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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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100. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 31. März 2011

 

 


Stenographisches Protokoll

100. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode            Donnerstag, 31. März 2011

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 31. März 2011: 9.06 – 22.01 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitskräfte­überlassungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz – LSDB-G)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Ar­beitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden

3. Punkt: Bericht über den Antrag 1452/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der Übergangsfristen zur Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für neue EU-Mitgliedstaaten

4. Punkt: Sozialbericht 2009/2010 des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Kon­sumentenschutz

5. Punkt: Europäische Sozialcharta (revidiert)

6. Punkt: Internationale Arbeitsorganisation (IAO); Übereinkommen (Nr. 187) über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz; Empfehlung (Nr. 197) über den Förderungs­rahmen für den Arbeitsschutz

7. Punkt: Bericht über den Antrag 816/A(E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Einführung einer existenzsichernden, bedarfsorientier­ten Mindestsicherung

8. Punkt: Bericht über den Antrag 982/A(E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend dringliche Maßnahmen gegen Armut und soziale Aus­grenzung im Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung

9. Punkt: Bericht über den Antrag 917/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundeseinheitliche Regelungen betreffend Per­sönliche Assistenz

10. Punkt: Bericht über den Antrag 105/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsanspruch auf Persönliche Assistenz

11. Punkt: Bericht über den Antrag 800/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vergütung von 20 Prozent des Kaufpreises bei der Anschaffung von Kraftfahrzeugen durch Behinderte

12. Punkt: Bericht über den Antrag 1365/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend verschärfte Zugangsbedingungen zum Pflegegeld


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 2

13. Punkt: Bericht über den Antrag 1451/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Reform der Invaliditätspension

14. Punkt: Bericht über den Antrag 1284/A(E) der Abgeordneten Mag. Albert Steinhau­ser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übergangsbestimmungen bei eingetragenen PartnerInnenschaften

15. Punkt: Bericht über den Antrag 1455/A(E) der Abgeordneten Sonja Ablinger, Mag. Silvia Fuhrmann, Mag. Heidemarie Unterreiner, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Büchereiförderung Neu“ und Masterplan für öffentliche Büchereien und über den

Antrag 888/A(E) der Abgeordneten Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklungskonzept für österreichische Bibliotheken

16. Punkt: Bericht über den Antrag 1416/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bibliothekengesetz für Österreich

17. Punkt: Trilaterales Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Schweize­rischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit im Bereich Film

18. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Abänderung des am 24. August 2000 in Berlin unterzeichneten Ab­kommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

19. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowi­na zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen samt Protokoll

20. Punkt: Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinsti­tutionen (IFI-Beitragsgesetz 2010)

21. Punkt: Bericht über den Antrag 1447/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Transfer sämtlicher Goldbestände der OeNB auf Hoheitsgebiet der Republik Österreich

22. Punkt: Bericht über den Antrag 754/A(E) der Abgeordneten Josef Bucher, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend klare Regelungen beziehungsweise Grenzen betref­fend Spekulationen von Bund, Ländern und Gemeinden

23. Punkt: Bericht über den Antrag 961/A(E) der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft

24. Punkt: Bericht über den Antrag 783/A(E) der Abgeordneten Mag. Judith Schwent­ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterführung und Ausbau von bestehenden Initiativen und Projekten zur Unterstützung von Mädchen und Frauen bei der nicht-traditionellen Berufs- und Berufsausbildungswahl

25. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (1408/A)

26. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (501 St 104/10h) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler

27. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (501 St 104/10h) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Werner Neubauer

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Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 3

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 16

Ordnungsrufe ..............................................................................  139, 156, 156, 156, 233

Geschäftsbehandlung

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung betreffend Vorsitzführung während der Fragestunde:

Gerald Grosz ................................................................................................................. 40

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 40

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 40

Mitteilung der Präsidentin Mag. Barbara Prammer in diesem Zusammenhang                          40

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Aus­schussberichte 1131 und 1132 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ......................................................... 45

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 45

Antrag der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der Verabsäumung rechtlicher Interventionsmöglichkeiten gegenüber veralteten Atom­kraftwerken in Grenznähe gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................................ 251

Bekanntgabe ................................................................................................................. 201

Ablehnung des Antrages .............................................................................................. 253

Fragestunde (15.)

Bundeskanzleramt ....................................................................................................... 16

Renate Csörgits (104/M); August Wöginger, Christoph Hagen, Mag. Birgit Schatz, Josef Jury

Johann Singer (99/M); Herbert Scheibner, Mag. Daniela Musiol, Ing. Christian Höbart, Dr. Peter Wittmann

Elmar Podgorschek (101/M); Kai Jan Krainer, Gabriele Tamandl, Josef Bucher, Dr. Alexander Van der Bellen, Erich Tadler

Dr. Alexander Van der Bellen (102/M); Dr. Johannes Hübner, Mag. Christine Mut­tonen, Karl Donabauer, Mag. Ewald Stadler

Josef Bucher (103/M); Mag. Werner Kogler, Dr. Martin Strutz, Hannes Weninger, Mag. Bernd Schönegger

Elmar Mayer (105/M); Mag. Silvia Fuhrmann, Ursula Haubner, Dr. Harald Walser, Dr. Walter Rosenkranz

Mag. Silvia Fuhrmann (100/M); Gerald Grosz, Dieter Brosz, Harald Jannach, Dr. Josef Cap

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 16


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 4

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................  43, 247, 251

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz- und Antikorruptionspaket (1494/A)(E) ................................................................................. 123

Begründung: Mag. Werner Kogler ............................................................................. 128

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner .................................................. 134

Debatte:

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 135

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 139

Karlheinz Kopf ............................................................................................................ 141

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 143

Josef Bucher ............................................................................................................... 145

Mag. Albert Steinhauser ............................................................................................ 147

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 149

Ing. Hermann Schultes .............................................................................................. 151

Maximilian Linder ....................................................................................................... 152

Gerald Grosz ............................................................................................................... 154

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner .................................................. 156

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 157

Werner Amon, MBA ................................................................................................... 160

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 163

Mag. Daniela Musiol (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 164

Mag. Ewald Stadler .................................................................................................... 165

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 167

Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 169

Karl Öllinger ................................................................................................................ 170

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Karlheinz Kopf, Kol­leginnen und Kollegen zur Bekämpfung von Korruption in Politik und Wirtschaft und zur Schaffung einer verbesserten Transparenz – Annahme (E 152) ................................................................................................  161, 172

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages (1494/A)(E) .......................... 172

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (1076 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-An­passungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Landarbeitsge-setz 1984, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und das Allgemeine Sozialversi­cherungsgesetz geändert werden (Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsge­setz – LSDB-G) (1094 d.B.) ...................................................................................................... 46

Redner/Rednerinnen:

Heinz-Christian Strache .............................................................................................. 46

Renate Csörgits ............................................................................................................ 49

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 51

August Wöginger ......................................................................................................... 53

Mag. Birgit Schatz ........................................................................................................ 56

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 62

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................... 64

Wolfgang Katzian ......................................................................................................... 66

Christoph Hagen .......................................................................................................... 67


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 5

Dr. Martin Bartenstein ................................................................................................. 69

Karl Öllinger .................................................................................................................. 71

Bernhard Themessl ..................................................................................................... 72

Franz Riepl .................................................................................................................... 73

Gerald Grosz ................................................................................................................. 75

Ridi Maria Steibl ........................................................................................................... 77

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ......................................................................... 78

Mag. Judith Schwentner ............................................................................................. 80

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 82

Johann Hechtl ............................................................................................................... 84

Dr. Andreas Karlsböck ................................................................................................ 85

Oswald Klikovits .......................................................................................................... 86

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ............................................................................. 87

Josef Muchitsch ........................................................................................................... 89

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anwendung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsge­setzes in Verfahren nach dem Bundesvergabegesetz – Ablehnung .......................................................................  81, 91

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 90

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (1077 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (1092 d.B.) .......................................................................................... 91

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1452/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Verlängerung der Übergangsfristen zur Öffnung des österreichischen Ar­beitsmarktes für neue EU-Mitgliedstaaten (1093 d.B.) ................... 91

Redner/Rednerinnen:

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................. 91

Dr. Sabine Oberhauser, MAS ..................................................................................... 92

Mag. Alev Korun ........................................................................................................... 94

Johannes Schmuckenschlager .................................................................................. 95

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 96

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 97

Erwin Spindelberger .................................................................................................... 97

Oswald Klikovits .......................................................................................................... 98

Annahme des Gesetzentwurfes in 1092 d.B. ................................................................ 99

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1093 d.B. ................................................... 100

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Sozialbe­richt 2009/2010 des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumenten­schutz (III-194/1089 d.B.) .... 100

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ....................................................................... 100

Renate Csörgits .......................................................................................................... 101

Karl Öllinger ................................................................................................................ 102

Karl Donabauer .......................................................................................................... 103

Ursula Haubner .......................................................................................................... 104

Franz Riepl .................................................................................................................. 106

Mag. Birgit Schatz ...................................................................................................... 107

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 109


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 6

Jochen Pack ................................................................................................................ 110

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 111

Kenntnisnahme des Berichtes III-194 d.B. ................................................................... 112

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (1068 d.B.): Europäische Sozialcharta (revidiert) (1090 d.B.) ......................................................... 112

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ....................................................................... 112

Karl Donabauer .......................................................................................................... 113

Ursula Haubner .......................................................................................................... 114

Karl Öllinger ................................................................................................................ 114

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 115

Genehmigung des Staatsvertrages ............................................................................. 116

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Z 3 B-VG ..................................... 116

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (1069 d.B.): Internationale Arbeitsorganisation (IAO); Übereinkommen (Nr. 187) über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz; Empfehlung (Nr. 197) über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz (1091 d.B.)    ............................................................................................................................. 116

Redner/Rednerinnen:

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 116

Bernhard Vock ............................................................................................................ 117

Mag. Birgit Schatz ...................................................................................................... 117

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 118

Genehmigung des Staatsvertrages ............................................................................. 118

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Z 3 B-VG ..................................... 118

Kenntnisnahme der Empfehlung Nr. 197 ..................................................................... 118

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 816/A(E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Einführung einer existenzsichernden, bedarfsorientierten Mindestsicherung (1095 d.B.) ...................................................................................... 119

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 982/A(E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend dringliche Maßnahmen gegen Armut und soziale Ausgrenzung im Europäi­schen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung (1096 d.B.)................. 119

Redner/Rednerinnen:

Karl Öllinger ................................................................................................................ 119

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 120

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 121

Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 122

Ursula Haubner .......................................................................................................... 122

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1095 und 1096 d.B. .......................... 123

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 917/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 7

betreffend bundeseinheitliche Regelungen betreffend Persönliche Assistenz (1098 d.B.) ............................................................................... 172

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 105/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsanspruch auf Persönliche Assistenz (1097 d.B.) .................................................................................................................... 173

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 800/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vergütung von 20 Prozent des Kaufpreises bei der Anschaffung von Kraftfahrzeugen durch Behinderte (1099 d.B.) ................................ 173

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1365/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend verschärfte Zugangsbedingungen zum Pflegegeld (1100 d.B.) .................................................................................................................... 173

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ....................................................................... 173

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 174

Mag. Helene Jarmer ................................................................................................... 175

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 176

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 177

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 178

Bernhard Vock ............................................................................................................ 179

Werner Neubauer ....................................................................................................... 179

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1098 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend bundesweit einheitliche Regelungen für die Persönliche Assistenz (E 153) ............... 180

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 1097, 1099 und 1100 d.B. .................... 180

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1451/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Reform der Invaliditätspension (1101 d.B.)                  181

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1284/A(E) der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Übergangsbestimmungen bei eingetragenen PartnerInnenschaf­ten (1102 d.B.) ................................................................................ 181

Redner/Rednerinnen:

Dr. Andreas Karlsböck .............................................................................................. 181

Dietmar Keck .............................................................................................................. 182

Karl Öllinger ................................................................................................................ 183

Mag. Michael Hammer ............................................................................................... 185

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 186

Dr. Peter Fichtenbauer .............................................................................................. 187

Ursula Haubner .......................................................................................................... 188

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1101 und 1102 d.B. .......................... 189

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1455/A(E) der Abge­ordneten Sonja Ablinger, Mag. Silvia Fuhrmann, Mag. Heidemarie Unterreiner, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Büchereiförde­rung Neu“ und Masterplan für öffentliche Büchereien und über den


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 8

Antrag 888/A(E) der Abgeordneten Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Entwicklungskonzept für österreichische Bibliotheken (1105 d.B.) ..................................................................... 189

16. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1416/A(E) der Abge­ordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bib­liothekengesetz für Österreich (1106 d.B.)                  189

Redner/Rednerinnen:

Mag. Heidemarie Unterreiner ................................................................................... 190

Sonja Ablinger ............................................................................................................ 192

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 193

Claudia Durchschlag ................................................................................................. 194

Stefan Markowitz ........................................................................................................ 195

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................. 195

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 196

Mag. Katharina Cortolezis-Schlager ........................................................................ 197

Josef Jury .................................................................................................................... 198

Mag. Rosa Lohfeyer ................................................................................................... 198

Johann Höfinger ......................................................................................................... 199

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 199

Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................. 200

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Integration und Identität im Zusammenhang mit öffentlichen Büchereien – Ablehnung               191, 201

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1105 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Büchereiförderung Neu“ und Masterplan für öffentliche Büchereien (E 154) ............. 201

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1106 d.B. ................................................... 201

17. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (1072 d.B.): Trilaterales Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch­land, der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Schweizeri­schen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit im Bereich Film (1107 d.B.)                                                                                                                                                                 201

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Hakel ........................................................................................................... 201

Mag. Silvia Fuhrmann ................................................................................................ 202

Mag. Heidemarie Unterreiner ................................................................................... 202

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 206

Stefan Markowitz ........................................................................................................ 207

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................. 207

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................... 208

Jochen Pack ................................................................................................................ 209

Werner Neubauer ....................................................................................................... 209

Ewald Sacher .............................................................................................................. 211

Ernest Windholz ......................................................................................................... 211

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend die Situation der Filmförderung in Österreich – Ablehnung ...............  204, 212

Entschließungsantrag der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung von deutschsprachigen Filmproduktionen aus Südtirol – Ablehnung  210, 212

Genehmigung des Staatsvertrages ............................................................................. 212


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 9

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1071 d.B.): Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Abänderung des am 24. August 2000 in Berlin unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein­kommen und vom Vermögen (1117 d.B.) .................................................................... 212

19. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1064 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen samt Protokoll (1118 d.B.)                   212

Redner/Rednerinnen:

Alois Gradauer ........................................................................................................... 213

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ............................................................................... 213

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 214

Mag. Laura Rudas ...................................................................................................... 214

Ing. Erwin Kaipel ........................................................................................................ 215

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 1117 und 1118 d.B. ................................ 215

20. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1045 d.B.): Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2010) (1119 d.B.)     ............................................................................................................................. 216

Redner/Rednerinnen:

Alois Gradauer ........................................................................................................... 216

Dr. Martin Bartenstein ............................................................................................... 217

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 217

Mag. Michael Schickhofer ......................................................................................... 218

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................... 219

Petra Bayr ................................................................................................................... 219

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 220

21. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 1447/A(E) der Abge­ordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Transfer sämtlicher Goldbestände der OeNB auf Hoheitsgebiet der Republik Ös­terreich (1120 d.B.) ..................................................... 220

Redner/Rednerinnen:

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 221

Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 221

DDr. Werner Königshofer ......................................................................................... 222

Mag. Michael Schickhofer ......................................................................................... 223

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 224

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1120 d.B. ................................................... 226

22. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 754/A(E) der Abge­ordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend klare Regelungen beziehungsweise Grenzen betreffend Spekulationen von Bund, Ländern und Ge­meinden (1121 d.B.) .......................................................... 226

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 226

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 228

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 229

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 230


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 10

Maximilian Linder ....................................................................................................... 232

Jakob Auer .................................................................................................................. 233

Gerald Grosz ............................................................................................................... 233

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 233

Entschließungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend zweckmäßige Parameter als Grundlage für den Finanzaus­gleich – Ablehnung  227, 234

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1121 d.B. ................................................... 234

23. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 961/A(E) der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (1103 d.B.)                     234

Redner/Rednerinnen:

Carmen Gartelgruber ................................................................................................ 235

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 236

Dorothea Schittenhelm ............................................................................................. 236

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................... 237

Ursula Haubner .......................................................................................................... 238

Gabriele Binder-Maier ............................................................................................... 238

Mag. Silvia Fuhrmann ................................................................................................ 239

Renate Csörgits .......................................................................................................... 239

Mag. Katharina Cortolezis-Schlager ........................................................................ 240

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1103 d.B. ................................................... 240

24. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 783/A(E) der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterführung und Ausbau von bestehenden Initiativen und Projekten zur Un­terstützung von Mädchen und Frauen bei der nicht-traditionellen Berufs- und Be­rufsausbildungswahl (1104 d.B.) ............................................................................. 240

Redner/Rednerinnen:

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 240

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 241

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................... 242

Anna Höllerer .............................................................................................................. 243

Ursula Haubner .......................................................................................................... 244

Sonja Ablinger ............................................................................................................ 244

Dr. Susanne Winter .................................................................................................... 245

Andrea Gessl-Ranftl .................................................................................................. 246

Mag. Rosa Lohfeyer ................................................................................................... 246

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1104 d.B. ................................................... 247

Zuweisung des Antrages 783/A(E) an den Unterrichtsausschuss .............................. 247

25. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (1408/A) ................. 247

Redner/Rednerinnen:

Ursula Haubner .......................................................................................................... 248

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 249

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 249


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 11

Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 249

Mag. Daniela Musiol ................................................................................................... 250

Zuweisung des Antrages 1408/A an den Justizausschuss ......................................... 251

26. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsan­waltschaft Wien (501 St 104/10h) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler (1131 d.B.) ....................................................................................................... 251

Annahme des Ausschussantrages .............................................................................. 251

27. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsan­waltschaft Wien (501 St 104/10h) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Werner Neubauer (1132 d.B.) ................................................................................................... 251

Annahme des Ausschussantrages .............................................................................. 251

Eingebracht wurden

Petition .......................................................................................................................... 43

Petition betreffend „Erhaltung und Betrieb der Ybbstalbahn nach Übergabe an das Land Niederösterreich“ (Ordnungsnummer 76) (überreicht von der Abgeord­neten Tanja Windbüchler-Souschill)

Bürgerinitiative ............................................................................................................ 43

Bürgerinitiative betreffend „Erhaltung der Hausapotheke der Landarztstelle in der Marktgemeinde Grafenegg zur Sicherung der ärztlichen Nahversorgung“ (Ord­nungsnummer 29)

Anträge der Abgeordneten

Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz- und Antikor­ruptionspaket (1494/A)(E)

Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der gesetzli­chen Altersgrenzen für Au-pairs (1495/A)(E)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Spekulationsverbot für gemeinnützige Bauvereinigungen (1496/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicher­stellung einer adäquaten, dem Vergehen entsprechenden Bestrafung bei missbräuch­licher Verwendung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (1497/A)(E)

Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend systematische Erfassung der zum Gleichbehandlungsgesetz ergangenen Entscheidungen (1498/A)(E)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der Bevölkerung vor der radioaktiven Belastung von Lebensmitteln (1499/A)(E)

Ernest Windholz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absetzbarkeit von Spenden an die Freiwillige Feuerwehr (1500/A)(E)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung des Un­tersuchungsrichters (1501/A)(E)

Renate Csörgits, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden (1502/A)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 12

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend die Stärkung der Vaterbindung durch die Einführung eines „freiwilligen Vatermonats“ (1503/A)(E)

Anton Heinzl, Dr. Ferdinand Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (23. StVO-Novel­le) (1504/A)

Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Täto­wierfarben und Tätowiermittel (1505/A)(E)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnung von Lebensmit­teln, die GVO enthalten (1506/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Verfolgungshandlungen gegen Abgeordnete (8153/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Verfolgungshandlungen gegen Abgeordnete (8154/J)

Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inne­res betreffend die Situation von FerialpraktikantInnen und FerialarbeiterInnen im öffent­lichen Dienst (8155/J)

Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Situation von FerialpraktikantInnen und FerialarbeiterInnen im öffentlichen Dienst (8156/J)

Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend die Situation von Ferialpraktikan­tInnen und FerialarbeiterInnen im öffentlichen Dienst (8157/J)

Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ge­sundheit betreffend die Situation von FerialpraktikantInnen und FerialarbeiterInnen im öffentlichen Dienst (8158/J)

Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend die Situation von FerialpraktikantInnen und FerialarbeiterInnen im öffentlichen Dienst (8159/J)

Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für eu­ropäische und internationale Angelegenheiten betreffend die Situation von Ferialprakti­kantInnen und FerialarbeiterInnen im öffentlichen Dienst (8160/J)

Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Jus­tiz betreffend die Situation von FerialpraktikantInnen und FerialarbeiterInnen im öffent­lichen Dienst (8161/J)

Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst betreffend die Situation von FerialpraktikantInnen und FerialarbeiterInnen im öffentlichen Dienst (8162/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) und Landwirtschaft (8163/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend „Vollziehung des LMSVG im Jahr 2010“ (8164/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 13

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend „Alkoholmissbrauch – Jugendschutz – Sanktionen nach der Gewerbeordnung“ (8165/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend „Hygiene- und Lebensmittelkontrollen bei Speisewagenbetreibern im Jahr 2010“ (8166/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend demilitarisiertes Kriegsmaterial (8167/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bienensterben (8168/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Klonfleisch (8169/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend neue Schrift für Österreichs Verkehrsschilder (8170/J)

Ewald Sacher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend die „Streichung von Planstellen der Grenzüberwachungsposten in den Bezirken Gmünd, Horn und Waidhofen/Thaya“ (8171/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend: der Wert des Konsumentenschutzes seines Res­sorts – erhöhte Grenzwerte für verstrahlte Lebensmittel aus Japan (8172/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend: der Wert der Landwirtschaft seines Ressorts – erhöhte Grenzwerte für verstrahlte Futtermittel aus Japan (8173/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend: der Wert der Gesundheit seines Ressorts – erhöhte Grenzwerte für ver­strahlte Lebensmittel aus Japan (8174/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Anerkennung von Religionsgemeinschaften (8175/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Haus der Geschichte (8176/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend offene Fragen aus dem Kulturausschuss (8177/J)

Sonja Ablinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Umgang des BMI mit Vorfällen rechtsextremen Hintergrundes und deren Verfol­gung (8178/J)

Sonja Ablinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Umgang der Justiz mit rechtsextremen Vorfällen in Oberösterreich (8179/J)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Sachwalterschaftsmissbrauch und Sachwaltergeschädigte (8180/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Vergabe von Aufträgen durch das BMI unter BM Dr. Ernst Strasser sowie unter seinen NachfolgerInnen an Unternehmen, mit denen Dr. Ernst Strasser nach Ab­lauf seiner Ministertätigkeit eine direkte oder indirekte Geschäftsverbindung einging“ (8181/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 14

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Einsätze der C-130 in Syrien und im Jemen (8182/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend geplante Schließung des Postamtes 5640 Bad Gas­tein (8183/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Klonfleisch (8184/J)

Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inne­res betreffend Selbstmordrate von türkisch-stämmigen Mädchen und Frauen (8185/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend WIFO-Studie: Tourismus muss zulegen (8186/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Wissen­schaft und Forschung betreffend Informationsfluss an Studierende seitens der Univer­sitäten (8187/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Informationsfluss an Studierende seitens des Finanzamts (8188/J)

DDr. Werner Königshofer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Jus­tiz betreffend Rechtshilfeersuchen (8189/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Bil­derbergertreffen in St. Moritz (8190/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Militärmusik (8191/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Planstellen in den Landespolizeikommanden (8192/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Ausbau der Barrierefreiheit (8193/J)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Tetra-Funksystem (BOS) (8194/J)

Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Plagiate: Ein (vorsätzliches) Plagiat ist ein Betrugsversuch – derzeit ohne strafrechtliche Konsequenzen! (8195/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Verbot der Grußformel „Grüß Gott“ in Schulen (8196/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Kosten für die „CSI Hypo“ und die Ergebnisse ihrer Tätigkeit (8197/J)

Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend die Grenzwerte für Radioaktivität in Lebensmitteln aus Japan (8198/J)

Dr. Franz-Joseph Huainigg, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst betreffend Diskriminierung von Frauen im Aufnahme­verfahren des Polizeidienstes (8199/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Gerichtliche Strafverfahren nach § 168a Strafgesetzbuch im Jahr 2010“ (8200/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 15

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend „Kriminalpolizeiliche Ermittlungen nach § 168a Strafgesetzbuch – Pyramiden­spiele/Schenkkreise im Jahr 2010“ (8201/J)

Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Garantiefonds (8202/J)

Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Taxistreit mit der Schweiz (8203/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Justiz betreffend Vorfall im Hort in der Sobieskigasse 31, 1090 Wien (8204/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Auswirkungen der Arbeits­marktöffnung am 1. Mai 2011 auf den Reinigungssektor (8205/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Zentralküchen beim österreichischen Bundesheer (8206/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeord­neten Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen (7445/AB zu 7527/J)

der Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeord­neten Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen (7446/AB zu 7643/J)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeord­neten Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen (7447/AB zu 7526/J)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeord­neten Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen (7448/AB zu 7540/J)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeord­neten Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen (7449/AB zu 7579/J)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen (7450/AB zu 7635/J)


 


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 16

09.06.05Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neuge­bauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Großruck, Dr. Plassnik, Ing. Hofer, Kickl, Vilimsky, Dr. Lichtenecker, Dr. Moser, Petzner, Grillitsch und Schenk.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem ande­ren Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger wird durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich vertreten.

Ferner hat das Bundeskanzleramt Mitteilung gemacht, dass der Vizekanzler und Bundesminister für Finanzen Dipl.-Ing. Josef Pröll durch die Frau Bundesministerin für Inneres Dr. Maria Fekter vertreten wird.

*****

Ich gebe bekannt, dass die Sitzung bis 13 Uhr vom ORF live übertragen wird.

09.07.00Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Sie kennen das Procedere: Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abge­ordneten werden von den beiden Rednerpulten im Halbrund vorgenommen, die Beant­wortung durch den Herrn Bundeskanzler erfolgt vom Rednerpult der Abgeordneten.

Für die Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Die Beantwortung der Anfrage durch den Herrn Bundeskanzler soll 2 Minuten, jene der Zu­satzfragen jeweils 1 Minute betragen.

Wenige Sekunden vor Ende der jeweiligen Redezeit werde ich auf deren Ablauf auf­merksam machen.

Bundeskanzleramt

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen zur 1. Anfrage. Das ist die der Frau Abgeordneten Csörgits. – Bitte.

 


Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Frau Präsidentin! Schönen guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Schönen guten Morgen, meine Damen und Herren!

Herr Bundeskanzler, da ich weiß, dass Ihnen die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein ganz besonderes Anliegen ist, geht auch meine Frage in diese Richtung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 17

104/M

„Wie beurteilen Sie Österreichs Arbeitsmarktsituation unter dem Einfluss der internatio­nalen Wirtschaftskrise, und welche Maßnahmen werden getroffen, um auch in Zukunft einen funktionierenden heimischen Arbeitsmarkt zu sichern?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete! Sehr verehr­te Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! In der Wirtschaftskrise ist in ganz Europa die Arbeitslosigkeit gestiegen, weil jene Entwicklungen, die durch Spekulation ausge­löst wurden, dazu geführt haben, dass die Falschen draufgezahlt haben. Das sind Men­schen, die keine Arbeit gefunden haben.

Im europäischen Vergleich zeigt sich daher, dass die Maßnahmen, die Österreich ge­setzt hat, richtig waren, weil wir im Vergleich zu den Ländern mit der niedrigsten Ar­beitslosenquote gehören – mit 4,3 Prozent nach Eurostat-Berechnung. Es ist ein Be­schäftigungsrekord zu verzeichnen. Wir haben 74 000 Arbeitsplätze mehr als im Vor­jahr, davon profitieren 25 000 Frauen und 49 000 Männer.

Das ist ein Grundsatz in Österreich und dieser Regierung, dass bei der Beschäftigung und daher auch bei der Leistung der Betriebe, die hier besonders zu vermerken ist, die gute Zusammenarbeit mit der Regierung, mit dem Sozialminister, dem Sozialministe­rium, also die Sozialpartnerschaft dazu geführt hat, dass Regelungen wie die Kurzar­beit, auch die Konjunkturprogramme eine positive Wirkung gezeigt haben. Daher wer­den wir dort, wo es jetzt notwendig ist – in der Phase des Wirtschaftsaufschwungs sind natürlich die Maßnahmen etwas zu modifizieren –, das Ziel voll vorantreiben und die Maßnahmen, die uns so viel Erfolg gebracht haben, fortsetzen. (Beifall bei der SPÖ so­wie bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Csör­gits.

 


Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Wir haben ja auch die Situation, dass im Be­reich der Arbeitsmarktmittel 50 Prozent für Frauen zur Verfügung gestellt werden. Wird das auch in Zukunft so geplant sein?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Die Armut – und das zeigen viele Forschungen und Untersuchungen – ist weiblich, weil Frauen besonders von Armut betroffen sind. Sie sind auch besonders betroffen, wenn Arbeitslosigkeit – und das kann man in ande­ren Ländern besonders deutlich nachweisen – steigt. Daher ist alles, was in diesem Bereich an Förderung existiert, zu unterstützen und weiterhin notwendig.

Ich bin auch davon überzeugt, dass es richtig ist, dass wir bei der Bekämpfung von Ar­beitslosigkeit besonderes Augenmerk auf junge Menschen legen, etwa mit der Ausbil­dungsgarantie und anderen Maßnahmen zur Förderung von Lehrstellen, damit wir auch in Zukunft im Vergleich positiv dastehen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Wöginger, bitte.

