der Europäischen Union abgeschlossen hat, und ich bekenne ich mich zur Konsolidierung und zur Sanierung unserer Staatsfinanzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Bundesfinanzgesetz 2000, das ich in sehr, sehr kurzer Zeit dem Hohen Hause zur Beschlussfassung vorlegen konnte, ist ein erster Schritt in diese Richtung. Es ist ein erster Schritt weg von einer Budgetpolitik, die bedeutet, mit dem Rücken zur Wand zu stehen, keinen Spielraum zu haben, nicht gestalten zu können und im europäischen Vergleich sehr weit hinten zu stehen, hin in eine Richtung, die bedeutet, dass wir in Zukunft in unserem Land Spielräume schaffen und Perspektiven für notwendige Maßnahmen haben.

Es ist sicherlich kein Idealbudget – da stimme ich mit manchen, die es auch kritisch beleuchtet haben, durchaus überein –, aber es ist, meine Damen und Herren, das Maximum dessen, was


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man in wenigen Wochen erreichen kann, vor allem dann, wenn man auch die Ausgangsposition sieht, die sich uns gestellt hat. Diese Ausgangsposition hat uns vor die Aufgabe gestellt, die Liquidität des Landes, die Liquidität der Republik sicherzustellen, die im April dieses Jahres gefährdet gewesen wäre, wenn wir nicht in der ersten Sitzung der neuen Bundesregierung ein Budgetprovisorium eingebracht hätten. Es war ein Weg zur Planbarkeit, es war ein Weg zur Verlässlichkeit, sodass der Bürger wieder weiß, womit er rechnen kann, mit welchen finanziellen Rahmenbedingungen er rechnen kann.

Und es ist, obwohl es diesen Zeitdruck gegeben hat, immerhin gelungen, das niedrigste Defizit in relativen Zahlen seit 1974, in absoluten Zahlen mit 54 Milliarden Schilling das niedrigste Defizit seit 1982 vorzulegen. Ich denke, man kann stolz darauf sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Man sollte es auch nicht als selbstverständlich nehmen, dass es gelungen ist, die Zielsetzungen des österreichischen Stabilitätsprogramms gegenüber der Europäischen Union mit diesem Bundesfinanzgesetz 2000 zu erreichen, und man sollte es schon gar nicht als selbstverständlich ansehen, dass es gelungen ist, eine Steuerreform und ein Familienpaket zu finanzieren, das der Bevölkerung in diesem Jahr 28 Milliarden Schilling bringt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich betrachte es wirklich als eine Frage der Objektivität, als eine Frage der tatsächlichen Information der Bevölkerung. Will man verunsichern? Will man von Sparpaketen sprechen? Will man von Belastungen sprechen? Will man von Dingen sprechen, die diese Bundesregierung nicht einmal angedacht hat und auch in Zukunft nie andenken wird?

Ich lese in manchen oppositionellen Schriften, wir wollen das 13. und 14. Monatsgehalt einschränken, wir wollen in bestehende Pensionsverträge eingreifen. – Meine Damen und Herren! Ich denke, die gemeinsame Verantwortung, unser aller gemeinsame Verantwortung ist es doch, Vertrauen in der Bevölkerung zu erzeugen, ihr das Gefühl zu geben, dass sie sich auf uns verlassen kann.

Meine Damen und Herren! Daher sollten wir der Bevölkerung gegenüber nicht von Sparpaketen und von Belastungen sprechen, sondern wir sollten die Fakten auf den Tisch legen. Und die Fakten sind, dass wir 28 Milliarden Schilling an Entlastung bringen: 16 Milliarden Entlastung durch die Steuerreform, 12 Milliarden Schilling durch das Familienpaket. Die Bevölkerung wird mehr bekommen: erhöhte Familienbeihilfe, erhöhte Kinderabsetzbeträge gegenüber zuletzt.

Wenn man die 7 Milliarden Schilling, die wir leider einsparen mussten, um uns an die Vorgaben bezüglich Stabilitätspakte halten zu können, um stabile Staatsfinanzen garantieren zu können, davon abzieht, so bleiben 21 Milliarden Schilling netto Kaufkrafteffekt mehr für die Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich würde Sie bitten, einmal auch die Auswirkungen gerade auf jene Bevölkerungsgruppen, die Sie ansprechen, nämlich auf die weniger Verdienenden, die unteren 20 Prozent der Einkommenspyramide, nachzurechnen. Und ich bitte Sie auch, zur Kenntnis zu nehmen, dass eine Familie, in der der Mann 20 000 S brutto im Monat, die Frau 10 000 S brutto im Monat verdient – und ich denke, wir stimmen überein, dass das in Österreich, Gott sei Dank, eher der untere Teil der Einkommenspyramide ist –, dass eben eine solche Familie mit zwei Kindern, beide Partner sind berufstätig, im Jahre 2000 eine Entlastung von 15 000 S erfährt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! 15 000 S netto mehr in der Brieftasche – und da spricht die Opposition von "Sparpaket" und "Belastung"! Sie macht zwar keinen Vorschlag, kritisiert aber alles, verdammt dieses Budget ganz massiv und sagt, es sei überhaupt nichts richtig an diesem Haushalt.

Meine Damen und Herren! Ich meine, dass ein Finanzminister eher selten in einer solchen Situation ist, einerseits zu sanieren, eine Erwartungshaltung in Bezug auf Sanierung zu haben, andererseits den Leuten aber – an diesem Beispiel nachvollziehbar – 15 000 S netto mehr in der


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Brieftasche zu belassen. Es ist dieser Koalition gelungen, Steuerreform und Familienpaket zu finanzieren. Man sollte stolz darauf sein – und der Bevölkerung auch die Wahrheit vermitteln. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich denke, es weiß jeder hier im Hohen Hause, dass es auch andere Meinungen, andere Überzeugungen geben, dass man andere Vorschläge einbringen kann. Ich habe aber dann ein persönliches Problem, wenn man sich hier an das Rednerpult stellt, so wie mein Vorgänger im Amt des Finanzministers vor einigen Tagen, bei einer der letzten Budgetdebatten, und dieses Budget 2000 auf und nieder kritisiert, nichts Richtiges daran findet, der in einer heutigen Presseaussendung meint, es sei ein "unsoziales, ein unintelligentes, ein volkswirtschaftlich schädliches Budget", und die Regierung solle möglichst rasch zurücktreten, weil sie "keine Ahnung von Budgetpolitik" habe.

Aus diesem Grunde ein paar deutliche Worte: Die Finanzen unseres Landes sind uns in einem erbärmlichen Zustand übergeben worden. Österreich ist diesbezüglich das Schlusslicht in Europa, und Sie wissen, dass ich mir das am Montag im Rat der Finanzminister, im ECOFIN, sehr deutlich sagen lassen musste, und zwar stellvertretend – ich betone: stellvertretend  , und ich werde das nächste Mal die Einladung aussprechen, dass Kollege Edlinger mitfährt, wenn es eine solche Debatte gibt, damit das auch den entsprechenden Adressaten geht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie, Kollege Edlinger, meine Damen und Herren von der SPÖ, hätten sich die Kritik der Kommission der Europäischen Union, die Kritik der Europäischen Zentralbank, die Kritik der 14 Mitgliedstaaten anhören müssen! Es hieß, es kann doch nicht so sein, dass ein reiches Land wie Österreich – mit dieser Tradition, mit dieser Geschichte und Kraft in Europa! – hinter Portugal, hinter Griechenland, hinter Spanien, mit weitem Abstand Schlusslicht Europas, was die Budgetpolitik anlangt, ist!

Es kann doch nicht so sein, dass mein Vorgänger in diesem Amt, Kollege Edlinger, im Jahre 1997 im ECOFIN zugestimmt hat, dass in Österreich stärker konsolidiert werden muss, dass er zugestimmt hat dem Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Union, der rechtlich verpflichtend ist, meine Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Ach so!) Es war dies ein rechtlich verpflichtender Stabilitäts- und Wachstumspakt, eine Verpflichtung für die Republik und für die Bundesregierung, in dem es heißt, wir werden im Jahre 2002 ein ausgeglichenes Budget beziehungsweise Surplus erreichen. Es heißt dort: "Close to Balance or Surplus". Und dem haben Sie zugestimmt, Herr Kollege Edlinger.

Sie, Herr Kollege Edlinger, haben im Jahre 1998 als Präsident des ECOFIN, des Rates der Finanzminister, nochmals zugestimmt, dass Österreich im Jahre 2002 "Close to Balance or Surplus" sein wird. Und daher darf ich Ihnen von Ihren ehemaligen Kollegen ausrichten, dass diese nicht verstanden haben, warum in der Budgetpolitik in Österreich genau das Gegenteil passiert ist, warum in den Jahren 1998 und 1999 in Österreich nicht Konsolidierung angesagt war, sondern Stagnation, während alle anderen Länder es verstanden haben, in diesem Zeitraum ganz massiv zu konsolidieren, wesentlich bessere Ergebnisse zustande zu bringen, sodass es im Jahre 2002 nur Österreich geben würde, das über 1 Prozent Defizit wäre, wenn wir nicht massiv gegensteuern.

Meine Damen und Herren! Man hat versprochen, man hat rechtlich verbindliche Erklärungen abgegeben – und man musste dann aber im Jahre 1999 dem Hohen Hause sogar eine steigende Finanzschuld zur Kenntnis bringen. Da ist es für mich dann nicht nachvollziehbar, wenn man sich herstellt und sagt, das Budget 2000 sei das Schlimmste überhaupt, wir belasten diese, wir belasten jene, das Defizit sei nicht in Ordnung, das Budget sei nicht ambitioniert genug, und so weiter. Gleichzeitig aber schaffen Sie es nicht, auch nur einen Alternativvorschlag vorzulegen: weder im Ausschuss einen Alternativvorschlag zu bringen, noch von Expertenseite her zu sagen, was man besser, was man anders hätte machen können!

Professor Walterskirchen war im Ausschuss eingeladen, und selbst Dr. Walterskirchen konnte keinen Vorschlag im Ausschuss machen, von dem er hätte sagen können: Dieser konkrete


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Vorschlag ist es, das wäre die Alternative zur Budgetkonsolidierung und zur Budgeterstellung im Jahre 2000 gewesen.

Professor Lehner vom Wirtschaftsforschungsinstitut – auch er hat im Ausschuss keinen Vorschlag zu machen gewusst: So machen wir es besser, so versuchen wir gegenzusteuern.

Auch der Experte, den die Grünen eingeladen haben, Mag. Rossmann von der Arbeiterkammer, hat keine Alternative gewusst, wie wir das Budget 2000 besser in den Griff bekommen könnten, als wir das ohnehin gemacht haben.

Ich meine deswegen: Uns ist etwas Gutes gelungen – aber Sie schaffen es, sich von Ihrer eigenen Politik zu distanzieren, indem Sie alternativlose, bedingungslose Oppositionspolitik betreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das ist etwas, das ich wirklich zutiefst bedauere, weil Sie natürlich wissen, wie wichtig ordentliche und stabile Staatsfinanzen für unser Land, für die Zukunft unseres Landes sind.

Deswegen freue ich mich umgekehrt, dass es gelungen ist, der Europäischen Union zu vermitteln, dass wir diese Politik der letzten zwei Jahre verändern werden, dass wir es anders machen werden. Und es ist Lob ausgesprochen worden für den Weg, den diese Bundesregierung angeht. Wir haben Lob bekommen für die Strukturreformen, die im Regierungsübereinkommen vorgesehen sind. Man hat dort gesagt, meine Damen und Herren, dass – was hier von der Opposition kritisiert wird – die Pensionsreform unbedingt durchzuziehen ist, aber nicht deshalb, weil man den Pensionisten etwas wegnehmen möchte, sondern weil es eine Verantwortung zur langfristigen Sicherung der Pensionen gibt, eine gemeinsame Verantwortung von uns allen.

Dort hat man gesagt: Die Verwaltungsreform ist, wie vorgesehen, unbedingt umzusetzen. Dort hat es Unterstützung gegeben für eine Gesundheitsreform. Dort hat es Unterstützung gegeben für den ehrgeizigen Kurs der Privatisierung in Österreich, und dort hat es Unterstützung gegeben auch für ein Mehr an Forschung und Entwicklung, weil es wichtig ist, dass wir unsere Wirtschaft umstrukturieren, hin in Richtung mehr New Economy, mehr Telekommunikation, mehr Internet-Technologien, damit wir eben Arbeitsplätze schaffen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich denke, was der Europäischen Union möglich ist, was 14 Mitgliedstaaten der Union möglich ist – die heute, wie wir wissen, leider Gottes ein nicht gerade besonders positives Verhältnis zu Österreich haben; aber wir alle hoffen, dass es bald wieder so weit sein wird –, was also diesen 14 Mitgliedstaaten in dieser politischen Situation möglich ist, zu sagen: Das sind wichtige und richtige Reformen für die Zukunft Österreichs!, das sollte doch auch in einem kritischen Diskurs, in dem man abweichende Meinungen im Detail haben kann, allen vier Parteien dieses Hohen Hauses möglich sein. Sie müssten sagen: Im Interesse Österreichs müssen wir Strukturreformen machen! Von unserer Seite aus kann ich Ihnen versichern: Wir werden vertragstreu sein, wir werden die Verpflichtungen der Europäischen Union gegenüber einhalten, und wir werden vor allem die Verpflichtungen der österreichischen Bevölkerung gegenüber einhalten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist uns einfach ein Anliegen, dieses Budget zu sanieren und damit Spielräume aufzumachen – Spielräume aufzumachen für eine Investitionspolitik, Spielräume aufzumachen für Forschung und Entwicklung und Spielräume aufzumachen für New Economy, Spielräume aufzumachen für ein Mehr auch im Bildungs- und Ausbildungsbereich. Wir haben heute zwar eine hervorragende Beschäftigungssituation, wissen aber, wir könnten in den neuen Technologien sofort mehr Mitarbeiter brauchen. Da könnten 10 000, 15 000 junge Menschen sofort einen Arbeitsplatz finden, wenn sie die entsprechende Ausbildung hätten. Daher meine ich, dass es weitsichtig ist, hier Perspektiven zu schaffen, wenn wir für die nächste Generation, für die Jugend, auch Chancen schaffen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir werden auch Spielräume brauchen, wenn die Konjunktur einmal nicht so positiv verlaufen sollte, wie das heute – Gott sei Dank! – der Fall ist. Wir müssen, wenn der Konjunkturzyklus wieder nach unten geht, in der Lage sein, gegenzusteuern. Wir können


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keine Budgetpolitik machen, in der man permanent zuschaut, in der nichts getan wird, um gegenzusteuern, in der man nichts tut, um aktiv zu gestalten.

Wir müssen zu einer Budgetpolitik übergehen, die sagt: Wir versuchen, volkswirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen zu treffen: für mehr Wachstum, für mehr Beschäftigung, für mehr Geldwertstabilität in Österreich.

Ich glaube, dass es große Zustimmung der Österreicherinnen und Österreicher für diesen Weg gibt, bei dem sie erkennen, dass man versucht, es fair und gerecht zu machen, dass man versucht, einen Weg zu gehen, bei dem man sparsam mit dem Steuergeld der Bürger umgeht, Struktur- und Aufgabenreformen macht und fragt: Was nützt der österreichischen Bevölkerung? Und wobei man die Frage stellt: Wo haben sich traditionell Aufgaben entwickelt, die heute für die Bevölkerung vielleicht nicht mehr unbedingt notwendig sind?

Ich darf Ihnen, meine Damen und Herren, von einem Anruf berichten. Es ist dies nur ein Einzelfall, aber ein Einzelfall, der mich sehr bewegt hat. Letzte Woche hat mich eine Vorarlbergerin angerufen und gesagt: Herr Grasser, ich bin Mindestrentnerin, ich habe eine Pension von 4 200 S und bin Ausgleichszulagenbezieherin. Ich sage Ihnen, so diese Dame weiter: Sparen Sie! Ziehen Sie diesen Weg der Budgetkonsolidierung und der Budgetsanierung durch! Das ist wichtig für die nächste Generation, und wir alle stehen dahinter und unterstützen Sie dabei! – Zitatende.

Ich meine, dass das, was die Bevölkerung möglich macht, was die Bevölkerung unterstützt – daher auch mein Dank an die Bevölkerung –, auch der Opposition möglich sein sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer. ) Dies sollte auch der Opposition möglich sein!

Meine Damen und Herren! In einer konstruktiven Politik sollte es einen Wettbewerb der Ideen, einen Wettbewerb der Überzeugungen geben, in den man Konzeptionen einbringt, zu dem man Alternativvorschläge macht, über die man dann diskutieren sollte, bei dem man aber kein bedingungsloses Nein zu allem und jedem sagt, was vorgeschlagen wird. Das wird nicht der Weg sein, der Österreich ein saniertes Budget bringt und Weichenstellungen für die nächste Generation ermöglicht. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Hervorragend! – Gegenruf der Abg. Dr. Mertel. )

12.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Schieder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.14

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn wir inhaltlich nicht mit dem übereinstimmen, was der Herr Finanzminister gesagt hat – Redner von uns werden darauf ja noch eingehen –, so sind wir dennoch froh, dass der Herr Finanzminister zum Budget und zu Inhalten dieser Debatte gesprochen hat. So, wie diese Debatte von den Regierungsparteien begonnen wurde, vom Klubobmann der ÖVP und vom Klubobmann der FPÖ ... (Abg. Dr. Martin Graf: Erstredner war Kostelka! – Abg. Ing. Westenthaler: Ihr habt begonnen, Kollege Schieder! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Warten Sie, ich komme gleich darauf zu sprechen!

So, wie die zwei Klubobmänner der Regierungsparteien diese Debatte begonnen haben, war es eigentlich eine Debatte über die Maßnahmen der Vierzehn, was am Nachmittag beim Kapitel Äußeres ohnedies das Thema gewesen wäre. Sie haben eine Debatte über Fragen geführt, die sicherlich wichtig sind, mit denen Sie aber das eigentliche Kapitel – Budget, Oberste Organe, Bundeskanzleramt – zugedeckt haben.


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Unser geschäftsführender Klubobmann Dr. Kostelka – Sie haben zu Recht darauf hingewiesen – hat Hauptbotschaften gebracht, die Ihnen nicht gepasst haben. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Alte Hüte!)  – Ja, ja, da sagen Sie "alte Hüte"! – Dr. Kostelka hat davon gesprochen, dass Ihr Budget ein Belastungsprogramm ohne soziale Balance, ohne soziales Gleichgewicht ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Kostelka hat zu Recht gesagt, dass die einzige Idee hinter Ihrem Budget neue Belastungen für sozial Schwächere sind. Er hat erklärt, dass Sie keine Sparziele, sondern nur Belastungsziele haben, und er hat darauf hingewiesen, dass vielen Verlierern nur einige wenige Gewinner gegenüberstehen werden. (Abg. Aumayr: Wo sind Ihre Anträge, Ihre Vorschläge geblieben?)

Und was war Ihre Antwort? – Sie sagen einfach: "Fundamental-Opposition". (Abg. Ing. Westenthaler: Das stimmt!) Sie gehen inhaltlich gar nicht darauf ein, sondern Sie decken es zu, Sie lenken ab, indem Sie über die Maßnahmen der Vierzehn sprechen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das Kapitel Oberste Organe wäre eine gute Gelegenheit gewesen, auch von Ihrer Seite ein Wort zum Herrn Bundespräsidenten zu sagen: Zu dieser "Lump, Hump, Dump"-Sache wäre es wahrscheinlich angebracht gewesen, dass Sie, Herr Kollege Westenthaler, als Klubobmann der Freiheitlichen ein Wort dazu sagen oder Sie, Herr Kollege Khol, als Klubobmann des Partners der FPÖ ein Wort dazu sagen. (Abg. Ing. Westenthaler: Was sagt denn Bürgermeister Häupl?!)

Ich weiß, der Herr Bundeskanzler hat etwas dazu gesagt. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: Jeder soll am besten bei sich selbst anfangen. – Na, das wird den Herrn Bundespräsidenten "freuen", wenn die einzige Botschaft an ihn ist, er soll bei sich selbst anfangen! (Beifall bei der SPÖ.)

Das wäre eine Chance für Sie gewesen, hier etwas auszuräumen, ein klares Wort zu finden. (Abg. Ing. Westenthaler: Da gibt es nichts auszuräumen! Es gibt nichts zum Ausräumen! Sie wollen die Regierung aus dem Amt jagen!)

Sie haben auch diese Chance nicht genützt. Ihnen war es wichtiger, das zu bringen, was Ihnen vermeintlich innenpolitisch hilft. Die Art und Weise, wie Sie hier über die Maßnahmen der Vierzehn sprechen, ist auch nicht jene Art, die notwendig ist, um die Sache im Ausland wegzubringen. Sie nützen diese Frage innenpolitisch, weil Sie meinen, sie hilft Ihnen, und weil Sie damit zudecken können, wie unsozial dieses Budget ist und wie es den Menschen dieses Landes schadet! Das ist Ihre Taktik! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Distanzieren Sie sich von Häupl! – Abg. Haigermoser: Distanzieren Sie sich von Häupl!)

Wir werden über die Frage, welche Vorgangsweise richtig ist – Dr. Gusenbauer hat Ihnen ja auch schon die entsprechende Antwort gegeben –, noch beim Kapitel Äußeres sprechen können.

Folgendes soll aber auch jetzt gleich noch einmal gesagt werden: Wenn es Ihnen darum geht, diese Maßnahmen wegzubringen – und ich gehe einmal davon aus, es geht allen darum (ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen)  –, dann müssen Sie sich die Frage stellen: Ist die Art und Weise, wie Sie beide hier gesprochen haben, innenpolitisch motiviert gewesen – oder ist diese Art und Weise hilfreich, diese Maßnahmen im Ausland wegzubringen? War es das richtige Signal an die EU – oder war es ein verhärtendes Signal, das Sie abgegeben haben?

Manchmal fragt man sich bei uns schon: Nützen Sie das nicht, weil Sie glauben, dass es Ihnen hilft? Zeitungen haben ja bereits darüber berichtet, dass in manchen Landesparteizentralen die Frage diskutiert wird: Wie wird es sein, wenn die Maßnahmen der Vierzehn nicht mehr da sind? Was werden wir dann tun? – Und zu Recht zitiert "Die Presse" in diesem Zusammenhang die Äußerung eines ÖVP-Sekretärs: Im Herbst könnte die blau-schwarze Sozialpolitik das Hauptthema der politischen Debatte sein, während umgekehrt die als ungerecht empfundenen EU-Sanktionen bereits vom Tisch sein und keine Protestwähler mehr mobilisieren werden. – Das ist die Sorge eines ÖVP-Sekretärs.


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Die Art und Weise, wie Sie hier die Debatte führen, nährt bei uns den Verdacht, dass es Ihnen hier in dieser Debatte vor allem darum gegangen ist, das Thema innenpolitisch auszuspielen und gleichzeitig das Budget zuzudecken – und nicht darum, Österreich im Ausland zu helfen. (Abg. Haigermoser: Ammenmärchen!)

Ich war auch ein bisschen enttäuscht, ich war wirklich enttäuscht darüber, mit welchen Worten Sie den Versuch Dr. Gusenbauers, für unser Land bei Partnern ... (Lebhafter Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Mein Gott! – Die Abgeordneten Ing. Westenthaler und Haigermoser: Das glauben Sie ja selbst nicht!)  – Ja, und Sie setzen das noch fort. Wenn es Ihnen ernst wäre, dann würden Sie anders sprechen! Sie demaskieren sich selbst mit Ihren Bemerkungen, die Sie hier machen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt kommt der nackte Finger! – Abg. Haigermoser: Er ist nicht überzeugt von dem, was er sagt!)

Meine Damen und Herren! Das Kapitel Oberste Organe wäre auch eine gute Gelegenheit, über das Parlament selbst zu sprechen, über die Sorgen, die wir haben, etwa über das Problem, dass Sie bei Zweidrittelmehrheitsbeschlüssen, also bei Verfassungsgesetzen, nicht die entsprechenden Kontakte mit uns pflegen, sondern offensichtlich eine Walze vorbereitet haben, mit der Sie sagen, "Sie wollen ja nur junktimieren!" – auch wenn wir gar nichts junktimieren wollen. Sie meinen, wir müssen ohnehin zustimmen und ziehen es vor, inhaltlich gar nicht mit uns zu reden, um eine Zweidrittelmehrheit zu bekommen. Sie wollen es mit der Öffentlichkeit, mit der Walze spielen, und zwar anstatt des parlamentarischen Dialogs. Das ist nicht die richtige Arbeit! Das ist nicht die Art und Weise, wie man mit einer Opposition in diesem Hause umgeht! (Abg. Haigermoser  – auf zum Teil leere Sitzreihen bei der SPÖ hinweisend –: Bei uns hören Ihnen prozentuell mehr Abgeordnete zu als bei Ihrer eigenen Fraktion!)  – Ja, ja, Sie sprechen von Prozentsätzen, aber prozentuell lässt sich diese Frage nicht lösen.

Oder die Debatte über die Unterausschüsse, über die Besetzung der Vorsitzendenfunktionen in den Unterausschüssen. Da war es früher immer so, dass in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle der Vorsitzende im Unterausschuss derselbe war, der im Ausschuss den Vorsitz führte. – Plötzlich wird das in Frage gestellt. Das System d’Hondt scheint für Sie plötzlich ein bisschen in Frage gestellt zu werden. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Ja, ich weiß, Herr d’Hondt ist nächstes Jahr 100 Jahre tot. Sie wollen jetzt, da Sie die Mehrheit haben, mit seinem Verfahren brechen. Aber das ist nicht der richtige Weg! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Genauso ist es in der ...!)

Über all diese Fragen könnten wir sprechen. Wir wüßten auch viele Kleinigkeiten, über die wir uns unterhalten sollten, so zum Beispiel über die Frage, ob nicht vieles an notwendigen Modernisierungen hier blockiert wird, weil Herr Präsident Prinzhorn die EDV-Maßnahmen evaluiert haben will und deshalb nichts weitergeht. Vieles wäre in diesem Hause zu besprechen: große Fragen der Republik, des Bundeskanzleramtes, große Fragen der Obersten Organe und unsere Arbeit selbst.

Nachher, beim Kapitel Äußeres, hätten wir über die EU-Maßnahmen sprechen können – und wir werden das auch tun. Sie haben die Debatte so geführt, dass Sie uns anschütten und gleichzeitig diese Frage dazu benützen, zuzudecken, wie unsozial dieses Budget ist. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Lesen Sie den "Zauberlehrling"!)

12.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Khol: Der Ausschussvorsitzende der Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag Klose hat besser geredet für Österreich!)

12.23

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Bei der Generaldebatte des Budgets war es bislang Usus, dass dem Thema Frau und der zukünftigen Gestaltung der Frauenpolitik ein wesentliches Kapitel, ein wesentlicher Zeitraum eingeräumt wurde. Ich möchte meinen heutigen Debattenbeitrag zum Anlass nehmen, über diesen Bereich zu sprechen, weil


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das Frauenministerium – das so genannte Frauenministerium, das ja tatsächlich nur ein Teil des Bundeskanzleramtes und somit nur ein abgeleitetes Ministerium war – umgewandelt, von der neuen Regierung zu einem echten neuen Frauenministerium und Generationenministerium umgestaltet wurde, das natürlich jetzt an Tragfähigkeit, an Kraft viel mehr aufzuweisen hat.

Ich freue mich über diese Regelung, denn Frauenpolitik ist eine Querschnittsmaterie, und es könnte gar nicht besser sein, als dass die Bereiche Jugend, Familie, Frauen, ja selbst der Bereich Gesundheit, der jetzt zu diesem Ministerium ressortiert, quasi einen Problemverbund darstellen und damit für die Ministerin bessere Lösungen herbeizuführen sind, als das bislang der Fall war. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Die glaubt das!)

Lassen Sie mich auch noch Folgendes feststellen. In den letzten Jahren, besonders in den letzten Monaten vor der neuen Regierungsbildung, war das Thema Frauen geprägt von der Kritik – vorwiegend von der linken Seite, von den Grünen stark unterstützt – gegenüber der Frauenpolitik, die in den letzten 30 Jahren stattgefunden hat.

Ich war bass erstaunt darüber, dass sich eine ehemalige Ministerin, die einen Großteil dieser Frauenpolitik zu verantworten hat, nämlich Johanna Dohnal, faktisch als Proponentin für eine Unmutsbewegung, ja sogar an deren Spitze gestellt hat. Sie hat ihrer Nachnachfolge-Ministerin ein Paket an Forderungen auf den Tisch geknallt, das diese innerhalb kürzester Zeit hätte erfüllen sollen. Damals hat Frau Ministerin Prammer meine volle Unterstützung und mein volles Mitleid gehabt, und ich habe daraus nie ein Hehl gemacht. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren: Tatsache ist, dass diese Politik gescheitert ist. Wir wollen mit einer neuen, zukunftsbezogenen Frauenpolitik antreten. Wir wollen es anders machen!

Ich darf Ihnen sagen, dass gerade die Kritik der letzten Zeit von Seiten der vereinigten linken Opposition – die Kritik an der Regierung und auch an der Familien- und Frauenpolitik der Regierung – von Unterstellungen, Herabwürdigungen und Untergriffen getragen war. Es hat ja heute schon ähnliche Beispiele aus anderen Ressorts gegeben. Bei den Frauen ist das nicht anders, das enttäuscht mich auch – aber sei’s drum! Wir sind das inzwischen ja schon gewöhnt.

Vorsätzliche Fehlinformationen, Angstmache und Desinformationen – damit gehen Sie den Frauen entgegen; das ist Ihre Frauenpolitik. Sie sind uns aber bis heute bessere Vorschläge, Alternativvorschläge, ja überhaupt Vorschläge schuldig geblieben!

Ich habe die letzten Debatten hier in diesem Hause sehr genau verfolgt. Sie werden den Frauen einiges erklären müssen, wenn es um Zukunftsthemen geht. Wie oft lesen wir darüber, und wir alle wissen, wie sehr wir bestrebt sind, möglichst viele EU-Projekte zu erwirken, Co-Finanzierungen zu finden und letztendlich über Frauenorganisationen auch Schulungen dafür anzubieten, wie wir mit sehr viel Geld versuchen, Frauen und vor allem auch Wiedereinsteigerinnen zur Telearbeit zu bringen. Und dann geht eine Kollegin – ich gebe zu, sie ist noch jung und erst kurz hier im Haue – von der SPÖ hier heraus und verteufelt die Telearbeit auf Teufel-komm-raus!

Es mag schon sein, dass sie etwas gegen Telearbeitsplätze hat. Darüber könnte man ja reden und noch einiges hinzufügen. Aber es gibt auch Telehäuser, und man kann doch den Frauen den Umgang mit dem Computer, sozusagen die Zukunft der Frauenarbeit und auf dem Arbeitsmarkt überhaupt, nicht auf diese Art und Weise, mit einer derart ewig gestrigen Meinung vermiesen! (Beifall bei der ÖVP.)

Da lese ich zum Beispiel, dass sich eine SPÖ-Kollegin darüber aufregt, dass der Herr Bundeskanzler etwas von einer "Internet-Generation" gesagt hat. Also, schön langsam regen Sie sich über alles auf; aber das ist nicht mein Stil. Ich sehe das mit Gelassenheit.

Nach Auskunft des AMS haben Arbeitsstiftungen eine Trefferquote von 90 Prozent, aber eine Kollegin der SPÖ – ich glaube, es war Frau Plank – geht hier heraus und wettert gegen diese Stiftungen. – Wo leben Sie denn?! Haben Sie denn den Blick für das Wesentliche verloren?! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Sie haben sie infiziert!)


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Sie reden zum Beispiel auch davon, dass das Partnereinkommen – das ist ein Punkt des Frauen-Volksbegehrens – beim Arbeitslosengeld nicht anrechenbar sein soll, aber beim Kinderbetreuungsgeld soll es sehr wohl anrechenbar sein. Wo liegt da Ihre Linie? Wie erklären Sie das den Frauen? (Abg. Öllinger: Sie verstehen ja überhaupt nichts!)

Sie haben auch einen Erklärungsbedarf, warum die zentrale Forderung der Frauen nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, im Besonderen die Wiederherstellung der zweijährigen Karenz, der bezahlten Karenz, schlecht sein soll. Sie behaupten einfach, das sei ein Locken an den Herd, obwohl Sie noch vor Kurzem selbst für diese Forderung eingetreten sind. Ja Sie scheuen nicht einmal davor zurück, die alte KAPOVAZ wieder zum Leben zu erwecken, eine verbotene Arbeitszeitform, und zu behaupten, dass es sie noch gibt! – Wo gibt es sie denn noch? Wo seid ihr denn, wo ist denn das Arbeitsinspektorat, wenn es solche Fälle tatsächlich geben sollte? – Das kann man doch nicht verallgemeinern, das ist doch keine Sache, die man hier besprechen muss. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Haller. )

Sie haben sich aber nicht eingeschaltet, als die Post noch in Ihrem Verantwortungsbereich lag und es um viele Arbeitsplätze für Frauen ging. Gerade die ärmsten Frauen, die natürlich zu Versicherungszeiten kommen wollten, ... (Widerspruch und ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)  – Lachen Sie nicht, Frau Mertel! Gerade diese Frauen waren als "vorübergehend Beschäftigte" geführt, und Sie haben das zugelassen! Die Frauen wurden entlassen, eingestellt, entlassen, eingestellt. Diese Frauen sind zu uns zum Sprechtag gekommen, weil sie natürlich Sorge um ihren Lebensunterhalt und um ihre Pension hatten und ein sicheres Anstellungsverhältnis wollten. Kein Wort habe ich damals von euch darüber gehört! Ewig gestrig, das ewig alte Strickmuster! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie müssen den Frauen auch erklären, weshalb noch immer nicht gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit bezahlt wird. Das ist eine Uralt-Forderung, die wir hier im Hause nicht erfüllen können, aber die Gewerkschaften sehr wohl. Sie sollten da einen Drive zulegen! An ihnen liegt es nämlich, wir hier im Hause führen ja keine Lohnverhandlungen! Wie finden denn die Frauen das, wenn sie lesen, dass die beiden Bundesgeschäftsführerinnen der SPÖ jetzt nur ein Viertel von dem bekommen, was Herr Kollege Rudas verdient hat – für die gleiche Arbeit!? Ein "tolles" Signal; die Frauen werden sich bedanken! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Wurm hat letztes Mal die beabsichtigte Neuregelung der Hinterbliebenen-Pension, denn Witwenpension gibt es Ihrer Diktion ja gar nicht mehr, bejammert. – Erinnern Sie sich doch daran: Die Erste – das hat mich mit Erstaunen erfüllt –, die den Wegfall der Witwenpension gefordert hat, war Bundesministerin Prammer und damals noch Bundesministerin für Frauenangelegenheiten. Also das hat mich am meisten enttäuscht, und ich glaube, dass die zukünftige Regelung eine gute Regelung sein wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie werden den Frauen auch erklären müssen, woher Sie das Recht, woher Sie den Mumm nehmen, Frauen, Frauen in bedeutenden Positionen, in welche sie gewählt wurden – zum Beispiel Vizekanzlerin, Ministerinnen –, herabzuwürdigen. Ich will jetzt hier gar keine Zitate bringen, lesen Sie es nach. In unseren Postfächern lag eine Frauenzeitung, nicht die Letztausgabe, die vorletzte Ausgabe war es. Und es ist meiner Ansicht nach bezeichnend gewesen: Alle neuen Kolleginnen von den Regierungsparteien, die befragt wurden, haben sich wirklich bemüht, objektive Antworten zu geben. Die Frauen der Oppositionspartei hingegen haben derart untergriffig argumentiert, dass ich mich als Frau hiefür genieren muss! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe eine Redezeit von zehn Minuten, und die vergehen sehr schnell. Was wir wollen, ist: mehr soziale Gerechtigkeit, Hürden abbauen, Diskriminierungen abbauen und eine stärkere Unterstützung der Frauen in allen Lebensphasen, einen besseren Zugang zu Bildung und Ausbildung – da hat sich viel verändert –, eine Verbesserung des Wiedereinstieges. Die Familiensteuerreform – das ist heute schon erwähnt worden – ist ein ganz wichtiger Faktor zur Unterstützung der Frauen in der Familienphase. Mit dem Kinderbetreuungsgeld wird für mehr Gerechtigkeit gesorgt. 11 Prozent der Mütter, die bislang diskriminiert waren, werden davon profitieren. Wir werden über flexible Arbeitszeiten reden


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müssen; ebenso über eine Verbesserung der Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Dafür ist Bundesminister Bartenstein ein Garant.

Ich lade Sie ein: Setzen Sie all Ihre Energien, die Sie haben, nicht für negative Dinge, nicht gegen etwas ein, wie zum Beispiel den "Rabenmütter-Tag" – ich fühle mich in der Frauenpolitik ja um 20 Jahre zurückversetzt, diese Diskussion Mütter gegen Mütter ist vorbei –, sondern setzen Sie sie positiv ein für eine gemeinsame positive Gestaltung der Zukunft der Frauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Jäger zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.33

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Bauer behauptete, dass die beiden SP-Bundesgeschäftsführerinnen nur die Hälfte von dem verdienen, was Bundesgeschäftsführer Rudas verdient hat. – Das ist insofern unrichtig (Abg. Dr. Fekter: Sie verdienen noch weniger!), als in der SPÖ gilt: Wenn jemand Mandatsträger ist, dann wird das in die Gehälter einberechnet. – Beide Bundesgeschäftsführerinnen sind Mandatsträgerinnen hier im Nationalrat! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Rudas hat aber kein Mandat gehabt! – Abg. Böhacker: Das war eine tatsächliche Bestätigung!)

12.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten. – Bitte. (Abg. Eder  – in Richtung ÖVP –: Der Koalitionspartner ist auch nicht da! Wo ist denn der Westenthaler? – Abg. Edlinger: Der ist auf dem Fußballplatz! – Abg. Dr. Fekter: Wo ist der Herr Gusenbauer? – Abg. Dr. Khol: Beim Gruselmärchen!)

12.35

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Herr Präsident des Rechnungshofes – der zwar gerade nicht da ist! Ausgerechnet Kollege Trattner hat Frau Abgeordneter Petrovic beziehungsweise Rednern der grünen Fraktion und ebenso der sozialdemokratischen Fraktion vorgeworfen, sie hätten nicht zum Budget gesprochen. – Das ist ungeheuerlich!

Es blieb Khol und Westenthaler vorbehalten, sich hier zum Rednerpult zu stellen und zum einen die mittlerweile unerträglichen "Schulterschluss"-Parolen zu verkünden und zum anderen, in gewohnter Manier, Verschwörungstheorien – in Westenthalers Diktion –, "Vernaderungstheorien" zu wälzen. (Beifall bei den Grünen.)  – Das war der Auftakt zur Budgetdebatte von Blau und Schwarz. Das sollte einmal festgehalten werden für das Protokoll. Kostelka und Petrovic haben zur Sache gesprochen, was ja eingefordert wurde. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)  Mit der ÖVP beschäftigen wir uns anschließend.

Er hat weiters ein paar unserer Kritikpunkte an dieser Regierungsvorlage betreffend das Budget angesprochen. Dieses unser Verhalten sei ganz schnell erklärt: Die Haltung, die die Regierung an den Tag legt und die sie auch in dem Budgetwerk zum Ausdruck bringt – die nächsten Budgets werden wahrscheinlich noch schlimmer werden –, ist sowieso unökologisch, aber vor allem unsozial. Diese Budgetvorlage ist einfach unsozial!

Zum Teil hat es das schon unter sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung gegeben, das wollen wir an dieser Stelle ja nicht ganz vergessen, aber jetzt wird ganz offensichtlich eine Phase eingeleitet, in der von unten nach oben umverteilt wird. – Das soll einfach in dieser simplen Diktion festgehalten werden. Und das sagen ja nicht nur wir, sondern das haben auch die Experten im Budgethearing gemacht, und zwar nicht etwa bloß jene, die von der sozialdemokratischen oder von der grünen Fraktion nominiert worden sind. Nein: Auch der Budgetexperte, der von der ÖVP-Fraktion nominiert wurde, hat festgestellt, dass bestimmte steuerliche Änderungsmaßnahmen ganz eindeutig eine regressive Verteilungswirkung erzielen, sprich: Umverteilung von unten nach oben!


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No na net! – Schon im ersten Semester wird gelehrt: Wenn man indirekte Steuern erhöht, so trifft das einfach die Minderbegüterten stärker als jene mit höheren Einkommen und höherem Vermögen. Das ist ja ganz klar, relativ zumindest, wie sollte es denn anders sein!

Für diese und ähnliche Feststellungen seitens des Wifo gibt es einen Rüffel, der seinesgleichen sucht – einen Rüffel, der seinesgleichen sucht! Damit kommen wir zum eigentlichen Punkt. – Es ist ja in der Tat schwierig, bei dieser Budgetdebatte nicht auch auf die wirklichen Probleme in dieser Republik, nämlich auf jene, die diese Bundesregierung verursacht, einzugehen.

Tatsächlich ist es meines Wissens jedenfalls das erste Mal, dass in derart ungenierter Art und Weise von der Regierung auf ein an sich unabhängiges Wirtschaftsforschungsinstitut Druck ausgeübt wurde. Und das steht einfach synonym, stellvertretend dafür, dass diese blau-schwarze Regierung zentrale Institutionen in unserer Republik aushebeln will – ein paar Tage nach ihrer Machtübernahme! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es hätte einen ja nicht wundern müssen, dass eine blau-schwarze Regierung, eine rechtskonservative, eine solche Politik macht, aber was schon beängstigend ist – und ich stehe nicht an, das an dieser Stelle vorläufig zuzugeben –, ist die Geschwindigkeit, in der Sie mittlerweile Ihre Attacken reiten. Da haben Sie jedes Maß für die Ausgewogenheit in der Sache selbst und auch für die Gepflogenheiten in der politischen Auseinandersetzung, die bisher in unserem Lande geherrscht haben, verloren. Und das ist einfach auch in der Innenpolitik eine völlig neue Situation, die Sie, Herr Bundeskanzler, ganz eindeutig mitzuverantworten haben.

Jedenfalls geht es meines Erachtens an die Grenze zur Unerträglichkeit, wie hier im Hohen Hause die Debatten gerade von Khol und Westenthaler einerseits inszeniert und andererseits bestimmte Verhaltensweisen geradezu eingepeitscht werden. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, mich daran erinnern zu können, dass mehrmals – gut fünf bis sieben Mal – bei allen möglichen passenden, meistens jedoch unpassenden Gelegenheiten, Standing Ovations von den Vertretern der beiden Regierungsparteien gespendet wurden. So zwischendurch ist das ja okay, möchte man meinen, politische Rhetorik, politische Inszenierung okay, aber wann und wie Sie das jeweils tun, in welcher Form, ist wirklich beängstigend. Sollte Westenthaler, wie vermutet, zwischendurch im Stadion sitzen, so fürchte ich die nächste Inszenierung: Es wird so sein, dass Sie hier die "Welle" proben. Die "Welle" wird wie in den Fußballstadien geprobt, wenn eben irgendjemand von der Regierung irgendetwas sagt, was gerade wieder passt. Und das ist einfach eine Unkultur, die Sie hier hereingeschleppt haben. Das ist eine Unkultur! (Beifall bei den Grünen.)

Nächster Punkt: Die Regierungsfraktionen haben die heutige Budgetdebatte wieder mit dieser leidigen Schulter-Schließen-Forderung begonnen. Dazu möchte ich sagen: Es ist einfach infam, sich hinzustellen, ständig einen "Schulterschluss" zu verlangen, aber selbst in der politischen Physiognomie nicht das notwendige Rückgrat aufzubringen, bestimmte Dinge zurückzuweisen. Da spreche ich vor allem – von der "F" rede ich gar nicht mehr in diesem Zusammenhang – die ÖVP-Fraktion an. Ich appelliere – zumindest an die wenigen, die jetzt da sind – an die Abgeordneten von der ÖVP, ein Mindestmaß an Rückgrat aufzubringen und bestimmten Verhaltensweisen der "F" einfach entgegenzutreten. Das wird notwendig sein, wenn Sie sich den letzten Rest an Glaubwürdigkeit, den Sie vielleicht noch besitzen, erhalten wollen. – Tun Sie das aber nicht, machen Sie sich mitschuldig an der Verschlechterung des Klimas hier im Hohen Hause und in unserer Republik.

Ich beziehe mich jetzt auf Westenthaler, der meinte, dass die Aktion von Frau Haidlmayr in der letzten Plenarsitzung eine "beispiellose Attacke" auf Parlament, Republik und Demokratie gewesen sei. Und somit bin ich schon beim nächsten Punkt. Was sich hier hinter den Kulissen abspielt, bedarf auch einmal einer prophylaktischen Feststellung.

Es wird kolportiert, und zwar von den Vertretern der Regierungsfraktionen, dass Frau Abgeordnete Haidlmayr quasi ohne eigenen Willen, ohne eigenes politisches Wollen zu dieser Aktion – "angehalten" ist fast ein zu milder Ausdruck – genötigt worden sei. Es wird kolportiert, sie sei vom Abgeordnetem Pilz für diese Aktion instrumentalisiert worden und es hätte ihr hiefür an


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eigenem Willen gefehlt. – Ich sage Ihnen: Das ist das Letzte, das ich hier jemals gehört habe! (Beifall bei den Grünen.)

Ich sage es hier und jetzt – vielleicht ist diese Kampagne im Hintergrund noch zu stoppen –: Fest steht, dass Frau Haidlmayr selbstverständlich aus eigener Überzeugung heraus so gehandelt hat! (Zwischenruf des Abg. Wattaul. ) Ihre Aktion war – zugegeben! – nicht im Sinne der Geschäftsordnung. Das ist richtig, das hat auch niemand bestritten. Wir haben Sie aber auch herzlich dazu eingeladen, einmal kurz darüber nachzudenken, wie eine adäquate Reaktion auf Ihre Vorgangsweise, nämlich die Regierungsvorlage zur Zivildienstgesetz-Novelle derart durchzupeitschen, aussehen könnte. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wattaul. )  – Sie könnten sich heute noch die Anmerkung des Klubobmannes Van der Bellen ein bisschen zu Herzen nehmen und wenigstens ein paar Minuten meditieren, Herr Kollege, bevor Sie hysterisch dazwischenrufen. Das ist einfach keine Kultur, was Sie hier verbreiten.

Ich halte außerdem fest, dass es dabei nicht um eine Blockade gegen die Republik gegangen ist. Ich zitiere Herrn Präsidenten Prinzhorn, der zurzeit auch wieder "präsidiert", der gesagt hat, dass er sich mit Form und Inhalt der Aktion der Frau Haidlmayr durchaus identifizieren kann. (Abg. Dr. Ofner: Ich habe das nicht gehört, Herr Abgeordneter!)  – "Kronen-Zeitung" vom nächsten Tag! – Ich muss Herrn Präsidenten Prinzhorn zugestehen – ich stehe wirklich nicht an, das zuzugeben –, dass er in dieser Situation sehr umsichtig reagiert hat. Wir sollten doch alle so vernünftig sein und anlässlich einer derartigen Aktion einer Abgeordneten, die klarer Ausdruck ihrer Besorgnis war, nicht den "Untergang der Republik" herbeipredigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich darf kurz das Thema wechseln, weil ich mich heute nicht mehr zu Wort melden werde, und kurz auf das Kapitel Rechnungshof eingehen. Ich werde nur einen Sachverhalt strapazieren, der gerade im Zusammenhang mit der Budget- und Ressourcenausstattung des Rechnungshofes von großer Relevanz ist.

Vor genau drei Jahren wurde hier im Hause das Bezügebegrenzungsgesetz beschlossen – gegen die Stimmen der "F", aber mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen, also auch mit jenen der ÖVP –, das vieles vorsieht, unter anderem in zum Teil Verfassungsbestimmungen, dass die Gehälter der Funktionäre einerseits und Spitzenmanager andererseits bestimmter Institutionen, nämlich jener, die entweder direkt öffentliche Körperschaften sind, oder jedenfalls jener Firmen, die auch zur Mehrheit im öffentlichen Eigentum stehen, offengelegt werden. Dabei handelt es sich um Verfassungsbestimmungen.

Und akkurat die Wirtschaftskammer, Herr Kollege Stummvoll, macht sich zum Vorreiter der Verfassungsbrecherei, indem sie sich weigert, diese Gehaltslisten offenzulegen. Das wurde vor Kurzem offiziell via "APA" verkündet, und das scheint mir insofern bemerkenswert zu sein, als gerade die Regierungsfraktionen keine Gelegenheit auslassen, bei der Arbeiterkammer angebliche oder teilweise tatsächliche, jedenfalls weit überzogene, wie wir meinen, Privilegien zu strapazieren, die Arbeiterkammer da vorzuführen, um sie madig zu machen, um Ihr Projekt, dass zentrale Institutionen dieser Republik einfach so mir nix, dir nix zerschlagen werden können, aufzubereiten, sodass in der Folge umso leichter durchgesetzt werden kann, dass die Umlagen für die Arbeiterkammer – ausgerechnet nur für diese – reduziert werden.

Neben dieser so genannten Privilegien-Debatte in Bezug auf die Arbeiterkammer-Präsidenten übersehen Sie völlig, was die Wirtschaftskammer tut und treibt. Diese ruft einfach zum Verfassungsbruch auf. Es wäre wirklich ganz nett, wenn Herr Kollege Khol zumindest jene Funktionäre der Wirtschaftskammer, die ÖVP-Mitglieder sind, wieder schleunigst unter den "Verfassungsbogen" treiben würde. Das wäre sehr hilfreich auch für den Rechnungshof.

Zum Schluss kommend: Das Ganze kostet nämlich einen Haufen Geld. Das Gesetz sieht nämlich vor, dass dann, wenn diese Listen nicht freiwillig dem Rechnungshof übermittelt werden, der Rechnungshof Nachschau halten muss; nicht soll, nicht kann, nicht vielleicht darf, sondern muss. Stellen Sie sich nun vor, wenn dieses Beispiel, das die Wirtschaftskammer setzt, Schule macht und all die zirka 5 000 oder mehr Körperschaften, um die es dabei geht, die Auskunft


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verweigern, wenn die Heerscharen des Rechnungshofs, die Beamten, nichts anderes mehr zu tun hätten, als Nachschau zu halten, wer wie viel verdient, um dem Gesetz Folge zu leisten!

Herr Stummvoll! Ich fordere Sie wirklich auf: Machen Sie diesem Schauspiel ein Ende! Wirken Sie ein auf Ihre Leute und unterlassen Sie es, bei der Arbeiterkammer "herumzudoktern", zumal Sie doch genug schwarze Schafe in Ihren eigenen Reihen haben! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

12.47

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Sie soeben gehört haben, hat mein Vorredner, Herr Kollege Kogler, hier die Behauptung aufgestellt, die Wirtschaftskammer würde zum "Verfassungsbruch" aufrufen. – Diese Behauptung ist unrichtig!

Wahr ist vielmehr, dass Mitarbeiter der Wirtschaftskammer bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragt und Recht bekommen haben, dass ihre Daten nicht veröffentlicht werden dürfen. Wir leben in einem Rechtsstaat. Ich bin an diese Entscheidung des Gerichtes so lange gebunden, bevor nicht eine höhere Instanz diese Entscheidung aufhebt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.48

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich darf zunächst zwei Sätze zu den Ausführungen des Abgeordneten Kogler sagen. Wer das Jahr 1934 erlebt hat, ist sehr empfindlich, wenn es um Spielereien mit dem Rednerpult hier im Hohen Hause geht, meine Damen und Herren, denn mit solchen und ähnlichen Spielchen wird man daran erinnert, dass über die Ausschaltung, über die Lahmlegung des Parlaments einmal der Bürgerkrieg begonnen, Standgericht verhängt wurde, Hinrichtungen stattgefunden haben und die Demokratie beendet war. Da sind wir Älteren sehr empfindlich. Das bitte ich, zur Kenntnis zu nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Lichtenberger: Und was unterstellen Sie der Frau Haidlmayr?!)

Herr Präsident Prinzhorn hat sehr bedächtig und bedachtvoll reagiert – da hat er Recht, der Herr Vorredner –, und zwar insofern, als er hat weiterreden lassen. Hätte er nämlich das getan, was man sich offensichtlich gewünscht hat – unterbrechen, vertagen und Ähnliches –, dann wäre das ein schlechtes, ein falsches Signal gewesen. Wir haben gelernt aus der Geschichte. Wir müssen davon ausgehen: Diese gesetzgebende Körperschaft, mit dem wichtigsten Rednerpult der Republik, wie Ermacora es in seiner Abschiedsrede genannt hat, lässt sich nicht behindern und lässt sich nicht unterbrechen. Da kann man noch so sehr Böses in diese Richtung vorhaben wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte mich auch mit den Ausführungen einer anderen Vorrednerin auseinander setzen, nämlich mit denen der Frau Abgeordneten Stoisits, weil ich – das wird den einen oder anderen überraschen – in vieler Hinsicht einer Meinung mit dem bin, was sie hier heute erklärt hat.

Kollegin Stoisits hat nämlich erklärt, alle Verbrechen des Nationalsozialismus sind entsprechend zu sühnen. Alle Opfer dieser Verbrechen, die direkten und die indirekten, sind nach Möglichkeit schadlos zu halten, und das alles muss rasch geschehen, denn sonst leben diese Menschen alle miteinander nicht mehr.

Ich glaube, dass wir Österreicher in diesem Zusammenhang erfreulicherweise weiter vorne sind als andere Staaten, vor allem in unserer Nachbarschaft. Wir sind es, die die Verbrechen inner


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halb unserer Grenzen, soweit sie bekannt geworden sind, offen auf den Tisch gelegt haben, die sich bemüht haben, die Täter zu bestrafen, und die erklärt haben, dass Verbrechen Verbrechen sind und dass die Opfer entschädigt werden müssen.

Ich vermisse ähnliche Vorgangsweisen in einer Reihe von Nachbarstaaten. Bei Nachbarstaaten tut man zum Teil so, als ob man diesbezüglich auf beiden Ohren überhaupt nichts hören würde. In anderen Staaten erklärt man: Bei uns hat es niemals Verbrechen gegeben, überall anders schon! Und dann gibt es noch jene Staaten wie etwa der unmittelbare nördliche Nachbar der Republik Österreich, der erklärt: Das hat es schon alles gegeben, aber es war gut so! Die Vertreibung von 3,5 Millionen Menschen, das Umbringen einer Viertelmillion dieser Menschen bei dieser Gelegenheit, war richtig, und eigentlich müsse man sich im positiven Sinne zu den Dingen bekennen.

Aber ich bin nicht ganz jung, ich habe mir gestern ausgerechnet, von der Schlacht von Königgrätz 1866 bis zu meiner Geburt ist ungefähr so viel Zeit verstrichen wie vom Jahr 1938, der Okkupation Österreichs durch das damalige Deutsche Reich, bis jetzt. Nur damit man die historischen Dimensionen sieht. Wenn man den Fernseher aufdreht, hat man manchmal den Eindruck, die grässlichen Morde des Nationalsozialismus seien gestern passiert, und wenn man geschwind die Tür aufmacht, dann erwischt man noch den Nachbarn, wie er mit bluttriefenden Händen bei seiner Tür hereinhuscht. Das ist alles so weit zurück wie die Schlacht von Königgrätz bis zu meiner Geburt – nur damit man die historische Dimension vor Augen hat.

Im Zusammenhang mit der Problematik der "Arisierung" und der Wiedergutmachung bin ich allerdings anderer Ansicht als meine Vorrednerin Stoisits. Wenn sie den Standpunkt vertreten hat, dass in Österreich diesbezüglich noch nichts passiert sei, dann irrt sie. Es hat nach dem Krieg die so genannten Rückstellungskommissionen gegeben, sie haben viele Jahre hindurch friktionsfrei gearbeitet, und zwar im Justizgebäude auf dem Mittersteig. Mit Akribie sind dort die "Arisierungs"-Fälle zusammengetragen worden, und in jenen Fällen, in denen es noch Lebende, dazu in der Lage befindliche und interessierte Opfer gegeben hat, haben diese das, was ihnen weggenommen wurde, zurückbekommen. Und für jene Fälle, in denen es diese Opfer nicht gegeben hat oder man sie nicht hat auftreiben können, diese nicht mehr gelebt haben oder nicht stellig gewesen sind, hat es zwei Sammelstellen gegeben: die Sammelstelle A und die Sammelstelle B.

Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, obwohl ich als ganz junger Spund in diesen Bereichen von der anwaltlichen Komponente her tätig gewesen bin, aber: Diese Sammelstellen haben alles aufgefangen, was dem einzelnen Geschädigten nicht zurückgegeben werden konnte, weil dieser entweder nicht mehr gelebt hat oder sich nicht darum kümmern hat wollen oder nicht da gewesen ist oder man ihn nicht erreicht hat.

Das heißt, es ist nichts, was "arisiert" worden ist, was in den Akten vorhanden gewesen ist – und das war in einem akribisch geführten Staat praktisch alles –, dort geblieben, wo es durch die "Arisierung" hingekommen ist. Es hat die Rückstellungskommission dafür gesorgt, dass die Eigentümer es zurückbekommen haben. In den Fällen, wo es diese nicht gegeben hat, haben das die Sammelstellen bekommen.

Wenn man jetzt den Standpunkt vertritt, das war alles nicht recht und nicht richtig, man müsse nachbessern und korrigieren – man kann natürlich in der Demokratie alles wollen –, dann muss man aber schon erkennen, dass man nicht Unrecht bekämpft und wieder gutmachen möchte, das aus der Zeit des Nationalsozialismus und damit eines Unrechts-Regimes stammt, sondern aus der Zeit der Zweiten Republik Österreichs, einer demokratischen Republik mit demokratischen Einrichtungen, mit Richtern an der Spitze der Kommissionen und mit einer gesetzgebenden Körperschaft, die hier herinnen getagt hat und "Nationalrat" geheißen hat wie heute – auf der Basis der damaligen Gesetze. (Abg. Dr. Martin Graf: Unter Aufsicht der Alliierten!)

Man kann sagen, das ist alles nicht richtig gewesen, alles zu wenig, aber man muss erkennen, gegen wen sich diese Kritik richtet: nicht gegen den Nationalsozialismus, sondern gegen die junge Zweite Republik Österreich. Ich sage das nur, denn, wie gesagt, die Schlacht von König


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grätz – Geburt Harald Ofner – das Jahr 2000, das sind zwei ungefähr gleich lange Spannen, und ich kann mich an viele Dinge erinnern.

Die Rückstellungskommission wird dem einen oder anderen von Ihnen oder den meisten nicht einmal dem Namen nach ein Begriff sein. Ich persönlich habe es noch erlebt. (Abg. Kiss: Das ist genau der Punkt!) Das ist der Nachteil der "späten Geburt", dass man nicht weiß, was sich damals ereignet hat. Ich habe den Vorteil der frühen Geburt, ich habe das alles noch miterlebt und weiß daher, wovon ich rede.

Aber jetzt möchte ich noch im Telegrammstil, in vier Sätzen, sagen, was ich ursprünglich unter dem Übertitel Bundeskanzleramt/Budget heute zum Besten geben wollte.

Erstens: Ich stelle fest, dass die Volksgruppen und ihr Schicksal bisher von keinem Redner auch nur mit einem einzigen Wort erwähnt wurden, obwohl diese zu diesem Bereich gehören.

Zweitens: Ich möchte wiederholen, was ich von diesem Rednerpult aus immer wieder erklärt habe, nämlich dass die Freiheitlichen und mit ihnen ihr Volksgruppensprecher Harald Ofner für die Einführung einer Staatszielbestimmung in der Bundesverfassung zum Thema Volksgruppen sind. Ich bin nur nicht ganz begeistert von den Textvorschlägen, die es dazu bisher gibt, aber immer wieder und auch heute wieder bekenne ich mich dazu und erkläre das. Und soviel ich weiß, ist das ein allgemeines Bekenntnis auf Seiten der Bundesregierung.

Drittens: Mich hat jemand angemailt, wie man heute sagt, und mich gefragt, ob wir uns heute, da wir in der Regierung sind, auch noch dazu bekennen, was wir Freiheitlichen auch von hier aus erklärt haben – ich glaube, auch die ÖVP –, nämlich dass wir auf dem Volksgruppensektor sehr wohl mit der Einführung eines Viril-Mandates für die Volksgruppen oder ihre Angehörigen in dem einen oder anderen Landtag leben könnten. – Ich kann dazu nur sagen: Ja! Die Freiheitlichen und ich, wir sind dafür. Wenn wir einen Modus ausarbeiten, mit dem sichergestellt ist, dass immer ein Angehöriger der maßgeblichen Landtage ein Volksgruppen-Angehöriger ist, dann werden wir unsere Stimme dafür zur Verfügung stellen.

Ich darf in Erinnerung rufen, dass man endlich auch mit den Ortstafeln im Burgenland weiterkommt, soweit ich das habe beobachten können. Jahrzehnte hindurch hat man nur darüber geredet, maßgebliche Volksgruppen-Vertreter aus einer ganz bestimmten Ecke haben gesagt, das wollen wir alles gar nicht, denn wir wollen nichts als Deutsche sein und werden: die sogenannte "Robak-Methode" war das. Aber heute ist man weiter, und die Ortstafeln werden kommen, und das wird diese von mancher Seite her so scheel betrachtete Bundesregierung entsprechend herbeigeführt und sichergestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Binder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.57

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Kollege Ofner, die Rednerliste dazu ist ja noch relativ lang, und ich bin überzeugt davon, dass Kollege Posch gerade auf das von Ihnen angeschnittene Thema noch eingehen wird. (Abg. Dr. Ofner: Er wird es nur nicht wissen! Er wird alles Mögliche sagen, aber er wird es nicht erlebt haben!) – Er wird es nicht erlebt haben, aber er weiß schon, wovon er spricht.

Ich möchte mich dem Kapitel 06: Rechnungshof zuwenden und zu allererst Ihnen, Herr Präsident, und vor allen Dingen auch Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlichen Dank im Namen meiner Fraktion für die Qualität der Berichte und für Ihre Arbeit aussprechen. Ich bitte Sie, diesen Dank auch an Ihr Haus weiterzuleiten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Das Budget 2000 sieht für den Rechnungshof 315 Millionen Schilling vor; eine geringfügige Erhöhung ist feststellbar. Die Prüftätigkeit des Rechnungshofes, meine Damen und Herren, ist sehr umfassend und vielseitig und gibt Einblick in die unterschiedlichsten Themenbereiche. Einige Punkte, die mir wichtig und die auch aktuell sind, möchte ich jetzt herausstreichen.

Zum einen die Frage der Reaktion der geprüften Stellen oder Einrichtungen auf Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge des Rechnungshofes. Ich denke, es wäre eine logische Konsequenz, auf diese Prüfberichte zu reagieren.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Prüfbericht zum Konsolidierungspaket hinweisen, dessen Einhaltung vom Rechnungshof geprüft wurde. Die zwei größten Kritikpunkte in diesem Zusammenhang waren die enormen Überziehungen im Bereich Bildung – ich denke, das Schlagwort "Landeslehrer" genügt – und auch im Bereich Landesverteidigung.

