Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 32. Sitzung / Seite 29

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Meine Damen und Herren! Die Diskussion darüber ist von heute an eröffnet. Es geht um das Projekt "europäische Verfassungsreform", es geht darum, die Sanktionen der EU-14, die ungerechtfertigt sind, endgültig wegzubekommen, und es geht uns um ein friedliches, vereintes, neues und großes Europa. Gehen wir alle gemeinsam diesen Weg! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer Stellungnahme zum Gegenstand der Aktuellen Stunde gelangt der Herr Bundeskanzler zu Wort. Die Redezeit soll gleichfalls 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

9.15

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Der europäische Gipfel in Feira war ein Zwischengipfel mit relativ wenig wirklich interessanten und weitreichenden Entscheidungen, aber er war aus österreichischer Sicht natürlich spannend, denn ursprünglich wollte dort ja niemand über Österreich reden. Es war ja ganz bewusst von der EU-Ratspräsidentschaft und von fast allen EU-Mitgliedstaaten so angelegt, dass das Thema Österreich bewusst in einer Schweigespirale verdrängt werden sollte. Tatsache ist: Es hat jeder über Österreich geredet, es war das Thema. Wir haben uns an dieser Schweigespirale nicht beteiligt, wir haben sie durchbrochen, und das war gut so. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Man wollte in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Bankgeheimnis beseitigen. Man wollte auf Druck der Amerikaner und der Briten einseitig von einem früheren Doppeloptionen-Modell – entweder Zinsenbesteuerung, Quellenbesteuerung oder Informationsaustausch – abgehen und das Bankgeheimnis aufheben. Wir haben uns dagegen gewehrt, und wir haben uns durchgesetzt, und es war gut so. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wären wir den Empfehlungen der Opposition gefolgt, hätten wir auf unser Recht, eine solche Entscheidung zu behindern, verzichtet, wie Sie uns das geraten haben, dann wäre das österreichische Bankgeheimnis in Gefahr. Wir haben uns nicht daran gehalten, und es war gut so. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vor dem EU-Gipfel in Feira war es völlig unklar, ob überhaupt ein rechtsstaatliches Verfahren im Hinblick auf eine Reform der Artikel 6 und 7 – diese sind relevant, wenn eine Gefährdung der europäischen Werte droht – kommt. Wenige Länder haben uns unterstützt – Belgien ausgerechnet! –, und wir haben einen konkreten Vorschlag vorgelegt. Seit dem EU-Gipfel in Feira ist klar: Dieses Thema ist auf der Tagesordnung, und es ist wirklich wichtig für die europäische Zukunft.

Wir haben zusätzlich erreicht, dass sowohl der Präsident des Europäischen Rates, der Portugiese Guterres, als auch der Präsident der Kommission, Romano Prodi, öffentlich erklärt haben: Österreich, die österreichische Regierung, das österreichische Rechtssystem haben sich nichts zu Schulden kommen lassen, was in irgendeiner Weise mit den europäischen Werten oder den Zielen der Europäischen Union im Widerspruch steht. Ich halte diese Sätze und diese Bestätigung unseres richtigen Kurses für ganz entscheidend, gerade in diesen Tagen rund um den EU-Gipfel in Feira. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Chefredakteur der angesehenen "Neuen Zürcher Zeitung", Hugo Bütler, hat am 1. Juli – am Ende der portugiesischen Präsidentschaft und bei Amtsantritt der Franzosen – geschrieben: Die diplomatische Ausgrenzung Österreichs, als ob das Land politisch aussätzig wäre, lässt sich, weil es vom ersten Tag der Maßnahmen an keine rechtlich tragfähigen und politisch überzeugenden Gründe gab, nicht länger aufrechterhalten.

Diesem Satz ist wenig hinzuzufügen. Immer mehr Delegationen der anderen 14 EU-Länder beginnen dies zu begreifen. Es ist Bewegung hineingekommen. Am Ende der portugiesischen Präsidentschaft hat Guterres einen Vorschlag gemacht, aber er war nicht weitreichend genug. So wie Andreas Khol es gesagt hat: Es war eigentlich eine vertane Chance.


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