 


Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Bundeskanzler, wir beschließen heute hier im Parlament ein wichtiges Gesetz, mit dem wir uns gut auf den 1. Mai 2011 vor­bereiten. Am 1. Mai wird für acht europäische Länder, die vor sieben Jahren der Euro­päischen Union beigetreten sind, der Zugang zum Arbeitsmarkt geöffnet, darunter auch einige direkte Nachbarländer wie Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Slowenien.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 18

Meine Frage an Sie, Herr Bundeskanzler: Wie hoch wird Ihrer Auffassung nach der Zu­fluss von ausländischen Arbeitnehmern eben aus diesen Ländern ab 1. Mai 2011 durch diese Öffnung sein?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich habe keine Vorhersage, die so verlässlich ist, dass ich sie Ihnen als wissenschaftlich fundierte Grundlage nennen möchte. Was wir aber haben, ist die Vermutung, dass in ganz Europa, aber auch anlässlich dieser Neuerung Lohn- und Sozialdumpingabkommen, also Maßnahmen, die gegen Lohn- und Sozialdumping gerichtet sind, notwendig sein werden.

Daher begrüße ich natürlich auch sehr Maßnahmen, wie sie heute das österreichische Parlament beschließt, und wir werden diese weiter voranzutreiben haben. Es gibt ja nur folgende Möglichkeiten: Entweder es geht allen in Europa sehr gut – das wäre das Beste, dann kommt es erst gar nicht dazu, dass in einem Land die Situation der Ar­beitnehmer so schlecht ist, dass sie versuchen, um die Hälfte des Lohnes in einem an­deren Land tätig zu sein –, oder man schafft gesetzliche Regelungen, die ein gewisses Ausmaß an Kontrolle und Entschlossenheit in der Kontrolle an den Tag legen. Dazu gehört generell die Rot-Weiß-Rot-Card, und dazu gehören jetzt infolge der neuen Be­stimmungen innerhalb der Europäischen Union Maßnahmen gegen Lohn- und Sozial­dumping.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Hagen, bitte.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Arbeit muss sich lohnen, Herr Bundeskanz­ler! Im Februar 2011 stehen 135 000 Arbeitssuchende mit Pflichtschulabschluss oder gar keinem Schulabschluss 11 000 offenen Stellen in diesem Bereich gegenüber. Be­triebe, die genau diese Personengruppe ansprechen, bekommen mit der Argumenta­tion, dass diese insgesamt mehr Förderung und Mindestsicherung erhalten, als wenn sie arbeiten würden, keine Leute.

Die Aussage eines 27-jährigen in Vorarlberg Wohnhaften, der 1 772,30 € Mindestsi­cherung beziehungsweise früher Sozialhilfe bekommen hat oder erhält: Solange Öster­reich oder der österreichische Staat so blöd ist, wäre er dumm, wenn er arbeiten wür­de! – Im Vergleich dazu steht eine Verkäuferin, die zirka die Hälfte dieses Betrages verdient.

Meine Frage nun: Was gedenken Sie in diesem System, welches schon lange aus den Fugen geraten ist, zu ändern, um diese Ungerechtigkeiten der arbeitenden und Steuer zahlenden Bevölkerung gegenüber den Sozialschmarotzern, welche das System miss­brauchen, nach dem Motto „Genug gezahlt“ gerechter zu machen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich habe jetzt nicht ganz wahrnehmen können, was Sie da alles heruntergelesen haben, und kann daher auch nicht ganz ausnehmen, wer da die Blöden sind. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Aber eines lässt sich doch sagen: Wir Österreicher haben im Rahmen der Armutsbe­kämpfung – und darauf bin ich stolz – die Mindestsicherung eingeführt, nicht als Hän­gematte für irgendjemanden, der arbeiten kann, arbeiten möchte, arbeiten sollte, son­dern genau für jene Menschen, die nicht in der Lage sind, eine Arbeit anzunehmen.

Dass dieses Mal vom Sozialminister, auch von den Sozialpartnern, von den Parteien im Parlament, die uns dabei unterstützt haben, die Mindestsicherung, die im europäi­schen Vergleich relativ hoch, für unseren Lebensstandard nicht so hoch angesetzt ist, wie es im europäischen Vergleich aussieht, mit strengen Kriterien für die Arbeit ver­knüpft wurde, begrüße ich. Das ist der richtige Weg, das gehört ausgebaut. (Beifall bei der SPÖ.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 19

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Schatz, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Herr Bundeskanzler! Neueste Studien sa­gen, dass 16,5 Prozent der unselbständigen Erwerbstätigen trotz Arbeit arm sind. Da­von sind 300 000 Menschen in Österreich betroffen. Rund die Hälfte von ihnen arbeitet Vollzeit und verdient trotzdem weniger als 950 € netto.

Meine Frage ist nun: Inwieweit denken Sie, dass ein gesetzlicher existenzsichernder Mindestlohn von aktuell 1 300 € brutto diesen Betroffenen, diesen Working Poor helfen würde?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Es ist eine gute österreichische Tradition, dass Lohnverhandlungen – auch über Mindestlöhne – in der Sozialpartnerschaft durch die Gewerkschaften in Partnerschaft mit den Arbeitgebern geführt werden. Die Forderung der Interessenvertreter, der Gewerkschaften – wie ja überall längst öffentlich bekannt ist –, auf 1 300 € zu gehen, ist durchaus etwas, das ich mit hoher Unterstützung begleite.

Ich halte es für richtig, dass wir in Österreich diese Verhandlungen in der Sozialpart­nerschaft führen, weil diese Tradition im Vergleich zu anderen Ländern, in denen Kon­flikte ausschließlich auf der Straße oder bei Streiks oder durch Schreiduelle ausge­tragen werden, wenn man überhaupt zusammenkommt, gut ist. Ich glaube jedoch, auf europäischer Ebene wird man Fragen wie Mindestlöhne in Angriff nehmen müssen, weil nicht überall diese Zusammenarbeit – so wie sie in Österreich im Rahmen der Sozialpartnerschaft existiert – vorhanden ist. Ich unterstütze daher sehr Ihr Anliegen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Jury, bitte.

 


Abgeordneter Josef Jury (FPÖ): Guten Morgen, Herr Kanzler! Ich möchte, was die Thematik der Übergangsfristen für die Arbeitnehmer aus den acht Staaten, die 2004 zur EU gekommen sind, betrifft, noch einmal nachhaken, weil mir Ihre Antwort an Herrn Abgeordneten Wöginger ein bisschen zu unkonkret war. Wir Freiheitliche haben den Antrag gestellt, diese Übergangsfristen zu verlängern, um den heimischen Arbeits­markt nicht unter Druck zu bringen. Das wurde leider abgelehnt.

Was werden Sie konkret tun, um diesen heimischen Arbeitsmarkt, dieses zarte Pflänz­chen der Konjunktur zu stützen, und welche Maßnahmen werden Sie einleiten, um die heimischen Arbeitnehmer zu schützen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Das Gesetz, das heute – ich weiß nicht, ob Sie ihm zustimmen werden – gegen Lohn- und Sozialdumping beschlossen wird, ist ja eine konkrete Maßnahme. Die Kontrollen wahrzunehmen, zu schauen, ob jemand das ver­dient, was im Land durch Kollektivverträge, durch gesetzliche Bestimmungen geregelt ist, ist eine sehr konkrete Maßnahme. Europaweit sich damit zu beschäftigen, wie man Lohn- und Sozialdumping hintanhalten kann, und das etwa auch in der Diskussion in die Wettbewerbskriterien, in die Standortkriterien mit aufzunehmen, ist eine sehr kon­krete Maßnahme.

Diesen hundertprozentigen Schutz, dass nie irgendetwas passiert, was man im Wirt­schaftsleben nicht möchte, den – das wissen Sie – sollte man nicht versprechen, denn den gibt es nicht. Aber zu kontrollieren und dort, wo sich jemand nicht daran hält, zu strafen, ist möglich und auch richtig. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 2. Anfrage, und zwar ist das die des Herrn Abgeordneten Singer. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 20

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Laut Regierungspro­gramm wurde eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Konsolidierungsmaßnahmen eingesetzt. Im Februar 2009 fand die Konstituierung statt. Sie und der Herr Vizekanzler führen den Vorsitz. Im Regierungsprogramm wurden auch die Handlungsfelder skiz­ziert. Das mündete dann in elf Arbeitspaketen, die während dieser Legislaturperiode abgearbeitet werden sollen. Bis dato haben mehr als die Hälfte dieser Arbeitsgruppen ihre Arbeit aufgenommen, nämlich Bildung, Effizienz der Verwaltung, Pensionen, effi­zientes Förderwesen, Gesundheit und Pflege sowie Aufgabenreform und Strukturbe­reinigung.

Herr Bundeskanzler, meine Frage:

99/M

„Welche Fortschritte in der Arbeitsgruppe Konsolidierung, deren Vorsitzender Sie sind, wurden hinsichtlich der elf Arbeitspakete zur Verwaltungsreform bis jetzt erzielt?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Erstens liegt die Leistung der Arbeitsgruppen darin, dass sie besonders in der Analyse und in der Aufarbeitung von Daten sehr hilf­reich sind. Da ist die Arbeit in einem Teil abgeschlossen. Ich kann Ihnen jetzt auch die Termine sagen, wann die anderen arbeiten, aber ich weiß nicht, ob sich das in zwei Minuten noch alles ausgeht. Also: Der Fahrplan steht, und einiges davon ist abge­schlossen.

Diese Datenlage erspart es uns natürlich nicht, Fragen, die manchmal sehr kurzfristig zu lösen sind, wo es etwa um Synergien innerhalb des Bundes, zwischen Ministerien geht – die berühmten Fragen des gemeinsamen Einkaufs, die gemeinsame EDV –, al­so in Bereichen, wo natürlich sehr wohl sehr viele Synergie-Möglichkeiten durch Refor­men bestehen, voranzutreiben.

Wir haben auch im Ministerratsvortrag am 8. März in diesem Zusammenhang ein Pa­ket vorgestellt. Zwei Drittel dieser 45 Projekte sind umgesetzt oder knapp vor Ende der Umsetzung. Also dort, wo die Möglichkeit besteht, in der Bürokratie direkt Vereinfa­chungen vorzunehmen, sind wir mit viel Einsatz unterwegs.

Schwierigkeiten haben wir, wie ganz Österreich weiß, dort, wo es um Kompetenz­fragen geht, etwa bei der Zusammenarbeit Bund und Länder. Eine Spitalsreform – und Gesundheit ist nun einmal einer der größten Bereiche, der hier auch immer zahlenmä­ßig besonders zum Ausdruck kommt bei den vielen Milliarden, die dann unter dem Strich zusammengefasst werden – ist natürlich eine Kompetenzfrage, wo uns der Fi­nanzausgleich, der jetzt bis 2014 verlängert wurde, in Verbindung mit gesetzlichen Be­stimmungen, die der zuständige Minister vorbereitet, die einzige Chance gibt. Kleine Erfolge auf dem Weg dorthin gibt es, indem der Stabilitätsfonds, der Pflegefonds, in den letzten zwei Wochen zwischen dem Finanzminister, dem Sozialminister und den einzelnen betroffenen Landeshauptleuten erarbeitet wurde.

Es gibt also Punkte, wo wir die Konflikte sehr wohl sehen, aber genau wissen, dass es Kompetenzverschiebungen bräuchte, um uns radikaler durchsetzen zu können, und es gibt Bereiche, die wir mit voller Energie vorantreiben und wo wir auch Erfolge vorzei­gen können. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Vertiefend möchte ich noch das Arbeitspaket „Effizientes Förderwesen“ hinterfragen. Was wurde zur Vermei­dung von Doppel- und Dreifachförderungen durch die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden bereits beschlossen?

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 21

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wenn ich jetzt davon absehe, dass wir gerade ver­suchen, verschiedenste gesetzliche Bestimmungen in einer eigenen Arbeitsgruppe an­zugleichen, damit es nicht zu doppelten Aufgabenstellungen kommt, wenn ich das jetzt also kurz ausklammere – da gibt es einige konkrete Projekte, die dort vorangetrieben werden –, vertraue ich am meisten auf die Transparenzdatenbank und darauf, dass wir, wenn diese ihren Auftrag erfüllen soll, auch von den Gemeinden und Ländern die Daten erhalten, damit man sieht, wer dieselbe Sache von drei Seiten fördert. Es kann manchmal sinnvoll sein, das zu vereinfachen und auf eine Stelle zu reduzieren, aber es kann manchmal auch sinnvoll sein, eine gute Sache unter verschiedenen Aspekten vo­ranzutreiben, etwa im Bereich der Forschung oder auch in anderen Bereichen. Manch­mal kann uns das die Augen dahin gehend öffnen, wie oft, zwar gut gemeint, dasselbe Anliegen durch verschiedene Förderungen, je nachdem, welchen Schwerpunkt jemand gerade regional setzt, unterstützt wird.

Ich glaube also, wenn die Transparenzdatenbank die Gemeinde- und Länderdaten voll mit einbezieht, dann ist das der richtige Weg, denn Scheinwerfer darauf richten und Transparenz ist immer der erste Weg, jemanden zu überzeugen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Scheibner, bitte.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Bundeskanzler, Sie haben in Ihrer Re­gierungserklärung, auch bei Ihrem Amtsantritt und danach immer wieder versprochen, dass es eine Verwaltungsreform geben wird – dringend notwendig schon seit vielen Jahren. Es gab Österreich-Gespräche, Arbeitsgruppen, und letztlich haben Sie auch bei der Budgetsanierung, beim Sparpaket versprochen, dass 60 Prozent der Einspa­rungen über Einnahmenkürzungen und vor allem auch durch eine Verwaltungseinspa­rung erfolgen werden.

Wir haben gesehen, dass das leider nicht umgesetzt worden ist, sondern dass es zwar Ausgabenkürzungen und Einnahmenerhöhungen gegeben hat, aber die Verschwen­dung in der Verwaltung nach wie vor gegeben ist.

Sie haben jetzt gesagt: die Bundesländer und alle anderen, die das verhindern. Sie sind Bundeskanzler der Republik Österreich – hier ist der Verfassungsgesetzgeber. Das heißt, wir könnten durch gesetzliche Maßnahmen auch eine Verwaltungsreform umsetzen. Sind Sie bereit und haben Sie vor, noch in dieser Legislaturperiode gemein­sam mit dem Nationalrat echte Einsparungen durch eine moderne, effiziente Verwal­tung zu erzielen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wenn jene Einsparungen, die wir etwa bis 2015 vornehmen, die aber schon in den nächsten Jahren mit signifikanten Zahlen im Rah­men des Abbaus von Beamten im Bereich der Verwaltung ihren Niederschlag finden sollten, massiv vorangetrieben werden und nicht auf Widerstand stoßen, weil etwa die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und die zuständige Ministerin da sehr kollegial vor­gehen, dann hat dies nicht denselben Aufmerksamkeitsgrad, aber sinnvoll ist es trotz­dem, dort mit 2 000 Leuten herunterzufahren, um dafür genügend Lehrerinnen und Lehrer für unsere vielen Projekte, die wir dort haben, zum Beispiel im Ganztagsbereich oder im Bereich der Gemeinsamen Schule, zur Verfügung zu haben. Es gibt also auch viele Erfolge, die sich durchaus sehen lassen können, aber es sind dies eben Berei­che, die nicht so sehr in Streit stehen, dass sie dieselbe Aufmerksamkeit genießen.

Jene Punkte, die Kompetenzen mit den Bundesländern betreffen, erfahren viel mehr Aufmerksamkeit, und da möchte ich der Frage gar nicht ausweichen: Ja, ich wäre zum


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 22

Beispiel auch dafür, dass wir, wenn die Bundesländer uns nicht die nötigen Daten für die Transparenzdatenbank geben, gemeinsam einen entsprechenden Gesetzesantrag versuchen, um hier Nägel mit Köpfen zu machen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Musiol, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Herr Bundeskanzler! Verwaltungsreform bedeutet ja nicht nur Vereinfachung und Optimierung, sondern vor allem auch Zugang der BürgerInnen zu ihren rechtlichen Möglichkeiten.

Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen: Treten Sie wirklich dafür ein, dass eine neue Behörde geschaffen wird, nämlich ein Infrastrukturrat beim Infrastrukturminis­terium, anstatt den schon existierenden Umweltsenat als zweite UVP-Instanz bei Ei­senbahnen und Straßen zu betrauen, vor allem angesichts dessen, dass dann beide Instanzen im selben Haus angesiedelt sind?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sie wissen, ich war in diesem Bereich auch eine Zeitlang mit zuständig, nur „mit“, weil ja die Verhandlungen mit verschiedenen Minis­terien dazu überschneidend geführt wurden. Ich möchte diesen Verhandlungen und diesen Unterschieden, die es da als Ergebnis in der Meinung gibt, noch nicht vorgrei­fen. Prinzipiell bin ich dafür, dass es zu Vereinfachungen kommt. Prinzipiell bin ich da­für, dass auch Aufgaben, die verschiedene Ministerien wahrnehmen, zusammenge­führt werden. Aber ich will es mir jetzt nicht leicht machen, weil ich weiß, dass die Minister, die dafür verantwortlich sind, da in schwierigen Vorbereitungsarbeiten ste­cken. Ich möchte sie dabei unterstützen und Ihnen dann zum richtigen Zeitpunkt auch detailliert diesbezüglich Auskunft geben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Höbart, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Sie kennen vermutlich die verheerenden Kommentare quer durch die Republik über die – wie sagt man so schön? – Performance der Regierung hinsichtlich der längst über­fälligen Struktur- und Verwaltungsreform. Wir wissen, und das sagen auch sämtliche Experten, dass gerade eine solche Reform mittel- bis langfristig, das ist uns schon bewusst, Milliarden in die Staatskassen zurückspülen kann. So schreibt beispielsweise der „Kurier“ vom „Irrsinn der Verwaltung“, von „Machtinteressen der Länderfürsten als Gefahr für die Zukunft“. Auch Ihr Landeshauptmann Voves meinte, man kann keine Belastungen beschließen, aber Reformen verweigern.

Daher auch meine Zusatzfrage: Welche konkreten Schritte planen Sie, um endlich diese längst überfällige Strukturreform, nämlich wirklich nachhaltige, tiefgreifende Strukturreform, in Angriff zu nehmen, und vor allem, wie wollen Sie die Kompetenz­streitigkeiten zwischen Bund und Ländern in Angriff nehmen und auch lösen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Tatsächlich ist es so, dass in jedem Ministerium die Budgetvorgaben bedeuten, dass jemand mit weniger Geld auskommen muss, sprich effizienter werden muss, sonst kann er die Budgetvorgaben ja gar nicht einhal­ten. Der Weg, den wir am wenigsten wollen, ist natürlich der Weg über Kürzungen, wo­durch Qualität, die man haben möchte, vermindert oder nicht erreicht wird.

Es ist auf Grund der zusätzlichen Schwerpunkte, die in den einzelnen Bereichen ge­setzt werden, ja gar nicht anders möglich, als im machbaren Bereich mit viel Einsatz Reformen voranzutreiben. Das sind oft Tausende kleine Schritte, also nicht immer die ganz großen, öffentlich bemerkten, aber es sind wesentliche. Sie wissen, wir haben in


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 23

einer Zeit Regierungsverantwortung, in der es nicht darum geht, dass wir zusätzliche Steuereinnahmen ausgeben, sondern reduzieren müssen. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Zur Frage der Kompetenzen: Wenn nicht die Öffentlichkeit hinter uns steht, dass wir transparent sehen, was die Bundesländer und Gemeinden wofür ausgeben und warum da so ein Unterschied in ganz Österreich existiert, wenn wir da nicht auch gemeinsam mit der öffentlichen Diskussion und einem Gesetz, das uns auch die nötige Trans­parenz ermöglicht, vorangehen, können wir das weder im Förderwesen noch in einem viel umfangreicheren Bereich wie dem der Gesundheit erreichen.

Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg, aber ich verschweige Ihnen nicht, es wird noch ganz schön hart. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Witt­mann.

 


Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Es sind schon einige Reformvorhaben auf dem Weg, insbesondere im Schulsystem oder im Sicherheitsbe­reich. Ihnen ist es ein besonderes Anliegen, wie ich weiß, dass das Arbeitspaket 7, nämlich Effizienz der Verwaltung, das im internen Bereich der Ministerien verhandelt wird, voranschreitet. Ich würde Sie ersuchen, uns mitzuteilen: Welche Fortschritte gibt es im Bereich der internen Verwaltung bei Arbeitspaket 7?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Es gibt eine Fülle von Maßnahmen, die wir in dem von mir genannten Ministerratsentwurf bei 45 Projekten umzusetzen hatten. Mehr als zwei Drittel sind umgesetzt. Ich möchte Ihnen beispielsweise auch jene nennen, die auch den Zugang etwa auch für Unternehmer bei Unternehmensgründungen bevor­zugen, also wo nicht die Euro messbar sind in den Kassen der Ministerien oder des Fi­nanzministers, sondern wo die Einsparung messbar ist bei dem, der etwas von der Be­hörde braucht, der Genehmigungen benötigt.

Also alle One-Stop-Shop-Lösungen, die im Personalstandsbereich, bei Unternehmungs­gründungen, aber auch bezüglich zeitlicher und finanzieller Entlastungen quer durch diese Bereiche zwischen Wirtschaftsministerien und anderen Ministerien erarbeitet wurden, sind beschlossen und entweder schon umgesetzt oder werden umgesetzt. Auch die Projekte bei Fahrzeugen, Kommunikation, Ausbildung, Internet sind in Um­setzung. Wie gesagt: Zwei Drittel sind entweder bereits umgesetzt oder gerade vor En­de der Umsetzung.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur nächsten Anfrage, und zwar ist das die des Herrn Abgeordneten Podgorschek. – Bitte.

 


Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Sie haben im Jahre 2008 dem mittlerweile verstorbenen Zeitungsherausgeber Hans Di­chand einen offenen Brief geschrieben, in dem es anderem unter anderem heißt – ich zitiere und habe das auch gestern schon zitiert –:

„Auf der Basis einer kontinuierlichen Information und einer offenen Diskussion sind wir der Meinung, dass zukünftige Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen.“

Mittlerweile haben wir eine Vertragsänderung oder steht eine solche unmittelbar bevor mit der Einführung des Euro-Haftungsschirmes.

Daher meine Frage:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 24

101/M

„Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Teilnahme Österreichs an der Errichtung eines Euro-Haftungsschirmes von einer Volksabstimmung abhängig gemacht wird?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Auch wenn Sie es tausendmal wiederholen oder gestern entschuldigt waren – ich weiß es nicht –, möchte ich  (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Gerade diese Fragen beantworte ich schon das fünfzigste Mal, und sie werden deshalb auch nicht besser oder interessanter oder bekommen mehr News-Wert. (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Neubauer: Das ist unan­genehm!)

Wissen Sie, was wirklich unangenehm wäre? – Wenn wir keinen Schutzschirm hätten und wenn wir keinen dauerhaften Schutzschirm machen würden, denn das würde den Leuten direkt auf den Kopf fallen. Das wäre unangenehm. (Beifall bei der SPÖ.)

Da stelle ich mich hundertmal lieber hin und sage Ihnen: Wir hätten für diesen Schutz­schirm, wie wir ihn bisher hatten, keine gesetzlichen oder gar vertraglichen Änderun­gen benötigt, weil wir der Meinung sind, bei unserer Rechtslage war das nicht notwen­dig. Die Deutschen und andere haben das anders gesehen. Daher soll es zu dieser vernünftigen Änderung kommen, dass etwas, was sich bewährt hat, nämlich einen Schutzschirm für eine Währung aufzusetzen, auch verlängert wird. Und alle Nachteile, die es gibt, wo jemand sagt: Das bewährt sich nicht, denn das wird nichts helfen, das wird zu wenig helfen, das wird nicht ausreichend helfen!, kann man in einer ernsthaften Diskussion erörtern. Aber dass man etwas tun muss, ist klar, das ist jedenfalls der rich­tige Weg. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Pod­gorschek.

 


Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wenn die Einführung eines Rettungsschirmes, die ja unter Umständen zu massiven Zahlun­gen bis in Milliardenhöhe durch den Steuerzahler führen kann, kein Grund für eine Volksabstimmung ist, möchte ich Sie fragen: Was sind dann für Sie Gründe oder Ereig­nisse, die eine Volksabstimmung rechtfertigen, beziehungsweise kann ein möglicher Beitritt der Türkei zur Europäischen Union ein Grund für eine Volksabstimmung sein?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Eindeutig! Dazu haben wir uns verpflichtet, und das ist auch richtig, dass im Falle des Beitritts der Türkei eine Volksabstimmung vorzu­nehmen ist. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordnete Krainer, bitte.

 


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Die Frage Schutzschirm haben wir jetzt ja zwei Tage lang ausführlich diskutiert, letzte Woche im EU-Hauptausschuss und gestern im Nationalrat. Ein Aspekt ist mir da ein bisschen zu kurz gekommen, das ist die Frage auch der Gerechtigkeit der Lastenverteilung.

Jetzt haben wir in Österreich durch das Budget, durch die Bankenabgabe, durch die Spekulationssteuer, durch die Erhöhung der Stiftungsbesteuerung für mehr Gerech­tigkeit gesorgt. Welche Schritte kann man noch auf europäischer Ebene in Richtung mehr Steuergerechtigkeit setzen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Zuerst muss man eingestehen, dass auf europäi­scher Ebene ein guter Teil der Regierungschefs der Meinung sind, einnahmenseitige


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 25

gemeinsame Maßnahmen sind gar nicht erwünscht und gar nicht notwendig. Das ist eine schlechte Voraussetzung. Wenn wir alle der Meinung sind, es gibt so etwas wie systemrelevante Banken – wobei man da auch noch hinterfragen muss, ob das be­deutet, dass da nie eine Insolvenz möglich ist, und man auch noch hinterfragen muss, ob wirklich immer jede Bank systemrelevant ist, aber von der letzten Wirtschaftskrise wissen wir, dass zum Beispiel unsere Nationalbank festgelegt hat, unsere Banken sind systemrelevant –, und wenn man weiß, dass man als Steuerzahler auf Grund der Sys­temrelevanz auch zur Kasse gebeten wird, wenn etwas schief geht, dann, muss ich sagen, halte ich es für umso richtiger, dass man sich auch der Frage gemeinsamer Einnahmen auf europäischer Ebene, bei Finanzmärkten, beim Bankensektor et cetera, widmet.

Aber, wie gesagt, ein guter Teil der Regierungschefs vertritt grundsätzlich eine andere Meinung, die wollen das nicht. Daher ist das eine Frage von starker Öffentlichkeit. Wir sind, auch wenn wir als Land noch viel größer wären, nicht in der Lage, jemand ande­ren, der etwas grundsätzlich nicht will, dazu zu bringen, außer durch Überzeugung und durch öffentlichen Druck, und den sehe ich bei der Finanztransaktionssteuer gegeben. Ich will Ihnen nicht vorlesen, was alles damit hereinkommen könnte. Aber es gibt auch eine Reihe anderer Maßnahmen, auf steuerlicher Ebene, auf der Ebene der Einnah­men, wo man koordinieren kann, dass mehr hereinkommt und weniger versucht wird, mit Steuerdumping gegeneinander noch weniger an Einnahmen zu erreichen.

Also: Gegen Steuerdumping und für gemeinsame Einnahmen ist eine ganz wichtige Aufgabe, die man mit viel Druck erledigen kann, weil die Bürger in Europa anders den­ken als so manche Regierungen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Tamandl, bitte.

 


Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Die Opposition hat ges­tern im Zuge der beiden Debatten zum Euro-Rettungsschirm heftige Kritik geübt. (Abg. Bucher: Zu Recht!) Man hat auch gemeint, die Österreicher dürfen dafür zahlen, aber die Österreicher hätten davon nichts. Es sind Beispiele wie Feuerversicherung, ja Ver­sicherungen überhaupt genannt worden, in die man einbezahlt, aber von denen man nichts hat.

Herr Bundeskanzler, daher meine Frage: Welche Konsequenzen hätte das für Öster­reich, wenn wir beim Euro-Rettungsschirm nicht mitmachen würden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Die erste Konsequenz hätte es schon gehabt, wenn wir in dieser Wirtschaftskrise nicht gemeinsame Maßnahmen wie den Rettungs­schirm und Konjunkturpakete vorangetrieben hätten. Man hat ja in den dreißiger Jah­ren gesehen, wozu es führen kann. Ich weiß schon, in der Politik ist das, was man verhindert hat, nicht genauso interessant wie das, was man nicht verhindert hat, aber mir ist es trotzdem so lieber. Und ich würde es gar nicht im Vergleich erleben wollen, was es für verheerende Folgen hätte, wenn wir jetzt wirklich die Ratschläge wahrneh­men und hier durch Untätigkeit die Zukunft nicht gestalten würden.

Das Zweite – und da bin ich ganz Ihrer Meinung – ist, dass man natürlich von einem Schutzschirm auch dann etwas hat, wenn man nicht selbst betroffen ist. Hoffentlich wird unsere Stabilität durch gemeinsame Kraftanstrengung, durch richtige Politik immer so sein, dass wir nichts brauchen. Aber man hat etwas von einem Schutzschirm, denn es geht ja um Handelspartner, es handelt sich um Lebensbedingungen für Menschen in Europa, und davon, wie diese sich entwickeln, hat man sehr viel als österreichischer Staat und auch als Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 26

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Bucher, bitte.