Da stelle ich mir die Frage: Inwieweit gibt es gerade zu diesen beiden Punkten langfristige Überlegungen, um einerseits diese Kostenexplosionen in den Griff zu bekommen und andererseits den Empfehlungen des Rechnungshofes entgegenzukommen?

Meine Schlussfolgerung, meine Damen und Herren, dazu ist, dass dieses Budget weiterhin ganz offensichtlich nicht Spar-, sondern Belastungsziele hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt, der mich interessiert, Herr Präsident, ist die weitere Vorgangsweise hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Auftrages des Rechnungshofs, laut Bezügegesetz einen Einkommensbericht zu erstellen. Wörtlich meinten Sie dazu im Ausschuss – worüber wir schon diskutiert haben –: Diese überprüfbare Gruppe kann man in drei Bereiche einteilen: in jene, die eine öffentliche Meldung abgegeben haben, in jene, die sich anonym gemeldet haben, und in jene, die sich "tot" gestellt haben.

Ich denke, zur Meldepflicht gibt es unterschiedliche Positionen. Herr Präsident! Meine Fragen diesbezüglich sind: Inwieweit konnten die Daten durch die von Ihnen gesetzte Nachfrist eingeholt werden? Oder stellen sich manche noch immer "tot"? Werden Sie und Ihre Mitarbeiter das Recht auf Einschau in Anspruch nehmen?

In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich auch die Frage, ob die nötige Kapazität an Mitarbeitern und Personal in Ihrem Hause ausreichend dafür zur Verfügung gestellt ist. Es stellt sich aber auch die Frage, ob sich die Verweigerung der Offenlegung der Bezüge auch auf andere, "normale" Prüftätigkeiten auswirken könnte und sozusagen Folgewirkungen auf andere überprüfte Stellen, Einrichtungen und so weiter haben könnte.

Ein Punkt, der mir auch noch wichtig erscheint, ist die hervorragende Zusammenarbeit des österreichischen Rechnungshofes mit dem Europäischen Rechnungshof. Die Vereinigung des internationalen Rechnungshofes wurde ja von Österreich initiiert. Diese gemeinsamen Teams, diese gemeinsame Arbeit sind sicherlich noch weiterzuentwickeln und vor allen Dingen auch innerhalb der EU-Mitgliedstaaten zu forcieren. Dadurch kann der effiziente Einsatz der EU-Mittel in Zukunft weiter gewährleistet werden.

Der letzte Punkt, meine Damen und Herren, betrifft etwas, was mir persönlich sehr am Herzen liegt; wir haben darüber auch schon diskutiert. Die Prüfberichte beziehen sich auch auf Aufträge des Bundes an verschiedenste Firmen. In diesem Zusammenhang werden vor allen Dingen die Einhaltung der Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und die Einhaltung fairer Wettbewerbsbedingungen überprüft. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Meiner Meinung nach gehört auch dahin gehend geprüft, wie es mit den arbeitsrechtlichen Bedingungen und der Entlohnung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Firmen ausschaut. Ich meine, dass dies ein wesentlicher Faktor bei einer seriösen Anbotslegung und ein Beitrag zu mehr Kostenwahrheit und Fairness wäre. Diesen Aspekt darf man sicherlich nicht außer Acht lassen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Abschließend: Die Arbeit des Rechnungshofs ist wichtig und notwendig. Die kommenden Berichte, meine Damen und Herren, werden zeigen, ob dieses Budget sozial gerecht und sozial ausgewogen ist oder – ob dieses Budget ein Budget ohne soziale Gerechtigkeit und ohne soziale Ausgewogenheit ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

13.04

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Volksanwalt! Zur Konsolidierung des Staatshaushaltes gibt es keine Alternative. Das ist eine Tatsache, die unumstritten ist: in der Politik, in der Wissenschaft, auch in Europa. Alle Budgetexperten mahnen eine restriktive Ausgabenpolitik und Strukturreformen ein. Die EU-Kommission hat im letzten ECOFIN-Rat Österreich massiv kritisiert, auch kritisiert, dass den letzten deutlichen Empfehlungen der Kommission zur Konsolidierung 1998 nicht gefolgt wurde. Der damals zuständige Bundesminister war Bundesminister Edlinger.

Daher muss es eigentlich politisch unumstritten sein, dass es ein Budget mit Schwerpunktsetzungen geben muss. Umso mehr haben mich heute die Wortmeldungen und die Pauschalurteile von Herrn Klubobmann Kostelka verblüfft, auch jene von Frau Dr. Petrovic und Frau Mag. Stoisits. Herr Klubobmann Kostelka kam zu dem Schluss, dass die Bundesregierung zu wenig und am falschen Platz spare; sie werfe das Geld mit beiden Händen zum Fenster hinaus. (Abg. Schwemlein: Auf die falsche Seite! Nicht beim Fenster hinaus!) Sie bringe das System des sozialen Ausgleichs zum Kippen und habe ein lineares Sparkonzept.

Demgegenüber kommen die Damen der Fraktion der Grünen zu ganz anderen Schlüssen. Sie sagen, es sei eine einseitige ideologische Schwerpunktsetzung feststellbar. – Ja, es handelt sich um eine Schwerpunktsetzung, aber diese ist sicherlich nicht einseitig und auch nicht einseitig ideologisch vorgenommen.

Im heute zu diskutierenden Kapitel werden zum Beispiel die Mittel für die Volksgruppen unverändert gelassen und das Kunstbudget wesentlich weniger gekürzt als die allgemeinen Kürzungsansätze sind. Das ist dann das von Frau Petrovic genannte "Füllhorn" für die eigene Klientel, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist sehr bedauerlich, dass es nicht möglich ist, eine wirklich inhaltliche, konstruktive Auseinandersetzung mit den Oppositionsparteien über diese Schwerpunktsetzungen zu führen. Ich habe mir die Wortmeldungen und die Kritiken der Oppositionsparteien in den Ausschüssen in der "Parlamentskorrespondenz" angeschaut und festgestellt, dass es eigentlich zu jedem Kapitel Kritik gab, Kritik, Ablehnung, vor allem Kritik an den Kürzungen.

Es gab Befürchtungen über Kürzungen im Sportbudget. Das Budget des Innenministeriums, das in den letzten Jahren kontinuierlich angehoben wurde, gab "Anlass zur Besorgnis". Es dürfe zu keinen Kürzungen im Asylbereich kommen. Es müsse zu Erhöhungen im Bereich des Zivildienstes kommen. Kürzungen im Bereich der Ermessensförderung im Landwirtschaftsressort wurden abgelehnt. Kritisch wurden die Kürzungen im Justizbereich gesehen. Die Bewährungshilfe sollte höher dotiert werden. Es dürfe keine "überfallsartige Pensionsreform" geben. Frauenförderungen dürfen nicht gekürzt werden. Kritisch wurde die Kürzung bei der Jugendförderung gesehen.

Eine Wiedereinführung der Heimfahrtbeihilfe wurde diskutiert. Es soll keine Kürzungen im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen, dafür aber eine Förderung der Kleinwasserkraftwerke geben. Es gab Sorge über Kürzungen der Mittel der Arbeitsmarktpolitik, Kritik an Kürzungen im Außenamt, zum Beispiel im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und der Auslandskultur. Es gab Besorgnis über "mangelnde Budgetmittel im Bildungsbereich". Es gab heftige Kritik wegen der Kürzungen im Bereich des Sachaufwandes im universitären Bereich.


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Man ortete eine kritische Budgetsituation beim Bundesheer. Kritisiert wurde die "Rasenmäherkürzung" im öffentlichen Verkehr. Heftige Kritik gab es über "Kürzungen im Kunstbereich".

Dies ist, wie gesagt, nachzulesen in der "Parlamentskorrespondenz". Es gab eigentlich nur Kritik an Budgetkürzungen.

Frau Dr. Petrovic hat uns "selektiven Sparkurs" vorgeworfen und hat unter anderem den Vorwurf erhoben, die Bundesregierung würde eine NATO-Aufrüstung betreiben. – Das hat mich sehr verwirrt, weil ich gelesen habe, dass Oppositionsparteien eine "kritische Budgetsituation" beim Bundesheer gesehen haben.

Ich vermisse bei aller Kritik – irgendwo wenigstens – konstruktive Alternativvorschläge. Offensichtlich – und das tut mir persönlich leid – hat sich die Opposition in politischer Pflichtübungs-Rhetorik geübt. Gerade in der derzeit schwierigen Situation der österreichischen Finanzen wäre es angebracht, gemeinsame Überlegungen der politischen Parteien zur Budgetsanierung anzustellen – das umso mehr, als die größere Oppositionspartei, die Sozialdemokraten, für dieses Erbe im Wesentlichen verantwortlich ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meiner Meinung nach lebt Österreich nicht von den Förderungen, sondern Österreich lebt von der Arbeit und der Innovationskraft seiner Bevölkerung. Und diese muss durch entsprechende Rahmenbedingungen ermöglicht werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Der Staat kann auf Dauer nicht mehr ausgeben als einnehmen, und es wird Zeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, sich dieser Tatsache zu stellen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Regierung hat begonnen, dringende Strukturmaßnahmen in Angriff zu nehmen: eine Pensionsreform, Maßnahmen im Gesundheitssystem und im öffentlichen Sektor, Maßnahmen, die von allen Experten als "unabdingbar" bezeichnet wurden. Ich zitiere in diesem Zusammenhang nur Wirtschaftsprofessor Bernhard Felderer: Ohne Pensionsreform droht das totale Budgetchaos! – Zitatende. Wie wir wissen, hat auch die EU-Kommission diese Reform gefordert. Auch da sind die Reaktionen der Oppositionsparteien lediglich der übliche Ablehnungsreflex. – Ich finde das schade.

Ich wende mich nun ganz kurz dem Kunstbudget zu, das heute hier zur Behandlung steht. Gerade in diesem Bereich glaube ich den erforderlichen Ausgleich zwischen den Anforderungen einer Budgetkonsolidierung und den für die Kunstförderung notwendigen Mitteln zu finden.

Das Kunstbudget im Bundesvoranschlag 2000 beträgt 1,1 Milliarden Schilling gegenüber 1,15 Milliarden Schilling im Jahre 1999. Die ursprünglichen, vom ehemaligen Finanzminister Edlinger vorgesehenen Kürzungen im Ermessensbereich um 20 Prozent, die besonders das Kunstbudget betroffen hätten, konnten verhindert werden. Die Höhe der jetzt vorgesehenen Kürzungen bewegt sich zwischen 6 und 9 Prozent.

Besonders herausstreichen möchte ich den positiven Gedankenansatz des Herrn Staatssekretärs Morak, der diese Kürzungen auch als Reformauftrag sieht. Damit – und das hat mich sehr wohltuend berührt – durchbricht er diesen Denkansatz, der sich in den Budgetberatungen durchgezogen hat, nämlich das Lamento über Kürzungen sowie die auf die Vergangenheit ausgerichtete Betrachtungsweise der Budgetmittel: Was einmal da war, muss auch da sein – etwas anderes gibt es nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn man die entsprechenden Mittel nicht zur Verfügung hat, muss man eben andere Formen der Unterstützung finden und einen innovativen Ansatz wählen, um das angestrebte politische Ziel zu erreichen; und ein zweifellos innovativer und einer langjährigen Forderung der Künstler entsprechender Ansatz ist die von Staatssekretär Morak verhandelte steuerlichen Erleichterung für Künstler. Die Verteilung der Einkünfte auf drei Jahre kommt dem unregelmäßigen Einkommen von Künstlern entgegen und ermöglicht es ihnen, einen ausgeglicheneren Verlauf ihrer Einkünfte zu haben. Weiters macht die Ausweitung der Zuzugsbegünstigung auf Künstler Öster


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reich als Wohnort attraktiver; die Pauschalierung für Künstler erleichtert ihnen außerdem die Steuererklärung sehr wesentlich. Das, meine Damen und Herren, ist ein innovativer Ansatz.

Positiv hervorheben möchte ich weiters die Schwerpunktsetzung des Herrn Bundeskanzlers in seinem Budget, die ja auch als politische Schwerpunktsetzung zu verstehen ist. Die Mittel für die Volksgruppen wurden nämlich nicht gekürzt – dafür in anderen Bereichen –, und das ist positiv hervorzuheben.

Auch im Medienbereich gibt es erfreuliche Aktivitäten. Endlich hat die Bundesregierung das längst überfällige Frequenzgutachten in Auftrag gegeben. Der ehemalige Bundeskanzler Klima hätte das eigentlich längst tun sollen und können. Damit wird geklärt werden, ob und wie die terrestrische Frequenz vergeben werden kann, ohne die Digitalisierung zu verhindern. Es laufen auch Vorarbeiten für eine Medienanstalt, und im Herbst, wenn dies alles abgeschlossen sein und eine gründliche Vorbereitung vorliegen wird, kann eine parlamentarische Diskussion über diese Themen beginnen. Ich hoffe, es wird eine inhaltliche Diskussion sein.

Abschließend: Der vorgelegte Budgetentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Ich bin überzeugt davon, dass die Bundesregierung ihre gut begonnene Arbeit entsprechend weiterführen und gut beenden wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

13.13

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich nehme gerne die Herausforderung an und reagiere kurz auf die Ausführungen meine Vorrednerin, die gemeint hat, dass von Seiten der Opposition ausschließlich Kritik ausgehe, nämlich Kritik in einer Form, die insgesamt ein völlig wirres Bild ergebe, und dass keine konstruktiven Vorschläge zur Budgetsituation gekommen wären.

In zwei Punkten möchte ich kurz darauf eingehen, bevor ich zu meinem eigentlichen Themenbereich, nämlich dem Kunstbudget komme.

Punkt eins: Von der Vorgangsweise, vom Tempo, vom Achten der Opposition und der oppositionellen Rechte, von der Demokratie innerhalb des Parlamentes her waren die letzten Wochen sicherlich kein Höhepunkt. Es gab dazu einige Beispiele in der Vergangenheit (Zwischenruf des Abg. Jung ), Stichwort: Zivildienstgesetz-Novelle, auf Grund derer man als Oppositionspartei wirklich um die Demokratie im Parlament Sorge haben musste. Anträge wurden fünf Minuten vor Sitzungsende eingebracht, diese wurden nur fünf Minuten lang diskutiert, dann wurde sofort abgestimmt. Das ist kein Klima, in dem man wirklich konstruktive Vorschläge machen und diskutieren kann. Wir Grüne haben dennoch konstruktive Vorschläge gemacht.

Punkt zwei: Ich möchte nur noch einmal kurz zusammenfassen, was von Seiten der Grünen in Richtung Budgetkonsolidierung an Punkten vorgeschlagen wurde. Da kam jedenfalls der Vorschlag für eine Finanzausgleichsreform. Es gibt unser Konzept der ökologischen Steuerreform, welche wir schon seit Jahren propagieren, die auch sehr positive Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsituation haben könnte; über 70 000 Arbeitsplätze könnten so in Österreich geschaffen werden. Wir haben auch durchaus eingestanden, dass im Bereich der Wohnbauförderung über das Ausmaß diskutiert werden muss.

Unser Gesundheitssprecher Kurt Grünewald hat für den Spitalbereich eine sehr überzeugende Reform, eine inhaltlich sehr überzeugende Reform vorgelegt, bei der eine sehr hohe Kosteneffizienz möglich wäre. Wir haben auch gemeint, es wäre doch einmal notwendig, sich den gesamten Bereich des Steuerrechts anzuschauen, in dem – Stichwort: Stiftungen – 400 Milliarden Schilling steuerbefreit vor sich hinakkumulieren. (Beifall bei den Grünen.)


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Ich denke, diese beiden Punkte, und zwar das bestehende Klima und der Mangel an Bereitschaft zur Zusammenarbeit der Regierungsparteien, sind erwähnenswert. Ich persönlich habe Situationen erlebt, in denen man mir sagte: Das hat doch überhaupt keinen Sinn, da brauchen Sie keinen Antrag einzubringen. Es ist ohnehin schon alles fix. – Solche Vorkommnisse sind keine Voraussetzung für konstruktive parlamentarische Arbeit.

Drittens: Die Kollegin Vorrednerin hat gemeint, das Kunstbudget sei nicht beziehungsweise nur unverhältnismäßig gekürzt worden. Das ist solch ein Bereich, bei dem der Satz oder die Behauptung, es trifft alle gleich, wirklich ad absurdum geführt wird, denn es trifft einige so gleich, dass ihre Existenz bedroht und vernichtet wird. (Abg. Großruck: Wo denn?) Jene, die es jetzt existenzbedrohend- und vernichtend trifft, sind es wert, hier auch angeführt zu werden, weil sie sichtlich vergessen werden. Es gibt eine schleichende Repression. Es ist ein leiser Tod von sehr vielen Einrichtungen, Institutionen, Kulturinitiativen, die Arbeiten leisten, die heute mit keinem Wort erwähnt wurden oder derer gedacht wurde. (Abg. Großruck: Das sind nur Gemeinplätze! ... auf den Tisch!)

Kunst-Staatssekretär Morak hat angedeutet respektive sehr fest behauptet, dass die Kunst, dieser extrem wichtige Bereich, in dem die kreative Ressource dieser Gesellschaft für die nächsten Generationen vorbereitet wird, von Kürzungen weitgehend verschont bleiben wird, und er hat, da er sichtlich in der Kunst der schönen Worte geschult ist, auch geschönte Zahlen verwendet. Es ist nämlich nicht so, dass dieser Bereich weniger an Reduktion zu verzeichnen hat, sondern im Gegenteil: Es gibt da eine Reduktion, die jenseits der 10-Prozent-Grenze liegt, die manche Bereiche so überdimensional trifft, dass deren Existenz bedroht ist.

Einige Beispiele möchte ich herausgreifen, weil in diesem Bereich hervorragende Leistungen, die auch international gewürdigt werden, erbracht werden: zum Beispiel die österreichische Filmwirtschaft. Sogar im Regierungsübereinkommen ist der Schwerpunkt Film verankert. Der Schwerpunkt Film, der Filmstandort Österreich, all das, was am Rande des ökonomischen Bereiches schon passiert ist, all das, was in den letzten beiden Jahren an Auszeichnungen gewonnen werden konnte – ich erinnere nur an die Biennale in Venedig oder an die Viennale; Barbara Albert erhielt einen Preis –, all das sind internationale Auszeichnungen in einem Sektor, der in Österreich auf unglaublich kreativer Ressource beziehungsweise auf sehr großer Kreativität aufbaut.

In diesem Bereich gibt es eine Kürzung von 40 Prozent. 40 Prozent! Das bedeutet, dass der weltberühmte österreichische Dokumentarfilm, dass all das, was an Kurzfilmen, an avancierten Projekten vorhanden ist, in Zukunft nicht mehr möglich sein wird. Ein Projekt wie "Nordrand" von Barbara Albert wird unter den Voraussetzungen, wie sie jetzt fixiert wurden, in Österreich nicht mehr durchführbar sein. Das sind die existenzbedrohenden Punkte, von denen ich gesprochen habe, das ist der Punkt, von dem man sagen kann: Es trifft alle so gleich, dass manche sogar in ihrer Existenz bedroht sind. (Beifall bei den Grünen.)

Das Thema Medienpolitik ist bereits angeschnitten worden. Vom Konkurs bedroht sind auch die erst vor kurzem auf Sendung gegangenen Freien Radios. Es ist ja nicht so, dass wir in Österreich eine Medienszene hätten, eine Medienvielfalt, die international vorbildlich wäre. Im Gegenteil: Wir haben eine recht karge, recht dürftige Medienlandschaft; und jedes zusätzliche Projekt, das ein Mehr an kritischer Öffentlichkeit bringt, ist zu unterstützen. Die Freien Radios, die insgesamt lächerliche 7 Millionen Schilling zum Überleben bräuchten, werden, wie es jetzt aussieht, keinen Schilling mehr bekommen. Das bedeutet, dass diese ambitionierten Projekte, die erst vor kurzem ans Netz gegangen sind, seitens des Bundes nicht mehr gefördert werden.

Bemerkenswert ist auch die zynische Bemerkung des Herrn Kunst-Staatssekretärs Morak, diese nicht kommerziellen Radios mögen doch Werbezeiten verkaufen. – Sie mögen Werbezeiten verkaufen und damit genau dem Grundsatz unterliegen, dass das Herstellen einer kritischen Öffentlichkeit, einer unabhängigen Öffentlichkeit, unabhängig sowohl von Politik als auch von der Wirtschaft, nicht mehr möglich ist.


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Ich möchte aber noch kurz daran erinnern, dass es in Österreich über 400 Kulturinitiativen gibt. Von diesen 400 Kulturinitiativen wissen die wenigsten, wie es in Zukunft weitergehen wird und ob es sie künftig überhaupt noch geben wird. Es ist anzunehmen, dass vor allem die Skepsis gegenüber und der Widerstand gegen die schwarz-blaue Regierung, die in diesen Kulturinitiativen überproportional vorherrschten, auch dazu geführt haben, dass es in diesem Bereich keine weiteren Subventionen mehr geben wird.

Nun zur Größenordnung: Es geht hier nicht um Budgetsanierung, es geht hier nicht um Summen, die in irgendeiner Weise relevant wären. Es geht hier um ein Tausendstel des Budgets: Das ist das Kunstbudget inklusive der großen Bundestheater und der großen Museen. Das ist eine minimale Ausgabe. Hiebei geht es um politische Wertschätzung und um Prioritätensetzung. Und das Budget hat in diesem Fall eine sehr klare Priorität: All das, was an freien, nicht kommerziellen, kritischen öffentlichkeitsschaffenden Medien sowie Kunst- und Kultureinrichtungen in Österreich in den letzten Jahren zumindest seine Existenzberechtigung hatte, soll dies in Zukunft nicht mehr haben. Das ist die Antwort der Regierung auf die Kritik der Künstlerinnen, Künstler und Kulturschaffenden an dieser Regierung. Und das ist ein Würgegriff!

Abschließend möchte ich sagen, dass wir Grünen für diese Gruppen, die weiterarbeiten werden, auch weiterhin eine Anwaltsrolle einnehmen werden, selbst wenn sie nicht mehr existieren können und keine Budgets mehr für ihr kulturelles Schaffen zur Verfügung haben. Das ist ein Punkt, der nicht mehr reversibel ist. Ist einmal eine kreative Öffentlichkeit in Österreich ausgelöscht – das hatten wir auch schon einmal –, dann ist diese nicht mehr leicht wiederherstellbar. Ich bitte Sie, das zu bedenken.

Ich bin auch gerne bereit dazu, konstruktive Vorschläge in dieser Richtung zu machen. In Richtung meiner Vorrednerin noch einmal: Es geht nicht um billige polemische Kritik, es geht hier um viele, viele Menschen, die ihre Kreativität für die Zukunft, für die künftigen Generationen einsetzen möchten und die jetzt daran gehindert werden, weil sie es "gewagt" haben, sich einer schwarz-blauen Regierung gegenüber kritisch zu äußern. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Cap. )

13.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster hat sich Herr Staatssekretär Morak zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.22

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Meine Damen und Herren! Liebe noch hier Verbliebene! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Ich möchte nach Worten wie "Würgegriff", die hier gefallen sind, und dass wir quasi die Kunst in den Würgegriff nähmen, etwas sachlicher werden und kurz die Grundsätze dieser Regierung in der Kulturpolitik darstellen.

Lassen Sie mich kurz geschichtlich werden. Das Kunstbudget 2000 beträgt genau 1,1 Milliarden Schilling. Und jetzt sage ich auch dazu: Das ist ein Zwanzigstel des Kunstbudgets in diesem Lande – also wollen wir das jetzt nicht überbewerten, aber es ist ein Zwanzigstel. Das letzte Kunstbudget betrug 1,15 Milliarden Schilling, das waren um 50 Millionen Schilling mehr. Das Ganze ist auch noch vor dem Hintergrund passiert, dass es eine 20-prozentige Bindung der Ermessensausgaben, die im Dezember letzten Jahres ausgesprochen wurde, gegeben hat, und davon wäre die Kunstpolitik in unserem Lande ziemlich stark betroffen gewesen.

Man muss das aber auch noch unter dem Gesichtspunkt sehen, dass im Rahmen der Kunstpolitik viele Versprechungen gemacht wurden, die durch keine einzige finanztechnische Maßnahme abgefedert wurden. Meine ersten drei Wochen als Staatssekretär habe ich damit zugebracht, Künstlerinnen und Künstlern zuzuhören, wenn sie mir erzählt haben, dieses sei ihnen versprochen worden und jenes sei ihnen versprochen worden. Ich habe beim Finanzminister rückgefragt, ich habe bei meinen Beamten rückgefragt, und diese haben gesagt, das soll außerbudgetär bedeckt werden. – Das waren die Tatsachen, mit denen ich in den ersten drei Wochen meines Staatssekretariats konfrontiert war.


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Festzumachen waren allerdings einige Zusagen, die in Summe 620 Millionen Schilling ausgemacht haben; das ist etwas mehr als die Hälfte meines Ordinariums. Diese betrafen die Kulturhauptstadt Graz, die bauliche Sanierung der "Josefstadt", des Konzerthauses und die Abdeckung der Zusagen an die Wiener Philharmoniker, die allerdings erst im Jahre 2001 schlagend werden.

Es ging also nicht nur darum, diese 20-prozentige Kürzung der Ermessensausgaben zu verhindern, sondern auch darum, in einer Zeit, in der die Budgets immer knapper werden, der Kunst und der Kreativität zu ihrem Recht zu verhelfen und intelligente Finanzierungsmodelle zu finden, durch die bauliche Maßnahmen ebenfalls initiiert und abgedeckt werden sollen.

Das Budget weist ein Defizit von 4,5 Prozent zum letzten Jahr hin auf. Nun können Sie abrechnen, was Sie wollen, und wir können dann zu jedem Betrag kommen, aber natürlich sind die baulichen Maßnahmen im Konzerthaus und im Theater in der Josefstadt auch Kulturmaßnahmen. Es ist, wie der Finanzminister schon gesagt hat, kein Optimalbudget, aber das Maximum des Möglichen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich meine das jetzt gar nicht zynisch, sondern ganz ernst: Ich verstehe diese Kürzungen als einen Auftrag der Künstler und als einen Auftrag der Steuerzahler an diese Regierung. Es geht um die Sanierung der Buchhaltung in der Kunst-Sektion. Die Abrechnungsmodalitäten in der Kunst-Sektion waren steinzeitlich. Es geht um die Effizienz und die Übereinstimmung mit den finanztechnischen Vorschriften dieser Republik. Es geht um Transparenz durch eine EDV-mäßige Umstellung des Budgets der Kunst-Sektion, damit der Zugriff, wie viel wurde ausgegeben, wann wird etwas ausgegeben, endlich gesichert ist. Es geht auch um die Evaluierung aller Förderansätze – in Übereinstimmung mit meinen Beamten und in Übereinstimmung mit den Beiräten. Und es geht um einen intensiven Dialog – zum ersten Mal nach Jahren – mit den Beamten dieser Sektion.

Es ist das natürlich auch eine Chance, Entscheidungen zu treffen. Es ist auch die Aufgabe der Opposition, diese zu kritisieren, aber ich lade Sie zu jedem Dialog ein und bitte sogar darum. Wir müssen Entscheidungen treffen; und die Entscheidungen werden für die Künstler, für die Kreativen und für die Kreativität fallen. Es wird keine Einschnitte bei den Preisen geben, es wird keine Einschnitte bei den Stipendien geben, und es wird keine Einschnitte im Sozialen geben, das heißt, wir werden den Künstler-Hilfefonds sanieren. Dieser weist ein Defizit von 28 Millionen Schilling auf! Wir werden ihn sanieren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Weiters geht es darum, dass wir eine Künstler-Sozialversicherung schaffen. Wir werden in diesem Bereich eine avancierte Arbeit vorlegen, und ich hoffe, Ihre Zustimmung hiefür zu finden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir sind aber auch für eine Anpassung bei Organisationen, Vereinen und Vermittlungsinstitutionen, für eine Flexibilisierung, denn Kunst machen die Künstler – und nicht die Partizipanten an der Kreativität. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es wird aber auch eine große Aufgabe sein, die uns die nächsten Jahre beschäftigen wird, eine Tendenz aufzuarbeiten, die in unserem Lande seit Jahren verschlafen wurde. Diese ist, dass Kunst- und Kulturpolitik auch Nachfragen seitens der Wirtschaft, aber auch seitens des Einzelnen erfordern; die Partizipationsmodelle müssen erhöht werden, und ich sage: neben den bestehenden Transfers – nicht anstatt der, sondern neben den bestehenden Transfers. Traditionelle Förderstrukturen sind für viele moderne Kulturtechniken nicht sinnvoll, nicht finanzierbar und nicht handhabbar. Neue Beteiligungsmodelle wie Risikokapital und Abschreibmodelle sind gefordert. All das war bislang tabu.

Als Anfang setze ich hier die Novellierung des Einkommensteuergesetzes dahin gehend, dass Künstler-Einkommen auf drei Jahre verteilt werden können, dass es eine Zuzugsbegünstigungsklausel und die Pauschalierung der Betriebsausgaben gibt. Das ist ein Quantensprung in der Kulturpolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Der Künstler wird von dieser Bundesregierung nicht ausschließlich als Empfänger von Transfers identifiziert, sondern als steuerliches Wesen und als wesentlicher Faktor dieser Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich um Ihre Zusammenarbeit ... (Abg. Oberhaidinger: Als steuerbares Wesen!)  – Das ist "nett"! Ich bitte Sie in der Kulturpolitik um Ihre Zusammenarbeit. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

13.30

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Glawischnig, bevor Sie den Saal verlassen, möchte ich Ihnen noch Folgendes sagen: Sie sollten sich, wenn die Regierung klare Vorschläge macht, weniger Sorgen um die Demokratie hier im Hohen Hause machen, denn diese Vorschläge werden parlamentarisch abgehandelt, sondern sich vielmehr dann Sorgen machen, wenn die Demokratie durch grünen Aktionismus hier herinnen bedroht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber nun zu meinem eigentlichen Thema. Meine Damen und Herren, ich bin der Ansicht, dass man die Debatte über die Beratungsgruppen I und II nicht vorübergehen lassen sollte, ohne über das Thema "Bürgernähe und Föderalismus" zu sprechen, dem ja diese Bundesregierung ganz besonderes Augenmerk widmet. Die alte, rot-schwarze Regierung hatte in diesem Bereich, in der Öffnung der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, aber auch, um ein ganz konkretes Thema anzusprechen, in der Bundesstaatsreform leider Gottes jahrelange Versäumnisse, und in puncto Föderalismus und Bürgernähe ist deshalb ein erheblicher Stau entstanden. – Diese Bundesregierung aber hat klare und ehrgeizige Ziele in diesen Bereichen formuliert – und sie wird diese auch umsetzen.

Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern muss einer grundlegenden Neuordnung unterzogen werden. Es wird daher diesbezüglich Sofort- und Strukturmaßnahmen geben. Einige dieser Sofortmaßnahmen sind die Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten zum Zwecke der Sicherstellung eines schnelleren Zugangs zum Recht für den Bürger, und zwar eben auch auf Landesebene. Es wird auch das Anlagenrecht reformiert werden, um die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich zu unterstützen.

Die Landeshauptleutekonferenz wird ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt.

Es wird ein Inkorporierungsgebot geben, und das Wahlrecht auf Landesebene soll reformiert werden; vor allem soll die Briefwahl ermöglicht werden.

Ein wichtiger Bereich ist aber die bundesstaatliche Kompetenzverteilung. Meine Damen und Herren, da sollen geschlossene, abgerundete und problemorientierte Kompetenzbereiche geschaffen werden, klare Verantwortungsbereiche für den Bund, für Länder und Gemeinden – und eine Stärkung der Rechte der Länder und Gemeinden, und zwar unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips. Die Gesamteffizienz aller Verwaltungsabläufe soll das Ziel sein.

Die mittelbare Bundesverwaltung soll aufgelassen werden, und es soll die Grundsatzgesetzgebung nicht mehr weiter geben. Im Rahmen einer Generalkompetenz der Länder sollen alle Länderkompetenzen demonstrativ aufgezählt werden.

Eine umfassende Reform des Bundesrates mit dem Ziel, ihn zu einer Länderkammer, die diesen Namen auch verdient, aufzuwerten, wird von dieser Bundesregierung angestrebt. In diesem Zusammenhang möchte diese das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Beschlüssen des Nationalrates, mit denen Länder und Gemeinden neu belastet werden, eingeführt haben wissen.

Meine Damen und Herren! Auch im Bereich der Bürgernähe geht diese Bundesregierung neue Wege. Der jahrelangen Forderung von uns Freiheitlichen nach Ende von Proporz, Parteibuch


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wirtschaft, Verschwendung, Privilegienwirtschaft und politischer Vereinnahmung aller gesellschaftlichen Bereiche durch Parteien wird von dieser Bundesregierung Folge geleistet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! 30 Jahre Sozialismus haben Österreich in vielen Bereichen zum Schlusslicht Europas gemacht, und zwar nicht nur in budgetären, sondern auch in gesellschaftlichen Bereichen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie sind es, die dieses Land als Ihre persönliches Eigentum betrachtet, die Bürger entmündigt und Ihr Parteibuch zum Maß aller Dinge gemacht haben. (Widerspruch bei der SPÖ.) Jede Minute sozialistischer Politik führte zu einer Verschuldung von 100 000 S! Jede Minute sozialistischer Politik! Heute stehen wir – darüber wurde ja bereits heute Vormittag debattiert – vor einem gewaltigen Schuldenberg: 1,7 Billionen Schilling Schulden! Mehr als 1 Million Menschen lebt an der Armutsgrenze, wobei Frauen und Familien ganz besonders stark betroffen sind. Das Gesundheitssystem ist zerrüttet, die Pensionen sind gefährdet und der Wirtschaftsstandort Österreich durch eine überhöhte Abgaben- und Steuerlast massiv geschwächt. Das alles ist die Folge Ihrer Politik!

Die neue Bundesregierung hingegen, meine Damen und Herren, sorgt dafür, dass Leistung vor Parteibuchwirtschaft gestellt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wir sorgen für eine Entpolitisierung aller Aufsichtsräte, so zum Beispiel in der ÖIAG. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir sorgen auch für mehr Demokratie im Rahmen des von uns vorgelegten Demokratiepaketes. Wie wichtig Bürgernähe, Föderalismus und Subsidiarität nicht nur auf nationaler, sondern gerade auch auf gesamteuropäischer Ebene sind, beweist das vertragswidrige Verhalten der EU-14 Österreich gegenüber. – Wir sehen daran, wie wichtig es ist, die Interessen des Individuums und kleinerer politischer Einheiten zu verteidigen.

Meine Damen und Herren! Diese Regierung wird all das tun – und sie wird uns freiheitliche Abgeordnete als Freunde auf diesem Wege haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kubitschek. – Bitte.

13.36

Abgeordnete Mag. Maria Kubitschek (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Die Frage, die wir hier zu behandeln haben – und ich glaube, das ist wirklich so ziemlich der einzige Punkt, dem hier wahrscheinlich alle zustimmen werden –, ist nicht, ob, sondern wie dieses Budget zu sanieren ist.

Bei dieser Frage nach dem Wie gibt es für eine Regierung eine ganze Anzahl verschiedener Ansatzpunkte. Die Budgetpolitik, meine Damen und Herren, gibt nämlich Aufschluss darüber, welche Prioritäten eine Regierung setzt, welche Themen sie behandelt und welche Interessen sie vertreten will – und das völlig unabhängig davon, wie eng der budgetäre Rahmen dabei ist.

Das heißt, für Herrn Bundesminister Mag. Grasser – und mit Sicherheit nicht für die ÖVP! – gilt zwar bei diesem Budget vielleicht noch die Ausrede, dass er ein Budgetdefizit sanieren muss, das er nicht zu verantworten hat, aber auf die Frage, wie er dieses Defizit sanieren will, gibt es allerdings auch für Mag. Grasser keine Ausreden mehr, und zwar auf der ganzen Welt nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir haben eine Regierung, die – wie keine andere – darauf besteht, an ihren Taten gemessen zu werden, und diese Einladung möchte ich gerne annehmen und sie daran messen, ob es ihr gelingt, ein Budget vorzulegen, das Beschäftigung schafft und Chancen eröffnet, das sozial ausgewogen ist und eine nachhaltige Budgetkonsolidierung einleitet.


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Ich beginne mit Punkt eins: Gelingt es dieser Regierung, ein Budget vorzulegen, das Arbeitsplätze schafft?

Der Budgetentwurf enthält tatsächlich eine Reihe beschäftigungspolitischer Maßnahmen – nur wirken diese leider in die falsche Richtung. Zu unser aller Erinnerung: In diesem Budget geht es um Personalabbau im öffentlichen Dienst, um massive Kürzungen der Ermessensausgaben, um fehlende Mittel der Arbeitsmarktförderung, und es geht auch – bitte das nicht zu vergessen! – um die Anhebung des Pensionsantrittsalters, was den Arbeitsmarkt alleine mit ungefähr 47 000 Personen, die zu einer Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt zählen, zusätzlich belasten wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Die einzigen Maßnahmen, die den drastischen negativen Auswirkungen, die dieses Budget auf die Beschäftigung haben wird, entgegenstehen, sind die Senkung der Lohnnebenkosten und das Kinderbetreuungsentgelt. Leider wird die Senkung der Lohnnebenkosten zu einem beträchtlichen Teil über die Urlaubsaliquotierung finanziert, womit der beschäftigungswirksame Effekt leider wieder aufgehoben wird. Übrigbleibt ein mittelfristig wirksamer Effekt von vielleicht maximal 5 000 Arbeitsplätzen – irgendwann, jedenfalls lange nach Ende dieser Legislaturperiode.

Das Kinderbetreuungsentgelt wird über eine Senkung des Arbeitskräfteangebotes tatsächlich eine Auswirkung auf dem Arbeitsmarkt haben, und zwar folgende: 20 000 Frauen werden vom Arbeitsmarkt ferngehalten und werden so dazu beitragen, dass die Arbeitslosenrate geschönt wird. Und die Frauen zahlen das mit verlorenen Chancen für eine vernünftige Ausbildung und vielleicht sogar für eine erfüllende berufliche Laufbahn. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn das die beschäftigungspolitische Offensive der Regierung ist, mit der sie die massiven negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung, die in diesem Budget enthalten sind, kompensieren will, dann kann das wirklich nur als jämmerlicher Versuch bezeichnet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn sich diese Regierung also an ihren Taten messen lassen will, und wenn sich diese Regierung auch zum Ziel gesetzt hat, Beschäftigung zu schaffen, dann hat sie mit diesem Budget jedenfalls versagt.

Damit komme ich zu Punkt zwei, zur Frage: Sind die Budgetmaßnahmen sozial ausgewogen?

Generell lässt sich feststellen, dass die Regierung das Budget, vor allem wenn man es längerfristig betrachtet, ausgabenseitig sanieren will.

Meine Damen und Herren! Sie können in jedem Lehrbuch nachlesen, dass eine Verringerung der Staatsquote die unteren Einkommensschichten, das heißt, die "kleinen" Leute, in aller Regel stärker trifft, als das bei einer einnahmenseitigen Konsolidierung der Fall ist. Aber auch auf der Einnahmenseite schafft es die Regierung sozusagen locker, diesen Trend noch ganz massiv zu verstärken und die unteren Einkommensschichten stärker als die oberen zu belasten.

Die Verschiebung der Steuerlast von der Lohn- und Einkommensteuer hin zu den Verbrauchersteuern und Gebühren zum Beispiel wirkt ganz eindeutig in die Richtung, dass das untere Einkommensdrittel stärker belastet wird. Im Klartext heißt das, das untere Einkommensdrittel wird doppelt so stark als das obere Einkommensdrittel belastet. – Diese Berechnungen, meine Damen und Herren, sind nicht das Ergebnis einer Fundamental-Kritik an der Regierung, sondern Sie können das nachrechnen. Man lernt das auch in jedem Wirtschaftsstudium, und zwar bereits im ersten Studienabschnitt.

Wenn sich jemand der Meinung des Herrn Bundeskanzlers Schüssel anschliessen will, der uns, wie schon zitiert wurde, in einer Presseaussendung vorige Woche wissen ließ, dass er diese Einschätzungen für wirklichen "Unsinn" hält, so kann ich dazu nur sagen: Es steht eine Reihe von Studienbibliotheken zur Verfügung, wo man diesen ganzen "Unsinn" auch nachlesen kann. (Beifall bei der SPÖ.)


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Leider ist Herr Bundeskanzler Schüssel jetzt nicht anwesend; es wäre mir ein persönliches Anliegen gewesen, ihm das selbst zu sagen, denn es hat mich persönlich wirklich sehr getroffen, dass er sich vor uns hinstellt und sich mehrfach bei den Unternehmern dafür bedankt – wie das ja bereits von einer Kollegin vor mir angesprochen wurde –, dass diese einen Beitrag zur Budgetsanierung leisten, mit keinem Wort jedoch die Arbeitnehmer erwähnt, die sicherlich einen größeren Beitrag dazu leisten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Purer Klassenkampf ist das, was Sie sagen!)

Aber auch wenn Herr Bundeskanzler Schüssel das verschweigen will: Die vielzitierten "kleinen Leute" werden bei diesem Budgetsanierungskurs doppelt und dreifach zur Kasse gebeten – während die Unternehmer von der Steuerreform profitieren, nichts zu deren Finanzierung beitragen müssen und darüber hinaus auch noch Steuergeschenke in einem Maße bekommen, das jedes Gefühl für Gerechtigkeit vermissen lässt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme damit zu Punkt drei, zur Frage: Führen die geplanten Maßnahmen zu einer nachhaltigen Sanierung des Budgets?

Nicht nur meiner Meinung nach wird das geplante Budgetziel trotz guter Konjunktur überschritten werden. – Ich erspare Ihnen und mir jetzt genauere Ausführungen dazu; Sie können das in vielen Publikationen nachlesen.

Das größte Problem ist allerdings, dass Strukturmaßnahmen, die zu einer dauerhaften Sanierung führen, praktisch völlig fehlen. Und das, meine Damen und Herren, bedeutet – auch wenn das bis jetzt bestritten wird –, dass das nächste Belastungspaket bereits vor der Tür steht. Auch vor diesem Hintergrund verstehe ich nicht, warum die Regierung geradezu mit einem Füllhorn Steuergeschenke an Unternehmen und Landwirtschaft verteilt, Steuergeschenke, die die "kleinen" Leute dann zahlen müssen. (Abg. Schwarzenberger: Welche Steuergeschenke bitte? – Ruf bei der SPÖ: Jungfernrede! – Abg. Dr. Khol: Bei einer solchen spricht man hier anders!)

Meine Damen und Herren! Wenn es das Ziel dieser Bundesregierung war, ein Budget zustande zu bringen, das Beschäftigung schafft, in seiner Wirkung sozial ausgewogen ist und mit dem ein nachhaltiger Budgetsanierungskurs eingeleitet werden soll, dann hat diese Bundesregierung damit kein einziges Ziel erreicht. – Wenn es hingegen darum geht, Großunternehmern und Millionären noch zusätzliche Geschenke zu machen und die "kleinen" Leute dafür zahlen zu lassen, dann, meine Damen und Herren, hat sich diese Regierung auf der ganzen Linie durchgesetzt. – Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

13.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

13.45

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren auf der Galerie und hier im Plenum! Hohes Haus! Während einer Budget-Generaldebatte gibt es natürlich die verschiedensten Feststellungen, und in diesem Zusammenhang vielleicht gleich zu Beginn zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Bösch von vorhin: So kaputt ist unser Land wirklich nicht, wie Sie, Kollege Bösch, hier gemeint haben, dass alles zertrümmert sei und so weiter. – So ist es wirklich nicht!

Es ist aber auch nicht so, liebe Frau Kollegin Kubitschek, wie Sie hier gesagt haben, dass dieses Land einer sozialen Katastrophe entgegengehen würde. Wenn Sie hier die Frage stellen, wie saniert wird, dann frage ich Sie vielmehr: Warum muss saniert werden? – Weil Jahre hindurch über das Maß hinaus gelebt und gewirtschaftet wurde, und das müssen wir nun korrigieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Der Herr Finanzminister hat Recht, wenn er heute und hier gesagt hat: Wir brauchen eine stabile, eine kalkulierbare Finanzpolitik! Und eine solche machen wir, und zwar mit Verantwortung, Mut und Engagement. Wir stellen uns der Herausforderung, gar keine Frage! Und das machen wir deshalb, um Stabilität zu gewährleisten sowie Beschäftigung und auch eine weitere Wirt


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schaftsentwicklung zu sichern. All das ist wichtig, um die Probleme der Zukunft zu bewältigen. Sonst würden wir das doch alles nicht schaffen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In Österreich gibt es dafür auch einige günstige Bedingungen: eine gute Wirtschaftslage – und eine neue Regierung, die sich dieser Herausforderung total stellt. Wer immer mehr ausgibt als er einnimmt, gefährdet die Zukunft – und verunsichert doch alle, und das nützt doch niemandem, und schon gar nicht unserem Lande! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das war auch unsere Linie im Jahre 1995, als wir mit Ihnen von der SPÖ eine neue Budgetpolitik begonnen haben; nur konnten wir das mit Ihnen bis zum Schluss nicht in dieser Konsequenz durchziehen.

Die jetzige Situation ist als extrem schwierig zu bezeichnen; das wissen wir. Aber man muss auch dazu sagen, dass die Bedürfnisse der Bürger andere geworden sind, dass die Erwartungen eben jetzt größer sind. Und zum Teil redet man den Leuten das auch ein, und das ist auch nicht gerade etwas, was die Dinge einfacher machen würde.

Darüber hinaus muss uns allen klar sein, dass wir uns heute den EU-Normen zu unterstellen und auch diesbezüglich klare Vorgaben haben. Da heute Herr Klubobmann Kostelka hier meinte, dass wir von der ÖVP uns nicht hinter dem ehemaligen Finanzminister Edlinger verstecken sollten – übrigens: dieses Versteck lieben wir sowieso nicht –, möchte ich ihm erwidern: Dieses Versteck wäre kein gutes, denn Herr Finanzminister Edlinger hat uns zu vieles verborgen, und deshalb haben wir auch bitte keinerlei Bedürfnis, uns hinter Edlinger zu verstecken, sondern: Wir bewältigen diese Krise selbst. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Böhacker  – in Richtung SPÖ –: Wie war denn das mit der Knackwurst?)

Sie von der SPÖ werfen uns vor, eine Politik nur für Hausbesitzer, für selbständig Erwerbstätige, mittlere und größere Bauern zu machen. – Schauen Sie sich doch unser Regierungsprogramm, schauen Sie sich die Budgetansätze an! Da gibt es wahrlich klare Vorgaben für alle Bürger unseres Landes, für alle Gesellschaftsgruppen, denn unser Ziel ist es, niemanden auszugrenzen. Unser Ziel ist es, für alle da zu sein, und zwar in jenem Maße, wie es eben in des Staates Möglichkeiten und Verpflichtungen liegt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie von der SPÖ reden heute von sozialer Ungerechtigkeit, von sozial Schwächeren, und dazu erlauben Sie mir bitte schon die Frage: Wie kann es denn sein, dass nach 30 Jahren, wo Sie von der SPÖ das Sagen hatten, es noch immer – das stellen nicht wir fest, sondern dies ist eine ganz allgemeine Feststellung – fast 1 Million Menschen gibt, die armutsgefährdet sind? – Diese Ihre Politik war dann auch nicht die allerbeste! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie können das selbst nachlesen. Auch deshalb ist Kurskorrektur angesagt.

Sie von der SPÖ meinten heute weiters, die Pensionen seien gefährdet – Schauen Sie sich doch die demographische Entwicklung in unserem Lande an! Lösen Sie sich doch ein bisschen von Ihren Parteizwängen! Schauen Sie sich das doch ehrlich an – und Sie werden dann ganz klar merken, worum es wirklich geht!

Sie von der SPÖ jammern uns auch vor, die Krankenkassen würden die Leute nicht mehr bedienen und ihre Leistungen erbringen können. – Darauf sage ich Ihnen: Ja, eine Krise ist da, auch in unserem Haue, in der Sozialversicherung der Bauern, aber: Neue Medizin braucht neue Ansätze, neue Leistungen brauchen auch neue Finanzierungsinstrumente. – Auch das sind Fragen, die wir in den nächsten Wochen und Monaten hier diskutieren werden. Wir von den Regierungsparteien sind darauf gut vorbereitet, und deshalb stellen wir uns auch dieser Herausforderung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es geht heute unter anderem um die Beratungen über die Budgetgruppe Oberste Organe, und dazu ist zu sagen: Auch da ist dem Veränderungsprozess in Gesellschaft und Wirtschaft Rechnung zu tragen. Die Bürger unseres Landes haben eben andere Bedürfnisse und Vorstellungen, als das noch vor einigen Jahren der Fall war. Deren Sensibilität im Hinblick auf Gesetzgebung


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und Entscheidungen von Verwaltungsbehörden und Gerichten ist gestiegen. Alles wird immer häufiger hinterfragt und auch immer häufiger Prüfung und Kritik unterzogen. Und ich meine, das ist auch gut so, spiegelt es doch die Entwicklung der Gesellschaft zu mehr Selbständigkeit und mehr Eigenverantwortung der Bürger wieder. Auch dies haben wir zu beachten, wie das etwa im Rahmen unserer Programme "Bürgergesellschaft", "mehr Eigenverantwortung" und Ähnliches geschieht.

Aus all diesen Gründen gibt es bereits seit Jahren einen verstärkten Zugang der Bürger in Richtung Volksanwaltschaft. Sie, meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft, haben im vergangenen Jahr wiederum an die 10 000 Vorlagen bekommen. Rund 4 000 konnten, soweit ich Ihrem Bericht entnommen habe, geprüft werden. Ich bin der Überzeugung, dass es sich bei der Volksanwaltschaft um eine sehr gute Einrichtung handelt – nicht nur, weil Sie sich, meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft, persönlich sehr engagieren, sondern weil Sie in Ihrer Einrichtung die Interessen zwischen Verwaltung, Gesetzgebung und Bürger verdolmetschen. Die Bürger kommen zu Ihnen, und Sie erklären diesen die ganzen Komplikationen, geben so dem Bürger auch Sicherheit beziehungsweise Zuversicht.

Bereits mehrmals wurde hier im Hohen Hause eine Ausweitung der Kompetenzen der Volksanwaltschaft diskutiert. Ich meine jedenfalls, man sollte überlegen, ob nicht ausgelagerte Stellen, so zum Beispiel das AMS, auch einen Zugang bei Überprüfungen haben sollten. Auf alle Fälle sollte das sehr grundsätzlich diskutiert werden, ebenso auch eine mögliche Einbindung der Volksanwaltschaft bei der Gesetzesvorbereitung beziehungsweise Gesetzeswerdung.

Eine ähnliche Entwicklung der Inanspruchnahme gibt es auch beim Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof. Da hoffen wir, nun endlich die Bundesstaats-Reform, die wir mit Ihnen von der SPÖ auch zu erledigen vorhatten, weiterzubringen, umsetzen können – zumindest in jenen Elementen und jenen Bereichen, wo wir eben selbst die Entscheidungsmöglichkeiten haben, um auch Lösungen zur Entlastung der Höchstgerichtshöfe zu finden. Weiters hoffen wir, dass die Briefwahl auch in der NR-Wahlordnung in Zukunft nicht nur eine erklärte politische Zielsetzung ist, sondern tatsächlich möglich sein wird.

Das Bezügebegrenzungsgesetz wurde ja bereits beschlossen. Der Präsident des Rechnungshofes hat damit Kummer – und viele mit ihm. Wir werden uns in Zukunft schon zu überlegen haben, ob Gesetze in einer Form beraten und dann beschlossen werden, die der nachgelagerten Verwaltung eine Administration fast unmöglich machen.

Abschließend einen Auszug aus einem Kommentar im "Kurier", in dem Andrea Hodoschek schrieb, dass es keinen Spielraum geben wird, denn "diese Regierung muss demnächst ein rigoroses und umfassendes Sparpaket vorlegen und die überfälligen Strukturreformen ernsthaft angehen".

Und weiters hieß es in diesem Kommentar – ich zitiere –: "Ein richtiger Schritt ist die geplante Pensionsreform" – also nicht wir sagen das, sondern der "Kurier" – "samt den Einsparungen im öffentlichen Dienst. Das sollte auch die Gewerkschaft einsehen. Oppositionspolitik darf nicht so weit gehen, dass Realitäten negiert werden." – Zitatende.

Das sollte auch Ihnen bewusst werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

13.53

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Ich bin offensichtlich einer der wenigen Redner in dieser heutigen Debatte, die sich substantiell mit dem Thema Oberste Organe beschäftigen – und dabei ist es doch so wichtig, sich vor allem mit dem Thema Volksanwaltschaft auseinanderzusetzen, gibt es doch eine Reihe mehr als fragwürdiger Absichten, die offenbar unter den Teppich gekehrt werden sollen. Und


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ÖVP und FPÖ haben da offenbar ein schlechtes Gewissen, denn nicht einmal im Ausschuss – und das ist Ihnen, meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft sicherlich aufgefallen – haben sich Abgeordnete der Regierungsparteien zum Thema Volksanwaltschaft zu Wort gemeldet. (Abg. Schwarzenberger: Gerade vorhin hat Kollege Donabauer darüber gesprochen!)  Einen Augenblick, Herr Kollege!

Ich habe in der Vergangenheit bei meinen Reden zur Volksanwaltschaft öfters gewisse Kritik an den Grünen geübt, hat es doch immer wieder Versuche und Tendenzen gegeben, die Volksanwaltschaft gewissermaßen als Oppositions-Instrument einzusetzen, diese zu instrumentalisieren. Dazu gab es meinerseits also gewisse Kritik, aber mit gewissem Verständnis, da ja die Volksanwaltschaft die Verwaltung kontrolliert und Missstände aufzeigt, was ja auch Aufgabe der Opposition ist. Oft war aber dann seitens der Opposition der Eindruck da, man sei Seite an Seite mit der Volksanwaltschaft Oppositionspolitiker.

Als Oppositionsredner möchte ich Ihnen dazu grundsätzlich sagen: Die Volksanwaltschaft ist kein Oppositions-Instrument, sondern eine von der Verfassung vorgegebene Institution mit ganz spezifischen Aufgaben, wenn eben andere Wege für den Bürger erfolglos, verpasst, verbaut oder sonst irgendwie problematisch sind.

Die Volksanwaltschaft ist also kein Oppositions-Instrument, jedoch auch und schon gar nicht ein Regierungs-Instrument, meine Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft ist kein verlängerter Arm der Regierungsparteien in Richtung Rechtsprechung oder Gesetzgebung – aber genau das wollen Khol und Westenthaler mit ihren einschlägigen Anträgen.

Die Rechnung, die da angestellt wird, ist simpel: In der Volksanwaltschaft steht es sozusagen zwei zu eins: zwei Positionen besetzen Regierungsparteien – das ist die Mehrheit (Abg. Donabauer: War das immer so?) und damit ist es sozusagen ein Regierungsstoßtrupp für Gesetzesvorlagen und für den Einfluss auf die unabhängige Justiz. – So schaut das aus. (Abg. Fischl: Wie der Schelm denkt, so ist er! – Weiterer Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Warum, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, sind Sie denn so verdächtig in diesem Zusammenhang? Warum, Kollege Fischl, ist die FPÖ so verdächtig, überparteiliche Institutionen beziehungsweise auch den Parlamentarismus zu missbrauchen beziehungsweise zu instrumentalisieren? Wer hat denn den Vorsitz im Rechnungshof-Unterausschuss, meine Damen und Herren von der FPÖ? – Es ist ja kurios und geradezu signifikant, dass das ausgerechnet Abgeordneter Haupt ist (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Ein ausgezeichneter Mann!), der viele Jahre hier "Psalmen der Demokratie" gesungen hat. Man hat ja fast die Orgelmusik gehört, wenn Kollege Haupt über das Benimm in der Demokratie hier gepredigt hat, meine Damen und Herren! Er hat ja geradezu "Hochämter" hier zelebriert, was sich gehört beziehungsweise sich im Parlament nicht gehört. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Kollege Haupt redet nicht nur so, sondern ist es!)

Und dieser Herr Kollege Haupt hat jetzt den Vorsitz in einem Unterausschuss des Rechnungshof-Ausschusses! Ist das nicht eine klassische Aufgabe der Opposition – egal, ob in der Europäischen Union, ob in allen zivilisierten Parlamenten, ja selbst in den Gemeinden, in den Landtagen?! Ist das nicht eine Selbstverständlichkeit?! – Das sind Kontrollgremien, Herr Klubobmann Khol! Oppositionspolitiker sollen da die Verantwortung tragen! (Abg. Dr. Khol: Die Spesen vom Vranitzky tun euch weh!)  – Darauf werde ich gleich zu sprechen kommen. (Abg. Dr. Khol: Die 36 Gratisflüge vom Vranitzky tun euch weh! Da tätet ihr lieber gerne selber untersuchen, damit ihr das vertuschen könnt ...!)

Meine Damen und Herren! Völlig ungeniert und ungerührt verfolgen Klubobmann Khol und Herr Haupt damit nämlich zwei Ziele: erstens eine Blockade für die Kontrolltätigkeit der Abgeordneten des Hohen Hauses Richtung Regierung. Es gäbe wahrlich genug zu kontrollieren, so zum Beispiel die Personalpolitik im Umfeld, besser gesagt: im Dunstkreis von Minister Grasser, oder die Auftragspolitik im Umfeld, im Dunstkreis des Ministers Bartenstein: Wer bekommt da welche Posten, wer welche Aufträge, welche Aufträge mit welchen ideologischen Vorgaben?


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Das zweite Ziel von Herrn Klubobmann Khol und Herrn Haupt: eine Anschüttungsstrategie gegen ehemalige erfolgreiche Bundeskanzler der Republik Österreich, die im Ausland gerne gesehen waren und sind, die erfolgreich und erkannt sind, und zwar österreichweit, EU-weit, weltweit. (Rufe bei den Freiheitlichen: Wo ist Herr Gusenbauer? – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Bundeskanzler Schüssel? – Na ja, ein "G’riss" ist nicht gerade um ihn, was Staatsbesuche betrifft.

Das einfache FPÖ-Mitglied Haider, der Kärntner Landeshauptmann? – Naja, der muss auf Flughäfen durch die Hintertür huschen, lieber Kollege Fischl, und das hat er sich bitte selbst zuzuschreiben. (Abg. Fischl: Wie kann man nur so wie Sie daherreden?!)

Meine Damen und Herren! Ich fordere die Regierungsparteien auf, den unhaltbaren Zustand zu beenden, dass ein Abgeordneter einer Regierungspartei den Vorsitz in einem Unterausschuss des Rechnungshof-Ausschusses führt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zurück zur Volksanwaltschaft – und zu einem alten Sprichwort: "Schuster, bleib bei deinem Leisten!" Dort könnte die Arbeit weiterhin gut, solide und wertvoll gemacht werden. Tüchtige und engagierte Leute sind ja da am Werk, und ich stehe nicht an zu sagen, meine Damen und Herren Volksanwälte: Leiten Sie diesen Dank bitte weiter, aber auch den Appell an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich nicht dazu missbrauchen zu lassen, in der Justiz herumzupfuschen! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei den Freiheitlichen: Oh Gott, oh Gott!)

Was schreibt denn dazu die "Kleine Zeitung", die ja nicht gerade als extrem regierungskritisch bezeichnet werden kann? (Abg. Dr. Martin Graf: Ja was sagt sie denn?) Ich werde Ihnen das gleich vorlesen, Kollege Graf.

In diesem Artikel heißt es – ich zitiere –: "Volksanwälte werden bekanntlich von den politischen Parteien entsandt und müssen deren Interessen dienlich sein. Diese Interessen auch bei Gerichtsverfahren geltend zu machen ..., kann bestenfalls als Schnapsidee bezeichnet werden: zu heiß gewesen, zu viel Bier gebechert." – Zitatende.

"Zu heiß gewesen", Herr Kollege Khol, "zu viel Bier gebechert", Herr Kollege Westenthaler. (Beifall bei der SPÖ.)

Hans Klecatsky – jemand Bekannter im österreichischen Justizwesen – sagt: verfassungsrechtlich unannehmbar, legistisch dilettantisch; Volksanwälte sind Exponenten oder Vertrauensleute von politischen Parteien.

Herr Klubobmann Khol! Sie haben ja auch einen Brief des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes bekommen, nämlich von Universitätsprofessor Dr. Schabloner. (Abg. Dr. Khol: J abloner!) Was schreibt Ihnen der Herr Professor? – Er schreibt – ich zitiere –:

Grundsätzlich ist zu befürchten, dass ein konturloses, aber gerade auch deshalb besonders bedenkliches Instrument geschaffen wird, auf die unabhängigen Richter des Verwaltungsgerichtshofes von außen her Druck auszuüben. – Zitatende.

Das wollen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, machen: Druck ausüben. (Abg. Böhacker: Mit welcher Schablone?)

Richten Sie bitte Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch aus, dass sie sich nicht von ÖVP und FPÖ für Gesetzgebungsstrategien politisieren lassen sollen. Ist es wirklich so schwierig, zu durchschauen, meine Damen und Herren, was "Verfassungsbogen"-Theoretiker Khol in der Praxis vor hat? Ist es so schwierig, zu durchschauen, dass da ein neues Spielfeld der Agitation und der politischen Taktik eröffnet werden soll?

Kopfschütteln, meine Damen und Herren, hat der Antrag der Grünen da und dort ausgelöst, nämlich das zu unterstützen: eine Gesetzesinitiative für die Volksanwaltschaft.


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Meine Damen und Herren von den Grünen! Wir haben erst vor kurzem mit Entsetzen registriert, wie ÖVP und FPÖ Personalbestellungen bei heiklen Staatsämtern machen. Hat man schon wieder vergessen, dass ein unabhängiger Justizminister in die Wüste geschickt wurde und ein Parteianwalt der FPÖ, ein Privatanwalt des Dr. Haider jetzt Justizminister in der Regierung ist? (Abg. Fischl: Vom Saulus zum Paulus!)  – Wie hat nicht die FPÖ über Proporz, Postenschacher, Freunderlwirtschaft gewettert – und jetzt, meine Damen und Herren? Jetzt ist der Parteianwalt der FPÖ Justizminister!

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Was glauben Sie eigentlich, für wie dumm Sie die Leute verkaufen können?! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend und abschließend: Die Volksanwälte werden nicht im Bereich der Justiz herumdoktern – das kommt gar nicht in Frage! Die Gewaltentrennung zwischen Justiz und Verwaltung ist zu wichtig. Auch "Verfassungsbogen"-Theoretiker Khol wird das nicht einfach mit einem Handstreich ändern können.

