Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 97

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15.15

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Dr. Elisabeth Sickl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich wurde am Freitag, dem 4. Feber 2000, vom Herrn Bundespräsidenten zur Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales – wie das Ministerium derzeit noch heißt – angelobt. Ich bin daher erst seit fünf Tagen im Amt und habe nun erstmals die Gelegenheit, hier im Hohen Hause meine Vorstellungen betreffend die zukünftige Sozialpolitik dieser Bundesregierung zu vertreten.

Ich betrachte diese Dringliche Anfrage nicht als unfreundlichen Akt. Im Gegenteil: Ich bin sehr dankbar dafür, dass mir meine Amtsvorgängerin, Frau Kollegin Hostasch, die Gelegenheit gibt, meine Vorstellungen diesem Hause präsentieren zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der hohe Stellenwert, den diese neu ernannte Bundesregierung der Sozialpolitik einräumt, wird durch diese Dringliche Anfrage meiner Amtsvorgängerin, wenn auch offenbar ungewollt, noch bestätigt. (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Gleichzeitig bitte ich das Hohe Haus um Verständnis dafür, dass ich mein Hauptaugenmerk derzeit auf die Vorbereitung des informellen Sozialministertreffens in Lissabon am kommenden Freitag legen muss; ich bin sehr glücklich, dort teilnehmen zu können. (Abg. Schieder: Das ist eine Ausnahme!) Es ist notwendig, dass wir durch unseren guten Willen und unsere konstruktive Zusammenarbeit wieder ein gutes Klima auch in der EU schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich werde bei diesem informellen Ministertreffen die Ehre haben, Österreich zu vertreten, und es ist wichtig, gerade bei der Entwicklung des europäischen Sozialstandards dabei zu sein. Es gilt, insbesondere auch die Position Österreichs im Bereich der Sozialpolitik auf europäischer Ebene langfristig abzusichern.

Gestatten Sie, dass ich mich nunmehr der Dringlichen Anfrage zuwende, in der behauptet wird, dass durch die neue Bundesregierung massive Verschlechterungen für die Arbeitnehmer, Pensionisten, Frauen und sozial Schwachen im Bereich der Pensions- und Krankenversicherung eintreten würden. – Ich möchte gleich eingangs betonen, dass diese Behauptungen völlig aus der Luft gegriffen sind! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wie Sie erkennen werden, ist das Gegenteil der Fall. Österreich gibt rund 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Maßnahmen im Bereich der sozialen Sicherheit aus. Der weitaus größte Teil dieser Ausgaben, die sich auf mehr als 700 Milliarden Schilling jährlich belaufen, entfällt auf das Pensionsversicherungssystem, das in Österreich die Vorsorge für das Alter, für Hinterbliebene und auch für Invalidität umfasst. Auch die Kosten der Abdeckung des Krankheitsrisikos hängen eng mit dem Alterungsprozess zusammen. In Summe stehen mehr als 80 Prozent der Sozialausgaben direkt oder indirekt mit dem Alterungsprozess in Zusammenhang.

Das heutige österreichische Pensionsversicherungssystem beruht auf dem Umlageverfahren und wird über Beiträge von Dienstnehmern und Dienstgebern, die sich in den Lohnnebenkosten niederschlagen, und Steuermitteln, dem Bundesbeitrag, finanziert. Die finanzielle Situation der Sozialversicherung sollen folgende Daten dokumentieren: Im Jahre 1970 betrug der Pensionsaufwand in Prozent des Bruttoinlandsproduktes 7,5 Prozent, im Jahre 2000 10,6 Prozent. Eine eingehende Studie von Herrn Universitätsprofessor Rürup im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales zeigt, dass sich dieser Prozentsatz bis zum Jahre 2030 auf 14,2 Prozent erhöhen würde. Der Bundesbeitrag in Prozent des Bruttoinlandsproduktes betrug im Jahre 1970 2 Prozent, beträgt im Jahre 2000 2,5 Prozent und würde sich bis zum Jahre 2030 auf 6,1 Prozent erhöhen.

Zur demographischen Situation: Die Lebenserwartung bei der Geburt wird bei Männern von derzeit 73,3 Jahren auf 79 Jahre im Jahre 2030 ansteigen, bei Frauen wird im gleichen Zeitraum mit einer Steigerung der Lebenserwartung von 79,7 auf 85 Jahre gerechnet. Das Verhältnis der 60-Jährigen und Älteren zu den 15- bis unter 60-Jährigen wird von 31,5 im Jahre 1994 über 40


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