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Bundeskanzler, es liegt doch auf der Hand, dass Sie Angst haben, die Bevölkerung zu befragen, weil Sie genau wissen, was dabei herauskommt: Sie würden eine Abfuhr erhalten. Das ist augenscheinlich. Aber Sie haben ja selber gesagt, ein guter Regierungschef achtet auf die Meinung des Volkes. Das machen Sie bewusst nicht. Stattdessen haben Sie letztes Wochenende wieder einige Milliarden-Versprechungen gemacht, sehr leichtsinnig, sehr leichtfertig, ohne die Bevölkerung einzubinden und uns im Hohen Haus zu informieren. Sie haben auch ges-tern auf unsere Fragen keine Antworten gegeben.

Was mich interessiert, ist: Jetzt steigt unsere Schuldenlast neuerlich von 70 Prozent auf 80 Prozent des BIP. Sagen Sie: Gibt es in Ihrem Kopf so etwas wie eine Schulden­grenze? Gibt es in Ihrem Kopf so etwas wie eine Grenze, die Sie nicht überschreiten wollen, um anderen maroden Ländern und Banken neuerlich Milliarden nachzuwerfen? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Die erste Grenze, die es in meinem Kopf gibt, ist eine Grenze für Polemik, wo ich finde, dass es dann wenig Sinn macht, sich sachlich auseinanderzusetzen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Bucher: Das ist keine Polemik, das ist eine Frage des Volkes!)

Die zweite Grenze ist: Ich habe die Fragen nicht nur des Volkes, sondern auch Ihre Fragen gestern beantwortet. (Abg. Bucher: Sie haben keine meiner Fragen beantwor­tet!) Da können Sie sagen, das ist Ihnen zu wenig, Sie hätten es anders beantwortet. Ich habe von Ihnen eigentlich noch nicht gehört, wie Sie die Zukunft Europas gestalten wollen, außer dass Sie ständig alles in Konkurs gehen lassen wollen. (Abg. Scheib­ner: Das ist ja eine Fragestunde an Sie! – Abg. Strache: Entlassung der schwachen Volkswirtschaften aus der Eurozone! – Sie hören ja nicht zu, Herr Bundeskanzler!)

Daher ist es ganz einfach: Überlassen Sie uns die Gestaltung der Zukunft! (Abg. Stra­che: Das ist eine Sauerei, was Sie da aufführen! Eine derartige Präpotenz, wie Sie da agieren!) Überlassen Sie es uns! Und verlassen Sie sich darauf: Wir haben das Land richtig durch die Krise geführt und werden auch anschließend wieder das Wachstum vorantreiben! (Lebhafter Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeord­neten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen, bitte. (Abg. Scheibner: Sie haben auf Fragen zu antworten, Herr Bundeskanz­ler, und keine Polemik zu betreiben!)

 


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundeskanzler! Im Zu­sammenhang mit dem ESM reden wir ja eigentlich von zwei Dingen: Das eine ist die Neufassung des Art. 136, die hier in diesem Haus ratifiziert werden muss, und das an­dere ist der zwischenstaatliche Vertrag mit der Satzung und den eigentlichen Details des ESM.

Teilen Sie meine Meinung, dass diese beiden Dinge hier im Hause simultan, gleich­zeitig beschlossen werden müssen? – Sonst würden wir ja bei Art. 136 gar nicht wis­sen, worüber genau abgestimmt wird.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Na ja, ich teile die Ansicht, dass es einen engen Zusammenhang deshalb gibt, weil es ja keinen Sinn hätte, eine Maßnahme vorüberge­hend zu setzen, von der man schon weiß, dass man sie längerfristig gestalten will, und


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 27

das nicht aufeinander abstimmt. Aber ich würde mir erwarten, dass wir die Frage, ob man hier nicht sinnhafterweise in einer gemeinsamen Diskussion eine unterschiedliche zeitliche Abfolge setzt, gemeinsam ausdiskutieren, wie ich überhaupt davon überzeugt bin, dass wir auch andere Fragen der besseren und verstärkten Information auf parla­mentarischer Ebene gemeinsam ausdiskutieren sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Tadler, bitte.

 


Abgeordneter Erich Tadler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Bundeskanzler, einen wunderschönen guten Morgen! Meine konkrete Frage: Für welche klaren Regeln wer­den Sie sich bei der EU bezüglich der Finanzmärkte als begleitende Maßnahme des Euro-Haftungsschirms einsetzen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Das sehe ich auf zwei Ebenen: Einerseits durch eine starke Finanzmarktaufsicht, die auch stark genug sein muss, in Europa gewisse Spekulationen zu verhindern. Ich müsste jetzt ins Detail gehen, aber hier gibt es eine Fülle von Maßnahmen, von denen wir glauben, dass zwar das eine oder andere sanft erfolgt ist und weiter erfolgt, aber das geht uns zu langsam.

Das andere ist, dass Länder, die stabile finanzielle Verhältnisse haben, auch weniger durch Spekulation gefährdet sind, denn Spekulation setzt ja dort an, wo man irgendei­nen Grund findet – der kann ganz unterschiedlich sein. Daher bin ich dafür, die Wettbe­werbsfähigkeit eines Landes, aber natürlich auch die Neuverschuldung und andere Kri­terien zu beobachten. Das heißt umgekehrt, ich bin für alles, was die Stabilität stärkt, denn das verhindert auch die Spekulation – und diese Maßnahmen sind zu unterstüt­zen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 102/M des Herrn Ab­geordneten Dr. Van der Bellen. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundeskanzler! Arti­kel 23e der österreichischen Bundesverfassung schreibt vor, dass die Mitglieder der Bundesregierung den Nationalrat unverzüglich über EU-Vorhaben zu informieren und dem Nationalrat Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben haben. Jetzt hat es nach­weislich mehrere Fälle gegeben, bei denen diese Bestimmung nicht eingehalten wurde.

102/M

„Wie gedenken Sie sicherzustellen, dass die Mitglieder der Bundesregierung künftig den Artikel 23e B-VG einhalten und den Nationalrat unverzüglich und vollständig über EU-Vorhaben informieren?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Herr Abgeordneter, wie Sie richtig zitiert haben, beinhaltet Artikel 23e B-VG eine Verpflichtung, allerdings eine Verpflichtung des jeweils zuständigen Bundesministers: Die Weitergabe von Information liegt grundsätzlich in dessen Verantwortungsbereich.

Trotzdem – das soll gar keine Ausrede sein – ist es sinnvoller, hier eine gemeinsame Vorgangsweise zu suchen. Die parlamentarischen Gespräche, die dazu stattfinden, verfolge ich nicht nur mit Aufmerksamkeit, sondern unterstütze sie auch, weil auch ich daran interessiert bin, dass jene – insbesondere natürlich auch in diesem Hause –, die an einer konstruktiven Gestaltung interessiert sind, die an einer konstruktiven Europäi­schen Union interessiert sind, trotz aller Unterschiede in der Haltung gegenüber der Europäischen Union, trotz aller Gegensätze, die es in der Politik geben soll und muss,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 28

hier zusammenhalten sollten. Dazu gehört auch, dass eine gute und klare Informa­tionspolitik erfolgt. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundeskanzler! Wir ha­ben hier eine eindeutige Verfassungsbestimmung, und meine Sorge ist, dass wir auch in einem künftigen Informationsgesetz gute Bestimmungen haben, die aber sanktions­los sind, wenn sie nicht eingehalten werden.

Könnten Sie sich vorstellen, dass wir gemeinsam darüber nachdenken, welche Sank­tionen – die nicht in einem Rücktritt bestehen, sondern andere Sanktionen – wir uns vorstellen könnten, damit diese Informationsbestimmungen, Informationspflichten tat­sächlich eingehalten werden? (Abg. Mag. Stadler: Könnten Sie sich vorstellen, ge­meinsam darüber nachzudenken?!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Für gemeinsame Vorgangsweisen und auch das gemeinsame Finden von und Nachdenken über Fragen bin ich immer.

Als einer der Verantwortlichen, der direkt für Information zuständig ist, möchte ich schon sagen, dass wir manches Mal vor und nach einem Europäischen Rat bespre­chen müssten, wie man sich diese Information vorstellt. Das Übersenden von Entwür­fen oder das Übersenden von Schlussfolgerungen ist natürlich nur ein Teil der Informa­tion, das ist mir klar, auch die Bewertung ist eine entscheidende Frage.

Wenn wir uns einmal darüber einig sind, wie wir den Kern dieser Information verste­hen, die Notwendigkeit der Struktur dieser Information, dann gehe ich davon aus, dass das alle mit guter Absicht auch einhalten werden.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Hübner, bitte. (Rufe beim BZÖ – in Richtung des sich zum Mikrofon begebenden Abg. Dr. Hüb­ner –: Wo ist er denn? Hallo! Guten Morgen!)

 


Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Bundeskanzler, eine grundsätzliche Zusatzfrage: Sind Sie der Meinung, dass die Mitwirkung des Parlaments in europäi­schen Fragen, so wie sie derzeit im genannten Artikel 23e B-VG geregelt ist, dem We­sen der parlamentarischen Demokratie überhaupt noch entspricht? – Ich beziehe mich da einerseits auf die Frage der Subsidiaritätsprüfung, wo das Parlament im Wesent­lichen nur einen Leserbrief schreiben darf, und wenn nicht alle Leserbriefe gleichartig ablehnend sind, dieser keine Bedeutung hat und keine Beachtung findet, andererseits auf den Mitwirkungsmodus, wo eine Bindung ebenfalls nicht besteht, wo der zuständi­ge Vertreter der Bundesregierung jederzeit aus sogenannten zwingenden integrations­politischen Gründen von der Stellungnahme des Nationalrates abweichen kann und diesen dann nur neuerlich befassen muss.

Halten Sie das überhaupt für angemessen und dem Wesen unseres demokratischen Verständnisses entsprechend?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Es ist ja unbestritten, dass eine bessere bezie­hungsweise eine ausreichende Mitwirkung in Fragen der Entscheidungen der Europäi­schen Union deshalb auf der Tagesordnung stehen muss, weil ja immer mehr auch sogenannte innenpolitische Entscheidungen gleichfalls durch die Europäische Union beeinflusst und damit letztlich entschieden werden und das daher einen wesentlichen Teil der Entscheidung über die Zukunft eines Landes darstellt.


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Man muss die zweite Seite aber auch ins Treffen führen: Bei der Unterschiedlichkeit, die schon existiert, sollten sich die 27 Nationalstaaten die Voraussetzungen für die Pro­zesse, wie sie eine Meinungsbildung zustande bringen und wie handlungsfähig sie bei der Suche nach einem Kompromiss sind, nicht verschlechtern, denn einer der Haupt­vorwürfe im EU-Hauptausschuss in der Diskussion über die Schlussfolgerungen der letzten Monate war immer wieder: Das ist ein bisschen wenig, was da beschlossen wird! Geht nicht sozusagen Effizienteres, Schnelleres, mehr an gemeinsamer Koordi­nation in Europa?

Da hat natürlich der Aspekt, dass die 27 Nationalstaaten nicht Mechanismen einführen, die zu einem völligen Stillstand führen, berücksichtigt zu werden. Genau in dieser Ge­gensätzlichkeit, davon bin ich überzeugt, finden wir richtige Lösungen für Österreich.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Mutto­nen, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Bundeskanzler, es ist natürlich wichtig, und zwar ganz besonders wichtig, neben dem Parlament auch die breite Öf­fentlichkeit kontinuierlich über EU-Maßnahmen und über EU-Themen zu informieren, ja den Informationsfluss ständig zu verbessern. Welche Maßnahmen werden und können Sie setzen, die in diese Richtung gehen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Zu nennen sind in diesem Zusammenhang Berich­te über die Vorhaben in der Europäischen Union, über Beschlüsse, über Ministerrats­sitzungen, selbstverständlich auch das österreichische Parlament, aber darüber hinaus auch öffentliche Stellungnahmen, Diskussionen in Schulen, öffentliche Diskussionen. Da gibt es eine Reihe von ganz konkreten Informationsprojekten.

Das Wesentliche scheint mir zu sein, dass man in dieser Europäischen Union, wenn man den Grundkonsens hat, dass man die Europäische Union weiterentwickeln will, diese Information auch verwendet, um aufzuklären. Und da wäre es natürlich ein gro­ßer Vorteil, wenn alle Abgeordneten in diesem Haus an dieser Informationsarbeit auch mitwirkten.

Warum sage ich das? – Weil ich davon überzeugt bin, dass unterschiedliche Meinun­gen darüber, wie dieser Schutzschirm ausschauen soll, wie die Zukunft gestaltet wer­den soll, nicht dazu führen müssen, dass man sich in gegenseitigen Polemiken ver­fängt. Und daher noch einmal: Ich wäre sehr daran interessiert, dass diese Informa­tionspolitik von uns als Bundesregierung verstärkt wird, aber: Je mehr daran mitwirken, umso sinnvoller. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Donabauer, bitte.

 


Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Frau Präsident! Herr Bundeskanzler! Sie ha­ben am Beginn Ihrer Tätigkeit sehr viel Wert darauf gelegt, die Informationspolitik zu vertiefen. Sie haben auch gestern in der Aktuellen Stunde in einer für mich bemerkens­werten Weise davon gesprochen, dass Sie das in Zukunft gerade auch in Richtung Parlament noch mehr ausbauen wollen.

Nunmehr gibt es ein neues EU-Informationsgesetz, wonach der Informationsfluss über wichtige Entscheidungen auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs, des Euro­päischen Rates auch in Richtung der nationalen Gesetzgebung besser werden soll.

Welche Vorgangsweise ist da geplant? Und welche Überlegungen stellen Sie dazu an, damit eine Meinungsbildung zeitgerecht stattfinden kann?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 



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Bundeskanzler Werner Faymann: Wie können wir das bei jenen Gesprächen, die auf parlamentarischer Ebene stattfinden, vertiefen? – Zur Form des Unterlagen-, Informa­tionsaustausches zwischen dem Parlament und den Regierungsvertretern habe ich schon Stellung genommen, das kann ich nur noch einmal unterstreichen.

Bezüglich jener Informationen, die öffentlich zu machen sind, gibt es gemeinsam mit dem Außenministerium ein Programm, das bei den verschiedensten Bereichen an­setzt: bei Schulpartnerschaften, gegenüber Gemeindevertretern, bei Veranstaltungen auf lokaler Ebene. Es wird auch Einzelfälle geben, wo selbst telefonische oder andere Auskünfte möglich sind – vor allem dort, wo es um sehr konkrete Fragen, ja sogar um Serviceleistungen für den Bürger geht.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Stad­ler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Bundeskanzler, wenn wir mit Ihnen nicht gestern im Rahmen einer Dringlichen des BZÖ darüber diskutiert hätten, hätten Sie mit dem Plenum überhaupt nicht über die 17 Milliarden € an Garantien, die Sie in Brüssel auf den Tisch gelegt haben, und über die 4,5 Milliarden €, die Sie darüber hi­naus an Beiträgen für diesen Rettungsschirm auf den Tisch gelegt haben, diskutiert.

Dabei sind nicht nur die Informationsrechte des Hauptausschusses des Nationalrates betroffen, wie Kollege Van der Bellen releviert hat, sondern auch die Budgethoheit des Parlaments, des Nationalrates.

Wie werden Sie in Zukunft, bevor Sie wieder Milliarden in Brüssel abliefern, dafür sor­gen, dass Sie vorher mit dem Plenum darüber diskutieren können, das hier die Budget­hoheit für den Wähler wahrnimmt, denn den Wähler haben Sie auch nicht gefragt? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich habe gestern im Rahmen zweier Möglichkei­ten – bei der Aktuellen Stunde und ... (Abg. Mag. Stadler: Die wir geschaffen haben!) – Sie können ja stolz darauf sein, dass Sie auch eine Möglichkeit geschaffen haben (Abg. Mag. Stadler: Sie brauchen uns!), da habe ich ja gar nichts dagegen! Ich war da und habe Ihre Fragen beantwortet. – Dass Sie sagen, das sind nicht die Antworten, die Sie gerne gehört hätten, ist legitim.

Jetzt diskutieren wir darüber, bei welchen Gelegenheiten eine Mitteilung erfolgen sollte, bei welchen Gelegenheiten das so wie gestern abzuwickeln ist und wie wir gemeinsam einen Weg finden. Ich glaube, wir werden nicht daran scheitern, einen geeigneten Weg zu finden, in der Europapolitik miteinander zu diskutieren; es wird schwierig, einen Weg zu finden, wie wir uns einigen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 103/M des Herrn Ab­geordneten Bucher. – Bitte.

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Bundeskanzler! Zunächst müssten Sie ein­mal die Begriffe Polemik und Diskurs auseinanderhalten. (Bundeskanzler Faymann: Sehr richtig!) Diskurs findet hier im Parlament statt. (Abg. Riepl: Und für Polemik sind Sie zuständig!)

Wenn es Ihnen, Herr Bundeskanzler, peinlich ist, im Hohen Haus sozusagen über Fra­gen des Volkes zu diskutieren, dann sollten Sie nicht in die Politik gehen, sondern dann müssen zurück in irgendein Kämmerchen der SPÖ Favoriten oder wo auch im­mer Sie Ihre Zukunft sehen. (Beifall beim BZÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben letztes Wochenende diesen Euro-Plus-Pakt unter­schrieben, das ist ein Pakt mit dem Teufel! Das heißt, künftig werden die Österreiche­


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rinnen und Österreicher, auch die Arbeiterinnen und Arbeiter der SPÖ (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim), meine sehr geehrten Damen und Herren, mehr zahlen, damit sie weniger verdienen dürfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Weg, den Sie da unterschrieben haben, geht in Richtung europäische Zentralregierung, gemeinsame Steuerpolitik, gemeinsa­me Lohnpolitik.

Können Sie ausschließen, dass künftighin nicht in Brüssel bestimmt wird, wie viel die Arbeiter, die Arbeitnehmerinnen in Österreich verdienen dürfen, wie hoch die Steuern in nächster Zukunft bei uns angesetzt sein werden und dass uns eine Entmachtung droht, nämlich hier im Hohen Haus und innerhalb der österreichischen Politik? Denn das, was Sie gemacht haben, ist fahrlässig für die Zukunft Österreichs und für die nächs­ten Generationen. (Beifall beim BZÖ.)

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 103/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche konkreten Maßnahmen, die Sie in den kommenden zwölf Monaten umsetzen werden, kündigen Sie der EU gegenüber zur Umsetzung des ,Euro-Plus-Pakts‘ an?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Bucher, wir haben jetzt ein Riesenproblem, da Sie nicht die Frage formuliert haben, die Sie eingebracht haben. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Das heißt, das ist eine Abweichung von der Ge­schäftsordnung. Ich halte das nur fest und halte an dieser Stelle auch schon fest, dass wir darüber in der Präsidiale zu befinden haben werden. (Abg. Grosz: Ja, aber auch die Beantwortung des Bundeskanzlers! Über die ... zu diskutieren, die entspricht auch nicht ...! – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)

Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler zur Beantwortung der Frage das Wort. – Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Einem Diskurs stelle ich mich immer, Polemiken weise ich zurück. Das werde ich auch in Zukunft so halten.

Zur Frage, die Sie gestellt haben: Die Tarifverhandlungen der Sozialpartner in Öster­reich werden weiter autonom und unabhängig stattfinden. Es wird uns keine Zentral­stelle, Zentralregierung oder sonst irgendein Teufel beherrschen, sondern es werden die Sozialpartner in Österreich die Verhandlungen führen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zweite ist die Steuerhoheit: Ja, wir wollen mit den anderen Ländern darüber disku­tieren, wie wir eine gemeinsame Basis finden, dass der Staat auch etwas einnimmt zur Bewältigung seiner Aufgaben. (Abg. Bucher: Höhere Steuern! Höhere Steuern!) Ja, wir wollen auch darüber diskutieren, wie viel Unternehmen bezahlen. Sollen wir einan­der durch Dumping bei den Steuereinnahmen bekämpfen, oder sollen wir gemeinsam im Wettbewerb dafür werben, dass den staatlichen Aufgaben, die wir leisten wollen, auch Einnahmen gegenüberstehen? Da geht es um die Bemessungsgrundlage, da geht es auch in den Vermögensbereich hinein (Abg. Bucher: Also höhere Steuern!), um die Frage, wieso Arm und Reich so auseinandergehen.

Das soll dort diskutiert und womöglich auch koordiniert werden. Entschieden wird das hier in Österreich, die Entscheidung bleibt in den Nationalstaaten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordne­ter? – Bitte.

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Meine erste Frage war auf den Euro-Plus-Pakt gerichtet. Welche Auswirkungen hat dieser auf die ArbeitnehmerInnen und Arbeitge­ber? Können Sie ausschließen – nachdem Ihre eigenen Gewerkschaftsfunktionäre wie


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Foglar et cetera starke Kritik daran geübt haben –, dass Ihnen von Brüssel zukünftig diktiert wird, wie die Lohnverhandlungen in Österreich geführt werden müssen? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Die Gewerkschaften in vielen Teilen Europas ha­ben zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass sie keine Eingriffe in Lohnverhand­lungen wollen, so wie wir das in Österreich kennen. Damit ist das auch für all jene, die das vorhatten, von der Tagesordnung. Ich kann Ihnen nur eines verraten: Es waren nicht die Sozialdemokraten in Europa, die das vorhatten, sondern es hatten eher jene, die sich einem neoliberalen Weltbild hingeben, diese Idee. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich freue mich also, Sie auf der Seite jener begrüßen zu dürfen, die dafür sind, dass das, was die Gewerkschaften sagen, gehört und ernst genommen wird und dass wir dafür sorgen, dass Sozialpartnerverhandlungen hier in Österreich stattfinden. Ja, wir werden weiter darüber hier im Land entscheiden. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Das ist offensichtlich die Malaise der EU-Debatte: dass eine solche nicht differenziert geführt werden kann.

Ich verwahre mich im Namen meiner Fraktion ausdrücklich dagegen, dass hier Pakte mit dem Teufel geschlossen werden. Trotzdem die Fragestellung zum Euro-Plus-Pakt.

Folgende Zusatzfrage: Der EU-Kommissar für Finanzen war ja kürzlich in Österreich und hat zum Ausdruck gebracht, dass er relativ wenig von Steuerharmonisierungen im Bereich der Kapital- und Kapitalertragssteuern hält, nämlich mit den Richtsätzen nach unten, um genau dieses Steuerdumping, das Sie beschrieben haben und das ich nicht wiederholen werde, zu verhindern.

Wie also wollen Sie in Brüssel auftreten und vorgehen, um genau dieses schädliche Steuerdumping zu verhindern und allenfalls sogar darauf hinzuwirken, dass wir in Bäl­de zu einem Abgehen vom Einstimmigkeitsprinzip kommen, weil momentan ja jedes Land, das Steuerdumping betreiben will, alle anderen in Geiselhaft nehmen kann?

Da hätten Sie also einen großen Auftrag. Wie werden Sie diesen erfüllen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sie wissen, der Konflikt besteht genau darin – Sie sagen das ja auch selbst –, dass den Nationalstaaten in ihrer Entscheidung von nie­mandem dreingeredet werden oder die Entscheidungsbefugnis in der Steuerpolitik gar abgegeben werden soll, das heißt, die Nationalstaaten sollen diese Eigenständigkeit voll, ernsthaft und uneingeschränkt weiter haben.

Das ist ja auch unsere Position hier im österreichischen Parlament – zumindest habe ich von Ihnen selbst noch keine andere gehört. Daher ist dies unsere Position: Wir tre­ten nicht für eine Vertragsänderung in die Richtung ein, dass die Steuerpolitik woan­ders entschieden werden soll, sondern im Gegenteil, wir treten dafür ein, dass der Na­tionalstaat diese Macht hat. Deshalb ist es schwierig, jemand anderen davon zu über­zeugen, der in seinem Parlament andere Beschlüsse hat oder herbeiführt.

Daher ist das ein mühsamer Weg. Und das ist ja einer der Gründe dafür, warum es manches Mal so hart ist und manches Mal so langsam weitergeht. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Strutz, bitte. (Abg. Grosz – in Richtung einer Gruppe von Besuchern blickend, die die Galerie verlässt –: Die Bürger nehmen Reißaus! Die rennen ja alle davon!)

 



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Abgeordneter Dr. Martin Strutz (FPÖ): Herr Bundeskanzler! Der Euro-Plus-Pakt sieht unterschiedliche Maßnahmen zur Förderung des Wettbewerbs und auch zur Stabilisie­rung vor. Die Erklärungen sind aber nicht bindend, und es gibt auch keinen Sanktions­mechanismus.

Wie soll dieser Euro-Plus-Pakt die Euro-Währung dauerhaft stabilisieren, wenn es sich rein um politische Willenserklärungen handelt und in Wirklichkeit kein Sanktionsmecha­nismus greifen kann?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Es schließt an die vorige Beantwortung an: Wenn man sich darüber verständigt, dass die Art und Weise der Durchführung, also sozusa­gen der Weg zum Ziel, in den Nationalstaaten unabhängig zu entscheiden ist, dann wird die Europäische Union auch keine Sanktionen setzen, die diese Unabhängigkeit des Weges einschränken. Also: Wenn das Ziel lautet, die Forschung muss gefördert werden, und in den einzelnen Nationalstaaten unterschiedliche Konzepte existieren, wie lange es dauert, bis gewisse Prozentsätze des BIP erreicht werden, und das in ganz Europa, dann wird man sich auch zu keinen Strafbestimmungen durchringen, wenn es jemand nicht erreicht, weil diese Wege in den jeweiligen Ländern beschritten werden.

Also es stimmt: Die Europäische Union ist zu keiner gemeinsamen Wirtschaftsregie­rung in der Lage, die nationalstaatliche Prozesse zurückdrängt. Im Gegenteil, die Euro­päische Union hat sich für diesen harten Weg entschieden, bei 27 nationalstaatlichen Meinungsfindungen zu Ergebnissen zu gelangen. Das dauert länger, das ist härter, und da ist es auch nicht immer möglich, mit Sanktionen zu drohen oder diese einzufüh­ren.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Weninger, bitte.

 


Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Wir haben jetzt sehr viel über Finanzpolitik und Geldpolitik gesprochen. Ich würde gerne zu den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen.

Inwieweit können aus Ihrer Sicht die Beschlüsse des Europäischen Rates, auch die Regelungen des Euro-Plus-Paktes dazu beitragen, Wohlstand in Europa zu sichern, vor allem Arbeitsplätze zu schaffen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wenn man die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes als einen wichtigen Faktor einsetzt, dann heißt das ja nichts anderes, als dass man da­für sorgen möchte, dass es Wachstum gibt. Nachhaltiges Wachstum wäre besser als Wachstum in den Finanzmärkten; realwirtschaftliches Wachstum ist besser. Wachstum in grünen Technologien ist besser als in anderen Technologien, die keinesfalls als nach­haltig zu bewerten sind.

Wenn man sich also einmal über die Kriterien des Wachstums einigt, dann kann man sehr rasch sagen: Jawohl, das schafft die meisten Arbeitsplätze. Und wenn es dann auch noch bei der Verteilung einigermaßen gerecht zugeht, dann führt das auch dazu, dass Menschen sehen, dass dieses gemeinsame Erwirtschaften auch gerecht verteilt wird.

Wettbewerbsfähigkeit ist also grundsätzlich ein richtiger Weg auch für Beschäftigungs­politik. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Schön­egger, bitte.

 



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Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Meine Frage ist gleichzeitig eine Bitte: Könnten Sie uns einen kurzen Überblick über die wesentlichen Inhalte der Verhandlungen zum Europäischen Rat am 24. und 25. März geben, wenn möglich über die Mitteilungen, die bereits an die Medien ergangen sind, hinaus?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Da habe ich nur ein Problem, das sind die zwei Mi­nuten, auf die die Präsidentin achtet. (Abg. Grosz: Eine Minute!) Eine Minute bei den Zusatzfragen, richtig.

Die Punkte, die dazu führen, Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen, sind aus meiner Sicht am heftigsten diskutiert worden bei der Frage: Heißt das, dass wir nur Daten ein­liefern, wie wir uns bei Pensionssystemen verbessern, wie wir uns bei Forschung, Ent­wicklung verbessern, oder heißt das auch, dass wir zu gemeinsamen Kraftanstren­gungen kommen, wenn es um gemeinsame Forschungsprojekte, gemeinsame Struk­turförderungen, Strukturmaßnahmen geht?

Das Interessante auch im Hintergrund bei den Diskussionen ist: Bei denjenigen, die für gemeinsame Festlegungen zur Wettbewerbsfähigkeit sind, steigt auch die Zustimmung dazu, etwa über die Finanztransaktionssteuer, über gemeinsame Einnahmen dafür zu reden, weil man das sonst nicht finanzieren kann.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 105/M des Herrn Ab­geordneten Elmar Mayer. – Bitte.

 


Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich möchte zum Thema Bildungspolitik, Bildungsreform eine Anfrage an Sie stellen. Ich habe bei der Vorbereitung zu dieser Frage gesehen, dass eigentlich die Liste an Vorschlägen der Regierung, die wir bisher schon im Parlament abgearbeitet haben, sehr, sehr lang ist. Da sind Dinge dabei wie kleinere Klassen, Sprachförderung, Bildungsstandards, Berufsmatura, Bildungsplan für Unter-6-Jährige, verpflichtendes Kindergartenjahr und anderes. Trotzdem haben Sie das Jahr 2011 zum Jahr der Bildung erklärt.

Meine Frage lautet daher: Was sind die konkreten Maßnahmen, die Sie hier als Regie­rung setzen möchten?

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 105/M, hat folgenden Wortlaut:

„2011 ist das Jahr der Bildung: Welche Vorhaben plant die Bundesregierung?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Bereits ab September 117 zusätzliche Neue Mittel­schulen zu den bestehenden 320, bis 2014 80 Millionen € jährlich für zusätzliche schu­lische Tagesbetreuung, Schaffung von 160 000 Betreuungsplätzen, von 210 000 Plät­zen inklusive Hortangeboten.