Zweitens: Gesetzesinitiativen bleiben dem Volk, den Abgeordneten und den Regierungspolitikern vorbehalten und werden nicht von Korosec und Schender im Auftrag von Khol und Westenthaler gesetzt. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.03

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Abgeordneter Kräutler hat mir ... (Abg. Dr. Kräuter: Ohne "l"! – Rufe: Kräuter!) – Ich berichtige mich tatsächlich: Herr Abgeordneter Kräuter hat mitgeteilt, ich hätte einen Brief des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes Scha bloner bekommen.

Ich stelle dem den richtigen Sachverhalt gegenüber: Ich habe einen Brief vom Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes Ja bloner bekommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Im Übrigen ist der Vorschlag betreffend die Rechte der Volksanwaltschaft zur Einbringung von Gesetzen und zur Überprüfung der Verfahrensverzögerungen der Justiz ein Vorschlag, den Klubobmann Kostelka und Klubobmann Khol gemeinsam ausgearbeitet und in einem Regierungsprogramm einer anderen Regierung verankert hätten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ und Gegenrufe bei der ÖVP.)

14.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

14.05

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohe Volksanwaltschaft! Herr Kollege Kräuter, es ist richtig: Es steht in der Volksanwaltschaft "zwei zu eins". Ich verstehe nicht, was Sie dagegen haben, dass zwei Damen drinnen sind und nur ein Mann. Ich finde das sogar hervorragend. Daher ist Ihre Kritik wirklich unangebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Silhavy hat mich wirklich verunsichert, indem Sie gesagt hat, der DB zum Familienlastenausgleichsfonds wird von den Arbeitnehmern bezahlt. (Abg. Fischl: Das ist eine starke Meldung!) Das ist eine "starke Meldung" im wahrsten Sinne des Wortes. Es heißt nämlich: Dienstgeber beitrag zum Familienlastenausgleichsfonds. Warum heißt es eigentlich Dienstgeberbeitrag, wenn es der Dienstnehmer zahlt? Habe ich 30 Jahre hindurch als Wirtschaftstreuhänder eine falsche Lohnverrechnung gemacht? (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Frau Kollegin Silhavy! Wie ist denn das, kann ich Ihre tatsächliche Berichtigung vielleicht sogar als Antrag bewerten. Wollen Sie, dass in Zukunft der Dienstgeberbeitrag von den Dienstnehmern bezahlt werden soll? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Ist


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das ein Antrag? Oder können wir es halb/halb machen, Dienstgeberanteil und Dienstnehmeranteil? – Also ich kenne mich bei Ihnen wirklich nicht mehr aus. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Ich bin wirklich stark verunsichert, und ich fürchte, dass mich irgendwann einmal einer meiner Mandanten klagen wird (Abg. Dr. Mertel: Sie kennen sich nicht aus!), dass der Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds vom Dienstgeber bezahlt wurde und nicht vom Dienstnehmer, und er wird sich auf die tatsächliche Berichtigung von Frau Kollegin Silhavy hier im Hohen Hause berufen.

Oder war das als Antrag zu verstehen, und wollen Sie, dass der DB in Zukunft vom Dienstnehmer bezahlt wird? (Abg. Dr. Mertel: Sie haben keine Ahnung! – Abg. Schwarzenberger: Das wollte sie!)  – Dann werden wir es den Arbeitnehmern in aller Deutlichkeit sagen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.  – Abg. Dr. Mertel  – in Richtung der Freiheitlichen –: Diese Unwissenheit!)

Aber nun zum vorliegenden Budgetentwurf. Es ist wirklich erstaunlich, dass die sozialdemokratische Fraktion, eine Partei, die 30 Jahre lang den Finanzminister stellte, nicht einmal einen einzigen positiven Halbsatz gefunden hat, auch kein einziges Wort darüber, dass in einem wirklichen Kraftakt innerhalb kürzester Zeit ein Budget erstellt wurde – ich sage das ganz bewusst – unter der Mitarbeit von hervorragenden Beamten des Finanzministeriums. Kein Wort des Dankes von Seiten der Sozialdemokratie an die Mitarbeiter jenes Hauses, dem Angehörige der Sozialdemokratie Jahrzehnte hindurch vorgestanden sind. (Zwischenruf des Abg. Fischl. ) Das ist bezeichnend dafür, wie die SPÖ mit den Arbeitnehmern umgeht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Klubobmann Kostelka hat hier wieder einmal versucht, ein Horror- und Chaos-Szenario zu zeichnen. Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Das glaubt Ihnen ja wirklich niemand mehr! Wirklich niemand glaubt Ihnen mehr das, was Sie hier zum Besten geben.

Wenn Sie schon Professor Lehner zitieren, sollten Sie ihn vollständig zitieren. Im Budgethearing haben alle Experten auf meine Frage eindeutig erklärt: Im Rahmen der kurzen Zeit, in den wenigen Wochen, die zur Verfügung standen, waren keine wesentlichen Alternativen zu dem Vorschlag gegeben. – Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen!

Sie können sich da nicht davonstehlen! Sie haben ein Edlinger-Loch von 109 Milliarden Schilling hinterlassen. Sie haben eine tatsächlich erbärmliche Budgetsituation hinterlassen. Und wenn Sie jetzt hier herausgehen und von einem "Belastungspaket" sprechen, so ist das wirklich mehr als kühn!

Wo war denn das soziale Gewissen jener Partei, die die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Behinderten massiv verschlechtert hat (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel ), die die Arbeitnehmer jahrelang auf die Lohnsteuerrückzahlungen hat warten lassen, weil die Freibetragsbescheide sistiert wurden, die eine Energiesteuer, eine Strom- und Gassteuer eingeführt hat? Wo war das soziale Gewissen jener Partei, die ein Jahr lang – es war ein Finanzminister von der SPÖ – die Erhöhung des Kilometergeldes hinausgezögert und damit die Pendler getroffen hat? Wo war das soziale Gewissen, als Sie das Karenzgeld gekürzt haben? (Abg. Dr. Mertel: Das soziale Gewissen sitzt jetzt bei Ihnen?) Wo war die Gewerkschaft, wo war die Arbeiterkammer, wo war der Druck der Straße, als Sie diese Maßnahmen zu Lasten der österreichischen Bürger beschlossen haben? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wo war der Aufschrei des Herrn Walterskirchen, wo war die Kritik? Jetzt, weil er der Experte der SPÖ ist, gab er plötzlich im Hearing im Budgetausschuss entsprechende negative Stellungnahmen ab.

Kollegen Schieder, der auch von einem "Belastungspaket" gesprochen hat, sei Folgendes gesagt – vielleicht zum Mitschreiben –: Das Jahr 2000 bringt 28 Milliarden Schilling an Entlastung für die Bürger – zum Mitschreiben: 28 Milliarden Schilling (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP) – und eine steuerliche Anpassung von 7 Milliarden, bleiben 21 Milliarden Schilling übrig! (Abg. Gradwohl: Sagen Sie auch dazu, warum!)


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Herr Kollege, Sie haben diese Steuerreform gemeinsam mit der ÖVP beschlossen. (Abg. Gradwohl: Die Sie abgelehnt haben!) Jawohl, das gestehe ich zu, das ist richtig. Aber das, was Sie nicht gemacht haben, ist: Sie haben nicht für eine Bedeckung, nicht für eine Finanzierung dieser Steuerreform gesorgt! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben budgetpolitische Zechprellerei betrieben! Das ist die Wahrheit – und nicht das, was Sie hier sagen!

Herr Kollege! Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Budgetkonsolidierung, wie sie diese Bundesregierung angeht, sicher nicht aus Jux und Tollerei geschieht oder gar ein Bosheitsakt gegenüber dem Steuerbürger ist! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Budgetkonsolidierung ist ein Akt der sozialen Verantwortung und gelebte Solidarität! Budgetkonsolidierung ist die Voraussetzung für Wohlstand in Österreich, Voraussetzung dafür, diesen Wohlstand nicht zu gefährden, sondern sogar noch weiter auszubauen. Budgetkonsolidierung ist vor allem auch die Voraussetzung dafür, dass jene Menschen, die unverschuldet in Not geraten, nicht in die Armutsfalle tappen. Budgetkonsolidierung ist aber auch, die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder zu sichern, damit es zu keinem Generationenkonflikt kommt und damit der soziale Friede gewährleistet bleibt. Budgetkonsolidierung heißt aber auch, jene finanziellen Spielräume zu schaffen, die es ermöglichen, in wirtschaftlich schlechteren Zeiten antizyklisch entsprechend gegensteuern zu können, die Arbeitsplätze zu sichern, neue Arbeitsplätze zu schaffen und damit Vollbeschäftigung zu erreichen.

Meine Damen und Herren! Es gibt daher keine positive Alternative zu diesem Budgetkurs dieser Bundesregierung und des Finanzministers Karl-Heinz Grasser!

Ich kann Ihnen versichern: Wir werden uns weder durch den Druck der Gewerkschaften noch durch den Druck der Arbeiterkammer oder den Druck der Straße von diesem positiven Budgetkonsolidierungskurs abbringen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

14.13

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Einige Bemerkungen zu den Ausführungen meines Vorredners.

Wir haben in den letzten Tagen und Wochen über die hervorragenden Arbeitsmarktdaten gehört. – Jetzt haben wir gerade gehört, wie viele Milliarden Schilling die Österreicherinnen und Österreicher mehr bekommen. Aber wir alle wissen auch, dass für diese hervorragende Arbeit die Regierung Klima verantwortlich zeichnet – und nicht die neue Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Deswegen seid ihr auch abgewählt worden!)

Schade, dass Herr Kollege Donabauer jetzt nicht hier im Saale ist, denn er hat vorhin gemeint, rund 1 Million Österreicherinnen und Österreicher seien armutsgefährdet. – Bei dieser Form des neuen Regierens werden wir fürchten müssen, dass bald 2 Millionen Menschen gefährdet sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über gewisse Fakten und Zahlen kann man nicht hinwegdiskutieren. Wunderbare, schöne Worte – es müssten ja lauter Wohltaten auf die Österreicherinnen und Österreicher zukommen. Wenn man aber genau hinschaut, sieht man: Ihr Budget ist ein Belastungsbudget ohne soziales Gleichgewicht! Ob sich jemand freut oder nicht, ist das eine, Faktum ist das andere! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man sich das Regierungsprogramm anschaut, so sieht man einen blau-schwarzen Faden, der sich durch dieses Programm zieht, nämlich eine Umverteilung von den Kleinen zu den Großen.

Ich möchte jetzt aber ein paar Worte zu einigen Bereichen des Bundes sagen. Auch für diesen Bereich gilt: von den Kleinen zu den Großen. Nichts als leere Worte für die "kleinen" Leute.


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Wenn im öffentlichen Dienst, im Bundesdienst in den nächsten Jahren Tausende Planstellen nicht nachbesetzt werden sollen, dann muss irgendjemand erklären – ich habe diese Frage auch im Ausschuss bereits an den Herrn Bundeskanzler gerichtet –, wie es zu verstehen ist, dass der Overheadbereich, die Stabstellen ausgebaut, dass neue Verwendungen eingeführt werden. Ich habe auf meine Frage: Handelt es sich hiebei um Beamte oder um Sonderverträge? keine Antwort erhalten. Aber eines ist interessant: Teure Funktionen schafft man, kleine Funktionen werden zu Tausenden wegrationalisiert und nicht nachbesetzt! – Ebenfalls von den Kleinen zu den Großen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die allgemeine Dienstverrichtung sowohl in den Zentralleitungen als auch in nachgeordneten Bereichen muss aber im Interesse des Staates, im Interesse unserer Verfassung vollzogen werden. Niemand, meine sehr geehrten Damen und Herren, zerbricht sich derzeit den Kopf darüber, wie dort mit weniger Personal, ohne dass die Arbeit zurückgenommen wird, in Zukunft das Auslangen gefunden werden kann.

Auch diese Fragen haben wir hier im Hause, aber auch im Ausschuss diskutiert. Im Zusammenhang mit der Neuorganisation der Ministerien wurde ja auch einiges hier zum Ausdruck gebracht. Aber wenn wir schon alle immer vom Sparen, von Effizienz, von Beschleunigung sprechen, dann muss hier auch einmal gesagt werden, wie es zu verstehen ist, dass die seinerzeitige Dienstrechtssektion im Bundeskanzleramt, die in der vergangenen Gesetzgebungsperiode in das Bundesministerium für Finanzen gekommen ist – was gut war, weil die Einvernehmensbindungen weggefallen sind –, jetzt wieder in ein eigenes, neu geschaffenes Ministerium kommen; in ein Ministerium – jeder weiß das! –, das kleiner ist als die meisten Sektionen in anderen Ministerien.

Auch darüber kann man sich seine Gedanken machen, denn wir alle wissen: Man braucht dort eine Präsidialsektion, hochrangige Beamte – bis hin zum Dienstauto. Und die Einvernehmensbindungen sind auch wieder notwendig. Wie man in diesem Zusammenhang von Verwaltungsvereinfachung, von einer Beschleunigung der Abläufe, von Effizienzsteigerungen reden kann, weiß ich nicht, das muss einem einmal jemand erklären.

Immer wieder stößt man auf dieselbe Frage: neue hohe und höchste Funktionen, und immer wieder wird bei den Kleinen gespart.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist Ihr Verständnis vom neuen Regieren: Nichts von dem, was Sie versprochen haben, haben Sie bis jetzt gehalten! Ihre "Koalition mit dem Bürger", die so oft zitiert wird, ist möglicherweise eine Koalition mit den Großbürgern. – Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!

Da hier immer wieder das Wort "Proporz" in den Mund genommen wird: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja leicht nachvollziehbar – man kann das ja sehen –, wie die Besetzungen derzeit in den einzelnen Ressorts vor sich gehen. Da wird ja oft diskutiert, als würden mit einem Schlag gewisse Abläufe geändert. Es versucht halt der neue Regierungspartner, seine Leute so schnell als möglich überall unterzubringen. Genauso muss man das auch bei der neuen Kompetenzverteilung innerhalb der Bundesregierung, auch bei dem neuen Ressort, das für die öffentliche Verwaltung zuständig ist, sehen.

Ich habe im Ausschuss auch gefragt, wie es denn zu verstehen ist, dass zum Beispiel im BKA bei den Mehrdienstleistungen – niemand im öffentlichen Dienst kann sich aussuchen, ob er sie macht oder nicht – rund 5 Millionen Schilling eingespart werden, gleichzeitig aber Belohnungen von rund 5,6 Millionen bis 6 Millionen Schilling neu eingeführt werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch diesbezüglich kann man sich etwas denken: Die, die brav sind, die nicht zurückreden, erhalten eine Belohnung; alle anderen, die nicht gefragt werden, sondern den Dienst verrichten müssen, warten dann vielleicht Monate lang auf ihre Mehrdienstleistungen. Dieses Problem gibt es in einigen Bereichen – wir werden in der nächsten Woche noch darüber diskutieren, wie viele derzeit auf ihre Mehrdienstleistungsvergütung warten. (Abg. Böhacker: Das ist eine grobe Unterstellung!)


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Ebenso erwähnen möchte ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, die von allen geschätzte Institution Verwaltungsakademie, die für die Aus- und Weiterbildung der öffentlich Bediensteten außerordentlich wichtig ist. Auch von dieser Stelle aus möchte ich sagen: Wenn wir uns dazu bekennen, wenn wir zum Ausdruck bringen, wie wichtig und notwendig diese Institution ist, dann muss irgendjemand auch dazusagen, wie diese Akademie mit weniger Geld den gleichen Level aufrechterhalten soll. – So ist das jedenfalls schlicht und ergreifend unmöglich! Da muss man doch zukunftsorientiert handeln und andere Wege beschreiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Man könnte, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit vielen Beispielen diese Liste noch lange fortsetzen. Ich möchte nur mehr so viel sagen: Es wird bei diesem Budget sehr viele Verlierer und ganz wenige Gewinner geben. Neue Belastungen für sozial Schwächere sind die einzige Idee hinter Ihrem Budget. (Beifall bei der SPÖ.)

14.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte.

14.21

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Die vornehmste und wichtigste Aufgabe dieser Bundesregierung ist, wie wir heute schon gehört haben, die Sanierung des Staatshaushaltes. Sowohl der Bundeskanzler als auch der Finanzminister haben umfassende und tief greifende Strukturreformen angekündigt.

Eine Strukturreform, die sich die Wirtschaft schon seit vielen Jahren wünscht und die diese Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern angehen wird, ist die Reform der Lohnverrechnung beziehungsweise der Arbeitnehmerabrechnung. All jene Kolleginnen und Kollegen, die damit zu tun haben – auch Kollege Böhacker –, wissen, wie schwierig der Abrechnungsmodus insgesamt ist. Es gibt verschiedene Bestimmungen, was die Steuern anlangt, sprich die Lohnsteuer, es gibt verschiedene Bestimmungen im Sozialversicherungsrecht, und das macht die Abrechnung ungeheuer aufwendig. Es gibt verschiedene Freigrenzen, verschiedene Freibeträge, verschiedene Steuersätze. Würden wir dies vereinfachen, würde sich der Unternehmer, der Arbeitgeber, einen wesentlichen Teil der Verwaltungsarbeit ersparen und es würde auch für den Arbeitnehmer mehr Transparenz beim Studium seines Lohnzettels bedeuten.

Aber es ist nicht nur die Abrechnung sehr kompliziert, sondern auch das Prüfungsverfahren. Die Abrechnung betreffend die Arbeitnehmer wird zunächst vom Finanzamt durch die Lohnsteuerprüfer überprüft. In der Folge wird sie von dem so genannten Gebietskrankenkassa-Prüfer überprüft und dann auch noch – im Zusammenhang mit der Kommunalabgabe – von der jeweiligen Kommunalbehörde.

Wir würden uns wünschen, dass der Abrechnungsmodus vereinfacht wird und die Lohnverrechnung nur von einer Prüfstelle überprüft wird.

Diesbezüglich haben wir auch schon vor vielen Jahren Vorschläge unterbreitet, und die Wirtschaft wünscht sich, dass die Prüfungen ausschließlich von Finanzbeamten vorgenommen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Danke. – Wir würden so wesentliche Verwaltungsarbeit, vor allem auch bei Krankenversicherungen einsparen. – So viel zu diesem Anliegen.

Ich habe mir aber auch überlegt – auch durch Anregung des Kollegen Schieder und durch eine Art Selbstreflexion –, was wir hier im Hohen Hause reformieren könnten. Ich hätte viele Vorschläge, ein Vorschlag wäre, das Instrument der parlamentarischen Anfrage neu zu überdenken.

Es gibt pro Jahr, soviel ich weiß, zirka 6 000 bis 7 000 Anfragen, zum Teil sind sie zehn bis zwanzig Seiten lang, und jetzt stellen Sie sich vor, wie aufwendig es für die Beamten in den einzelnen Ministerien ist, diese Anfragen zu beantworten. Bei der Durchsicht der letzten Anfra


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22. Sitzung / Seite 85

gen ist mir eine Anfrage des Kollegen Brosz von den Grünen besonders aufgefallen. Sie ist enorm kurz, und zwar nur eine Seite lang, und betrifft die Abwesenheit von Klubobmann Westenthaler am 26. Mai 2000 während der Sicherheitsdebatte, Herr Westenthaler wohnte im Praterstadion einem Fußballspiel bei.

Ich möchte mir jetzt erlauben, anlässlich der heutigen Budgetdebatte auch eine Anfrage, und zwar eine mündliche Anfrage, an den Präsidenten zu stellen, wobei ich die fünf Fragen des Kollegen Brosz sozusagen als Orientierungshilfe heranziehe.

Kollege Brosz fragte die Frau Vizekanzlerin: "Warum haben Sie Herrn Westenthaler während der Sitzung des Nationalrates zum Match mitgenommen?"

Ich frage den Präsidenten: Warum haben Sie den Klubobmännern der beiden Oppositionsparteien gestattet, heute teilweise abwesend zu sein? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leikam: Das is liab!)

Die zweite Frage des Kollegen Brosz lautete: "Sind Sie als Sportministerin der Meinung, dass die Abgeordneten das Praterstadion dem Parlament vorziehen sollen?"

Ich frage den Präsidenten: Sind Sie als Präsident des Nationalrates der Meinung, dass die beiden Klubobleute Gusenbauer und Van der Bellen andere Termine der Budgetdebatte vorzuziehen haben? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die dritte Frage des Kollegen Brosz lautete: "Sind auch Sie der Meinung, dass der Abgeordnete Westenthaler im Parlament durchaus entbehrlich ist?"

Ich frage den Herrn Präsidenten: Sind auch Sie der Meinung, Herr Präsident, dass die beiden Klubobleute Gusenbauer und Van der Bellen im Parlament entbehrlich sind? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Das wird er mit einem Ja beantworten!)

Brosz vierte Frage lautete: "Hätten wir ohne Westenthaler gewonnen?" – nämlich das Match.

Ich frage, Herr Präsident: Hätten die SPÖ und die Grünen mit Gusenbauer und Van der Bellen die heutige Budgetdebatte gewonnen? (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Brosz fünfte Frage lautete: "Was kann die Nationalmannschaft dafür?"

Ich frage: Wie wirkt sich die Abwesenheit von Gusenbauer und Van der Bellen auf die Sanktionen der EU-14 aus?

Ich werde diese Anfrage nicht schriftlich stellen, denn die Antworten auf meine Fragen kann ich mir selbst geben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Leikam: Richtig putzig war die Rede! Eine putzige Rede, richtig liab! – Abg. Steibl  – in Richtung SPÖ –: Das tut euch weh! Das stört euch!)

14.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

14.27

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie! Zuerst eine kurze Bermerkung im Zusammenhang mit den Ausführungen meiner Vorrednerin.

Herr Präsident! Ich möchte die Fragen meiner Vorrednerin ergänzen mit der Frage hinsichtlich der beiden abwesenden Klubobmänner Khol und Westerthaler. (Rufe bei den Freiheitlichen: Westenthaler ist da! – Abg. Ing. Westenthaler  – mit der Hand winkend –: Maier! Maier! – Abg. Schwarzenberger  – in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler –: Kollege Maier, hier sitzt Westenthaler!)


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Noch ein Wort an die Adresse meiner Vorrednerin: Unter dem Deckmantel der Sanierung des Staatshaushaltes wird, Kollegin Frieser, den "kleinen" Leuten das Geld aus der Tasche gezogen. Es wird eine Politik zu Lasten der "kleinen" Leute gemacht. Ich möchte das namens unserer Fraktion eindeutig festhalten. Es wird behauptet, man müsste den Staatshaushalt sanieren, in Wirklichkeit macht man eine Umverteilung: Die Großen werden begünstigt, und den Kleinen zieht man das Geld aus der Tasche. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leikam: So ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Obersten Organen kommen in einer parlamentarischen Demokratie unverzichtbare Aufgaben zu. Dazu gehört auch der Herr Bundespräsident als Staatsoberhaupt. Sie verdienen den Respekt der österreichischen Politiker. Umso unverständlicher war für uns und für die breite Öffentlichkeit die Beschimpfung, die zuerst nicht dementiert, dann dementiert, jetzt wiederum durch den Klubobmann der Freiheitlichen Partei bestätigt wird.

Kollege Westerthaler! Sie haben hier ... (Abg. Mag. Firlinger: Westen thaler!) Kollege Westen thaler! Sie haben hier von dieser Stelle aus zu einer Deeskalation der Worte aufgerufen. – Dazu darf ich Ihnen sagen: Kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür, Kollege Westenthaler, denn mit dieser Beschimpfung hat man dem österreichischen Volk, der österreichischen Demokratie und den Obersten Organen enorm unrecht getan! Zeigen Sie Rückgrat und bekennen Sie sich auch zu einer Losung, die für jeden gewählten Abgeordneten dieses Hohen Hauses gelten sollte: Herr Hilmar Kabas, treten Sie zurück! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker hält ein Flugblatt in die Höhe, auf dem die Überschrift lautet: "SP-Drohung mit den Waffen!")

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Staat, Parlamentarismus und neue Medien sind miteinander verflochten, denn der Staat und die parlamentarische Repräsentationsfunktion sind auf Öffentlichkeit angewiesen – und die neuen Medien gestalten wiederum diese Öffentlichkeit mit aus. Fest steht, dass es Möglichkeiten der sinnvollen In-Dienststellung neuer Medien für die staatliche und parlamentarische Repräsentation gibt. Neue Informations- und Kommunikationstechniken helfen mit, Repräsentationsprobleme zu überwinden.

Der technische und technologische Fortschritt ist für die Politik daher nutzbar zu machen. Dies gilt für die Obersten Organe im selben Umfang wie für die einzelnen Bundesministerien. – Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das Angebot des österreichischen Parlaments, während sich die Angebote anderer Oberster Organe sozusagen noch in den Kinderschuhen befinden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Allein im März wurden auf der Homepage des Parlaments mehr als 1 Million Zugriffe verzeichnet. Das Parlament zählt innerhalb des öffentlichen Dienstes zu den Vorreitern eines modernen elektronischen Angebots. Dieses Angebot wird ständig erweitert und zurzeit evaluiert. Dieses Angebot kommt allen Fraktionen zugute. Daher gilt unser Dank der Parlamentsdirektion, insbesondere der EDV-Abteilung unter der Leitung von Hans Hopf. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die Bundesregierung hat sich mit diesen neuen Technologien auseinander gesetzt. Eine Computer- und Internet-Offensive e-Austria, ein e-Government, wurde angekündigt. Bis zum Jahre 2004 sollte der Großteil der Amtswege online über Internet abgewickelt werden. – Keine einzige Aussage wurde jedoch über die Finanzierung dieser Offensive gemacht. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, Sie versprechen den Menschen das Blaue vom Himmel, und Ihre Vizekanzlerin ist nicht in der Lage, dafür genaue Finanzierungskonzepte vorzulegen.

Man kann dazu nur sagen: Hinsichtlich der neuen Technologien läuft Ihnen, der Regierung, die Zeit davon – und in Zukunft werden Ihnen auch die Wähler davonlaufen. (Abg. Schwarzenberger: Ihnen! – Abg. Böhacker: Hoffentlich kommt nicht ein "I love you"-Virus!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch auf einen anderen Aspekt eingehen. – Dem Herrn Bundeskanzler untersteht seit dem In-Kraft-Treten der Bundesministeriengesetz-Novelle auch die Vollziehung des Europarechtes. – Der Herr Bundeskanzler ist jetzt leider nicht hier. (Abg. Schwarzenberger: Aber er war hier!) – Ich möchte auf eine Jugend


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sünde von ihm aufmerksam machen: Er war es, der 1994 als Wirtschaftsminister unter dem Druck der Wirtschaftskammer – er ist dem Lobbyismus der Wirtschaftskammer erlegen – die Pauschalreiserichtlinie der Europäischen Union, insbesondere den Artikel 7, nicht fristgerecht und fehlerhaft umgesetzt hat (Abg. Dr. Fekter: Geh! Geh!)  – mit dem Ergebnis, dass Österreich im letzten Jahr vom Europäischen Gerichtshof hiefür verurteilt wurde.

Insgesamt hat diese Fehleinschätzung des jetzigen Herrn Bundeskanzlers den österreichischen Steuerzahler bisher 30 Millionen Schilling gekostet. Diesen Betrag mussten die Steuerzahler dafür zahlen, dass der damalige Wirtschaftsminister Schüssel diese Richtlinie fehlerhaft umgesetzt hat.

Da muss man sich schon fragen: Was passiert jetzt, wo der Herr Bundeskanzler dafür zuständig ist? Wurde da nicht der Bock zum Gärtner gemacht? Es gibt auch noch weitere Probleme in diesem Bereich, und ich habe dem Herrn Bundeskanzler damit zusammenhängende Fragen im Budgetausschuss bereits gestellt.

Meine Damen und Herren! Österreich ist jenes Land, das am häufigsten von der Europäischen Union geklagt wird: 13 Vertragsverletzungsverfahren, 95 Vorabentscheidungsverfahren (Abg. Dr. Trinkl: Alle innerhalb der letzten 100 Tage?), und – und das ist das Wesentliche, meine sehr verehrten Damen und Herren! – die meisten Fehler passieren in den Bundesländern. Daher ist die Frage berechtigt, welche Möglichkeiten der Herr Bundeskanzler wahrnimmt, um sicherzustellen, dass die Bundesländer und andere Gebietskörperschaften europarechtliche Bestimmungen entsprechend umsetzen.

Tirol ist da "führend", meine Damen und Herren, und zwar mit insgesamt sieben Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof wegen nicht fristgerechter sowie fehlerhafter Umsetzung. – Uns würde schon interessieren, auf wie hoch sich die Vertretungskosten der Republik Österreich wegen dieser fehlerhaften Umsetzung durch andere Gebietskörperschaften beliefen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss kommen. (Abg. Dr. Trinkl: Gerne! Sehr gerne!) Sie haben – ich meine damit die neue österreichische Bundesregierung genauso wie diese parlamentarische Mehrheit – Ihr Belastungsziel, wie wir es nun wissen, noch nicht erreicht. Sie schnüren trotz steigender Konjunktur bereits ein weiteres Sparpaket und werden den "kleinen" Leuten weiterhin das Geld aus der Tasche ziehen.

Die sozialdemokratische Fraktion wird diesem Belastungspaket und allen weiteren, die noch folgen werden, die Absage erteilen, und Sie können nicht erwarten, dass wir diesem Budget zustimmen werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

14.36

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Meine Damen Volksanwältinnen! Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Maier hat ein Kunststück zuwege gebracht, nämlich jenes Kunststück, jemanden zum Rücktritt aufzufordern, der gar nicht Abgeordneter hier im Nationalrat ist. Er hat nämlich Herrn Hilmar Kabas hier herinnen zum Rücktritt aufgefordert. Das ist ja ein Beitrag von unfreiwilliger Komik! Das hat man ja überhaupt noch nie erlebt! Ganz abgesehen davon gilt selbstverständlich, Herr Kollege Maier, wie auch Sie ganz genau wissen, auch für Herrn Hilmar Kabas die Unschuldsvermutung. Diese Aussage ist bestritten – und bis zum Beweis des Gegenteils gilt sie als nicht gefallen.

Aber wenn Sie schon so sensibel sind, Herr Kollege Maier, dann frage ich Sie: Wie kommentieren Sie denn dann etwa die Äußerungen Ihres Obmannes in Wien vom 1. Mai? Es sagte nämlich Herr Häupl, die Regierung gehöre "aus dem Amt gejagt". Was sagen Sie denn dazu? Ist Ihnen da die Ausdrucksweise angemessen?


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Oder was sagen Sie dazu, dass man eine gesamte Partei und ihre Exponenten als "mieselsüchtige Koffer" bezeichnet hat? – Da sind Sie nicht sensibel! Aber wenn es um Ihre eigene Partei geht, wenn es um Ihre eigenen Belange geht, ist Ihnen jeder Kraftausdruck recht. Wenn es um Belange der Regierenden geht, legen Sie einen völlig anderen Maßstab an. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Außerdem, Herr Kollege Maier, möchte ich Ihnen sagen: Wir wissen es auch ganz genau zu werten, wenn Sie, und zwar immer wieder, vom Kollegen Wester thaler sprechen, wie das übrigens auch Herr Cap schon mehrmals in Diskussionen im ORF getan hat. Welche Assoziation damit erreicht werden soll, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist allen klar. Aber diese Geisteshaltung, die da dahintersteckt, disqualifiziert sich von selbst. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Dr. Fekter.  – Abg. Dr. Mertel: Herr Hojac schon?)

Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, komme ich auf das Kapitel Oberste Organe zu sprechen, und da beschäftige ich mich im Besonderen mit dem Verfassungsgerichtshof. Wenn Sie auf dem Ring fahren und von der Babenbergerstraße in Richtung Parlament kommen, so können Sie das äußere Burgtor sehen, und da ist ein Spruch eingemeißelt, der folgendermaßen lautet: "Justitia regnorum fundamentum". Das heißt: Die Gerechtigkeit ist das Fundament der Regierenden.

Wenn man das jetzt sozusagen republikanisch aufwertet, heißt das nichts anderes, als dass der Rechtsstaat insgesamt gerecht zu sein hat. Und für welches Gericht trifft dieses Postulat, ja dieser kategorische Imperativ am besten zu? – Das ist doch der Verfassungsgerichtshof, denn der Verfassungsgerichtshof entscheidet nicht etwa über Bassena-Streitigkeiten, entscheidet nicht über Körperverletzungen, sondern er ist der Hüter unserer Bundesverfassung und entscheidet über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen, über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen und auch etwa über Wahlanfechtungen. Er entscheidet als Sonderverwaltungsgerichtshof, wenn verfassungswidrig entschieden worden sein sollte. Und er entscheidet auch über Individualanträge auf Aufhebung von Verordnungen und Gesetzen von direkt betroffenen Bürgern.

Nicht zu vergessen ist auch die Gesetzes- oder Verordnungsprüfung, die ordentliche Gerichte einleiten, wenn sie Zweifel haben, ob ein Gesetz verfassungswidrig ist oder eine Verordnung gesetzwidrig.

Die Wichtigkeit der Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofes führt zwangsläufig dazu, den Bestellungsvorgang näher zu untersuchen, denn der Bestellungsvorgang ist das Wichtigste beim Verfassungsgerichtshof.

Wie wird man Verfassungsrichter? – Wir wissen aus der allgemeinen Gerichtsbarkeit, dass sich die Gerichtsbarkeit durch Personalsenate nach dem Prinzip der Selbstergänzung ergänzt. Beim Verfassungsgerichtshof ist es anders. Es gibt 14 Richter des Verfassungsgerichtshofes. Alle werden vom Bundespräsidenten ernannt: acht auf Vorschlag der Bundesregierung und je drei auf Vorschlag des Nationalrates und des Bundesrates.

Ich hatte schon mehrmals die Ehre, im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens bei den entsprechenden Hearings im Nationalrat anwesend zu sein, und ich konnte mich des Eindruckes nicht erwehren, dass nicht etwa jener, der sich dort am besten präsentiert hat, Verfassungsrichter wurde, sondern dass schon vorab abgesprochen war, wer neuer Verfassungsrichter werden sollte. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über diesen Bestellungsvorgang sollten wir nachdenken.

Gleichfalls nachdenken sollten wir über die so genannte dissenting opinion. Solange der Verfassungsgerichtshof von sich aus nicht bereit ist, sich damit zu befassen, sollten wir von dieser "dissenting opinion" abgehen – im Sinne dessen, was etwa der Präsident des Schweizerischen Gerichtshofes sagte: individuell in der Entscheidungsfindung, aber dann solidarisch in der Vertretung des Urteiles.


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Dem Verfassungsgerichtshof ist großer Dank auszusprechen für seinen Mut, den er immer wieder gefunden hat, etwa in der Frage der Familienbesteuerung oder bei der Entscheidung hinsichtlich Telekom-Control. Der Verfassungsgerichtshof hat jetzt auch angedeutet, dass er in Hinkunft die vielen Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag nicht mehr als eigene Verwaltungseinheiten anerkennen wird, weil es da zu einer Verkürzung des Verwaltungszuges kommt. Da wird mit Aufhebung vorgegangen.

Der Verfassungsgerichtshof hat auch davon gesprochen, dass er bei einer gehäuften Änderung der Bundesverfassung durch das Parlament – wozu ja das Parlament ständig befugt ist – von einer Gesamtänderung der Verfassung, die einer Volksabstimmung bedürfte, ausgehen könnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch einen besonderen Dank aussprechen, und zwar keinem Geringeren als dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Ludwig Adamovich. Herr Dr. Adamovich hat es wirklich vorbildhaft verstanden, das Ansehen der Republik Österreich im Ausland gerade jetzt, wo es die Sanktionen der EU-14 gegen Österreich gibt, blendend darzulegen. Ich darf Ihnen aus einer APA-Meldung Folgendes dazu vorlesen:

"Die Lissaboner Erklärung, mit der die 14 EU-Partner Österreichs nach der freiheitlichen Regierungsbeteiligung die Einfrierung der bilateralen Beziehungen beschlossen haben, sei ein Rechtsakt und nicht einfach eine politische Erklärung." – Das heißt, Herr Dr. Adamovich sagte im Ausland, dass dieser Rechtsakt anfechtbar wäre.

Er sprach des Weiteren im Ausschuss für EU-Angelegenheiten vor dem französischen Senat. Ich zitiere: "In seiner Rede vor dem Senat erklärte Adamovich, dass man die FPÖ am Maßstab der politischen Ethik messe. Ein Vergleich mit Hitler sei völlig absurd. Zur Gewalttätigkeit wird nicht aufgerufen, sie sei auch nicht existent."

"Rassistische Äußerungen" – und jetzt passen Sie bitte auf!, und gerade heute hat wieder der Obmann der sozialdemokratischen Fraktion, Herr Gusenbauer, von der FPÖ als einer "rassistischen" Partei gesprochen – "sind mir nicht bekannt" (Abg. Edlinger: Das ist eine subjektive Wahrnehmung, keine juristische Festlegung!), erklärte Herr Adamovich, der oberste Hüter unserer Bundesverfassung, im Ausland, im Senat in Frankreich. Das sagte er betreffend die FPÖ. "Haider selbst ist da überaus vorsichtig", so Adamovich wortwörtlich.

Herr Adamovich sagte weiters: "Die oft etwas rüde Sprache Haiders verdeckt einen positiven Aspekt, den man nicht übersehen sollte." Adamovich betonte, dass sich der Kärntner Landeshauptmann ausdrücklich von der Deutschtümelei distanziert habe und in diesem Fall glaubwürdig sei. Und Adamovich schließt mit den Worten:

"Ich meine also, dass die Einbindung der FPÖ in die Regierungsverantwortlichkeit geeignet ist, Verantwortungsbewusstsein gegenüber Polemik und Demokratie zu fördern. Die Vorstellung, dass man nun mit gehäuften Rechtsbruch zu rechnen habe, halte ich für absurd." – Zitatende.

Dies sagt nicht die FPÖ, sondern dies sagt der oberste Hüter unserer Bundesverfassung, der auch in Ihren Reihen (in Richtung SPÖ blickend) sehr geschätzte Professor Ludwig Adamovich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gelangt nun Frau Volksanwältin Korosec. – Bitte.

14.45

Volksanwältin Ingrid Korosec: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als derzeitige Vorsitzende darf ich Ihnen, Herr Dr. Kräuter, mitteilen, dass es wirklich eine Unterstellung ist, was Sie hier gesagt haben, und zwar nicht nur im Namen von uns drei derzeitigen Volksanwälten, sondern auch im Namen aller Volksanwälte, die seit 23 Jahren in unserem Lande objektiv gehandelt haben.


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Ich muss Ihnen sagen: Gerade die Bürger schätzen an der Volksanwaltschaft, dass deren Anwälte objektiv agieren. Ihre Unterstellung; Herr Dr. Kräuter, geht völlig ins Leere. Während der 23-jährigen Tätigkeit der Volksanwaltschaft gab es ja in Österreich mehrere Regierungen, aber noch nie wurde hier im Hohen Hause von einem Repräsentanten irgendwo angemerkt, dass die Volksanwaltschaft parteipolitisch tätig wäre. – Ich sage Ihnen: Über diese Unterstellung, die Sie, Herr Abgeordneter, heute hier gemacht haben, sind wir wirklich empört! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich danke jenen Kollegen, in erster Linie dem Kollegen Donabauer, die auch Vorschläge zur Stärkung der Volksanwaltschaft gebracht haben. Drei Bereiche wurden dabei angesprochen:

Erstens – das ist auch im Demokratiepaket vorgesehen –: ein Initiativrecht für die Volksanwaltschaft, wenn sie Vorschläge für Gesetzesänderungen hat. Ich halte das für sehr wichtig, und zwar nicht für uns Volksanwälte, sondern für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande, und ich würde mich sehr freuen, würde der Antrag 98/A betreffend das Gesetzesinitiavrecht vom Hohen Hause beschlossen werden.

Der zweite Bereich betrifft die Ausgliederungen. – Es wird sehr viel ausgegliedert, nicht privatisiert. Alles, was privatisiert ist, kann nicht – das brauchen wir nicht zu diskutieren – der Kontrolle der Volksanwaltschaft unterliegen. Aber wenn es um ausgegliederte Bereiche geht, wie zum Beispiel den Bereich Bundesforste, den Bereich Wiener Stadtwerke, die Bereiche Straßenbahn, Post, Bahn, Bundestheater, Bereiche, die noch zu 100 Prozent im Staatsbesitz sind, meinen wir, dass die Volksanwaltschaft, wie schon davor, prüfen sollte.

Wie wollen Sie einem Bürger, der beispielsweise Probleme mit den Wiener Verkehrsbetrieben hat, erklären, dass das jetzt etwas Privates sei, obwohl es im 100-prozentigen Besitz des Staates ist und wir Bürger eigentlich die Eigentümer sind? – Wir fordern daher eine Gleichstellung mit dem Rechnungshof, dass nämlich überall dort, wo mehr als 50 Prozent des Stamm-, des Grund- oder des Eigenkapitals in öffentlicher Hand sind, auch die Volksanwaltschaft die Prüfmöglichkeit bekommt.

Der dritte Punkt, den auch Sie, Herr Dr. Kräuter angesprochen haben, betrifft die Justizverwaltung, den gesamten Justizverwaltungsbereich. Auch da ist bekannt, dass die Volksanwaltschaft seit dem Jahre 1977 die Justizverwaltung und die Staatsanwaltschaft prüfen kann – und sie tut dies auch. Das, was jetzt im Demokratiepaket vorgeschlagen wird, wäre eine leichte Verstärkung unserer Prüfzuständigkeit, und zwar dass wir dann, wenn es notwendig erscheint, einen Fristsetzungsantrag bei Gericht für den Bürger stellen können.

In der Regel beziehungsweise in den meisten Fällen bewirkt bereits das Ersuchen beim Justizminister oder bei den Präsidenten der Gerichtshöfe um Stellungnahme, warum eine Verschleppung vorkommt, eine Beschleunigung des Verfahrens.

Daher hat mich die öffentliche Diskussion, die da in den letzten Wochen stattgefunden hat, sehr überrascht, vor allem deswegen, weil sie so heftig geführt wurde. Das zeigt mir aber, wie wichtig und notwendig Verbesserungen in diesem Bereich sind. Eines kann man nämlich nicht wegdiskutieren: Wenn bei jedem Sprechtag und jeden Tag im Posteinlauf Probleme der Gerichtsbarkeit bei der Volksanwaltschaft aufgezeigt werden, dann ist eben Handlungsbedarf gegeben.

Wir haben mit dem Justizminister ein Gespräch darüber geführt. Es ist jetzt eine Arbeitsgruppe eingesetzt, von der sinnvolle Vorschläge erarbeitet werden sollen. Das soll uns recht sein, denn eines ist sicher: Die Verfahren müssen rascher, zügiger und vor allem auch bürgerfreundlicher werden. Ich kann, ich will, ich darf und ich werde Augen, Mund und Ohren nicht verschließen, wenn Menschen mit ihren Problemen zu uns kommen und uns diese mitteilen, denn es muss ja das Ziel aller sein, dass man den Staat mehr vermenschlicht – und nicht, dass man den Menschen mehr verstaatlicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Volksanwälte und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten gerne und, wie ich meine, auch sehr engagiert ihren Beitrag dazu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.51


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22. Sitzung / Seite 91

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kräuter zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.52

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Frau Volksanwältin Korosec hat ausgeführt, ich hätte der Volksanwaltschaft unterstellt, sie würde parteipolitisch agieren. Das ist nachzulesen. – Das entspricht nicht den Tatsachen!

Ich habe ausschließlich – und das ist richtig – die Absichten der Herren Khol und Westenthaler mit der Volksanwaltschaft aufgedeckt, und diese gehen ganz eindeutig in Richtung einer Politisierung der Volksanwaltschaft. Sie planen einen Regierungsstoßtrupp für Gesetzesinitiativen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Bevor ich Frau Abgeordneter Mag. Plank das Wort erteile, möchte ich noch feststellen, dass mir das Protokoll über die Rede des Herrn Abgeordneten Gusenbauer nunmehr vorliegt. Er hat wortwörtlich ausgeführt: "In der Europäischen Union gibt es viele, die bereit sind, darüber nachzudenken, wie man aus dieser Situation herauskommen kann, denn die Existenz fremdenfeindlicher, teilweiser rassistischer Parteien ist nicht ein Sonderphänomen der FPÖ, solche Parteien gibt es auch in anderen Staaten Europas."

Damit erscheint für mich der Vorwurf, dass die FPÖ eine teilweise rassistische Partei ist, von Herrn Abgeordneten Gusenbauer erhoben worden zu sein. Das rechtfertigt für mich nicht nur einen Ordnungsruf, sondern ich möchte feststellen, dass wir alle miteinander eine Verpflichtung haben, denn wenn wir in diesem Hause leichtfertig einen derartigen Vorwurf erheben, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich andere Staaten, wenn Persönlichkeiten aus anderen Ländern, die nicht die Möglichkeit haben, den Wahrheitsgehalt eines solchen Vorwurfs zu überprüfen, derartigen Vorwürfen anschließen.

Ich bitte, peinlichst genau darauf zu achten, dass Derartiges nicht wieder vorkommt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bitte jetzt Frau Abgeordnete Mag. Plank um ihre Ausführungen.

14.54

Abgeordnete Mag. Brunhilde Plank (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank und im Saal! Zu Ihrer letzten Feststellung, zum Zitat eines Teils des Protokolls über die Ausführungen von Herrn Abgeordneten Gusenbauer von heute erlaube ich mir eine Bemerkung, Herr Präsident: Wer Wahlwerbung betreibt, indem er auf Menschen nicht nur mit dem Finger zeigt, sondern einzelne Gruppen ganz dezidiert anspricht, ausgrenzt, pauschal verdächtigt und verurteilt, der darf sich nicht über diesen Vorwurf wundern, darüber, dass er als fremdenfeindlich und als rassistisch eingestuft wird. Es ist das eine Tatsache und in vielen Pamphleten zur Wahl nachzulesen. (Widerspruch bei den Freiheitlichen. – Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe hier auch Gelegenheit, noch auf anderes, was heute schon einige Male von diesem Rednerpult aus gesagt wurde, Bezug zu nehmen. Da wir uns in einer Budget-Generaldebatte befinden, haben sich wesentliche Wortführer der Regierungsparteien auch zu Wort gemeldet. Und immer wieder entsteht der Eindruck, als könnte man sich am ehemaligen Finanzminister Edlinger hier abputzen und könnte ihm im Nachhinein noch Ohrfeigen für etwas erteilen. (Abg. Wattaul: Nicht "abputzen"!)

Sie putzen sich ab. Ich habe mir deshalb vorgenommen, ein Zitat des Herrn Klubobmannes Khol hier vorzulesen – wörtlich –:

"Ich möchte mich bei Rudi Edlinger, dem Herrn Bundesminister für Finanzen, sehr herzlich dafür bedanken, daß er mit dem Kollegen Minister Hannes Farnleitner einen rationalen und nachvollziehbaren Planungsprozeß für dieses Budget vorgenommen hat."


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Dies sagte Dr. Khol anlässlich einer Debatte am 15. April 1998 hier in diesem Saale. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn das nicht als Beweis dafür gelten kann, dass diese Partei auch in Regierungsverantwortung mit dabei war, was denn dann, wenn diese Worte nicht mehr zählen und nicht mehr gelten?

Ich frage mich: Wo war denn die ÖVP in den letzten 13 Jahren? Wie hat sie sich in die Regierungsarbeit, in die Regierungsverantwortung eingebracht? Und schön langsam frage ich mich auch: Wie schafft sie es, sich jetzt einzubringen? Wird sie auch später nichts mehr davon gewusst haben, was sie den Österreicherinnen und Österreichern antut? – Diese Frage steht im Raum. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte mich in meinem Debattenbeitrag in erster Linie mit einem der oberen Organe, mit dem Rechnungshof beschäftigen. Ich möchte vor allem Ihnen, Herr Präsident Fiedler, einmal meinen Dank für Ihre Arbeit aussprechen und würde Sie auch bitten, diesen Dank an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzugeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe in sehr eindrucksvoller Weise im Ausschuss einige Male bereits Gelegenheit gehabt, zu erleben, wie wichtig dieses Instrument des Rechnungshofes für die politische Landschaft und für die politische Arbeit in Österreich ist.

Ich möchte auch gern hinweisen auf die Akzent gebende Verantwortung, die Sie im Rahmen der Organisation INTOSAI übernehmen, und auch auf das, was Sie in der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Rechnungshof leisten, weil hier gezeigt wird, dass Gemeinsames und Synergieeffekte genutzt werden können. Ich danke Ihnen für diese Bereitschaft und diese Offenheit. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie wichtig Ihre Arbeit ist, konnte man ganz deutlich am Wahrnehmungsbericht über die Konsolidierungspakete 1996 bis 1998 sehen. Besonders zwei Ministerien sind damals negativ aufgefallen, nämlich das Bundesministerium für Unterricht und das Bundesministerium für Landesverteidigung.

Sie haben sehr nachdrücklich bewiesen, dass im Bereich der Landesverteidigung ein langfristiger Investitionsplan fehlt, und ich meine, dass solche Informationen gerade jetzt jede Menge an Brisanz bieten, auch für die Zukunft, und zwar anlässlich der neuen Budgethandschrift, die sich im Budget 2000 nachlesen lässt: Belastungen ohne soziale Balance, Budget ohne soziale Gerechtigkeit, den Armen nehmen und den Reichen geben. (Abg. Böhacker: Applaus! – Beifall bei der SPÖ.) Richtig, allerdings verdienen diese Maßnahmen keinen Applaus, aber wir müssen darauf hinweisen; das ist unsere Pflicht.

Unter diesem Blickwinkel sehe ich auch die Anregungen, die der Rechnungshof wieder im Hinblick auf einen langfristigen Investitionsplan für ein Unternehmen, das da Bundesheer heißt und das noch dazu hoch verschuldet ist, gemacht hat.

Diese Thematik hat sich im Rechnungshof bereits als Dauerbrenner erwiesen. Jahre im Voraus ist das österreichische Bundesheer belastet und verschuldet, und jetzt stehen neue Anschaffungen bevor. Was heißt das dann für das Budget? Was heißt das für die Österreicherinnen und für die Österreicher in Zukunft? Wer wird die neuen Anschaffungen bezahlen? – Alle Pendler und Pendlerinnen? Alle Strombezieher? Alle Frauen? Alle Zivildiener? Was heißt das, wenn die Regierung sagt: Wir sparen bei uns?

Herr Präsident Fiedler hat im Budgetausschuss deutlich gezeigt, dass er nicht besonders zuversichtlich ist, dass sich in dieser Richtung etwas ändern wird.

Ich erlaube mir, eine Aussage zu zitieren: Es wäre zu hoffen, dass nun endlich in diesem wesentlichen Bereich Aktivitäten gesetzt werden. – Das, meine ich, wäre tatsächlich zu hoffen.


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Der Rechnungshof hat bewiesen, dass er in seine Arbeit Anregungen aufnimmt, dass er jahrelange Forderungen, so zum Beispiel die Beiziehung von Experten, positiv bewertet und das auch macht. Allerdings sind mir einige Budgetposten in der Verteilung nicht ganz klar und nicht wirklich nachvollziehbar, weil sie nicht detailliert aufgelistet sind, vor allem bei dieser Beiziehung von Experten.

Was mir aber bedenklicher erscheint, ist, dass das auch für das Budget 2000 zu sagen ist. Ein Beispiel haben wir in der letzten Sitzung hier diskutiert, wo es um den Bereich Zivildienst gegangen ist und wo wir gemerkt haben, dass mit weit überhöhten Einnahmequoten gerechnet wird und dass dieses Budget ein geschöntes Budget ist. Die gleiche Gefahr besteht auch jetzt wieder, denn Ziel sollte es sein, die Maastricht-Kriterien zu erreichen. Es ist aber mehr als fraglich, ob mit diesem Budgetansatz und ohne Strukturreformen die Maastricht-Kriterien erreicht werden können. Dieser Ansatz geht nämlich eindeutig davon aus, dass die Länder ihre Vorgabe, 0,5 Prozent an Überschuss zu erwirtschaften, einhalten können. Allerdings stimmen die Signale aus den Ländern diesbezüglich nicht besonders positiv, und es scheint zu optimistisch gedacht zu sein.

Umso fraglicher wird das Erreichen dieses Zieles sein, da jetzt den Gemeinden noch viele zusätzliche Milliarden auf Grund der schlechten und verpfuschten Regelung bezüglich Getränkesteuer-Ersatzlösung fehlen werden. (Abg. Schwarzenberger: Eine Milliarde, nicht viele!)

Und was da hereinkommt, zahlen wieder der "kleine" Mann und die "kleine" Frau, von denen Sie so gerne sprechen. Das ist eine Budgetpolitik, die nach dem Prinzip Hoffnung agiert und nicht mit klaren Fakten und klaren Zahlen.

Das Budget, das hier vorgelegt wird, ist nicht auf Europakurs – und es ist auch nicht auf Kurs Rot-Weiß-Rot. Das würde ich Herrn Klubobmann Khol gerne sagen. (Beifall bei der SPÖ.) Rot-weiß-rot sind alle Bürgerinnen und Bürger in Österreich. In diesem Fall zahlen aber die sozial Schwächeren unverhältnismäßig viel.

Zum Schluss würde ich gerne einen Appell an den Herrn Präsidenten des Rechnungshofes richten: Herr Präsident Fiedler, schauen Sie in Zukunft dieser Regierung genauso gut auf die Finger wie den vorhergehenden, und beachten Sie auch den Aspekt der sozialen Treffsicherheit, denn das muss Ziel gerechter Politik sein, aber nicht das Lob einer leistungsfähigen, tüchtigen Ellbogengesellschaft, der diese heutige Regierung das Wort redet! Gegensteuern ja, aber nicht auf dem Rücken sozial Schwacher. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mühlbachler. – Bitte.

Frau Abgeordnete Plank ersuche ich, zu mir auf das Präsidium zu kommen. (Abg. Mag. Mühlbachler  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Mit der muss ich auch noch ein Hühnchen rupfen!)

15.03

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Volksanwältinnen! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Hoch geschätzter Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Budgetdebatte zeichnet sich durch eine beinahe gebetsartige Wiederholung von falschen Argumenten seitens der Oppositionsparteien aus. Ich möchte das jetzt anhand der Argumentation, die gerade Frau Mag. Plank gebracht hat, demonstrieren. Sie monierte beispielsweise, dass die Mindereinnahmen aus der Getränkesteuer, die die Gemeinden hätten, zu Lasten der "kleinen" Leute gingen. Das heißt im Gegenzug, sie ist der Meinung, würde man die Getränkesteuer in der alten Form einheben, dann wäre das zugunsten der "kleinen" Leute. – Bitte, eine größere Falschmeldung habe ich von dieser Stelle aus noch kaum gehört. (Abg. Dietachmayr: Welches Argument war falsch, bitte?)

Überlegen Sie doch einmal Folgendes: Der "kleine" Mann zahlt für eine Halbe Bier genau dasselbe wie der "große" Mann. Das spielt genau in das hinein, was Abgeordneter Kogler unter


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dem Begriff "regressive Verteilungswirkung" gebracht hat. Die Argumentation geht bei den Politikern der Oppositionsparteien kreuz und quer.

Ich kann euch aber eines sagen: Ihr könnt euch bewähren, wenn es darum geht, den abgestuften Bevölkerungsschlüssel im Zuge des Finanzausgleiches zu diskutieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Bravo!) Dort gibt es die größten Ungerechtigkeiten, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wie sollen wir bitte unseren Bürgern landauf, landab erklären, dass beispielsweise ein Bürger von Freistadt ein Eindrittel wert ist und der Bürger von Wien zwei Eindrittel wert ist? Bitte, da geht es um regressive Verteilungswirkung, und da können Sie dann beweisen, wie ernst es Ihnen tatsächlich mit Ihren Beteuerungen hier herunten ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da entstehen die größten sozialen Ungerechtigkeiten, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissen Sie, was daraus resultiert? – Es wird aus ländlich schwachen Regionen Geld abgezogen und hin zu den starken Zentren transferiert. Das bedeutet, Frauen in ländlich schwachen Regionen dürfen die Kinder zur Welt bringen, dürfen sie aufziehen, dürfen sie ausbilden, können ihnen aber auf Grund dieser Ungerechtigkeit des Finanzausgleiches leider keine Heimat mehr bieten, weil kein Arbeitsplatz mehr vorhanden ist!

Liebe Sozialdemokraten! Da dürft ihr euch dann bewähren! Wir werden darüber allen Ernstes diskutieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Kräuter! Ich finde, dass es kaum ein anderes Instrument gibt, das tatsächlich das Ohr so intensiv beim Bürger hat wie die Volksanwaltschaft. Daher meinen wir, dass die Volksanwaltschaft auch entsprechende Unterstützung von uns braucht. Diese Unterstützung darf sich nicht nur in irgendwelchen Verbalbekenntnissen erschöpfen, sondern diese Unterstützung haben wir der Volksanwaltschaft zu geben, indem wir ihr auch Gesetzesinitiativität zusprechen. Wer könnte nämlich besser als die Volksanwaltschaft erkennen, weil eben immer sozusagen am Puls der Bevölkerung, wo lang anhaltender Veränderungsbedarf tatsächlich gegeben ist? Daher sollte man meiner Meinung nach diesem Wunsch der Volksanwaltschaft nach gründlicher Debatte entsprechen.

Da kann noch lange nicht die Debatte darüber geführt werden, dass es sich dann um einen "Regierungsstoßtrupp" für Gesetzesinitiativen handeln würde, denn aus meiner Erfahrung als Bürgermeister weiß ich, dass die Bürgerinnen und Bürger die Volksanwaltschaft als objektive Instanz ansehen und Gott sei Dank auch die Erfahrung machen, dass sie das auch tatsächlich ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz kurz noch ein Letztes: Die Rede des Herrn Parteichefs Gusenbauer hat mich zutiefst erschüttert. Er hat hier heraußen den Eindruck gemacht, als würden in Österreich tagtäglich Grauslichkeiten passieren, und er hat unter anderem gesagt, die 14 EU-Länder beurteilen Österreich eben danach, was in Österreich tagtäglich passiert. (Abg. Edler: Ist alles in Ordnung?)

Gegenfrage, Herr Kollege Edler: Was passiert tagtäglich in Österreich? Verweigert sich Österreich durch die Teilnahme der FPÖ an der Regierung signifikant ausländischen Arbeitnehmern, oder verweigern wir ausländischen Familien den Aufbau einer Existenz in Österreich? Wurden in Österreich Asylheime angezündet? (Abg. Dietachmayr: Du weißt doch ganz genau, worum es geht!) Lieber Kollege! Du sagst immer, ich wisse ganz genau, worum es geht. – Ich weiß es nicht! Ich fühle mich keines Verbrechens alleine deswegen schuldig, weil es in Österreich eine gesetzlich gewählte Regierung gibt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Nehmt das bitte einmal zur Kenntnis! (Abg. Sophie Bauer: Nein, das nehmen wir nicht zur Kenntnis!)

Es wäre meiner Meinung nach höchst an der Zeit, dass die Sozialdemokraten in die Verteidigung Österreichs einlenken. (Abg. Dietachmayr: Sagt das alles eurem Koalitionspartner!)


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Und zum Schluss möchte ich auch noch sagen: Mich beunruhigt zutiefst, wenn Professor Van der Bellen und Herr Gusenbauer ins Ausland fahren. Ich würde sie viel lieber hier im Parlament sitzen sehen, denn dann wüsste ich mit großer Sicherheit, dass am nächsten Tag von Seiten der ausländischen Presse nicht wieder irgendein Vorbehalt gegen Österreich kommt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reheis. – Bitte.

15.11

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Herr Kollege Mühlbachler! Ihren Äußerungen, die Sie jetzt gerade von diesem Rednerpult aus gemacht haben, ist schon hinzuzufügen, dass sich gerade die zwei von Ihnen genannten Politiker dieses Hauses sehr wohl sehr darum bemühen, Österreichs Ansehen im In- und Ausland zu erhöhen. Das steht im Gegensatz zu dem, was uns von den Regierungsfraktionen hier immer mitgeteilt wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Der Herr Präsident des Rechnungshofes ist leider im Moment nicht da. Ich bin zu Beginn meiner Rede auf die Ausführungen des Kollegen Mühlbachler eingegangen und beginne jetzt meine eigentliche Rede mit der offiziellen Einleitung, wie es der Höflichkeit dem Hohen Hause gegenüber entspricht.

Ich möchte auch noch auf die Ausführungen des Kollegen Donabauer Bezug nehmen, der hier bestätigt hat, dass die vorige Bundesregierung das Land keineswegs kaputt übergeben hat. Kollege Donabauer, Sie sind einer der wenigen – er ist jetzt leider nicht hier, aber vielleicht können es ihm die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP ausrichten –, die nicht vergessen haben, dass die ÖVP in den vergangenen 13 Jahren Regierungsverantwortung gehabt hat und ebenfalls für das Wohl in unserem Lande mitverantwortlich war. Die Bundesregierung der letzten 13 Jahre hat das Land in Wohlstand, sozialem Frieden und in Anerkennung auf der ganzen Welt übergeben. Dafür sollte man meiner Ansicht nach dieser Bundesregierung auch danken. Man sollte nicht vergessen, dass das geschehen ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Dennoch hat der Edlinger nicht die Wahrheit gesagt!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider hat sich das wesentlich geändert, Herr Kollege Khol. Bei dieser Generaldebatte über das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 werden wir leider des Öfteren von Belastungsangriffen dieser blau-schwarzen Einheitsregierung auf die Geldbörsen der "kleinen" Leute, von einer Belastungswelle, die die Kleineren voll trifft, hören müssen.

Meine Damen und Herren! Beachten Sie folgende Überschrift der heutigen Ausgabe der "Tiroler Tageszeitung": "Tickets für Pendler ab 1. Juni teurer"! – Eine Maßnahme, die heute wieder bestätigt, worum es geht: Es geht gegen die Arbeitnehmer, die sowieso nicht viel verdienen, das sind die Pendler. Im Gegensatz dazu wird den in der Landwirtschaft Tätigen von Minister Molterer versprochen, mit Diesel fahren zu dürfen, der 3 S billiger ist, oder Heizöl zu tanken.

Meine Damen und Herren! Sie machen das Gegenteil von dem, was Sie versprochen haben: Die Pendler, die Arbeitnehmer werden belastet. Mit 1. Juni werden sie es spüren. – Heutige Ausgabe der "Tiroler Tageszeitung". (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist erfreulich, als Mitglied des Rechnungshofausschusses hier auch etwas Positives berichten zu dürfen. Damit meine ich konkret die Berichte des Rechnungshofes, die sehr präzise gearbeitet sind und uns Abgeordneten einen äußerst umfassenden Überblick über die Tätigkeit des Rechnungshofes und auch über die Ergebnisse der vom Rechnungshof gemachten Gebarungsüberprüfungen unterschiedlicher Institutionen und öffentlicher Einrichtungen vermitteln.

Herr Präsident Fiedler ist jetzt leider nicht da, aber ich darf ihm wie meine Kollegin Plank hier von dieser Stelle aus ebenfalls recht herzlich für diese Arbeit danken und ganz besonders für die stets korrekten Anfragebeantwortungen im Rechnungshofausschuss. Das ist nicht selbstverständlich, das ist die korrekte Art des Rechnungshofes und besonders seines Präsidenten.


