Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 64

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Er hat das Wort. (Abg. Dr. Martin Graf: Vier Donaustädter! Aus Kaisermühlen!)

13.16

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler – abwesend! Frau Vizekanzlerin – auch nicht mehr da! Ich hoffe angesichts der sich leerenden Regierungsbank nur, dass aus einer Bundesregierung der "Anständigen und Tüchtigen" keine Bundesregierung der "Abgängigen und Flüchtigen" wird (Heiterkeit), sondern dass der Herr Bundeskanzler und die Frau Vizekanzlerin bald wieder den Weg zurück ins Plenum des Nationalrates finden werden, wo sie sich eigentlich die Debatte über die Regierungserklärung anhören sollten. Es ist nicht unbedingt guter Stil, eine Erklärung abzugeben und dann fluchtartig den Saal zu verlassen, aber das mögen sie selbst rechtfertigen.

Herr Kollege Haupt! Die Frage der Sanktionen der Europäischen Union werden wir sehr genau, sehr differenziert und sehr verantwortungsvoll besprechen müssen. Es besteht nämlich eine wirklich große Gefahr: dass sich die Sanktionen und der Boykott ausweiten zu Sanktionen gegen die österreichische Bevölkerung und zu einem Boykott der österreichischen Wirtschaft. (Abg. Schwarzenberger: Das würden Sie gerne sehen!)  – Dass das nicht im österreichischen Interesse ist, ist eine Selbstverständlichkeit. Ich behaupte, dass das auch nicht im Interesse der Europäischen Union sein kann, und es wird sehr am Verhalten der österreichischen Politik liegen, die 14 Partnerstaaten in Europa davon zu überzeugen, dass es überhaupt keinen Sinn macht, Maßnahmen zu setzen, die direkt die wirtschaftliche Existenz der Menschen in dieser Republik treffen.

Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn Vertreter einer rechtsextremen Partei in eine Regierung aufgenommen werden, dann habe ich politisch Verständnis dafür, dass unsere Partner in den anderen 14 Ländern der EU sagen: Wir wollen mit euch auf politischer Ebene nichts zu tun haben. – Das ist eine Entscheidung, die leider gar nicht schlecht begründet ist, weil es das erste Mal ist, dass es eine Machtübernahme einer rechtsextremen Partei in der Regierung eines Mitgliedstaates der Europäischen Union gibt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kiss: Kollege Pilz! Wann kommen Sie mit etwas Neuem? Diese Rede haben Sie gestern gehalten! Sie haben sie offensichtlich auswendig gelernt! Das alles haben Sie gestern schon gesagt!)

Aber wir müssen jetzt endlich darüber nachdenken, was wir etwa der Besitzerin eines kleinen touristischen Betriebs aus dem Wipptal antworten, die sich heute in der Früh bei mir im Klub der Grünen telefonisch gemeldet und gesagt hat: Bei uns kommt ein Storno nach dem anderen, und zwar von Stammgästen aus Belgien, den Niederlanden und Frankreich! Herr Dr. Pilz! Was sollen wir tun? Wie geht es weiter mit unserer wirtschaftlichen Existenz? Und was haben wir von der Regierung zu erwarten? – Welche Antwort geben Sie diesen Menschen? (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)  – Sie lachen! Sie lachen über die Menschen, die sich heute zu Recht Sorgen machen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn wir hier ernsthaft darüber reden, was das für die Menschen bedeutet, die nichts für diese Regierungsbeteiligung können, dann gibt es höhnisches Gelächter von Freiheitlichen und von ÖVP-Abgeordneten. Das ist blanker Zynismus, das ist blanke Verantwortungslosigkeit (Beifall bei den Grünen), und an dieser Verantwortungslosigkeit wollen wir wirklich nicht beteiligt sein. (Abg. Jung: Man könnte eher weinen über Ihre Worte! – Abg. Kiss: Das alles haben Sie gestern schon gesagt, ich kann es Ihnen wortwörtlich vorlesen! Es fällt Ihnen nichts Neues ein!)

Meine Damen und Herren! Wenn wir die Regierungserklärung betrachten, dann fällt zweierlei auf: Zum Ersten ist es eine Regierungserklärung, bei der die Regierung nicht erklären kann, wie sie zentrale Punkte davon überhaupt umsetzen will. Alles, was über die Grenzen Österreichs hinausgeht, setzt ein Mindestmaß an außenpolitischer Handlungsfähigkeit voraus. (Abg. Dr. Martin Graf: Und die haben gerade Sie!)

Herr Dr. Schüssel! Sie haben bis heute nicht erklären können, wie Sie angesichts einer Situation, in der Sie international unter Quarantäne gestellt worden sind, Ihre Handlungsfähigkeit wieder herstellen wollen. Sie können nicht erklären, wie Sie mit Partnern, die jeden Kontakt mit


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