Warum sage ich das? – Weil auch ganz konkrete Zahlen, nachrechenbar und nach­weisbar, über das Zurverfügungstellen von Plätzen notwendig sind, um einerseits das Defizit, das wir in Österreich bei der Kinderbetreuung haben, abzudecken und anderer­seits die fehlenden Ganztagsschulplätze, die nachgefragt werden, abzudecken.

Die Bildungsreform hat also viele Facetten: inhaltliche, Verhandlungen mit den Lehre­rinnen und Lehrern, aber natürlich auch das Zurverfügungstellen von Infrastruktur und das Mit-Leben-Erfüllen von jenen Maßnahmen, auf die wir uns geeinigt haben, etwa zum Ausbau von ganztägigen Schulformen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mayer.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 35

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Es werden also zusätzliche Bundesmittel in doch erheblichem Ausmaß in den Umstieg von Hauptschulen auf Neue Mittelschulen inves­tiert und gleichzeitig auch in den Ausbau für die ganztägige Betreuung an den Schulen.

Wie stellen Sie sich die weitere Vorgangsweise in diesem Bereich konkret vor?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Natürlich in Zusammenarbeit mit den Ländern, weil wir uns hier ja nicht auf eine Vorgangsweise nach dem Motto „alles den Ländern“ oder „alles dem Bund“ einigen können, sondern in unserem föderalen System die Zu­sammenarbeit mit den Ländern gefordert ist.

In den Budgetverhandlungen muss natürlich auch immer darauf Rücksicht genommen werden, dass die Ressortminister bei Einsparungspotenzialen, die sie natürlich anders­wo auch zur Verfügung haben, mit zusätzlicher Kraftanstrengung diese Mittel auch aus dem Budget finanziert bekommen.

Ich weiß, dass in dem Bildungsplan, den wir im Ministerrat beschlossen haben, und in den Verhandlungen, die zwischen der Ministerin und den Schulverantwortlichen des Koalitionspartners im Gange sind, hier ganz konkrete Umsetzungsschritte vereinbart werden. Ich bin davon überzeugt, dass das zu jenen großen Vorhaben gehört, um die wir im Hohen Haus die Liste, die Sie haben, noch erweitern werden.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Fuhr­mann, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Herr Bundeskanzler, mich würde inter­essieren, wie es mit den Umsetzungsmaßnahmen zum neuen Dienstrecht für Bundes­mitarbeiter, die sich in Ihrem Wirkungsbereich befinden, aussieht. Insbesondere inter­essiert mich die Implementierung des Bologna-Prozesses. Das heißt: Wie sieht es mit der Anerkennung des Abschlusses „Bachelor“ aus?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Die Anerkennung des Abschlusses „Bachelor“ hat natürlich eine Reihe von Facetten beim Dienstrecht und bei den Kosten, die dadurch entstehen, und bei den Entwicklungen, die dafür einzuplanen sind – bei gleichzeitigem Wunsch, in der öffentlichen Verwaltung dieselben Leistungen zu geringeren Kosten er­bringen zu können. Daher fällt es der zuständigen Ministerin nicht so leicht, einfach ins Parlament zu kommen und zu sagen, wir setzen alles gleich und alle, die irgendwie dem entsprechen, verdienen morgen um so viel mehr.

Daher ist es richtig, dass diese Frage, wie man den Bologna-Prozess auch in Öster­reich so umsetzen kann, natürlich in Diskussionen gemeinsam mit den Personalvertre­tern, gemeinsam mit den Interessenvertretern zu erarbeiten ist.

Bei den konkreten Verhandlungen, die es zwischen den Gewerkschaften und den bei­den Ministerinnen, die in diesem Bereich zuständig sind, gibt, empfinde ich es als sehr positiv, dass da auch abseits des öffentlichen Scheinwerferlichts sehr emsig gearbeitet wird.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Haubner, bitte.

 


Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Herr Bundeskanzler! Auch 2011 sind Schulen in freier Trägerschaft in der österreichischen Bildungslandschaft ein wichtiges Angebot, auch im Sinne der freien Schulwahl.

Nun sind zu Recht Schüler, Eltern sowie Pädagoginnen und Pädagogen verunsichert, denn die Unterrichtsministerin hat Maßnahmen angekündigt, die diese Schulen in ihrer


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Existenz gefährden könnten: Maßnahmen wie zum Beispiel Kürzung der Förderungen; Maßnahmen, die Auswirkungen haben in Form eines quasi Berufsverbotes für Pädago­gen, die ausschließlich zum Beispiel Montessori- oder Waldorf-Ausbildung haben.

Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler: Wissen Sie, welchen Zweck die Bundesministerin damit verfolgt, und findet das Ihre Unterstützung?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Frau Abgeordnete, was die Vereinheitlichung der Ausbildung betrifft und die einzelnen Anforderungen, die es gibt, von Montessori oder anderen, so bin ich nicht so sehr im Detail damit befasst, um Ihnen jetzt garantieren zu können, dass sinnhafte Ausbildungen, die bestehen, hier völlig eingebunden sind. Dem werde ich aber nachgehen.

Die zweite Frage, die mir natürlich sehr häufig gestellt wird, ist, warum eine bestimmte Schule, eine bestimmte Förderung, ein bestimmtes Projekt nicht in dem selben Umfang aufrechterhalten wird. Das hat natürlich zu tun mit der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Es gibt hinsichtlich der Finanzierung einen festgelegten Schlüssel zwi­schen Bund und Ländern, wo genau festgelegt wurde, wie viele Lehrer, wie viel Geld aufzuwenden ist. Wenn sich Länder daran nicht halten, dann geht es nicht so wie in der Vergangenheit, dass sie hoffen, dass es keiner sieht, sondern dann müssen sie entweder mit uns über neue Kriterien diskutieren, oder sie müssen das aus Landes­mitteln bezahlen. Denn eines kann nicht sein: dass man sich zuerst etwas ausmacht, und dann hält man es nicht ein.

Aber ich kenne diese Diskussion. Sie wird in sehr vielen Schulen in Österreich geführt und ist eine Frage des Abstimmungsprozesses zwischen dem Bund und den Ländern.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Walser, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Bundeskanzler! Das Wifo hat die Struktur des österreichischen Schulwesens als „organisierte Verantwortungslosigkeit“, als organisierte Geldverschwendung bezeichnet.

Im Verfassungsausschuss im April vergangenen Jahres hat die Regierung ein Papier präsentiert, das nicht nur von den Regierungsparteien, sondern auch von der Opposi­tion sehr positiv aufgenommen worden ist. Vorwärtsgegangen ist in diesem Jahr gar nichts. Hinsichtlich dessen, was gestern an Neuerungen präsentiert worden ist, wurde ausdrücklich betont, dass diese im Rahmen der vorhandenen Behördenstruktur statt­finden.

Das scheint mir eine gefährliche Drohung für die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu sein, denn die Parallelität der Schulstrukturen gerade im Bereich der 10- bis 14-Jährigen wird nicht aufgehoben. Wann gedenken Sie hier erste Schritte, erste überfällige Schritte zu setzen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wie immer lässt sich auch im Bildungsbereich zei­gen, dass mehr Tempo richtig ist. Trotzdem ist in diesem Jahr, schon am Anfang des Jahres, viel weitergegangen, und zwar deshalb, weil wir im Rahmen unseres Bildungs­plans, ausgestattet mit finanziellen Ressourcen, sowohl im Bereich der Kinderbetreu­ung als auch der gemeinsamen Schule, auch der Bewältigung der Aufgaben der ge­meinsamen Schule, der ganztägigen Schulform eine Reihe von sehr konkreten Maß­nahmen setzen und auch finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen.

Ich gehe davon aus, dass die angekündigten Maßnahmen, von der Lehrerausbildung bis zur Durchführung, auch so sparsam wie möglich umgesetzt werden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 37

Was ich Ihnen nicht versprechen kann, ist eine hundertprozentige Zentralisierung der Schule. Auch wenn Wirtschaftsforscher uns vorrechnen, dass eine hundertprozentige Zentralisierung der Schule die beste Bewältigung aus bürokratischer Sicht, aus Sicht der Effizienzgestaltung wäre, kann ich Ihnen trotzdem sagen, dass diese Kompetenz­aufteilung zwischen Bund und Ländern, wie sie existiert, von den Ländern sehr hart­näckig verteidigt wird. Im Gegenteil, einige wollten da bekanntlich noch in die andere Richtung gehen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Rosen­kranz, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Bundeskanzler! Schulverwaltungs­reform – alle Parteien wollen sie, Rechnungshof, IHS, mehrere Institutionen wollen es. Im August 2009 hat Frau Bundesministerin Schmied gesagt, sie sei nicht zuständig für die Verhandlungen mit den Ländern, sondern die Staatssekretäre Lopatka und Schie­der, woraufhin Herr Staatssekretär Lopatka gesagt hat, das stimme nicht, Frau Bun­desministerin Schmied sei zuständig für die Verhandlungen mit den Ländern.

Im November 2010 hat Frau Landeshauptfrau Burgstaller gesagt, es wäre eigentlich schön, die Verwaltungsreform 2011 abgeschlossen zu haben, nachdem Herr Staatsse­kretär Lopatka gemeint hat, es wäre schon bis Ende 2009 möglich. – Bis jetzt haben wir sie noch nicht.

Meine Frage: Wer ist für die Verhandlung mit den Bundesländern aufseiten der Regie­rung konkret verantwortlich? Und: Welchen Zeitrahmen haben Sie diesen Verhandlern gegeben, bis wann soll also diese Schulreform auf dem Tisch liegen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wenn wir von der Schulreform hinsichtlich Inhalt reden, wenn wir von der Schulreform hinsichtlich gemeinsamer ganztägiger Schulfor­men, Lehrerausbildung reden, Frau Ministerin Claudia Schmied. Wenn wir vom Bereich Lehrerdienstrecht reden, mein Bereich in Zusammenarbeit mit der zuständigen Minis­terin Claudia Schmied. Und wenn wir von Strukturfragen reden, wenn es also darum geht, ob man etwas gemeinsam verwaltet oder nicht, dann haben die Staatssekretäre im Auftrag des Herrn Vizekanzlers und von mir diese Gespräche mit den Bundes­ländern zu führen. Und diese stehen, wie Sie wissen, auf dem Standpunkt, dass es zu keinen Kompetenzverschiebungen kommen sollte und dass wir versuchen sollten, innerhalb der vorhandenen Kompetenzen möglichst viele Synergien zu schaffen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 100/M der Frau Ab­geordneten Mag. Fuhrmann. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Das unabhängige Institut Focus Media Research hat eine Erhebung gemacht, derzufolge die Verteilung der Regierungswerbung der Bundesregierung, aber auch insbesondere der Wiener Landesregierung nicht ganz nachvollziehbar ist, besonders was auch die Reichweiten betrifft.

Mich würde interessieren, wie Sie das bisher in Ihrem zuständigen Ressort gehandhabt haben, was die Objektivität und die nachvollziehbaren Kriterien für Regierungswerbung betrifft. Aber vor allem ist relevant, zu hinterfragen, wie es mit der Vorlage aussieht, die Sie ja bereits in Begutachtung gegeben haben, einem Gesetzentwurf, der dieser Kritik auch Rechnung tragen soll. Wann kann der Nationalrat damit rechnen?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 38

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Auch hier ist die Fragestellung nicht genau wie­dergegeben. Wir werden also wirklich in der Präsidiale darüber reden müssen.

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 100/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wann, Herr Bundeskanzler, ist mit der Vorlage des derzeit in Begutachtung befindli­chen Gesetzentwurfes zur Schaffung von mehr Transparenz bei der Vergabe von Zei­tungsinseraten und Medienkooperationen an den Nationalrat zu rechnen, mit der der Studie des unabhängigen Instituts Focus Media Research, der zufolge die Verteilung der Regierungswerbung der Bundesregierung und insbesondere auch der Wiener Lan­desregierung im Hinblick auf die Reichweiten der einzelnen Medien nicht nachvollzieh­bar ist, Rechnung getragen werden soll?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Für mich ist ganz eindeutig, dass hinsichtlich des Entwurfs vom 8. März 2011, den wir in Begutachtung versandt haben, natürlich die Be­gutachtungsfrist, die bis 8. April geht, abzuwarten ist. Ich gehe davon aus, dass wir dann im Ministerrat sehr rasch den Beschluss fassen und das diesem Haus zuleiten werden.

Ich weiß, dass viele mit diesem Gesetzentwurf nicht so glücklich sind, ich bin es schon. Ich wünsche mir, dass er so, wie er vorliegt, umgesetzt wird, auch mit den nötigen Dis­kussionen – es kann ja jemand etwas einbringen, was eine qualitative Verbesserung darstellt, so etwas soll man während einer Begutachtungsfrist nie ausschließen –, aber ich bin dafür, dass dem Geiste nach, in dieser Offenheit, wie es dieser Entwurf vor­sieht, Inserate öffentlich gemacht werden. Es wird dann noch genug Möglichkeit ge­ben, darüber zu diskutieren und zu streiten: Wie viel ist wo was wert, und was ist richtig und was ist falsch? Es ist das aber jedenfalls auf den Tisch zu legen, damit man hier Klarheit hat, damit da nichts versteckt ist.

Das ist ein guter, richtiger Schritt. Daher gehe ich davon aus, dass es unmittelbar nach dem 8. April zum Ende der Verhandlungen kommen wird und wir das dem Ministerrat zuführen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Fuhrmann, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Herr Bundeskanzler, Sie haben ange­sprochen, dass es bereits Kritik zum Begutachtungsentwurf gibt. Ein Punkt ist, dass ei­ne Veröffentlichung der eingelangten Informationen erst dann erfolgt, wenn sämtliche Stellen und Einrichtungen, die einer Bekanntgabe unterliegen, ihrer Meldepflicht nach­gekommen sind. Das heißt, im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass es, wenn auch nur eine Stelle dieser Bekanntgabepflicht nicht nachkommt, damit auch zu keiner Veröffentlichung kommen könnte.

Könnte man vermuten, dass die derzeitige Bestimmung eigentlich darauf ausgerichtet ist, die Veröffentlichung und Transparentmachung zu verhindern?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Na ja, wenn Sie dann dieses Gesetz beschließen, nachdem wir es vorher in der Regierung beschlossen und diesem Haus zugeleitet haben, dann beschließen Sie ja ein Gesetz mit Fristen, wann etwas von den Ländern und Kommunen und natürlich auch von den Bundesstellen abzugeben ist – nicht als eine Art freiwillige Erklärung für diejenigen, die noch ein bisschen Spielraum haben für Statistiken, sondern das ist ja eine Verpflichtung! Und daher ist so ein Satz wie: Wenn jemand Verpflichtungen nicht nachkommt, Schwamm drüber, veröffentlichen wir eben die Hälfte!, und: Wenn nur ein Viertel der Verpflichtung nachkommt, dann führen wir eine Preisverleihung für jenes Viertel ein, das diesen Verpflichtungen nachkommt!, ein Zugang, den ich nicht teile. Ich bin vielmehr dafür, dass alle diesen Verpflichtungen nachkommen und dass wir auch gemeinsam dafür sorgen – es könnte ja passieren, dass ein Bundesland betroffen ist, wo wir dann gemeinsam dafür sorgen –, dass alle diesen Verpflichtungen nachkommen.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 39

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Grosz, bitte.

 


Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Herr Bundeskanzler! Inserate – 34 Millionen € –, Flugkosten, Gehaltskosten für Ihre Politbüros, Repräsentationskosten von 5,8 Millio­nen € unter Ihrer Regierungszeit: insgesamt unnötige Ausgaben auf dem Rücken der Steuerzahler von unsagbaren 133 Millionen €. Jüngstes Beispiel: Neujahrsempfang Ih­rer Bundesregierung: 110 000 €, Kreisky-Empfang: 116 000 €.

Sie schreiben in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung, dass bei Ihren Emp­fängen „Getränke und Snacks in einem bescheidenen Umfang“ gereicht werden. – 40 € pro Person ist Ihr „bescheidener Umfang“. Davon lebt eine Pensionistin eine gan­ze Woche!

Sind Sie bereit, mit dieser Steuergeldverschwendung, mit dieser Steuergeldvernich­tung, mit dieser Selbstdarstellung dieser Bundesregierung endlich aufzuhören und in Zeiten des Sparpakets endlich einem Sparmeister auch in Ihren eigenen Reihen zum Durchbruch zu verhelfen, damit mit diesen Ausgaben endlich Schluss ist? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Herr Abgeordneter! Auf der Suche, zu einer Wirt­schaftspartei zu werden, stehen Ihnen ja sicher auch Vergleiche aus der Privatwirt­schaft (Abg. Ing. Westenthaler: Schmeißen Sie einmal selber eine Runde!), was Rei­sen, Büros, Empfänge und so weiter betrifft, zur Verfügung. Ich bin trotzdem davon überzeugt, dass man als öffentliche Verwaltung noch sparsamer agieren kann. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Brosz, bitte. (Abg. Grosz: Frau Präsidentin?! ...! – Abg. Ing. Westenthaler: Sie hätte die Pflicht, einmal darauf aufmerksam zu machen, dass geantwortet werden soll! – Weitere Zwi­schenrufe beim BZÖ. – Abg. Grosz: Zur Geschäftsordnung!)

Der Herr Abgeordnete Brosz ist jetzt am Wort, seine Frage zu stellen. (Abg. Grosz: Gut, aber dann zur Geschäftsordnung!)

 


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Danke, Frau Präsidentin! – Ich bin froh, dass die ÖVP die Möglichkeit gibt, über die Inseratenwerbung zu diskutieren, und dass sie auch positive Veränderungen herbeiführen will.

Ich habe etwas mitgebracht (der Redner hält eine Broschüre in die Höhe): eine Wahl­werbebroschüre der ÖVP aus dem Jahr 2002, finanziert durch ganzseitige Inserate: In­serate von den Österreichischen Lotterien, der P.S.K., von Uniqa, eine Seite nach der anderen. Der Grund dafür, warum ich das mitgebracht habe, ist folgender: Der neue Entwurf sieht vor, dass diese Form der Parteienfinanzierung nach wie vor nicht trans­parent gemacht werden soll. Erfasst sind Inserate in Medienunternehmen – ich nehme nicht an, dass die ÖVP-Parteizeitung ein Medienunternehmen ist; insofern ist das nicht vom Gesetzentwurf umfasst – und Inserate, die von vom Rechnungshof kontrollierten Unternehmen geschaltet werden. Viele dieser Unternehmen sind privatisiert.

Ich stelle Ihnen die Frage: Halten Sie es für notwendig, dass diese Form der Parteien­finanzierung auch von der Transparenzregelung umfasst wird? (Beifall bei den Grü­nen.)

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bevor Sie die Frage be­antworten, haben wir noch eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung. – Bitte, Herr Ab­geordneter Grosz.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 40

10.21.04

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Sie maßregeln zum zweiten Mal in Ihrer Funktion als Präsidentin hier den Abgeordneten Bucher und auch die Frau Abgeordnete Fuhrmann wegen Fragen, die nicht konform gestellt worden wären, weil sich der Bundeskanzler nicht darauf hätte vorbereiten kön­nen.

Ich weise Sie darauf hin, dass jetzt seit mehr als einer Stunde und 20 Minuten das für die Anfragen zuständige Regierungsmitglied, der Herr Bundeskanzler, nicht bereit ist, auf einen Großteil der Anfragen des Parlaments ordnungsgemäß zu antworten. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Ich ersuche Sie eindringlichst, Ihrer Aufgabe als Präsidentin des Nationalrates nach­zukommen und nicht als Schutzschirm für die Bundesregierung, die angesichts der An­fragen schmähstad geworden ist, zu agieren. Das ist Ihre Aufgabe, und darum ersu­chen wir Sie auch. Und selbstverständlich wird diese Angelegenheit vom BZÖ auch in der Präsidiale thematisiert werden. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bevor ich dem Herrn Klubobmann Cap das Wort gebe, stelle ich fest, Herr Abgeordneter Grosz, Sie brauchen nur die Geschäfts­ordnung aufzuschlagen, und Sie werden dort finden, was ich hier am Vorsitz zu tun ha­be, tun kann beziehungsweise nicht tun kann. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind nicht die Gouvernante der Regierung, sondern des Parlaments!) Ich würde Ihnen empfehlen, sich das einmal genauer anzuschauen. Wirklich! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann das Regierungsmitglied nicht zwingen, etwas zu sagen, was es nicht sagen will. Das wissen Sie. Sie haben Ihre Möglichkeiten, als Abgeordnete darauf zu reagie­ren, aber das ist nicht vom Vorsitz aus beeinflussbar. (Abg. Grosz: Dann gibt es einen Misstrauensantrag gegen das Regierungsmitglied!) Das, was ich zu tun habe, ist, die Fragesteller und die Fragen dementsprechend, wie es in der Geschäftsordnung gere­gelt ist, aufzurufen und zuzulassen. (Zwischenruf des Abg. Heinzl.)

Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

 


10.22.41

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Ich möchte nur den Abgeordneten Grosz daran erinnern, wir leben in einer Demokratie. Es gibt hier die Fragen – hier gibt es die Antworten. (Abg. Grosz: Wir sind die Kontrolle und das Parlament, Herr Klubobmann!) Wie Sie das dann politisch motiviert bewerten, ist bereits eine politische Positionierung und etwas ganz anderes. Und Sie sind hier nicht der Oberlehrer! Die Entscheidungen der Präsidentin sind die Entscheidungen ei­ner Präsidentin – und aus! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grosz: Das ist Demokratie! Das ist Demokratie und Parlamentarismus à la Cap! Das ist Ihr neuer Parlamentaris­mus!)

10.23


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Kogler zur Geschäfts­behandlung. – Bitte.

 


10.23.08

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsi­dentin! – Sie haben ja ohnehin darauf hingewiesen, dass Sie in der ... (Abg. Heinzl: Der Faul hat recht gehabt, Herr Grosz! Der Faul hat recht gehabt! – Abg. Ing. Westen­thaler: Können einmal die Kameras auf den Herrn „Heinzlmann“ gehen, damit ihn alle sehen!?)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 41

Präsidentin Mag. Barbara Prammer (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeord­neter Kogler, Sie sind am Wort. – Bitte. (Abg. Grosz: Der Nächste mit einem roten Punkt in der SPÖ!)

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin! – Ja, das ist vermutlich dieses Schauspiel, das wir nicht liefern sollten, und Sie werden das in der Präsidiale auch relevieren, haben Sie gesagt.

Ich stelle zwei Dinge fest, ohne einen salomonischen Anspruch erheben zu wollen: Es war aus unserer Wahrnehmung tatsächlich so, dass einmal die Frage nicht entspre­chend der Vorlage vorgebracht wurde. Das ist immerhin so vorgesehen. Das haben Sie festgestellt. (Abg. Ing. Westenthaler: Muss auch nicht sein!)

Wichtiger erscheint mir aber der Hinweis darauf, dass Sie zwar, wie Sie sagen, kein Recht darauf haben, das antwortende Regierungsmitglied hier voll in die Pflicht zu neh­men. Aber Sie könnten bei erkennbarem Vorbeischummeln an der Beantwortung der Frage schon einmal darauf hinweisen, dass das Regierungsmitglied vielleicht präziser auf die hoffentlich besonders präzisen Fragen der Abgeordneten antworten soll. Das könnten Sie schon und, wie ich meine, sollten Sie auch; einzelne Vorsitzende in den Ausschüssen tun das auch. (Beifall bei Grünen, FPÖ und BZÖ.)

10.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir werden in der Präsidiale ausführlich darüber reden.

*****

Der Herr Bundeskanzler ist zur Beantwortung am Wort.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich unterstütze den Vorschlag grundsätzlich von Ihnen. Ich bin auch der Meinung, dass alles, was man an Entscheidungen zu treffen hat, transparent sein soll. Ich weiß jetzt nicht, ob das in demselben Gesetz zu regeln ist oder ob da einmal eine Erweiterung notwendig ist. Damit habe ich mich technisch nicht befasst. Aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Entscheidungen, die man trifft, transparent sein sollen, ganz egal, wem so eine Zeitung gehört. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Jan­nach.

 


Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Herr Bundeskanzler! Zu Recht ärgert es viele Bürger, dass vornehmlich vor Wahlen große Zeitungsinserate aus den Regierungsbü­ros geschalten werden (der Redner hält Kopien von Zeitungsinseraten in die Höhe) wie hier zum Beispiel vom Herrn Verteidigungsminister, wo die ganze Seite mit seinem Konterfei gefüllt ist und nur kurz darauf hingewiesen wird, dass er für die allgemeine Wehrpflicht ist, was er mittlerweile ja nicht mehr ist. Oder vom Herrn Landwirtschafts­minister Berlakovich, der in einem Zeitungsinserat auf Regierungskosten mitteilt, dass er mit seinem Elektroauto an Ampeln einen Porsche ohne Weiteres stehen lässt.

Wir haben mit einer Anfrage herausgefunden, dass zum Beispiel das Landwirtschafts­ministerium um 4 Millionen € pro Jahr Inserate in Zeitungen schaltet.

Es gibt die Diskussion um mehr Transparenz bei den Parteienförderungen sowie bei den Spenden an politische Parteien. Daher meine Frage: Welche Initiativen gibt es in Ihrem Bereich, damit diese Transparenz der Parteienförderung und die Offenlegung vor allem von Spenden an Parteien in die Tat umgesetzt werden? Und: Bis wann ist mit so einer Regelung zu rechnen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 42

Bundeskanzler Werner Faymann: Erstens: Die Verhandlungen über ein Gesetz zur Offenlegung von Parteispenden werden ja auf Ebene der Klubs und der für diesen Bereich Verantwortlichen derzeit geführt. Ich habe gehört, die Umsetzung des Vorha­bens ist mit Ende des heurigen Jahres festgelegt worden. Ich unterstütze es natürlich sehr, das Gesetz so auszugestalten, dass man das alles klar nachvollziehen kann, um hier keine unnötigen Zweifel aufkommen zu lassen.

Betreffend die Frage der Inserate ist ja genau die Vorlage dieses Gesetzes dazu da, um jedem die Möglichkeit zu geben, anschließend darüber zu befinden, ob das zu viel Werbung, zu wenig Werbung, die richtige oder die falsche Werbung war. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Cap.

 


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Nur als Nachtrag: Wir hier im Parlament be­kommen Vorlagen, und es ist natürlich unsere Aufgabe, hier den Gesetzestext in die Endfassung zu bringen und letztlich auch zu beschließen. Daher werden wir die Anre­gungen, die hier von den Fragestellern gekommen sind, selbstverständlich aufgreifen und im Diskussionsprozess berücksichtigen.

Bei den Inseraten ist es so, dass hier themenorientiert, zielgruppenorientiert vorgegan­gen wird. Es sitzen ja lauter Profis da, jeder weiß es, dass das natürlich auch eine große Rolle spielt. Es ist der Wunsch von uns allen, dass die Medienvielfalt und die Pluralität gewahrt sind. Ich finde, dass das eine sehr gute Vorlage ist, und hoffe, dass das hier auch beschlossen wird.

Ich frage den Herrn Bundeskanzler: Was waren die Beweggründe für diese Vorlage? (Abg. Ing. Westenthaler: Der Herr Klubobmann fragt seinen Parteiobmann! Könnt ihr euch das nicht in der Parteisitzung ausmachen?)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Herr Klubobmann, wo Sie völlig recht haben und was ich unterstützen, voll unterschreiben möchte, ist, dass natürlich auch dieses Ge­setz, wenn es auf parlamentarischer Ebene verhandelt wird, Möglichkeiten beinhaltet, es noch zu verbessern. (Abg. Ing. Westenthaler: Es ist ein Geschäftsordnungsmiss­brauch, was Sie hier machen!)

Mir war einmal wichtig, eine Diskussion durchaus auch öffentlich zu führen: Wer in­seriert wie viel? Ist das richtig, ist das falsch? Ist das ausgewogen, und was versteht man unter dieser Ausgewogenheit? Wer so wie wir nichts zu verheimlichen hat, ist auch ein Freund der Transparenz. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Und jetzt noch ein Bussi zum Abschluss! So eine Schmierenkomödie!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Alle Anfragen sind somit zum Aufruf gelangt, und damit ist die Fragestunde beendet. – Danke, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei Ab­geordneten der SPÖ.)