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Durch die Rechnungshofberichte erfahren wir über korrekt arbeitende öffentliche Einrichtungen, aber auch über aufklärungsbedürftige Ungereimtheiten wie zum Beispiel die vom Rechnungshof aufgezeigten Mängel bei der Alpen Straßen AG, die nicht nach einer Debatte hier im Hohen Haus der Vergessenheit anheim fallen sollen.

Meine Damen und Herren von der ÖVP und den Freiheitlichen! Sie erinnern sich sicherlich noch daran: Sie haben hier im Hohen Hause mit vereinten Kräften eine korrekte Aufklärung der Ungereimtheiten bei der Alpen Straßen AG verhindert. Sie erinnern sich an die vom Rechnungshof aufgezeigten und von mir hier im Hause berichteten Mängel wie zum Beispiel Mängel bei Grundeinlösungen, Mängel bei der Verwertung von Baulosmaterial, Doppelverrechnungen von Leistungen, Vergütung nicht aufgetretener Erschwernisse, Kosten von rund 35 Millionen Schilling pro Jahr durch zusätzlich notwendig gewordene Sanierungsmaßnahmen, und so weiter und so weiter.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Sie erinnern sich auch sicherlich daran: Sie haben eine restlose Aufklärung dieser Rechnungshof-Feststellungen verhindert. Und erinnern Sie sich an die festgestellten Risse im Betongewölbe des gerade fertig gestellten Pianner Tunnels, die auf eine deutliche Abweichung der Berechnungsannahmen von der tatsächlich aufgetretenen Belastung zurückzuführen waren. Die Kosten für die dringend notwendigen Sofortmaßnahmen liegen ebenfalls in Millionenhöhe und bedeuten eine erhebliche Wertminderung des Bauprojektes.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen und der ÖVP! Stellen Sie sich vor, man hätte diesen Tunnel vor der Sichtung dieser Risse für den Verkehr freigegeben! Wären neben den finanziellen Belastungen, die aufgetreten sind, nicht auch Menschen sehr großer Gefahr ausgesetzt gewesen? (Abg. Wattaul: Welcher Minister war da zuständig? War es nicht Minister Einem?) Erinnern Sie sich: Sie haben die restlose Aufklärung dieser Rechnungshof-Feststellungen gemeinsam verhindert.

Erinnern Sie sich auch an die aufklärungswürdige Nichtanwesenheit der vom Bund entsandten Aufsichtsratmitglieder bei ASAG-Sitzungen! Auch dazu hat der Rechnungshof festgehalten, dass dies eine Einschränkung der Kontrollmöglichkeit des Eigentümers bedeutet. Besonders der ÖVP wird das Aufsichtsratmitglied Dr. Michael Sachs, der, wie vom Rechnungshof bestätigt wurde, nur einmal, und zwar anlässlich seiner Wahl, an der Hauptversammlung teilgenommen hat, in Erinnerung geblieben sein, besonders nämlich wegen der Querverbindungen von Dr. Michael Sachs als ehemaliges Aufsichtsratsmitglied der ASAG und Geschäftsführer der ÖVP-EDV-Firma Dico-Soft mit Firmenstandort in der ÖVP-Zentrale Wien.

Erinnern Sie sich an die noch immer nicht aufgeklärten Zusammenhänge zwischen der ÖVP-Firma Dico-Soft und der deutschen Firma Dico-Soft, die im Mittelpunkt der deutschen Spendengeldaffäre rund um Alt-Bundeskanzler Kohl stand! Es wurde noch immer nicht aufgeklärt, was der Name "Schüssel" bedeutet, der sich dreimal im Notizbuch des ebenfalls in diese Causa verwickelten Waffenhändlers Schreiber befindet. (Abg. Dr. Khol: Mein Gott!)

Meine Damen und Herren! Sie hätten beweisen können, dass es Ihnen ernst ist mit einer ehrlichen Aufklärung. Sie hätten mit der Zustimmung zu der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses den Wahrheitsbeweis antreten können. Aber Sie erinnern sich: Sie haben gemeinsam die Aufklärung verhindert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Murauer: Dünner Applaus zu diesem Thema!)

Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass die Wählerinnen und Wähler, besonders die Kleinen und Schwachen der Gesellschaft, die Politik der blau-schwarzen Regierung als Belastung empfinden und eine "Volksabstimmung", sprich Neuwahl, zur Bereinigung der von dieser Bundesregierung in kürzester Zeit geschaffenen Belastungen befürworten würden.

Wir Sozialdemokraten stehen als das soziale Gewissen der österreichischen Politik für eine Änderung jederzeit bereit. Wir stehen für eine ehrliche Aufklärung und Aufarbeitung von Unzulänglichkeiten. – Die Freiheitlichen beweisen täglich, dass sie ihre Wahlversprechungen um den


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Preis einer Regierungsbeteiligung brechen, und zwar ohne Skrupel. Motto der Regierung: Wie versprochen, so gebrochen.

Meine Damen und Herren! Dem steht gegenüber: Sozialdemokraten halten, was sie versprechen! (Abg. Wattaul: Beim Schuldenmachen!) Sozialdemokraten sind der Anwalt der Leute, die keine Lobby hinter sich haben! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich Ihnen noch einen Auszug aus dem Stenographischen Protokoll zur Kenntnis bringen. Im Zuge einer Debatte hat Frau Abgeordnete Dr. Fekter in Richtung SPÖ das Wort "Staatsverräter" gerufen. Das rechtfertigt zweifellos einen Ordnungsruf, Frau Abgeordnete! Ich bitte alle, und zwar alle Mitglieder aller Fraktionen, sich nicht nur zu mäßigen, sondern so, wie es auch Präsident Fischer heute bereits gesagt hat, gerade am ersten Tag einer Budgetdebatte besondere Mäßigung im Ausdruck an den Tag zu legen.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger – Bitte.

15.20

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Hohes Haus! Herr Kollege Reheis, wie haben Sie das gemeint, die Sozialdemokraten hielten alles, was sie versprechen? – Meine Damen und Herren von der SPÖ: Das Einzige, was Sie wirklich können, ist Schulden machen. Politik machen, das können Sie nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: In welchem Land leben Sie denn?) Ich weiß nicht, in welchem Sie leben – ich jedenfalls lebe in Österreich.

Das Thema, über das ich sprechen möchte, ist der Rechnungshof. Meine Damen und Herren! Vertrauen ist gut, aber wie wir alle wissen, Kontrolle ist besser. Kontrolle und Prüfung von diversen Institutionen, das ist und war nie ein lästiges Übel für uns Freiheitliche, ist keine Schikane und kein bloßes Aufdecken von Fehlern, sondern muss und soll vor allem als Chance zur Weiterentwicklung beziehungsweise zur Verbesserung genutzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da ich selbst einmal interner Revisor war, weiß ich, welche Herausforderungen diese Aufgabe an jemanden stellt. Vor allem erhofft, ja erwartet man sich als Prüfer, dass die aufgezeigten Schwachstellen zum Anlass genommen werden, eine Veränderung durchzuführen.

Deshalb erlaube ich mir, mich beim Herrn Präsidenten des Rechnungshofes, der jetzt leider nicht da ist, und auch bei allen Prüfern und Revisoren zu bedanken, und ich darf mir auch erlauben, einen Appell an Sie zu richten, nämlich: Steter Tropfen höhlt den Stein! Geben Sie bitte nicht auf, weil manche Dinge in der Vergangenheit nicht gleich verbessert wurden. Das wird sich jetzt durch diese Regierung nachhaltig ändern. Wir werden Ihre Empfehlungen aufnehmen und auch umsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es gibt jedoch von Gesetzes wegen Prüfungen, deren Kosten-Nutzen-Verhältnis nach den ersten Erfahrungen sehr zu hinterfragen ist. Ich spreche da jetzt vom Einkommensbericht nach dem Bezügebegrenzungsgesetz. Die Offenlegung von Gehältern nach dem Bezügegesetz ist die wichtigste und aufwendigste Prüfung des Rechnungshofes. Alle Bezieher öffentlicher Einkommen, die 80 000 S im Monat übersteigen, müssen gemeldet und mit Namensnennung bis Ende dieses Jahres in einem Bericht veröffentlicht werden.

Rund 10 000 solcher Meldungen hätten bis zum 31. März eingehen sollen. Mit Stichtag 14. April hatten aber erst 2 100 von 5 000 Rechtsträgern diese Meldung gemacht. Laut Gesetz muss der Rechnungshof einen Bericht mit Namen und Einkommen von Spitzenbeamten sowie Managern im staatsnahen Bereich erstellen.

Wird die Mitteilungspflicht nicht eingehalten, so hat der Rechnungshof Einschau in die betreffenden Unterlagen zu halten beziehungsweise daraus einen Bericht zu erstellen. Das heißt, die Prüfer müssen sich die fehlenden Daten selbst besorgen. Meine Damen und Herren! Das


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bedeutet, dass die öffentlichen Institutionen dem Rechnungshof keine Auskünfte geben, obwohl sie vom Gesetz her dazu verpflichtet wären.

Warum diese Institutionen wie zum Beispiel ORF, Pensionsversicherungs-, Sozialversicherungsanstalten et cetera keine oder nur unvollständige Daten liefern, liegt aus meiner Sicht auf der Hand: Sie möchten nämlich Dinge, so sage ich einmal, verheimlichen, denn sonst würde man unter Umständen feststellen, welche Privilegien und Pfründe es vor allem in den SPÖ-dominierten Bereichen gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Sie schlagen wirklich alles!) Frau Kollegin, Sie können sich gerne nachher zu Wort melden.

Die Kosten, die dem Rechnungshof für die Erstellung dieses nichts aussagenden Berichtes entstehen, gehen leider Gottes in die Millionen und gehen auf Kosten anderer, sicher effizienterer Prüfungen, die notwendig wären. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Sie müssen sich vorstellen, es musste für die Erstellung der Einkommensberichte eine eigene Stabsstelle mit 10 bis 15 Personen eingerichtet werden. Es mussten Leiharbeiter beschäftigt werden. Es mussten mit Hilfe von Studenten eine Hotline zur Klärung von Fragen errichtet und Tausende Mahnschreiben verfasst werden, weil die Berichte unvollständig waren, weil sie anonym beziehungsweise eben überhaupt nicht vorhanden waren. Es musste eigens Personal zur Verarbeitung der Daten bereitgestellt werden et cetera. Millionen Schillinge wurden für die Erstellung eines Berichtes ausgegeben, eines Berichtes, den wir Freiheitlichen bereits damals abgelehnt haben, weil er in dieser Form Ressourcen des Rechnungshofes falsch bindet.

Der Rechnungshof ist unsere wichtigste Kontrollinstanz – da sind wir uns wohl alle einig – und sollte nicht, wie das in diesem Fall geschieht, als "Datenfriedhof" missbraucht werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

15.26

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Nur eine kurze Anmerkung zu der Kontroverse um die Rede unseres Parteivorsitzenden und Klubobmannes Gusenbauer. Seiner Anmerkung "teilrassistisch" und der Reaktion des Präsidenten Dr. Fasslabend darauf möchte ich doch noch etwas hinzufügen. (Abg. Dr. Martin Graf: Wo ist denn Gusenbauer jetzt schon wieder unterwegs?)

Hilmar Kabas hat im Wiener Wahlkampf namens der FPÖ gefordert "Schluss mit der Überfremdung!" Das wird Ihnen ja noch geläufig sein. (Abg. Dr. Martin Graf: Sie haben gesagt: "Das Boot ist voll!" Das war Ihr Wahlkampf!) Wenn wir im Buch von Karl-Heinz Brackmann und Renate Birkenhauer "NS-Deutsch – ,selbstverständliche‘ Begriffe und Schlagwörter aus der Zeit des Nationalsozialismus" nachsehen, so finden wir auf Seite 185 das Wort "Überfremdung", und das bedeutet: "zu starkes Eindringen von Nichtdeutschem oder Artfremdem in das deutsche Volk". (Abg. Jung: Das ist ein Terminus aus dem Schweizer Fremdenrecht!) Das ist eine wissenschaftlich erwiesene Definition, wurde von Historikern aufgearbeitet und festgestellt, und daher ist die Verwendung des Wortes "Überfremdung" die Verwendung eines Begriffes aus der Nazi-Zeit. Und das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass Herr Hilmar Kabas das getan hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: "Das Boot ist voll!", haben Sie gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Von Ihrem Koalitionspartner, der ÖVP – das möchte ich schon noch hinzufügen –, wäre eine distanzierende, kritische Anmerkung notwendig. In der damaligen Zeit waren Sie nämlich als politische Partei gar nicht existent, genauso wenig wie die Sozialdemokraten in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur. – Ich denke, dieses Eindringen durch die Ritzen und Löcher solcher Begrifflichkeiten erfordert von allen Demokraten eine klare Antwort.


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Daher, denke ich, war es ganz gut, was Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer dazu gesagt hat. Und "teilrassistisch" ist richtig, denn Hilmar Kabas hat als Teil der ÖVP (Widerspruch bei der ÖVP)  – pardon: der FPÖ! – in einem Wahlkampf das Wort "Überfremdung" verwendet. Das ist aus der Zeit des Nationalsozialismus und daher ein rassistischer Begriff. Daher ist diese Begrifflichkeit richtig, und daher verstehe ich den Ordnungsruf nicht, den Präsident Dr. Fasslabend vorhin erteilt hat. Das möchte ich einmal eindeutig feststellen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Ist das Schweizer Fremdenrecht rassistisch oder nationalsozialistisch?)

Herr Staatssekretär Morak hat mittlerweile hier auf der Regierungsbank Platz genommen. Vielleicht können Sie in einer der Stellungnahmen eventuell auch zu dieser Kontroverse noch etwas sagen. – Herr Staatssekretär, es wird irgendwann langsam zu viel, wenn Sie sich immer wieder nur von der Vergangenheit distanzieren. Ich möchte nur auf Folgendes hinweisen: Auch Sie sind hier gestanden und haben positive Worte zu den Berichten des Staatssekretariats und der Kunstsektion gefunden, daran kann ich mich gut erinnern; Sie haben auch positive Worte gefunden. Man kann nicht, solange man gemeinsam in einer Koalition ist, die Arbeit am Beispiel der Berichte eher positiv kommentieren – sich aber dann, wenn man nicht mehr mit den Sozialdemokraten in einer Koalition und selbst in der Regierung ist, hier herstellen und die Vergangenheit für alles verantwortlich machen. Ich würde Sie schon ersuchen, von dieser Linie abzurücken, da ich denke, dass das für die gemeinsame Arbeit auch in Ihrer Situation kaum etwas bringen wird.

Aber Sie, Herr Staatssekretär Morak, haben jetzt schon begonnen, Ihre Tätigkeit zu entschuldigen. Es geschah dies in einer Diskussion und fand sich dann in einer Presseaussendung wieder. Da sprachen Sie von einer "Trägheit des Faktischen", das heißt, man könnte auch Max Weber über das lange "Bohren harter Bretter" zitieren. Man könnte überhaupt sagen, es dauert alles viel zu lang und es ist alles mit viel zu wenig Veränderungsmöglichkeiten versehen.

Das muss aber nicht so sein! Wenn Sie wirklich eine Kulturrevolution in Gang setzen wollen – was Sie damit anscheinend andeuten, wenn Sie diese "Trägheit des Faktischen" überwinden wollen –, dann können wir damit ja gleich bei diesem beziehungsweise beim nächsten Budget beginnen.

Es steht nirgends geschrieben, dass Sie Finanzminister Grasser sozusagen helfen müssen. Sie, Herr Staatssekretär Morak, können sich auch als Vertreter der Kunstschaffenden, der Kunst, der Kultur präsentieren, indem Sie die Konfrontation mit dem Finanzminister suchen – und nicht nur erklären, es seien jetzt schwierige Zeiten und überhaupt wären die letzten 30 Jahre furchtbar gewesen. Das meiste Geld für Kunst und Kultur ist übrigens in der Zeit ausgegeben worden, als wir von SPÖ und ÖVP gemeinsam in einer Koalition waren; das sollten Sie dann selbstkritisch immer gleich mit dazu bemerken.

Wenn das Kunstbudget nicht um 4,5, sondern in Wirklichkeit um zirka 11 Prozent gekürzt wird, dann könnten Sie zum Beispiel mit uns gemeinsam dafür kämpfen, dass man wenigstens den Budgeterfolg des Jahres 1999 stabilisiert, und gemeinsam mit uns zu erreichen versuchen, dass es da nicht zu Kürzungen kommt, sondern dass man dabei bleibt.

Oder man könnte sagen: Wenn schon Film ein Schwerpunkt ist, dann könnten wir, statt von 170 auf 105 Millionen Schilling hinunterzugehen, das Modell der Sonderfinanzierung noch einmal beleben und den Schwerpunkt Film doch wieder unterstützen und bei 170 Millionen Schilling bleiben.

Ihre Forderung nach Partizipationsmodellen – dass das Privatkapital angelockt wird, dass das Risikokapital kommt – hat eine Schwäche. Die Idee mag vielleicht bedenkenswert sein, nur: Ich sehe das Risikokapital nicht kommen, ich sehe die Privaten nicht kommen, die jetzt plötzlich in den österreichischen Film investieren wollen – in einem relevanten Ausmaß zumindest –, und daher sollte man nicht leichtfertig diese "Weniger-Staat-mehr-Privat"-Variante letztlich zu Lasten des österreichischen Films vertreten. – Auch in diesem Bereich wäre es also gut, Widerstand gegenüber den Sparplänen des Finanzministers anzusagen.


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Das Thema Künstler-Sozialversicherung wurde von Ihnen auch angeschnitten. Und dazu sage ich: Es wäre langsam an der Zeit, einen meinetwegen auch über den Wittmann-Entwurf hinausgehenden Entwurf – es gibt ja den Anspruch der neuen Regierung, alles präziser, besser, sparsamer, effizienter zu machen – ehebaldigst zu präsentieren. Dafür stehen wir als Gesprächspartner natürlich gerne zur Verfügung.

Wenn Sie den Kunstförderungsbeitrag erhöhen wollen, dann könnte man beispielsweise darüber nachdenken, ob man nicht diese Erträge gleich für die Künstler-Sozialversicherung verwenden sollte.

Ich würde aber auch an Sie, Herr Staatssekretär Morak, appellieren – auch wenn Ihre Kollegin Gehrer eigentlich hiefür zuständig ist –, sich im Fall "Museumsquartier" und wie man dort mit Public Netbase und all dem anderen umgeht, zu engagieren, denn wenn Sie das nicht tun, ist Ihre Koordinationskompetenz ein Mythos, dann zählt Ihre Meinung im Unterrichtsministerium "elf" – und das ist beim Tarock bekanntlicherweise null. Und daher, meine ich, sollten Sie sich hier wirklich einbringen, und zwar kritisch einbringen.

Theater in der Josefstadt, Konzerthaus: Mein Gott, da kann man sich auch andere Finanzierungsquellen überlegen – das muss nicht aus dem Kunstbudget sein. Da sollte man sich überlegen, hiefür vielleicht auch eine Sonderfinanzierung aufzutreiben: Finanzminister Grasser soll etwas springen lassen und soll sich überlegen, ob er anderswo etwas einsparen kann. Vielleicht kann man auch Private beteiligen, wenn es wirklich den Drang der Privaten gibt, sich da stärker einzubringen und zu organisieren.

Sie sagten, es gäbe zu viele Investitionen in "große, alte Dampfer"; diesen Satz werde ich mir merken, Herr Staatssekretär. Was fällt denn bei Ihnen unter die Bezeichnung "alte Dampfer"? Die Oper? – Also da muss ich sagen: Selbst die Oper ist schon sehr, sehr modern. – Das Burgtheater? – Das Burgtheater, in dem Jelinek, in dem Thomas Bernhard aufgeführt wurde, soll ein "alter Dampfer" sein? Also bitte schön! – Ich weiß einen "alten Dampfer", den Sie gemeint haben: Die Salzburger Festspiele! Das war Kritik an den Unterstützungen, Investitionen für die Salzburger Festspiele! Ist das wirklich so? War das Ihr "alter Dampfer"? – Ich vermute es, das muss so gewesen sein. (Abg. Dr. Brinek: Darüber wird sich Peter Stein sehr freuen! Das muss man Peter Stein sagen!)

Zur Schließung des Theaters Rabenhof – jetzt drohen offensichtlich Theaterschließungen zu beginnen – und zur kritischen Auseinandersetzung mit der Vorsitzenden des Kulturausschusses Povysil, die im Wesentlichen den Haider-Spruch übersetzt hat: Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. – Und da sie sich von diesem Spruch nicht distanziert hat, haben wir sie nicht zur Vorsitzenden des Kulturausschusses gewählt, denn damit ist letztlich ihre ganze Geisteshaltung Kunstschaffenden gegenüber zum Ausdruck gekommen.

Zu Ihrem Vorschlag, das Einkommen auf drei Jahre zu verteilen und die Betriebsausgaben zu pauschalisieren. – Wir haben da mit dem Halb-Steuersatz einen Vorschlag gehabt, der mehr gebracht hätte, von Ihrer Finanzausschuss-Fraktion allerdings abgeschmettert wurde. Leider!

Summa summarum: Ich meine, dass Ihre jetzige Bilanz kümmerlich ist. Sie können sich zwar – noch! – auf den Finanzminister ausreden, nur soll es in den nächsten Jahren angeblich noch härter werden. Ich muss Sie, Herr Staatssekretär Morak, daher auffordern, jetzt den Konflikt und die Konfrontation im Sinne der österreichischen Kultur und der Kunstschaffenden mit dem Finanzminister und mit anderen Kräften in der Regierung aufzunehmen, damit nicht Sie unter die Räder kommen – und letztlich auch der Kunst- und Kulturbereich. Und genau das droht, genau das kann man letztlich nachweisen; und genau das beginnen Sie jetzt schon anzudeuten, indem Sie bereits jetzt entschuldigend sagen: Es ist das die "Trägheit des Faktischen". Es wird noch mehrere Jahre lang ein Sparbudget geben – ich spüre das schon –, und daher, liebe Kunstschaffende und liebe österreichische Kulturinteressenten, beginne ich mich jetzt schon zu entschuldigen. Aber ich sage euch gleich: In Wirklichkeit bin nicht ich schuld, sondern es ist ein Anonymus. Es ist anonym, es ist die "Trägheit des Faktischen", so Staatssekretär Morak.


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Damit können Sie uns nicht einschläfern, sondern damit werden Sie uns erst so richtig munter machen, um uns mit Ihrer Politik kritisch auseinanderzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Da mir das Stenographische Protokoll inzwischen vorliegt, erteile ich Herrn Abgeordneten Haigermoser für den Ausdruck "Ein Obervernaderer sind Sie!", an die Adresse eines Mitgliedes dieses Hauses gerichtet, einen Ordnungsruf.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Die Redezeit ist mit 8 Minuten festgesetzt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.37

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren Volksanwälte! Ja, lieber Kollege Cap, um die Bilanz geht es. Welche Bilanz? – Wenn wir über die Arbeit des Staatssekretärs Morak reden, dann reden wir über die Bilanz Wittmann, und da hat er es nicht leicht, denn: Morak hat mit einer schönen Zahl ungedeckter Schecks begonnen, und zwar über Zusagen von mehr als 620 Millionen Schilling, die nicht gedeckt waren. Das sind die Startbedingungen gewesen, unter denen Staatssekretär Morak begonnen hat. Das ist keine leichte Aufgabe, aber er wird sie meistern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In diese Bilanz fällt auch die Frage: Was ist mit den 30 Millionen Schilling, die für den Umbau des Josefstadt-Theaters gewidmet waren, geschehen? – Sie sind in das allgemeine Budget versickert. – Bilanz ist gefragt, später auch Evaluation.

Ich komme zu einem Projekt, das in der letzten Zeit in Diskussion geraten ist, das ist das Frauen-Projekt Kosmos. Hiebei sieht die Bilanz so aus, dass noch in den letzten Tagen Wittmanns ein Fördervertrag unterschrieben wurde, in dem einige strenge Auflagen formuliert wurden. Für mich gilt, dass wir in einem Rechtsstaat leben und daher die Erfüllung der Auflagen Bedingung für die weitere Mittelausschüttung ist.

Ich weiß, dass es das Projekt Kosmos und seine Betreiberinnen von Anfang an nicht leicht hatten, aber wenn wir die Haltung des jetzigen Staatssekretärs beurteilen, so hat Fairness zu walten auf der Basis des Fördervertrages. Und ich weise daher mit aller Deutlichkeit und mit allem Engagement das Ansinnen von Marlene Streeruwitz zurück, die sagt, Frauen würden zu Bittstellern degradiert. – Damit diskriminiert sie alle Förderansuchensteller – und das ist nicht in Ordnung!

Ein weiterer Punkt: Die Zukunft der modernen Kunst ist gefährdet – so oder ähnlich verabschieden sich die Projekte Public Netbase, Depot oder basis wien aus dem "Museumsquartier". Also: Ende der Zukunft, Ende der modernen Kunst. – Dabei muss man schon bedenken, dass die Letztgenannten im Wesentlichen Spin-Offs der Kunstkuratoren sind, also nicht genuine Projekte des "Museumsquartier" – ich habe mir dazu das alte "Museumsquartier"-Errichtungsgesetz angesehen, das formuliert nämlich sehr genau die Grundsätze und Ziele. Ich glaube auch, dass Aufsichtsrat und Errichtungsgesellschaft sehr genau gemäß diesem ursprünglichen Gesetz gehandelt haben. Und ich kann Dietmar Steiner vom Architektur-Zentrum sagen: Das "Museumsquartier" hat ein Konzept, nicht kein Konzept – das Museum Moderner Kunst, das Museum Leopold, die Kunsthalle, das Architektur-Zentrum, das Kindermuseum ZOOM, und so so lassen sich in weiterer Folge auch andere Anbieter nachvollziehen, die schon etabliert oder noch zu suchen sind und die moderne, zeitgenössische Kunstmanifestationen darstellen.

Einen Beweis dafür, wie ihn Thomas Trenkler fordert, dass es das Depot weiter geben wird – na ja, das kann ich mir nicht vorstellen. Worin sollte der Beweis denn begründet sein? Dass gute Arbeit in der Kunstvermittlung geleistet wird, ist ja damit nicht bestritten, aber ich frage mich: Warum soll es Public Netbase im "Museumsquartier" weiter geben? Eine ehrliche Frage: Was verbirgt sich hinter diesem oft geheimnisvoll gehandelten Begriff? – Ein Netzwerkbetrieb, eine kreative Software-Firma! Warum muss denn so etwas im "Museumsquartier" untergebracht werden? Das Asset dieser modernen Medien ist ja gerade, dass sie ortsunabhängig sind, dass man Zugriff zu den modernen Medien, zu ihren Produkten von allen Stellen der Welt aus haben


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kann. Dieses Büro kann ja auch in Toronto oder in Aspang oder sonst irgendwo situiert sein. Warum denn um so viel Geld, das für eine solche Lage in Wien bezahlt werden muss, im "Museumsquartier"? Dasselbe gilt für die beiden anderen Projekte basis wien und Depot. Meine Damen und Herren! Ist der Gedanke der Evaluation schon eine Bedrohung für diese Betriebe? – Offenbar.

Ich meine, dass der jetzige Chef des "Museumquartier", Wolfgang Waldner, auf bestmögliche Weise seine Arbeit leistet, den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird und aktuellen Managementprinzipien folgt. Was sonst soll dort passieren? Der Streit um eine zentrale Buchhandlung und deren Größe – ja mein Gott, das soll doch die Zukunft des "Museumsquartier" nicht gefährden! Da halte ich es mit Dietmar Steiner, der gesagt hat, so manche kommerzielle und budgetäre Einzelinteressen würden da verfolgt, gewürzt mit interessanten Männlichkeitsritualen. Das sagt der Architekt Dietmar Steiner, selbst Nutzer im "Museumsquartier". Da fällt mir schon einer ein, der diese Männlichkeitsrituale sehr genießt: Gerald Matt in einer ungewöhnlichen Doppelfunktion: im Aufsichtsrat für die Stadt Wien und gleichzeitig Direktor der Kunsthalle. Also ein Gefühl für politische Unvereinbarkeit dürfte dieser Mann nicht wirklich haben.

Ich komme zu einem kulturpolitisch interessanten Statement. Doris Knecht schreibt in einem Wochenmagazin: "besser Rückzug als Kürzung". Dieser Ansicht kann man sein. Wie kommt sie dazu? Sie stellt fest, dass zwar auch – und das ist interessant – in Zeiten der SPÖ-Regierung die Kunst, wie sie sagt, tragisch vernachlässigt wurde, man aber – gemeint sind offensichtlich die Künstler – in dieser Zeit weltanschaulich zumindest in eine ähnliche Richtung blickte.

Ich meine, es ist eine ungeheure Vereinnahmung, Kunstschaffende und Künstler in Richtung SPÖ blicken zu lassen, so nach dem Motto: Die Kunst ist links. Das ist eine alte Schimäre, von der wir uns verabschieden müssen, sehr geehrte Frau Knecht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Autorin führt dann auch aus, welche Lösung es gibt. Es ist interessant und klingt absolut nicht nach "links". Sie sagt nämlich, der Ausweg liege darin, dass die Kunst kommerzieller werden muss; alles O-Ton Doris Knecht. Sie muss sich um Alternativen umsehen, und an einer anderen Stelle des Magazins schreibt sie, dass die Abschaffung der Getränkesteuer eine wesentliche Wurzel des Übels sei. – Also: Weil es keine Biersteuer mehr gibt, gibt es keine Kunstförderung.

Ich bin froh darüber, dass es Staatssekretär Morak im Bereich der öffentlichen beziehungsweise staatlichen Kunstförderung gelingen wird, mit 4,5 Prozent Kürzung auszukommen – und nicht mit den Edlinger’schen 20 Prozent! An dieser Stelle muss einmal gesagt werden, dass das die Alternative gewesen wäre.

Es mutet interessant an, dass etwa der Kurator Zinggl mit einer naturrechtlichen Begründung für die staatliche Kunstförderung aufwartet. Ich teile seine Auffassung, dass es dem modernen Staat, anders als nach Doris Knecht, ein Anliegen sein muss, die Kunst zu fördern. Jedoch: Die Vergabe muss transparent sein und gemäß nachvollziehbaren Standards erfolgen. Das bedeutet, dass nicht alle bereits länger etablierten Projekte aus dem Wettbewerb mit anderen ausgespart werden sollen. Wie kämen denn die Neuen dazu, dass sie es immer schwerer hätten als die ohnehin schon Etablierten?

Evaluation gilt also für alle, einschließlich der Kunstkuratoren. Immerhin wurden für dieses Projekt der Bundeskuratoren in den letzten Jahren 180 Millionen Schilling ausgegeben.

Ich erinnere daran, dass die SPÖ an anderer Stelle sehr für Evaluation eintritt und dass sie die Ergebnisse dieser Evaluation absolut und konsequent offenlegen will, nämlich im Bereich der Wissenschaften. Also absolute Offenlegung dann bitte auch in der Kunst. Und es dürfen auch sogenannte kritische Projekte evaluiert werden, weil es auch hiefür Kriterien gibt. Der ehemalige Wissenschaftsminister Einem wird mir da sicherlich zustimmen.

Ich bin zuversichtlich, dass es Franz Morak gelingen wird, die Vergaben transparenter, zeitgemäßer und damit demokratischer zu gestalten, und dass mit jenem feudalherrschaftlichen


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Gestus, der bisher in der Kunstvergabe geherrscht hat, Schluss sein wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. Die Uhr ist auf 8 Minuten eingestellt. – Bitte.

15.45

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte jetzt ganz kurz auf den Disput zwischen dem Präsidenten Fasslabend und unserem Vorsitzenden eingehen. (Abg. Dr. Khol: Gusenbauer ist noch immer nicht da!)

Wie würden Sie jemanden bezeichnen, der die Beschäftigungspolitik des "Dritten Reiches" als "ordentlich" bezeichnet und Obmann einer Partei in diesem Land ist? (Abg. Dr. Khol: War!) Teil dieser Beschäftigungspolitik war es, dass Menschen, die aus rassistischen Gründen in Konzentrationslagern eingesperrt waren, Zwangsarbeit leisten mussten (Abg. Dr. Martin Graf: Aus rassischen; nicht aus "rassistischen" Gründen!), aus rassischen Gründen Zwangsarbeit leisten mussten, die oft zum Tod führte. – Ich frage, wie Sie so etwas bezeichnen würden! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

An die Adresse der ÖVP: In all Ihren Ausführungen klingt durch, dass Sie sich offensichtlich in den letzten 13 Jahren abgemeldet haben; Sie waren nicht dabei, nicht anwesend, haben keinen Beschluss gefasst, haben den Ministerrat nie besucht. Wissen Sie, dass alle Ministerratsbeschlüsse einstimmig gefasst werden, dass jeder Schilling, der in den letzten 13 Jahren ausgegeben wurde, mit Ihrer Zustimmung ausgegeben wurde?! (Zwischenruf des Abg. Großruck. ) Wissen Sie, dass jeder einzelne Schilling mit Ihrer Zustimmung gegeben, jede Investition mit Ihrer Zustimmung vorgenommen wurde?! Jetzt aber tun Sie von der ÖVP erstaunt darüber, dass dieses Geld ausgegeben wurde! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage: Wie halten Sie es mit der Ehrlichkeit in der Politik? Was wollen Sie damit sagen? – Dass Sie 13 Jahre lang keinerlei Ahnung gehabt haben, ahnungslos durch die Welt geschritten sind, ohne irgendeine Wahrnehmung der Mittel, die in den Haushalten vergeben wurden? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das können Sie doch nicht allen Ernstes hier dem Hohen Hause verkaufen wollen! – Ich würde Ihnen raten: Schauen Sie sich die Ministerratsbeschlüsse an, und Sie werden draufkommen, dass Sie dabei waren, dass auch Sie von der ÖVP das mitbeschlossen haben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich möchte mich nunmehr meinem eigentlichen Hauptthema widmen, nämlich der Kunst, und da zunächst einmal gleich zu diesen 620 Millionen Schilling, die in der Debatte herumgeistern, Stellung nehmen. – Das waren doch bitte Zusagen, die unter der Prämisse gemacht wurden, dass die zukünftige Regierung mit diesen Zusagen einverstanden ist. Es gibt einen Brief von Finanzminister Edlinger, dass er, wenn er in Zukunft etwas zu sagen hätte, beabsichtigen würde, es so zu machen; aber er will der zukünftigen Regierung nicht vorgreifen.

Das heißt, dabei handelt es sich um keine Zusage, sondern das ist ein In-Aussicht-Stellen gewesen, wenn dieser Fall so eintreten würde. Dabei handelte es sich immerhin um 450 Millionen Schilling. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Des Weiteren möchte ich Ihnen sagen: Es ist fast eine Anmaßung, aus dem laufenden Kunstbudget zu versuchen, die großen Brocken Konzerthaus und Theater in der Josefstadt zu finanzieren, weil Sie das aus dem operativen Bereich herausnehmen müssen. Daher war es notwendig, mit dem Finanzminister auszuhandeln, dass es für diese großen Brocken eine zusätzliche Finanzierung geben muss, weil das aus dem laufenden Budget nicht finanzierbar wäre. Wir wären keine Kofinanzierung eingegangen, wäre mir nicht zugesagt worden, dass es eine zusätzliche Summe gibt.


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Es wäre also Ihre Aufgabe gewesen, Herr Staatssekretär Morak, das auch mit dem jetzigen Finanzminister auszumachen. Aber von ihm wurden Sie leider bei diesen Verhandlungen schwer über den Tisch gezogen. Sie haben das jetzt im laufenden Budget – und damit beträgt die Verringerung Ihres Budgets nicht 4,5 Prozent, sondern Sie müssen die 55 Millionen Schilling, die Sie für das Theater in der Josefstadt und für das Konzerthaus aufwenden, dazurechnen, und damit sind wir schon bei einer Verringerung des Budgets um 9 Prozent. Dazu kommt, dass Sie den Kunstförderungsbeitrag erhöhen, daraus 35 Millionen Schilling lukrieren, diese 35 Millionen Schilling aber nicht einer Erhöhung des Budgets dienen, sondern auch eingerechnet wurden, sodass Sie in Wirklichkeit bei einer Verringerung des Budgets um 12 Prozent sind. 12 Prozent – das ist mehr, als bei den Ermessensausgaben eingespart werden soll!

Zu den Ausführungen von Frau Kollegin Brinek: Die 20 Prozent waren eine vorläufige Maßnahme, die selbstverständlich bei einem regulären Budget und bei Budgetverhandlungen nicht mehr zum Tragen gekommen wären. Das sage ich nur als Randbemerkung.

Was ist in diesem Kunstbudget wirklich passiert? Was ist mit dem Inhalt dieses Kulturbereiches überhaupt geschehen? – Es ist immer daran gescheitert, die Kompetenzen aus den drei Ressorts Kultur, Kunst und Außenministerium zusammenzufassen, weil die ÖVP eine Zusammenfassung bei den Koalitionsverhandlungen nicht wollte. – Jetzt haben Sie ideologisch alles in einer Hand und schaffen es trotzdem nicht, das zusammenzufassen.

Daher passiert es, dass die interessante, moderne Kunst in den neuen Medien beim Kulturministerium der Frau Kollegin Gehrer unter die Räder kommt, obwohl Sie das nicht wollen. Hätten Sie das in einem Ressort, dann wäre es leichter gewesen, dieses Problem zu lösen.

Ich möchte auch auf das Regierungsübereinkommen eingehen. Es ist schon ein bisschen traurig, dass als einziges Ergebnis Ihrer Verhandlungen herausgekommen ist, dass das Zeitgenössische aus diesem Regierungsübereinkommen herausgefallen ist. Dafür ist hineingekommen, dass Sie die regionale Komponente stärken wollen – und dazu möchte ich Ihnen nur sagen, dass laut unserer Verfassung Kultur Landessache ist. Das heißt, die Länder müssten das von sich aus bezahlen. – Wir wollten dieser Frage der zeitgenössischen Kunst durch Anreize, durch Förderungen auf Bundesseite begegnen.

Aber wir sollten uns noch einmal ganz kurz mit den Zahlen auseinander setzen. Bei der Filmförderung ist es ganz krass: vorher 170 Millionen, nunmehr 110 Millionen Schilling. Und Sie haben das zum Schwerpunkt erklärt. Ich möchte Ihnen dazu nur sagen: Hoffentlich erklären Sie nicht auch noch eine andere Branche zum Schwerpunkt! Alle zittern schon, der nächste "Schwerpunkt" zu sein, weil die Kürzungen bei all diesen "Schwerpunkt"-Setzungen mehr als 30 Prozent betragen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist eine wirklich "großartige" Leistung. Ich hoffe nur, dass nicht alle in diesen vier Jahren einmal drankommen müssen.

Aus all diesen Gründen möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Cap und Genossen betreffend das Kunstbudget

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Im Bundesvoranschlag für das Jahr 2000, Kapitel 13 Kunst, wird der VA-Ansatz 1/130 "Bundesministerium (Zweckaufwand)" von 1 098 780 000 ATS auf 1 250 000 000 ATS erhöht.

*****

Ich meine, das ist ein legitimes Anrecht. (Abg. Neudeck: Übernehmen Sie die Differenz?) Es ist nämlich das Ergebnis des Budgets 1999, und es wäre der Kunst sehr wohl hilfreich, sich diese Mittel sichern zu können.


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Ihre Partei, die der Freiheitlichen, hat bisher zum Kunstgeschehen Folgendes beigetragen: Sie haben versucht, Personen zu diffamieren, weil sie Kunst betreiben (Abg. Neudeck: Nein, weil sie Politik betreiben! Weil sie Politik betreiben, nicht weil sie Kunst betreiben!), sie damit in der Berufsausübung zu behindern. Sie sind mit den Künstlern hart ins Gericht gegangen, Sie haben die Künstler in verschiedenen Bereichen praktisch verfolgt – und Sie haben Aussagen getätigt, dass Sie das Kunstbudget um 50 Prozent kürzen wollen. (Abg. Neudeck: Kennen Sie den Unterschied zwischen Kunst und Politik?)

Daraufhin hat Herr Staatssekretär Morak gesagt, er werde Herrn Westenthaler Nachhilfe geben, weil das nicht möglich ist. Ich möchte nur ganz offen sagen: Diese Nachhilfe hat noch nichts genutzt, wenn sie überhaupt schon stattgefunden hat. Ich würde jedenfalls empfehlen, eine zweite Runde einzuleiten, weil sich die FPÖ nach wie vor von ihrer Forderung, die Kunstsubventionen weiter zu kürzen, nicht verabschiedet hat. Das geht zu Lasten der Künstler, stellt eine weitere Belastung der Künstlerschaft dar, somit also jener Leute, die nicht genügend Geld haben, um ihren Beruf adäquat ausüben zu können, die aber für unser Land von äußerster Wichtigkeit sind. (Beifall bei der SPÖ.)

15.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. Die Uhr ist auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.54

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Es amüsiert mich immer wieder: das Frühlingserwachen des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann, der als Staatssekretär in seinen Aussagen immer sehr zurückhaltend war. Es freut mich, es ist das Erste, das diese Regierung auch bewirkt hat. Der Herr Staatsekretär meldet sich zu Wort, er erwacht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wie steht die Regierung zu Kunst und zu Kultur? Was sagen die Koalitionsparteien dazu? – Kunst, so sagen sie, hat in Österreich einen überdurchschnittlich hohen Stellenwert. Diesen Stellenwert gilt es zu erhalten, auszubauen – was ist das Anderes als die moderne Kunst, die Sie nie irgendwo sehen? – und für die Zukunft zu sichern. – Zitat aus dem Regierungsprogramm. Lesen Sie das Regierungsprogramm, bevor Sie es kritisieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Österreich ist eines der traditionsreichsten Länder, was Kunst und Kultur betrifft. Sogar die Venus von Willendorf, eines der ältesten Kunstwerke dieser Welt, wurde in Österreich gefunden. (Abg. Dr. Khol: Das ist eine klassische österreichische Figur! – Heiterkeit.) Aber, "die Kunst steht nie still und hält sich unter manchen Formen nur wie unter Zelten auf, die man auf der Bahn des Ideals errichtet und abbricht", sagte Franz Liszt. – Das ist für uns ein wichtiger Faktor im Bereich der Kunst. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was wir wollen, was uns wichtig ist, ist die Aufgabe, stimulierende Rahmenbedingungen und Entfaltungsmöglichkeiten für Künstlerinnen und Künstler zu schaffen. Auch das, meine Damen und Herren, ist im Regierungsprogramm festgeschrieben, das Sie aber ganz offensichtlich nicht gelesen haben. Es enthält sowohl die Schaffung eines ausgewogenen, transparenten und zielorientierten Finanzierungsplans als auch die soziale Absicherung der Existenz der Kunstschaffenden.

Nun aber zum Budget selbst: Um 9 Prozent, so haben Sie, die Herren von der Sozialdemokratie, gesagt, werde das Kunstbudget gekürzt. 11 Prozent, das steht sogar in einem Antrag des Abgeordneten Cap. 12 Prozent haben Sie gesagt, Herr Dr. Wittmann. Na was jetzt: 9, 10, 11 oder 12 Prozent? Für Sie spielen Prozente keine Rolle, für uns schon. Ich lege Ihnen ans Herz – es gibt so kleine Taschenrechner –: Rechnen Sie doch mit einem solchen einmal nach, bevor Sie hier heruntergehen und Budgetzahlen angeben, die ganz einfach nicht stimmen, bezüglich der Sie sich untereinander im Antrag sogar uneinig sind. Welche Politik ist denn das, welcher Umgang mit dem Geld der Steuerzahler?! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Das Kunstbudget ist in den Vorjahren annähernd gleich geblieben, obwohl – wie Sie selbst zugegeben haben – durch die unbedeckbaren Versprechungen – Sie haben selbst gesagt, es steht nirgends festgeschrieben, es ist versprochen worden: von Wittmann, von Klima, von Edlinger – 620 Millionen Schilling fehlen. Wie überhaupt die SP-dominierte Politik im Kunst- und Kulturbereich zwei Dinge aufgreift: Versprechungen, die Sie dann nicht halten – und die Vereinnahmung von Künstlern.

Ein Beispiel: Es hat eine Podiumsdiskussion im SP-Parlamentsklub gegeben. Dr. Cap war der Vorsitzende beziehungsweise hat an dieser Podiumsdiskussion teilgenommen. Ich selbst war nicht dabei, aber eine Schriftstellerin, die heute schon zitiert wurde, nämlich Marlene Streeruwitz hat sich im Nachhinein, nach dieser Podiumsdiskussion, öffentlich mittels eines Pressedienstes vehement dagegen ausgesprochen und vehement zurückgewiesen, dass Sie, Herr Dr. Cap, versucht haben, sie politisch zu vereinnahmen, indem Sie gesagt haben, sie sei als Bürgerin – es gibt einen Pressedienst, Sie können das gerne widerlegen – gefordert, wenn es darum geht, wer das Schicksal dieses Landes bestimmt.

Sie hat gesagt: So nicht!, denn es kann nicht nur so sein, dass Ihre Partei diejenige ist, die das Schicksal des Landes bestimmen kann und die einzig wahre und richtige ist. Das stand ja hinter dieser Aussage.

Künstler, Herr Dr. Cap, lassen sich nämlich nicht vereinnahmen. Künstlerinnen und Künstler haben ein ganz besonders sensibles Freiheitsgefühl. Lassen Sie sich das von einer Freiheitlichen gesagt sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es müssen daher – statt alter, intransparenter und oft unerklärlich einseitiger Subventionspolitik – neue Finanzierungswege beschritten werden. Dazu gehört: Künstler sollen ihre Einkünfte auf drei Jahre verteilen können. Betriebsausgaben im Kunstbereich sollen pauschaliert werden. Österreich soll als Wohnort für Künstler attraktiver gestaltet werden. Die Ausländersteuer soll fallen. Eine Künstler-Sozialversicherung für selbständige Künstler wird geschaffen werden, wobei die Künstler-Fachrichtungen selbst bestimmen, wer Künstler ist.

Bei der Künstler-Sozialversicherung, für die auch Herr Staatssekretär Morak heute schon argumentiert hat, habe ich sehr wenig Applaus aus den SP-Reihen vernommen. Jetzt frage ich mich schon: Haben Sie sich als Sozialdemokraten jetzt auch vom Wort "sozial" verabschiedet?

Das sind jene Maßnahmen, die freies Kunstschaffen ermöglichen, denn nur eines macht wirklich freies Kunstschaffen möglich: existenzielle Unabhängigkeit. Und für diese treten wir ein, und diese versuchen wir, der Kunst und den Künstlern angedeihen zu lassen (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP) – nicht Abhängigkeit, nicht Worthülsen, nicht politische Vereinnahmung.

Kunst in aller Vielfalt, wie wir sie verstehen, beinhaltet Innovatives, aber auch Sprödes und Kontroversielles. Wir stehen aber auch zum Erhalt unseres Kulturguts. Und wir haben uns massiv für den Erhalt des Kulturgutes Buch eingesetzt, für den Erhalt von nicht auflagestarken Büchern wie zum Beispiel bei Werken der Lyrik, für den Weiterbestand kleiner und mittlerer Buchhändler und schließlich auch für die Rabattierung, die schlussendlich dem Konsumenten zu Gute kommt.

Es geht Ihnen aber, die Sie diese Sache primär betrieben haben – ich weiß noch genau, als Herr Abgeordneter Dr. Wittmann dafür eingetreten ist; Sie sind schon wieder dagegen –, wieder um Parteipolitik und nicht um die Sache, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Kunst und Kultur sind in Österreich zunehmend zum Wirtschaftsfaktor geworden. Rund 115 000 Menschen setzen in der österreichischen Kulturwirtschaft rund 320 Milliarden Schilling um. – Das sind eindrucksvolle Zahlen, und diese hat der Nationalbank-Gouverneur Dr. Liebscher anlässlich der Idee "Kulturpark Österreich" präsentiert.

In Spanien ist der Kultursektor bereits die viertstärkste Wirtschaftsmacht des Landes, vor Sparten wie Pharma-, Textilindustrie und anderen. Damit wird evident – das ist etwas, was Sie


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einfach nicht hören beziehungsweise nicht begreifen möchten –, dass Kultur durchaus auch selbsttragend sein kann, wenn richtiges Management und richtiges Sponsoring durch angepasste Steuergesetzgebung vorhanden sind.

Ein Beispiel: Es gibt Kunst nicht nur in Österreich, Kunst ist doch international, werfen wir doch einmal einen Blick über die Grenzen, schauen wir einmal nach Übersee, bleiben wir doch nicht in dem engen, sich ständig gegenseitig irgendwelche Vereinnahmungen vorwerfenden kulturpolitischen Kreis in Österreich, wenn wir die Kulturpolitik als solche einmal einer Betrachtung unterziehen! Schauen wir einmal in die USA!

Dort versteht sich die öffentliche Kulturförderung als Katalysator für privates Fund Raising. So genannte Challenger Grants ermöglichen öffentliche Förderung – aber nur dann, wenn von privater Seite ein Teil der Summe aufgebracht wurde. Das Wissen, dass sich diese Spende vervielfacht und dass die steuerliche Gesetzgebung angepasst ist, ist für private Donatoren eine überzeugende Motivation. Das zeigt sich darin, dass in Amerika im Zeitraum von 1966 bis 1996 die Zahl der Orchester von 110 auf 230 zunahm, die Zahl der Theater von 56 auf 425, die Zahl der Opernhäuser von 27 auf 120 und die Zahl der Tanzgruppen sogar von 37 auf 450 stieg.

Durch die Steuerausfälle subventioniert der Staat indirekt die Kultur. Die Verteilung der Gelder ist aber dem Bürger überlassen. Und da kommen wir zum springenden Punkt: Kunst soll aus unserer Sicht viel mehr als in den letzten Jahren nicht nur der Eigenbefriedigung elitärer Kreise dienen, sondern auch zum Anliegen jedes einzelnen Bürgers werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die neue Regierungsbildung hat durchaus eine kontroversielle Diskussion aufgebracht und letztendlich bereits zu einer deutlichen Belebung auf dem Kunst- und Kultursektor geführt – eine Situation, die Jahre vorher nicht zustande gekommen ist. Jetzt wird geredet, es wird diskutiert, es wird politisiert, Kunst und Kultur können Sie heutzutage mit jedem besprechen. Früher herrschte Stillschweigen, und eine ideologische Decke war über der Kultur ausgebreitet. Wir hingegen haben vieles bewegt.

Ich bin der Überzeugung, dass eine Gesellschaft, die sich wirklich mit Kunst auseinander setzt, vitaler, menschlicher und immuner gegen Anfechtungen und Vorurteile ist. Wir sind dabei, endlich die Voraussetzungen dafür zu schaffen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap und Genossen, der im Laufe des Debattenbeitrages des Herrn Abgeordneten Wittmann eingebracht wurde, ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

16.06

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst kann man Frau Abgeordnete Povysil, weil sie so stolz ist, als Freiheitliche hier zu sprechen, daran erinnern, dass freiheitlich nicht das Gleiche wie Freiheit, sondern etwas ist, was der Freiheit ähnlich ist, und das haben die Gründungsväter der Freiheitlichen Partei bei der Gründung wahrscheinlich nicht ganz bedacht.

Zum Zweiten möchte ich, so wie mein Kollege Cap, die Versuche des Präsidenten Fasslabend, das freie Wort unseres Vorsitzenden Gusenbauer zu zensurieren, auf das Schärfste zurückweisen (Beifall bei der SPÖ), weil der Vorwurf des teilweisen Rassismus nicht auf einem Vorurteil oder einem Fehlurteil, sondern auf einem Urteil beruht. So behauptet etwa Abgeordnete Partik-Pablé, die Schwarzafrikaner schauten nicht nur anders aus, sie seien auch anders, und zwar ganz besonders aggressiv, das liege offenbar in der Natur dieser Menschen. Sie seien meist illegal da, und sie seien meistens Drogendealer. – Das ist nicht rassistisch?


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Oder: Herr Prinzhorn hat behauptet, Ausländer bekämen Medikamente zur Hormonbehandlung vom Sozialamt gratis, um ihre Fruchtbarkeit zu steigern, während Inländern das nur sehr selten gewährt werde. – Das ist nicht rassistisch?

Die Forderung nach Tbc-Tests für Zuwanderer, insbesondere für Ausländerkinder in Kindergärten und Schulen, von Ihrem ehemaligen Abgeordneten und Vorsitzenden Haider ist nicht rassistisch?

Der Vorwurf im Wiener Wahlkampf, dass in den Deutschlesebüchern unseren Wiener Kindern seitenweise türkische und serbokroatische Texte aufgezwungen werden, ist nicht rassistisch?

Der Vorwurf, dass es unter der Wiener SPÖ möglich ist, dass schwarzafrikanische Asylwerber mit Designeranzug und Luxus-Handy ihren Drogengeschäften ungestört nachgehen können, ist nicht rassistisch? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Der Vorwurf, dass ein China-Lokal mit 600 000 S gefördert wird, während heimische Beisln leer ausgehen, ist nicht rassistisch?

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Daher ist das Urteil des Vorsitzenden Gusenbauer, dies sei teilweise Rassismus, ein Urteil und kein Vorurteil. – So viel einmal dazu.

Nun zur Kunst. Einiges im Bereich von Kunst und Kultur im Budget 2000 lässt sich in Zahlen ausdrücken. Gegenüber dem Bundesvoranschlag 1999, der sich auf 1,15 Milliarden Schilling belaufen hat, gibt es jetzt im Bundesvoranschlag 2000 eine Verminderung auf 1,098 Milliarden Schilling. Das ist ein Minus in der Höhe von 51 Millionen Schilling, gegenüber dem Erfolg von 1999 ist es ein Minus in der Höhe von 154 Millionen Schilling. Das ist schon eine beachtliche Kürzung, wobei einige Bereiche besonders betroffen sind, wie etwa jener der Literatur, für welchen die Mittel von 168 Millionen Schilling auf 124 Millionen Schilling gekürzt wurden, also um 26 Prozent, oder der Bereich Film, für welchen die Mittel um 11 Prozent gekürzt wurden, und der Bereich Kulturinitiativen, für welchen die Mittel um 11 Prozent gekürzt wurden. Das ist besonders im Falle der Kulturinitiativen bedauerlich, da es seit deren Gründung ein vielfältiges kulturelles Leben in Österreich gibt, eine breite regionale Streuung vorhanden ist und es eine große Vielfalt gibt. Daher sagt die IG Autoren zu Recht, dass das ein vorprogrammiertes Debakel sei.

Was aber viel schlimmer ist als diese Zahlen, die im Budget zum Ausdruck kommen, ist das Desaster im geistig-kulturellen Bereich. Noch nie hat eine Regierung der Zweiten Republik eine so einheitliche, quer durch weltanschauliche Fronten gehende Ablehnung provoziert. Und das nicht ohne Grund.

Frau Abgeordnete Povysil etwa sagte im Zuge der Debatte über die Diagonale, dass die Politik da sei, um Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur zu schaffen, und nicht, um vordergründigen politischen Missbrauch aus Kunstmitteln zu fördern, dazu gebe es Parteiförderungen. Oder sie sagt des Weiteren, eine regierungskritische Stellungnahme österreichischer Filmschaffender im Festivalkatalog sei dann bedenklich, wenn Künstlerinnen und Künstler sich diffamierend betreffend die Regierung äußern, die die Rahmenbedingungen für ihr Schaffen ermöglicht, und diese Mittel daher nicht künstlerisch genutzt, sondern politisch missbraucht würden. – Die Steuermittel sind nicht die Privatschatulle der Frau Povysil! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Diffamieren ist nicht schön!)

Oder: ÖVP-Landesrat Hirschmann sagt, dass er zwar grundsätzlich für die Freiheit der Kunst sei, dass aber solche Fälle, wie sie passiert sind, überdacht werden müssten, weil alle, die in diesem Zusammenhang aufscheinen, am Futtertrog der Republik hängen. Und er meint weiters, natürlich stünde es jedem Künstler zu, seine eigene Meinung zu äußern, aber für ganz deppert sollen sie einen nicht halten.

Oder: Frau Zierler spricht im Kulturausschuss von "Staatskünstlern".


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Wenn es solche Aussagen von Ihnen gibt, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn zum Beispiel die Schwester und der Bruder der weltbekannten Schriftstellerin Ingeborg Bachmann, nämlich Isolde Moser und Heinz Bachmann, sagen, dass die Verwendung des Namens Ingeborg-Bachmann-Preis dem Land Kärnten untersagt wird, bis sie davon ausgehen können, dass die Politik in diesem Lande nicht mehr beschämend ist und sich ihrer, der Weltliteratur zugehörenden Autorin Bachmann, würdig erweist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das grundsätzliche Dilemma der Regierung bringen nicht nur die nackten Budgetzahlen zum Ausdruck, das grundsätzliche Dilemma dieser Regierung bringt nach meinem Dafürhalten Peter Turrini am besten zum Ausdruck, wenn er sagt – ich zitiere –:

"Herr Haider, erzählt seine Schwester, wollte um alles in der Welt Schauspieler werden. Er habe tagelang Rollen geübt und sich so sehr nach einem Bühnenauftritt gesehnt. Herr Prinzhorn, von Haider für ein Ministeramt vorgesehen, liest im kleinen Kreise seine Gedichte vor. Herr Mölzer, Chefideologe der Haider-Partei, publiziert Romane. Herr Westenthaler, Fraktionschef der Haiderpartei, stellt seine Aquarelle in einer Galerie in Simmering aus. Herr Sichrovsky, Europaabgeordneter der Haider-Partei, schreibt Theaterstücke. Herr Morak, Staatssekretär für Kultur in der neuen Regierung, spielt Theater und ist Popsänger. Herr Schüssel, Bundeskanzler, spielt Klavier ... Künstler an der Macht!" (Abg. Jung: Die SPÖ pfeift aus dem letzten Loch! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Haben Sie das gehört? Die SPÖ pfeift aus dem letzten Loch!)

Ich zitiere weiter: "Als es Jörg Haider nicht gelang, ein Engagement am Linzer Landestheater oder am Stadttheater Klagenfurt zu bekommen, erkor er das ganze Land, ja die ganze Welt zu seiner Bühne. Als Herr Mölzer seine verschwitzte Männerprosa bei keinem Verlag, sondern nur im Selbstverlag herausbringen konnte, wurde er Haiders Kulturberater. Die Lust, sich an seinen erfolgreicheren Kollegen zu rächen, ist ihm anzusehen, und die österreichische Presse wird seiner Lust keine Grenzen setzen. Peter Sichrovsky, der sich bei Claus Peymann als Burgtheaterautor andiente und abgewiesen wurde, forderte daraufhin die Öffentlichkeit auf, das Burgtheater anlässlich der Uraufführung von Bernhards "Heldenplatz" zu stürmen. Welche Autoren sollen jetzt, mit der Staatsmacht im Hintergrund, gestürmt werden? Und Franz Morak, der talentierteste und tragischste von allen, der mit amtslastender Miene dreinschaut und doch bald ein Leihpolitiker auf Faschingsfesten sein wird? Und der ausgeträumte Schüssel?

Untalente, Halbtalente, Dreivierteltalente und Talentverräter – jetzt sind sie an der Macht, echte Staatskünstler. Jetzt können sie ihr gekränktes Künstlerego, ihren zurückgestauten Narzissmus, ihr klein gewordenes Künstlerselbstbewusstsein endlich wieder aufrichten, ins Monumentale erhöhen, mit dem Staatssockel unter den Füßen in den Himmel ragen: frei für den Taubenschiss." – Zitatende Peter Turrini.

Ich sage das deshalb, weil ich glaube, dass der Name Peter Turrini noch glänzen wird, wenn sich der Schleier der Geschichte längst gnädig über diese Regierung gelegt haben wird. Aber ein wenig paradox ist es schon: Jörg Haider sagt, Schüssel trage sein Mascherl nicht um den Hals, sondern vor dem Hirn. Der solcherart "Geschmeichelte" bindet sich flugs eine Krawatte um und sagt, die FPÖ habe sich ohnehin geändert – und die EU-Sanktionen ... – Das nennt man in Österreich Vergangenheitsbewältigung.

In diesem Sinn bringe ich noch abschließend folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Cap und Genossen betreffend das Kunstbudget

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:


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Die Bundesregierung wird ersucht, die im heurigen Jahr anfallenden Kosten für die Renovierung des Theaters in der Josefstadt und die Renovierung des Wiener Konzerthauses nicht wie im Bundesvoranschlag 2000 vorgesehen aus dem laufenden Kunstbudget zu finanzieren, sondern für die erforderlichen baulichen Maßnahmen eine Sonderfinanzierung zur Verfügung zu stellen.

*****

(Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap und Genossen zum Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen betreffend das Kunstbudget ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Volksanwalt Schender. – Bitte.

16.15

Volksanwalt Horst Schender: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Kräuter zurückkommen, der sich in einer tatsächlichen Berichtigung von seiner Unterstellung distanziert hat und in Abrede gestellt hat, die Volksanwälte seien von ihm der parteipolitischen Agitation bezichtigt worden.

Herr Abgeordneter Dr. Kräuter, wenn Sie Formulierungen verwenden wie, der "Regierungsstoßtrupp" für die Gesetzesinitiative der Regierung werde von der Regierung instrumentalisiert, dann unterstellen Sie doch der Volksanwaltschaft, dass sie sich von der Regierung instrumentalisieren lässt. – Und das möchten wir mit aller Entschiedenheit zurückweisen!

In den vergangenen 23 Jahren – das hat Frau Kollegin Korosec schon ausgeführt – ist dieser Vorwurf in diesem Hause meines Wissens noch nie erhoben worden. Ich befinde mich jetzt elf Jahre lang in der Funktion eines Volksanwalts, aber kein einziges Mal ist es in diesem Zeitraum vorgekommen – weder bei der Debatte über die Berichte der Volksanwaltschaft im Nationalrat noch bei den Budgetdebatten –, dass irgendein Abgeordneter unterstellt hätte, wir in der Volksanwaltschaft würden parteipolitisch agitieren.

Im Gegenteil: Gerade jene Fraktion, die in der Volksanwaltschaft nicht vertreten ist, nämlich die Grünen, hat immer wieder betont, dass sie die objektive Amtswaltung aller drei Volksanwälte ganz besonders betonen und ganz besonders belobigen möchte. Ich glaube, eines besseren Beweises bedarf es gar nicht, die Unabhängigkeit und die Objektivität in der Amtswaltung durch die Volksanwälte herauszustreichen und zu dokumentieren.

Herr Dr. Kräuter! Wir wollen nicht im Bereich der Justiz herumdoktern. Ich glaube, dass Sie ein wenig das Opfer einer unglückseligen Diskussion der letzten Wochen im Bereich der Justiz geworden sind, als manches in den Zeitungen missverständlich geschrieben wurde und vieles missverständlich von Vertretern des österreichischen Gewerkschaftsbundes, von Vertretern des öffentlichen Dienstes, von Vertretern der Richtervereinigung und vielen anderen mehr gesagt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Deshalb möchte ich als jener Volksanwalt, der seit elf Jahren für den Bereich der Justizverwaltung und für alle Beschwerden, die das Justizministerium betreffen, zuständig ist, einige Dinge ins rechte Lot bringen.

Wenn gesagt wurde, dass künftig auch die Justizverwaltung geprüft würde und in Hinkunft sogar die Säumigkeit von Richtern geprüft werden solle und daraufhin eine Empörung seitens der Medien und seitens mancher Vertreter des Gewerkschaftsbundes zum Ausdruck gebracht wurde, so muss gesagt werden, dass wir natürlich seit Bestehen der Volksanwaltschaft, seit dem Jahre 1977, die gesamte Justizverwaltung, und zwar völlig unbehelligt, völlig zweifelsfrei


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kontrolliert haben und kontrollieren können. Es gibt keinen Bereich der Justizverwaltung in Österreich, der nicht der Kontrollmöglichkeit durch die Volksanwaltschaft unterworfen wäre.

Vor einigen Jahren gab es noch das Gnadenrecht, bei dem man sich uneinig war, ob das zur Justizverwaltung gehört oder nicht. In dieser Frage haben wir unter Zuhilfenahme des Verfassungsgerichtshofes gemeinsam mit Justizminister Dr. Michalek eine Klärung dahin gehend herbeiführen können, dass auch das Justizverwaltung ist und daher der vollen Kontrolle durch die Volksanwaltschaft unterliegt.

Wir prüfen also seit 23 Jahren den gesamten Strafvollzug, die Staatsanwaltschaft, das Dienstrecht sämtlicher Bediensteter im Justizministerium und natürlich – und das zu einem nicht geringen Teil – die Säumigkeit von Richtern im Verfahren, denn auch das gehört zur Justizverwaltung, weil es der Dienstaufsicht durch die Präsidenten und durch den Justizminister unterliegt.

All das, was vom Justizminister beurteilt, kontrolliert und geprüft werden kann, unterliegt auch – verkürzt gesagt – der Kontrolle durch die Volksanwaltschaft. Wir prüfen also im Wege der Dienstaufsicht seit eh und je behauptete Säumigkeit von Richtern. Derartige Fälle machen ungefähr 25 Prozent der Prüfverfahren im Bereich der Justiz aus, es sind etwa 80 bis 90 Fälle im Jahr.

Herr Neugebauer von der Gewerkschaft öffentlicher Dienst ist nun empört, höre ich von der Demonstration und lese ich in einer Zeitung, dass von der Volksanwaltschaft nun das Recht zur Stellung von Fristsetzungsanträgen beansprucht werde. – Meine sehr geschätzten Damen und Herren, ich weise das mit aller Entschiedenheit als Unwahrheit zurück.

Die Volksanwaltschaft hat niemals dieses Ansinnen an den Nationalrat herangetragen, hat niemals eine solche Anregung dem Nationalrat unterbreitet, sondern wir von der Volksanwaltschaft sind selbst von diesem Antrag überrascht worden, der ursprünglich für die Koalition der Sozialisten mit der ÖVP vorbereitet und nun von der jetzt im Amt befindlichen Koalitionsregierung übernommen worden ist, und zwar gleich lautend, wie wir gehört haben. (Abg. Leikam: Sozialdemokraten, Herr Volksanwalt, Sozialdemokraten, wenn schon!)  – Sozialdemokratisch, entschuldigen Sie vielmals, ich berichtige das natürlich gerne.

Genau jene Formulierung, die nun im vorliegenden Entwurf enthalten ist, wäre also auch in das Koalitionsübereinkommen zwischen Sozialdemokraten (Abg. Leikam: Na also, es geht ja doch!) und Österreichischer Volkspartei aufgenommen worden (Abg. Dr. Khol: Richtig!), ohne dass die Volksanwaltschaft davon vorher etwas gewusst hätte (Abg. Dr. Khol: Richtig!), ohne dass irgendjemand in der Volksanwaltschaft auf irgendjemanden Einfluss genommen hätte. (Abg. Dr. Khol: Das ist richtig! Das bestätige ich ausdrücklich!)

In diesem Antrag steht auch, dass wir das Recht auf Anregung von Disziplinarverfahren beanspruchen. – Auch das beanspruchen wir nicht, weil wir dieses Recht schon haben! Wir haben es seit eh und je: Wir können dienstrechtliche Maßnahmen im Bereich der Bundesverwaltung jederzeit anregen, wir können durch das Kollegium sogar förmliche Empfehlungen gegenüber einem Organ der staatlichen Verwaltung aussprechen. Dieses Organ ist dann verpflichtet, innerhalb von acht Wochen entweder der Empfehlung Folge zu leisten oder umfassend zu begründen, warum es allenfalls dieser Empfehlung nicht Folge leistet. Es ist also nicht richtig, dass wir jemals Ambitionen gezeigt hätten, den Fristsetzungsantrag als ein Instrument der Volksanwaltschaft in unsere Hände zu bekommen.

Es ist ebenfalls nicht richtig, wie immer wieder behauptet wird, dass die Volksanwaltschaft gerne die Rechtsprechung überprüfen möchte. – Solche Beschlüsse hat es in der Volksanwaltschaft noch nie gegeben. In keinem einzigen Bericht der Volksanwaltschaft stand jemals auch nur in einer einzigen Zeile, dass die Volksanwälte die Überprüfung der Rechtssprechung für sich in Anspruch nehmen möchten.

Es gibt lediglich einige Meinungsäußerungen und Diskussionsbeiträge der Frau Kollegin Korosec, die sie persönlich – ad personam – bei Pressekonferenzen geäußert hat, die aber niemals


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namens der Institution Volksanwaltschaft vorgebracht worden sind, sondern nur als persönliche Meinungsäußerungen der Kollegin Korosec – und nachdenken wird man wohl noch dürfen! Und man wird sich natürlich auch über Dinge äußern dürfen, die einen zwar nichts angehen, die einem aber trotzdem Kopfzerbrechen bereiten. So manche Urteile bereiten ihr eben Kopfzerbrechen.

Mir bereitet es keine Kopfzerbrechen, weil ich mich einfach nicht damit abgeben möchte, weil ich es nicht darf, weil es mir nicht zusteht, Gerichtsurteile zu überprüfen, zu kontrollieren und zu kommentieren oder in irgendeiner Weise zu interpretieren. Daher tue ich es erst gar nicht, weil es einfach nicht zu meinem Aufgabenbereich gehört. Aber Kollegin Korosec hat für sich ja wohl das Recht, zu sagen, es sollte vielleicht eine außergerichtliche Instanz geben, die Gerichtsentscheidungen, die fragwürdig erscheinen, einer Kontrolle unterwirft. (Abg. Dr. Kräuter: Das ist unglaublich!)

Jedenfalls ist das nicht Meinung der Volksanwaltschaft! (Abg. Dr. Kräuter: Das ist unglaublich!)  – Herr Dr. Kräuter, ich sage es noch einmal: Das ist ihre persönliche Meinung ... (Abg. Dr. Kräuter: Das ist unglaublich!)  – Darf Frau Kollegin Korosec keine Meinung haben? Die Mehrheit der Volksanwälte, Herr Dr. Kräuter, hat eindeutig immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass die Rechtssprechung nicht Gegenstand von volksanwaltschaftlichen Prüfungsverfahren sein kann und sein darf, weil das einen Bruch des Verfassungsgrundsatzes der Gewaltentrennung bedeuten würde. (Abg. Dr. Kräuter: Dann tun Sie es nicht!) Daher haben wir diese Überlegungen stets ad acta gelegt und niemals ernsthaft erwogen, es ist diese Forderung auch niemals ernsthaft von der Volksanwaltschaft in der Öffentlichkeit vertreten worden.

Nun zum Fristsetzungsantrag. Dieser Fristsetzungsantrag ist wohl ein gut gemeinter Vorschlag, der vielleicht in Einzelfällen ein-, zweimal im Jahr durch die Volksanwälte oder durch den für das Justizwesen zuständigen Volksanwalt anwendbar wäre. Ich betone jedoch: Wir benötigen dieses Instrument nicht, weil wir mit der Säumigkeitsprüfung gegenüber dem Justizminister und den Gerichtspräsidenten viel effizienter und viel rascher zu einem positiven Ergebnis kommen, denn sobald ein Prüfverfahren über eine behauptete Säumigkeit in einem Gerichtsverfahren eingeleitet wird, führt das in der Regel dazu, dass innerhalb einiger Wochen im Wege der Dienstaufsicht die Fortsetzung beziehungsweise die Beschleunigung des Verfahrens angeordnet wird. Die Beschwerdeführer rufen mich zumeist schon an und informieren mich über das erfolgreiche Einschreiten der Volksanwaltschaft, noch ehe mich der Justizminister davon in Kenntnis setzen kann, dass ihm das Ergebnis des Prüfverfahrens nunmehr vorliege.

Wir brauchen also dieses Instrument des Fristsetzungsantrages nicht unbedingt. Es könnte sich zwar dann und wann als zweckmäßig erweisen, wenn es einen ausgesprochen halsstarrigen Richter gäbe, der sich der Dienstaufsicht verweigert, oder wenn es eine unfähige Dienstaufsicht gäbe, wenn also ein Präsident seiner Aufsichtspflicht nicht nachkäme, denn dann wäre dieser Fristsetzungsantrag möglicherweise ein Instrument, das wir gebrauchen könnten. Aber das sind, wie gesagt, eher Orchideen-Fälle. Von den 80 oder 90 Fällen im Jahr wären das meiner Ansicht nach höchstens ein bis zwei Fälle.

Wenn der Verfassungsgesetzgeber der Meinung ist, dieser Fristsetzungsantrag soll in Hinkunft zum Instrumentarium der Volksanwaltschaft gehören, werden wir ihn sicher gerne in Anspruch nehmen, aber mit großer Sicherheit äußerst sparsam und höchstens ein-, zweimal im Jahr. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Frau Volksanwältin Dr. Christa Krammer. – Bitte.

16.29

Volksanwältin Dr. Christa Krammer: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich muss meinem lieben Kollegen Kräuter in aller Freundschaft sagen, dass es mich sehr erstaunt hat, zu hören, dass die Volksanwaltschaft – und damit auch ich – zu einem "Regierungsstoßtrupp" gehört. Ich habe mich in


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meinem Leben noch nie instrumentalisieren lassen, und ich kann mir niemanden vorstellen, der je in der Lage wäre, mich für irgendetwas zu instrumentalisieren.

Von jenem Tag an, an dem ich vom Bundespräsidenten angelobt worden bin – und das kann ich, wie ich glaube, auch für meine Kolleginnen und Kollegen sowie für alle anderen, die je das Amt des Volksanwaltes innegehabt haben, sagen –, haben wir alle uns nach bestem Wissen und Gewissen als Anwalt der Bürgerinnen und Bürger verstanden! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich traue mich sogar, zu sagen, dass Sie in ganz Österreich niemanden finden werden, der an einen der Volksanwälte den Vorwurf erhebt, parteipolitisch agiert zu haben. (Abg. Kiss: Der Kräuter, der Kräuter!) So viel zu diesen Bemerkungen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Kiss: Der Kräuter, der Kräuter!)  – Ich weiß nicht, was in den Gehirnen der anderen Abgeordneten vorgeht, daher sage ich es jedenfalls einmal für alle! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte mich nun ebenfalls zum lang gehegten Wunsch der Volksanwaltschaft äußern ... (Abg. Dr. Khol: Sie hat sich nicht verändert! – Heiterkeit. – Abg. Dr. Khol: ... die Arbeit! – Neuerliche Heiterkeit.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist die hoch geschätzte Frau Volksanwältin! – Bitte.

Volksanwältin Dr. Christa Krammer (fortsetzend): Herr Klubobmann Dr. Khol, ich sehe das als Kompliment. Darf ich das? (Abg. Dr. Khol: Das war es!)  – Danke vielmals.

Meine Damen und Herren! Zum lang gehegten Wunsch der Volksanwälte, Gesetzesanträge machen zu dürfen, möchte ich anmerken: Wenn die Volksanwälte auf Grund von Beschwerden aus der Bevölkerung oder auf Grund eigener Wahrnehmung feststellen, dass ein Gesetz novelliert werden sollte, damit Beschwerden verhindert, Nachteile der Bevölkerung, Unannehmlichkeiten für Bürger, für Teile der Bevölkerung vermieden werden können, dann frage ich mich, warum es nicht möglich sein sollte, einen diesbezüglichen Gesetzesantrag an das Hohe Haus zu stellen.

Die Volksanwaltschaft versteht sich doch als Hilfsorgan des Parlaments – so werden wir immer definiert. Also muss es diesem Organ des Parlaments doch möglich sein, Wahrnehmungen, die in Ausübung seiner Tätigkeit gemacht worden sind, an das Hohe Haus heranzutragen. Ich kann nicht sehen, wo, auf welche Weise, inwiefern das Recht der Abgeordneten eingeschränkt beziehungsweise geschmälert werden sollte, wenn von der Volksanwaltschaft an das Hohe Haus Gesetzesanträge herangetragen werden. Wo soll da eine Schmälerung sein? Niemand nimmt dadurch den Abgeordneten etwas weg! Vor allen Dingen aber entscheidet niemand an Stelle der Abgeordneten über diesen Gesetzesantrag. Niemand kontrolliert die Abgeordneten. Niemand schmälert sie in ihren Rechten.

Warum sollte es denn der Volksanwaltschaft zwar möglich sein, individuell, auf Grund des Vorbringens einer individuellen Beschwerde, im Einzelfall also, zu helfen, warum soll es uns aber nicht möglich sein, für mehrere Menschen gleichzeitig eine Lösung ihrer Probleme im Wege eines Gesetzesantrages zu versuchen? Ich sage nicht "zu finden", ich sage absichtlich "zu versuchen", denn die Entscheidung darüber liegt ja bei Ihnen, meine Damen und Herren des Hohen Hauses.

Woher diese Bedenken von wegen Wegnehmen eines Rechtes der Abgeordneten kommen, weiß ich nicht. Bestünde für die Volksanwaltschaft, für die Volksanwälte diese Möglichkeit, so läge das meiner Ansicht nach im ureigensten Interesse der Bürgerinnen und Bürger! Und Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, sind doch dazu da, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Also müsste jede Maßnahme, die den Interessen der Bürger dient, von Ihnen begrüßt werden, und es dürfte keine "Angst" – sage ich jetzt einmal ganz vorsichtig und unter Anführungszeichen – aufkommen, dass Ihnen etwas weggenommen werden könnte. Das ist ein Trugschluss! Dieser Schluss ist falsch!


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Anders wäre es, wenn die Volksanwälte das Stimmrecht im Hohen Haus verlangten. Das wäre ein ganz anderes Verlangen! Es wäre meines Dafürhaltens auch ein zu großes Verlangen, denn damit würden wir ja in die Gesetzgebung eingreifen – und das widerspräche dem Prinzip der Gewaltenteilung! Damit würden wir uns Rechte anmaßen, die uns von der Verfassung her nicht zustehen. Aber ein Hilfsorgan des Parlaments sein, werden wir ja noch dürfen, denn das sind wir jetzt de facto auch.

Meine Damen und Herren! Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die in den letzten Wochen so heftig diskutierte Kontrolle der Justiz durch die Volksanwälte. Ich schließe mich dem an, was mein Kollege Schender gesagt hat: Es war von Anfang an nur eine Diskussion innerhalb der Volksanwaltschaft, aber es ist nie offiziell von den Volksanwälten gefordert worden, die Gerichte kontrollieren zu können!

Ich habe sofort gesagt, dass das nicht sein kann. Die Volksanwaltschaft kann nicht in die unabhängige Gerichtsbarkeit eingreifen. Das wäre ebenfalls ein Bruch des Prinzips der Gewaltenteilung, das ja eine wesentliche Säule jeder Demokratie ist, daher darf es nicht – weder mit einem Schlag noch schön langsam, peu à peu, mittels Salami-Taktik – konterkariert oder hintergangen werden.

Allerdings ist es richtig, dass an den Sprechtagen sehr viele Leute zu uns kommen, die sich über Richter, über Urteile, über Prozesse, die sie verloren haben, beschweren. Warum auch nicht? Ich denke, man könnte jetzt einen Weg finden, um es der Volksanwaltschaft zu ermöglichen – und wenn es sonst nichts ist, dann könnten wir vielleicht dazu in die Lage versetzt werden –, diese an sie herangetragenen Beschwerden einfach weiterzuleiten, ohne Kommentar! Wir sagen nur: Wir hatten da und dort Sprechtag, über diesen oder jenen Richter, über diese oder jene Richterin, über dieses Gericht und so weiter sind diese oder jene Beschwerden bei uns eingelangt. Dann kann man das dem jeweiligen Gericht zur Kenntnis bringen. Aber zu beeinflussen, wie die Gerichte innerhalb ihres Wirkungsbereiches damit umgehen und wie sie damit verfahren, ist garantiert nicht Sache der Volksanwaltschaft!

Meine Damen und Herren! In all den Jahren des Bestehens dieser Einrichtung haben, denke ich, alle Volksanwälte, die es je gegeben hat, sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Zufriedenheit vieler Bürger gearbeitet, wenn auch nicht immer zur Zufriedenheit jener Behörden, die sie kontrolliert oder überprüft haben. Aber das ist ja schließlich unser Geschäft! Deswegen sind wir ja da!

Im Jahre 1973, genau am 27. Juli 1973, hat Herr Dr. Fischer, nunmehr Präsident des Parlaments, gewarnt, und das war sehr vorsichtig gedacht von ihm – ich zitiere wörtlich –:

"Die Gefahr ist groß, dass man sich auf jemanden", gedacht ist als Volksanwalt, "einigt, von dem man annimmt, dass er niemandem wehtut." – Zitatende.

Rückblickend betrachtet, Herr Präsident, war das zwar sehr vorsichtig gedacht, aber es hat sich, denke ich, mit den Jahren erwiesen, dass man sich auf niemanden geeinigt hat, der davor Angst gehabt hätte, irgendjemand weh zu tun. Bei uns ist das sicherlich nicht der Fall! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ, der Freiheitlichen sowie der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es wird jetzt sehr viel von neuen Auswahlkriterien für die Volksanwälte gesprochen. Sollten sie einmal verwirklicht werden, so wünsche ich mir, dass jene Volksanwälte, die aus diesen neuen Auswahlkriterien hervorgehen, ganz gleich, in welcher Besetzung, genauso wie ihre Vorgänger ein offenes Ohr für die Bürger und Bürgerinnen haben und zu deren Zufriedenheit arbeiten.

Bei Ihnen, meine Damen und Herren Abgeordneten, liegt es auf jeden Fall, die Institution Volksanwaltschaft zu erhalten, sie nicht auszuhöhlen, sondern sinnvoll auszubauen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.38


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr. Die Uhr ist auf 8 Minuten eingestellt. – Bitte.

16.39

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank und im Plenum! Dass sich in den wenigen Wochen und Monaten seit dem Regierungswechsel einiges auf dem Kunstsektor getan hat, ist unbestreitbar. Ich finde die Bilanz keineswegs so kümmerlich wie Sie, Herr Cap. Ich nenne als Beweis kurz einige Maßnahmen, durch die Forderungen – von Kunst- und Kulturschaffenden seit Jahren erhoben – erfüllt wurden.

In Arbeit ist zum Beispiel nach dem Ablauf des Begutachtungsverfahrens und der Vorbehandlung im zuständigen Ausschuss die gesetzliche Verankerung des gebundenen Buchpreises, ein Thema, bei dem unter Umständen, wie ich noch immer hoffe, auch die oppositionelle Seite mitgehen kann, handelt es sich doch um ganz ähnliche Forderungen und eine wichtige Maßnahme zur Bewahrung der Vielfalt auf dem österreichischen Buchmarkt. Sie ist wichtig für die Konsumenten, die Produzenten und den Handel – unter diesen insbesondere für die Kleinen, also die KMUs, und nicht die Megakonzerne –, noch wichtiger aber für die österreichischen Künstler, die noch nicht oder vielleicht niemals Bestsellerauflagen erreichen werden und das vielleicht auch gar nicht anstreben.

Darüber hinaus wird es steuerliche Erleichterungen für Künstler geben, und zwar den Pauschalierungserlass, die Möglichkeit der Verteilung von zu versteuernden Einnahmen über einen längeren Zeitraum sowie Steuererleichterungen für ausländische Künstler, also Maßnahmen, die das Leben der Künstler eindeutig erleichtern werden.

Das, was als Nächstes in Angriff zu nehmen sein wird, ist das jahrelang verschleppte, immer neu versprochene und nie erledigte Kapitel Künstler-Sozialversicherung. Ich versichere Ihnen: Diesmal wird es erledigt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Worauf ich aber heute den Schwerpunkt meiner Rede legen möchte, ist ein nur vordergründig regionales Projekt, nämlich Graz als Kulturstadt 2003. In engem Zusammenhang damit steht das Kunsthaus Graz. Staatssekretär Morak kommt das Verdienst zu, nachdem die Finanzierung von der alten Bundesregierung zwar versprochen wurde, jedoch keineswegs budgetär abgesichert war, nach Absprache mit Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic und den zuständigen Vertretern der Stadt eine ordnungsgemäße Zusage gemacht und die Verankerung des Programmanteiles im Budget durchgesetzt zu haben. Der Bund wird somit 250 Millionen Schilling in fünf Tranchen von 2001 bis 2005 zur Kulturstadt Graz 2003 beisteuern.

Meine Damen und Herren! Es geht hier, wie gesagt, um kein regionales, sondern um ein europäisches, mehr noch, um ein internationales Projekt. Graz wird im Jahre 2003 europäische Kulturstadt sein, und zwar als Einzige in diesem Jahr, wogegen sich normalerweise zwei bis drei Städte pro Jahr diesen Titel teilen. Das ist also eine Chance für Österreich, für die ganze Republik, sich zu profilieren.

Eine zentrale Rolle im Rahmen der Konzeption der Kulturstadt spielt das Projekt des Kunsthauses. Es geht hier nicht allein um Präsentation von Kunst, sondern das, was da geboten und gebaut werden soll, ist ein multifunktionales, architektonisch innovatives und ästhetisch hervorragendes, Aufsehen erregendes Konzept mit kaum zu ahnenden Folgewirkungen für Bautechnik und Kommunikationstechnologie.

Ich weiß nicht, ob Sie die Bilder des Entwurfs in diversen Presseberichten gesehen haben. In der Ausgabe des "Standard" vom 26. April 2000 (die Rednerin hält die genannte Zeitung in die Höhe), wenn sich das jemand genauer ansehen möchte, war zum Beispiel ein Farbfoto abgedruckt. Peter Cook sieht das Haus mit einer blauen transparenten Haut als Fassade, die gleichzeitig Decke, Wand und Boden bildet und in die bereits technische Elemente eingearbeitet sind – ein dreidimensionales, utopisch anmutendes Gebilde. Wie gesagt: Aufsehen erregend


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und in jeder Hinsicht neue Maßstäbe in Architektur und Kunst setzend, ein neues kulturelles Wahrzeichen für Österreich.

Zwar gibt es zur Finanzierung des Kunsthauses Graz noch keine definitiven Zusagen aus den beiden zuständigen Ministerien, dem Finanz- und dem Wirtschaftsministerium, aber ich hoffe doch sehr auf eine positive Erledigung nach dem Jahre währenden Slalomkurs des steirischen Kulturreferenten hinsichtlich Zeitraum, Bauort und vor allem Finanzierung.

Kurz zu den Hintergründen, auf die ich damit anspiele: Mit jenem Geld, das für den Bau des Kunsthauses im Prinzip schon vorhanden gewesen wäre, wurde kurzsichtig, locker und unverantwortlich umgegangen. Ende 1995 übernahm Landeskulturreferent Schachner-Blazizek aus dem so genannten Kulturfernsehschilling 290 Millionen Schilling für Baumaßnahmen, insbesondere für das Kunsthaus. Alljährlich kamen noch 60 bis 80 Millionen Schilling dazu. Im März 2000 aber waren nach Schachners Aussage die Einnahmen aus dem Rundfunk- und Fernsehschilling gänzlich verbraucht, und zwar für Großprojekte wie zum Beispiel den "Jazzsommer", und der war teuer, aufwendig, reproduzierend sowie für die anderen, nicht subventionierten Jazzmusiker und das Kleinklima in Graz – das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, und viele Musiker haben mir darüber berichtet – ein Fiasko. Während diese nämlich selbstverständlich Eintritt verlangen müssen, lieferte Schachner mit den "Supremes" oder mit dem "Golden Gate Quartett" Brot und Spiele – selbstverständlich gratis für das Volk.

Man muss noch Folgendes dazu sagen: In der aufwendigen begleitenden Werbung waren nicht immer die Portraits der Künstler, immer aber das Portrait des Herrn Kulturreferenten zu sehen. Das sei nur am Rande bemerkt. (Ruf bei der ÖVP: Unglaublich!)

Ich hoffe jedenfalls, dass dem Bau des Kunsthauses als Bundesanliegen besonderes Augenmerk zukommt, und zwar als einem Projekt, das wirklich maßstabsetzend und Aufsehen erregend im positiven Sinn für Europa ist, und als einem Modell, das Österreich die Chance auf hohes und positives internationales Ansehen bringen kann, nachdem Spanien mit Bilbao oder Frankreich mit dem Centre Pompidou gezeigt haben, was durch kluge und moderne Kunst- und Kulturplanung für die gesamte Bevölkerung eines Landes, für den Kulturtourismus und die wirtschaftliche Infrastruktur möglich ist.

Der zeitgenössischen österreichischen und internationalen Kunstszene sind dadurch neue Entwicklungschancen in neuem Kleid und neuem Rahmen zu verschaffen, und es sind dadurch – wie in der Präambel zur Regierungserklärung auch schon formuliert – global und regional markante Schwerpunkte zu setzen: als Ziel einer innovativen Kunst- und Kulturpolitik, die auf einer gesicherten, transparenten und überschaubaren Kalkulation beruht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Präsident des Rechnungshofes. – Bitte.

16.46

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen Volksanwältinnen! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Das Bundesbudget des Jahres 2000 sieht Gesamtausgaben in der Höhe von etwas über 781 Milliarden Schilling vor. Davon sind für den Rechnungshof rund 315 Millionen Schilling vorgesehen; das ist weniger als ein halbes Promille! Damit möchte ich nur die Relation zwischen den Gesamtausgaben des Bundes und den Aufwendungen für die oberste Kontrollinstanz in finanziellen Angelegenheiten herausstreichen.

Ich wurde im Zuge der heutigen Diskussion gefragt, ob ich mit diesen finanziellen Möglichkeiten für das Jahr 2000 zufrieden bin. Ich muss darauf antworten: Natürlich entspricht das Budget für den Rechnungshof auf der einen Seite nicht ganz den Vorstellungen, die sich der Rechnungshof selbst, aber auch dessen Präsident gemacht haben. Auf der anderen Seite ist mir natürlich klar, dass in Zeiten einer angespannten Budgetsituation auch der Rechnungshof gewisse Restriktionen auf sich nehmen muss und nicht alle Wünsche erfüllt bekommen kann.


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Der Rechnungshof selbst hat schon seit mehreren Jahren darauf gedrängt, dass im Bundesbereich, aber auch in den sonstigen Gebietskörperschaften gespart wird. Er kann sich diesem Sparappell natürlich auch betreffend das eigene Haus nicht entziehen.

Ich möchte aber doch Folgendes klarstellen – das entspricht auch einem internationalen Vergleich –: Selbst wenn es darum geht, bei den Ausgaben streng zu sparen, soll man sich immer überlegen, wo man spart. Man sollte nicht linear sparen – ich halte das für ganz schlecht –, sondern man soll dort sparen, wo tatsächlich Sparpotentiale gegeben sind, und man soll nicht der Versuchung erliegen, einfach mit einem gewissen Prozentsatz gleichsam quer über die gesamte Bundesgebarung zu fahren und lineare Kürzungen vorzunehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Das hat ja der Edlinger gemacht!)

Am schlechtesten wäre allerdings, wenn man der Versuchung erläge, dass man bei der obersten Kontrollinstanz begänne, mit Sparmaßnahmen anzusetzen (demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der Grünen) , denn es hat sich immer noch herausgestellt, dass dies ein Sparen am falschen Platz ist. (Abg. Edlinger  – in Richtung des Abg. Dr. Khol –: Was machst du im Herbst? Wer ist dann schuld?) Wir haben in mehreren Rechnungshofberichten sehr eindeutig dargelegt, in welchen Bereichen es uns gelungen ist, durch unsere Prüfungen Einsparungen zu erreichen. Und diese Einsparungen liegen regelmäßig wesentlich höher als das Budget für den Rechnungshof pro Jahr. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP, der Freiheitlichen und der Grünen.)

Natürlich haben die in finanzieller Hinsicht eingeschränkten Möglichkeiten auch Auswirkungen auf die personellen Ressourcen, die der Rechnungshof beantragt hat. Er hat sie ebenfalls nicht zur Gänze gewährt bekommen. Im Rechnungshof sind 345 Planstellen vorgesehen. Um einen Vergleich zu bringen: Diesen 345 Planstellen stehen zirka 750 000 Personen in den diversen geprüften Stellen gegenüber – diese Relation soll nur verdeutlichen, mit wie wenigen Personen der Rechnungshof auszukommen hat, um seinen Prüfungsaufgaben nachzukommen. Aber dies hat sich in der Vergangenheit immer noch bewerkstelligen lassen.

Wir sehen uns jedoch in diesem Jahr mit einer ganz besonderen Aufgabenstellung konfrontiert, nämlich mit der Vollziehung des heute in der Diskussion bereits mehrfach angesprochenen Bezügebegrenzungsgesetzes. Bekanntlich hat der Rechnungshof die Aufgabe übertragen bekommen, einen Bericht zu erstellen, in dem sämtliche Personen namentlich angeführt sind, die monatlich mehr als 80 000 S aus öffentlichen Kassen beziehen.

Der Gesetzgeber ist bei Verfassung dieses Gesetzes davon ausgegangen, dass alle, die aufgerufen sind, den Gesetzesauftrag zu erfüllen, dieser Verpflichtung auch nachkommen. Wie sich nun gezeigt hat, ist dies durchaus nicht der Fall. Die Rechtsträger – es sind über 5 000 –, die verpflichtet wären, die Meldungen über ihre Bediensteten dem Rechnungshof bekannt zu geben, haben sich dieser Verpflichtung vielfach entzogen. Wir mussten daher – beginnend vor einigen Wochen – bereits Mahnungen an die Rechtsträger aussenden und hoffen nun, dass diese Mahnungen einen Beitrag dazu leisten werden, dass die Meldungen doch noch vollständig und vor allem nicht anonymisiert eingehen werden, denn mit anonymisierten Meldungen kann der Rechnungshof nichts anfangen, anonymisierte Meldungen kann der Rechnungshof seinem Bericht nicht zugrunde legen.

Die Hoffnung haben wir wohl; wenn ich allerdings sehe, welche Meldungen nachträglich eingegangen sind und noch eingehen, muss ich doch meiner Befürchtung Ausdruck verleihen, dass wir bestenfalls von 50 Prozent aller Rechtsträger ordnungsgemäße Meldungen bekommen werden. Das bedeutet in weiterer Konsequenz, dass der Rechnungshof auf Grund des Gesetzes verpflichtet sein wird, Einschauen überall dort vorzunehmen, wo den Meldepflichten der Rechtsträger nicht entsprochen wurde. Dies wären Einschauen in einer unermesslichen Zahl, jedenfalls weit über 100, mehrere 100, vermutlich über 1 000.

Es wird – dies hängt mit dem Grund der Weigerung zusammen – letztlich eine gerichtliche Entscheidung zu sein haben, ob ein Bericht, wie er dem Rechnungshof verfassungsgesetzlich aufgetragen wurde, überhaupt erstellt werden kann, denn die Argumentation der geprüften Stellen, die sich weigern, dem Rechnungshof vollständige Meldungen zu legen, geht in die Richtung,


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dass dieses Verfassungsgesetz der EU-Datenschutzrichtlinie widerspräche. Das ist übrigens eine Meinung, die vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes nicht geteilt wird. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat uns ausdrücklich versichert, dass diese Rechtsansicht unzutreffend ist und der § 8 des Bezügebegrenzungsgesetzes – eine Verfassungsbestimmung – auch mit der EU-Datenschutzrichtlinie in Einklang steht.

Wenn wir auf Grund der zu erwartenden Weigerungen überall dort eine Einschau vornehmen, wo sich Weigerungen seitens der betreffenden Rechtsträger ergeben haben – wo also anonymisierte Meldungen oder gar keine Meldungen eingelangt sind –, so würde dies, wollten wir dies alles noch in diesem Jahre vornehmen, dazu führen, dass wir unseren Prüfungsaufgaben nicht mehr nachkommen könnten. Da die Prüfungsaufgaben aber das Kerngeschäft des Rechnungshofes darstellen, kann ich es diesem Haus gegenüber nicht verantworten, die gesamte Tätigkeit des Rechnungshofes ausschließlich auf die Vollziehung des Bezügebegrenzungsgesetzes zu konzentrieren.

Wir werden natürlich – so wie dies in der Verfassung an sich vorgesehen ist – unsere Einschauaufträge in der gesamten Bundesverwaltung, in der gesamten Landesverwaltung und in der uns zur Prüfung übertragenen Kommunalverwaltung weiterhin wahrnehmen, und zwar Gebarungsüberprüfungen vornehmen, die sich nicht bloß darauf beschränken, zu erheben, wer mehr als 80 000 S aus öffentlichen Kassen bezieht. Wir werden natürlich – auch dies kam in der Diskussion zum Ausdruck – auch unsere internationalen Verpflichtungen einhalten und werden gemeinsam mit dem Europäischen Rechnungshof die Prüfungen, die dieser in Österreich vornimmt, gleichfalls durchzuführen haben. Dies sind wir der Republik Österreich als Nettozahler gegenüber der Europäischen Union, aber auch allen Steuerzahlern in Österreich schuldig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte nun Folgendes ganz klar zum Ausdruck bringen: Wir werden auf Grund der Mehraufgaben, die sich durch das Bezügebegrenzungsgesetz ergeben, nicht unsere Gebarungsüberprüfungen opfern, aber wir werden – und ich muss bereits jetzt darauf aufmerksam machen – durch diese Mehraufgaben und vor allem durch die Mehraufgaben, die sich auf Grund der Weigerung der geprüften Rechtsträger ergeben, uns Meldungen zu erstatten, unsere Gebarungsüberprüfungen sehr wohl einschränken müssen. Das wird sich nicht vermeiden lassen! Das ist die Konsequenz aus dem Gesetz, das ist aber vor allem die Konsequenz daraus, dass dieses Gesetz von den gleichfalls zur Vollziehung aufgerufenen Rechtsträgern in mehrfacher Weise nicht so gehandhabt wird, wie dies vom Gesetzgeber angedacht wurde.

Ich darf mich in diesem Zusammenhang für die Anerkennung, die heute in der Debatte mir persönlich, dem Rechnungshof und den Mitarbeitern des Rechnungshofes ausgesprochen wurde, sehr herzlich bedanken, und ich werde diese anerkennenden Worte auch an die Mitarbeiter des Rechnungshofes weiterleiten. Ich darf aber meinerseits auch einen Wunsch einbringen, einen Wunsch an den Nationalrat insgesamt, aber vor allem an jene Abgeordneten, die auch in den geprüften Rechtsträgern vertreten sind, die die Meldungen nach dem Bezügebegrenzungsgesetz vorzulegen hätten. Ich darf Sie ersuchen: Machen Sie Ihren Einfluss geltend, damit der Rechnungshof im Zusammenhang mit der Vollziehung dieses Gesetzes alles an die Hand bekommt, was es ihm erleichtert, diesen Bericht zu erstatten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie haben dieses Gesetz beschlossen. Sie haben damit zum Ausdruck gebracht, dass Sie diesen Bericht wünschen. Unterstützen Sie nun den Rechnungshof, damit er bei der Erfüllung dieser Verpflichtung eine Hilfestellung von Ihrer Seite bekommen kann! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Zernatto. – Bitte.

16.56

Abgeordneter Dr. Christof Zernatto (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Volksanwälte! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ursprünglich dachte ich, ich wäre der letzte Redner zu diesem Tagesord


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nungspunkt. Es kommt zwar noch jemand nach mir, aber ich nehme an, dass ich meine Rede trotzdem nicht ändern muss.

Bevor ich aber damit beginne, möchte ich dem Abgeordneten Kräuter von dieser Stelle aus ein herzliches Dankeschön sagen (demonstrativer Beifall des Abg. Grabner ), und zwar ein Dankeschön dafür, dass es ihm durch seinen Redebeitrag gelungen ist, einen Einblick auch in die emotionalen Bereiche unserer Volksanwälte zu provozieren. Ich möchte mich bei den Damen und dem Herrn Volksanwalt sehr herzlich für Ihre Arbeit im Sinne unserer Bürger bedanken. Das ist eine Arbeit, die in der Regel sehr still und von sehr wenig Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit begleitet stattfindet, für den Einzelnen aber unerhört viel bedeutet.

Wie gesagt, es hat dieser Redebeitrag heute provoziert, dass wir das Modewort des Jahres 2000, "Schulterschluss", in einer ungeheuer engagierten Art völlig neu besetzt erlebt haben. Auch dafür bin ich dankbar, denn es tut uns allen gut, zu wissen, dass die Volksanwaltschaft eine tatsächlich abseits jeder parteipolitischen Instrumentalisierung agierende Stelle in unserer Republik ist, auf die man sich verlassen kann. Es haben heute alle Volksanwälte bewiesen, dass sie diesem Anspruch gerecht werden. Danke vielmals dafür! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Kollege Ofner hat in einem jetzt schon etwas länger zurückliegenden Debattenbeitrag gemeint, dass das Thema der Volksgruppen offensichtlich so wenig Interesse – vor allem bei den Oppositionsparteien – hervorrufe, dass sich niemand dazu äußert. Ich widerspreche ihm ungern, aber mir drängt sich ein ganz anderer Verdacht auf, meine Damen und Herren: Gerade das Thema der Volksgruppenpolitik eignet sich eben so ungeheuer schlecht dazu, hier immer wieder jenes Klischee auf den Tisch zu legen, das von dieser Regierung gezeichnet wird.

Meine Damen und Herren! Ich habe die Präambel des Memorandums der österreichischen Volksgruppen aus dem Jahre 1997 hier vor mir liegen und möchte ganz kurz daraus zitieren.

"Die Umwälzungen in der europäischen Geschichte haben gezeigt, dass der Schutz nationaler Minderheiten ein wesentlicher Faktor für Stabilität, demokratische Sicherheit und Frieden auf diesem Kontinent ist. Eine pluralistische und wahrhaft demokratische Gesellschaft achtet nicht nur auf die ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität aller Angehörigen einer nationalen Minderheit, sondern schafft auch Bedingungen, die es ihnen ermöglichen, ihre Identität zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und zu entwickeln. Dafür ist die Herstellung eines Klimas der gegenseitigen Achtung und des Dialoges notwendig, damit sich die ethnische, kulturelle, religiöse und sprachliche Vielfalt für jede Gesellschaft als eine Quelle und ein Faktor nicht der Teilung, sondern der Bereicherung erweisen kann. Der Stellenwert von Minderheiten in einer Gesellschaft ist ein wesentlicher Gradmesser für deren Liberalität und Toleranz." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung wird dieser Präambel gerade im Bereich der Volksgruppenpolitik mehr als gerecht. Das ist der Grund dafür, meine Damen und Herren, dass sich dieses Thema so schlecht dazu eignet, hier entsprechende Kritik anzubringen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung – an der Spitze unser Bundeskanzler und die Vizekanzlerin – hat in einer sehr engagierten Art gleich am Beginn ihrer Tätigkeit den Dialog mit den Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Volksgruppenbeiräte aufgenommen. Sie hat damit ein sehr deutliches politisches Signal dafür gesetzt, dass ihr in Beachtung der Präambel dieses Memorandums gerade dieser Teil der Politik ein besonderes Anliegen ist.

Die Regierung hat auch gesagt: Wir wollen nicht an den Vorurteilen, mit denen wir verfolgt werden, sondern an den Taten gemessen werden, die wir im Rahmen unserer Regierungstätigkeit setzen werden. Was sind nun diese Taten im Bereich der Volksgruppenpolitik?

Meine Damen und Herren! Es war schon die Rede davon, dass sich die Staatszielbestimmung, eine der wesentlichsten Forderungen des Memorandums, sozusagen in der Zielgeraden befin


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det. Ich bin mit Dr. Ofner einer Meinung, dass es mit Sicherheit nicht an der Textierung scheitern wird und scheitern darf, dass es zu einer entsprechenden Verankerung dieser Staatszielbestimmung in unserer Verfassung kommen wird.

Meine Damen und Herren! Es sind hier auch andere Bereiche aus diesem Memorandum erfasst. So ist die Topographie-Verordnung für das Burgenland bereits in Umsetzung begriffen. Die Erlassung der Amtssprachenverordnung für die ungarische Sprache ist bereits seit 4. Mai dieses Jahres in Begutachtung. Die Anpassung der Amtssprachenverordnung für die kroatische Sprache ist auch als etwas, was sich gerade im Zusammenhang mit der Arbeit an der Topographie-Verordnung als sinnvoll erwiesen hat, in Vorbereitung. Und, und, und – diese Aufzählung ließe sich noch weiter fortsetzen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, dass es daher besonders wichtig und entscheidend ist, dass wir vielleicht – das ist die positive Annahme – jedenfalls im Bereich der Volksgruppenpolitik hier im Haus so etwas wie einen Schulterschluss zustande bringen, im Sinne dessen, was in dieser Präambel steht.

Zum Schluss möchte ich auf eine Bemerkung eingehen, die mich heute hat aufhorchen lassen. Kollege Dr. Ofner hat in seinem Debattenbeitrag darauf hingewiesen, dass im Sinne der demokratischen Vertretung der Volksgruppen von seiner Seite und seiner Partei her die Diskussion über ein Viril-Mandat, über ein Volksgruppen-Mandat denkbar erscheint. Ich habe deshalb aufgehorcht, weil ich darin im Zuge meiner Tätigkeit in Kärnten immer ein Thema vorgefunden habe, das mit besonderer Sensibilität verbunden ist. Daher möchte ich es jetzt auch nicht dazu nutzen, hier in einer polemischen Art und Weise darüber zu sprechen und darauf hinzuweisen, was in der Vergangenheit an unterschiedlichen Auffassungen dazu vorhanden war. Aber ich meine, dass diese Handreichung, die hier so offensichtlich erfolgt ist, durchaus Anlass dazu sein sollte, dass man eine gute Tradition, die bei uns in Kärnten immer gepflogen wurde – nämlich gerade in Fragen der Volksgruppenpolitik eine Allparteien-Lösung zustande zu bringen –, auch in dieser Frage anstrebt.

Meine Damen und Herren! Ich bin auch davon überzeugt, dass eine tatsächlich demokratisch legitimierte Vertretung der Volksgruppen dort, wo sie regional entsprechend vorhanden sind und auch auf eine autochthone Vergangenheit verweisen können, immer besser ist als die Vertretung durch engagierte Vertreter von Vereinen und dass es immer vernünftiger ist, mit Menschen, die Sorgen und Probleme haben, sozusagen im Haus zu sprechen und den Diskurs nicht außerhalb des Hauses führen zu müssen.

Daher glaube ich, dass dieser heutige Debattenbeitrag von dir, geschätzter Kollege Ofner, vielleicht mit ein Startschuss gewesen sein könnte, um die Volksgruppenpolitik in Österreich auf eine noch bessere und noch konsensfähigere Basis zu stellen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pilz. (Oje-Rufe bei der ÖVP.)  – Bitte.

17.05

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte "Dumpinnen" und "Humpen" von der freiheitlichen Fraktion! Ich möchte anlässlich der Diskussion über Kultur und Sprache – das ist eine Diskussion, die nicht zum ersten Mal stattfindet ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Was meinen Sie damit?) Was ich damit meine, ist, dass wir uns mit den "Laderhumpen" in der Politik etwas genauer auseinander setzen sollten.

Die Diskussion über Sprache und Politik führt bei uns entweder zu absoluter Infantilisierung oder zum Ordnungsruf. Dazwischen gibt es nichts. Als völlig parlamentsfremde Person – was ich leider nicht bin, aber ich versuche, mir das vorzustellen – würde ich mir – wäre ich es – erwarten, dass jemand, der den Bundeskanzler als "Strolchi" bezeichnet, nicht nur eine Zurückweisung von Seiten des Bundeskanzlers erfährt, sondern sich auch der Gefahr des Ordnungsrufes aussetzt. Aber nein, der Bundeskanzler ist – das hat er heute bekräftigt – selbst der


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Meinung, dass es durchaus kein Problem für ihn ist, in Ausübung seines Amtes "Strolchi" genannt zu werden. (Beifall bei den Grünen.)

Strolchi hat heute Vormittag gesagt, dass Ähnliches auch für Susi gelte. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Gaugg: Es gibt auch Menschen mit Humor! – Abg. Schwarzenberger: Die Rede bestätigt Ihr Niveau! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie haben völlig Recht, das ist unter jeder Kritik! Das stammt auch diesmal von Jörg Haider, wie so vieles andere. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es wäre doch einmal höchst angebracht, dass Sie Ihrem Ex-Parteiobmann und Sie Ihrem Koalitionsfreund erklären, dass das unter jeder Kritik ist. Ja, ich stimme Ihnen zu, es ist unter jeder Kritik! Ich werde in Zukunft nicht mehr "Strolchi", sondern "Herr Bundeskanzler" sagen und auch nicht "Susi" – das ist eine besondere Geringschätzung, speziell einer Frau gegenüber –, sondern "Frau Vizekanzlerin", wie es sich gehört. Ich erwarte nur, dass das auch die Angehörigen der Regierungsparteien tun, und ich hoffe, dass das nicht zu viel verlangt ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich schwöre es: Niemand von Ihnen wird mehr als "Strolchi" bezeichnet werden. (Der Redner hält die rechte Hand zum Schwur erhoben.) Bei allen Torten meiner Heimatstadt Wien: Nie mehr werde ich in diesem Hause zur Infantilisierung der Sprache beitragen. Ich hoffe, es wird mir gelingen. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Dafür sind wir sehr stolz ...!)

Aber mir geht es um etwas anderes – egal, ob Strolchi hin, Schüssel her oder sonst etwas. In einem anderen Zusammenhang geht es doch um die Freiheit des Wortes und die Freiheit der Meinung. Da ist heute wieder etwas passiert, was bereits einige Male eingemahnt worden ist. Es handelt sich um die Erklärung von Dr. Gusenbauer, etwas, was ja nicht neu ist, sondern nur eine Wiederholung dessen, was Menschen aus unterschiedlichsten politischen Lagern und unterschiedlichsten Staaten schon weit vor Begründung dieser neuen Bundesregierung immer wieder erklärt und auch eingemahnt haben.

Ich möchte Herrn Dr. Gusenbauer nur in einem Punkt widersprechen: Die FPÖ ist keine teilrassistische Partei, sie ist eine vollrassistische Partei. (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen.) Sie ist auch keine teilrechtsextreme Partei, sie ist eine vollrechtsextreme Partei. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der SPÖ.) Und davon zu überzeugen und speziell die Christdemokraten in ganz Europa zu überzeugen, war doch nicht ... (Abg. Haigermoser: Sie sind ein Linksfaschist und ein Oberstalinist! – Ruf bei der FPÖ: Obervernaderer! – Abg. Haigermoser: Ein Obervernaderer! Ein Häuslanzünder! – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser  – in Richtung SPÖ –: Ja, solidarisiert euch mit dem Ex-Kommunisten, bitte! – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen. – Abg. Haigermoser: Peinlich seid ihr da drüben!)

Herr Präsident Prinzhorn! Ich danke für das sanfte Glockenläuten angesichts dieser Äußerungen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das hätte schon früher gehört, wie Sie die Freiheitlichen beschimpft haben! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Davon zu überzeugen, dass es sich bei der Freiheitlichen Partei um eine im Kern rechtsextreme und rassistische Partei handelt, das war im Wesentlichen, soweit es christdemokratischen Brüder- und Schwesterparteien betroffen hat, ein Verdienst von ÖVP-Obmann Dr. Schüssel. Er hat jahrelange, gut dokumentierte Überzeugungsarbeit geleistet. Und der damalige und heutige Klubobmann der ÖVP hat etwas Neues gespannt, nämlich einen "Verfassungsbogen" (Abg. Haigermoser: Obervernaderer!), und genau mit diesen Begründungen erklärt, warum sich drei – damals vier – Parteien innerhalb dieses "Verfassungsbogens" befänden und eine fünfte Partei eindeutig außerhalb angesiedelt wäre.

Und wenn sich jetzt Noch-immer-Klubobmann Khol im Bogenverschieben übt, dann heißt das doch nicht, dass der jetzt wieder verschobene Bogen immer dort, wo er gerade steht, der Maßstab aller politischen Dinge und Ordnungsrufe ist, sondern einfach nur, dass Herr Dr. Khol seine Position geändert hat. Das ist sein persönliches Recht, aber das kann doch keine neue politische Kultur im Nationalrat begründen. (Beifall bei den Grünen.)


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Was früher außerhalb war, ist jetzt plötzlich drinnen, und was früher Freund war, ist jetzt plötzlich draußen und Gegner, nur weil Sie etwas erklären müssen, was Sie nach normalen Gepflogenheiten und den Grundsätzen Ihrer Parteien im In- und Ausland einfach nicht erklären können? – Das ist ja nicht unser Problem, Herr Dr. Khol, das ist Ihr politisches Problem! (Abg. Haigermoser: Das ist die Budgetrede? – Abg. Schwarzenberger: Wann sprechen Sie zur Sache?) Und dem können Sie durch Ordnungsrufe nicht entgegentreten lassen. Es muss möglich sein – nicht nur in Straßburg, nicht nur in Brüssel, nicht nur in Washington, sondern auch in einem Nationalrat in Wien am Rednerpult des Parlaments –, eine rechtsextreme Partei als rechtsextrem und eine rassistische Partei als rassistisch zu bezeichnen. Das ist das mindeste, was ich mir als frei gewählter Abgeordneter von der Freiheit des Wortes und der Meinung in diesem Hause erwarte. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Jung: Es gibt auch eine Narrenfreiheit, Herr Kollege!)

Jetzt kurz noch einige Bemerkungen zur Kulturpolitik und zu Herrn Staatssekretär Morak. Eva Glawischnig hat schon darauf hingewiesen, was beim Museumsquartier passiert, was anderswo passiert, was sich in der Verlagspolitik ankündigt, was sich bei der Einteilung gerade auch der Künstler in Schafe und Böcke abzeichnet. Und die einzige Frage, die ich mir da mit einem persönlichen Bezug auf Sie, Herr Staatssekretär Morak, stelle, ist, ob Ihnen wirklich bewusst ist, dass Sie das einzige Regierungsmitglied sind, das doppelt isoliert ist (ironische Heiterkeit bei der ÖVP): nicht nur gegenüber den Amtskollegen und -kolleginnen in der Europäischen Union, sondern auch gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern in dieser Republik. (Ruf bei der ÖVP: Das ist ein Wunschtraum! – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Unglaublich überheblich!) Wenn Sie einen Schulterschluss versuchen, dann finden Sie weder im Ausland noch im Inland die Schulterschlusspartner, um die es Ihnen geht.

Herr Staatssekretär Morak! Unter allen Mitgliedern dieser Bundesregierung sind Sie das Regierungsmitglied, das am stärksten isoliert ist. Der einzige Einschlägige aus der Branche, der sich Ihnen noch an die Schulter schließt, heißt Andreas Mölzer, und ich glaube nicht, dass Sie, um diesen Schulterschluss zu erlangen, dieser Bundesregierung beigetreten sind. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben selbst im Jahre 1982 gereimt, gedichtet und gesungen, und ich möchte Ihnen zum Abschluss einiges davon in Erinnerung bringen, weil die eigenen Texte ja immer am besten zum Nachdenken anregen (Abg. Kiss: Das hat der Wabl schon gemacht!):

"Wenn Sie etwas über Prostitution wissen wollen, dann fragen Sie nicht am Gürtel, am Wiener Naschmarkt, in der Prater Hauptallee, fragen Sie einen, der zehn Jahre in Österreich im Geschäft ist."

Und: "Man muss sich die Brüche gönnen, die ich mir gönne."

In diesem Sinn, Herr Staatssekretär, wünsche ich Ihnen ein möglichst hohes Maß an Gesundung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

17.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Pilz! Für den Ausdruck "eine vollrechtsextreme" und "nazistische Partei", den Sie getätigt haben, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Ich werde mir aber sicherheitshalber das Protokoll vorlegen lassen und am Ende der Sitzung darüber entscheiden. (Weitere Zwischenrufe.) Sie haben "nazistisch" gesagt. (Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Haigermoser  – in Richtung Grüne –: Sie verteidigen das auch noch! Das ist letzte Klasse!)

Dann werde ich mir das Protokoll vorlegen lassen und nach Vorlage des Protokolls, Herr Abgeordneter, entscheiden.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. (Abg. Dr. Petrovic: Zur Geschäftsbehandlung!)


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Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Van der Bellen. (Anhaltende Zwischenrufe und Unruhe im Saal. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)  – Bitte.

17.16

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wenn Sie sich das Protokoll der letzten 15 Minuten etwa anschauen, dann würde ich aber auch größten Wert darauf legen, dass insbesondere die Zwischenrufe des Herrn Kollegen Haigermoser beachtet werden, die in ... (Abg. Haigermoser: Ich bitte darum! Lenken Sie nicht ab, Sie Wolf im Schafspelz! – Heiterkeit.) Ich bitte, auch diesen Zwischenruf entsprechend zu berücksichtigen. Alle anderen Zwischenrufe des Herrn Kollegen Haigermoser werde ich hier nicht wiederholen. Ich hoffe, dass sie im Protokoll ausreichend festgehalten sind.

17.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Dr. Kostelka. – Bitte.

17.17

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ordnungsrufe werde ich im Plenum des Nationalrates nach entsprechender Vereinbarung in der Präsidiale nicht kommentieren, aber ich hätte gerne gewusst, wie das jetzt zu verstehen ist: Erteilen Sie Ordnungsrufe auf Verdacht? (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist keine Fragestunde!)

Ursprünglich haben Sie nämlich gesagt, dass dieser Ordnungsruf erteilt wird, dass Sie sich aber im Nachhinein, nach Vorlage des Stenographischen Protokolls, noch einmal ein Urteil vorbehalten. (Abg. Ing. Westenthaler: Das entscheidet der Präsident!) Ich verstehe das nicht ganz. Da kommt wirklich der Gedanke auf, dass Sie, Herr Präsident, auf Verdacht hin einen Ordnungsruf erteilen.

17.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich habe das Wort "nazistische Partei" verstanden. Sie haben korrigiert und gesagt "eine rassistische Partei". Und da das hier im Tumult für mich offensichtlich nicht klar erkenntlich war, werde ich mir das Protokoll vorlegen lassen und von meinem Recht Gebrauch machen, danach darüber zu entscheiden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie werden sich doch nicht rechtfertigen gegenüber Kostelka!)

Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung, und zwar gelangen wir zunächst zur Abstimmung über die Beratungsgruppe I des Bundesvoranschlages für das Jahr 2000.

Diese umfasst die Kapitel 01 bis 06 des Bundesvoranschlages in 60 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 80 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über die Beratungsgruppe II des Bundesvoranschlages für das Jahr 2000.

Diese umfasst die Kapitel 10, 13 – samt dem zu Kapitel 13 gehörenden Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages – des Bundesvoranschlages in 60 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 80 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Cap und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht. Ich werde zunächst über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Beratungsgruppe II abstimmen lassen.


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Die Abgeordneten Dr. Cap und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Summe des Voranschlagsansatzes 1/130 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil der Beratungsgruppe II in 60 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 80 der Beilagen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Beratungsgruppe II. Diese umfasst die Kapitel 10, 13 – samt dem zu Kapitel 13 gehörenden Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages – des Bundesvoranschlages in 60 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 80 der Beilagen.

Jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Er ist damit angenommen.

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über den bei der Verhandlung der Beratungsgruppe II des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsantrag sogleich vorzunehmen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap und Genossen betreffend das Kunstbudget.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Beratungsgruppe III

Kapitel 20: Äußeres

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Beratungsgruppe III, Äußeres.

Auf die mündliche Berichterstattung der Berichterstatterin wird verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Schieder. Ich erteile es ihm. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.22

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Jetzt sind wir endlich bei jenem Kapitel angelangt, das eigentlich seit der Früh schon diskutiert worden ist, und ich möchte, Frau Ministerin, damit beginnen, dass auch ich Ihnen mein Kompliment ausdrücke zu dem, was Sie in jüngster Zeit erreicht haben. Es ist ein Fortschritt, den Sie erzielt haben, und was Sie erreicht haben, ist gut für unser Land, und ich möchte das auch sagen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie selbst, Frau Ministerin, wissen vielleicht am besten, dass es nicht so einfach war, und zwar nicht so einfach, weil es gewisse Vorurteile zu überwinden galt, aber auch nicht so einfach war, weil gewisse Sorgen bestehen und ein gewisser Erklärungsaufwand darüber besteht, was in Österreich vor sich geht. Sicherlich war das Volksabstimmungsultimatum nicht hilfreich für Ihren Vorstoß, und sicher ist es auch, wie Kommissar Fischler mit aller Deutlichkeit gesagt hat, kontraproduktiv hinsichtlich des Aufhörens der Maßnahmen in der EU.


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Ich glaube, Frau Ministerin – Sie werden es hier nicht bestätigen können –, dass Sie in Ihrer täglichen Arbeit erleben, dass Sie einen Mittelweg finden müssen zwischen dem, was gescheit wäre zu sagen, um die gegen unser Land gerichteten Maßnahmen zu beenden, und dem, was Sie nicht sagen können oder sagen sollen, damit Sie nicht die Koalition im Land aufs Spiel setzen.

Da sind manche Äußerungen, auch wie sie heute von Rednern der Koalition gefallen sind, sicherlich nicht hilfreich für Ihre Vorstöße. Wenn die Maßnahmen der Vierzehn heute als ein "Femeurteil" bezeichnet wurden, dann werden Sie wieder den Erklärungsaufwand haben. Sie werden wieder gefragt werden, wie das gemeint war, und es wird für Sie wieder die Frage sein: Machen Sie das, was dem Land hilft, nämlich eine Klarstellung – um den Preis, dass es dann intern Kritik von Ihrem Koalitionspartner gibt?

Der österreichische Botschafter in Paris hat das – so wie Kommissar Fischler – sehr deutlich auch gestern gegenüber dem Fernsehen ausgedrückt. Natürlich ist die Sorge in der EU noch vorhanden, dass sich nichts geändert hat, und natürlich wurden vor allem die Äußerungen Haiders und Riess-Passers diskutiert, die beim Parteitag gefallen sind – es hat sich nichts geändert –, und natürlich spielen auch die Äußerungen gegenüber dem Herrn Bundespräsidenten beim Wiener FPÖ-Parteitag eine Rolle.

Die EU hört ja nicht nur das, was man der EU schreibt, sondern wir leben Gott sei Dank in einem offenen Europa, wo jeder hören und sehen kann, was sich in jedem anderen Land abspielt. Und das, bitte, sollten Sie von den Koalitionsparteien bedenken: Das inländische Muskelspiel gegen die EU, diese Äußerungen, die hier fallen, werden Ihnen vielleicht kurzfristig auf der – ich sage es einmal so (der Redner zeichnet Anführungszeichen in die Luft)  – "vaterländischen Unterstützungsebene" helfen, aber sie helfen nicht unserem Land, sie helfen nicht der Ministerin, und sie helfen auch nicht all jenen, die daran sind, diese Maßnahmen wegzubringen, denn sie machen mehr Mühe und sie schaffen neuen Erklärungsaufwand für alle, die sich hier bemühen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube auch nicht, dass es hilfreich ist – ich möchte das ganz offen sagen; Sie machen es aus innenpolitischen Gründen –, wenn Sie hier kritisieren, was Dr. Gusenbauer gemacht hat, wenn Sie seine Bemühungen kritisieren. Die Frau Ministerin wird wissen, wie wichtig das ist, wie wichtig all diese Schritte, wie wichtig all diese Besuche und Kontakte auch und gerade von Personen aus Österreich, die nicht von den Regierungsparteien kommen, für unser Land sind, um zu einer neuen Einschätzung innerhalb der EU zu kommen. Es ist auch nicht hilfreich, ja es ist geradezu kontraproduktiv, wenn dann diese Schritte hier noch vernadert, herabgesetzt oder schlecht gemacht werden. Das hilft uns nicht, und das schafft auch Ihnen neuen Erklärungsaufwand und neue Mühe. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Gefragt ist weniger Schielen nach Unterstützung in Prozentpunkten und mehr Sensibilität, wenn es um unser Land geht. Das ist der wirkliche Schulterschluss, den Sie machen sollten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Fischl: Das ist unerhört! – Abg. Mag. Schweitzer: IPU! Waren Sie beim IPU-Kongress? Was haben Sie beim IPU-Kongress getan?)

Da sind es oft ganz kleine Dinge – Frau Ministerin, ich möchte es auch Ihnen sagen –, die im Ausland auf Verwunderung stoßen. Etwa wenn jetzt mit den Änderungen beim Zivildienst auch der Gedenkdienst unmöglich gemacht wird. Der Zahl nach sind das 12 oder 14 Personen. Wenn das aber stimmt, dass dieser Dienst unmöglich gemacht wird, dann wird das mehr bedeuten im Ausland. (Abg. Kiss: Wovon reden Sie denn? Sie behaupten da Dinge, die nicht stimmen!) Es wird etwas bedeuten, wenn gerade jetzt ein Dienst bei der Anne-Frank-Gedenkstätte und bei anderen Institutionen nicht mehr gemacht werden kann. Da wird etwas hineininterpretiert werden. Das wird dann nicht als Kostenfrage, sondern das wird als inhaltliche Frage angesehen werden.

Oder wenn solche Äußerungen gemacht werden, wie sie gestern im Bundesrat gefallen sind – ich glaube, Herr Bundesrat Gudenus, der ja ein Meister des taktvollen Umgangs mit unserer Vergangenheit ist, war es, der das als Urlaubsdienst, wenn ich es richtig gehört habe, bezeich


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net hat; Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat ja unlängst auch davon gesprochen, das sei ja ein guter Dienst, wenn man Gedenktafeln poliert –, wenn also solche Äußerungen fallen, dann sind sie zwar nicht verboten, aber hilfreich sind sie sicher nicht. Sie sind kontraproduktiv und schaffen wieder jene Probleme, unter denen wir dann alle zu leiden haben. Und das sollten Sie sich auch überlegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Worum es geht, ist, glaube ich, wirklich gut im Kommentar, im Artikel von Frau Krawagna-Pfeifer im heutigen "Standard" unter dem Titel "Lösung ohne Gesichtsverlust" zusammengefasst worden. Das ist es, was zu finden ist: eine Lösung ohne Gesichtsverlust und ein Aussetzen der Sanktionen, was nur mit hartnäckiger Diplomatie zu erreichen ist.