10.28.37Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsord­nung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 7445/AB bis 7450/AB.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 43

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Bürgerinitiative Nr. 29 betreffend „Erhaltung der Hausapotheke der Landarztstelle in der Marktgemeinde Grafenegg zur Sicherung der ärztlichen Nahversorgung“,

Petition Nr. 76 betreffend „Erhaltung und Betrieb der Ybbstalbahn nach Übergabe an das Land Niederösterreich“, überreicht von der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Sou­schill;

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 1476/A der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, BGBI. Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2010, geän­dert wird,

Antrag 1477/A der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, BGBI. Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2010, geän­dert wird,

Antrag 1480/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen be­treffend die Notwendigkeit eines gesetzlichen Mindestlohns als Grundvoraussetzung zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping,

Antrag 1481/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen be­treffend die Schaffung eines vollen Versicherungsschutzes für alle unselbständigen Be­schäftigungsverhältnisse,

Antrag 1482/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Abschaffung der Freien Dienstverträge,

Antrag 1483/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen be­treffend die Umgehung von Anstellungen durch atypische Beschäftigungsformen/Nicht­einhaltung von Mindestlöhnen – Einführung einer Mitteilungspflicht gegenüber den In­teressenvertretungen sowie Einführung eines Verbandsklagerechts im Arbeits- und So­zialrecht,

Antrag 1486/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen be­treffend gesetzliche Regelung von Zuschlägen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsar­beit;

Familienausschuss:

Antrag 1489/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einarbeitung der Erkenntnisse der ExpertInnenkommission zum „Fall Cain“ in das Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz;

Ausschuss für Forschung, Innovation und Technologie:

Bundesgesetz, mit dem das Patentamtsgebührengesetz geändert wird (1115 d.B.),

Antrag 1484/A(E) der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend gesetzliche Verankerung der Netzneutralität,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 44

Antrag 1492/A(E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen be­treffend öffentliche Debatte der Forschungsstrategie im Parlament;

Gesundheitsausschuss:

Antrag 1472/A(E) der Abgeordneten Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von „Lava red“ und „Monkey go bananas“, der Nachfolgeprodukte von „Spice“ im Suchtmittelgesetz,

Antrag 1473/A(E) der Abgeordneten Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend detaillierte Information der Versicherten über alle bezogenen Leistungen,

Antrag 1474/A der Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser, MAS, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkam­mergesetz 2001 geändert wird,

Antrag 1475/A der Abgeordneten Dr. Sabine Oberhauser, MAS, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneiwarenein­fuhrgesetz 2010 geändert wird;

Justizausschuss:

Antrag 1479/A(E) der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Wiedereingliederung öffentlicher Unternehmen in das Korruptionsstraf­recht,

Antrag 1487/A(E) der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Strafbarkeit des Anfütterns,

Antrag 1488/A(E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen be­treffend gesetzliche Obergrenze für die bei IVF eingesetzten Embryonen;

Umweltausschuss:

Antrag 1485/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Umweltsenat als zweite Instanz für UVP-Verfahren zu Bundesstraßen- und Bahnvorhaben;

Unterrichtsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz und das Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 112/2009, geändert werden (1112 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Schulaufsichtsgesetz geändert wird (1113 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Landesvertrags­lehrpersonengesetz 1966 geändert werden (1114 d.B.),

Antrag 1490/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Inklusions-Fahrplan;

Verfassungsausschuss:

Antrag 1491/A der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird;

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-No­velle 2011) (1116 d.B.);


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 45

Ausschuss für Wirtschaft und Industrie:

Antrag 1493/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Erstellung eines Masterplans für internationale Leitbetriebe in Ös­terreich.

*****

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Um die Punkte 26 und 27 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung er­forderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der Ausschussberichte abzuse­hen.

Bei den Punkten 26 und 27 handelt es sich um die Berichte des Immunitätsausschus­ses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler (1131 der Beilagen) sowie

das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfol­gung des Abgeordneten zum Nationalrat Werner Neubauer (1132 der Beilagen).

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diese Ausschussberichte ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 und 3, 7 und 8, 9 bis 12, 13 und 14, 15 und 16, 18 und 19 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonfe­renz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Ta­gesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten er­geben: SPÖ und ÖVP je 112 Minuten, FPÖ 100, Grüne 88 sowie BZÖ 84 Minuten.

Für die Dauer der Fernsehübertragung durch den ORF bis 13 Uhr wurde für die Debat­te zu Tagesordnungspunkt 1 folgende Redeordnung vereinbart: eine Runde mit je 9 Minuten, ein Regierungsmitglied SPÖ 9 Minuten, eine Runde mit je 6 Minuten und weitere Redezeit pro Fraktion 12 Minuten.

Der vorsitzführende Präsident verteilt jeweils spätestens vor Beginn der letzten Run­de – nach Rücksprache mit den Klubvorsitzenden – die für die letzte Runde verblei­bende Redezeit so, dass sie zu gleichen Teilen allen fünf Fraktionen zur Verfügung steht.

Tatsächliche Berichtigungen werden erst nach Ende der Fernsehübertragung aufge­rufen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 46

Weiters schlage ich gemäß § 57 Abs. 7 GOG vor, die Redezeit des Abgeordneten oh­ne Klubzugehörigkeit auf 10 Minuten pro Debatte zu beschränken.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die soeben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.31.23 Ankündigung eines Dringlichen Antrages

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen haben vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 1494/A(E) der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz- und Antikorruptionspa­ket dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt wer­den.

10.31.491. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1076 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsge­setz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz – LSDB-G) (1094 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Klubvorsitzender Strache mit 9 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.32.11

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Grunde ist es ja erfreulich, dass man sich heute damit auseinandersetzt, sich dem Kampf gegen Lohn- und Sozial­dumping zu widmen. Das ist ein durchaus erfreulicher Ansatz, wenn man konkrete Pro­bleme in den Griff zu bekommen versucht und dass das eben heute auf der Tages­ordnung steht, aber zum anderen ist dieses Gesetz, das heute beschlossen werden wird, als zahnloser Tiger zu bezeichnen, mit dem nämlich einerseits nichts verhindert, aber andererseits die Bürokratie ausgeweitet werden wird.

Es geht um das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das einerseits festhält, dass Betriebe, dass ausländische Unternehmen, die Mitarbeiter nach Österreich mitnehmen, diese zumindest nach dem untersten Kollektivvertrag bei uns zu bezahlen haben. – So weit, so gut.

Wo aber liegen die wirklichen Probleme, die wirklichen Belastungen, die Österreich und vor allen Dingen die österreichischen Arbeitnehmer erleben werden müssen dank Ihrer Fehlentscheidung beziehungsweise Ihrer Untätigkeit in dieser Frage, meine Da­men und Herren von den Regierungsparteien? – Genau in einem Monat, und zwar am 1. Mai, soll die Ostöffnung des europäischen Arbeitsmarktes stattfinden, weil Sie von SPÖ und ÖVP im vergangenen Jahr nicht bereit waren – trotz Aufforderung der Frei­heitlichen Partei –, mit der Europäischen Union Verhandlungsschritte zu setzen, um ei­ne Verlängerung herauszuverhandeln.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 47

Bald haben wir den 1. Mai und somit die Öffnung des osteuropäischen Arbeitsmarktes. Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass viele arbeitslose Menschen von dort – in un­seren osteuropäischen Nachbarländern Tschechien, Slowakei, Ungarn gibt es ja ei­ne Million arbeitslose Menschen – nach Österreich auf unseren Arbeitsmarkt kommen und hier tätig werden können.

Dass das natürlich eine Belastung für den österreichischen Arbeitsmarkt bedeutet, soll man nicht unerwähnt lassen. Und natürlich muss man auch erwähnen, dass es in die­sen Ländern Durchschnittseinkommen in Höhe von netto 350 € monatlich gibt. Wenn wir den untersten Kollektivvertrag in Österreich hernehmen, der dann gesetzlich auszu­zahlen ist für jene entsandten Mitarbeiter von ausländischen Unternehmen, dann kommt man bei Bauarbeitern, bei Hilfsarbeitern auf in etwa 1 200 € netto im Monat – und damit verdient der osteuropäische Hilfsarbeiter wesentlich mehr als zuhause, wo er durchschnittlich 350 € im Monat verdient, was natürlich einen großen Anreiz für slo­wakische Bauarbeiter, für tschechische, für ungarische Bauarbeiter, für Hilfsarbeitskräf­te darstellt, nach Österreich zu kommen.

Wir haben bei uns eine Situation, wo man mit Fug und Recht sagen kann, dass ein ös­terreichischer Facharbeiter in diesem Bereich 1 500 bis 1 700 €, also in der Regel 500 € netto mehr, verdienen muss, um hier seine Familie ernähren zu können. Da entsteht natürlich die Problematik des Verdrängungsprozesses, der da auf uns zukommen wird. Und diese Problematik kann durch dieses Gesetz nicht entschärft werden.

Es werden Menschen zu uns kommen, die natürlich bereit sind, im untersten Kollektiv­vertrag zu arbeiten – und zuhause, in der Slowakei, in Tschechien, in Ungarn, mit die­sem untersten Kollektivvertragsgehalt sehr, sehr gut ihre Familie ernähren werden kön­nen. Ein österreichischer Arbeitnehmer hingegen wird das nicht können und wird voll in einen Verdrängungsprozess geraten, und wir werden erleben müssen, dass durch die­ses Lohndumping, das dadurch zustande kommt – und das ist ein Lohndumping –, vie­le Arbeiter davon betroffen sein werden, arbeitslos zu werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Bereits jetzt haben wir in Österreich eine hohe Arbeitslosenrate. Wir haben heute über 300 000 Arbeitslose; bis zu 70 000 Österreicher befinden sich in Schulungsprogram­men und fallen so aus der Arbeitslosenstatistik heraus – und es gibt in Österreich auch Menschen, die zwangsläufig in Frühpension geschickt werden. Also summa summa­rum haben wir in Österreich 500 000 Menschen, die sich nicht in Arbeit befinden. Das sage ich ausdrücklich, weil diese Zahlen von Ihnen immer anders dargestellt werden. Wenn wir diese drei Komponenten zusammenrechnen, betrifft das 500 000 Österrei­cher, und da haben wir eben ein ernsthaftes Problem.

Daneben gibt es bei uns noch die Rot-Weiß-Rot-Card, die auch dafür Sorge tragen wird, dass sich auch von außerhalb der Europäischen Union die Zuwanderung in unser Land erhöht und sich so die Lage auf dem Arbeitsmarkt noch mehr zuspitzen wird.

Da geht es um Entscheidungen, die Sie von dieser Bundesregierung getroffen haben, die unweigerlich zu einer Zuspitzung auf dem Arbeitsmarkt führen müssen, wogegen wir Freiheitlichen uns aussprechen. Wir hingegen sagen: Schützen wir die Interessen der österreichischen Arbeitnehmer! Österreichische Arbeitnehmerinteressen haben in den Vordergrund gestellt zu werden! – Aber Sie haben das immer flapsig behandelt und weggeschoben. (Beifall bei der FPÖ.)

Bis zu einem gewissen Grad stellt das doch geradezu eine Verhöhnung der österrei­chischen Arbeitnehmer dar, wie Sie von SPÖ und ÖVP mit diesem Thema umgehen, denn da kommt ein großes Problem auf uns zu, das Sie jedoch immer nur schönzu­reden versuchen. Immer wieder versuchen Sie das schönzureden. Ich kann nur beto­nen: Wir haben heute mit den Lebenshaltungskosten in Österreich, mit den Lebensmit­telkosten, mit den Betriebskosten, mit den Mietkosten, die für eine Familie anfallen, die


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Situation, dass die Menschen in unserem Lande immer stärker unter Druck kommen; sie können mit einer Auszahlung des untersten Kollektivvertragslohnes heute bei uns nicht mehr über die Runden kommen. Da geht es ums Überleben für diese Familien!

Ein Mindestnettoeinkommen wäre daher endlich umzusetzen, etwas, was wir Freiheitli­chen immer gefordert haben. (Abg. Öllinger: Da waren Sie doch immer dagegen!) – Wir Freiheitlichen haben das immer gefordert! Wir haben immer gesagt, ein Mindest­nettoeinkommen ist notwendig. Ich weiß natürlich schon, dass die Grünen auch dafür sind. Ich weiß, dass es bei den Grünen die Überlegung gibt, dass über 1 300 € an Min­destnettoeinkommen diskutiert wird. Ja, darüber müssen wir diskutieren, darüber müs­sen wir reden, damit müssen wir uns auseinandersetzen, weil wir ja sonst wirklich in eine äußerst problematische Situation kommen, und zwar auch aufgrund anderer Ent­wicklungen, die diese Bundesregierung zu verantworten hat.

Anführen möchte ich in diesem Zusammenhang nur: Wenn man heute schon für Nichtstun eine Mindestsicherung erhält, dann ist das nicht der Anreiz, in der Arbeits­welt tätig zu sein; aber dafür sind die Grünen auch maßgeblich verantwortlich. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Wenn man weiß, dass man auch bei Nichtstun über ein finanzielles Auslangen verfügt, dann haben diese Leute natürlich nicht den Anreiz, arbeiten zu gehen; möglicherweise aber den Anreiz, daneben etwas „schwarz“ zu verdienen, um sich die Mindestsiche­rung noch ein bisschen aufzufetten.

Das sind Prozesse, die man hinterfragen muss und wo man natürlich auch fragen muss, wo denn da der Leistungsanreiz in unserer Gesellschaft gegeben ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Bundesregierung hat auf der einen Sei­te die Rot-Weiß-Rot-Card zu verantworten, aber auch die Arbeitsmarktöffnung für die osteuropäischen Nachbarländer, eben ab 1. Mai dieses Jahres. Das bedeutet natürlich auch vermehrte Zuwanderung. Und bei Betrachtung unseres Sozialsystems kann man da nur sagen: Das stellt eine weitere Gefährdung unseres Sozialsystems dar.

Diese Rot-Weiß-Rot-Card ist doch in Wirklichkeit eine Einwanderungskarte, die Sie beschlossen haben, sodass Menschen von Drittstaaten, von Ländern außerhalb der Europäischen Union nach Österreich kommen können, wobei aber neben dem Arbeits­markt auch unser Sozialsystem noch mehr belastet werden wird. Und Sozialmiss­brauch gibt es leider zuhauf in unserer Gesellschaft, Herr Sozialminister.

Statt weitere Zuwanderung auf unseren Arbeitsmarkt und in unser Sozialsystem zu for­cieren, wie Sie das tun, müssten wir die innerösterreichischen Probleme lösen. Eine Ausbildungsoffensive wäre das Gebot der Stunde, aber auch in dem Bereich ist die Bundesregierung säumig. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Öllinger: Mit der FPÖ ist auch keine Ausbildungsoffensive möglich!)

Es gibt derzeit viele Herausforderungen am Arbeitsmarkt, auch was das Budget betrifft. Eine Verschiebung der Öffnung des Arbeitsmarktes auf einen Zeitpunkt, zu dem sich das Lohnniveau und die Wirtschaftskraft in den osteuropäischen Ländern halbwegs den unseren angeglichen haben, wäre richtig. Da haben alle EU-Experten mit ihren Prognosen wieder einmal kläglich versagt. Als damals diese Übergangsfristen be­schlossen worden sind, ist das eben aufgrund der Ratschläge der EU-Experten erfolgt, die völlig versagt haben, als sie damals die Anpassungsentwicklung errechnet haben.

Ich denke, wir brauchen Schutzmaßnahmen gegen gewisse Bedrohungen unseres hei­mischen Arbeitsmarktes durch billige Arbeitskräfte, und diese Schutzmaßnahmen sind einfach nicht da. Im Gegenteil! Österreich hat jedoch einen Mangel an Arbeitsplätzen, nicht an Arbeitskräften. Das sehen wir ja anhand der Arbeitslosenstatistik. Genau das muss uns doch bitte dazu anregen, Ausbildungsoffensiven möglich zu machen, endlich


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genügend Pflegeausbildungsplätze im Pflegebereich möglich zu machen, wo bis heute gespart wird! (Beifall bei der FPÖ.) Unsere jungen Menschen erhalten keine Ausbil­dung, keine Jobperspektive für die Zukunft, und am Ende werden wieder Kranken­schwestern von woher auch immer aus der Welt nach Österreich gebracht, weil man nicht bereit ist, die eigenen jungen Menschen auszubilden.

Das ist Ihr Versagen, Herr Sozialminister! Sozialpolitisch sind Sie leider Gottes nicht der Richtige auf dem Posten. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Öllinger: Aber Sie auch nicht!)

10.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Csör­gits. – Bitte.

 


10.41.38

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Strache, ich bin Ihren Aus­führungen sehr aufmerksam gefolgt. (Abg. Ing. Höbart: Lernen Sie etwas dabei!) Ganz verstehe ich Sie nicht. Sie verlangen Schutzmechanismen, damit es zu keinem Lohn­dumping kommt. (Abg. Strache: Ich verlange die Verlängerung der Übergangsfrist!) Genau diese Schutzmaßnahmen sind in der gerade zur Debatte stehenden Regie­rungsvorlage ja beinhaltet!

Ich muss Ihnen schon ganz ehrlich sagen, Sie sind genau einer derjenigen, wie es so viele in Ihrer Partei gibt, die dann, wenn es darauf ankommt, dass man für die Ar­beitnehmer und Arbeitnehmerinnen Maßnahmen setzt, die sie schützen (Abg. Strache: Eine Verlängerung der Übergangsfrist schützt die Arbeitnehmer!), damit auch die Ar­beitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, den gleichen Lohn und das gleiche Gehalt bekommen, sagen, nein, das wollen Sie nicht. (Abg. Dr. Karlsböck: Reines Placebo!) Ihre Politik ist es, hineinzuzündeln. (Abg. Stra­che: Reines Placebo!) Wenn es dann darum geht, gute Maßnahmen zu setzen, ziehen Sie sich zurück und haben keine Ideen. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Strache: Wo se­hen Sie da eine gute Maßnahme? Abg. Vock: Sind Maßnahmen Zuschauen?)

Wissen Sie, so kann man keine Politik machen, und das verurteile ich auch so sehr. Genau mit dieser Gesetzesvorlage wird nämlich ein guter, richtiger, wichtiger Schritt gegen Lohndumping, gegen Sozialdumping gesetzt. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch sagen, dass es mich freut, dass die Grünen, die ja im Sozialausschuss dieser Gesetzesmaterie noch nicht die Zustimmung gegeben haben, weil es Bedenken gege­ben hat, diesem Gesetz jetzt trotzdem ihre Zustimmung geben. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Damit ist nämlich auch sichergestellt, dass diese hervorragen­den Maßnahmen auch für die Landwirtschaft ihre Anwendung finden können. – Herzli­chen Dank dafür. (Beifall bei der SPÖ. Ruf bei der FPÖ: Wenn Sie es oft wiederho­len, wird es nicht besser! Abg. Strache: Das ist aber schon eine Verhöhnung der ös­terreichischen Arbeitnehmer, was Sie da vertreten!)

Mit dieser Gesetzesvorlage, meine Damen und Herren, werden wir es gemeinsam schaffen, dass es zu einem sehr großen Fortschritt im Arbeitsrecht kommt. Mit dieser Vorlage werden jetzt auch Voraussetzungen dafür geschaffen, dass es zu keinem Lohndumping, zu keinem Sozialdumping kommt, dass die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer, die in Österreich arbeiten, egal, woher sie im Bereich der Europäischen Union kommen, auch dementsprechend entlohnt werden.

Das Zweite, was mir sehr wichtig ist, ist der Umstand, dass es auch zu einem fairen Wettbewerb kommt, nämlich zu einem fairen Wettbewerb dahin gehend, dass öster­reichische Firmen auch mit jenen Firmen gleichgesetzt werden, die keinen Unterneh­menssitz in Österreich haben. Dieses Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ist ein wichtiger und richtiger Schritt für mehr Fairness für die Arbeitnehmer und Ar­


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beitnehmerinnen und leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass sich das Lohn- und Gehaltsgefälle auch in anderen Ländern verbessern wird.

Sehr geschätzte Damen und Herren, Österreich ist im Vergleich zu anderen Länder der Europäischen Union ein kleines Land. (Ruf bei der FPÖ: Sie können schon aufhören!) Die Europäische Union, die Arbeitsmärkte rücken immer mehr und mehr zusammen, und immer mehr junge Menschen haben auch das Bedürfnis, in anderen Ländern Eu­ropas eine Zeit lang tätig zu sein, einer Arbeit, einer Beschäftigung nachzugehen, die Sprache zu lernen, die Arbeitsentwicklung in einem anderen Land kennenzulernen. Das bedeutet, dass sie sich weiterentwickeln – sozial, politisch, kulturell –, und das fin­de ich gut so, das ist richtig und notwendig.

Es müssen aber auch Maßnahmen gesetzt werden und es muss Vorsorge dafür ge­troffen werden, dass ganz einfach die Gesetze und die Entlohnung, die es in Öster­reich gibt, auch für diese Menschen zur Anwendung kommen.

In Österreich haben wir dank starker Gewerkschaften, dank einer hervorragenden So­zialpartnerschaft und dank einer Bundesregierung, die von einem sozialdemokrati­schen Bundeskanzler geführt wird, sehr viel für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer erreichen können. Genau deshalb ist es auch notwendig, dass alle Menschen, die zu uns arbeiten kommen, entsprechend entlohnt werden und dass die österreichischen Arbeitsregeln auch für diese Menschen Anwendung finden.

Wir haben ja in Österreich schon sehr viele Maßnahmen im Zusammenhang mit Schwarzunternehmertum und Schwarzbeschäftigung gesetzt. (Ruf bei der FPÖ: Wel­che?) Im Jahre 2007 haben wir mit der Verpflichtung des Arbeitgebers, neu in den Be­trieb kommende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Sozialversicherung anzumelden, und zwar schon vor Arbeitsantritt, einen großen, wichtigen und richtigen Schritt gesetzt. Wir haben darüber hinaus auch im Zusammenhang mit den Leistungen und Beschäftigungen am Bau im September 2009 ein Gesetz geschaffen, das durch die Auftraggeberhaftung für Sozialversicherungsbeiträge bei Weitergabe der Erbrin­gung von Leistungen am Bau für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenfalls Verbesserung gebracht hat. Daher ist die heutige Gesetzesvorlage ein weiterer wichti­ger und richtiger Schritt.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit auch sehr herzlich bei den Sozialpartnern dafür bedanken, dass sie so hervorragende Vorbereitungsarbeit geleistet haben. An den Dank an die Sozialpartner möchte ich auch den Dank an Bundesminister Hunds­torfer und – in dessen Spiegelressort – an Bundesminister Mitterlehner anschließen. – Herzlichen Dank! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir sind das einzige Land in der Europäischen Union, das so gut gerüstet in die Ar­beitsmarktöffnung geht. Ich darf wirklich mit Stolz festhalten, dass diese noch nicht be­schlossene Regierungsvorlage schon der absolute Renner im Bereich des Europäi­schen Gewerkschaftsbundes ist (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: „Der absolute Renner“!), weil uns viele Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen anderer Länder um dieses Gesetz beneiden. Ich denke daher, dass es beispielgebend sein soll und Mut machen soll, auch in anderen Ländern Gesetze in diese Richtung zu verabschieden. Wir können stolz darauf sein. – Das möchte ich noch einmal zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was beinhaltet dieses Gesetz in aller Kürze? (Abg. Lausch: Da sind Sie eh schnell fertig!) Es wird künftig der Grundlohn laut Einstufung für nach Österreich überlassene oder entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kontrolliert. Das Kompetenzzen­trum ist in der Wiener Gebietskrankenkassa angesiedelt.

Ich möchte eine kritische Bemerkung, die auch im Ausschuss gemacht worden ist, noch einmal aufgreifen. Kritisiert worden ist, dass der Grundlohn herangezogen wird,


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Zulagen und Zuschläge aber nicht. – Ja, selbstverständlich, als Gewerkschafterin hätte ich mir gewünscht, dass auch Zulagen und Zuschläge mit herangezogen werden, aber ich darf bei dieser Gelegenheit noch einmal darauf hinweisen: Es ist ein Kompromiss, der gemeinsam mit der Wirtschaftskammer erkämpft und erstritten worden ist, und es ist mir daher wichtig, dass alle hinter diesem Gesetz stehen. Und daher ist das ein guter und wichtiger erster Stritt in die richtige Richtung. Da sowieso eine Novellierung vorgesehen ist, bin ich davon überzeugt, dass man bei passender Gelegenheit auch nachschauen kann, ob es notwendig ist, den Geldbetrieb in diesen Bereich mit einzu­beziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es werden Rechte auf Einsichtnahme und Beratungsrechte für die zuständigen Organe geschaffen, und darüber hinaus gibt es – und da möchte ich dem Herrn Klubobmann Strache nochmals widersprechen – sehr scharfe Verwaltungsstrafen. (Abg. Dr. Karls­böck: Die kann man sich aufmalen!) Die Strafen belaufen sich – je nachdem, wie viele betroffen sind und ob es ein Wiederholungsfall ist – auf 1 000 bis zu 5 000 € pro Ar­beitnehmer und Arbeitnehmerin. Im äußersten und schärfsten Fall kann über auslän­dische Unternehmen sogar eine Untersagung der den Gegenstand der Dienstleistung bildenden Tätigkeit verhängt werden. (Abg. Strache: Kontrolliert nur keiner!)

Sehr geschätzte Damen und Herren, das ist ein wichtiges, ein historisches Gesetz im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und ich freue mich, dass wir heute diese Beschlussfassung vornehmen werden. Ich möchte aber auch noch ganz aktuell auf etwas hinweisen, das mir gestern übermittelt worden ist.

Es gibt im Zusammenhang mit diesem Gesetz auch Bedenken, im konkreten Fall vom Herrn Wirtschaftsminister der Slowakischen Republik, der der Auffassung ist, wir schä­digen die Geschäfte. Es steht mir zwar nicht zu, einem Minister eines anderen Landes etwas auszurichten (Abg. Lausch: Ist ihnen eh wurscht!), lassen Sie es mich aber trotzdem so formulieren: Unser Anliegen ist es, dass alle Arbeitnehmer und Arbeitneh­merinnen, die bei uns arbeiten, auch entsprechend bezahlt werden. Das heißt, das gilt auch für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen anderer Länder. Uns ist es ganz ein­fach wichtig, dass die Leistung belohnt beziehungsweise entsprechend bezahlt wird. Vielleicht wäre es ganz gut – auch für den Herrn Wirtschaftsminister der Slowakischen Republik –, nicht nur die wirtschaftlichen Aspekte, sondern auch die Aspekte der Ar­beitnehmer und Arbeitnehmerinnen besser zu berücksichtigen. Danke. (Beifall bei der SPÖ. Ruf bei der FPÖ: So eine Rede als österreichische Interessenvertrete­rin ...!)

10.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolin­schek. – Bitte.

 


10.51.07

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Csörgits, von Ihnen als Vorsitzende einer Gewerkschaft hätte ich mir zumindest erwartet, wenn Sie von her­vorragenden Schutzmaßnahmen beim Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz reden (Abg. Strache: Wenn man so einen Kollektivvertrag hat wie sie, dann ist das kein Problem! Abg. Grosz: Sie weiß es noch nicht! Ruf bei der FPÖ: Sie hat keine Ahnung!) – ja, da haben Sie recht –, dass Sie sagen: Es ist nicht das Gelbe vom Ei, einen Teil haben wir erreicht, aber es ist nicht so, wie wir uns das eigentlich vorgestellt haben!

Dazu komme ich später noch, Frau Kollegin Csörgits, denn vor allem die Gewerk­schaft, vor allem Teilgewerkschaften haben auch massive Kritik geübt oder Maßnah­men vorgeschlagen. – Aber dazu komme ich später noch.


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Schon seit dem EU-Beitritt besteht bei vielen Arbeitnehmern in Österreich die berech­tigte Sorge und Befürchtung, dass aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 1. Mai dieses Jahres Leute wegen des geringen Lohnniveaus in ihren Heimatländern ihre Ar­beitskraft hier in Österreich ganz einfach billiger verkaufen werden. In den Grenz­regionen der neuen EU-Beitrittsländer – egal, ob das jetzt die Slowakei, Tschechien, Ungarn oder Slowenien ist – ist zwar das Lohnniveau etwas gestiegen, aber das Ver­hältnis ist noch immer 1 : 3 oder 1 : 5. Vor allem die Leute aus den Grenzregionen wer­den verstärkt in Österreich Arbeit annehmen und pendeln, da sie zu Hause wohnen können. Das ist natürlich für diese Arbeitnehmer weiterhin attraktiv und zahlt sich auch weiterhin aus, belastet aber den österreichischen Arbeitsmarkt.

Und wir? Wir haben immerhin noch ungefähr 300 000 Arbeitslose, und – es ist ja heute schon gesagt worden – wir haben ganz einfach zu wenige Stellen für die österreichi­schen Arbeitnehmer – und nicht umgekehrt! Das ist das Problem. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Auf der anderen Seite werden auch schon seit Langem dringend Maßnahmen zur Ver­hinderung von Lohn- und Sozialdumping gefordert, vor allem auch von den Interessen­vertretungen – von der Arbeiterkammer genauso wie auch von den Gewerkschaften. Mit dem Wegfall dieser Übergangsbestimmungen werden diese Arbeitskräfte jetzt na­türlich verstärkt ihre Arbeitskraft in Österreich anbieten und dabei auf die österreichi­schen Mindestlohnvorschriften – sei es bewusst oder auch unbewusst – relativ wenig Rücksicht nehmen – und das zu einem Zeitpunkt, zu dem Österreich das höchste De­fizit schreibt!

Es liegen seit heute Zahlen der Statistik Austria vor, die belegen, dass das österreichi­sche Defizit enorm angestiegen ist, nämlich auf 4,6 Prozent des BIP. Das liegt an den strengeren Regeln: Die Eurostat verlangt ja jetzt vom österreichischen Staat, dass auch die außerbudgetären Verluste – wie jene der ÖBB und so weiter – mit ins Budget­defizit eingerechnet werden. (Abg. Bucher: Der Schuldenschwindel!) Dadurch steigen die Staatsschulden in Österreich. Durch die Revision der Daten schlagen zusätzliche 9,5 Milliarden € zu Buche. Mit Ende des Jahres 2010 beträgt der Schuldenstand in Ös­terreich somit 205,2 Milliarden € – das sind 72,3 Prozent des Bruttoinlandproduktes. – Das sollte uns schon zu denken geben, geschätzte Damen und Herren.

Wenn man jetzt sagt, Frau Kollegin Csörgits, dass mit diesem Lohn- und Sozialdum­ping-Bekämpfungsgesetz gravierende Maßnahmen gesetzt wurden, um dem entge­genzutreten, so muss ich erwidern: Ein Berg hat gekreißt und ein Mäuslein ward gebo­ren – und mehr nicht. (Abg. Bucher: Weil wir kein Geld mehr haben!) Während inländi­sche Arbeitgeber heute bereits flächendeckend kontrolliert werden, sind Strafen und Kontrollen im Ausland nicht in vergleichbarer Weise möglich. – Das ist nun einmal so. Beschäftigt ist jemand über die ausländische Firma zwar vielleicht in Österreich, So­zialversicherungsbeiträge zahlt er aber in seinem Heimatland. Wie wollen Sie das dort kontrollieren?