Ich stimme auch ihrem Schlusssatz völlig zu, in dem sie nämlich sagt: "Insofern war der von der Regierung vorgelegte Aktionsplan – mit einer Volksbefragung als letztem Ausweg, falls bis Ende Juni kein konkreter Plan zur Aufhebung der Sanktionen vorliegt – kontraproduktiv. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass sich die EU-14 von innerösterreichischen Junktims beeindrucken lassen. Sie werden vielmehr als Beleg dafür gesehen, dass die FPÖ die ÖVP vor sich hertreibt." – Das sollte Ihnen, meine Damen und Herren, zu denken geben.

Ich bin mit meiner Redezeit schon ziemlich am Ende, ich möchte nur noch zusammenfassen. Ja, ich meine es so: Glückwunsch zu dem, was Sie erreicht haben, Frau Ministerin! Ich wünsche Ihnen weit mehr Unterstützung von den Regierungsparteien, und ich wünsche uns allen, dass sie nicht weiter mit Äußerungen kontraproduktiv tätig sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Ein Klose ist der Schieder keiner!)

17.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 12 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.30

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst bei dem fortsetzen, was Kollege Schieder in Bezug auf die Frau Außenministerin gesagt hat, und ich möchte mich auch ausdrücklich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie die Größe haben, auch einer Außenministerin dieser Regierung für das, was sie auf den Azoren geleistet hat, Ihre Anerkennung auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte das für meine Fraktion durchaus noch einmal hervorheben. Das, was sie geschafft hat, war tatsächlich, dass man einmal redet über Sanktionen, die man zwar bilateral verhängt hat, die aber von einer Präsidentschaft für vierzehn ausgesprochen wurden. Es war bisher, außer bei einem informellen Abendessen, nicht möglich, darüber überhaupt nur einen Dialog zu führen. Ich glaube, dass die Frau Außenministerin damit wirklich in der Sache zum ersten Mal einen Schritt der Bewegung gesetzt hat. Und Bilder sagen ja mehr als tausend Worte: Die Karikaturen, die es gegeben hat, dass der Fuß in der Tür ist, sagen das, was ich meine.

Wir alle wissen, dass damit die Sanktionen noch nicht vom Tisch sind, aber ich darf für meine Fraktion festhalten, dass das unser ausdrückliches Ziel ist: diese Sanktionen von Österreich wegzubekommen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Schweitzer. )

Ich glaube, dass dieses Ziel, wenn man diese Sanktionen wirklich als solche ansieht, eigentlich eine breite Mehrheit in diesem Haus finden sollte. Wir haben darüber schon diskutiert, und ich darf mir dann auch noch erlauben, für die weitere Vorgangsweise einen Vorschlag zu machen.

Meine Damen und Herren! Was uns allerdings nicht gefällt, das darf ich auch offen in diesem Hause aussprechen: Wenn die Außenministerin für die Österreicher versucht, Fortschritte zu erzielen, dann kann es auf der anderen Seite nicht in dieselbe Richtung gehend gedeutet werden, wenn Ihr Vorsitzender Gusenbauer, so wie er es jetzt in Paris getan hat, vom Ausland her


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wieder mit neuen Geißeln auf Österreich schlägt. Ich kann das leider nicht anders interpretieren. Diese vier Vorschläge, die er gemacht hat, halte ich wirklich für kontraproduktiv. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Schweitzer. )

Wenn er nämlich – man muss sich das vergegenwärtigen – von Paris aus nach Österreich ruft, die österreichische Bundesregierung solle ihre Anti-Europa-Programme einstellen, kann ich nur erwidern: Wer das Regierungsprogramm liest (Abg. Dr. Stummvoll: Ungeheuerlich!), kann so etwas nicht ernsthaft behaupten.

Wenn er sagt, es solle einen nationalen Aktionsplan gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geben, dann möchte ich ihn wirklich fragen: Was für einen nationalen Aktionsplan? (Abg. Dr. Khol: Er ist ja nie da! Ein unüberlegter Vorschlag! Eine schlechte Strategie!) Wir haben uns ja in unserem Regierungsprogramm ganz besonders und mit besonderer Sensibilität gegen jegliche solche Tendenz gewandt.

Zum Dritten schlägt er vor, die österreichische Regierung solle sich zur Osterweiterung bekennen. Meine Damen und Herren! Das steht nicht nur in der Präambel, das ist Teil der Strategie der österreichischen Außenpolitik. (Beifall bei der ÖVP.)

Und wenn er noch dazu sagt, man sollte eine Beobachtungsgruppe einrichten, ausgerechnet bei dieser Stelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit der Europäischen Union, so empfinde ich das, meine Damen und Herren, fast als geschmacklos. Wenn man sich vergegenwärtigt, was sich hier abgespielt hat im Zusammenhang mit der Frau Außenministerin, der man wirklich nicht Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorwerfen kann – in keiner Weise! –, dann, würde ich meinen, ist dieser Ausdruck "geschmacklos" wirklich gerechtfertigt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Schweitzer. )

Ich darf daher noch einmal klar sagen: Unsere Zielsetzung ist es, die Sanktionen von Österreich wegzubekommen. Und dass sie rechtswidrig sind, sagen ja nicht nur wir, meine Damen und Herren. Die Front gegen Österreich bröckelt ja. Dass sich jetzt sechs Staaten auch im Rat für allgemeine Angelegenheiten dazu erklärt haben, dass man einen Weg aus den Sanktionen finden soll, ist ja tatsächlich bemerkenswert. Dass es aber auch Ihnen nahe stehende Politiker gibt, die das klar festhalten, ist mehr als bemerkenswert. Dass ausgerechnet Ihr Kollege im Deutschen Bundestag, der der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses ist, Hans Ulrich Klose, wörtlich sagt, die Sanktionen widersprächen Geist und Buchstaben des EU-Vertrages und man könne nicht ein ganzes Land in Haft nehmen, das, meine Damen und Herren, ist genau das, was wir seit Anbeginn, seit diese Maßnahmen der Vierzehn gegen Österreich verhängt wurden, vertreten haben. Wir werden auf bemerkenswerte Weise bestätigt; auch von hochrangigen SPD-Politikern. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher ist das Ziel, diese Sanktionen der Vierzehn gegen Österreich aufzuheben, nicht ein Ziel, das man unter den chauvinistischen Gesichtspunkten der Unterstützung dieser Bundesregierung sehen muss, sondern auch unter objektiven Gesichtspunkten, weil das nicht EU-rechtskonform ist und weil es der gesamten europäischen Idee schadet. Ich möchte das noch einmal für unsere Fraktion festhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Weil wir heute über das Budget reden, möchte ich doch ein paar Bemerkungen dazu machen. Ich glaube, dass uns allen immer klar war, dass das Budget des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten kein Riesenbudget ist, sondern mit 1,6 Milliarden Schilling ein sehr kleines, das im Vergleich zum Gesamtbudget eine sehr geringe Dotierung erfährt, aber wir wissen auch, wenn wir den Personalstand mit etwa 1 600 Mitarbeitern anschauen und beachten, dass auch dort gespart werden muss, dass eben insgesamt die Qualität des Außenressorts nicht in der Finanzkraft liegt, sondern eindeutig in dem, was die Mitarbeiter dieses Ressorts leisten. Daher möchte ich gerne, auch namens der ÖVP-Fraktion, den Mitarbeitern des Außenamts, dem ganzen diplomatischen Dienst eine besondere Anerkennung aussprechen. Gerade in dieser schwierigen Zeit jetzt mit solch einem Enthusiasmus für Österreich zu kämpfen, das verdient auch einen Applaus dieses Hohen Hauses. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Cap. )


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22. Sitzung / Seite 128

Ich möchte nur eine Zahl herausnehmen, die die normalen Leistungen des Außenressorts für österreichische Staatsbürger und als Vertretungsbehörden im Ausland verdeutlicht: 660 000 Konsularfälle im Jahr 1999! Das ist eine ungeheure Zahl. Dazu zählen über 400 000 Sichtvermerke, mehr als 200 000 normale Konsularfälle, dazu gehören aber auch schwierige Angelegenheiten, wie etwa die Betreuung von Angehörigen bei Todesfällen oder wie etwa die Verhaftung von 600 Österreichern im Ausland.

Ich darf auch da, Frau Bundesministerin, eine Anerkennung aussprechen. Sie haben zwei Österreichern, die in Kuba in einem Gefängnis festgehalten wurden – unabhängig von der Frage, ob sie die Straftaten, die man ihnen anlastet, wirklich begangen haben – und unter ganz elendiglichen Bedingungen gelitten haben und beinahe gestorben wären, bevor ihr Prozess noch vorbei war, dazu verholfen, dass sie in eine Haftanstalt nach Österreich überstellt werden. Ich möchte mich ganz ausdrücklich dafür bedanken. Das zeigt, dass Sie auch für den "kleinen Mann" ein Herz haben. Vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte nunmehr auch noch zu einem konkreten Punkt kommen, der die weitere Vorgangsweise in diesem Haus betrifft. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Wir haben uns ja – Frau Kollegin Mertel, Sie sind leider nicht Mitglied des Außenpolitischen Ausschusses – mehrfach darüber unterhalten, wie wir vielleicht doch zu einer gemeinsamen Vorgangsweise in der Frage der Sanktionen der Vierzehn gegen Österreich kommen könnten. Es liegen verschiedene Anträge auf dem Tisch, und wir haben beim letzten Außenpolitischen Ausschuss auch einstimmig die Einsetzung eines Unterausschusses beschlossen.

Nunmehr gibt es noch einige Anträge, die dort vielleicht verhandelt werden könnten, und es tut mir außerordentlich Leid, dass mittlerweile mehr als ein Monat vergangen ist und wir noch nicht einmal die erste Sitzung dieses Unterausschusses einberufen konnten; offenbar deshalb, weil hier verschiedene Fragen in der Vorsitzführung noch zu klären sind. Wobei ich schon auf etwas hinweisen darf: Kollege Schieder hat heute am Morgen auch gemeint, Usance des Hauses ist, dass im Unterausschuss immer der- oder diejenige den Vorsitz führt, dessen oder deren Partei auch im Ausschuss selbst den Vorsitz stellt. Wenn man sich die Geschichte gerade des Außenpolitischen Ausschusses ansieht und jetzt nur auf die letzte und diese Periode verweist, stimmt das nicht ganz, wie Sie wissen. (Abg. Schieder: Weil wir darauf verzichtet haben und nicht, weil es ein Recht von Ihnen ist!)

Herr, Kollege Schieder, darf ich jetzt noch kurz ausführen, warum das so ist. In der letzten und in dieser Periode hat man sich darüber geeinigt, dass die Frage von Südtirol in einem Unterausschuss behandelt werden sollte. Wir haben eine Reihe von Vorgesprächen geführt, und es war klar, dass der Vorsitz in diesem Unterausschuss dem ÖVP-Abgeordneten und Klubobmann Khol auf Grund seiner persönlichen Erfahrung auf diesem Gebiet zustehen soll. Und wir haben, wenn Sie sich erinnern, am Beginn dieser Periode auch darüber beraten, dass man neben dem Unterausschuss für Entwicklungspolitik, der Ihrer Fraktion in der Vorsitzführung zusteht, auch den Freiheitlichen auf Grund ihres Abschneidens bei der Nationalratswahl einen Unterausschuss zugestehen sollte.

Wir sehen schon, dass auch in dieser Legislaturperiode, am Beginn, als man sich über die weitere Arbeitsweise des Außenpolitischen Ausschusses geeinigt hat, Unterausschüsse mit anderen Vorsitzenden als von der SPÖ ausgestattet werden sollten. Ich glaube daher, wir sollten es jetzt nicht auf die Vorsitzfrage hinmünzen, wer den Vorsitz im Unterausschuss haben soll, und dadurch wertvolle Zeit verlieren, sondern wir sollten zur Tat schreiten. Wir haben noch nicht eingehend darüber beraten, ob es nicht doch eine gemeinsame Vorgangsweise in dieser Richtung geben kann. Ich finde das schade.

Sie haben heute in Ihrem Redebeitrag moniert, dass gerade die ÖVP daraus Kapital in der Innenpolitik schlagen könnte. Ich sehe schon Ihre Sorge, weil ich auf der anderen Seite weiß, dass auch Ihre Funktionäre an der Basis darüber murren, welche Linie die SPÖ im Fall der Sanktionenpolitik ausgegeben hat.


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Ich glaube, wir sind uns in einem einig: Außenpolitik sollte weiterhin eine Konsensmaterie sein. Ich möchte Sie heute noch einmal einladen: Führen wir in einem kleinen Kreis ein Gespräch darüber, wie wir diese Frage der Vorsitzführung klären können, und gehen wir schnell in medias res, damit die Chance für Österreich bestehen bleibt, noch vor dem Gipfel in Portugal gemeinsam gegen diese Sanktionen aufzutreten und vielleicht die von der Frau Bundesministerin Ferrero-Waldner geöffnete Tür dann beim Gipfel gänzlich zu öffnen. Das sollte eine Chance für das ganze Haus sein, auch diese Politik, sich vor Österreich zu stellen, zu nützen. Ich würde Sie dazu herzlich einladen und bitte Sie auch, darüber nachzudenken. Ich glaube, dass es für Österreich insgesamt ein großer Fortschritt wäre, wenn wir uns dem Ziel, die Sanktionen aufzuheben, tatsächlich nähern könnten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Pilz: Was hat das mit dem Vorsitz zu tun?)

17.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

17.42

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren im Hohen Haus und auf der Galerie! Zuerst einmal kurz zu den Ausführungen des Kollegen Spindelegger: Sie haben jetzt gemeint, dass der Vorsitz im Unterausschuss irgendetwas mit der Aufhebung der Sanktionen zu tun hätte. – Ich weiß wirklich nicht, wo Sie da einen Zusammenhang hergestellt haben. (Abg. Mag. Schweitzer: Er wollte einmal eine Gemeinsamkeit! Ist das möglich?)

Nun aber zum Thema, das wir heute hier debattieren, zum Budget des Kapitels Äußeres. Natürlich geht es, wie wir jetzt auch in den ersten beiden Reden gehört haben, nicht nur um das Budget, sondern auch um die aktuelle Situation, in der sich Österreich befindet. Und mit dieser möchte ich auch beginnen.

Es mag schon sein, dass die diplomatischen Bemühungen der Frau Außenministerin auf den Azoren – wie Sie gemeint haben (Abg. Steibl: So ist es!)  – eine Tür geöffnet haben, das Problem ist nur, dass diese Tür ein paar Stunden nachher wieder zugegangen ist, dass dieser Erfolg, der hier gefeiert wurde, eine Halbwertszeit von etwa zwölf Stunden hatte, denn nachher gab es aus Deutschland, aus Schweden und aus anderen EU-Ländern die Aussage, dass all das nicht so gemeint sei, dass das nicht so toll sei.

Auch wenn – das weiß ich sehr wohl – sich die Frau Außenministerin sehr bemüht, hier etwas zu tun, muss ich schon dazu sagen, dass die Torpedierung der Bemühungen aus dem Inland kommt, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! (Beifall bei den Grünen.)

Gestern am Abend hat der frühere Außenminister und jetzige Bundeskanzler Schüssel in der "ZiB 2" gesagt: Nicht wir haben Österreich in diese Situation gebracht, sondern die EU. – Da sind wir wieder einmal bei der Realitätsverweigerung. Ich denke mir, irgendwann einmal müssten das wohl auch die Regierungsfraktionen und die Regierung akzeptieren, dass es die durch die ÖVP ermöglichte Regierungsbeteiligung der FPÖ ist, die diese Reaktionen der EU hervorgerufen hat. Wir können jetzt nicht einfach hergehen und sagen, es ist nichts gewesen, wir brauchen nur einen Aktionsplan zu verabschieden, und dann ist alles wieder gut. (Abg. Amon: Das ist falsch!)  – Das ist nicht falsch, Herr Kollege! Sie wollen einfach nicht wahrhaben, was da passiert ist.

Sie meinen und sagen zwar – das hat mein Vorredner schon erwähnt –, Sie wollen, dass diese Sanktionen aufgehoben werden, damit Sie wieder – so hat es auch Kollege Khol am Vormittag gesagt – ordentlich im Inland arbeiten können, ich sehe aber keine Taten. Es gibt dazu sehr wohl auch Stimmen aus Ihren eigenen Reihen, vor allem aus den Reihen der ÖVP. Kommissar Fischler ist schon erwähnt worden, der gemeint hat, die staatspolitische Kunst bestehe in kleinen Schritten und nicht in großen Sprüchen.


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Ihr Regierungsbeauftragter für den Grundrechtskonvent Dr. Neisser hat auch gemeint, dass eine Volksbefragung, deren Ergebnis sowieso klar ist, mit großer Wahrscheinlichkeit die antieuropäische Stimmung in Österreich anheizen würde. Das haben nicht wir, die Grünen oder die SPÖ, gesagt, sondern das war Ihr Kollege Neisser, der sich wohl in der europäischen Politik auskennt. Er meinte, das werde die antieuropäische Stimmung anheizen. Sie, Herr Kollege Spindelegger, haben gemeint, dem sei nicht so. Ich weiß nicht, aber ich glaube, Sie haben diesbezüglich Meinungsverschiedenheiten und wissen nicht genau, was Sie wirklich wollen.

Von den Regierungsfraktionen wird ein Aktionsplan erstellt, wobei am Schluss dann wieder mit einem Ultimatum gedroht wird: Wenn die "böse" EU die Maßnahmen nicht aufhebt, dann gibt es nachher eine Volksbefragung, und dann wird Österreich, das Volk, zeigen, dass wir alle proeuropäisch sind. – Glauben Sie denn wirklich, dass das etwas nutzen wird? Glauben das auch Sie, Frau Außenministerin? – Sie haben sich genauso wie Ihre hohen Beamten im Außenministerium, zum Beispiel Generalsekretär Rohan letzte Woche in der "ZiB 2", sehr eindeutig dazu geäußert, indem Sie gesagt haben, dass Sie eine derartige Volksbefragung in der jetzigen Situation nicht für das Gelbe vom Ei halten, sondern eher für kontraproduktiv. Wo ist denn da die Kohärenz innerhalb der Koalition?

Sie machen dann zu diesem Aktionsplan Vorschläge. Zum Beispiel wollen Sie die Bürger Europas in nationalen und internationalen Meinungsumfragen zu Österreich befragen. Haben Sie auch vor, nachzufragen, woher denn dieses jetzige Image kommt? Haben Sie vor, nachzufragen, wie denn die NS-Verharmlosungen von mehreren FPÖ-Spitzenpolitikern in der Vergangenheit im Ausland gesehen werden? Haben Sie auch vor, nachzufragen, wie Aussagen – sie wurden heute schon erwähnt –, die zum Beispiel von der Abgeordneten Partik-Pablé über Afrikaner getätigt wurden, gewertet werden und welchen Beitrag diese zum Österreich-Bild leisten? – Das sollte wohl gefragt werden. Ich befürchte nur, dass Sie diese Fragen nicht stellen werden, sondern vielleicht das Bild von den Lipizzanern und den Mozartkugeln abfragen werden. Dieses Bild von Österreich ist langfristig beeinträchtigt. – Ich würde mir überhaupt wünschen, dass ein realistischeres Bild von Österreich entsteht, aber in der Form, wie Sie es derzeit machen, wird gar nichts passieren.

Noch etwas: Bundeskanzler Schüssel hat selbst gesagt, dass man jetzt diplomatisches Feingefühl brauche. Ich sehe dieses nicht angesichts der Sprüche, die Volksbefragung stelle ein Ultimatum an die Europäische Union dar. Das können Sie weder uns noch der Europäischen Kommission, noch dem Rat oder sonst irgendjemand weismachen, dass das tatsächlich etwas nützt und etwas bringt. Dazu kommt noch: Mit Sagern allein und mit Ausdrücken wie: Meinetwegen entschuldige ich mich!, wird die Haltung, die hinter den Aussagen zur Vergangenheit und zum Teil zur Gegenwart steht, nicht besser. Die NS-Verharmlosung der Vergangenheit, die rassistischen Aussagen, die Verhetzungskampagnen von Seiten der FPÖ werden damit nicht vom Tisch gewischt.

Was nötig wäre – das ist etwas, worauf nicht nur die Grünen, sondern auch andere hingewiesen haben –, ist: Wenn die FPÖ ernsthaft an einem Bruch mit ihrer Vergangenheit interessiert wäre – so wie es Fini in Italien gemacht hat –, dann hätte sie zum Beispiel am 1. Mai die Chance dazu gehabt, das zu tun. Sie hätten sagen können: Wir brechen mit der NS-Verharmlosung, wir brechen mit den Äußerungen des Rassismus. Wir sind eine andere Partei geworden. – Meine Damen und Herren von der FPÖ! Diese Wesensänderung gibt es aber bei Ihnen noch nicht. Bevor diese nicht erfolgt, können alle Ihre Versuche mit einer Volksbefragung, mit Umfragen, mit Kongressen und mit Einladungen und mit was weiß ich allem nur dazu da sein, von dem, was Sie an Belastungen im Inland vorhaben und auch schon umsetzen, abzulenken.

Auf einen Punkt möchte ich jetzt ganz besonders eingehen, den auch Kollege Spindelegger als sehr löblich und als Erfolg von Außenministerin Ferrero-Waldner erwähnt hat, nämlich dass zwei Österreicher, die in Kuba im Gefängnis waren, jetzt nach Österreich ausgeliefert werden konnten.

Frau Ministerin! Sie haben diese beiden Fälle selbst im Budgetausschuss erwähnt. Ich möchte Sie aber fragen, ob Sie wissen, dass diese beiden Männer Täter waren. Der eine wurde wegen


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sexuellen Kindesmissbrauchs verurteilt und der andere deswegen, weil er betrunken bei einem Autounfall fünf Kubaner getötet hat. Nun mag Ihr Einsatz, dass diese Männer in Österreich weiterhin in Haft sitzen, in Ordnung sein, doch frage ich Sie: Haben Sie auch etwas vorgeschlagen, was man für die Opfer, für die Kubaner, die diesen beiden Männern zum Opfer gefallen sind, und für ihre Angehörigen tun kann? Gibt es da einen Vorschlag in Form irgendeiner Wiedergutmachung? Will man denen zumindest etwas bezahlen? – Davon habe ich leider von Ihnen noch nichts gehört.

Ich möchte noch auf das Budget, insbesondere auf den Bereich Entwicklungszusammenarbeit, eingehen. Wir haben über diesen Punkt schon ein paar Mal diskutiert. In diesem Bereich gab es massive Kürzungen, vor allem in einem Bereich, der in meinen Augen symptomatisch ist für die Politik der Regierung, die wir in den letzten Wochen erlebt haben, und zwar gab es im Bereich der Nichtregierungsorganisationen Kürzungen in der Höhe von etwa 36 Prozent. Es wurde zwar gesagt, einige Bereiche seien woanders untergebracht, aber es hat sich dennoch auf Nachfrage an die Frau Ministerin und an Leute aus ihrem Kabinett gezeigt, dass es stärker in die Richtung von Zusammenarbeit zwischen Staaten geht und dass die Nichtregierungsorganisationen nur dort mehr eigene Projekte umsetzen sollen, wo sie über Eigenmittel verfügen.

Daher frage ich mich: Wer außer den katholischen Organisationen, wer außer den Organisationen, die mit Bildern von armen verhungernden Kindern Werbung machen oder die mit der Not von Leuten Spenden sammeln können, kommt zu hohen Eigenmitteln? Wie sonst ist es in Österreich, das diesbezüglich keine große Tradition hat, möglich, zu großen Eigenmitteln zu kommen? – Das heißt, dass diejenigen Organisationen, die keine Eigenmittel haben, die nicht mit Bildern von armen und verhungernden Kindern Werbung machen, sondern die auf eine Bewusstseinsänderung in Österreich setzen oder politische Arbeit leisten, unter die Räder kommen werden. (Abg. Jung: Was heißt "Werbung machen" in diesem Zusammenhang, Frau Kollegin?) Wo sollen diese die Eigenmittel herbekommen? – Damit wird eine Richtung vorgegeben, die auch im Widerspruch zu internationalen Dokumenten, die Österreich unterzeichnet hat, steht. Ich erinnere Sie an die Menschenrechtskonferenz 1993 in Wien, an die Frauenkonferenz 1995 in Peking und an den Sozialgipfel 1995 in Kopenhagen. In all diesen und vielen anderen internationalen Dokumenten hat Österreich zugestimmt, dass es wichtig ist, die Demokratie mit einem gewissen Salz zu würzen, das nämlich die Nichtregierungsorganisationen im Norden dieser Welt und auch im Süden, wenn es um Entwicklungspolitik geht, sind.

Als Bundeskanzler Schüssel beim ersten EU-Afrika-Gipfel in Kairo auf die Wichtigkeit von Menschenrechten und von demokratischen Systemen verwiesen hat, habe ich mir damals schon gedacht: Wie sieht es mit den Nichtregierungsorganisationen, mit der Zivilgesellschaft in Österreich aus? Ist das nur ein Appell, den wir an die Länder in Afrika richten und nicht an uns selbst? – Der Appell geht sehr wohl auch an uns selbst. Und daher gibt es massive Kritik von unserer Seite an der Politik, die von Ihrer Seite und auch von Seiten der Außenministerin gemacht wird.

Zum Budget selbst: Im Gegensatz zum letzten Jahr – da waren 950 Millionen Schilling vorgesehen, also knapp 1 Milliarde laut Budgetvoranschlag – sind heute nur mehr 774 Millionen Schilling veranschlagt, wobei aber 30 Millionen Schilling davon erst später aus einem anderen Bereich dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zugerechnet wurden. Diese 30 Millionen Schilling – das ist sehr wohl eine wichtige Summe – sind für Minenprogramme, für die Ausbildung von Leuten, wie sie sich in den Gebieten, in denen sie leben und noch Minen liegen, zu verhalten haben, aber auch für Minensuchgeräte vorgesehen. Das ist, wie gesagt, durchaus löblich und sinnvoll.

Einen gewissen Zynismus sehe ich aber darin – das liegt aber in der Vergangenheit –, dass auch österreichische Firmen daran beteiligt waren, dass diese Minen überhaupt in die Welt gesetzt wurden, dass diese überhaupt exportiert wurden und in manchen Ländern immer noch darauf warten, mit teuren Geräten entfernt zu werden. Noch immer werden Kinder und Erwachsene von diesen Minen verstümmelt und gehen daran zugrunde.


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Einen Punkt möchte ich noch anführen, bei dem sich leider eine Inkohärenz für den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit insgesamt ergibt. Es liegt zwar die Koordinationskompetenz bei Ihnen, Frau Ministerin, aber leider funktioniert die Koordination noch immer nicht so, wie es sein sollte. Ich habe hiezu auch zwei interessante Aussagen. Das eine ist eine Anfragebeantwortung von Ihnen vom 17. April. Wir haben damals im Budgetausschuss eine Anfrage gestellt, bei der es darum ging zu sagen, warum die Entgelte an Unternehmungen um 33 Millionen Schilling erhöht worden sind. Die Antwort darauf lautete: Zum Teil deswegen, weil 25 Millionen Schilling, die im vergangenen Jahr nicht im Rahmen der Budgetüberschreitung gedeckt werden konnten, jetzt ins Budget 2000 hineingenommen werden mussten.

Im Gegenzug dazu habe ich eine Antwort des Finanzministers Grasser vom 19. April auf eine Petition verschiedener Nichtregierungsorganisationen betreffend Ausbau und Nichtkürzung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit. Auf die Frage, wie es mit der Budgetüberschreitung, mit den 100 Millionen Schilling im Jahre 1999 ausgesehen hat, schreibt er:

"Da im Jahr 1999 sämtliche fälligen Verpflichtungen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Budgetmittel für die bilaterale Entwicklungshilfe bedeckt werden konnten, war auf Grund der zwingenden Erfordernisse der Budgetkonsolidierung aus der Sicht des Bundesministeriums für Finanzen eine Jahresausgabenüberschreitung unter Heranziehung der finanzgesetzlichen Überschreitungsermächtigung gemäß Artikel VII Z 12 BFG 1999 in Höhe von maximal 100 Millionen Schilling nicht vertretbar." – Zitatende.

Das heißt, der Finanzminister sagt – das war aber schon letztes Jahr, daher war es noch der frühere Finanzminister –: Das war damals nicht vertretbar, und deswegen hat es die 100 Millionen Schilling nicht gegeben. Es war alles bedeckt. – Gleichzeitig sagt die Frau Außenministerin, die 25 Millionen Schilling vom letzten Jahr waren nicht bedeckt, deswegen müssen wir sie ins Budget 2000 hineinnehmen.

Frau Ministerin! Da bedarf es in Zukunft einer stärkeren Koordination, vor allem angesichts dessen, dass es diese Budgetüberschreitung, also dass man dann am Jahresende sagt, es gibt jetzt diese 100 Millionen Schilling oder nicht, auf keinen Fall mehr gibt. Leider schaut es jetzt so aus, dass diese 100 Millionen Schilling überhaupt nicht mehr vorhanden sind, und deswegen machen die Kürzungen heuer nicht, wie Sie meinen, nur ungefähr 10 bis 12 Prozent aus, sondern sehr wohl 18 bis 20 Prozent. Ein solch geringer Betrag ist für das drittreichste Land der Europäischen Union und für eines der reichsten Länder dieser Erde eine Schande. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich denke, dass die Finanzmittel für die Entwicklungszusammenarbeit, wie schon gesagt, nur ein Symbol sind für jene Richtung, in die diese Regierung geht, die einen nicht sehr überzeugenden Umgang mit Teilen der Zivilgesellschaft pflegt, die vielleicht nicht immer derselben Meinung sind wie diese Regierung, die in eine Richtung arbeitet, wo es einfach darum geht, Tatsachen zu setzen. Und diese Tatsachen werden auch – nun komme ich noch einmal zum Beginn zurück – im Umgang mit der Europäischen Union gesetzt. Dieses Ultimatum in Richtung Volksbefragung, das auch im Aktionsplan enthalten ist, ist etwas Kontraproduktives und bestärkt die Meinung, dass Sie nicht wirklich daran interessiert sind, dass diese Sanktionen aufgehoben werden. Ich meine damit nicht Sie, Frau Außenministerin, Ihnen glaube ich das, aber die Art und Weise, wie Teile der ÖVP, aber auch der Koalitionspartner FPÖ agieren, lässt bei mir Zweifel aufkommen.

Ich stimme ausnahmsweise einmal Bundeskanzler Schüssel zu, der gestern im "Report" gesagt hat, dass Österreich keine Bewährungshelfer brauchen würde. Das Problem ist, dass die Regierung selbst und die Fraktionen der Regierungsparteien den ersten Schritt setzen müssen. Das heißt, man darf nicht immer ein Auge zudrücken und auf dem anderen Auge halb blind sein, was die Ursachen betrifft, man darf nicht die Ursachen leugnen und Österreich als Opfer darstellen und der EU die Schuld in die Schuhe schieben.

Ich war schon sehr erstaunt, als ich, wie viele andere auch, vor eineinhalb Wochen zu dem Empfang der US-Botschafterin eingeladen war. Dabei wurde der Film "The last days" gezeigt, und Tom Lantos, ein Abgeordneter der Vereinigten Staaten, war präsent und hat gemeint, dass der Nationalsozialismus nicht in den KZs begonnen hat, sondern mit Worten des Hasses und dass diese Worte des Hasses und der Intoleranz es auch sind, die heute gefährlich sind.


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22. Sitzung / Seite 133

Es nahmen Nationalratspräsident Prinzhorn, Finanzminister Grasser und auch der außenpolitische Sprecher der Freiheitlichen, Schweitzer, daran teil. Ich habe gesehen, wie der Zweite Nationalratspräsident sehr zustimmend genickt hat, und ich habe mir gedacht: Verstehen Sie wirklich, worum es geht? – Ich habe nicht den Eindruck. (Abg. Dolinschek: Er hat ein gutes Gehör!) Verstehen Sie, dass es darum geht, dass Ihre Partei, Herr Mag. Schweitzer, endlich einmal mit dieser Vergangenheit brechen soll? Erst dann können Sie erwarten, dass die Europäische Union und die anderen Partnerländer in Europa einen Schritt machen und sagen, okay, die Ursachen sind weg. Sie müssen allerdings ernsthaft dazu bereit sein, Ihr Wesen zu ändern. Das ist noch nicht geschehen, darauf ist noch zu warten. Solange das nicht geschehen ist, so lange werden auch – das befürchte ich – die Bemühungen der Außenministerin nicht wirklich Früchte tragen. (Beifall bei den Grünen.)

18.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

18.01

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Außenministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe heute sehr aufmerksam den Oppositionspolitikern von Rot und Grün zugehört. Es zieht sich wie ein rot-grüner Faden durch all diese Reden, dass man nicht dazu bereit ist, etwas gegen diese durch nichts zu rechtfertigenden Sanktionen zu sagen. Vielmehr versucht man immer wieder von diesem Rednerpult aus, Begründungen für diese Sanktionen vorzutragen, warum es durchaus gerechtfertigt ist, dass 14 Mitgliedsländer der Europäischen Union gegen ein 15. Land Sanktionen verhängen, obwohl es keinen tatsächlichen Grund dafür gibt. Das tun Sie die ganze Zeit, und deshalb sind Sie so unglaubwürdig, meine verehrten Kollegen von den Grünen und von den Sozialdemokraten, wenn Sie behaupten, Sie sind ständig auch in den anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union unterwegs, um im Interesse Österreichs tätig zu sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das können Sie hier nicht glaubwürdig vertreten. Bisher hat es eine Person geschafft, durch ihre Auslandsreisen tatsächlich etwas zu bewegen, und das war die Frau Außenministerin mit ihrer Reise zum Rat der Außenminister am vergangenen Wochenende. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da hat es tatsächlich Bewegung gegeben, weil sich die Frau Außenministerin mit all ihrer Kraft für die Interessen Österreichs, für die Interessen der österreichischen Bevölkerung einsetzt. Sechs Länder treten seit dem für die Aufhebung der Sanktionen ein. (Zwischenruf des Abg. Edler. )  – Das ist ein klarer Erfolg, Herr Kollege Edler!

Ihr großer Vorsitzender, Genosse Gusenbauer, war auch wieder in Paris und bringt ebenfalls einen Erfolg nach Hause, nämlich den Erfolg, dass sein Kollege Jospin ihm zugesagt hat, dass die Sanktionen unter der französischen Präsidentschaft nicht verschärft werden. Das ist ein "toller" Erfolg, Herr Kollege Edler!

Warum gibt es diese unterschiedlichen Erfolge in den Verhandlungen von Gusenbauer und den Verhandlungen der Frau Außenministerin? – Hier haben wir eine Außenministerin, die ihre Arbeit im Interesse der Bevölkerung versieht, und da gibt es einen Parteivorsitzenden, der seine Arbeit im Interesse der Partei versieht. Diese SPÖ hat es auch heute in all ihren Reden, mit all ihren Rednern nicht geschafft, diese Sanktionen einmal zu verurteilen. Vielmehr wird nach wie vor begründet, warum diese Sanktionen durchaus ihre Berechtigung haben.

Es ist schon bemerkenswert – Herr Kollege Schieder, ich muss Sie oder Kollegen Cap, der nach mir als Redner an dieses Pult kommen wird, fragen –, was Gusenbauer in Paris noch gesagt hat; darüber wurde noch nicht gesprochen. Er betont erneut seinen Wunsch, dass ein gemeinsames Verfahren und gemeinsame Regeln für alle Länder mit einer rechtspopulistischen Regierungsbeteiligung ausgearbeitet werden sollen. (Abg. Silhavy: Haben Sie da etwas dagegen?) – Ich habe nichts dagegen. Aber welcher Gedanke steckt denn dahinter? Was ist eine rechtspopulistische Partei? Was ist eine rechtspopulistische Regierungsbeteiligung? Sind Sie


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nicht, seit Sie in der Opposition sind, eine linkspopulistische Partei geworden, Kollege Cap? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Jung: Populistisch schon, populär nicht!)

War Kollege Pilz mit seiner, wie er geglaubt hat, hervorragenden Wortmeldung – sie war alles andere als das, Herr Kollege Pilz, sie war nicht einmal witzig; Sie haben selbst den Mutterwitz im Rathaus gelassen – nicht linkspopulistisch? – Gut, dann reden wir doch über diese Beobachtungssysteme für linkspopulistische Parteien, wie es die SPÖ und die Grünen in diesem Hause sind. Reden wir einmal über das Ganze! Rechtspopulistisch beobachten wir, linkspopulistisch ist salonfähig, Kollege Pilz? – Sie sind genauso salonfähig wie die Mitglieder aller anderen Parteien in diesem Hause – vielleicht etwas weniger. Das möchte ich Ihnen schon einmal klar sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Bundesministerin! Es ist für mich eine besonders große Freude festzustellen, wie selbstbewusst gerade auch durch die neue Regierungsbildung, vielleicht auch im Zusammenhang mit diesen Sanktionen, das Auftreten von Regierungspolitikern im Ausland ist. Ich glaube, dass dieses selbstbewusste Auftreten Österreichs und der Vertreter Österreichs überfällig war. Viel zu lange waren wir Musterschüler. Viel zu lange haben wir uns nur als Juniorpartner in dieser Gemeinschaft gefühlt und diese Rolle auch gespielt. Seit Beginn der Beitrittsverhandlungen hat sich die österreichische Bundesregierung immer wieder als Bittsteller nach Brüssel begeben, und das wäre nicht notwendig gewesen, Frau Bundesministerin!

Von vielen berechtigten Forderungen wurde, wenn ich mich an die Beitrittsverhandlungen zurückerinnere, allzu schnell Abstand genommen. Ich denke da zum Beispiel an die Verhandlungen um die Transitproblematik. Da hat man die hervorragende Ausgangsposition nicht genutzt, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Ich denke auch an die Übergangsregelungen, die damals für die Landwirtschaft ausgehandelt wurden. Die Ergebnisse waren wahrlich nicht berauschend, weil man nicht selbstbewusst verhandelt hat, und das wäre auf Grund der Verhandlungsposition, die Österreich gerade in diesen Fragen hatte, durchaus möglich gewesen.

Die österreichische Außenpolitik war auch immer wieder gekennzeichnet von der Jagd nach Anerkennung durch Brüssel. Frau Bundesministerin! Deshalb ist es wohltuend, Ihre Auftritte im Ausland zu verfolgen – Auftritte, die gekennzeichnet sind durch ein gestiegenes Selbstbewusstsein. Wir sind ein wesentliches Mitglied dieser Europäischen Union. Wir werden vor allem, wenn es um die Verhandlungen betreffend die Erweiterung geht, ein gewichtiges Wort mitzureden haben, und das muss auch entsprechend zum Ausdruck kommen, wenn österreichische Politiker im Rahmen der Europäischen Union auftreten. Bei Ihnen kommt das immer stärker und immer selbstbewusster zum Ausdruck. Dafür möchte ich Ihnen meine Anerkennung zum Ausdruck bringen, Frau Bundesministerin! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir sollten aber nicht nur selbstbewusst auftreten, sondern durch geschicktes Einsetzen unserer Möglichkeiten – diese Regierung hat durchaus gelernt, wie man Möglichkeiten geschickt einsetzen kann – österreichischen Interessen auch wirklich zum Durchbruch verhelfen. Deshalb ist die Überlegung, alle formalrechtlichen Möglichkeiten im Interesse Österreichs zu nützen, nicht nur korrekt, Frau Bundesministerin, sondern für die Zukunft unbedingt notwendig. Es wird notwendig sein, mit der Zustimmung zu Beschlüssen, die Einstimmigkeit erfordern, zu geizen, Frau Bundesministerin! Man wird sehr genau überlegen müssen, wozu Österreich in Hinkunft seine Zustimmung gibt, wenn Einstimmigkeit erforderlich ist.

Insgesamt sollte die zukünftige Europapolitik Österreichs durch besondere Berücksichtigung der österreichischen Interessen, durch besondere Berücksichtigung der Interessen der Österreicherinnen und Österreicher gekennzeichnet sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da denke ich ganz besonders an die Verhandlungen rund um die Erweiterung der Europäischen Union. Wir haben uns auch im Regierungsübereinkommen zu einer Erweiterung bekannt, Frau Bundesministerin (Abg. Edler: Nur am Papier!) , aber, Kollege Edler, wenn ich mir den aktuellen Stand der Erweiterungsverhandlungen ansehe, sehe ich, wir sind noch nicht sehr weit mit den Verhandlungen gekommen.


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Frau Bundesministerin! Die wesentlichen Bereiche, wie Freizügigkeit, Landwirtschaft, Verkehrspolitik oder Regionalpolitik, sind noch nicht einmal begonnen worden zu verhandeln, und da geht es ja tatsächlich um die Interessen der österreichischen Bevölkerung, um die Interessen der Bevölkerung, die im Grenzbereich zu den Staaten lebt, die in die Europäische Union eintreten wollen. Da wird es notwendig sein, entsprechende Übergangsfristen auszuverhandeln, was die Freizügigkeit betrifft. Auch was die Verkehrspolitik betrifft, wird es ganz klare Beschränkungen geben müssen. Es kann nicht so sein, dass es automatisch freie Fahrt für alle schweren LKW mit Tonnen an Ladung, die zu transportieren ist, geben wird.

Frau Bundesministerin! Es wird auch im Bereich der Umweltstandards einiges auszuverhandeln sein. Es kann nicht sein, dass es in Österreich Wettbewerbsnachteile für die Industrie gibt, weil sie hohe Umweltauflagen hat, während Industriebetriebe in jenen Staaten, die in die Europäische Union kommen wollen, keine Umweltauflagen oder nur geringe Umweltauflagen zu erfüllen haben. Auch hier wird es klarer Verhandlungsergebnisse bedürfen, damit es eine Zustimmung zum Beitritt gibt.

Und nicht zuletzt, Frau Bundesministerin, wird es auch in der Frage der Anti-AKW-Politik, vor allem was die Schrottreaktoren – und ich bezeichne diese Reaktoren so – betrifft, klare österreichische Positionen geben müssen. Es ist eine Passage im Regierungsübereinkommen enthalten, die aber noch sehr genau definiert werden muss, wenn es zu konkreten Beitrittsverhandlungen mit Tschechien, mit Slowenien, mit Bulgarien oder später einmal mit Nachfolgestaaten der Sowjetunion kommen sollte.

Da muss die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung oberste Priorität haben. Nur so kann ich mir eine Zustimmung zu einer Erweiterung vorstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Bundesministerin! Abschließend: Ich weiß, es ist eine kleiner werdende Minderheit davon betroffen, aber es ist nach wie vor Unrecht, dass die Beneš-Dekrete in Kraft sind, dass die AVNOJ-Beschlüsse in Kraft sind. Es wird auch darüber zu reden sein, wenn es mit Tschechien und mit Slowenien zu Beitrittsverhandlungen kommt. Das muss im Interesse der Volksgruppen angesprochen werden, die ein Recht darauf haben, dass diese Unrechtsbestimmungen endlich von der Bildfläche verschwinden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bevor ich nun der Frau Bundesministerin das Wort erteile, möchte ich meinen Ordnungsruf an Herrn Abgeordneten Pilz bekräftigen. Es liegt mir nun ein Teilauszug aus Ihrer Rede vor. Sie haben an die Adresse der FPÖ gesagt: "... sie ist eine vollrassistische Partei." "Sie ist eine vollrassistische Partei", sagten Sie zum wiederholten Male. Und Sie haben in Richtung FPÖ auch gesagt: "Sie ist auch keine teilrechtsextreme Partei, sie ist eine vollrechtsextreme Partei." Dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf, Herr Abgeordneter.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte. (Abg. Dr. Pilz: Und sie haben auch einen entsprechenden Nationalratspräsidenten! – Rufe bei den Freiheitlichen: Ungeheuerlich! – Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner: Also, das geht schon wirklich zu weit, oder?)

Die Frau Ministerin ist jetzt am Wort!

18.14

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe sehr aufmerksam zugehört, was heute hier in der Debatte zur Außenpolitik gesagt wurde. Lassen Sie mich, bevor ich auf die einzelnen Debattenredner eingehe, ganz kurz eine grundsätzliche Bemerkung machen, und zwar, da es ja eine Budgetdebatte ist, eine Bemerkung zum Budget.

Das operative Budget unseres Hauses ohne Ost-Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Organisationen – die Beiträge dafür – beträgt nur etwa 0,3 Prozent des gesamten


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Haushalts. Trotz dieses relativ kleinen Budgets bekenne ich mich absolut zu den budgetären Sparmaßnahmen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich können die vielen Aufgaben des Hauses wirklich nur mit einem absolut voll engagierten Mitarbeiterstab erledigt werden, und ich darf mich in diesem Zusammenhang gleich anfangs für die freundlichen Worte in Richtung Außenministerium und vor allem in Richtung der Mitarbeiter des Außenministeriums bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Zum Zweiten: Ich glaube, derzeit beschäftigt uns alle sehr, was auf den Azoren geschah, was dort möglich war, und ich danke auch hier für all die positiven Äußerungen, die von den verschiedenen Seiten der hier im Parlament vertretenen Parteien gekommen sind. Tatsächlich habe ich mich sehr gefreut, dass es mir gelungen ist, dass dort sechs Außenminister positiv zu Österreich Stellung genommen haben, und der Tenor, der gemeinsame Tenor dieser sechs Äußerungen ganz klar war: Es wird endlich Zeit, die Beziehungen zu Österreich zu normalisieren.

Ich muss Ihnen aber auch sagen, dass ich gleich, als ich dort ankam, mit zwei Fragen konfrontiert wurde. Ich möchte Sie kurz davon unterrichten und Ihnen auch meine Antwort mitteilen. Das eine war die Frage: Aha, Österreich hat jetzt ein Ultimatum hinsichtlich der Volksbefragung gestellt? – Ich darf Ihnen sagen, ich habe sofort darauf geantwortet: Ich bin sehr erstaunt, wo kommt die Frage des Ultimatums her? Es ist überhaupt nie von uns entschieden worden, dass wir ein Ultimatum an die EU stellen. Was sehr wohl entschieden wurde, ist: Wenn sich bis Feira keine Bewegung ergibt, dann gibt es eine Volksbefragung mit einem Doppel-Ja, einerseits ein Ja zur Europäischen Union und selbstverständlich ein Ja auch zur Aufhebung dieser Sanktionen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin dort auch mit einer Äußerung des Ratsvorsitzenden, des portugiesischen Außenministers Gama konfrontiert worden, der davon gesprochen hat, dass ich sozusagen einen Missbrauch des informellen Rates betreiben würde, weil ich dort die Frage Österreich zur Sprache bringen würde. Auch das habe ich absolut zurückgewiesen, und das habe ich übrigens auch dann in der Sitzung, in der Diskussion, also vor Gama, getan, und zwar deshalb, weil ich finde, dass die bilateralen Maßnahmen zwar als solche benannt wurden, aber gleichzeitig im Rahmen des portugiesischen Vorsitzes natürlich ausgesprochen und sogar auf portugiesischem Präsidentschaftspapier benannt wurden. Also, so einfach ist das nicht!

Ich möchte auch sagen, dass von einem Junktim in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rede ist – auch das wurde hier in der Diskussion erwähnt –, keineswegs. Nur, bitte, es ist doch selbstverständlich, dass wir alle uns darum bemühen müssen, dass die Sanktionen möglichst bald ein Ende haben. Die Bevölkerung, meine Damen und Herren, hat es satt, sie hat es wirklich satt, dass immer noch Sanktionen gegen sie zum Tragen kommen. Es ist wirklich nicht so, dass es ein Junktim gibt, aber wir müssen, wenn es nicht anders geht, zeigen, dass die Bevölkerung selbstverständlich hinter dieser Regierung steht und gegen die Sanktionen auftritt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich noch eines sagen, und zwar seitens der Außenministerin, die glaubt, dass es jetzt eigentlich genug ist: Ich glaube, es wird wirklich Zeit – und ich appelliere daher noch einmal an Sie, die Oppositionsparteien –, es wird Zeit, gemeinsam als Österreich im Ausland aufzutreten, so wie das fast alle anderen Staaten auch tun. Ich glaube, jetzt wäre der Moment dazu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Da höre ich zum Teil ja direkt so ein bisschen Schadenfreude heraus, dass manche schon wieder negative Statements gemacht hätten. Ich sage Ihnen ganz klar, was passiert ist: Ein Nachdenkprozess ist in Gang gekommen, und das halte ich für positiv. Wir müssen die Zeit – ich hoffe, gemeinsam – nutzen bis zum Europäischen Rat von Feira, denn ich glaube, auch Sie müssen sagen, dass die österreichische Bevölkerung nicht mehr dazu bereit ist, diese Sanktionen weiter zu tragen und zu akzeptieren. Und so habe ich das auch unseren Kollegen mitgeteilt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe mich dort ganz offen gezeigt. Ich habe keinerlei große Lösungsvorschläge genannt; es ist ja eine ganze Reihe bereits in der Diskussion. Ich hoffe aber, dass es möglich ist, in den nächsten Tagen und Wochen diesbezüglich in einen echten Konsultationsprozess einzutreten,


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um sozusagen einen Einstieg zum Ausstieg zu haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgesehen von diesem Thema hat die österreichische Außenpolitik, wie Sie wissen, in diesem Jahr einen ganz besonderen Schwerpunkt, der hier überhaupt noch nicht angeklungen ist, und das ist der OSZE-Vorsitz. Das ist enorm wichtig und gibt uns auch die Chance, uns als Österreich zu profilieren, denn heute ist es vor allem die Konfliktprävention, aber auch die Nacharbeitung bei Konflikten, die wir alle als ein ganz wichtiges Thema der Außenpolitik erkannt haben.

Sie wissen – ich möchte das hier gar nicht im Detail ausführen, weil Sie das bereits kennen –, dass ich besondere Schwerpunkte am Balkan gesetzt habe, vor allem im Kosovo, wo ja noch immer eine sehr schwierige Situation besteht, aber selbstverständlich auch in Tschetschenien, wo wir uns im Augenblick mit der vielleicht schwierigsten Situation auseinander setzen, und in Zukunft in anderen Gebieten Zentralasiens, aber auch im Kaukasus, in den ich bereits zwei Reisen unternommen habe.

Lassen Sie mich zum Kosovo sagen, dass ich eigentlich sehr zuversichtlich bin, dass die Lokalwahlen, zu denen derzeit die Registrierung stattfindet, auch durchgeführt werden können, wenn es auch immer noch ein Problem gibt, nämlich das, dass die Serben derzeit an den Wahlen nicht teilnehmen wollen. Wir sind immer noch bemüht, die Serben dazu zu bringen, sich registrieren zu lassen und an den Wahlen teilzunehmen, weil dies für den Kosovo selbst enorm wichtig wäre. Alle, die dort leben, sollen ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen.

Das Zweite, was ich noch einmal ansprechen möchte, ist natürlich Tschetschenien. Sie wissen, dass ich dort war, dass grundsätzlich grünes Licht von der politischen Seite, von Putin und Iwanow, gegeben wurde, und übrigens wird gerade heute im russischen Außenministerium über die Details verhandelt. Diese OSZE-Mission ist ja eine äußerst sensible, ist ja keinesfalls eine einfache Mission. Wir müssen auch für die Sicherheit unserer Leute die Verantwortung tragen und müssen daher die bestmöglichen Modalitäten aushandeln. Ich bin aber zuversichtlich, dass uns das bald gelingt und dass wir damit zurückkehren können.

Was Zentralasien betrifft, habe ich vor, in nächster Zeit – wenn es mir gelingt – alle fünf Länder Zentralasiens zu besuchen, um dort einige Schwerpunktthemen anzusprechen. Sie wissen, das eine ist das Drogenthema, die Drogenkriminalität, und das andere ist ein regionales Wirtschaftsthema, wobei wir versuchen, die Frage der Wasserverteilung anzusprechen.

Im Rahmen der Europäischen Union ist natürlich nicht nur die Frage der Sanktionen wichtig, sondern selbstverständlich sind auch die Inhalte wichtig. Die wesentlichen Inhalte sind die Regierungskonferenz, wovon Sie wissen, dass wir weiter gehen wollen, dass wir einer Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen grundsätzlich durchaus positiv gegenüber stehen und nur in besonderen, sensiblen Fällen auf Einstimmigkeitsentscheidungen zurückgreifen wollen. Ich danke hier übrigens für die Stellungnahme des Hauptausschusses vom 13. April, der die Bundesregierung in dankenswerter Weise auch hinsichtlich der Wasserressourcen unterstützt hat.

Sie wissen, ansonsten treten wir dafür ein, dass wir das Recht auf die Nominierung eines Kommissärs haben, und gerade jetzt zeigt sich, wie wichtig dies eigentlich sein wird, denn die kleinen Staaten müssen sich einfach auch selbst identifizieren können. Wir wollen eine maßvolle Anpassung der Stimmgewichtung, wir wollen aber auch über diese so genannten Left-overs hinaus in der Frage der so genannten Flexibilität oder verstärkten Zusammenarbeit durchaus ermöglichen, dass allenfalls eine Gruppe von Staaten vorangehen kann, wenn die Chance besteht, dass die zurückbleibende Gruppe in der Zukunft nachfolgen kann – etwas, was sich zum Beispiel in der Euro-11-Gruppe oder auch in der Schengen-Gruppe abgezeichnet hat.

Ebenfalls wichtig ist für uns natürlich die Charta der Grundrechte, die ich hier zumindest angesprochen haben möchte, wozu Österreich auch entsprechende Vorschläge einbringen wird.

Was die Erweiterung anbetrifft, ist es richtig, dass wir zügig vorangehen wollen, gleichzeitig aber selbstverständlich österreichische Interessen behutsam wahrnehmen werden. Dazu wurde gera


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de gestern ja auch von Seiten Österreichs ein Papier in der Europäischen Union eingebracht, um zu zeigen, wie die tatsächliche Situation hinsichtlich der Freizügigkeit der Personen ist, und um einfach die Probleme auf den Tisch zu legen, aber auch sachgerechte Lösungen zu finden.

Weiters möchte ich kurz auf die beiden Österreicher eingehen, die hier angesprochen wurden; das waren der Herr Hirschmugl und der Herr John. Ja, ich habe mich tatsächlich selber sehr für die Rücklieferung dieser beiden Häftlinge in Kuba eingesetzt, und wissen Sie, warum? – Weil erstens die Art und Weise, wie dort Verfahren durchgeführt werden, anders ist als bei uns, zweitens auch das Strafmaß ein wesentlich höheres ist, und drittens, weil ich mich für jeden Österreicher einsetze. Und ich glaube, das ist wirklich wichtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was die Frage der NGOs angeht, die hier von der ... (Abg. Dr. Pilz: Was ist mit den Opfern?)  – Ich darf Ihnen sagen, dass vom Gericht eine Privatsumme festgesetzt wurde, die vom Angeklagten natürlich zu bezahlen ist. Sie brauchen sich nicht um die Opfer zu kümmern. Ich glaube, Sie sollten sich mehr um die Österreicher kümmern, die dort in eine wirklich sehr, sehr schwierige Situation geraten sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wenn ich an den Herrn Hirschmugl denke: Ein 25-jähriger Student, der einen Autounfall hatte. Ein Autounfall kann jedem passieren. (Abg. Dr. Pilz: Mit tödlichem Ausgang!)  – Allerdings mit tödlichem Ausgang, das weiß ich; es waren fünf Personen. Ich kann Ihnen sagen, ich habe den Fall behutsamst verhandelt, und ich bin meinem Amtskollegen in Kuba dankbar dafür, dass er so viel Verständnis gezeigt hat. Das sage ich Ihnen auch klar. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Entwicklungszusammenarbeit allgemein. Frau Abgeordnete Lunacek! Sie wissen doch, dass der so genannte Budgetvollzug letztes Jahr 850 Millionen Schilling für die Entwicklungszusammenarbeit ausgemacht hat. Ich habe bei den Verhandlungen trotz starker Kürzungen – Sie wissen das alles – nur eine Kürzung um 100 Millionen hingenommen, habe aber dafür das Opfer gebracht, dass viele andere Dinge in meinem Haus, die ebenfalls zu besolden sind, derzeit nicht möglich sind, wie zum Beispiel allein zum Teil die Reparaturen der Botschaftsgebäude; viele Angebote, die wir hatten, mussten zurückgenommen werden. Man muss die Dinge immer im Zusammenhang sehen. Die Kürzung beträgt derzeit zirka minus 9 Prozent. Das, so glaube ich, ist unter den gegebenen Umständen wirklich erträglich. Sie wissen, dass ich selber alles daran setzen werde – das meine ich auch so –, wenn es wieder möglich ist, natürlich höher zu gehen. Das würde ich mir auch wünschen, denn das betrifft auch die Frage der Globalisierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der letzte Punkt, den ich jetzt ansprechen möchte: Ich habe gestern in einem umfassenden Vortrag die großen Ziele meiner Außenpolitik in der Außenpolitischen Gesellschaft angesprochen und habe dabei den Menschen in den Mittelpunkt der Außenpolitik gestellt. Das zeigt sich auch bei dem Konzept der Human Security, der so genannten Menschlichen Sicherheit, wozu ich übermorgen nach Luzern fahren werde, um mit der Gruppe von Staaten, die sich dazu im Rahmen der UNO zusammengetan haben, die Frage der Menschenrechtserziehung weiter zu bringen. Auch das ist etwas, was sowohl für Österreich als auch für die ganze Welt von Bedeutung ist. – Ich danke, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

18.30

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich nehme natürlich mit Respekt die Bemühungen zur Kenntnis, die die Frau Außenminister auf den Azoren getätigt hat. Allerdings muss man sich schon die Frage stellen, ob sich das Bemühen im außenpolitischen Bereich alleine als ausreichend herausstellen wird. Man muss nämlich schon auch wissen, dass all die Probleme innenpolitische sind, die dann in der Außenpolitik ihre Auswirkungen haben.

Frau Minister! Sie müssen sich auch bei allem Respekt natürlich die Frage gefallen lassen – wahrscheinlich wurden Sie darauf auch in den unzähligen Gesprächen angesprochen –: Was ist Ihr Standing in dieser Bundesregierung? Wenn man sich die Liste der Äußerungen ansieht: Sie


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reicht vom erfolglosen Staatspräsidenten Chirac über die korrupte belgische Regierung bis zum Westentaschen-Napoleon. – Mich würde übrigens interessieren, wie Sie das überhaupt in die französische oder englische Sprache übersetzen, wenn auf Deutsch gefragt wird: Frau Minister, was heißt eigentlich "Westentaschen-Napoleon"? – Die Veto-Drohungen, die Drohungen mit der Volksbefragung, die Drohungen mit "Lassen wir uns aus der EU ausschließen!", die Äußerungen über den Euro – das ist eine Serie an Äußerungen, die von Leuten getätigt wurden, deren Partei sich in Ihrer Regierung befindet. Von Minister Schmid rede ich gar nicht, der sich auch diesbezüglich zur Osterweiterung und zu anderen Themen geäußert hat.

Was machen Sie da? Wie äußern Sie sich dazu? Das ist ja eine entscheidende Frage, darin liegt der Schlüssel für die Lösung, bitte, denn das ist natürlich der Kern der Auseinandersetzung, um den kann man sich nicht herumschwindeln. Aber ich weiß schon, was das Problem der Freiheitlichen Partei ist. – Frau Minister, Sie werden mir wahrscheinlich zustimmen. – Werden Haider und andere stiller, entscheiden sie sich, innenpolitisch weniger zu provozieren, dann kann man in den Meinungsumfragen förmlich beobachten, wie die Zustimmung immer geringer und geringer wird.

Das ist für die FPÖ à la longue natürlich letal, weil dann das Projekt Regierungsbeteiligung gescheitert ist. Werden aber Haider und andere seiner Mitstreiter in der FPÖ immer lauter und lauter, dann geht die Regierungskoalition in die Luft. Und das ist immer wieder das Grunddilemma dieser Regierung: Dass in der FPÖ dauernd versucht werden muss, diesen komplizierten Spagat zu spannen zwischen den verschiedenen komplizierten Wählergruppen, die die FPÖ mit ihrer unsäglichen Politik anscheinend zusammengesammelt hat. Auf der Basis dieser Problematik hat das letztlich Auswirkungen auf die Außenpolitik. So sehr Sie sich auch bemühen, Sie brauchen natürlich auch die Unterstützung der ganzen Bundesregierung, nicht das Schweigen des freiheitlichen Teiles, wenn diese Äußerungen getätigt werden. Die müssen sich distanzieren.

Sie brauchen natürlich auch die Unterstützung Ihres Bundeskanzlers, Frau Außenminister, insbesondere in der Frage der Androhung der Volksbefragung, wobei er sich von der FPÖ in Geiselhaft nehmen hat lassen. (Abg. Dr. Khol: Mach dir keine Sorgen!) Eine Frage, Herr Klubobmann Khol – Sie sind ja einer der kreativsten in der Gruppe der ÖVP –, könnten Sie ja auch einmal beantworten: Was ist denn nach der Volksbefragung? Was ist denn, wenn die Volksbefragung vorbei ist? Sie stellen sich her und sagen: Machen wir eine Volksbefragung! (Abg. Fischl: Sie wissen das genau, was nachher ist! Sie denken schon lange darüber nach! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In Wirklichkeit wollen Sie dieses Projekt der Steuergeldverschleuderung machen, weil Sie sehr gut selbst wissen, dass Sie am 3. Oktober kein Votum für diese schwarz-blaue Regierungskonstellation bekommen haben. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ.) Daher stellen Sie sich hin und sagen, quasi in einer "No-na!-Fragestellung": Wollen Sie weiter am Sonntag ein Wiener Schnitzel haben oder nicht mehr, sollen wir es Ihnen verbieten? Das ist eine "No-na!-Fragestellung". Wollen Sie sich eine Legitimation für diese Regierungskonstellation holen? – Das ist es, warum darüber nachgedacht wird. (Abg. Jung: Das tut Ihnen offensichtlich weh, sonst würden Sie nicht so lange darüber reden!) Sie denken aber keinen Tag länger, Sie denken keinen Millimeter weiter, was es bedeutet, wann das stattfindet. Im übrigens hat "NEWS" heute eine Gallup-Umfrage veröffentlicht, die zeigt, dass die Mehrheit der Österreicher das durchschaut hat und diese Volksbefragung gar nicht will.

Das sage ich Ihnen nur so am Rande, damit Ihre Populismuseuphorie, die sich da entwickelt hat, wieder ein bisschen gedämpft wird. Volksbefragungen sind für Sie ja Glaubenssätze. Geht der Prozentsatz derer, die hinter Ihrem Vorhaben stehen, hinunter, ist Ihre Begeisterung gleich wieder gedämpft. Diese Frage, Frau Minister, müssen Sie mir beantworten: Was antworten Sie, wenn bei einem Ihrer nächsten Treffen in der EU die Frage gestellt wird, was dann gelöst ist, wenn die Volksbefragung am Tisch liegt? – Es löst das Grunddilemma nicht, und das Grunddilemma ist letztendlich die FPÖ. (Abg. Jung: Vielleicht löst es bei Ihnen einen Nachdenkprozess aus!)


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Was mich noch interessieren würde, Frau Minister: Sie treffen einen Minister eines anderen Landes, und der sagt: Grüß’ Sie, Frau Minister! Wie geht es dem Bundespräsidenten? Ist er noch hump oder ist er schon dump? – Übersetzen Sie das bitte einmal! Was sagen Sie dazu? Das hat ja Auswirkungen bis ins Ausland. Es tut mir Leid, wenn ich das sagen muss, und es tut mir vor allem für den Bundespräsidenten Leid und für Österreich Leid, wenn das ... (Abg. Fischl: Sorgenvoll und mitleidsvoll!)

Herr Kabas muss offensichtlich im Kriegszustand mit den Konsonanten und Vokalen sein oder Logorrhöe haben, oder er macht das bewusst oder er ist einfach nur zu feig, oder, wie Haider sagen würde, er ist nicht Manns genug, sich hinzustellen und zu sagen: Jawohl, ich habe gesagt, der Bundespräsident ist ein Lump und eine Schande für Österreich. – Dazu ist er nicht Manns genug! Das ist es, und das ist in Wirklichkeit das, was zu kritisieren ist von Ihrer Seite her. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wahrscheinlich wird Jörg Haider ihn angerufen haben, und wenn Sie ihn heute fragen, wird er dann sagen: Jaja, der hat zu mir gesagt: Labas, Labas, du bist ein Hepp! Wahrscheinlich wird er das gesagt haben, weil er sich entschlossen hat, hier überhaupt eine neue Sprachkultur einzubringen, wo man auf Spurensuche gehen muss: Wo gehören die Konsonanten wirklich hin? Die Stellung der Konsonanten und der Vokale ist nicht mehr logisch. Es ist jetzt gefragt, dass man sie zu suchen beginnt. Wenn die Freiheitlichen sprechen, geh mit mit einem Becher und schüttle die Konsonanten und Vokale durch, und wenn du Glück hast, dann findest du heraus, was sie wirklich gesagt haben. Das scheint offensichtlich Ihre Sprachkultur zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Bedauerlicher ist die Logik ihrer Syntax. Diese ist bedauerlicher. Ich nehme es auch noch hin, wenn Sie sagen: Haider tritt zurück, aber er ist der Chef. – Das ist okay. Da muss ich ein bisschen nachdenken, wie das geht, aber irgendwie geht das schon. Aber ernster ist es, wenn Sie sagen: Ein rassistischer Wahlkampf ist kein rassistischer Wahlkampf. Es scheint die Sonne, aber es ist dunkel. Wir sitzen hier im Plenarsaal, aber es findet keine Sitzung statt. Kollege Fischl sitzt da, hat den Ellbogen gekrümmt, hat den Kopf auf den Ellbogen gestützt – aber er hat es in Wirklichkeit nicht. Er sitzt ja gar nicht hier. Er hat gar keinen schweren Kopf, weil er sich Gedanken macht. Gut, das verstehe ich noch. Was sind das für Logiken? Was sind das für Sätze? Das ist doch bitte ein echtes Problem in der politischen Auseinandersetzung mit Ihnen! Sie sagen einen Satz, aber der Satz war gar nicht so, und der, der ihn gesagt hat, der war es gar nicht, und im Endeffekt heißt er gar nicht so. Das ist ja virtuell. Stellen Sie ein paar Computer her, um mit uns nur mehr zu virtualisieren! Das ist keine Sprache mehr. Gratuliere zu diesem Regierungspartner, Frau Minister! Ich verstehe, dass das sehr schwierig ist, aber das gibt einem auch Chancen, sich in der Regierung durchzusetzen. Wenn sich die ohnehin nicht mehr artikulieren können, keinen gescheiten Satz mehr herausbringen, mit den Konsonanten nichts mehr zusammenbringen, dann machen Sie einfach Politik und hören Sie nicht mehr auf die. Das wäre zumindest einmal eine Konfrontationslinie, die uns vielleicht weiterbringen würde und in der EU vielleicht honoriert werden würde. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss – bedauerlicherweise geht meine Redezeit zu Ende; ich könnte mich mit Ihnen noch stundenlang beschäftigen, Sie liefern Quellen und Quellen und Quellen; das ist unfassbar –: Ich habe einmal vorgeschlagen, hier eine Enquete über Auslandskulturpolitik abzuhalten. Zu meinem Bedauern wird auch da gekürzt, gekürzt, gekürzt, und ich frage Sie, ob man das nicht doch überlegen sollte, auch im Hinblick darauf, wie sich jetzt die Arbeit der Kulturinstitute im Ausland gestaltet. Das ist auch eine kulturelle Frage, die Sprachkultur, aber nicht nur das, überhaupt das Gesamterscheinungsbild, generell, weil mir das ein wirkliches Anliegen ist, wie diese Arbeit zu gestalten ist, wie es im Auslandskulturpolitikbereich weitergeht und weshalb gerade dort immer gekürzt wird. Hat das keinen Stellenwert mehr? Hat das keine Bedeutung mehr? – Ich verstehe das nicht. Ich würde wirklich ersuchen, auf diesen Vorschlag einzugehen. Wenn Sie es wirklich ernst nehmen, dass wir uns im Ausland stärker präsentieren wollen, unsere Kulturidentität einbringen wollen und auch wirklich einen Dialog suchen wollen, bitte ich Sie, diese Enquete zu ermöglichen, die Sie vielleicht sogar, wie ich in Erinnerung habe, einmal versprochen haben. Setzen Sie es einmal um! Es würde uns freuen, und wir können uns damit wirklich auseinander setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.39


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22. Sitzung / Seite 141

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gatterer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

18.39

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Das, was Herr Kollege Cap für die Regierung eingefordert hat, versucht die Regierung, schon seit geraumer Zeit beim Parlament einzufordern, nämlich die Unterstützung des gemeinsamen Auftretens im Ausland.

Zur Volksbefragung: Ob man dafür ist oder dagegen, ist Anschauungssache, nur meine ich, die Kostenfrage kann dabei keine Rolle spielen. Ich glaube, Sie haben sich keine Gedanken darüber gemacht, wie viele von Ihnen bei den Demonstrationen mitmarschiert sind. Das hat viele Millionen Schilling gekostet. Eine Demokratie muss dieses Geld haben. (Abg. Dr. Khol: 37 Millionen!)  – 37 Millionen, höre ich. Dass die Geldfrage jetzt auf einmal die große Frage bei der Volksbefragung ist, kann ich mir nicht vorstellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Ministerin! Sie sind die erste Außenministerin in dieser Republik und eine erstklassige Außenministerin! Das haben auch alle Vorredner bestätigt, und das beinhaltet viel mehr als Ihre rein ministerielle Tätigkeit. Ich erinnere etwa an das Kulturinstitut und vor allem an Ihren Vorsitz in der OSZE. Da muss man sagen, alle Kollegen auch auf internationaler Ebene haben großen Respekt vor Ihrer Arbeit als Vorsitzende der OSZE. Auch dazu herzliche Gratulation! (Beifall bei der ÖVP.)

Mir persönlich tut es sehr Leid, dass die Sanktionen der 14 die Außenpolitik seit Monaten überschatten, überdecken und unser ganzes Augenmerk nur auf diese Situation fokussieren. Wir werden immer wieder gefragt: Gibt es jetzt weiter eine Eiszeit, oder sind wir nach drei Monaten stiller Diplomatie von Ihnen und auch von Ihren ausgezeichneten Mitarbeitern bereits in der Tauwetter-Periode?

Ich denke, wir müssen alle sehr erfreut darüber sein, dass – wie Klubobmann Khol das formuliert hat – mit dem Azorenhoch wirklich eine Klimaverbesserung für Österreich in der EU eingetreten ist und dass es doch einen ersten Schritt gibt, die Sanktionen zu überdenken. (Abg. Dr. Khol: Das Azoren-Hoch ist leider so unbeständig!)  – Das Azorenhoch hat immerhin einige große Risse im Eis gebracht und das Eis etwas dünner gemacht. Ich bin da sehr zuversichtlich.

Es sehen auch immer mehr Politiker ein – viele wurden heute schon zitiert, zum Beispiel der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses in Deutschland, Klose – und sagen, das entspricht nicht dem europäischen Geist, das entspricht nicht den europäischen Verträgen. Ich finde daher, es wäre hoch an der Zeit, dass sich jetzt auch die Regierungschefs der 14 die Frage stellen, ob es wirklich mit den Grundwerten der EU vereinbar ist, wenn die Regierungen von 14 Mitgliedstaaten den Dialog mit dem 15. Mitgliedstaat einfach verweigern.

Gestern war Europatag. Wer dabei war, konnte miterleben, wie Kommissar Fischler zum Europatag eine exzellente Rede gehalten hat. Er hat auch darauf hingewiesen, dass Europa und die EU die Wiege der Demokratie sind. Aber ist nicht die Basis der Demokratie der Dialog? Warum verweigern die 14 diesen Dialog mit Österreich? Die Regierungschefs müssen sich die Frage stellen: Schaden diese Sanktionen Österreich oder schaden sie nicht auch langfristig der EU? Und drittens müssten sich die Regierungschefs auch fragen: Schaden diese Sanktionen der Regierung – wirklich nur der Regierung – oder schaden sie nicht in erster Linie der Bevölkerung? – Meiner Ansicht nach ist die Bevölkerung der Hauptbetroffene, und jeder, der das abstreitet, sagt nicht die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber noch ein anderer Umstand macht mich betroffen. – Ich möchte hier in dieser außenpolitischen Budgetdebatte auch den größten Europäer oder Europabefürworter Alois Mock erwähnen, der heute erstmals seit Jahrzehnten bei dieser außenpolitischen Debatte nicht dabei ist. Er war, wie wir wissen, gemeinsam mit unserem Bundeskanzler Schüssel ein Vorkämpfer für den EU-Beitritt. Aber die größten Befürworter bei der EU-Abstimmung waren nachweislich die Jugendlichen, die ja zu Europa gesagt haben, waren die Künstler, die gesagt haben, wir müssen


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nach Europa, waren die Unternehmer, die gesagt haben, wir können nicht isoliert bleiben, und im Endeffekt natürlich auch die Wissenschafter, die gesagt haben, es muss ein gemeinsames Europa geben. Und ich finde, es muss uns alle besonders betroffen und nachdenklich machen, dass gerade diese Gruppen meiner Meinung nach von den Sanktionen am stärksten betroffen sind. Natürlich waren auch andere für den Beitritt, sonst gäbe es nicht das Wahlergebnis mit Zweidrittelmehrheit (Abg. Verzetnitsch: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer!), aber diese Gruppen waren wirklich die Vorkämpfer!

Man muss feststellen, es gibt eine Politik der 14, die teilweise eine Anti-Österreich-Hysterie ausgelöst hat, die einfach die kulturellen, sportlichen oder auch zwischenmenschlichen Beziehungen überschattet. Es gibt Absagen von Veranstaltungen, Österreicher werden ausgeladen, österreichische Künstler können zu bestimmten Ereignissen nicht mehr kommen, bis hin zur Bombendrohung – Sie können sich erinnern – beim Konzert der Wiener Philharmoniker in Paris.

Es wird von Unternehmern ein Nachweis gefordert, wie sie gewählt haben, was darüber entscheidet, ob sie weiterhin Geschäftspartner sein können. Und natürlich fragt man, ob Bewerbungen von Österreichern weiter unterstützt werden sollen beziehungsweise die Sanktionen besagen, wir unterstützen keine österreichischen Bewerbungen. – Da frage ich mich schon: Betrifft das jetzt die Regierung oder betrifft das einzelne Bürger und Bürgerinnen?

Das Schlimmste für mich ist aber der Bereich der Jugend. In all unseren Berichten – Kollege Schieder weiß das aus den unzähligen Berichten und Forderungen zum Beispiel im Europarat, wo wir überlegen, was wir für die Kinder im Kosovo tun können oder wie die Situation der Kinder in Tschetschenien ist –, überall erklären wir, wir müssen eine Basis dafür schaffen, dass die Jugend Toleranz lernt, dass sie sich mit anderen an einen Tisch setzt. Und jetzt erfährt die österreichische Jugend: Du bist nicht willkommen, weil du Österreicher bist! – Also mir persönlich tut das weh.

Ich muss auch berichten, dass viele Studenten heute schon sagen: Ich bewerbe mich gar nicht mehr bei einer internationalen Organisation, ich habe keine Chance, weil ich Österreicher bin! – Da kann sich doch wohl niemand hier in diesem Haus nicht verpflichtet fühlen, alles zu tun, damit die Sanktionen aufgehoben werden! Ich glaube, dass die Jugendlichen sehr darunter leiden. Man hat das gestern im "Report" gesehen: Es werden viele Austauschprogramme zwar nicht abgesagt, aber die Jugendlichen haben das Gefühl, nicht willkommen zu sein.

Das betrifft die Jugendlichen auf beiden Seiten. In dem Bericht ist es konkret um einen Besuch in Frankreich gegangen. Die Teilnehmer sind interviewt worden, und die Gasteltern haben gesagt: Meine Kinder haben gesagt, sprich nicht darüber. Rede sie nicht auf die österreichische Situation an. – Die österreicherische Schülerin hat gesagt: Ich weiß nicht, was ich tun soll!, und die Französin hat gesagt: Ich bin unsicher im Umgang mit den Schülern. – Das ist das Schlimmste, das ist eine Hypothek für die Zukunft, die wir den Jugendlichen auferlegen, um vielleicht für uns politisches Kleingeld herauszuholen, vor allem von Seiten der Opposition!

Ich muss sagen, ich bin sehr verwundert. Ich schätze Kollegen Gusenbauer. Er als Juso-Chef muss doch genau wissen, dass gerade die Jugend, die hinaus nach Europa will, die hinaus in die Welt will, am meisten betroffen ist. Da wundere ich mich schon. Seine Freunde in Paris haben sich im doppelten Sinn als Freunde oder Parteifreunde erwiesen. Wenn das alles war, was dabei herausgekommen ist, dann frage ich mich schon: Waren das nicht eher Parteifreunde?

Ich verweise auf ein Interview im "Mittagsjournal" vom 28. April mit dem Vorsitzenden der Sozialistischen Partei Gusenbauer, in dem er wörtlich sagte:

"Wenn die österreichische Opposition den Schulterschluss macht, würde das nicht die Glaubwürdigkeit in der EU erhöhen, sondern unsere Partner in Europa würden sich mit Recht die Frage stellen, was mit der österreichischen Sozialdemokratie passiert ist." – Zitatende. (Abg. Dr. Khol: Genau das ist der Punkt! – Abg. Mag. Kukacka: Zuerst kommt die Partei! – Abg. Dr. Khol: Ohne Partei sind Sie nichts!)


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Da frage ich mich schon: Was zählt mehr? Haben Sie mehr Angst vor dem Gesichtsverlust bei Ihren Kollegen im Ausland oder geht es Ihnen um die Interessen Österreichs und der österreichischen Bevölkerung? (Beifall bei der ÖVP.)

Ich muss im Endeffekt auch sagen: Der Besuch von Alfred Gusenbauer in Frankreich, einen Tag nach der Glanzleistung unserer Außenministerin, hat im Grunde ihre Bemühungen torpediert und Österreich meiner Meinung nach nicht geholfen. Und zu seinem Vorschlag, die Beobachtungsstelle gegen Fremdenhass und Rassismus als Tugendwächter über Österreich einzusetzen, muss ich fragen: Wie erkläre ich meinem Kind, sei höflich und grüße? Was dort passiert ist, widerspricht allen guten Sitten.

Die ideologische Vorverurteilung, die dort stattgefunden hat, war für mich beispiellos! Ich möchte darauf hinweisen, dass der Vorsitzende dieser EU-Beobachtungsstelle Jean Kahn in einem Artikel in der französischen Presse zum Beispiel Folgendes kundgetan hat: Vor vier Jahren war ich in Österreich, aber auf dem braunen Schnee würde ich niemals Schi fahren! – Das ist wirklich eine Beobachtungsstelle für Rassismus – im wahrsten Sinn des Wortes!

Ich finde, wir müssen alles daransetzen und jeder ist aufgefordert, den Aktionsplan der Bundesregierung zu unterstützen, damit wir das Bild Österreichs – das Zerrbild, das zurzeit in Europa herrscht – wieder zurechtrücken. Ein Bild Europas ohne Österreich ist für mich unvorstellbar! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

18.50

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe zuerst einen Entschließungsantrag vor dem Hintergrund der Flutkatastrophe in Mosambik ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Lunacek, Freundinnen und Freunde betreffend Schuldenerlass für Mosambik und Madagaskar

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, Mosambik und Madagaskar die noch ausstehenden bilateralen Kredite zur Gänze zu erlassen. Ferner wird die Bundesregierung ersucht, im Rahmen der Mitbestimmungsmöglichkeiten bei den internationalen Finanzinstitutionen darauf hinzuwirken, dass die Schulden Mosambiks und Madagaskars gänzlich gestrichen werden."

*****

Es gibt nämlich noch ein paar "Kleinigkeiten" auf der Welt, die eine Spur wichtiger sind als das heute wieder absolvierte Sanktionstheater, und dazu, darauf hinzuweisen, soll auch dieser Entschließungsantrag dienen. Vielleicht lässt sich ein Schulterschluss mit den Opfern in Mosambik herstellen! Das würde der Mehrheit in diesem Haus auch einmal ganz gut zu Gesicht stehen. (Abg. Mag. Kukacka: Stellen Sie sich gegen die Sanktionen, dann gibt es kein Theater! – Weitere Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Was heißt "Sanktionstheater"?! – Abg. Mag. Kukacka: Sie machen ein Sanktionstheater!)

Zu den Sanktionen selbst, meine Damen und Herren. Sie haben ein Azorenhoch gefeiert und haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass es nicht einmal einen Tag später wieder ein Deutschland-Tief, ein Schweden-Tief und anderes gegeben hat. Das ist bestenfalls ein politisches Aprilwetter, aber rein meteorologisch sicherlich eine Verbesserung gegenüber einer anbrechenden Eiszeit.


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Alles deutet darauf hin, dass die 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Union daran interessiert sind, nicht, so wie Sie das formulieren, einen Ausweg zu finden, sondern eine Lösung für die Zukunft zu erarbeiten, die die Republik Österreich mit einschließt. Und das ist etwas ganz anderes als ein Fluchtweg aus etwas, was man längst bedauert, sondern es ist ein seriöser Versuch, daraus etwas zu machen, was Bestand hat und was allen politischen Parteien in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei etwaigen ähnlichen Regierungsbildungen in Zukunft ein Mindestmaß an innereuropäischer Rechtssicherheit gibt.

Wir werden nicht die Nächsten sein. Die nächste Frage dieser Art wird sich möglicherweise in Italien stellen, und die Europäische Union ist ausgezeichnet beraten, wenn sie es nicht wieder auf eine Reaktion aus momentaner Empörung ankommen lässt, sondern rechtzeitig gemeinsame politische Regeln unter Einschluss Österreichs schafft. Das können nicht Regeln der 14 oder 13, das können nur Regeln der 15 sein.

Und genau das signalisieren die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in unterschiedlicher Tonlage bereits seit Wochen. Da liegt der Ausweg!

Jeder, der sich mit Außenpolitik und mit den Interessen der Republik Österreich seriös beschäftigt, weiß, dass mit dem Beginn der Arbeit an einem Regelwerk, an einem europäischen Regelwerk und Rechtswerk dieser Art erstmals auch die Möglichkeit besteht, die Sanktionen gegen die österreichische Bundesregierung auszusetzen. Und genau dahin geht derzeit auch der europäische Diskussionsprozess.

Wie ist nun die Reaktion der österreichischen Außenpolitik und der Regierungsfraktionen? – Da wird nichts unternommen, um diesen Zeitpunkt, um diesen Punkt möglichst bald zu erreichen und dann einen ernsthaften Vorschlag zur Aufhebung der Sanktionen unterbreiten zu können! Da wird nicht vorgeschlagen, wie wir zügiger auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung, einer europäischen Charta und einer parlamentarischen Kompetenz der zweiten und dritten Säule vorankommen – weil das alles Mitvoraussetzungen sein werden; das wird ein gemeinsamer Prozess sein –, sondern da wird ein Ultimatum gestellt! Da wird gesagt: Schuld ist Brüssel, wir sind Opfer, und als Opfer haben wir das Recht, jetzt ganz Österreich gegen euch zu mobilisieren.

Das ist eine Kurzschlusshandlung, weil bis hin zum Bundeskanzler niemand angeben kann, was dann passiert, wenn – wie es sich abzeichnet – nur eine Minderheit der österreichischen wahlberechtigten Bevölkerung zu dieser Befragung geht und davon wahrscheinlich ein hoher Prozentsatz – welche Fragen auch immer gestellt werden, und ich hoffe, sie werden, wenn es so weit kommt, halbwegs vernünftig sein – mit ja antworten wird.

Ja, und was dann? Was kommt am Montag danach? Was, wenn Brüssel und London und Berlin und Lissabon nicht erklären, okay, wir kapitulieren vor der österreichischen Volksbefragung und nehmen mit dem Ausdruck des Bedauerns alles zurück? Was, wenn das nicht passiert? Was ist der nächste Schritt? – Dann muss etwas passieren, dann hat man eine politische Kettenreaktion in Gang gesetzt.

Was tut dann die Außenministerin, und was macht dann der Bundeskanzler? Werden sie einfach sagen: Na, wir haben es probiert, in Brüssel ist leider die Botschaft nicht angekommen; vergessen wir es! Das nächste Mal probieren wir es wieder! Wenn wir irgendwo nicht weiterkommen, na, dann machen wir eine Volksbefragung, und wenn es nichts wird, na, dann war es halt nichts!? Oder kommt dann die Grasser’sche, Haider’sche und schon etwas Schüssel’sche Drohung, dann doch die eigenen Möglichkeiten in der Europäischen Union etwas destruktiv und wachsend destruktiv einzusetzen?

Das sind die Fragen, Frau Bundesministerin, die Sie eigentlich öffentlich längst beantworten sollten. Es ist schade, dass Sie sich diese Fragen nach einem konstruktiven europäischen Ausweg und dem Verzicht, mit an der Spitze der Bundesregierung in eine Volksbefragungs-Falle zu tappen – weil genau das ist es: eine Volksbefragungs-Falle –, nicht stellen. Genau diese Erklärungen und Antworten stehen aus!


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Deswegen unterstellen Ihnen – vielleicht weniger Ihnen als Person, aber anderen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern der Bundesregierung – nicht nur Mitglieder der Opposition in diesem Haus, und zwar mit wachsendem Recht, dass es Ihnen immer weniger um Außenpolitik, immer weniger um Europa, immer weniger um faire Mechanismen und Verfahren, sondern immer mehr um innenpolitischen Gewinn geht.

Es stimmt: Von der Einbunkerung Österreichs profitiert vor allem die Österreichische Volkspartei. (Beifall bei den Grünen.) Das ist weder gut noch schlecht, das ist ein Faktum.

Faktum ist auch, dass sich, seit dieses erste Faktum bekannt ist, der Ton des Bundeskanzlers über Nacht geändert hat. Von einem weinerlichen "Man hat uns Unrecht getan, man hat den europäischen Musterschüler bestraft und ihn zum Opfer gemacht!" hat über Nacht die Wandlung zum drohenden, zum attackierenden und zum mobilisierenden Kanzler stattgefunden. – Und jetzt erkläre mir irgendjemand, das habe etwas mit europäischer Entwicklung zu tun. Das ist reine Innenpolitik!

Frau Bundesministerin! Sie werden sich entscheiden müssen, so wie sich die gesamte Bundesregierung entscheiden muss. Es gibt eine wachsende Dialogbereitschaft der 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch aus eigenen politischen Problemen heraus, die sich die 14 mit den Sanktionen geschaffen haben – auch das ist ein Faktum. Es wird nicht nur nach einem Ausweg, sondern nach einer Lösung und einem Fortschritt im europäischen Einigungsprozess gesucht.

Sie haben nur zwei Möglichkeiten: Entweder eine produktive und engagierte österreichische Beteiligung – dann hätte ich mir von Ihnen eine Erklärung erwartet, dass Sie etwa die Blockade Österreichs in Bezug auf eine einklagbare europäische Verfassung in Strassburg und Brüssel aufgeben. Dann hätte ich mir erwartet, dass Sie endlich aufgeben, die Parlamentarisierung der zweiten und dritten Säule gemeinsam mit anderen Nachzüglern des Einigungsprozesses zu blockieren. Aber vielleicht haben Sie sich wirklich für das andere entschieden, nämlich maximales innenpolitisches Kapital aus den Sanktionen zu schlagen.

Sie als erfahrene Europapolitikerin wissen ganz genau, was unter dem Strich bleiben wird: Das Tempo werden dann irgendwann – spätestens am Tag der Volksbefragung – nicht Sie, sondern die Anti-Europäer in Ihrer Regierung angeben. Wenn Sie diesen Kurs weiterfahren – und das ist ein Entweder-oder, da gibt es kein Dazwischen! –, dann begeben Sie sich Schritt für Schritt auf freiheitliche Linie.

Frau Bundesministerin! Die Entscheidung ist in dieser Republik, in dieser Bundesregierung und in diesem Haus noch längst nicht gefallen. Sie haben in einem anderen Sinn durchaus Recht: Die Türen stehen in Europa etwas weiter offen als noch vor wenigen Wochen. Aber Sie werden einige Schlussstriche ziehen müssen, einige Haltungen ändern müssen und selbst einen produktiven Vorschlag machen müssen, damit daraus wirklich offene Türen werden. Im Interesse dieser Republik und dieses Hauses würde ich mir sehr wünschen, dass wir dann erstmals von einem wirklichen Azorenhoch, Brüsseler oder Strassburger Hoch berichten könnten. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schieder. )

19.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

19.00

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die österreichische Außenpolitik befindet sich gegenwärtig in der schwierigen Lage, sich gegen rechtlich nicht gedeckte und auch unbewiesene Vorwürfe aus 14, wie man uns bisher immer wieder gesagt hat, befreundeten Staaten wehren zu müssen, die zu Unrecht glauben, sich in innerösterreichische Fragen einmischen zu können.

Unaufgeregt, ruhig und bestimmt hat die österreichische Regierung bisher darauf reagiert, und das war richtig so. Umso empörender ist es aber – und für die überwiegende Mehrheit der


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Österreicher auch unverständlich –, dass in dieser für unser Land schwierigen Zeit kein Schulterschluss zwischen den Parteien zur Verteidigung der österreichischen Interessen erfolgen kann, sondern dass im Gegenteil diese Lage sogar durch Auslandsaktivitäten und Wortmeldungen führender Sozialdemokraten, die offenbar den Machtverlust und den Verlust der Regierungsposition nicht verwinden können, noch aufgeheizt und sogar mit ausgelöst wurde.

Auch der Herr Bundespräsident – auch das muss deutlich gesagt werden – hat bei dieser Entwicklung, und das sage ich bei allem Respekt vor seinem Amt, eine sehr unglückliche Rolle gespielt.

Kollege Schieder ist gerade hinausgegangen. (Abg. Schieder, der soeben den Saal verlassen will, hört dies und kommt zurück.) – Ah, jetzt kommt er zurück, er hat mich gehört. Ich möchte auf etwas eingehen, Herr Kollege, was Sie betrifft, und möchte das nicht hinter Ihrem Rücken tun. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Sie sind jemand – und ich glaube Ihnen sehr viel ehrliches Bemühen –, der besonders empört ist, wenn die Namen Stockholm, Berlin, Bern und Strassburg im Zusammenhang damit genannt werden, dass nach Treffen dort immer wieder rein "zufällig" – dieser Eindruck verstärkt sich jedes Mal mehr – Schwierigkeiten, Kritik an Österreich-Statements und Wortmeldungen gegen Österreich auftauchen.

Nun war ich vorige Woche mit Herrn Kollegen Kurzmann unter anderem auf der IPU-Konferenz, der Konferenz der Interparlamentarischen Union, in Amman. Am dritten Tag der Konferenz – Kollege Kostelka war gerade "zufällig" abgereist, Kollege Schieder war "zufällig" nicht anwesend – kam Herr Gjelleroed, auch ein Sozialdemokrat, der führend für jenen Bericht in Strassburg verantwortlich ist, in dem gegen Österreich, vor allem auch gegen die Freiheitliche Partei, aber auch gegen andere kleine Länder polemisiert wurde, an das Rednerpult, missbrauchte eine Wortmeldung als Vertreter von jemand anderem und zog gegen Österreich ins Feld.

"Zufällig" waren gerade die Vertreter der Sozialdemokraten nicht anwesend. "Zufällig" kam aber Kollege Schieder kurz darauf mit dem Manuskript des Herrn Gjelleroed in den Vortragssaal. – Herr Kollege Schieder! Auch wenn das alles Zufälle sind, werden mir diese Zufälle langsam zu viele! Dies umso mehr, als ich Herrn Gjelleroed zur Rede gestellt und ihn gefragt habe, worauf denn sein berühmte Bericht überhaupt beruhe, ob er in Österreich war, ob er mit Vertretern der Beschuldigten gesprochen habe. – Darauf hat Herr Gjelleroed gesagt, nein, er habe das den Zeitungen entnommen.

Herr Kollege Schieder! Solche Berichte werden gegen Österreich verbreitet, und Sie waren dort nicht bereit, dem entschieden entgegenzutreten! Und dann wundern Sie sich, wenn wir, wie Sie heute Vormittag angesprochen haben, unser Misstrauen gegenüber der Vorsitzführung im Ausland entdecken und sagen, so könne es nicht weitergehen! Wenn die Vorsitzführenden sich nicht als Vertreter Österreichs, sondern als Vertreter einer Partei fühlen, dann wird man darüber nachdenken müssen. Die Mehrheit vertreten Sie und Ihre Partei in Österreich nicht mehr, Herr Kollege Schieder – auch nicht gemeinsam mit den Grünen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Darf ich einen Zwischenruf machen?)  – Wenn es schnell geht. (Abg. Schieder: Der Kollege Gjelleroed hat nicht gegen Österreich, er hat gegen die FPÖ gesprochen! Nur gegen die FPÖ!)  – Nein, gegen dieses Land, das eine rassistische und so weiter Regierung duldet. (Abg. Schieder: Nur gegen die FPÖ!) Nein, das stimmt nicht, Herr Kollege. (Abg. Schieder: O ja!) Ich habe auch noch das Protokoll.

Bei aller Ruhe und Zurückhaltung gegenüber diesen 14 Staaten, von denen viele ja, wie wir wissen, unfreiwillig in die französische und belgische Boykottfalle gelaufen sind oder sogar dazu gedrängt wurden, ist doch jetzt der Zeitpunkt gekommen, klar und bestimmt aufzutreten und durch Handlungen klarzumachen, dass wir so nicht weiter mit uns umspringen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn die österreichische Politik und damit auch dieses Haus nicht ausreichend in den Informationsfluss der EU und damit in den Entscheidungsprozess eingebunden werden, kann Österreich eben diese Entscheidungen nicht fällen und nicht mittragen. Das ist eine logische Folge


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rung und hat absolut nichts mit einer Vetodrohung, wie Sie das gerne darstellen und diskreditieren möchten, zu tun.

Wir hoffen daher – besonders im Lichte des angesprochenen Rates auf den Azoren – auf eine schrittweise Einsicht der 14. Wir dürfen uns aber nicht neuerlich in eine Falle locken lassen, die da lautet "schlechter Europäer". Wer aus wohlbegründetem Eigeninteresse – nicht auf Grund von Justament-Standpunkten – nein sagt und nicht alles bedingungslos hinnimmt, was Brüssel vorschreibt, ist deswegen kein schlechter Europäer!

Schlechte Europäer sind jene, die aus Paris oder von sonst irgendwo in innerstaatliche Angelegenheiten vor allem kleinerer Staaten eingreifen wollen, in diese Staaten hineinregieren wollen und Wählerentscheidungen nicht akzeptieren, denn sie und ihre Sanktionen nähren die Europaskepsis in diesem Europa und nicht wir Österreicher!

Es wäre deshalb auch falsch, in der Erweiterungsfrage auf die Durchsetzung von Forderungen zu verzichten, nur um als europäischer Vorzugsschüler zu gelten. Es gibt einen bekannten Buchtitel, der lautet: "Gute Mädchen kommen in den Himmel, schlechte überall hin." – Abgewandelt auf den EU-Bereich könnte man sagen: Die guten Europäer werden gelobt und dürfen zahlen, die hartnäckigen erhalten das Geld und setzen ihre Interessen durch.

Meine Damen und Herren! Wir sind dazu da, die österreichischen Interessen zu wahren und nicht dazu, brav zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dazu gehört nicht zuletzt, dass eine mögliche Osterweiterung nicht übereilt, sondern in geordneten Verhältnissen verläuft. Und wie wir uns eine geordnete und verträgliche Form der Erweiterung vorstellen, müssen wir in den Verhandlungen rechtzeitig einbringen. Wir dürfen uns nicht verschweigen, so wie das vielerorts jetzt von uns gefordert wird. Wenn wir erst kurz vor der Vertragsunterzeichnung unsere Stimme erheben, dann können sich unsere süd- und südosteuropäischen Nachbarn nicht mehr darauf einstellen und wären dann wohl mit Recht verärgert.

In der Erweiterungsfrage geht es nicht nur um Arbeitskräfte, Migration und Transit, sondern auch um andere Fragen, wie vom Kollegen Schweitzer bereits angesprochen, nämlich um die Umwelt- und AKW-Politik.

Wir haben im Regierungsübereinkommen bewusst darauf verzichtet, für bestimmte Forderungen ein Junktim als Rute ins Fenster zu stellen. (Abg. Großruck: Ein "Jung-tim?") Aber wer glaubt, daraus ableiten zu können, dass wir knieweich geworden sind und nur wegen einer Regierungsbeteiligung auf berechtigte Forderungen, Bedenken und Ansprüche verzichten, irrt sich schwer. (Abg. Öllinger: Jawoll!)

Ein anderer Bereich, der die gute Nachbarschaft empfindlich stört, ist jener der Beneš-Dekrete und AVNOJ-Beschlüsse, die noch immer die Vertreibung, Enteignung und sogar Ermordung von Millionen von Menschen rechtfertigen, nur weil ihre Muttersprache Deutsch war, Bestimmungen, die auch heute noch Auswirkungen auf die in diesen Ländern lebenden Menschen haben.

Wir Österreicher – auch Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, können da zuhören –, und nicht die Bundesrepublik Deutschland, wir Österreicher tragen besondere Verantwortung für diese Menschen! Zu Österreich gehörten sie seit Jahrhunderten oder wurden von Österreich, wie die Schwaben, gerufen, um in den Türkenkriegen verwüstete Gebiete wieder fruchtbar zu machen. Sie waren keine Kolonialisten, die ihr Vermögen aus Sklavenfleiß oder der Vertreibung und Ermordung von Einheimischen gewonnen haben, wie das in den britischen, belgischen oder französischen Kolonien geschehen ist, sondern sie haben es sich mit ihren Händen erarbeitet. Ihre Vertreibung, ihre Enteignung und teilweise Ermordung in den Jahren 1944 und 1945, ihre bis heute gültige Entrechtung war und ist Unrecht, das wir nicht akzeptieren werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht uns dabei nicht primär um finanzielle Wiedergutmachung. Die Vertreiberländer haben sich mit diesen Maßnahmen selbst einen schweren wirtschaftlichen Schaden zugefügt. Es geht uns aber sehr wohl darum, moralisches Unrecht einzugestehen und den noch lebenden Vertrie


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benen und ihren Angehörigen damit Genugtuung zu geben, wie andere, denen im letzten Jahrhundert von Angehörigen unseres Volkes bitteres Unrecht angetan wurde, das für sich ebenfalls zu Recht einfordern.

Abschließend und zusammenfassend möchte ich Folgendes sagen. Wir stehen zu den unterzeichneten EU-Verträgen. Wir lassen uns aber nicht als Parias dieser Gemeinschaft behandeln. Wir wollen eine Weiterentwicklung der Union, aber nicht zuletzt durch die jüngsten Erfahrungen wollen wir keine Aushöhlung staatlicher Rechte. Staatenbund, nicht Bundesstaat ist unser Ziel! Wir haben das Recht, die Aufgabe und die Pflicht, in diesem Prozess zuerst und vor allem die österreichischen Interessen zu wahren, wozu sich meine Partei immer besonders bekannt hat und was sie auch künftig tun wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der vom Abgeordneten Pilz vorgetragene Entschließungsantrag ausreichend unterstützt ist und damit mit in Verhandlung steht.

Ich erteile jetzt der nächsten Rednerin, Frau Abgeordneter Jäger, das Wort. – Bitte.

19.10

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Außenministerin! Sie haben vorhin gesagt, man müsse die Dinge im Zusammenhang sehen. Ich denke, all das, was jetzt auf europäischer Ebene durch die Sanktionen passiert, führt eben – und Sie werden mir da auch Recht geben, glaube ich – zu einem Zusammenhang zwischen dem, was in Österreich passiert, und den Reaktionen des Auslandes.

Ich möchte – ich denke, das ist völlig unverdächtig – Herrn Innenminister Strasser zitieren, der in einem "Kurier"-Interview im Zusammenhang damit Stellung bezogen hat. Zitat:

"Sorgen macht sich der Innenminister bezüglich der Wahrnehmung der Einstellung der Österreicher gegenüber Einwanderern, Flüchtlingen und Asylanten in ausländischen Medien. In der Titelgeschichte des ,Economist‘ ... steht, dass Einwanderer in Österreich generell als ,Schmarotzer‘ und als ,Gefahr für die Stabilität‘ wahrgenommen werden."

Strasser sagte weiters: "Was können Politiker dagegen tun? ... Die Worttäter muss man ächten. Das gilt für alle Schichten, für alle Parteien."

Ich möchte das jetzt in Zusammenhang stellen mit der Debatte, die wir heute hier im Haus geführt haben, über die Ordnungsrufe, die die Präsidenten heute erteilt haben. Die FPÖ wurde als "fremdenfeindlich" und "rassistisch" bezeichnet. Ich frage jetzt die Abgeordneten von der ÖVP oder auch die Frau Außenministerin, wie sie das bezeichnen würden, was zum Beispiel Frau Abgeordnete Partik-Pablé über Schwarzafrikaner oder eben Präsident Prinzhorn über Hormone für Ausländer gesagt haben, oder auch das, was im Wiener Wahlkampf passiert ist. Solange es keine tatsächliche Veränderung in der Freiheitlichen Partei gibt, so lange wird uns das Ausland genau mit diesen Sanktionen bedrohen und so lange wird sich auch an der derzeitigen Situation nichts ändern. Das finde ich sehr, sehr bedauerlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber nun zu einem anderen Thema, zur Entwicklungszusammenarbeit. Ich weiß, Frau Außenministerin, dass Sie diesbezüglich auch besonders engagiert sind. Mir liegt aber ein Prüfbericht von der OSZE aus dem Jahr 1998 über Entwicklungszusammenarbeit vor, der aufzeigt, dass Österreich an 16. Stelle der OSZE-Länder und an letzter Stelle der EU-Länder liegt, was die finanziellen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit anlangt. Frau Außenministerin! Sie haben im Dezember auch eine Petition unterstützt, in der gefordert wird, dass die Mittel für die bilaterale Projekt- und Programmhilfe nicht gekürzt, sondern – im Gegenteil – schrittweise erhöht werden. In den nächsten vier Jahren sollen diese Mittel jeweils um 250 Millionen Schilling angehoben werden. Da muss ich jetzt schon sagen, dass trotz aller Bemühungen die Mittel für die bilaterale Hilfe auf 744,5 Millionen Schilling plus die 30 Millionen für die Minenopfer – was selbstverständlich sehr positiv ist, dass diese eingesetzt werden – gekürzt wurden. Wir müssen uns – wenn wir das auch im Gesamtzusammenhang sehen – darüber im Klaren sein, dass wir in


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der internationalen Gebergemeinschaft unseren Auftrag nicht erfüllen, und das seit einigen Jahren.

Das, was über das Jahr 2000 im OSZE-Bericht über Österreichs Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit stehen wird, wird, so denke ich, sehr, sehr bedenklich sein, weil wir sozusagen die 0,22 Prozent, die wir 1998 einbezahlt haben – und das war der niedrigste Beitrag seit 1990 –, noch einmal gekürzt haben.

Ein weiterer Punkt, der sehr stark kritisiert worden ist – das wissen Sie auch –, ist vor allem der Umstand, dass in den letzten Jahren, um zu kaschieren, wie niedrig unsere finanziellen Leistungen in der EZA tatsächlich sind, drei Komponenten in die EZA-Gelder mit eingerechnet wurden, nämlich: die Flüchtlingshilfe in Österreich, die indirekten Studienplatzkosten für Studenten aus Entwicklungsländern und die Ausgaben für Exportkredite. So sehr ich auch zur Budgetkonsolidierung stehe, wir müssen uns trotzdem darüber Gedanken machen, in welcher Form wir internationalen Verpflichtungen nachkommen; Verpflichtungen, die wir eingegangen sind und bezüglich deren Erfüllung wir vom Ausland sehr aufmerksam beobachtet werden.

Es gibt ein zusätzliches Problem: Diese langjährige Krisensituation ist einerseits für die Beamten der Sektion VII sehr belastend. Ich möchte mich an dieser Stelle für die Arbeit, die dort geleistet wird, bedanken. Ich weiß, dass es immer wieder schwierig ist, wenn es zu Umschichtungen der finanziellen Mittel kommen muss. Andererseits haben auch die Nichtregierungsorganisationen große Probleme – das bestätigen alle Geschäftsführer –, wenn sie von Jahr zu Jahr mit Verlusten rechnen müssen. Das bedeutet den Verlust an Glaubwürdigkeit bei qualifizierten Partnern und Personal und an Glaubwürdigkeit vor allem bei den Partnern im Süden.

Wenn diese Kürzungspolitik – ich befürchte das für nächstes Jahr – tatsächlich fortgesetzt wird, dann werden einige dieser Organisationen nicht überleben können. Der Anteil, den diese Organisationen erhielten, sank zwischen 1994 und 1998 von 44,9 Prozent auf 34,2 Prozent, während im gleichen Zeitraum der Anteil der Firmen und kommerziellen Organisationen von 22,4 Prozent auf 30,8 Prozent anstieg. Das heißt, es gibt auch hier eine Umverteilung weg von den NGOs hin zu den Firmen.

Letztendlich muss man sich die Frage stellen: Wollen wir Nichtregierungsorganisationen, wollen wir, dass diese überleben können und dass diese auch ihre qualifizierte Arbeit fortsetzen können? – Das können sie nur, weil dort sehr engagierte Leute arbeiten. Oder sagt man: Wir wollen diese Organisationen nicht! Ich befürchte, dass tatsächlich, so wie auch in anderen Bereichen, wenn ich nur an die Zivildiener denke, ein Angriff auf diese Zivilgesellschaft, die nicht immer bequem ist, erfolgt, dass diese Organisationen, weil sie auch Kritik einbringen, letztendlich auch budgetär bedroht werden.

Wenn ich jetzt nur an die erhöhten Portogebühren für Zeitungen denke, dann muss ich sagen: Auch das ist etwas, was gerade diese Organisationen massiv treffen wird. Wenn gesagt wird: Na ja, für Spenden könnt ihr ja weiterhin Aussendungen machen!, dann muss man doch bedenken, dass alle internationalen Erfahrungen zeigen, dass man nur für Katastrophenfälle oder für arme hungernde Kinder in großem Umfang Spenden sammeln kann, aber nicht für Demokratieentwicklungsprojekte, für Frauenprojekte oder für andere Projekte, die eben nicht unmittelbar die Geber ansprechen.

Ich möchte zum Abschluss, bevor ich einen Entschließungsantrag einbringe, noch sagen, weil immer wieder die Frage auftaucht: Entwicklungszusammenarbeit – brauchen wir das angesichts der Budgetsituation überhaupt? – Für mich ist die Entwicklungszusammenarbeit nur ein kleiner Prozentsatz an Rückerstattung, an Wiedergutmachung dafür, was die Länder des Südens jährlich verlieren eben durch ungerechte Rohstoffpreise, durch ungerechte Welthandelsstrukturen und Verschuldung. Letztendlich tragen diese Länder zum Wohlstand der Industrieländer bei, und deshalb ist es nur recht und billig, dass wir wenigstens unserem Auftrag, nämlich einer guten Entwicklungszusammenarbeit nachkommen. Es geht eben um die Beseitigung der bedrückendsten Armut im Süden und auch um die Verhinderung von Konflikten, Kriegen und Migration.


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Auch das hat Auswirkungen auf die globale Situation und vor allem auch auf die Situation in den Industrieländern, also auch bei uns.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Inge Jäger und Genossen zum Bericht des Budgetausschusses (80 und Zu 80 der Beilagen) über die Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (60 und Zu 60 der Beilagen) betreffend die Absicherung der finanziellen Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit.

Ich habe schon darauf hingewiesen: Das Budgetkapitel "Äußeres" weist gegenüber 1999 eine Einsparung im Bereich Entwicklungszusammenarbeit von 850 Millionen Schilling auf 744,5 Millionen plus 30 Millionen aus. Aber man muss das im Zusammenhang mit dem Budgetvoranschlag 1998 sehen, wo 950 Millionen Schilling veranschlagt waren. Schon vor Jahren haben sich in diesem Haus alle Parteien zu 1 Milliarde Schilling für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit entschlossen. Ich denke, wir müssen von den Zahlen aus 1998 und können nicht von jenen aus 1999 ausgehen. Deshalb bedeutet das eine Kürzung von mehr als 9 Prozent, das bedeutet ein Minus von nicht ganz 200 Millionen Schilling.

"Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Bundesregierung wird ersucht, durch finanzielle Umschichtungen im Budget des Bundesministeriums für Äußeres dafür Sorge zu tragen, dass für das Jahr 2000 die – im Jahr 1998 erreichte – Summe von 950 Millionen Schilling aus dem Budget des Bundesministeriums für Äußeres für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung steht."

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben zur Kenntnis gebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht damit ebenfalls zur Debatte.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte.

19.22

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Bevor ich zur Causa prima komme, darf ich Ihnen gegenüber, Frau Bundesministerin, ein Kompliment aussprechen und auch unsere Wertschätzung ausdrücken. Wie Sie Ihre Arbeit für Österreich machen, ist vorbildhaft, ist professionell. Sie vertreten die Anliegen Österreichs kompetent, engagiert, patriotisch und vor allem charmant! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Bundesministerin! Ich entledige mich auch einer angenehmen Pflicht: Überall in meinem Wahlkreis – das ist der Bezirk Grieskirchen im Hausruckviertel in Oberösterreich – sagen die Leute zu mir: Richte der Bundesministerin aus, wir sind begeistert von ihr, davon, wie sie die


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Anliegen Österreichs vertritt, wie sie auftritt, in welcher Qualität! Ich möchte das hiermit getan haben, sicherlich im Namen der Mehrheit der Bevölkerung aus meinem Wahlkreis. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Bundesministerin! Ich bin überzeugt davon: Genauso engagiert, wie Sie Österreich im Ausland vertreten, vertreten Sie auch die Interessen Ihres Ressorts in der Verwaltung, im diplomatischen Dienst, in der Entwicklungshilfe. Sie vertreten nicht nur die Interessen Österreichs als Präsidentin der OSZE, sondern Sie scheuen auch nicht davor zurück, in Krisengebiete zu reisen – auch angesichts der Gefahr, dass etwas passieren kann –, nach Tschetschenien etwa, um dort für die Menschenrechte, für die Einhaltung der mindesten Rechte der Bürger einzutreten. Auch das ist, so glaube ich, ganz besonders hervorzuheben und verdient auch unsere Hochachtung. Bei Ihnen ist – das kann man konstatieren – die Außenpolitik in besten Händen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte nicht auf die Budgetzahlen eingehen, jeder, der des Lesens willig und des Verstehens mächtig ist, kann sie nachlesen, sondern ich möchte mich kurz, wie angekündigt, zur Causa prima, zu den Sanktionen der EU-14, äußern.

Meine Damen und Herren! Es ist ja unbestritten, alle Zeitungen haben es berichtet: Wir haben Signale bekommen, vor allem aus den Ländern des Nordens, dass die Sanktionen von Österreich erbeten worden sind. "Erbeten"! Ich kann zwar nicht dänisch, aber im "Dänischen Tagblatt" steht: "Østrig bad selv om EU-boykot." Ich nehme an, das kann jeder übersetzen: "Österreich bat selbst um den EU-Boykott."

Meine Damen und Herren! Es werden in diesem Zusammenhang zwei Namen genannt: der Herr Bundespräsident Klestil, aber vor allem auch Altbundeskanzler Klima.

Bundespräsident Dr. Klestil hat wahrscheinlich die beste Exit-Strategie verfolgt, indem er vor dem Europäischen Parlament eine flammende Rede für die Aufhebung der Sanktionen gehalten und Österreichs Interessen glaubwürdig vertreten hat. (Beifall bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren! Ich vermisse das nach wie vor von den Oppositionsparteien, insbesondere von der SPÖ, denn es handelt sich offensichtlich um eine Aktion der vereinten sozialistischen Genossenschaft Europas gegen Österreich.

Wir brauchen ja nur Ihren Parteitag, den Sie vor Kurzem abgehalten haben, zu betrachten. Wen haben Sie eingeladen? Herr Scharping war da, Ministerpräsident Persson war da. Was haben sie gemacht? Sie haben via Medien, in Interviews gesagt: Die Sanktionen bleiben, wir werden sie nicht aufheben! Ganz genüsslich haben Sie diesen Tönen gelauscht, so ist es zumindest mir vorgekommen. Meine Damen und Herren! Wenn Sie Politiker aus Europa einladen, die hier in Österreich – und ich sage, fast unter Missbrauch der Gastfreundschaft – die Sanktionen begründen und darauf hinweisen, dass sie bestehen bleiben sollen, dann wird man dem Herrn Gusenbauer auch nicht abnehmen, dass er seine Fahrten zu den europäischen Bruderländern ernst nimmt.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie sind den Beweis dafür schuldig geblieben, dass Sie es ernst damit meinen, dass die Boykottmaßnahmen gegen Österreich aufgehoben werden sollen. Und Sie wissen ganz genau, dass Sie nicht die Meinung des Volkes vertreten, der Österreicherinnen und Österreicher. Die überwiegende Mehrheit ist für eine sofortige und rasche Aufhebung, weil sie die EU-Sanktionen als sinnlos, als zu nichts führend und als kontraproduktiv ansieht und weil kein Österreicher es verdient hat, von irgendeinem EU-Land sanktioniert zu werden. Mit dem Eintritt der Freiheitlichen in die Regierung hat sich nämlich nur geändert, dass wir bereit sind, die notwendigen Reformen, die sich angestaut haben, auch zu realisieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich erwähne zum Beispiel noch die Schweizer. Die Schweizer werden nicht verdächtigt, sich vor irgendeinen Karren spannen zu lassen. Ich zitiere aus einem Schweizer Wochenblatt – "Der Brückenbauer" heißt es, damit es auch erwähnt ist –, in dem der Nationalrat Claude Frey, der Vizepräsident der Außenpolitischen Kommission, schreibt:


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"Nichts im Regierungsprogramm der neuen österreichischen Regierung spricht gegen die Einhaltung der Menschenrechte. Nicht zu vergessen, dass der neue Bundeskanzler ein Freund der Schweiz ist und einer der wichtigsten Architekten der bilateralen Verträge war. ... Die Haltung der EU in dieser Angelegenheit ist inakzeptabel. Die EU wendet sich vorsätzlich gegen unseren Nachbarn und verletzt die Demokratieregeln schwerwiegend. Nichts rechtfertigt es, eine demokratisch gewählte Regierung vorzuverurteilen."

Dann ist von dieser Zeitung noch eine Umfrage erhoben worden: "Soll ,Bern‘ Bundeskanzler Schüssel empfangen?" Eine Woche später – ich zitiere –: "Letzte Umfrage: Soll ,Bern‘ Bundeskanzler Schüssel empfangen?" – "4 741" Anrufe gingen bei dieser Zeitung ein – das ist doch ein repräsentativer Querschnitt –: "Ja: 89,5 Prozent, Nein: 10,5 Prozent."

Das ist das Ergebnis der Schweiz. Und jetzt wissen natürlich die europäischen Sozialisten genau, dass auch in ihren Ländern die Stimmung eine ganz andere ist, als ihre Regierungen vertreten. Auch dort erkennt die Bevölkerung, dass die Sanktionen der EU gegen Österreich unsinnig, widersinnig, kontraproduktiv sind und dem Gedanken der EU eher schaden. Ich bin überzeugt davon, dass nicht Österreich Schaden auf Grund dieser Sanktionen erleiden wird, sondern – wenn nicht bald eine Exit-Strategie gefunden wird – die EU-14 selbst den größten Imageschaden davontragen werden. Österreich ist ein Land, das die Werte der Europäischen Union, was Toleranz anlangt, was Menschenfreundlichkeit anlangt, hoch schätzt. Ausrutscher da und dort gibt es in jedem Land, aber ein ganzes Land in Geiselhaft zu nehmen, das ist unerhört und das gehört beendet, meine Damen und Herren!

Bekennen Sie sich dazu, und machen Sie nicht ein neues Reisebüro auf, das da heißt: Gusenbauer-VernaderungsreisenGesmbH, das Sie vielleicht mit einer Tupolev oder einer Iljuschin (Abg. Schieder: Das ist unerhört!) wahrscheinlich nach Havanna oder Moskau bringt (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), wo Sie noch Bodenproben nehmen, und dann zurückfliegt über Phnom Penh und Managua. (Abg. Schieder: Schämen Sie sich!)  – Regen Sie sich nicht auf! Schämen Sie sich dafür, wie Sie Österreich im Ausland vertreten und wie Sie Österreich im Ausland verteidigen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie können sich schämen! Schämen Sie sich oder kommen Sie hier heraus und bekennen Sie ganz offen: Wir sind für eine Aufhebung der EU-Sanktionen! Das habe ich von Ihnen noch nicht gehört, niemand hat das gehört. Sie führen hier einen Eiertanz auf und denken etwas ganz anderes. Ostern ist vorbei, beenden Sie auch Ihren Eiertanz! Geben Sie ein klares Bekenntnis zu Österreich ab, gehen Sie hierher an das Rednerpult und sagen Sie: Die EU-Sanktionen gehören aufgehoben, sie sind ungerechtfertigt! Macht Schluss damit, wir haben einen Irrweg beschritten, liebe Genossen in Europa! Kehrt um und kommt wieder zu den europäischen Ideen zurück! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Großruck! Dass Sie eine Partei als "VernaderungsGesmbH" bezeichnen, veranlasst mich dazu – da ich das Protokoll noch nicht vorliegen habe und daher den genauen Wortlaut nicht sagen kann –, darauf aufmerksam zu machen, dass das meiner Meinung nach nicht die richtige Ausdrucksform zu sein scheint und dass ich nach Studium des Protokolls darüber entscheiden werde, ob ein Ordnungsruf zu erteilen ist oder nicht.

Ich bitte jetzt die nächste Rednerin, Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger, um Ihre Ausführungen. – Bitte.

19.33

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vorredner hat ja wieder einmal mit besonderer Präzision aufgezeigt, was diese Budgetdebatte heute schon, was aber die letzten Wochen und Monate insgesamt prägt: die Großkeule der Sanktionendiskussion (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Herr Voggenhuber hat damit angefangen!), mit der jede politische Debatte über Außenpolitik, über das Budget, über die derzeitige Sozialpolitik, über Maßnahmen in der Verkehrspolitik erschlagen werden soll. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Kennen Sie den Herrn Voggenhuber? Fassen Sie sich an der eigenen Nase!) Genau dieser Ver


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such wird ununterbrochen und permanent gestartet. Genau das ist der Punkt! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Kennen Sie den Herrn Voggenhuber? Äußern Sie sich zu dieser Schmutzkampagne! Kehren Sie einmal vor der eigenen Tür!)

Jetzt wollen wir uns einmal ganz kurz mit dem Kapitel "Außenpolitik" beschäftigen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )  – Auf diese Analyse komme ich noch zu sprechen, da werden Sie noch einiges zu hören bekommen.

Ich möchte aber damit beginnen, zu sagen – was nie deutlich genug gemacht werden kann –, wie die derzeitige Strategie aussieht. Die Strategie vor allem der Freiheitlichen, aber auch der Österreichischen Volkspartei schaut ja folgendermaßen aus: Sobald in der Europäischen Union auch nur die geringsten Anzeichen dafür auftreten, dass eine ernsthafte Diskussion über das Problem mit Österreich, aber insgesamt über das Problem des Rassismus in Europa stattfinden soll, kontert Haider sofort, und zwar unmittelbar wenige Tage danach, mit einer Anzahl an Beleidigungen gegen alle verfügbaren Staatsoberhäupter, die ihm eben im Eifer des Bierzeltgefechtes gerade einfallen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie machen sich doch lächerlich!) Ist das Zufall?

Die Volkspartei – die Freiheitlichen weniger; die wollen das ja gar nicht (Abg. Dr. Partik-Pablé: Gott sei Dank, dass Sie wissen, was wir wollen!)  – legt unendlich viel Wert darauf, dass es ein gemeinsames Vorgehen in Sachen Maßnahmen der EU-14 geben soll. In diesem rhetorischen Theater (Abg. Dr. Partik-Pablé: So bezeichnen Sie das Parlament!? Als "Theater"!?), das hier seit Monaten und Wochen entfesselt wird, geht man aber keinen einzigen kleinen Schritt darauf zu, was die Oppositionsparteien zu Recht einmahnen. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Für die Grünen ist alles Theater!) Es gibt eine europäische Debatte zu diesem Thema, die viel tiefer geht und viel tiefer zielt, als es manche, sich durch oberflächliche Schimpfkanonaden auszeichnende FPÖ-Politiker wahrhaben wollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Zeigen Sie auf den Kollegen Pilz!)

Es ist Ihnen nicht ernst damit – das werfe ich Ihnen hiermit vor –, dass es eine gemeinsame Aktion der österreichischen Parlamentarier geben soll, denn sonst hätten Sie auch einmal eine Debatte über die Anträge der anderen zugelassen, sonst hätten Sie sich auch einmal angesehen, in welchen Punkten man sich einigen kann. Aber Ihre Forderung war ja so einfach, dass Sie nur mehr banal genannt werden kann, so einfach, dass sie eben in rhetorischen Biertischdiskussionen gut rüberkommt: Die sollen gefälligst genau das Gleiche verlangen wie wir, dann passt das schon!

Dann hätten wir aber ein großes Problem. Nehmen wir einmal an, es gäbe einen gemeinsamen Antrag der Sozialdemokraten, der Volkspartei, der Freiheitlichen und der Grünen zum Thema Maßnahmen der EU-14 in Europa. Ich schließe jede Wette ab, dass es schon eine Woche später, vielleicht auch nur drei Tage später, eine Äußerung des Ex- und jetzt heimlichen Parteiobmannes der Freiheitlichen gäbe, die wiederum die Sanktionsdebatte in Europa aufleben ließe, indem er blindwütig alles beleidigen würde, was sich in Europa bewegt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Genau das ist Ihre Strategie, das ist Ihre Taktik! Wenn Sie nicht einmal zu Gesprächen über den Inhalt eines Antrages, der auch Anliegen der Oppositionsparteien enthält, bereit sind, dann können Sie mir auch nicht erklären, dass es Ihnen auch nur in Ansätzen ernst mit Ihrem Wunsch ist. Das ist nur eine banale rhetorische Floskel, die Sie immer wieder herunterbeten. Die Medien berichten, dass die derzeitige Budgetdebatte von der Debatte über die EU-Sanktionen überlagert wird. – Diese haben Sie herbeigeführt! Sie haben immer wieder die Debatte über dieses Thema begonnen. (Abg. Dr. Petrovic: Wer hat denn "Lump" gesagt? – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.  – Abg. Dr. Petrovic: Reden Sie einmal mit dem Kabas!)

Jetzt, zum Thema "Außenpolitik", ist diese Debatte auch angesagt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Denken Sie lieber daran, was der Herr Voggenhuber gesagt hat!) Es gibt schließlich – das werden Sie zur Kenntnis nehmen müssen – in Europa und auch in Österreich eine ernsthafte Auseinandersetzung, sie war in allen Staaten überfällig und in einigen Staaten ganz besonders; eine


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Auseinandersetzung mit Rassismus, mit Xenophobie, mit den Problemen, die Europa auch mit seiner Einigung hat, die Europa damit hat, dass es zu einem Ganzen zusammenwachsen soll und gleichzeitig sehen muss, dass Nationalismen in der Bevölkerung aufkeimen.

Es gibt ganz klare Aussagen zu diesem Thema, ich darf Ihnen eine vorlesen. Da heißt es: "Haider ist ein faschistischer Denker auf der Suche nach der politischen Revolution." Diese Aussage gibt es. Ich kann auch sagen, von wem sie ist. Sie kommt von Herrn Klubobmann Khol, Montag, 18. Dezember 1995, im "Electronic Telegraph" im Internet nachzulesen. Gilt diese Analyse jetzt noch, oder gilt sie nicht mehr?

Das ist eine völlig klare Aussage, und mit diesem Bild müssen wir uns auseinander setzen, ob Sie wollen oder nicht. Das sind die entscheidenden Fragen! (Beifall bei den Grünen.)

Ein weiteres Problem, das ich unbedingt ansprechen will, ist die ständige und gezielte Verwechslung der Maßnahmen der EU-14 mit den so genannten Sanktionen der EU. Mit dieser banalen, billigen Verkürzung will man doch nur Stimmung machen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Verstehen Sie eigentlich irgendetwas von Außenpolitik?) Mit dieser banalen, billigen Verkürzung verwechselt man die Dinge, und die EU-Kommission hat sich selbst davon distanziert und hat das auch klargestellt. Sie wollen und dürfen es nicht zur Kenntnis nehmen, denn sonst ginge Ihnen ja das rhetorische Futter aus, mit dem Sie das zudecken wollen, was an innerösterreichischer Debatte auf Grund Ihres Regierungshandelns derzeit los ist. Genau das ist der Punkt! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Der Herr Voggenhuber geht mit dem Benzinkanister herum! Reden Sie einmal über den Herrn Voggenhuber!)

Eine weitere Frage habe ich noch an Sie zu stellen, nämlich die Frage, wie das jetzt mit den Sanktionen wirklich ist. Die Beliebigkeit, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen und zum Teil auch von der Volkspartei, die in dieser Frage herrscht, halte ich schon bald nicht mehr aus. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Einmal sind die Sanktionen ein Wahnsinn für den Tourismus, und der gesamte Tourismus bricht zusammen, einen Tag später sind die Sanktionen gar nicht vorhanden, ganz im Gegenteil, es kommen mehr Belgier als jemals zuvor.