Es gibt zwar die Entsenderichtlinie, gemäß derer zum Beispiel eine polnische Firma mit ihren Mitarbeitern zwar die österreichischen Kollektivverträge einhalten muss, aber überprüfen wird man das in diesem Raum kaum können. Lediglich inländische Arbeit­geber werden mit Strafrisiken, mit mehr Bürokratie und mit Kosten belastet werden.

Der Herr Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Herr Minister Hundstorfer, hat jetzt vor, bei der Wiener Gebietskrankenkasse ein Kompetenzzentrum zu errichten, um zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz sozusagen eine zusätzliche Kontrollinstanz einzuführen. Bisher war es ja so, dass beim Bundesminis­terium für Finanzen die KIAB die Kontrolle der ausländischen Firmen durchgeführt hat, und aufgrund dieser Kontrollen der KIAB wissen wir, dass es jährlich zirka 8 000 Ver­stöße im Zusammenhang mit Lohndumping gibt. Lohndumping von ausländischen Fir­


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men bedeutet, dass in Österreich natürlich ein volkswirtschaftlicher Schaden entsteht, der sich auf zirka 119 Millionen € beläuft. – Das ist einmal das eine Problem.

Das andere ist, dass man jetzt bei diesem zusätzlichen Kompetenzzentrum, das man errichten will, mit dem vorhandenen Personal wahrscheinlich kein Auslangen finden wird. Wenn man mit dem vorhandenen Personal nicht auskommt und zusätzliche EDV-Einrichtungen und so weiter installieren muss, ist das natürlich wieder mit zusätzlichen Kosten verbunden, und die müssen dann erst recht wieder die Österreicher und Öster­reicherinnen bezahlen. (Abg. Mag. Schatz: Das ist es wert!) – Ja, wenn es etwas bringt, Frau Kollegin! Wenn es etwas bringt, dann ist alles in Ordnung, aber genau da liegt ja das Problem.

Zum Beispiel die Gewerkschaft Bau-Holz – Frau Kollegin Csörgits, Ihre Kollegen –: Der Chef der Gewerkschaft Bau-Holz ist Johann Holper, und sein Vize ist Josef Muchitsch, der unser Kollege im Nationalrat ist. – Ich erwarte mir von ihm doch eine Stellungnah­me. Die haben nämlich gesagt, sowohl die Gebietskrankenkasse als auch die KIAB hätten zu wenig Personal, um das überhaupt zu bewältigen. (Abg. Bucher: Holzweg!) Kollege Muchitsch, ich habe in einer Aussendung gelesen, dass du auch gefordert hast, dass die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse ebenfalls mit Prüf- und Kontrollkompetenzen ausgerüstet wird. – Dann blähen wir das noch einmal auf!

Also da weiß ja die eine Hand nicht, was die andere tut. (Abg. Grosz: Das ist bei der SPÖ immer so!) In Wirklichkeit brauchen wir eine Kontrolle in einer Hand, die effektiv arbeitet, um das Lohn- und Sozialdumping hintanzustellen. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das ist einmal das große Problem, das wir haben. Aufgrund des geöffneten Arbeits­marktes haben wir noch ein zusätzliches Problem: Da wird natürlich die Arbeitskräfte­überlassung zunehmen. Das heißt, dass ausländische Firmen verstärkt österreichi­schen Unternehmen ihre Arbeitnehmer zur Verfügung stellen werden, die Lohn- und Beschäftigungsbedingungen dieser vorübergehend entsandten Arbeitskräfte können jedoch überhaupt nicht kontrolliert werden. Ich stelle mir vor, wir sollten die Kirche im Dorf lassen, Nägel mit Köpfen machen, die Schlupflöcher in diesem Bereich stopfen und in Österreich für ein faires System für die Zukunft sorgen. – Das wäre meiner Mei­nung nach wichtig! (Beifall beim BZÖ.)

Da für die Arbeitsmarktöffnung, sehr geehrte Damen und Herren, die notwendigen Rahmenbedingungen fehlen, werden auch die geplanten Maßnahmen der Bundesre­gierung, die Sie jetzt vorhaben, Herr Bundesminister, nicht ausreichen, um die Öster­reicher wirklich und tatsächlich vor Sozial- und Lohndumping zu schützen. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

11.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Wöginger zu Wort. – Bitte.

 


11.00.11

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angst verbreiten ist sicherlich der falsche Weg in diesem Zusammenhang. Wir handeln und geben mit diesem Ge­setz die richtigen Antworten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Wir sind insgesamt gut vorbe­reitet. (Abg. Grosz: Womit handeln wir?)

Lassen Sie mich eingangs schon auch die sehr guten Zahlen und Daten, die unseren Arbeitsmarkt betreffen, erwähnen. Wir haben derzeit eine Arbeitslosenquote von 4,3 Prozent und liegen mit Holland an erster Stelle im europäischen Vergleich. Ich eu­ropäischen Durchschnitt liegt die Quote bei 9,5 Prozent. Wir haben derzeit Gott sei Dank um über 20 000 Arbeitslose weniger als im Vergleich zum Vorjahr und um über


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60 000 Beschäftigte mehr. Das sind positive Zahlen, und die sollten wir auch gemein­sam in diesem Sinne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

Das heißt, Österreich ist besser aus dieser schwerwiegenden Wirtschafts- und Finanz­krise herausgekommen als so manch andere europäische Länder. Regierung und Par­lament haben während der Krise mit den Arbeitsmarktpaketen und Konjunkturprogram­men die richtigen Maßnahmen gesetzt. Unsere Unterstützung gilt natürlich all jenen, die noch keinen Job gefunden haben, die noch auf Jobsuche sind (Abg. Lausch: Da werden sie sich freuen, da gibt es viele davon!); die Voraussetzungen zum jetzigen Zeitpunkt sind jedenfalls gut. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Am 1. Mai wird für acht europäische Länder der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt ermöglicht. Es sind jene Länder, die vor sieben Jah­ren der Europäischen Union beigetreten sind, nämlich Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Polen, Estland, Lettland und Litauen. Schon beim Beitritt dieser Länder war klar, dass es eine maximale Übergangsfrist beim Arbeitsmarkt für den Zugang zum Arbeitsmarkt von sieben Jahren gibt. Österreich hat diese Maximalfrist von sieben Jah­ren voll ausgeschöpft, das muss auch die FPÖ wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Mit dem nun vorliegenden Gesetz sind wir sehr gut vorbereitet. Ich darf zwei we­sentliche Punkte erwähnen: Es wird verhindert werden, dass es einen Missbrauch bei der Unterschreitung unserer Löhne und Gehälter gibt, und es wird einen fairen Um­gang im Bereich unserer Unternehmen und unserer Betriebe geben. Das heißt, die Wettbewerbsverzerrung wird größtmöglich ausgeschaltet.

Was heißt das im Detail? – In Österreich sind Arbeitnehmer durch das österreichische Arbeitsrecht und durch flächendeckende Kollektivverträge gut geschützt. Diese Stan­dards gelten ab 1. Mai auch für ArbeitnehmerInnen aus den genannten Ländern. Es wird zum Beispiel die Unterschreitung des Grundlohnes strafbar gemacht. Grundlohn bedeutet: Mindestbruttolohn nach Kollektivvertrag, Überstundenentgelte werden be­rücksichtigt – das ermöglicht auch ein rasches Handeln in diesem Bereich, meine Da­men und Herren –, und eine korrekte Einstufung ist zu beachten.

Wie hoch sind die Strafen? – Sie bewegen sich von 1 000 bis 10 000 € im Wiederho­lungsfall und bei mehr als drei betroffenen Arbeitnehmern von 2 000 bis 20 000 €. Das sind Strafmaßnahmen, die in diesem Zusammenhang sicherlich gerechtfertigt sind. Wir können damit verhindern, dass es zu einem Lohn- und Sozialdumping in diesem Be­reich kommt.

Die zuständigen Behörden sind einerseits ein eingerichtetes Kompetenzzentrum bei der Wiener Gebietskrankenkasse und die Finanzpolizei, andererseits für in Österreich versicherte Arbeitnehmer unsere Gebietskrankenkasse oder im Baubereich die Bauar­beiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse. Die Strafbehörde wird die Bezirkshauptmann­schaft sein.

Wie sieht der Schutz für unsere Betriebe aus? Das ist auch ein wichtiger Punkt bei diesem Gesetz. – Ausländische Unternehmen müssen Lohnunterlagen in Deutsch am Arbeitsort in Österreich bereithalten. Es ist zum Beispiel möglich, dass es eine Bau­stellen-Kontrolle direkt vor Ort gibt, bei der auch Dienstzettel und Bankbelege sofort vorgelegt werden müssen. Es wird eine Untersagung der Dienstleistung geben, wenn eine Bestrafung erfolgt, weil der Grundlohn von mehr als drei Arbeitnehmern oder wiederholt unterschritten wird. Die Bescheid-Zustellung ist auch am Einsatzort möglich. Auch der Begriff der Sicherheitsleistung ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Es kann auf den Werklohn zugegriffen werden, wenn der Verdacht auf eine Grundlohn-Unterschreitung besteht beziehungsweise eine Strafverfolgung nur erschwert möglich


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oder unmöglich zu sein scheint. Das heißt, der Auftraggeber zahlt an die Bezirkshaupt­mannschaft.

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz bietet Schutz für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch für unsere Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Angst zu verbreiten, das ist daher sicherlich der falsche Weg in diesem Zusammenhang. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich stehe auch nicht an, mich bei den Grünen zu bedanken, nämlich für die notwendige Verfassungsmehrheit in Bezug auf Artikel 3 des Landarbeitsgesetzes, dass auch die Mitarbeiter im Bereich der Land- und Forstwirtschaft von dieser Regelung mit erfasst werden. Ich glaube, das ist ein wichtiges und richtiges Signal, das heute durch einen Mehrheitsbeschluss gesetzt wird. Herzlichen Dank auch von unserer Seite. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte das Thema Angst schon noch einmal erörtern, weil ich glaube, dass das wichtig ist. Angst zu schüren in einem so sensiblen Bereich, wie das hier der Fall ist, ist sicherlich nicht der richtige Weg und ist überhaupt ein schlechter Ratgeber in der Politik. Ein Sprichwort sagt: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.

Es gibt wirklich nicht diesen Grund, der hier so dramatisch dargestellt wird, sich vor dem 1. Mai in diesem Ausmaß zu fürchten. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Österreich ist ein selbstbewusstes Land mit fleißigen und leistungsorientierten Menschen (Beifall bei ÖVP und SPÖ – Abg. Strache: Unsere fleißigen Menschen lassen Sie im Stich!), die es nicht verdient haben, meine Damen und Herren, dass täglich mit Angstparolen verunsichert wird. Man könnte auch sagen: Fürchtet euch nicht!

Als Innviertler Abgeordneter sehe ich seit Jahren, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Deutschland zu uns kommen. (Abg. Strache: Die Innviertler wenden sich eh mit Schrecken von Ihnen ab!) Wir haben mittlerweile 80 000 deutsche Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer bei uns im Land, vor allem in der Gastronomie, aber auch im Tourismusbereich. Vor etwa 15 Jahren, Herr Kollege Strache, waren es rund 40 000, also in etwa die Hälfte. Ich sage Ihnen: Es hat keinerlei Probleme gegeben beim Zuzug der Arbeitskräfte aus der Bundesrepublik Deutschland. (Abg. Dr. Belako­witsch-Jenewein: Weil das Lohngefälle so groß war!) Das AMS rechnet mit etwa 20 000 bis 25 000 zusätzlichen Arbeitskräften in diesen Bereichen. (Abg. Strache: Das Lohngefälle in diesen Ländern im Vergleich zu unserem sagt Ihnen gar nichts?) Daher bin ich der Meinung, dass diese Zahl auch vertretbar und verkraftbar sein wird für un­seren österreichischen Arbeitsmarkt – natürlich mit den notwendigen gesetzlichen Maßnahmen, die wir heute beschließen und die wir auch im Laufe des nächsten Mo­nats noch beschließen werden.

Es ist in diesem Zusammenhang nicht nur das Lohn- und Sozialdumping-Bekämp­fungsgesetz zu sehen, sondern auch die Rot-Weiß-Rot-Karte, die in einem Monat be­schlossen werden wird, die in der Regierung bereits akkordiert ist. (Abg. Dr. Belako­witsch-Jenewein: Na bravo! – Abg. Strache: Der erste Schritt einer Belastung!) Herr Kollege Strache, wenn Sie unsere Betriebe besuchen, dann wissen Sie, dass wir in einigen Branchen bereits einen Mangel an Facharbeitskräften zu verzeichnen haben. Die Rot-Weiß-Rot-Karte wird eine qualifizierte Zuwanderung von hoch qualifizierten Ar­beitnehmern, von Fachkräften in Mangelberufen, im Bereich der Schlüsselarbeitskräfte ermöglichen. Das ist ein durchdachtes Punktesystem. Die deutsche Sprache ist we­sentlicher Bestandteil des Gesetzes zu dieser Rot-Weiß-Rot-Karte. Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang auch bei unserer Bundesministerin Maria Fekter, die feder­führend diese Rot-Weiß-Rot-Karte verhandelt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Bucher: Die nächste Parteichefin!)

Diese beiden Maßnahmen miteinander werden einen geordneten und verträglichen Zu­zug an Arbeitskräften aus den betroffenen acht Ländern, aber auch aus Drittstaaten


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ermöglichen. Das wird uns insgesamt auch helfen, den österreichischen Arbeitsmarkt gut weiterzuentwickeln. Man muss dazusagen: Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer, die aus diesem Bereich kommen, zahlen auch in unsere Sozialsysteme ein. Das heißt, hier ist eine durchaus positive Entwicklung zu verzeichnen.

Meine Damen und Herren! Wir verbreiten keine Angst, wir handeln und geben die rich­tigen Antworten im Sinne unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und im Sinne unserer Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.09


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.

 


11.09.13

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wöginger, das Problem ist, dass es genau so ist, wie Sie gesagt haben: dass Sie viel zu oft an die Arbeitnehmer und Arbeitnehmer und die Arbeitgeber und Arbeitgeber denken und leider auf die Frauen bei dieser Thematik vergessen. (Beifall bei den Grünen.) Deshalb ist die soziale Lage von Frauen in Österreich auch äußerst bedenklich.

Meine Damen und Herren, es gibt Putzfrauen in Österreich, die bei Reinigungsfirmen beschäftigt sind und 6 € in der Stunde verdienen. Es gibt Putzfrauen in privaten Haus­halten, die nicht einmal diese 6 € verdienen. Und wenn das Ganze getarnt unter dem Titel „Au-pair“ stattfindet, dann bekommen diese Frauen dafür, dass sie den gesamten Haushalt managen, vielleicht gerade einmal 4 € in der Stunde.

7,50 € in der Stunde müsste man verdienen, um, hochgerechnet auf eine Vollzeitbe­schäftigung, ein existenzsicherndes Einkommen in Österreich zu erzielen. Hunderttau­sende, nicht ein paar, sondern Hunderttausende Menschen in Österreich sind meilen­weit von diesem Wert entfernt.

Die Wiener Linien zahlen fürs Schneeräumen tagsüber 5,70 € in der Stunde, in der Nacht 6,60 €. Die Zusteller bei privaten Postdienstleistern arbeiten zu Konditionen, die am Ende in etwa Stundenlöhne von 4 bis 5 € ergeben. Erntehelfer und Erntehelferin­nen aus Osteuropa, die sich auf österreichischen Feldern den Rücken ruinieren, kom­men auf diesen Betrag nach Abzug von Kost und Logis pro Tag. (Abg. Dr. Rosen­kranz: Wo leben Sie eigentlich?)

Selbst fix angestellte Friseurinnen, die sozusagen den viel gepriesenen Kollektivvertrag im Rücken haben, kommen auf 6,86 € in der Stunde. Hilfskräfte im Handel, und das sind sehr viele, verdienen in etwa gleich viel beziehungsweise gleich wenig, müsste man sagen. Und sehr viele Praktikanten und Praktikantinnen in Österreich arbeiten 40 Stunden in der Woche für ein geringfügiges Einkommen von 374 €. Das sind weni­ger als 4 € in der Stunde.

Noch etwas möchte ich erwähnen: Immer mehr Menschen in Österreich arbeiten zum Teil umsonst. Das heißt, Überstunden und Mehrstunden werden nicht bezahlt, und auch Nachtzuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit werden verwehrt.

Meine Damen und Herren, all das ist Lohn- und Sozialdumping, so wie es auf dem österreichischen Arbeitsmarkt stattfindet. (Beifall bei den Grünen.)

All diese Menschen werden ausgebeutet und ausgenutzt, um ihren Arbeitgebern Kos­ten zu ersparen beziehungsweise eventuell auch um deren Gewinne zu erhöhen. Und das dürfen wir nicht hinnehmen. Wir dürfen das nicht hinnehmen, und wir dürfen nicht länger wegschauen.

Ich bin sehr froh darüber, dass im Vorblatt zu diesem Gesetzentwurf zu lesen ist – ich zitiere –:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 57

„Lohn- und Sozialdumping ist eine sozialpolitisch unerwünschte Erscheinung, ...“

Das ist unerwünscht, ja; wir Grüne schließen uns dem voll und ganz an. Wir brauchen offensive Maßnahmen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping auf dem öster­reichischen Arbeitsmarkt. Das brauchen wir ganz dringend. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren, die Frage, die man aber natürlich in diesem Zusammen­hang stellen muss, lautet: Ist dieses Gesetz in der Lage, diese Aufgabe zu bewältigen? Können wir mit diesem Gesetz diesem Ziel näher kommen? Bringt es uns im Kampf um faire Löhne, um faire Arbeitsbedingungen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt weiter? Bringt es uns weiter, wenn es um faire Arbeitsbedingungen für Frauen wie Männer, für Inländer wie Ausländer, für Junge wie Alte geht? – Ich sage: Es hilft leider nur sehr begrenzt! Sicher wird mit diesem Gesetz ein erster wichtiger Schritt getan. Es wird erstmals möglich sein, dass Löhne, Lohnhöhen behördlich kontrolliert werden und dass Unterentlohnung auch wirklich durch Strafe sanktioniert wird. Das ist ein wichtiger Schritt und auch der Grund dafür, dass die Grünen diesem Gesetz letztlich in dritter Lesung ihre Zustimmung geben werden.

Aber – und ich muss sagen: Dieses Aber ist schon ein sehr großes „Aber“! – wenn ich mir die weiteren Details dieses Gesetzes anschaue, dann muss ich sagen: Es wimmelt wieder vor Halbherzigkeiten und – leider muss ich das so sagen – vor faulen Koali­tionskompromissen, die dann letztlich dazu führen, dass dieses Anti-Lohn- und Sozial­dumpinggesetz in vielen Punkten nicht das erreichen wird, was man sich damit zum Ziel gesetzt hat. (Beifall bei den Grünen.)

Genau deshalb haben wir Grüne einen sehr umfangreichen Abänderungsantrag vor­bereitet, der hoffentlich bereits verteilt worden ist. Ich möchte nun diesen Antrag ge­meinsam mit unseren weiteren Kritikpunkten in groben Zügen erläutern.

Erster Punkt: Kontrolliert wird künftig nur der Grundlohn ohne Zulagen und Zuschläge. Was bedeutet das, und wie relevant ist das? – Es gibt einfach viele Branchen, etwa die Baubranche, wo diese Zuschläge bis zu 25 Prozent, manchmal 50 Prozent des Entgel­tes betragen. Es wäre daher sehr wichtig, um wirklich effizient kontrollieren zu können, das gesamte Entgelt zu kontrollieren. Auch die Gewerkschaft hat gefordert, so wie wir auch, dass das gesamte Entgelt kontrolliert wird, als Basis für die Kontrolle herangezo­gen wird. Aber leider ist es nicht gelungen, das im Gesetzentwurf zu verankern. Es ist leider nichts daraus geworden, weil es offensichtlich ein Koalitionspartner in dieser Regierung – Überraschung! Überraschung!, es ist die ÖVP – mit dem Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping doch nicht ganz so ernst nimmt.

Zweiter Punkt: Die Strafen sind uns zu niedrig. Leider wurden die Strafen sowohl für einmalige als auch für wiederkehrende Unterentlohnung gegenüber jenen im Ministe­rialentwurf herabgesetzt. Wir bedauern das sehr, denn wir sind absolut davon über­zeugt, dass nur wirklich hohe Strafen systematische Unterentlohnung verhindern kön­nen. Nur wenn sich etwas sozusagen nicht mehr auszahlt, wird es auch nicht mehr stattfinden. Wir Grüne schlagen deshalb vor, dass die Strafhöhe unmittelbar an das Ausmaß der Unterentlohnung gekoppelt werden soll, das heißt: große, wirklich hohe Strafen für die „großen Fische“, niedrigere Strafen dann, wenn es eben so etwas wie ein Ausrutscher war.

Dritter Punkt: Wir sind nicht zufrieden mit der Informationspolitik rund um die Anzeigen, wenn sozusagen Unterbezahlung angezeigt wird. Es ist derzeit nicht vorgesehen, dass der Betroffene selbst beziehungsweise seine Interessenvertretung, also die Arbeiter­kammer oder die Gewerkschaft, von dieser Anzeige informiert wird. Das ist definitiv ein Problem! In Folge wäre es natürlich notwendig, das Rechtsmittel der Verbandsklage zu etablieren, damit nicht nur der Betroffene selbst klagen kann in diesem Zusammen­hang, sondern eben auch seine Interessenvertretung. Aber leider ist auch das im Ge­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 58

gensatz zum Ministerialentwurf jetzt leider nicht mehr enthalten. Auch diesbezüglich – Überraschung! Überraschung! – war es die ÖVP, die verhindert hat, dass Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer künftig eher zu ihrem Recht kommen.

Meine Damen und Herren, es ist gut, dass es endlich möglich ist, Löhne in Österreich behördlich zu kontrollieren, dass Unterbezahlung bestraft wird. Es ist leider nicht gut, dass dieses Gesetz nicht ganz so effizient gestaltet sein wird, wie wir Grüne uns das erhofft haben. Es ist bedauerlich, dass wieder einmal klar wurde, in wessen Interesse die ÖVP Politik macht. Offenbar gibt es viele Unternehmen in Österreich, die davon profitieren, dass sie Lohndumping betreiben, und offenbar haben es sich diese Unter­nehmen auch einiges kosten lassen, dass das so bleibt.

Ich denke aber, dass diese Strategie nach hinten losgeht und dass man mittlerweile in Ihren eigenen Reihen zu murren beginnt, weil es auch ein Nachteil für faire Unterneh­mer und Unternehmerinnen ist, wenn sie in Konkurrenz stehen zu jenen, die hem­mungslos Lohn- und Sozialdumping betreiben. Ihre Strategie ist sicher eine kurzsichti­ge, und es ist wirklich gut, dass es Ihren eigenen Leuten mittlerweile reicht.

Herr Abgeordneter Riepl hat im Ausschuss zugestanden, dass dieses Gesetz baldigst verbessert werden soll, weil es eben noch viele Lücken hat. Wir Grünen sehen das auch so. Dieses Anti-Lohn- und Sozialdumpinggesetz ist ein erster Schritt, aber je schneller wir den nächsten machen, desto besser für alle Beschäftigten in unserem Land und desto besser auch für die fairen Unternehmer und Unternehmerinnen. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen.)

11.17


Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Abänderungsantrag, der verteilt wor­den ist, steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Schatz, Öllinger, Freundinnen und Freunde

zum Bericht des Sozialausschusses über den Antrag Regierungsvorlage: Bundes(ver­fassungs)gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Insol­venz-Entgeltsicherungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitskräfteüberlas­sungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz – LSDB-G) (1076 der Beilagen) in der Fas­sung des Ausschussberichts (1094 d.B.)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage 1076 der Beilagen betreffend Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungs­gesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz – LSDB-G) (1076 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussbe­richts (1094 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. In Art 1 Z 8 werden in § 7e Abs. 1 die Worte „nach Gesetz, Verordnung oder Kollek­tivvertrag in Österreich zustehenden Grundlohns unter Beachtung der jeweiligen Ein­stufungskriterien“ durch die Worte „nach den österreichischen Rechtsvorschriften ge­bührenden Entgelts“ ersetzt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 59

2. In Art 1 Z 8 werden in § 7e Abs. 3 werden die Worte „den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstu­fungskriterien“ durch die Worte „das nach den österreichischen Rechtsvorschriften ge­bührende Entgelt“ ersetzt.

3. In Art 1 Z 8 lautet § 7e Abs. 3 letzter Satz:

„Eine Ablichtung der Anzeige ist der Abgabenbehörde zum Zweck der Nachverrech­nung von Abgaben sowie dem/der von Unterentlohnung betroffenen Arbeitnehmer/in und den zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitnehmer/innen und der Arbeitgeber/innen zur Kenntnis zu übermitteln.“

4. In Art 1 Z 8 werden in § 7e Abs. 4 im ersten Satz die Worte „unter Beachtung der Einstufungskriterien zustehenden Grundlohns“ sowie im letzten Satz die Worte „kollek­tivvertraglichen Grundlohns“ jeweils durch die Worte „nach den österreichischen Rechts­vorschriften gebührenden Entgelts“ ersetzt.

5. In Art 1 Z 8 werden in § 7e Abs. 5 im ersten Halbsatz die Worte „zustehenden Grundlohns unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien“ sowie im letzten Halb­satz das Wort „Grundlohns“ durch die Worte „nach den österreichischen Rechtsvor­schriften gebührenden Entgelts“ ersetzt.

6. In Art 1 Z 8 erhält § 7f die Überschrift: „Erhebung zur Kontrolle des nach öster­reichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts“

7. In Art 1 Z 8 wird in § 7f Abs. 1 das Wort „Grundlohns“ durch das Wort „Entgelts“ er­setzt.

8. In Art 1 Z 8 werden in § 7g Abs. 1 die Worte „zumindest den nach Gesetz, Verord­nung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn“ durch die Worte „zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Entgelt“ ersetzt.

9. In Art 1 Z 8 werden in § 7h die Worte „den nach Gesetz, Kollektivvertrag oder Ver­ordnung zustehenden Grundlohn“ durch die Worte „das nach Gesetz, Kollektivvertrag oder Verordnung zustehende Entgelt“ ersetzt.

10. In Art 1 Z 8 lautet § 7i Abs. 3 wie folgt:

„(3) Wer als Arbeitgeber/in eine/n Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest das nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührende Entgelt zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwal­tungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand ei­ner in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in das zehnfache bis zwanzigfache, im Wiederholungsfall für jede/n Arbeitnehmer/in das zwanzigfache bis dreißigfache der gesamten festgestellten Unterentlohnung, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeit­nehmer/in das zwanzigfache bis dreißigfache, im Wiederholungsfall für jede/n Arbeit­nehmer/in das vierzigfache bis sechzigfache der gesamten festgestellten Unterentloh­nung.“

11. In Art 1 Z 8 wird § 7i Abs. 4 erster Satz folgender Satz vorangestellt:

„Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde eine Unterschreitung des nach österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts zu, so ist der/die von der Unterschreitung betroffene Arbeitnehmer/in von der Höhe der festgestellten Unterschreitung in Kenntnis zu setzen.“

12. In Art 1 Z 8 wird in § 7i Abs. 4 jeweils das Wort „Grundlohns“ durch die Worte „nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts“ ersetzt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 60

13. In Art 1 Z 8 lautet § 7j Abs.1 wie folgt:

„§ 7j. (1) Die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde hat dem/der Arbeitgeber/in die Ausübung der den Gegenstand der Dienstleistung bildenden Tätigkeit für die Dauer von mindestens einem Jahr zu untersagen, wenn der/die Arbeitgeber/in wegen Unter­schreitung des nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts von mehr als drei Arbeitnehmer/innen gemäß § 7i Abs. 3 oder wegen Nichterfüllung der Meldeverpflichtung nach § 18 Abs. 12 AuslBG in mehr als drei Fällen nach § 28 Abs. 1 Z 5 lit. a AuslBG wegen erstmaliger oder einer weiteren Wiederholung rechts­kräftig bestraft wurde.“

14. In Art 1 Z 8 lautet § 7l Abs. 4 wie folgt:

Wird nach dem Wort „Finanzen“ ein Beistrich und die Worte “vergebende Stellen für Auftraggeber nach § 3 Bundesvergabegesetz zur Überprüfung von Angeboten nach diesem Gesetz“ eingefügt.

15. In Art 1 Z 8 wird nach § 7m folgender § 7n eingefügt:

„Verbandsklage

§ 7n. Sofern der/die Arbeitgeber/in die Entgeltansprüche nicht bereits geleistet hat, ha­ben die zuständigen gesetzlichen und freiwilligen Interessenvertretungen der Arbeit­nehmer/innen und der Arbeitgeber/innen gegen den/die Arbeitgeber/in den Anspruch auf Unterlassung der Unterentlohnung.“

Begründung

Unbestreitbar ist ein Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping überfällig und dringend notwendig. Es ist daher zu begrüßen, dass sich die Sozialpartner auf die Umsetzung von Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping einigen konnten. Dennoch liegt die Verantwortung für die Schaffung und die Ausgestaltung von Rechtsnormen bei den gewählten VertreterInnen in den gesetzgebenden Körperschaften.

Auch wenn der vorliegende Entwurf auf eine Einigung der Sozialpartner zurückgeht, hat die Politik die Verantwortung, von ihr zu beschließende Maßnahmen problemge­recht, zielführend und wirksam zu gestalten. Der vorliegende Entwurf wird dieser Ver­pflichtung in mehreren Punkten leider nicht gerecht.

Zu 1., 2., 4., 5., 6., 7., 8., 9. und 12. ( Art 1 Z 8 §§ 7e Abs. 1, 7e Abs. 3, 7e Abs. 4, 7e Abs. 5, 7f, 7g Abs. 1, 7h, 7i Abs. 3 sowie 7i Abs. 4)

Die Regierungsvorlage zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz stellt nicht auf das einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer nach österreichischem Recht tatsächlich zustehende Entgelt ab, sondern nur auf den Grundlohn. Auf diese Weise bleibt das Vorenthalten von Zuschlägen auf Grund bestimmter Tätigkeiten oder Tätig­keiten mit bestimmten Werkstoffen, aber auch von Zuschläge für Überstunden außer Betracht. Es ist auf diese Weise möglich, ArbeitnehmerInnen bis zu 50% (fallweise auch mehr) des nach der österreichischen Rechtsordnung zustehenden Entgelts vor­zuenthalten, ohne unter die Strafbestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-Be­kämpfungsgesetzes zu fallen.

Der Abänderungsantrag stellt sicher, dass alle Bestandteile des Entgelts unter den Schutz des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes fallen.

Zu 3., 11. und 15. (Art 1 Z 8 §§ 7e Abs. 3, 7i Abs. 4 sowie 7n)

Lohn- und Sozialdumping schädigt viele Menschen auf unterschiedliche Art und Weise. Zu allererst geschädigt wird die Person, die für ihre Arbeit nicht das ihr zustehende Entgelt erhält. Geschädigt sind aber auch Sozialversicherungsträger, denen ihnen zu­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 61

stehende Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten werden. Geschädigt werden letzt­lich aber alle ArbeitnehmerInnen und auch alle Unternehmen, die sich an das geltende Recht halten. Sie werden von Lohn- und Sozialdumping betreibenden Unternehmen in einen unlauteren Wettbewerb gezwungen. Es ist somit notwendig, die Betroffenen in die Lage zu versetzen, gegen die sie betreffenden Konsequenzen aus Lohn- und So­zialdumping entsprechen vorzugehen.

Neben dem zuständigen Sozialversicherungsträger und der Abgabenbehörde sind von einer Anzeige nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz auch die be­troffenen ArbeitnehmerInnen sowie die gesetzlichen Interessensvertretungen der Ar­beitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen in Kenntnis zu setzen. Dies stellt die im Abän­derungsantrag gewählte Formulierung sicher. Der Abänderungsantrag ermöglicht, dass betroffene ArbeitnehmerInnen wie die Interessensvertretung von einer Anzeige, die ArbeitnehmerInnen überdies auch von der Ausfertigung eines Strafbescheids der zu­ständigen Bezirkshauptmannschaft und über die darin festgestellte Höhe vorenthalte­ner Löhne unterrichtet werden.

Den gesetzlichen wie freiwilligen Interessensvertretungen von ArbeitnehmerInnen wie ArbeitgeberInnen wird mit dem vorgeschlagenen § 7n (der bereits so ähnlich im Minis­terialentwurf enthalten war) die Möglichkeit geboten, die Interessen ihrer Mitglieder im Weg der Verbandsklage durchzusetzen.

Zu 10. (Art 1 Z 8 § 7i Abs. 3)

Es erscheint als sinnvoll, die zu verhängende Strafhöhe in Relation zum vorenthalte­nen Entgeltteil zu setzen (etwa vergleichbar dem Verkürzungszuschlag im Finanzstraf­verfahren). Diese Regelung ist dort besonders wirksam, wo gezielt in großem Ausmaß und über einen längeren Zeitraum hinweg Lohn- und Sozialdumping betrieben wurde. Einmaliges, geringes Unterschreiten des nach österreichischem Recht zustehenden Entgelts hingegen führt zu geringer Strafe, die im Übrigen durch Nachzahlung des vor­enthaltenen Entgelts abgewendet werden kann.

Zu 13. (Art 1 Z 8 § 7j Abs. 1)

Der vorliegende Gesetzesentwurf macht es für Unternehmen, die Lohn- und Sozial­dumping zu betreiben gedenken, attraktiv, entsandte ArbeitnehmerInnen nicht dem Ge­setz entsprechend zu melden. Sie können auf diese Weise zum einen unter Umstän­den mit einer niedrigeren Strafe wegen verspäteter Meldung nach dem AuslBG rech­nen, müssen aber jedenfalls nicht befürchten, von einer Untersagung der Erbringung einer Dienstleistung nach § 7j Abs. 1 betroffen zu werden. Die in der Regierungsvor­lage vorgeschlagene Regelung verstößt außerdem sehr wahrscheinlich gegen euro­päisches Recht, da Lohn- und Sozialdumping betreibende Unternehmen mit Sitz in Ös­terreich wesentlich schwächere Rechtsfolgen fürchten müssen als derartige Unterneh­men mit Sitz im Ausland. Es ist nicht einzusehen, warum ein Lohn- und Sozialdumping betreibendes Unternehmen bei gleichem Tatbestand geringere Rechtsfolgen zu be­fürchten hat als andere. Die rechtliche Besserstellung österreichischer Lohndumper, die aus der offenkundigen Wirkungslosigkeit der Gewerbeordnung entspringt, ist un­sachlich und nicht gerechtfertigt. Lohn- und Sozialdumping ist grundsätzlich schädi­gend, unabhängig davon, wer es betreibt. Die im Abänderungsantrag vorgeschlagene Formulierung stellt sicher, dass jedes Lohn- und Sozialdumping unter den selben Re­gelungen verfolgt wird.

Zu 14. (Art 1 Z 8 lautet § 7l Abs.1)

Nach § 68 Abs. 1 Z 5 und 6 Bundesvergabegesetz sind AngebotslegerInnen vom Ver­gabeverfahren auszuschließen, wenn sie nachweislich arbeits- und sozialrechtliche Normen nicht erfüllt oder Sozialversicherungsbeiträge etc. nachweislich nicht abgeführt haben. Damit sind auch Unternehmen auszuschließen, die auf Grund eines Verstoßes


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gegen das Lohn- und Sozialdumpinggesetzes in die Evidenz nach § 7l aufgenommen werden. Aus diesem Grund ist es notwendig, die Aufzählung der auskunftsberechtigten Stellen um vergebende Stellen zu erweitern. Ein Auskunftsrecht kommt diesen nur zu, wenn tatsächlich ein Vergabeverfahren geführt und ein Unternehmen ein Angebot ge­legt hat.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


11.18.11

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hunds­torfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst auch einmal den Grünen danken für ihre Zustimmung zu dem heute vorliegenden Ge­setzentwurf, denn das ist ein Weg in die richtige Richtung.

Von den Damen und Herren von FPÖ und BZÖ hätte ich mir, ehrlich gesagt, mehr Seriosität in der Sache gewünscht. Sie zeichnen hier ein Horrorszenario, indem Sie mit völlig falschen Zahlen die Bevölkerung über irgendetwas angeblich informieren wollen. Wenn man sagt, wir haben 500 000 Menschen, die jährlich aus dem System fallen, so muss ich sagen: Das ist schlichtweg falsch; so falsch wie nur irgendetwas! Wir haben zur Stunde inklusive der Schulungsteilnehmer 321 000 Menschen beim AMS gemeldet. Das sind immerhin um 28 000 weniger als am gleichen Tag im Vorjahr. Wie Sie viel­leicht noch wissen, war voriges Jahr um diese Zeit die Karwoche, und in der Karwoche ist im Tourismus immer ein höherer Beschäftigtenstand als zu allen anderen Zeiten zu verzeichnen. – Punkt eins.

Punkt zwei: Wir haben nur 30 000 Menschen, die jährlich aufgrund einer Invalidität in Pension gehen.

Und wenn man hier sagt, man täte nichts für die Ausbildung, dann muss ich Ihnen sa­gen: Sie müssten doch wissen, dass 600 Millionen € allein im Jahr 2011 vom AMS nur für Qualifikationsmaßnahmen ausgegeben werden. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jene­wein: Schulungen!) Vom gesamten Förderbudget des AMS, von den 980 Millionen ge­hen 600 Millionen nur in Qualifikationsmaßnahmen!

Zu den Lohnrelationen: Ja wo war denn die FPÖ 2003/04, als die Lohnrelationen mit der Slowakei, mit Tschechien, mit Ungarn ganz woanders waren? – Da haben Sie brav mitgestimmt, da haben Sie brav mitunterschrieben. Sie sind eine reine Trittbrettfah­rerpartei – nichts anderes! Der Inhalt ist bei Ihnen vollkommen egal. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Rosenkranz.)

Wir haben 2011 den höchsten Beschäftigtenstand – und ich werde das Vergnügen ha­ben, das morgen verkünden zu dürfen –, den höchsten Beschäftigtenstand, seitdem es diese Republik gibt. Ich betone: Den höchsten Beschäftigtenstand, seitdem es diese Republik gibt! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Strache: McJobs! Die billigen McJobs!)

Herr Abgeordneter Dolinschek! Sie haben sich zum Beispiel hier hergestellt und be­hauptet, die werden etwas errichten. – Wo ist denn Ihre Information her? – Das Kom­petenzzentrum gibt es schon, das Kompetenzzentrum arbeitet schon (Abg. Dolin­schek: ... Gewerkschaft Bau-Holz!), denn ich schlafe nicht im Busch, sondern wir hackeln. Diese Regierung arbeitet, diese Regierung ist aktiv tätig. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Grosz: Was sagt der Herr Muchitsch?)

Selbstverständlich haben wir unsere Kontrollorgane abgestimmt (Abg. Grosz: Fragen Sie den Abgeordneten Muchitsch!), und selbstverständlich hat die BUAK genauso ihre


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 63

Kontrollorgane wie die KIAB und wie die Gebietskrankenkassen. (Abg. Strache: Aber personell wird permanent ausgedünnt! Beamte werden abgebaut bei der KIAB!) – Wenn Sie dem Herrn Abgeordneten Muchitsch bei dieser Presseaussendung genau zugehört hätten, wenn Sie genau zugehört hätten, dann wären Sie draufgekommen, dass auch die BUAK sehr wohl ihre Prüfkompetenzen bekommen hat und dass die BUAK das, was wir heute beschließen, genauso haben wird.

Wenn Sie sich heute hier herstellen und sagen, es sei alles so schlimm, meine Damen und Herren (Zwischenrufe bei der FPÖ), wenn Sie heute sagen: „Closed shop“ und zumachen, zumachen!, dann gehen Sie auch hinaus und haben Sie die Größe, den 400 000 Österreicherinnen und Österreichern, die zur Stunde im Ausland arbeiten, als Wochenpendler, als Monatspendler, als Tagespendler, zu sagen: Return, denn wir wol­len die auch nicht!, und dann werden wir doch nicht glauben, dass die anderen sagen: Die behalten wir uns?! (Abg. Bucher: Wovon reden Sie?) Wo ist denn da Ihre Gedan­kenwelt, und wo ist denn auch Ihre Gedankenwelt, dass Sie der gesamten ... (Abg. Strache: Wovon reden Sie? – Abg. Ing. Westenthaler: Was haben Sie heute gefrüh­stückt? – Abg. Mag. Stefan: Die billigen Österreicher ... in der Slowakei ...!)

Wo ist denn Ihre Gedankenwelt, dass Sie das der gesamten österreichischen Wirt­schaft unterstellen? Was Sie hier tun, ist: Sie unterstellen der gesamten österreichi­schen Wirtschaft, dass die Menschen nur „abeg’haut“ werden, dass die Menschen nur ausgebeutet werden. (Zwischenrufe bei FPÖ und BZÖ.) Das unterstellen Sie, Herr Strache, mit Ihrem Redebeitrag hier der gesamten österreichischen Wirtschaft! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Strache: Die österreichischen Tagespendler in New York und Washington!)

Wenn Sie sich ein bisschen über die tatsächliche Lage informiert hätten, dann wären Sie zum Beispiel draufgekommen, dass wir in Österreich ein paar Gemeinden im Nord­burgenland und in der Nähe zu Bratislava haben, die seit Wochen und Monaten und in Wirklichkeit seit über eineinhalb Jahren ein Bevölkerungswachstum haben, weil sich Menschen aus der Slowakei bei uns ansiedeln, weil die Menschen aus der Slowakei bei uns ihren Hauptwohnsitz begründen. Dann würden Sie wissen, dass wir in einigen dieser Kleingemeinden im Nordburgenland ein Bevölkerungswachstum haben (Abg. Strache: 20 Leute an einer Adresse wegen der Mindestsicherung!), dann würden Sie wissen, dass sich diese Leute ganz einfach hier ansiedeln und retour nach Bratislava pendeln – wenn Sie ein bisschen eine Ahnung hätten, wie das wirklich läuft! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: 20 Leute an einer Adresse wegen der Mindestsicherung! – Abg. Mag. Stefan: Und die SPÖ klatscht noch!)

Weil Sie sich hier herstellen und sagen, den Ausländern werde nur der Mindest-KV be­zahlt: Sehr geehrter Herr Strache, lesen Sie das Gesetz, lesen Sie unsere KV-Bestim­mungen und lesen Sie bitte unser Arbeitsrecht (Abg. Riepl: Er will nicht lesen!), denn was damit geprüft wird, ist auch der jeweils zuständige KV und die der Qualifikation entsprechende Einstufung! Das wird damit geprüft, das muss sichergestellt sein.

Der Wermutstropfen war natürlich auch die Frage der Zulagen, aber im Grundprinzip geht es ja nicht darum, dass jetzt viele ausländische Arbeitskräfte kommen werden. Wir haben unter anderem schon heute ein paar Tausend da, wir haben heute schon 29 000 ungarische Arbeitskräfte in unserem Land. Es wurde auch gesagt: Grenzregion Tschechien. – Aus ganz Tschechien sind es nur 5 000, mehr sind es nicht und mehr kommen auch nicht. Fragen Sie ... (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Woher wissen wir das? – Abg. Strache: He! Woher wissen Sie das?)

Im Gegensatz zu Ihnen mache ich nämlich Politik, indem ich mich mit allen Arbeits­ministern, mit allen Sozialministern, mit allen österreichischen Botschaftern in den Nachbarländern schon sehr lange unterhalte, und die sind alle teilweise mit Koopera­tionen versehen. (Ironische Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Strache: 500 000 Arbeitslo­


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se in Ungarn, 300 000 in Tschechien!) Dann würden Sie auch wissen, dass wir schon lange Zeit mit diesen Ländern Grenzgängerabkommen haben; zum Beispiel mit Tsche­chien ist dieses Grenzgängerabkommen seit vielen Jahren überhaupt nicht ausgereizt. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Könnten Sie das dem Herrn Bundeskanzler sa­gen? Der weiß das nicht!)

Ich möchte zum Schluss kommen. Das ist ein Schutz des österreichischen Arbeits­marktes. Mit diesem heutigen Gesetz wurde wiederum eine Lücke geschlossen, damit unsere arbeitsrechtlichen, unsere kollektivvertraglichen Bestimmungen eingehalten werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Ein Prophet ist er auch noch!) Und wir werden wei­ter daran arbeiten – so wie ich das heute schon tue –, mit Ungarn vor allem, wo wir heute schon mit der Budapester Steuerbehörde verhandeln, dass auch der Vollzug von Strafen entsprechend umgesetzt werden kann. Auch das tun wir. (Zwischenruf des Abg. Dr. Karlsböck.)

Es ist mit diesem Gesetz eine wesentliche Lücke der Kontrollen in Österreich geschlos­sen worden. Demzufolge können wir mit ruhigem Gewissen diesem 1. Mai 2011 ent­gegensehen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.26


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


11.26.45

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Ich weiß nicht, Kollegen von der SPÖ, wofür da geklatscht wird. Das ist mir völlig unklar. Wird da für besondere Abgehoben­heit applaudiert? Wird für Themenvermeidung applaudiert? Wird für Nichtansprechen der Frage, über die wir reden, applaudiert? – Herr Minister Hundstorfer spricht bei ei­nem Thema, bei dem es um die Vermeidung von Sozialdumping geht, davon, dass es hier „Trittbrettfahrerparteien“ gibt. Was das mit Sozialdumping zu tun hat weiß ich nicht: Trittbrettfahrer. (Zwischenruf des Abg. Heinzl.)

Er fragt, ob wir wollen, dass die 400 000 Österreicher, die im Ausland arbeiten, zurück­kommen, dass die alle zurückkommen müssen. (Abg. Strache: In Washington als Ta­gespendler tätig!) Die arbeiten ja offensichtlich alle in der Slowakei, in Ungarn und in den 2004 beigetretenen Staaten. Wir reden hier von Leuten, die seit zehn, 20, 30 Jah­ren im europäischen westlichen Ausland leben, die dort kein Sozialdumping betreiben, sondern die zu angemessenen Löhnen unter etwa gleichen volkswirtschaftlichen Be­dingungen tätig sind. Kein Mensch redet davon, aber zur Ablenkung vom Thema ist alles recht, selbst – jetzt sage ich einmal wirklich – primitivste Polemik. Und dann die anderen noch als Trittbrettfahrer zu beschimpfen! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hagen.)

Am besten hat mir ja – das dürfte bei Ihnen der Hauptgrund für den Applaus gewesen sein – das Argument gegen Sozialdumping gefallen, nämlich: Es siedeln sich ja in bur­genländischen Grenzdörfern Slowaken an, und dadurch wächst dort die Bevölke­rung! – Wow, das ist ein gutes Argument! Das ist besonders stark gewesen. Das hat si­cherlich den Applaus donnernd werden lassen. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Jetzt kommen wir aber zu dem Gesetz, das der Herr Minister für so toll befindet, das alle Probleme löst. Und damit müssen wir zufrieden sein, über nichts mehr reden, wenn wir keine Defätisten oder Negativseher sein wollen. (Ruf bei der SPÖ: Ein Witz­bold!) Kommen wir zu diesem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz. Da gibt es Re­gelungen – stimmt! –, dass man in Österreich nur dann tätig sein kann, wenn man die hiesigen kollektivvertraglichen Regelungen einhält. Das stimmt!

Jetzt hat die Rechtsanwaltskammer zu diesem Gesetz gesagt, das sei eine klassische Lex imperfecta, das sei ein Gesetz, das nicht durchsetzbar ist. Die Wirtschaftskammer


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hat in ihrer ersten Stellungnahme davon gesprochen, dass es inländerdiskriminierend wäre, weil zwar scharfe Strafen, scharfe Kontrollen und scharfe Bestimmungen enthal­ten sind, die gegen inländische Firmen exekutiert werden können – aber wie werden die gegen ausländische Firmen exekutiert? Da bin ich aber gespannt! (Abg. Strache: Gar nicht! Das ist es nämlich!)

Die ausländischen Firmen müssen hier Aufzeichnungen in deutscher Sprache führen und bereithalten. – Na, wunderbar! Und Sie werden dann in Ungarn in den Firmen in der Lohnbuchhaltung kontrollieren, ob diese Aufzeichnungen den tatsächlichen Zah­lungsflüssen entsprechen. Sie werden dann feststellen, ob die Einstufung so stimmt. Das ist in Ungarn besonders leicht, wo es überhaupt keine mit unserer vergleichbare Ausbildungsordnung gibt. Wenn so ein ungarischer Lehrling in Österreich in dieser „deutschen“ Aufzeichnung geführt wird, dann muss er hier ungefähr 800 € als Bauar­beiter mindestkollektivvertragsrechtlich bekommen. Ob er jetzt Vizepolier ist oder Fach­arbeiter – das werden Sie kontrollieren mit einem ungarischen Dienstnehmer, der nicht einmal der deutschen Sprache mächtig ist?

Mit Ungarn gibt es nicht einmal ein Verwaltungsvollstreckungsübereinkommen. Das heißt: Strafen können Sie gar nicht exekutieren, es gibt nicht einmal Ansätze von Ver­einbarungen über Kontrollen von Lohnaufzeichnungen, von Kassenanmeldungen und so weiter. Wir haben also ein Gesetz, das undurchsetzbar ist, das überhaupt nichts bringt und das – das ist auch ganz wichtig! – dem Markt völlig zuwiderläuft. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Gesetz kann ich umso weniger durchsetzen, umso stärker es gegen die Macht des Marktes geht. Klubobmann Strache hat das ja schon dargelegt. Wir gehen von Nach­barländern mit durchschnittlichen Gehältern für klassisch betroffene Entsendungsberu­fe, wie Bauarbeiter und dergleichen, von 450 €, 500 €, 550 € – aber das ist schon das oberste – im Monat aus. Und hier in Österreich liegen wir kollektivvertraglich mindes­tens bei 1 100 € netto hinauf bis 1 600 €. Wir haben ein Gefälle von 1 : 3, 1 : 4, 1 : 5 – je nach Land.

Dass sich da der ungarische Dienstgeber, der mit seiner Baufirma oder mit seiner Schlosserei in Österreich Aufträge annimmt, daran hält, nur weil er lieb ist und sagt: Ich zahle freiwillig das Vierfache, nur damit der österreichische Sozialminister eine Freude hat!, das glauben Sie doch selber nicht. Das glauben Sie doch selber nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn das so gegen den Markt läuft, da findet jeder – auch ein einigermaßen Ehrli­cher – Mittel und Wege – und wie die sind, das möchte ich hier gar nicht unter dem Schutz der Immunität darstellen –, das zu umgehen. Das ist ja selbst für das Sozialmi­nisterium erkennbar, dass man Aufzeichnungen führt und etwas ganz anderes macht.

Zusammengefasst: Die Rechtfertigung für dieses Gesetz ist in einem schönen Rahmen mit den Gründen, die wir heute unter anderem vom Bundeskanzler gehört haben, dass alles besser sei, dass wir ja keine Eurobonds einführen, dass wir weiterhin die Löhne durch die Kollektivvertragspartner autonom in Österreich regeln. Das alles ist ein schö­nes Sagen, nur ist das alles nicht wahr.

Wir wissen, in den entsprechenden Ausschussberichten der EU-Kommission ist alles schon enthalten, das in Richtung Wirtschaftsregierung geht. Es geht um eine zentrale Steuerung der Löhne, es geht um eine zentrale Steuerung der Steuerbemessungs­grundlagen, der Steuersätze und so weiter. Nur hier wird uns gesagt: Nein, nein, alles nichts, Österreich wird das verhindern! (Abg. Dr. Rosenkranz: Ein Veto ...!)

Und das beste Beispiel, das die Kollektivverträge ausgehöhlt und unserer Entschei­dungsgewalt entzogen werden, ist das Lohndumping, das jetzt kommt, indem wir uns,


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unseren Arbeitsmarkt und unseren Dienstleistungsmarkt für Sozialsysteme öffnen, die ein Drittel und darunter des Lohnes zahlen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. )

11.32


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Katzian. – Bitte.

 


11.32.38

Abgeordneter Wolfgang Katzian (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! An meinem Vorredner schätze ich normalerweise, dass man mit ihm sachlich diskutieren kann. Daher habe ich auch nicht verstanden, warum er in ei­nen Tenor einsteigt, der seiner eigentlich nicht würdig ist. Und wenn Sie fragen: Was hat der Herr Bundesminister gemeint mit dem Thema „Trittbrettfahrerpartei“?, dann möchte ich Ihnen dazu Folgendes sagen: Dass es Übergangsbestimmungen gibt und gegeben hat, das war vor allem eine Forderung der deutschen und der österreichi­schen Gewerkschaften (Zwischenruf des Abg. Grosz), weil wir genau gewusst haben, dass wir eine Gestaltung dieses Überganges brauchen.

Dann hat es 2003 Verhandlungen gegeben (Abg. Grosz: Von wem?) und auch die ent­sprechende Beschlussfassung für diese Übergangsbestimmungen. (Abg. Grosz: Wer war dagegen? – Abg. Ursula Haubner: Wer hat es verhandelt?) Und diese Übergangs­bestimmungen waren in unterschiedlichen Etappen auf sieben Jahre ausgelegt (Abg. Grosz: Geschichtsfälscher! – Ruf beim BZÖ: Zeitgeschichtsfälscher!) und der damali­ge Sozialminister – das war der Herr Haupt – und die Freiheitliche Partei haben damals dieser Vorgangsweise und diesen Übergangsbestimmungen zugestimmt. (Abg. Grosz: Wir haben es verhandelt!)

Also tun Sie jetzt nicht so, als ob das überhaupt nichts mit Ihnen zu tun hätte! (Abg. Strache: Wir haben es verhandelt! Sie wollten es gar nicht! ...!) Sie haben das genau­so mitverhandelt, und Sie sind dafür verantwortlich, dass es die Übergangsbestimmun­gen bis zum 1. Mai mit gegeben hat. Also tun Sie nicht so, als ob das mit Ihnen nichts zu tun hätte! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Rosenkranz: Sind Sie geistig ...?) Jetzt stellen Sie sich her und tun so, als ob Sie das alles nichts angehen würde! (Ruf: Sie haben selber im Parlament dagegen gestimmt ...! – Abg. Strache: Sie versuchen hier, das zu verdrehen! Sie haben gegen die Übergangsbestimmungen gestimmt! Das ist doch ...! – Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

Wir haben mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz aufgezeigt, meine Damen und Herren, und ich glaube, die Zuschauerinnen und Zuschauer, die Zuhörerin­nen und Zuhörer konnten sich heute davon überzeugen (Abg. Dr. Rosenkranz: ... für Österreich!): Da gibt es die einen, die immer nur zündeln, „einihaun“, versuchen, Miss­trauen und Hass zu säen, und es gibt die anderen, die arbeiten und die versuchen, Lösungen im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zustande zu bringen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Gute Nacht, Österreich!)

Das, was heute vorliegt, ist ein Schritt in die richtige Richtung, und ich teile auch alle Meinungen, wo es heißt, da brauchen wir weitere Schritte, das kann es nicht gewesen sein. Aber es ist ein wichtiger, es ist ein erster wichtiger und richtiger Schritt, der si­cherstellt, dass Lohn- und Sozialdumping bekämpft wird. Lohn- und Sozialdumping ist nämlich etwas, was den einzelnen Arbeitnehmer und die einzelne Arbeitnehmerin trifft, indem man weniger bezahlt bekommt, als einem zusteht, weil es inländische Arbeit­nehmerInnen verdrängen würde, weil es unser Sozialversicherungssystem schädigen würde und weil es bedeuten würde, dass der Wettbewerb zwischen Unternehmungen auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen wird.

Genau das zu bekämpfen, genau dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen und si­cherzustellen (Abg. Strache: Da sind Sie schön gescheitert! Da haben Sie bis dato schön versagt! – Zwischenruf des Abg. Neubauer), dass es nicht mehr an den einzel­


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nen Arbeitnehmern liegt, ihr eigenes Gehalt zu überprüfen und im Zweifelsfall zu kla­gen, sondern dass das von der Behörde gemacht wird, das war ein wichtiger Schritt. Das ist ein richtiger Schritt, dem weitere folgen werden und folgen müssen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. (Abg. Dr. Rosenkranz: In der Bezirkshauptmannschaft ...!)

Meine Damen und Herren, einer der Kritikpunkte ist auch, dass nur der Grundlohn ver­ankert ist, aber nicht auch die Zulagen. Der Herr Minister ist darauf schon eingegan­gen. Ich möchte erweiternd dazu festhalten, dass ich zutiefst davon überzeugt bin, der Grundlohn, der Kollektivvertragslohn und die kollektivvertraglichen Gehälter sind das eine, was auch entsprechend von der Behörde überprüft wird. In all jenen Unterneh­mungen, wo die vielen tausenden Betriebsrätinnen und Betriebsräte – 60 000 in ganz Österreich – arbeiten, werden sie dafür sorgen, dass nicht nur auf den KV-Lohn, son­dern auch auf die Zulagen geschaut wird, und dass das auch entsprechend umgesetzt wird.

Wer heute sagt, das sei ein zahnloser Tiger und in Wirklichkeit könne man die Kollek­tivvertragslöhne und die Zulagen nicht überprüfen, der stellt auch die Handlungsfähig­keit der Betriebsrätinnen und Betriebsräte in Frage. Dass das nicht der Fall ist, werden diese Kolleginnen und Kollegen beweisen. (Abg. Strache: Das beweisen sie ja tagtäg­lich! Das muss man nicht in Frage stellen!)

Und jetzt kann man natürlich sagen: Es gibt auch Betriebe, wo es keinen Betriebsrat gibt! (Ruf bei der FPÖ: Ja, wir wollen mehr blaue Betriebsräte!) – Na, da kann ich nur sagen: Das wäre eine gute Gelegenheit, in all jenen Unternehmungen, wo es noch kei­ne Betriebsräte gibt, Betriebsratswahlen einzuführen. Ich freue mich sehr darauf, dass alle, die jetzt den Mund sehr voll genommen haben, uns dabei unterstützen werden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein letzter Hinweis zur Kritik der Zahnlosigkeit dieses Gesetzes, weil das vielleicht vor­hin ein bisschen untergegangen ist (Abg. Dr. Rosenkranz: Da wird sich Herr Kollege Karlsböck äußern! Da ist er Experte!): Der slowakische Wirtschaftsminister sagte unter anderem zu diesem Gesetz: Das österreichische Gesetz sehen wir als Problem, die Höhe der Strafen geht über den Rahmen der guten Gepflogenheiten. Unseren Firmen, die ein Geschäft in Österreich haben, befiehlt dieses Gesetz, ihren Angestellten solche Löhne zu zahlen wie deren österreichischen Kollegen. – Also er bekrittelt dieses Ge­setz.

Ich glaube, der Umstand, dass der Wirtschaftsminister unseres Nachbarlandes dieses Gesetz bekrittelt, ist der beste Beweis dafür, dass es sich um ein gutes Gesetz, um ein effizientes Gesetz handelt!