Das Gleiche bei den Schulen: Einmal heißt es: Unsere armen Jugendlichen haben massive Probleme beim Schüleraustausch! Dann gibt es eine Anfragebeantwortung der Frau Gehrer, in der es heißt: Eine Klasse – und zwar wenige Tage nach der Regierungsbildung – hat Probleme gehabt.

Ich fordere von Ihnen eines: Klarheit in dem, was Sie sagen: entweder – oder! Entweder haben die Sanktionen schädliche Auswirkungen, oder sie haben sie nicht. Aber je nachdem, ob man sich gerade am Biertisch oder unter Wahrheitspflicht befindet, das jeweilige Gegenteil zu behaupten, halte ich schön langsam, aber sicher für so einen billigen Schmäh, von dem ich aber hoffe, dass sich die Bevölkerung mit der Zeit und schrittweise doch distanziert. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Sie können nur schwarz-weiß malen!)

Zum Abschluss. Es wäre so einfach, und ich würde es auch der Frau Ministerin wünschen, denn sie hat es ja wirklich mehr als schwer, mit fünf Messern im Rücken in Europa herumzusausen ... (Abg. Dr. Martin Graf: Die hauen Sie ihr hinein! – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Das sind ja furchtbare Vergleiche! Was ist das für eine Ausdrucksweise?)  – Diese Messer sind doch von den Freiheitlichen geworfen! Schauen wir uns doch all die Haider-Aussagen an, das ist ja ganz offensichtlich und ganz klar: Das ist der Ex-Parteiobmann und heimliche Obmann Ihrer Partei! (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Das ist ja unglaublich! Ungeheuerlich! Schämen Sie sich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie glauben, hier durch Lautstärke inhaltliche Präzision wettmachen zu können, was Ihnen aber auf Grund Ihrer Kapazitäten nicht gelingen wird. Laut ist nicht gut, Herr Kollege! Das werden Sie auch noch lernen müssen.

Es wäre so einfach gewesen – und damit schließe ich –, eine klare Distanzierung der Freiheitlichen von bestimmten Aussagen aus der Vergangenheit (Abg. Dr. Martin Graf: Distanzieren Sie sich!), eine klare Akzeptierung der Tatsache, dass man die Verbrechen des Faschismus in diesem Europa heute und in dieser politischen Situation heute nicht leugnen kann, hätten uns Azo


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renhochs oder irgendwelche sonstigen Wetterveränderungen schon längst bescheren können. Wenn aber ein Wiener Parteitag damit zu Ende geht, dass man ankündigt (Abg. Dr. Martin Graf: Also Sie waren nicht dort! Ich habe Sie gar nicht gesehen! Wo waren Sie denn?) , wieder mit der Dampfwalze, mit einer Werbedampfwalze gegen alles, was nicht den Stammbaum bis ins siebzehnte Glied in Österreich nachweisen kann, loszubrechen (Abg. Dr. Martin Graf: Das stimmt ja gar nicht! Wo haben Sie denn das her? Das ist ja unrichtig!), dann bestätigt man die europäischen Partner in ihrer negativen Einschätzung dessen, was die Zukunft der freiheitlichen Politik sein wird. Und das tut mir als Österreicherin mehr als weh. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Sie sind nach Wien gelobt worden! Sie sind aus Tirol weggelobt worden!)

Ich wäre gern bereit dazu, im Ausland pro-österreichische Politik zu machen. Kommen Sie einmal einen Schritt auf die anderen zu! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Jung: Eine echte Lehrerin!)

19.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Wir haben keine "Dampfwalze", wir haben Sportwagen!)

19.45

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Oswald Spengler hat in den zwanziger Jahren sein berühmtes Buch "Der Untergang des Abendlandes" veröffentlicht. Dieses Werk steht ganz im Zeichen der Katastrophe des Ersten Weltkrieges und ist vom absoluten Zukunftspessimismus jener Tage geprägt. Wenn man heute die Ausführungen mancher Oppositionsredner aufmerksam verfolgt hat, dann musste man den Eindruck gewinnen, dass durch die Bildung der neuen Bundesregierung schon wieder der Untergang des Abendlandes bevorsteht.

SPÖ und Grüne haben die außenpolitische Lage Österreichs in den düstersten Farben beschrieben. Aber so wie Oswald Spengler irrte, als er den Untergang Europas vorhergesagt hat, so irren auch Sie. Diese Bundesregierung ist handlungsfähig. Sie ist eine mutige Reformregierung und hat die Erneuerung Österreichs so rasch wie möglich in Angriff genommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Sanktionen der Europäischen Union, der Partnerländer, wie sie auch genannt werden, sind – und man mag das drehen und wenden, wie man will – ein beispielloser Eingriff in das demokratische Leben und das Selbstverständnis unseres Landes. Österreich kann nicht akzeptieren, dass sich Leute wie ein Herr Moscovici aus Paris oder der Herr Michel unwidersprochen in die inneren Angelegenheiten unseres Landes einmischen, wie das eine Regierungsbildung in Österreich zweifellos ist.

In der Bevölkerung – und das wissen Sie – gibt es absolut kein Verständnis für die Quarantänemaßnahmen ausländischer Regierungen. Die Menschen in unserem Land wissen, dass bei der Verhängung der Sanktionen der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit eklatant verletzt worden ist, wie er in Artikel VI des EU-Vertrages für die gesamte Union formuliert ist. Dass die Beschlüsse gegen einen Mitgliedstaat gefasst werden, ohne diesen überhaupt nur angehört zu haben, verstößt gegen jede rechtsstaatliche Tradition.

Andreas Unterberger hat in einem sehr bemerkenswerten Kommentar in der "Presse" die Lage analysiert. Unter dem Titel "Heuchler aller Länder" schreibt er – und ich zitiere ihn wörtlich –:

"Die Europameisterschaft an Heuchelei hat wieder Großkampftage. Da macht etwa Portugals Premier Guterres deutlich, daß es nicht auf irgendwelche Untaten der Wiener Regierung ankommt, sondern nur darauf, daß die FPÖ aus dieser ausscheidet. Daß dann die SPÖ zurück an die Macht kommen muß und daß er selbst zufällig Präsident der Sozialistischen Internationale ist, das verschweigt Guterres schamhaft. ..."

Dann schreibt Unterberger weiter: "Noch mehr vergessen muß Thomas Klestil, wenn er nun auf Reisen geht. Aber auch das wird Klestil nicht mehr zu Glaubwürdigkeit verhelfen, nachdem


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nachgewiesen worden ist, daß er sich die Sanktionen gegen Österreich möglichst rasch und möglichst öffentlich erbeten hat. Mit einem Wunsch ,möglichst gar nicht‘ ist Klestil hingegen in keiner Staatskanzlei zitiert worden. ...

Und Heuchelei begeht auch der SPÖ-Außenpolitiker Schieder, wenn er zu bestimmten Boykottmaßnahmen meint, daß sie dem europäischen Geist nicht entsprechen. Offenbar ist dies bei anderen Boykottmaßnahmen also sehr wohl der Fall.

Heuchelei – der neue europäische ,Wert‘." – Zitatende.

So weit also Andreas Unterberger in der "Presse" vom 8. März dieses Jahres. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich teile die Einschätzung Unterbergers, denn es ist ein Beweis einer beispiellosen Doppelmoral, wenn etwa ein Diktator wie Fidel Castro oder der neue Kreml-Chef und Ex-KGB-Mann Wladimir Putin von westlichen Politikern wie Schröder oder Blair geradezu hofiert werden, österreichische Demokraten aber sozusagen als Gefahr für Europa ausgegrenzt werden.

Man darf sich nicht wundern, dass die Diffamierung Österreichs auch bei internationalen Tagungen fortgesetzt wird; Kollege Jung hat ein Beispiel schon genannt. So hat beim IPU-Kongress in Amman in der vergangenen Woche ein sozialistischer Abgeordneter aus Dänemark sein Grußwort dazu missbraucht, um Österreich als rassistisch und fremdenfeindlich zu verunglimpfen. Der Leiter der österreichischen Delegation, Herr Abgeordneter Schieder, hat leider keine Anstalten gemacht, unser Land und seine Bevölkerung zu verteidigen. Er ist verspätet im Plenarsaal erschienen, nachdem Kollege Jung, aber dankenswerterweise auch Herr Präsident Fasslabend und ich den Dänen empört zur Rede gestellt haben.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Was wir bei Ihnen vermissen, das ist jener Patriotismus, wie er in Italien selbstverständlich ist. Als der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder Sanktionen der EU-Partnerstaaten angedroht hat, falls es nach den nächsten Wahlen in Italien eine Mitte-Rechts-Koalition geben sollte, brach in Italien ein Sturm der Entrüstung los. Alle Parteien, auch die linken, verurteilten die Einmischung Schröders in die inneren Angelegenheiten Italiens auf das Schärfste. (Abg. Dr. Martin Graf: Zu Recht!) Bei Ihnen vermissen wir diesen Schulterschluss. Ihnen geht offenbar das Parteiinteresse vor. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Die Staatsinteressen, die Interessen unserer Bevölkerung sind für Sie offenbar zweitrangig.

Hohes Haus! In dieser außenpolitischen Debatte möchte ich mich aber nicht nur mit dem Verhältnis Österreichs zu den EU-Staaten auseinander setzen, sondern auch mit zwei Nachbarstaaten, nämlich Slowenien und Tschechien.

Beide Staaten sind nach dem Zusammenbruch des realen Sozialismus demokratische Staatswesen geworden und wollen in die EU aufgenommen werden. In beiden Staaten gelten aber noch Gesetze, die mit Demokratie, die mit Menschenrechten oder Minderheitenrechten absolut unvereinbar sind. Ich meine die tschechischen Beneš-Dekrete und die ehemaligen jugoslawischen AVNOJ-Beschlüsse.

Von tschechischen und slowenischen Politikern wird immer wieder beteuert, diese rassistischen und diskriminierenden Vertreibungs- und Enteignungsgesetze, die auch ein Freibrief für Mord und Totschlag waren, seien nicht mehr in Kraft. Tatsache ist aber, dass die Beneš-Dekrete, die die Sudetendeutschen für vogelfrei erklärten, noch immer Rechtsbestand der tschechischen Verfassung und Rechtsprechung sind. Auch das slowenische Gegenstück dazu, die AVNOJ-Beschlüsse, wirken bis heute nach.

Während der kroatische Verfassungsgerichtshof in vorbildlicher Weise bestimmte diskriminierende Bestimmungen neulich aufgehoben hat, stellt sich Laibach noch immer taub. Nicht einmal das lange vorbereitete österreichisch-slowenische Kulturabkommen ist bis heute unterzeichnet worden. Es scheiterte bisher am slowenischen Widerstand und an der Hoffnung, dass man auch


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ohne dieses Kulturabkommen über die Runden komme. Und dabei ist noch gar nicht die Rede von der Gleichstellung der deutschen Minderheit in Slowenien mit der italienischen und ungarischen Minorität, die ganz selbstverständlich verfassungsrechtliche Minderheitenrechte besitzen.

Ich möchte diese Gelegenheit auch wahrnehmen, um Ihnen, Frau Bundesminister, wirklich aufrichtig zu danken, dass Sie im Zuge Ihres Besuches in Slowenien eine Delegation unserer Landsleute empfangen und damit ein deutliches Signal gesetzt haben, dass Österreich auf diese Minderheit Rücksicht nimmt und das eine Minderheit ist, die nicht vergessen wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber auch in Tschechien stehen führende Politiker in einer langen anti-österreichischen Tradition, und ich meine jetzt nicht Václav Havel, der bei einem Besuch in der Bundesrepublik Deutschland gesagt hat, wie nachzulesen ist, dass es über die Beneš-Dekrete keine Verhandlungen mehr geben kann. Aber wenn man die Äußerungen Zemans oder Kavans zu den Beneš-Dekreten hört oder auch nachliest, dann wird man doch hin und wieder an Jan Palacký und dessen feindselige Rolle gegen Österreich am Beginn dieses Jahrhunderts erinnert. Von gutnachbarlichen Beziehungen kann man deshalb wohl kaum sprechen. Wenn Prag die bilateralen Gespräche über die Beneš-Dekrete so einfach aussetzt, dann ist das ein unfreundlicher Akt, den das Außenamt nicht euphemistisch verbrämen sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich selbst hatte im vergangenen Jahr die Gelegenheit, den tschechischen Außenminister bei einer Tagung der CEI auf das aktuelle Problem der Beneš-Dekrete im Plenum anzusprechen. Herr Kavan hat sehr nervös reagiert und gemeint, immer wieder störten die Österreicher solche Konferenzen. Die Frage der Sudetendeutschen, so der tschechische Außenminister, sei mit der Bundesrepublik Deutschland längst geklärt. Die deutsch-tschechische Erklärung, meine Damen und Herren, darf aber kein Präjudiz für Österreich sein. Auch in Österreich leben Heimatvertriebene, die zum Aufbau dieser Republik sehr viel beigetragen haben und deren berechtigte Interessen die neue österreichische Regierung bemüht wahrnimmt und ehrlich verteidigt.

Übrigens: Frau Bundesratspräsidentin Haselbach, die sozialdemokratische Delegationsleiterin, war damals etwas peinlich berührt, als ich als Österreicher in Prag die Beneš-Dekrete angesprochen habe. Deshalb wundert mich auch die Anfrage von Herrn Abgeordneten Dietachmayr, der jetzt plötzlich die AVNOJ-Beschlüsse und die Beneš-Dekrete als sozialdemokratisches Aufgabengebiet zu entdecken scheint. (Abg. Dietachmayr: Na geh, da waren Sie noch gar nicht hier im Haus, habe ich mich schon damit beschäftigt!)

Ich freue mich ja, dass Sie uns unterstützen, aber da bleibt schon die Frage offen: Was haben Sie in der Zeit Ihrer Regierungstätigkeit diesbezüglich gemacht? Was haben Sie beigetragen, dass diese offenen Probleme, die bilateralen Probleme wirklich gelöst worden sind? – Da hat es wenig Fortschritte gegeben. (Abg. Dietachmayr: Da waren Sie noch gar nicht herinnen, habe ich mich schon mit diesen Themen beschäftigt! Das können Sie nachlesen! Erkundigen Sie sich zuerst einmal, bevor Sie Kritik üben!)

Herr Kollege! Aber offenbar haben Sie sich sehr erfolglos bemüht oder damit beschäftigt, denn Fortschritte in dieser Frage haben Sie nicht erzielt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Martin Graf: Der größte Beschwichtigungshofrat aller Zeiten!)

Ich hoffe aber – und damit komme ich schon zum Schluss –, dass Sie von der Sozialdemokratischen Partei auch im Ausland und vor allem auch innerhalb der Sozialistischen Internationale mithelfen, endlich klarzumachen, dass diese menschenrechtswidrigen Gesetze außer Kraft gesetzt und die Folgen der Unrechtsgesetzgebung sowohl in Tschechien als auch in Slowenien beseitigt werden müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Keine Ahnung!)

19.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte. (Abg. Jung: Reden Sie dazu! Kommen Sie!)


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19.57

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte auch gern zu dem alles überschattenden Thema der EU-Sanktionen Stellung nehmen.

Ein Bild, das heute gezeichnet wurde, gefällt mir sehr gut, und zwar dass die Frau Ministerin den Fuß in der Tür hat und von der anderen Seite zugedrückt wird, nämlich von der FPÖ-Seite. Ich denke, das muss ganz schön schmerzhaft sein: Man versucht, die Türe einen Spalt aufzukriegen, und sie wird immer wieder zugedrückt. Es scheint so zu sein, dass die FPÖ einfach nicht verstehen will, dass sie und ihre Haltung die Ursache für die Reaktionen im Ausland sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Weil der Gusenbauer an der Tür hängt!)

Es ist aber auch die Haltung der ÖVP, die sich quasi in Geiselhaft der FPÖ befindet. Wir haben das am Wochenende bei den Mauthausen-Gedenkveranstaltungen festgestellt: Es war von der ÖVP praktisch kaum jemand anwesend. So sehr werden Sie schon von der FPÖ in Geiselhaft genommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Jessas, das ist aber wirklich ein Blödsinn!)

Frau Abgeordnete Gatterer – sie ist jetzt leider nicht hier – hat gesagt, dass sie die Volksbefragung für sinnvoll hält, für ein Mittel der Demokratie. Da sagt der Verfassungsexperte und frühere Nationalratspräsident Heinrich Neisser etwas ganz anderes. Er findet, dass mit so einer Volksbefragung die Stimmung in Europa nur weiter angeheizt wird, und außerdem hat er Bedenken, dass das Instrument der Volksbefragung durch solche No-na-Fragen, wie er das nennt, entwertet wird. (Abg. Dr. Graf: Für Sie ist es keine No-na!-Frage, denn Sie stimmen eh nicht zu ...! Dann können Sie ja eh zustimmen!) Die Frage ist ja wirklich, was Sie damit bewirken wollen. Aber diese Antwort müssen Sie offensichtlich selbst noch suchen, aber zuerst einmal drohen Sie.

So ist das also jetzt: Stillstand, Einbunkern, der eine macht die Tür auf, der andere macht sie zu. So geht es dahin. Das sind die Trotz- und Angst-Reaktionen der Regierungsparteien im In- und im Ausland. (Abg. Dr. Martin Graf: Wir haben vor dem ... keine Angst!) Und das Problem ist, dass die FPÖ ganz besonders viel Angst hat. Sie hat Angst vor den Ausländern, ganz besonders vor Nigerianern und Osteuropäern. (Abg. Dr. Martin Graf: Wir haben vor der Bevölkerung keine Angst!) Sie hat Angst vor (Abg. Dr. Partik-Pablé: Vor Drogendealern! Vor Drogendealern!) Hormonen, vor TBC zum Beispiel. Sie hat Angst vor Künstlern, und sie hat Angst vor beißenden Hunden, wie wir immer wieder hören. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir wollen keine Drogendealer haben!)

Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass eine solche Anzahl von Phobien der Gesundheit schadet, dass das vielleicht nicht sehr günstig ist.

Ich möchte aber noch einen anderen Punkt der Außenpolitik anschneiden. Wie Sie alle wissen, hat Österreich den Vorsitz in der OSZE übernommen, und in diesem Zusammenhang hat es auch eine Erhöhung des Budgets gegeben. 46,4 Millionen Schilling werden für Konferenzen, Veranstaltungen, Informationsarbeit und dergleichen zur Verfügung gestellt, 118,6 Millionen Schilling für die Bedeckung der Pflichtbeiträge zur OSZE, für zusätzliche Großmissionen, für Kleinprojekte, für Personalkosten und dergleichen. Und 8,1 Millionen Schilling dienen der Unterbringung der OSZE-Institutionen in Wien.

Das ist viel Geld für eine wichtige Organisation, die für die Sicherheit und für die Zusammenarbeit in Europa arbeitet, also ein sehr gut angelegtes Geld. Dennoch ist immer wieder leise und auch laute Kritik an der österreichischen Vorsitzführung zu hören, besonders was den Konflikt in Tschetschenien betrifft.

Es hat bereits der ehemalige Außenminister Schüssel und dann auch der Nationalrat festgestellt – diese Resolution wurde einstimmig beschlossen –, dass es wichtig ist, diesen Konflikt in Tschetschenien erstrangig zu bearbeiten.


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Die Fragen, die sich jetzt stellen, sind folgende: Kann man unter der österreichischen Vorsitzführung von irgendeinem Erfolg im Zusammenhang mit Tschetschenien sprechen? Wie schauen die Strategien der österreichischen Regierung aus, beziehungsweise ist ihre Handlungsfähigkeit überhaupt gegeben? Reicht die stille Diplomatie, die oft allzu stille Diplomatie, aus, oder sollten doch manchmal klare Worte gesprochen, klare Konzepte vorgelegt und vielleicht auch Forderungen gestellt werden?

Andere Länder und andere Organisationen sehen hier absoluten Handlungsbedarf. Wenn man sich die Chronologie ein bisschen anschaut, dann sieht man, dass der deutsche Außenminister Joschka Fischer bereits im Februar eine sofortige und gründliche Untersuchung dieser Vorfälle in Tschetschenien und auch den freien Zugang für die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, gefordert hat. Dieser freie Zugang sollte nicht nur Teile Tschetscheniens, sondern auch die Stadt Grosny und die so genannten Filtrationslager beinhalten.

Im März hat die EU erklärt, dass eine Untersuchung mit internationalen Beobachtern unbedingt notwendig sei. In dieselbe Kerbe schlugen dann Deutschlands Bundeskanzler Gerhard Schröder und Mary Robinson selbst, die äußerst erschüttert war über Berichte von Hinrichtungen im Schnellverfahren, von Einschüchterungen, Vergewaltigungen, anderen Verletzungen, Angriffen auf Zivilistenkonvois und dergleichen.

Auch sie hat einen konstruktiven Vorschlag gemacht, und zwar fordert sie eine Expertenkommission, die aus unabhängigen Juristen bestehen soll, aus Vertretern nichtstaatlicher Organisationen sowie Mitarbeitern der Zivil- und Militärstaatsanwaltschaft. Auch Generalsekretär Kofi Annan, die EU, Amnesty International und auch die Organisation "Human Rights" sind dafür eingetreten.

Erst Ende April wurde von Seiten der österreichischen Vorsitzführung eine Untersuchungskommission gefordert. Das war ziemlich spät, das war so spät, dass Kritik an der Vorsitzführung kundgetan wurde, und zwar vor allem von der renommierten Tageszeitung "Le Monde", die die Frage aufwirft, ob die OSZE unter dieser zaghaften Führung zu einem Feigenblatt für die Verbrechen in Tschetschenien werden könnte. Und ich möchte aus dieser Ausgabe von "Le Monde" vom 17. April zitieren:

Unter den zahlreichen, von den russischen Behörden in ihren Zonen in Tschetschenien organisierten Besuchen war jener der OSZE derjenige, bei dem der Aspekt der potemkinschen Dörfer am meisten zugespitzt war. In dem Artikel, der den Titel "Die wenig glorreichen Rückkehrprojekte der OSZE nach Tschetschenien" wird dann daran erinnert, dass Russlands Präsident Wladimir Putin ein Treffen mit der UNO-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson verweigert und abgelehnt hatte, während die Frau Außenministerin mit Prunk empfangen worden sei.

Die Zeitung "Le Monde" schreibt weiter: Im Gegensatz zu Mary Robinson hat Frau Ferrero-Waldner weder die angeordnete Gewalt gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien noch die Weigerung, ihr gewisse Gefangenenlager zu zeigen, verurteilt.

Ich denke, das ist schon ein sehr schwerwiegender Vorwurf.


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Frau Abgeordnete! Da die Signalanlage hier offensichtlich nicht funktioniert, mache ich Sie darauf aufmerksam, dass Ihre freiwillige Redezeit jetzt zu Ende wäre.

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (fortsetzend): "Le Monde" kommt also zu dem Schluss, dass die OSZE unter einem vorsichtigen, zu vorsichtigen, zu zaghaften Vorsitz riskiert, die Rolle eines Feigenblattes zu bekommen. Und ich frage mich, ob hier nicht etwas geändert werden sollte, und ich frage mich weiters, ob diese Möglichkeit für Sie, Frau Ministerin, überhaupt besteht, da Sie ja von Regierungsseite nicht immer jene Unterstützung bekommen, die Sie brauchen würden. Wie man sieht, werden auch in anderen Bereichen, vor allem im sozialen Bereich, vor allem dort, wo es um die Schwachen geht, sehr massive Budgetkürzungen vorgenommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

20.06

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Die öffentliche Diskussion und die Diskussion in diesem Hause sind ja in den letzten Wochen, Tagen, Stunden ganz stark auf die für mich nicht nachvollziehbaren Sanktionen der EU-14 konzentriert.

Meine Damen und Herren! Als überzeugter Europäerin liegt mir sehr viel daran, dass diese Sanktionen ehestmöglich aufgehoben werden. Ich bin aber trotzdem der Ansicht, dass es für uns hier sehr wichtig ist, darüber den Blick auf die ärmsten Länder der Welt nicht zu verlieren – und diese liegen nicht in Europa.

Die österreichische und die europäische Außenpolitik sollten nie aus den Augen verlieren, dass uns die Dritte Welt im Zeitalter der Globalisierung so nahe gerückt ist wie nie zuvor. Die Auswirkungen von Kriegen und Naturkatastrophen, deren Bilder uns gerade in der jüngsten Vergangenheit erschüttert haben, und die daraus resultierenden Flüchtlingsströme, die globalen Auswirkungen von Umweltzerstörungen, die auch enorme volkswirtschaftliche Schäden verursachen, gehen uns alle an. Bewaffnete Auseinandersetzungen erzeugen nicht nur größtes menschliches Leid, sie werfen auch die Entwicklung ganzer Länder um Jahre zurück und kosten ein Vielfaches der Entwicklungshilfebudgets.

Wir bekommen Kriege und Umweltzerstörung aber nur dann in den Griff, wenn wir dem Fortschreiten der Armut mit Überzeugung entgegentreten. Das erfordert ein Nachdenken darüber, wie man den Menschen in der Dritten Welt nachhaltig helfen kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch in der derzeitigen Phase einer notwendigen Budgetkonsolidierung widmet diese Bundesregierung, allen voran unsere Bundesministerin Benita Ferrero-Waldner mit ihrem überdurchschnittlich motivierten Team in der Sektion, der Entwicklungspolitik großes Augenmerk. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Trotz unseres Bekenntnisses zur ausgabenseitigen Sanierung dieses Budgets hat dies seinen Niederschlag in der Dotierung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit gefunden. Mit den veranschlagten zirka 775 Millionen Schilling bleiben die dennoch bedauerlichen Budgetkürzungen bei der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit in einem vertretbaren Rahmen.

Meine Damen und Herren! Herr Edlinger hat noch vor wenigen Monaten in seinem Sparerlass eine 20-prozentige Kürzung vorgesehen. Jetzt liegen die Mittel knapp 10 Prozent unter dem Budget des Vorjahres. Dies war nur durch massive Sparmaßnahmen in anderen Bereichen des Außenministeriums möglich, wie etwa minus 30 Prozent bei der Erhaltung von Botschaftsgebäuden.

Diese politische Ausrichtung des Budgets wurde von unserer Außenministerin ganz bewusst getroffen, um damit die Solidarität der österreichischen Bundesregierung mit den ärmsten Ländern der Welt auszudrücken.

Hinweisen möchte ich noch darauf, dass in diesen Zahlen Österreichs Beiträge an multilaterale Organisationen wie die EU oder internationale Finanzinstitute wie die Weltbank nicht enthalten sind.

Dies darf und soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die angesprochenen Mittelumschichtungen nicht jederzeit und beliebig wiederholbar sind. Trotzdem darf der Betrag von 775 Millionen Schilling für die EZA nicht unterschritten werden. Im Gegenteil: Die Budgetmilliarde für die EZA sollte wieder erreicht werden, aber dazu ist eine nachhaltige Budgetsanierung notwendig.


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Der kürzlich veröffentliche Prüfbericht des DAC, den auch Frau Abgeordnete Jäger bereits angesprochen hat, stellt der österreichischen Entwicklungspolitik insgesamt ein recht gutes Zeugnis aus. Die Leistungen der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit Österreichs im Jahre 1998 weisen 5,6 Milliarden Schilling oder 0,22 Prozent des Bruttosozialproduktes aus und liegen damit knapp unter dem DAC-Durchschnitt.

Einigen der Empfehlungen des DAC, an deren kontinuierlicher Umsetzung diese Regierung arbeiten wird, wurde bereits im Regierungsprogramm Rechnung getragen. So werden wir noch in dieser Legislaturperiode ein EZA-Gesetz verabschieden, das die Ziele und Rahmenbedingungen der österreichischen Entwicklungspolitik für konkretes Handeln umfasst. Dabei wird die Armutsbekämpfung durch die Förderung der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung noch stärker zu betonen sein als bisher. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bildung und Ausbildung, die Achtung der Menschenrechte, Demokratieförderung und gute Regierungsführung, die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen am Entwicklungsprozess und der Umweltschutz sollen als weitere Schwerpunkte festgeschrieben werden. Das EZA-Gesetz wird auch eine Neugestaltung und Aufwertung des Beirates für Entwicklungspolitik enthalten, wie es im Bericht des Unterausschusses der OECD gefordert wurde.

Ganz entschieden muss ich die Vorwürfe von VertreterInnen der Opposition in Bezug auf die österreichischen Nicht-Regierungsorganisationen zurückweisen, denen im DAC-Bericht zu Recht ein gutes Zeugnis ausgestellt wird. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den NGOs ganz herzlich dafür bedanken, dass sie in der Vergangenheit – und hoffentlich auch in Zukunft – so engagiert mit der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit kooperiert haben. Ich weiß, dass die Rahmenbedingungen nicht immer ganz einfach sind und hoffe, dass sie mit der gleichen Hartnäckigkeit weiter mit uns zusammenarbeiten werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich weise also die Vorwürfe, dass die NGOs durch die Verlagerung der EZA auf zwischenstaatliche Ebene handlungsunfähig und – wie kürzlich bei einer Podiumsdiskussion wörtlich geäußert – "mundtot" gemacht werden sollen, auf das Schärfste zurück.


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22. Sitzung / Seite 162

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Frau Abgeordnete! Ich mache nur darauf aufmerksam, dass die freiwillige Restredezeit 1 Minute beträgt.

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (fortsetzend): Genau das Gegenteil ist der Fall: Die NGOs sind weiterhin ein unverzichtbarer Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit. Wir werden sie sogar noch weiter aufwerten, etwa dadurch, dass wir Spenden an gemeinnützige Vereine steuerlich absetzbar machen oder für Mitarbeiter in freiwilligen Rettungs- und Hilfsorganisationen eine Unfall-, Kranken- und Lebensversicherung schaffen.

Vor allem um finanzielle Härten für die NGOs zu vermeiden, bleibt der begünstigte Postzeitungsversand vorerst aufrecht. Gemeinnützige Vereine haben nur eine geringfügige Tariferhöhung von 15 Prozent zu tragen, dieser begünstigte Tarif gilt auch weiterhin für Sondernummern einer Zeitung zum Zwecke der Spendensammlung.

Frau Lunacek ist leider nicht im Saal. Ich kann nicht verstehen, dass in Ihrer vorherigen Aussage EZA-Maßnahmen in den ärmsten Ländern der Welt gegen die wichtigen Informations- und Bildungsmaßnahmen in Österreich ausgespielt werden. Gute Entwicklungszusammenarbeit beginnt selbstverständlich bei der Bewusstseinsbildung im Land, hier in Österreich. Beide Ansätze sind aufeinander bezogen. Entwicklungszusammenarbeit hat mit globalen Fragen zu tun und erfordert eine weltweite Partnerschaft.

Kriege, Armut und Umweltzerstörung auf anderen Kontinenten betreffen uns ökologisch und ökonomisch stärker als noch vor wenigen Jahrzehnten. Die Welt ist kleiner geworden. Wir sollten deshalb intensiver über den Tellerrand hinausblicken und die Lösung der Probleme der Dritten Welt auch in diesem Hause als eine zentrale Herausforderung sehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

20.15

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Als Mitglied des Umweltausschusses möchte ich mich mit Ihren Aussagen betreffend Atomkraftwerk Krško beschäftigen, mit denen Sie es geschafft haben, 20 Jahre Arbeit an konsequenter österreichischer Anti-Atompolitik zu torpedieren.

Jedenfalls war es im höchsten Maße unprofessionell, den Beschlüssen der österreichischen Bundesregierung, insbesondere dem Anti-Atompakt vom Juli 1999, den sowohl die damalige Bundesregierung als auch im Anschluss daran alle Parteien dieses Hauses beschlossen haben, zu widersprechen. Sie haben bei Ihrem Arbeitsbesuch am 5. April in Laibach gemeint, Österreich habe nie verlangt, dass das Kernkraftwerk Krško vorzeitig zu schließen sei, und Sie haben gesagt, dass die Frage der Sicherheit der Atomkraftwerke nicht mehr so brisant sei.

Frau Bundesministerin! Sie sind aus diesem Grund nicht nur von der Opposition – der SPÖ und den Grünen – sowie von den österreichischen Medien sofort heftig kritisiert worden, sondern auch von Ihrem Regierungspartner FPÖ. Und sowohl die steirische Landeshauptfrau Klasnic, eine Parteifreundin von Ihnen, als auch der Kärntner Landeshauptmann haben Sie darauf hingewiesen, dass Österreich einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Betrieb von Krško und eine besondere Berücksichtigung der Sicherheit von Atomkraftwerken in den Beitrittsverhandlungen mit Slowenien einzufordern hat. Das Atomkraftwerk Krško liegt nur 100 Kilometer südlich von Graz und ist 60 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt. Es befindet sich, wie wir wissen, in einem seismisch aktiven, erdbebengefährdeten Gebiet. Um die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung zu gewährleisten, kann letztlich nur eine Schließung in Frage kommen.

Ich fordere Sie daher auf, sehr geehrte Frau Bundesministerin: Stehen Sie zu den Beschlüssen des Anti-Atompaktes von 1999, zu den Beschlüssen der Bundesregierung, zu den Beschlüssen der Landesregierungen und der Landtage und zu Ihrem eigenen blau-schwarzen Arbeitspakt! Liebe Frau Ministerin! Das ist Ihre verfassungsmäßige Pflicht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dies gilt aber auch für Frau Kollegin Gatterer von der Österreichischen Volkspartei, die im Rahmen der Behandlung des außenpolitischen Kapitels im Budgetausschuss gemeint hat – ich zitiere –, die Schließung von Krško dürfe keine Beitrittsbedingung für Slowenien sein. Daher stellt sich schon die Frage: Wollen Sie die österreichische Anti-Atompolitik aufweichen? Will sich diese Regierung von einem slowenischen Außenminister erpressen lassen, der von Österreich die Garantie einfordert, dem EU-Beitritt seines Landes nicht im Wege zu stehen?

Sehr geehrte Damen und Herren dieses Hauses! Am Dienstag, den 9. Mai, also gestern, fand im Salzburger Landtag ein Erfahrungsaustausch von Delegationen aus neun Landtagen zur Verhinderung grenznaher Atomkraftwerke statt. Dieser Erfahrungsaustausch gipfelte in einer Abschlusserklärung, in der sich alle Fraktionen der Landtage weiterhin massiv für die Beibehaltung der Anti-Atompolitik einsetzen. Österreich soll sich weiterhin für ein atomkraftwerkfreies Europa einsetzen und muss die Errichtung beziehungsweise die Inbetriebnahme von Atomkraftwerken und sonstiger kerntechnischer Anlagen auch in Zukunft entschieden ablehnen. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Sehr geehrte Damen und Herren! Alle Fraktionen der Landtage – ich betone dies, auch Ihre Fraktion! – sind sich einig darüber, dass die Überzeugung Österreichs in adäquater Weise auf europäischer Ebene einzubringen ist, und die blau-schwarze Regierung spricht von der Unterstützung und Umrüstung dieser problematischen Atomkraftwerke!

Ich stelle hier die Frage: Wie wird denn diese Unterstützung im Konkreten aussehen? Ist diese Unterstützung nur ein Schulterklopfen, verbunden mit den besten Wünschen? Oder gibt es auch eine finanzielle Unterstützung betreffend die Ausstiegsszenarien aus der Atomenergie? Kommt eine Anti-Atomsteuer für unsere Bevölkerung, oder schafft der Herr Finanzminister den Spagat,


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22. Sitzung / Seite 163

von dem 20-Milliarden-Geschenkpaket für Unternehmer und Landwirte noch einen Teil abzuzweigen?

Verehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es sind also Fragen über Fragen offen, auf die die blau-schwarze Bundesregierung keine Antwort weiß, Fragen, die die Menschen in unserem Land aber bewegen und auf die sie mit Recht eine Antwort einfordern.

Die SPÖ wird aber in jedem Fall einen maximalen Schutz der österreichischen Bevölkerung im Hinblick auf eine maximale Sicherheit der östlichen Atomkraftwerke im Rahmen der Beitrittsverhandlungen einfordern. (Beifall bei der SPÖ.)

20.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte.

20.22

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wenn man die heutige Debatte verfolgt hat, so kann man sagen: Sie hat sich ja nahezu wie ein Wunschkonzert der Opposition angehört: All das, was sie über Jahrzehnte hinweg versäumt hat, soll, so verlangt sie, jetzt von der Bundesregierung, von der fortschrittlichen Bundesregierung in 100 Tagen erledigt werden. Auf Wunder, meine Damen und Herren, müssen Sie noch etwas warten! Das Unmögliche, das Sie uns auf Grund Ihrer Untätigkeit hinterlassen haben, erledigen wir sowieso! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nun zu einem Thema, Frau Bundesministerin, das heute noch nicht angesprochen worden ist: Es muss dem österreichischen Nationalrat ein Anliegen sein, trotz großer Fortschritte in der Südtirol-Politik dem südlichen Landesteil Tirols stete Aufmerksamkeit zu widmen. Ich bin in dieser Frage eins mit Herrn Dr. Khol. Es ist ja so, dass die immer währende Schutzmachtfunktion Österreichs gegenüber Südtirol Tatsache ist und immer wieder unterstrichen gehört, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte als ein Detailproblem die Toponomastik herausgreifen: Wir wissen, dass das ein schwieriges Thema ist, aber es ist nach wie vor ungelöst, denn die faschistischen Tolomei-Diktate und -Dekrete aus den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben ja einiges an Menschenverachtung und sonstigen Völkerrechtsverletzungen angerichtet.

Es ist daher höchste Zeit, meine Damen und Herren, in dieser Frage der Toponomastik im Sinne der Südtiroler deutscher und ladinischer Zunge eine Lösung zu erreichen. Auch die österreichische Diplomatie ist hier natürlich weiterhin am Zug.

Meine Damen und Herren! Es ist heute schon sehr oft das Hohelied auf die Außenministerin gesungen worden. Ich glaube, es ist festzuhalten, dass Sie, Frau Bundesministerin, in der letzten Zeit wirklich politische Schwerarbeit geleistet haben, die sich zweifelsohne sehen lassen kann. Auch die Hochachtung unsererseits soll unterstrichen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich nenne als Stichwort nur Tschetschenien: Während andere, sonst sehr forsch auftretende Staaten gerade in Sachen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien sehr leise auftreten, hat die österreichische Außenministerin hier als Eisbrecherin gewirkt, um im Gespräch schrittweise und sensibel zu Lösungen für die Menschen dort, die es wahrlich notwendig haben, zu kommen.

Leider hat es bei diesem wichtigen Thema keine besondere Unterstützung seitens der Opposition gegeben. Meine Damen und Herren, ich bedauere dies, und wir wissen, dass die Union in dieser Frage ohnedies nur leisetreterisch unterwegs ist. Das ist bedauerlich. Eine besonders unrühmliche Rolle spielt hiebei der bundesdeutsche Außenminister Joseph "Joschka" Fischer, welcher mit seinem französischen Kollegen die Tauchstation als Aufenthaltsort benutzt, um ja nicht mit Putin und so weiter ins Gespräch treten zu müssen und sich dabei womöglich wirtschaftliche Vorteile zu vermauern.


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Meine Damen und Herren! Bei den Menschenrechten gehört zuerst an die Menschen gedacht! Das fordern wir auch von den restlichen Staaten der Union ein, insbesondere aus der Position heraus, dass durch die Außenministerin von Seiten Österreichs diesbezüglich wirklich hervorragende Arbeit geleistet wurde. Sie verdient sich diese Unterstützung seitens der Union! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum wiederholten Male seien die Sanktionen angesprochen. Sie werden uns nicht daran hindern, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihr Doppelspiel, das Sie da betreiben, herauszuarbeiten. Die Österreicher haben das schon durchschaut. Sie können noch so viele Nebelgranaten werfen, um hier, sage ich einmal, die Sichtweise zu verdünnen; das wird Ihnen aber nicht gelingen. Das ist deshalb notwendig, um die schmähliche Rolle aufzuzeigen, die Sie allenthalben und quer durch den Kontinent gespielt haben.

Meine Damen und Herren! Es ist ein Faktum: Die SPÖ hat via Sozialistische Internationale das eigene Land im Ausland angeschwärzt – mit Unterstützung der Grünen. Sie waren jene, die den Stein ins Rollen gebracht haben! Das ist Faktum und Tatsache! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Jetzt aber, da Ihnen von Rot und Grün die Dinge entgleiten, versuchen Sie, das Ganze zu zerreden.

Ihre hektische Reisetätigkeit, die Sie alle an den Tag legen, Ihre Fahrten zu Ihren Bundesgenossen nach Berlin, Paris, Brüssel und sonst wohin beweisen ja das schlechte Gewissen der Genossen.

Meine Damen und Herren! Sie haben ein schlechtes Gewissen, denn Sie haben die Geschichte ins Rollen gebracht. Dann aber sind Sie plötzlich hellhörig geworden – die österreichische Bevölkerung will das nicht! –, haben versucht, guten Wind zu machen, aber da sind Sie natürlich wieder nach Hause geschickt worden. Das ist doch klar, denn man hat dort gesagt: Zuerst anzünden und dann plötzlich wieder das Gegenteil verlangen, das wird mit uns nicht gespielt! Wir haben ja doch auch innenpolitische Interessen in Frankreich oder in Portugal und auch sonst wo, um die Geschichte dann doch weiter als Ablenkungsmanöver dort zu gebrauchen.

Regelmäßig zündeln Sie weiter und werden dann von Moskovici und von Scharping und Genossen mit dem Befehl nach Hause geschickt, weiterhin Öl ins Feuer zu gießen. Herr Dr. Gusenbauer hat das ja wieder bewiesen: Er ist pausenlos unterwegs, um Öl ins Feuer zu gießen, meine Damen und Herren!

Der politische Bandeltanz, den Sie heute wieder aufgeführt haben, hat bewiesen, dass Sie sich wieder in Ihrem eigenen Kreuzspinnennetz gefangen haben. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. ) Sie kommen da nicht mehr heraus, und deshalb haben Sie Schwierigkeiten. Das weiß die österreichische Bevölkerung, und daher fürchten Sie von der SPÖ und den Grünen eine Volksbefragung wie der Teufel das Weihwasser!

Es ist in diesem Zusammenhang ganz interessant, einen Blick in das Buch "Konkurs einer Kaste" von Klaus Emmerich zu werfen, ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Sie haben noch 1 Minute Restredezeit.

Abgeordneter Helmut Haigermoser (fortsetzend): ... der sagt: "Stimmvieh und andere Störenfriede".– Wir sagen: Die Bürger sind kein Stimmvieh! Wir werden sie daher fragen, wenn alle anderen Vorläufe nicht abgehakt sind. Wir werden den Schulterschluss mit dem Bürger suchen, wenn Sie nicht dazu bereit sind, meine Damen und Herren!

Ich darf Ihnen zu guter Letzt noch (Zwischenruf der Abg. Silhavy )  – ich halte mich hier nicht an das Motto "Schlag nach bei Shakespeare", sondern ich schlage bei Goethe nach – zwei kurze Passagen aus dem "Zauberlehrling" vorlesen: (Abg. Ing. Westenthaler: Zauberlehrling!)

"O, du Ausgeburt der Hölle! Soll das ganze Haus ersaufen? Seh ich über jede Schwelle doch schon Wasserströme laufen. Ein verruchter Besen, der nicht hören will! Stock, der du gewesen, steh doch wieder still!" (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Nun kommt die zweite Passage: "Und sie laufen! Naß und nässer wird’s im Saal und auf den Stufen: Welch entsetzliches Gewässer! Herr und Meister, hör mich rufen! – Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los."

Meine Damen und Herren! Sie werden die Geister nicht mehr los, die Sie gerufen haben (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), aber die Geister werden Ihnen die Bürger austreiben! Dabei haben wir jedenfalls Recht, indem wir den Schulterschluss mit den Österreichern suchen. (Abg. Ing. Westenthaler: Walle! Walle!) Wir brauchen Sie dazu nicht, meine Damen und Herren insbesondere von jener Partei, die vermeint, die Demokratie gepachtet zu haben, aber zu den Anarchisten die besten Verbindungen hat, nämlich den Grünen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Cap! Walle! Walle!)

20.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

20.30

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Außenministerin! Auf Grund dessen, dass ich nur noch 1 Minute Redezeit habe, habe ich leider keine Zeit, um auf die Polemik des Kollegen Haigermoser einzugehen (Abg. Ing. Westenthaler: Das war keine Polemik! Seit wann ist Goethe polemisch?), sondern ich will zu einem sachlichen Punkt kommen, nämlich zu einem Entschließungsantrag, bei dem es, was mich sehr freut, möglich war, die Unterstützung aller vier Parteien in diesem Haus im Vorfeld der Besprechungen zu bekommen, und zwar geht es um die Westsahara, die vor 25 Jahren von Marokko völkerrechtswidrig besetzt wurde. Ich denke, das ist den meisten von Ihnen bekannt.

Seit Jahren wird versucht, unter UNO-Ägide eine Volksabstimmung in die Wege zu leiten. Dieser Versuch stockt seit Jahren hinsichtlich der Festlegung der Zahl der Stimmberechtigten; vor allem von Seiten Marokkos gibt es da immer wieder Probleme, da man noch mehr Stimmberechtigte haben will. Vor kurzem hat UNO-Generalsekretär Kofi Annan einen neuen Versuch gestartet und hat James Baker beauftragt ... (Abg. Haigermoser: Jetzt ist der Goethe posthum Polemiker! Lassen Sie den alten Geheimrat in Ruhe!)  – Herr Kollege Haigermoser! Wollen Sie mir zuhören? Ich rede nicht zu Ihrer Polemik, sondern zu unserem Entschließungsantrag.

Kofi Annan hat James Baker damit beauftragt, am 14. Mai in London neuerlich beide Konfliktparteien, nämlich die Polisario und Marokko, an einen Tisch zu holen. (Abg. Dr. Khol: Die Minute ist schon um!)

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Lunacek, Jäger, Mag. Hakl, Dr. Martin Graf betreffend Friedensprozess in der Westsahara

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht,

1. gemeinsam mit ihren Partnern in der Europäischen Union den Generalsekretär der Vereinten Nationen und seine Vermittlungsbemühungen für die am 14. Mai 2000 in London angesetzten Gespräche unter der Leitung von James Baker mit Nachdruck zu unterstützen, um die Abhaltung eines Referendums entsprechend dem Plan der Vereinten Nationen zu ermöglichen;

2. an beide Konfliktparteien zu appellieren, ihrerseits aktiv zu einem Erfolg der Vermittlungsbemühungen durch die Vereinten Nationen beizutragen."

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.31


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte.

20.32

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Als letztem Redner meiner Fraktion gestatten Sie mir zu versuchen, die Debatten des heutigen Tages in einem größeren Kontext zu sehen.

Aus meiner Kindheit ist mir eine Äsopsche Fabel in Erinnerung, die ich damals nicht verstand und die mein Rechtsempfinden äußerst irritierte:

Ein Wolf und ein Lamm trinken nebeneinander aus einem Bach. Der Wolf sagt: Du hast durch dein Mittrinken mein Trinkwasser verschmutzt; zur Strafe werde ich dich fressen. Das Lamm antwortet: Aber ich habe doch unterhalb von dir aus dem Bach getrunken, konnte also dein Wasser gar nicht verschmutzt haben. Darauf der Wolf: Das interessiert mich nicht – und frisst das Lamm.

Heute, 60 Jahre später, nach der Aktion der 14 Staats- und Regierungschefs, ist mir die Aussage der Fabel klar geworden: Macht geht vor Recht. Mehr noch: Macht möchte sich manifestieren. Hiezu ist der Schwächere, der Wehrlose, stets ein geeignetes Objekt (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), auch um durch die Verfolgung des unschuldigen Wehrlosen, durch den Aufbau eines künstlichen Feindbildes von der Fragwürdigkeit der eigenen Macht abzulenken. Diese freudsche Projektionneue Rechtschreibung , Hohes Haus, zieht sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte.

Fakten interessieren den Wolf nicht; und dass der Wehrlose dem Mächtigen oft moralisch weit überlegen ist, verstärkt nur das Vorurteil des Mächtigen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Huber und Öllinger. )

Lassen Sie mich einen unverdächtigen Zeugen anführen – Helmut Zilk –, der vor wenigen Tagen in einem Massenblatt einen langen Artikel geschrieben hat (der Redner hält die Kopie eines Zeitungsartikels in die Höhe), in dem er penibel auflistet, was Österreich in den letzten 55 Jahren weit mehr als alle anderen Nachbarstaaten an Ausländerfreundlichkeit im Inland und im Ausland geleistet hat.

Und lassen Sie mich noch hinzufügen, worauf auch Andreas Khol schon eingangs hingewiesen hat: Kaum ein anderes Land hat strengere anti-nationalsozialistische Gesetze und hat diese auch exekutiert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Damit komme ich unmittelbar zum Budgetkapitel Äußeres: Jede derartige Manifestation von Macht ist nämlich Ausdruck ihrer Schwäche. Dass Frankreich, das seine bisherige Hegemonie in Europa durch die bevorstehende EU-Erweiterung ernstlich bedroht sah, in einem Kleinstaat der EU einen willkommenen Prügelknaben fand, hat dem Gedanken der europäischen Einigung schweren Schaden zugefügt.

Hohes Haus! Börsennotierungen sind ein Seismograph. Ich bin wie Bernhard Felderer überzeugt davon, dass das Sinken des Euro-Kurses zumindest teilweise auch darin seine Ursache findet, dass das Vertrauen der Weltwirtschaft in ein starkes und einiges Europa durch die Aktion der 14 massiv verschlechtert wurde (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), und ein schwacher Euro kann nicht ohne direkte und indirekte Auswirkung auf Österreichs Wirtschaft, auf unser Sozialprodukt und damit auch auf das Bundesbudget bleiben.

Hut ab vor den Leistungen der Beamten und Mitarbeiter des Außenministeriums, die oft bis an die Grenze des persönlich Zumutbaren bei starker personeller Unterbesetzung in vielen Abteilungen – ich weiß das aus eigener Erfahrung – für Österreich arbeiten. (Zwischenruf der Abg.


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Silhavy. ) Wenn diese Sanktionen bleiben sollten, wird das nicht ohne Auswirkung auf die personelle Dotierung des Außenamtes bleiben können.

Hohes Haus! Vor diesem Hintergrund wäre es lächerlich, die Erschütterung der europäischen Einigungsbestrebungen auf frühere Äußerungen eines heutigen Landeshauptmannes zurückzuführen und ein allfälliges gemeinsames Auftreten aller vier im Nationalrat vertretenen Parteien auf diesen Äußerungen aufbauen zu wollen. Ich füge durchaus an die Adresse der eigenen Partei gerichtet hinzu: Auch wir sollten darauf verzichten, im Rahmen solcher Manifestationen das besagte Stockholmer Abendessen weiter zu hinterfragen. (Abg. Dr. Khol: Das wirklich nicht!)

Hohes Haus! Es geht um weit mehr als um Österreichs nationale Interessen. Österreich ist zum Testfall für Europa geworden. Es dürfte bekannt sein, dass ich seit vielen Jahren in Wort und Schrift für die Einigung Europas kämpfe. Diese Generation erlebt nicht mehr und nicht weniger als den Versuch einer Verwirklichung des tausendjährigen Traumes vom Reich, der Verwirklichung einer Friedensordnung für ganz Europa – ohne Gewalt und ohne einen einzelnen Usurpator, sondern auf friedlichem Weg und auf Basis der Gleichrangigkeit aller Mitgliedstaaten.

Hohes Haus! Als einfaches Mitglied des Außenpolitischen Ausschusses möchte ich mir erlauben, die von Abgeordnetem Spindelegger ausgesprochene und von der Frau Bundesministerin wiederholte Einladung ebenfalls zu wiederholen, und zwar durch gemeinsame Manifestationen unserer Verantwortung für Europa gerecht zu werden, aber auf Wegen, die der Würde und der Selbstachtung des österreichischen Volkes entsprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ein Wort noch an die Opposition: Meine Damen und Herren von der Opposition! Gerade wenn Sie, wie Sie vielfach betont haben, der Meinung sind, der Fortbestand der Sanktionen liege nur im Interesse der Regierungsparteien, dann müsste es Ihnen umso leichter fallen, an einer Beendigung der Sanktionen konstruktiv mitzuwirken! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Präsident! Falls ich noch 1 Minute Redezeit habe, erlauben Sie mir, diesem Abend durch Anführung einer wahren Anekdote einen versöhnlicheren Ausgang zu geben. Das ist eine Anekdote, die der Vorstand der Wiener Philharmoniker, Clemens Hellsberg, vor kurzem im privaten Kreis erzählt hat, eine wahre Anekdote:

Während des Ersten Weltkriegs, 1916/17, wurde beschlossen, eine Friedensmission zu unternehmen, initiiert vom damaligen Außenministerium, wobei die Wiener Philharmoniker auf eine Tournee in die Schweiz geschickt wurden. Die Friedensmission blieb nicht ohne unschöne Zwischentöne. Der Auftakt erfolgte in Zürich und verlief programmgemäß – die Musiker wurden von Publikum und Presse lebhaft akklamiert. Es folgten Bern, Luzern und Lausanne. Der nächste Tag holte aber die Beteiligten auf den Boden der Realität zurück: Wegen deutsch- und österreichfeindlicher Kundgebungen untersagte der Stadtrat von Genf, von drei Seiten von französischem Territorium eingeschlossen, das dort für den 7. Juli vorgesehene Konzert der Philharmoniker, und das Orchester gab stattdessen eine außerplanmäßige Vorstellung in Bern.

Und nun kommt es: Am 9. Juli störten in Neuchâtel drei Belgier zu Beginn durch Pfiffe. Sie wurden aber vom demonstrativen Applaus des peinlich entrüsteten Publikums übertrumpft und anschließend durch (ab hier ahmt der Redner Schweizerdeutsch nach) die Sanitätsbehörden "disziplinarisch mit zehn Tagen Arrest bestraft".

Ich bewundere den Weitblick jener drei Belgier, dass sie damals schon vorausahnend gewusst haben, dass man für eine spätere Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei vorüben muss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fischl. – Bitte.

20.40

Abgeordneter Harald Fischl (Freiheitliche): Herr Präsident! Verehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Bruckmann! Ich muss Ihnen ein Kompliment für


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22. Sitzung / Seite 168

Ihren hochphilosophischen Vortrag machen! Ich will mich aber eigentlich davon unterscheiden: Ich will nicht so hochphilosophisch agieren, denn ich glaube, dass viele der Zuhörer, vor allem links von mir gesehen, wahrscheinlich nicht den Geist haben, zu erkennen, was hinter Ihren philosophischen Ansätzen steht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Für den Bruckmann hat es aber gereicht!)

Lassen Sie mich das ein bisschen näher erörtern! – Herr Kollege Schieder! Meine Meinung Ihre Person betreffend war eigentlich bis zum heutigen Tage relativ hoch angesiedelt. Herr Kollege Schieder! (Abg. Schieder: Sie brauchen uns gar nicht anzureden! Wenn Sie uns alle so beleidigen, brauchen Sie uns nicht anzureden!)

Herr Kollege Schieder! (Abg. Schieder: Sparen Sie sich Ihre Bemerkungen! Sie haben keinen Stil! Sie haben keine Höflichkeit! Schämen Sie sich!) Herr Kollege Schieder, ich glaube Ihnen nicht! Wenn Sie hier stehen und – versucht intellektuell – sagen, es müsste eigentlich darum gehen, sich gewisse Sorgen darüber zu machen, was in Österreich vorgeht, und das mit der internationalen Isolierung Österreichs in Europa in Verbindung bringen, und wenn Sie sagen, dass sich der Österreicher Gedanken darüber macht, dass man mehr Sensibilität im Umgang mit dem öffentlichen Interesse Österreichs oder dem Interesse der Österreicher an den Tag legen soll, dann muss ich Ihnen sagen: Sie können ruhig hier von der Bank herunterschreien, aber ich glaube Ihnen nicht! Der Großteil dessen, was Sie sagen und was hier von den Menschen links von mir heute gesagt wurde, war nichts als die Unwahrheit. Wider besseren Wissens werden hier von Ihnen permanent Feststellungen getroffen, in denen Sie – ob es nun um Wirtschaftsfragen geht, ob es um Budgetfragen geht, ob es um außenpolitische Handlungsweisen geht – das Gegenteil von dem behaupten, was in Wirklichkeit die Realität ist.

Wider besseren Wissens stellt sich ein Finanzminister hin und sagt, er habe punktgenau ein Budget vorbereitet, obwohl man weiß und damals schon wusste, dass die europäischen Verantwortlichen, die sich über unser Budget Gedanken gemacht haben, obwohl ... (Abg. Schieder: Sie reden über den Geist der anderen und können nicht einmal den richtigen Fall zum Wort "wider" verwenden!)

Herr Kollege Schieder! Durch das Auf- und Abhüpfen hier auf den Reihen wird auch nichts besser! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich glaube, Sie hätten heute die Möglichkeit gehabt, als außenpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten Klarheit zu schaffen in der wichtigen, vitalen Frage Österreichs: der Frage des nationalen Konsenses (Abg. Gaál: Nehmen Sie sich zurück! – Abg. Schieder: Sie nehmen sich viel zu wichtig!) aller betroffenen Personen, aller hier anwesenden Abgeordneten! Kollege Schieder! Mit kasperlmäßigem Auf- und Abhüpfen von der einen Bank auf die andere aber werden Sie niemanden vom Hocker reißen! (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist aber gut für den Blutdruck!)

Ich möchte noch einmal zurückkommen auf das geringe Maß an Sensibilität. (Abg. Dr. Mertel: Das ist das Wort, das Sie brauchen! Das passt zu Ihnen!) Ich glaube – und da werde ich jetzt vielleicht ein bisschen philosophisch –, dass die Sozialdemokraten sich permanent daran gerieren, sozusagen den Farbstoff zu produzieren, der das schlechte österreichische Bild mitzeichnet, und dass diese Sozialdemokraten hier herinnen stehen und die höhere Moral predigen (Abg.


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Edlinger: Das andere sind die Karawanken-Urlaute!), uns als Rassisten, Faschisten und was weiß ich alles bezeichnen, Herr Kollege Schieder, das ist eines außenpolitischen Sprechers Ihres Kalibers einfach nicht würdig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann auch nicht verstehen, warum Sie das mittragen. Ich will es auch gar nicht mehr verstehen, obwohl ich es am Anfang versucht habe.

Herr Kollege Schieder! Wenn Ihr nunmehriger Parteivorsitzender Gusenbauer durch halb Europa zieht und den Farbstoff mitbringt (Abg. Dietachmayr: ... Realitätsverweigerung!), damit dieses österreichische Bild noch dunkler gezeichnet wird, und sich dann aber hinstellt und groß seine Meinung verkündet dazu, wie wir uns künftighin in Österreich verhalten sollten – ob es um den Aktionsplan oder um andere Fragen geht –, dann handelt er wider besseres Wissen, und das möchte ich Ihnen sagen. Ich glaube Ihnen nicht. Ich will Ihnen nicht mehr glauben. (Abg. Edlinger: Das ist uns Wurscht, ob Sie uns glauben!) Ich habe auch den Glauben verloren an Politiker, die sich hier herstellen (Abg. Edlinger: Das ist eine Ehre, wenn mir der nicht glaubt!) und in der Regel ständig Wasser predigen und Wein trinken, Herr Kollege Schieder.

Geschätzte Damen und Herren! Wenn sozialdemokratische Politiker sich hier herstellen und wider besseres Wissen sagen, durch die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen sei die österreichische Börse im Wackeln und stürzen die Kurse ein, und wenn sozialdemokratische und grüne Abgeordnete sich hier herstellen und behaupten, der Tourismus in Österreich erleide massiven Schaden, und wenn hier, Herr Kollege Schieder, permanent Unwahrheiten gesagt werden, wie wollen Sie dann von einem Menschen wie mir erwarten, dass ich hier besonders viel für Sie übrig habe? (Abg. Edlinger: Wir erwarten von Ihnen gar nichts!) Wie wollen Sie erwarten, dass man Sie selbst mit Respekt behandelt (Abg. Edlinger: Sie gehören zu denen, von denen wir nichts erwarten!), wenn Sie nicht einmal die Grundlagen des Respekts anwenden wollen, Herr Kollege Schieder? (Abg. Edlinger: Nichts erwarten wir von Ihnen, Herr Fischl!)

Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! (Abg. Edlinger: Das ist die Voraussetzung dafür, dass man bei der FPÖ ist, dass man nichts erwartet!) Gewissermaßen hat die nunmehrige Regierung zwei Hypotheken geerbt: Die eine Hypothek ist die Tatsache, dass man uns Staatsschulden in der Höhe von 1 700 Milliarden Schilling und mehr hinterlassen hat, dass wir nunmehr kranke Kassen haben, dass in unserem Land trotz der großartigen Verdienste in der Sozialpolitik mehr als eine Million Menschen an der Armutsgrenze leben.

Die zweite Hypothek ist für mich eine immaterielle Hypothek: Das ist jene Hypothek, an der wir lange werden arbeiten müssen, weil eben durch diesen Fact-Building-Tourismus – so möchte ich ihn bezeichnen – von Herrn Kollegen Gusenbauer in Wirklichkeit immaterieller Schaden angerichtet wird, an dem wir noch jahrelang zu arbeiten haben werden, an dem vielleicht auch andere Generationen noch werden arbeiten müssen.

Ich denke, es sollte Schluss sein. Ich denke, es wäre besser – um das auch zur grünen Fraktionen zu sagen –, wenn man sich einmal um ein bemerkenswertes Detail Gedanken machen würde: Sie fordern heute einen nationalen Schulterschluss in der Frage der Bewohner der Westsahara. Frau Kollegin! Fordern Sie einen nationalen Schulterschluss in der Frage Österreichs, und hier einen vernünftigen! – Ich danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Da ich nicht mit Sicherheit sagen kann, ob ich bereits festgestellt habe, dass der von Frau Abgeordneter Lunacek eingebrachte Entschließungsantrag ordnungsgemäß eingebracht wurde, tue ich das hiermit.

Weiters stelle ich fest, dass nun niemand mehr zu Wort gemeldet und damit die Debatte geschlossen ist.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beratungsgruppe III des Bundesvoranschlages für das Jahr 2000. Diese umfasst das Kapitel 20 des Bundesvoranschlages in 60 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 80 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über die bei der Verhandlung der Beratungsgruppe III des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsanträge sogleich vorzunehmen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Lunacek und Genossen betreffend Schuldenerlass für Mosambik und Madagaskar.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
22. Sitzung / Seite 170

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Jäger und Genossen betreffend die Absicherung der finanziellen Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Lunacek, Inge Jäger, Mag. Hakl, Dr. Martin Graf und Genossen betreffend Friedensprozess in der Westsahara.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 9.)

Die Tagesordnung ist nunmehr erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 147/A bis 150/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 730/J bis 749/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 11. Mai 2000, 9 Uhr, mit folgender Tagesordnung ein:

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (60 und Zu 60 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (80 und Zu 80 der Beilagen).

Zur Beratung kommen die Beratungsgruppe IX: Wirtschaft und Arbeit und die Beratungsgruppe XII: Militärische Angelegenheiten. – In dieser Sitzung findet keine Fragestunde statt.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 20.50 Uhr