Ich weiß von jenen Kolleginnen und Kollegen, die in den Stellen der Gebietskranken­kasse tätig sind, die das auch überwachen werden, dass sie darauf warten und hoch­motiviert sind. Sie werden dafür sorgen, dass da kein Schindluder getrieben wird. (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.38


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


11.38.54

Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Hohes Haus! Herr Minister Hundstorfer! Sie haben sich vorhin so rührend, richtig rührend für die Wirtschaft stark gemacht. Ich habe das von Ihnen das erste Mal gehört. Sie kommen hierher und haben den Löwen über die Wirtschaft gespielt. Und jetzt sage ich Ihnen etwas: Mir hat ein Kleinunternehmer geschrieben, dass er ein Guthaben bei der Gebietskrankenkasse hat, das relativ ange­nehm ist, weil er gut gewirtschaftet hat. Nun wollte er dieses Guthaben ausbezahlt ha­ben.


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Wissen Sie: Erstens kriegt er von diesem Guthaben kaum etwas heraus, weil solche bürokratischen Hürden aufgebaut sind, dass er nur schwer darauf zugreifen kann. Und das Zweite ist die Verzinsung. Dieser Umstand hat mich dann ein bisschen stutzig ge­macht. Er kriegt genau 0,0 Prozent Verzinsung für dieses Guthaben, das Sie ihm vor­enthalten. Wenn er aber im Rückstand wäre, müsste er 8,38 Prozent Verzinsung zah­len. Na Sie sind wirklich rührig für die Wirtschaft! Das haut mir die Krokodilstränen raus. Ich sage es Ihnen. (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren, nun kurz zum vorliegenden Gesetzentwurf. Dieses Gesetz ist nicht darauf ausgelegt, viel an Sozial- und Lohndumping zu verhindern, und ich wer­de Ihnen erklären, warum: Es greift nicht bei ausländischen Firmen, die künftig unseren Arbeitsmarkt stürmen werden, denn ausländische Firmen verursachen jetzt schon Lohndumping. Kollege Dolinschek hat es vorhin angeschnitten, das verursacht jährlich einen volkswirtschaftlichen Schaden von 119 Millionen €. Dieses Gesetz ist nicht ge­eignet, die Ziele, die es vorgibt – ausländische Unternehmen –, zu erreichen, und wird deshalb unsererseits abgelehnt werden.

Sie haben vorhin hier von diesen Aufzeichnungen gesprochen – Kollege Hübner hat das ebenfalls angesprochen, dass diese Aufzeichnungen nicht kontrolliert werden kön­nen. Erklären Sie mir, wie Sie das im Ausland machen wollen und wie Sie das dann durchsetzen werden! Ich bringe Ihnen später noch ein Beispiel aus der Schweiz dafür, wie man es wirklich machen könnte.

Lediglich die inländischen Betriebe, speziell betrifft das wieder die KMUs, die Klein- und Mittelbetriebe, bleiben da wieder einmal auf der Strecke – wie so oft bei der Wirt­schaftspolitik dieser Regierung.

Meine Damen und Herren, lediglich inländische Betriebe werden flächendeckend kon­trolliert – das steht im Gesetz – sowie durch hohe Kosten, Bürokratie und Strafrisiken belastet. Und das ist der falsche Weg!

Wir vom BZÖ sagen zu dieser Politik: Genug gezahlt! Meine Damen und Herren, hier muss etwas geändert werden. (Beifall beim BZÖ.)

Ich komme nun zu dem Vergleich mit der Schweiz, den ich vorhin schon angesprochen habe: Die Schweiz kümmert sich sehr um ihre heimischen Betriebe, speziell um die KMUs, schützt diese und schaut, dass sie auch geschützt werden.

Ich darf Ihnen dafür ein Beispiel bringen – Sie kennen das sicher aus der Wirtschaft –: Es hat zwischen Vorarlberg und der Schweiz große Probleme gegeben betreffend Be­triebe, die aufgrund des Verdachts des Lohndumpings nicht in der Schweiz arbeiten konnten. In Österreich haben wir niedrigere Betriebskosten beziehungsweise niedrige­re Gehälter als in der Schweiz. Die Schweiz hat dem dann 2009 einen Riegel vorge­schoben, das nennt sich Mindestbestimmungen gegen Sozial- und Lohndumping, weil bereits jeder vierte Betrieb, der in der Schweiz gearbeitet hat, von Lohndumping betrof­fen war.

Die Schweiz hat dann eine Kaution von 20 000 Franken eingeführt – und siehe da, das hat Wirkung gezeigt. Genauer gesagt muss ein ausländischer Betrieb, der in der Schweiz Aufträge durchführen will, 20 000 Franken an Kaution hinterlegen, um die So­zialleistungen, die von ihnen nicht einziehbar sind, sicherzustellen. Genau so ist es. (Zwi­schenruf des Abg. Strache.)

Ich glaube, in diesem Zusammenhang hätten Sie einmal über den Tellerrand hinaus, über die Grenze in die Schweiz schauen können, wo es dafür eine vernünftige Rege­lung gibt, dann wäre hier in diesem Gesetz nicht der vorliegende Pfusch entstanden.

Dass diese Regelung dem Europarecht entspräche – mit dieser Frage würden Sie ver­mutlich an mich herantreten –, hat die Vorarlberger Wirtschaftskammer in einem Gut­


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achten bestätigt bekommen. Die Vorarlberger Wirtschaftskammer hat das neue Gesetz nämlich bekämpft, und eine Professorin für Europa- und Völkerrecht von der Universi­tät Freiburg, Astrid Epiney, die dieses Gutachten erstellt hat, hat dann festgestellt, dass das Freizügigkeitsabkommen durch so eine Regelung nicht gefährdet ist. Eine Pflicht zur Hinterlegung einer Kaution sei nicht grundsätzlich mit dem Freizügigkeitsabkom­men unvereinbar.

Sie sehen, es wäre etwas Gutes machbar gewesen, wenn Sie sich nur bemüht hätten. Ich denke, Sie sollten sich da einmal als Beispiel die Schweiz anschauen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen: Ich glaube, dass unsere heimi­schen Betriebe von unserer Regierung, die von diesen Betrieben Steuern einhebt und sehr gut von diesen Steuern lebt, von unserer Politik geschützt werden müssten und dass Sie in diesem Zusammenhang zu wenig oder gar nichts getan haben, meine Da­men und Herren! (Beifall beim BZÖ.) Und ich glaube, dass diese Betriebe und wir ös­terreichischen Steuerzahler bereits genug gezahlt haben! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

11.45


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


11.45.01

Abgeordneter Dr. Martin Bartenstein (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister Hundstor­fer! Hohes Haus! Es wurde schon gesagt: Sieben Jahre ist es her, dass – richtig, da­mals unter Kanzler Schüssel und auch Minister Haupt – diese Übergangsfristen mit der Europäischen Union und vor allem den neuen Mitgliedstaaten verhandelt wurden. Ge­meinsam mit Deutschland sitzen und saßen wir im Boot – logisch, denn wir sind die geographischen Nachbarn dieser Beitrittsländer.

Wir haben diese sieben Jahre voll und ganz ausgeschöpft – das ist vielfach auf Kritik gestoßen, der Kommission, aber gerade auch bei unseren Nachbarländern, und war nicht immer einfach zu argumentieren. Rückblickend sage auch ich heute: Es war rich­tig, die sieben Jahre voll auszuschöpfen, weil der Arbeitsmarkt im Zuge der Rezession wirklich nicht sehr gut ausgeschaut hat und wir da jeglichen zusätzlichen Druck vermut­lich nicht verkraften hätten wollen oder können.

Heute hingegen präsentiert sich der Arbeitsmarkt in exzellenter Verfassung. Herr Hundstorfer hat schon darauf hingewiesen: 4,3 Prozent. Wir gehören zu den Besten, was die Arbeitslosenquote in Europa angeht. Wir gehören zu den Besten, was im Ver­gleich der Geschichte Österreichs die Beschäftigungsquoten betrifft, Rekordbeschäfti­gung in diesem Lande. Das heißt, unser Arbeitsmarkt kann diese plus 20 000 oder 25 000 Arbeitskräfte, die im Zuge dieser Öffnung laut AMS-Schätzung zu uns kommen könnten oder werden, durchaus verkraften.

Wir haben ja diesen Arbeitsmarkt auch schrittweise geöffnet. Wir öffnen ja jetzt nicht auf einmal alles, sondern auf Basis einer Sozialpartnereinigung durften und sollten Fachkräfte, Pflegekräfte zu uns kommen, wir brauchen diese dringend.

Abgesehen davon – das ist heute noch kaum erwähnt worden – hat Österreich heute schon, unabhängig von dieser Verbesserung, ein Instrumentarium, historisch gewach­sen, das uns gegenüber Lohn- und Sozialdumping weniger anfällig gemacht hat als zum Beispiel Deutschland. Wir haben einen de facto flächendeckenden Mindestlohn durch flächendeckende Kollektivverträge. Das hat ja Deutschland in dieser Form nie gehabt. Es ist nicht nur Usance, sondern geltendes Recht, dass der ortsübliche Min­destlohn auch bezahlt werden muss. Also dieses Instrumentarium ist ein gutes.

Aber auch dann, wenn etwas gut ist, kann man es trotzdem noch verbessern: und des­wegen im Hinblick auf diesen 1. Mai, im Hinblick auf die Öffnung des Arbeitsmarktes


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der richtige Schritt der Sozialpartner, Frau Schatz, Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Da hat niemand irgendwelche Arbeitgeber bezahlt. (Beifall bei der ÖVP.)

Lernen Sie nicht nur Geschichte, sondern lernen Sie auch die österreichische Realität kennen! (Zwischenruf der Abg. Mag. Schatz.) Wenn die Sozialpartner zusammensit­zen, erzielen sie einen Konsens. Unterstellen Sie hier nicht einer ganzen Gruppe von Österreichern, nämlich den Arbeitgebern (Abg. Mag. Schatz: Eh nicht allen, Ihnen!), für irgendetwas bezahlt zu haben! Das ist ganz, ganz schlimm.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sozialpartner haben hier zu einem Kon­sens gefunden, dieser wurde von Minister Hundstorfer und Minister Mitterlehner, von der Regierung umgesetzt, und das ist gut so. Zusätzlich zum geltenden Recht soll das durch Kontrollen – KIAB, Finanzpolizei auf der einen Seite, Gebietskrankenkasse auf der anderen Seite – und vor allem auch durch zusätzliche Strafen noch besser in der Praxis umgesetzt werden, nämlich dass es kein Lohndumping geben soll.

Strafen sind so eine Sache. Wie hoch sollen sie sein? Wann sollen sie verhängt wer­den? Das war und ist für die Arbeitgeberseite nicht einfach zu akzeptieren. Aber dieses Strafenszenario sieht einerseits saftige Strafen vor – 1 000 € bis 10 000 € pro Arbeit­nehmer im Einzelfall, und das kann im Wiederholungsfall auf 20 000 € gehen, aber nur dann, wenn es sich um vorsätzliche und wiederholte Unterzahlungen handelt (Abg. Strache: Die anderen sind unabsichtlich passiert, nicht?) –, andererseits gleichzeitig aber Toleranzparagraphen, die sagen, wenn es sich um geringfügige Verfehlungen han­delt, dann kann nachgezahlt werden, dann gibt es keine Anzeigen und keine Strafen.

Es ist ein Mix: Etwas gegen die wirklich notorischen Dumper, die nicht immer, aber vor allem aus dem Ausland kommen, zu tun, aber diejenigen, die einmal zufällig – oder wie auch immer – ein paar Euro unter dem Kollektivvertrag bezahlen, anders zu behan­deln, das erscheint mir als vernünftiger Mittelweg und war wahrscheinlich auch der Hin­tergrund dafür, dass die Sozialpartner diese wegweisende Einigung erzielen konnten, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich hoffe, dass die Gewerkschaft insgesamt dahintersteht. Kollege Katzian, Ihr Wort hat Gewicht, wie Sie auch Gewicht haben. Was da aus der Bau-Holz-Gewerkschaft und von steirischen Kollegen kommt, ist dann wohl an die zweite Stelle zu reihen, weil ich meine, dass die Sozialpartner an einem Tag wie heute geschlossen hinter solch einer Einigung stehen sollten und diese auch mittragen sollten. (Zwischenruf der Abg. Mag. Schatz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Allerletztes: Die Arbeitgeber in diesem Lande werden auch geschützt – nicht nur die Arbeitnehmer –, die Arbeitnehmer vor Lohndumping, die Arbeitgeber vor Wettbewerbsverzerrung! Gerade die Bauleute wis­sen, dass es einem Wiener Baumeister, einem steirischen oder Vorarlberger Baumeis­ter keinesfalls recht wäre, wenn da jemand mit entsendeten slowakischen Bauarbeitern käme, die womöglich deutlich unter dem KV bezahlt werden, und Wettbewerbsverzer­rung betriebe.

Hand aufs Herz, das geschieht auch punktuell, und deswegen ist dieses Gesetz ein wichtiger Schritt, nicht nur im Interesse der Arbeitnehmer dieses Landes, sondern aus meiner Sicht auch im Interesse der redlichen und korrekt bezahlenden Arbeitgeber dieses Landes. Und ich garantiere Ihnen, 99 Prozent und mehr der Arbeitgeber in die­sem Land sind redlich, bezahlen zumindest die Mindestlöhne oder auch deutlich mehr.

So gesehen ist das ein guter Tag, der zeigt, wie gut die Sozialpartnerschaft solche Themen angehen und sie auch im Interesse unseres Landes lösen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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11.50


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


11.50.57

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich, denke ich mir, könnte die Sache ganz einfach sein, oder? Wir alle, hoffe ich oder hätte ich gehofft, muss ich ja inzwischen sagen, sind doch gegen Lohn- und Sozialdumping, oder? (Abg. Strache: Sie nicht, na? Sie nicht!) Herr Strache, haben Sie irgendwann in Ihrer Rede ein Mal gesagt, dass Lohn- und Sozialdumping in Österreich unerwünscht ist? (Abg. Strache: Ja!) Haben Sie es irgendwann einmal gesagt? (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Haben Sie nicht zugehört?) Nein, Sie können es nicht sagen, Herr Strache (Abg. Strache: Sie nicht, ich schon! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), weil Sie tatsächlich – und da muss ich differenzieren, auch zwischen Ihnen und dem BZÖ – ganz offensichtlich die einzige Partei sind, die sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt, dass Lohn- und Sozialdumping wirklich effektiv bekämpft wird! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Strache: Ich glaube, Ihnen geht es nicht gut!)

Ich erkläre es Ihnen, Herr Strache. Ich sitze seit 1994 im Nationalrat, und ich kann mich gut und gerne daran erinnern, dass uns über all die Jahre immer wieder ein Antrag begleitet hat, der immer von den Freiheitlichen – in ihren wechselnden Varianten – ge­kommen ist (Zwischenruf des Abg. Dr. Rosenkranz), nämlich dass die Beschäftigung von Ausländern hier leichter möglich werden soll, aber nur als Saisonniers, nur im Rechtlosenstadium. Nur dann, wenn bestimmte Sozialabgaben gestrichen werden, war und ist die Freiheitliche Partei in der Vergangenheit immer dafür gewesen, dass man sie beschäftigen darf, wenn sie also billiger sind. Das ist Lohn- und Sozialdumping, Herr Strache! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Das ist die Politik, die Ihre Freiheitliche Partei über die Jahre hinweg immer vertreten hat. (Abg. Strache: Schwachsinn zu verzapfen ist Ihre Qualität! – Weitere Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Ja, Sie wollen nicht, dass die Menschen aus dem Ausland, die hier beschäftigt sind, zu gleichen Löhnen und mit den gleichen Rechten beschäftigt werden wie Inländer. Da sind Sie strikt dagegen. Da wehren Sie sich und sagen: Zuwanderung, Wahnsinn, alle überfallen uns! Sie waren in der Vergangenheit immer dagegen. Und ich merke es auch heute, wie Sie sich dagegen wehren, Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdum­ping zu setzen. (Abg. Dr. Karlsböck: Die Frage stellt sich gar nicht, wenn sie nicht he­reinkommen! Wir wollen sie gar nicht bezahlen, weil wir nicht wollen, dass sie he­reinkommen! – Abg. Strache: Wer hat Sie eigentlich bestochen, dass Sie dem Sozial­dumpinggesetz zustimmen?)

Für alle, die das nicht wissen, zum Beispiel die Zuschauerinnen und Zuschauer: Man kann über diese Maßnahmen, die wir heute hier beschließen, geteilter Meinung sein – Sie wissen das, vor allem die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, wir sind mit vie­lem in dieser Form nicht einverstanden –, man kann geteilter Meinung sein, dass da wirklich effektiv kontrolliert werden kann, wenn man die Kapazitäten bei den zuständi­gen Behörden kennt (Zwischenrufe bei der FPÖ), ja, über all das kann man unter­schiedlicher Meinung sein, aber eine Voraussetzung gibt es dafür (Zwischenruf des Abg. Dr. Rosenkranz): Man muss bereit sein, dieses Gesetz auch ändern zu wollen! (Ruf bei der FPÖ: Sie stimmen zu!)

Es gibt von uns einen umfassenden Abänderungsantrag. Wir haben uns mit den Frak­tionen außerhalb des Ausschusses zusammengesetzt, haben ihnen Vorschläge über­mittelt, was verbessert werden könnte. Die Freiheitlichen haben am Anfang gehört: Lohn- und Sozialdumpinggesetz – da fallen uns die Hände ab. Nichts ist von Ihnen ge­kommen! – Gut, Herr Strache, Sie als Fraktionschef sprechen heute dazu, okay, aber Sie lassen heute den Außenpolitiker, den für die Wirtschaft Zuständigen reden, aber die Leute, die im Ausschuss waren und auch im Ausschuss schon weitgehend schmäh­


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stad waren, dürfen hier herinnen nicht einmal zu diesem Thema an vorderer Stelle et­was sagen. (Abg. Strache: Ist Ihnen aufgefallen, dass ein paar krank sind?) So schaut es aus mit der Freiheitlichen Partei! Das ist bezeichnend für Ihre Haltung und Ihren Umgang mit diesem Gesetz! (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Abg. Strache: Ihre Klub­obfrau ist auf Urlaub, kommt nicht einmal ins Parlament, findet es nicht einmal der Mü­he wert, da zu sein! – Zwischenrufe bei Grünen und FPÖ.)

Ich sage Ihnen noch etwas, was bezeichnend ist: Es gibt eine Bestimmung in diesem Gesetzentwurf, die die verfassunggebende Mehrheit verlangt. Diese Bestimmung ist uns wichtig. Viele andere Bestimmungen könnten geändert werden. – Dort ist Frau Kol­legin Glawischnig, für den Fall, dass Sie sie sehen wollen. Sie sitzt halt nicht immer vorne. (Abg. Strache: Seit einer Minute sitzt sie da, sehr gut! Sehr gut, dass sie eine Minute dasitzt! – Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Warum reden Sie nicht zum Ge­setz?)

Es gibt eine Bestimmung in diesem Gesetz, die uns wichtig ist und die auch wichtig für alle ist, nämlich dass Land- und Forstarbeiter und damit auch Erntearbeiter ebenfalls vom Lohn- und Sozialdumpinggesetz erfasst werden. Die sind nämlich derzeit durch Landesgesetze geregelt. Und man möchte meinen oder hoffen, dass eine Freiheitliche Partei, aber auch ein BZÖ wenigstens für diese Bestimmung eintreten, denn das sind ja wirklich die Ärmsten der Armen, die teilweise zu unmenschlichen Bedingungen als Saisonniers auf den Feldern arbeiten müssen, bei der Erdbeerernte beispielsweise. (Abg. Dr. Königshofer: Sagen Sie das der ÖVP!)

Alle müssten dafür sein, alle! Es kann niemanden geben, der sagt: Ich möchte nicht, dass die die gleichen Rechte haben! – Die FPÖ führt es uns vor! Die FPÖ ist dagegen, dass diese Bestimmung Verfassungsrang erhält!

Das, Herr Strache, müssen Sie erst einmal widerlegen: dass Sie weder mitgearbeitet haben, dass Sie weder dafür sind, dass diese Gruppen die gleichen Rechte haben, dass Sie weder dafür sind, dass wirklich effektive Maßnahmen gegen Lohn- und Sozi­aldumping eingeführt werden. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Haben Sie eigent­lich zu dem Gesetz auch etwas zu sagen?) Sie haben aber beispielsweise die Chuzpe, sich hier herauszustellen und zu sagen: Wir sind für ein Mindestlohngesetz!, obwohl Sie es vor drei Monaten niedergestimmt haben, als das hier im Parlament war. (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Abg. Strache: ... selbst Anträge, Mindestsicherung! Sie ver­wechseln Mindestsicherung und Mindestlohn! Sie haben ja sozialpolitisch überhaupt keine Tassen im Schrank!)

Nichts ist von Ihnen zu erwarten im Einsatz für soziale Rechte von Inländern, von Aus­ländern, die hier in Österreich beschäftigt sind, so schaut es aus! Nicht einmal die Un­ternehmen, die hier zu reellen Bedingungen arbeiten wollen, wollen Sie schützen. (Bei­fall bei Grünen und SPÖ. – Abg. Strache: Nicht einmal Mindestsicherung und Mindest­lohn unterscheiden können! Peinlich ist das! Den Mindestlohn mit der Mindestsiche­rung zu vergleichen und zu verwechseln, peinlich ist das! Das ist ja peinlich!)

11.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Themessl. – Bitte.

 


11.57.34

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ho­hes Haus! Meine Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Zuerst einmal etwas Po­sitives: Herr Bundesminister, Sie haben ja heute richtig Emotionen gezeigt. Das heißt, dass zumindest eines von den 18 Regierungsmitgliedern hellwach ist. Das ist einmal etwas Positives, denn die letzten Wochen und Monate war von den anderen nicht viel zu hören oder zu sehen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Grosz.)


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Aber jetzt zur Sache. Wissen Sie, es hätte Sie niemand daran gehindert, dieses Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz schon vor einem Jahr oder früher zu beschlie­ßen. Wir hätten dem sicher viele positive Dinge abgewinnen können. Das Problem, das Sie aber haben, ist, dass Sie dieses Gesetz, das heute hier beschlossen wird, zum An­lass nehmen, die Ostöffnung des Arbeitsmarktes mit 1. Mai damit zu verhindern (Abg. Strache: Zu rechtfertigen!) oder zu rechtfertigen. Und das ist der große Irrtum, dem Sie selbst unterliegen, weil das die Probleme nicht löst. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Gesetz löst die Probleme dieser Arbeitsmarktöffnung mit 1. Mai überhaupt nicht! (Abg. Klikovits: Abfedern sollen sie es!)

Jetzt komme ich zu den Kollegen Katzian und Bartenstein. Sie haben richtigerweise die Übergangsfristen angesprochen. Die Übergangsfristen wurden damals in der EU mit sieben Jahren festgelegt, weil man damals geglaubt hat – und das haben Sie nicht da­zugesagt; das hat einen Grund gehabt –, weil damals Experten angenommen haben, dass in diesen sieben Jahren Übergangsfrist die neuen EU-Mitgliedsländer in etwa die­selben Lohn- und Sozialstandards haben werden wie wir. (Abg. Dr. Bartenstein: Nein, nein, das stimmt nicht!)

Wenn Sie aufgepasst hätten und uns nicht immer diese Sachen vorwerfen würden, die absolut aus der Luft gegriffen sind, würden Sie wissen: Wir haben schon vor einem Jahr – es war vor einem Jahr schon erkennbar, dass nicht die Sozialstandards und schon gar nicht die Lohnstandards auch nur annähernd unseren Standard erreicht haben – hier in diesem Hohen Haus einen Antrag gestellt, mit der EU Verhandlungen aufzunehmen, diese Übergangsfristen zu verlängern. Und das war der springende Punkt! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber unsere Regierung ist ja dafür bekannt, dass sie nur nach Brüssel fährt, dort Ja sagt, damit man dort als Musterschüler gilt, und so schnell wie möglich wieder zurück­kommen möchte. Sie sind nicht bereit, in Brüssel die österreichischen Interessen zu vertreten, aber Sie sind nicht von unserer Bevölkerung gewählt worden, in Brüssel die ungarischen, die slowakischen oder die tschechischen Interessen zu vertreten. Und das war Ihr Fehler, der Riesenfehler, den Sie gemacht haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Wöginger, Sie haben hier des Öfteren betont, man solle nicht Angst ver­breiten. Ja für wie dumm halten Sie eigentlich die Bevölkerung? Glauben Sie nicht, dass ein Facharbeiter im Bau- oder Baunebengewerbe nicht schon seit Monaten weiß, dass mit dieser Arbeitsmarktöffnung am 1. Mai er seine 1 500 € oder 1 700 € von der Firma nicht mehr bezahlt bekommt, weil nämlich über die Grenze jemand herüber­kommt, der um 1 200 € arbeitet!? (Abg. Neubauer: So ist es! – Abg. Strache: Das ist der Punkt!) Das können Sie mit diesem Gesetz nicht verbieten! (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, die Angst ist bereits da! Die Angst ist seit Monaten in der Bevölkerung vor­handen. Und was Sie machen, ist Folgendes: Sie sind nicht bereit, der Bevölkerung beziehungsweise den betroffenen Menschen diese Angst zu nehmen. (Abg. Wögin­ger: Sie schüren sie!) Nein, wir schüren sie nicht! (Abg. Wöginger: Sie schüren sie!) Wir versuchen die Arbeitnehmer und diejenigen, die jetzt von dieser Angst betroffen sind (Abg. Wöginger: Sie schüren sie!), darauf hinzuweisen, dass es in diesem Hohen Haus eine Partei gibt, die sich für sie einsetzt und dafür Sorge trägt, dass das eben nicht passiert. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.01


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

 


12.01.13

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Bartenstein hat behauptet, der überwiegende


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 74

Teil der Firmen zahle korrekt, halte sich an Kollektivverträge, zahle regelmäßig Abga­ben, Steuern und Ähnliches. Ich stimme ihm zu: Es ist so! Natürlich ist es so, aber es gibt auch ein paar Firmen, die das nicht tun, und genau darum geht es bei dieser Dis­kussion: um diejenigen, die sich heute schon an den Bestimmungen vorbeischwindeln, und auch um diejenigen, die sich möglicherweise morgen oder ab dem 1. Mai nicht an die Regeln halten. Um da mehr Klarheit und mehr Sicherheit zu haben, gibt es heute diese ganz wichtige Vorlage des Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes.

Wie schaut es in der Praxis aus? – In der Praxis schaut es heute schon so aus – und es kann natürlich auch morgen und übermorgen so sein –, dass es in einem Betrieb – beispielsweise in einem Produktionsbetrieb in Wien, und ich kenne diesen Betrieb mitt­lerweile, und ich erzähle jetzt etwas, was wirklich passiert – normale Arbeitnehmer gibt, die dort in der Produktion tätig sind, und plötzlich kommen Leiharbeiter dazu, die weni­ger verdienen, und plötzlich kommen andere Gruppen von Arbeitnehmern, die in der Produktion mitarbeiten, dazu, die noch weniger verdienen, und plötzlich gibt es da auch welche, die, wenn man sie fragt – Kontrollen der KIAB und der Gebietskranken­kasse haben das vor wenigen Tagen erst festgestellt –, sagen: Ich bin selbständig tä­tig, ich bin da weder Leiharbeiter noch Stammarbeiter, ich arbeite da als Selbständiger!

All das wird jetzt leichter zu kontrollieren sein! Denn: Egal, wer beschäftigt wird und welchen Status jemand hat, man muss sich an die Regeln halten und an die Grundlöh­ne halten, die bei uns gelten.

Das Zweite ist die Frage der Einstufung. Auch das ist in diesem Gesetz vorgesehen. Es wird nicht mehr möglich sein – auch das erleben wir in der Praxis immer wieder –, dass Hilfsarbeiter, dass unqualifizierte Arbeitnehmer angestellt werden, die aber in Wirklichkeit Facharbeit leisten und eigentlich einen Facharbeitermindestlohn bekom­men müssten. Auch da gibt es in Hinkunft – momentan noch nicht! – eine bessere Be­kämpfungsmöglichkeit.

Das Risiko war bis jetzt, wenn man erwischt wurde, dass man zu wenig Lohn bezahlt hat, dass man notfalls nachzahlen musste. Das war das Risiko, das bis heute ein Un­ternehmer hatte. Künftig wird neben der Nachzahlung auch die Möglichkeit einer Strafe bestehen, die zu bezahlen sein wird. Das Strafausmaß geht im extremsten Fall bis 50 000 €. Und es gibt in bestimmten Fällen sogar, wenn man sich nicht an die Be­stimmungen des heute zu beschließenden Gesetzes hält, die Möglichkeit, einen Ent­zug der Gewerbeberechtigung auszusprechen. Also ganz gravierende Sanktionen, die theoretisch heute im Gesetz stehen und in der Praxis auch Wirklichkeit werden kön­nen.

Eine große Herausforderung für die Umsetzung dieses Gesetzes wird die Lösung der Frage sein: Wie gelingt die Zusammenarbeit der Behörden? Wir haben auf der einen Seite die Finanzpolizei oder die KIAB, und wir haben auf der anderen Seite die Organe der Gebietskrankenkassen. Wir haben darüber hinaus das Arbeitsinspektorat, das auf die gesundheitliche Situation Bedacht nimmt. Und wir haben die Strafbehörden. Es wird eine große Herausforderung sein, die Zusammenarbeit dieser Behörden zu orga­nisieren.

Ich denke, es wird auch notwendig sein, eine Evaluierung dieses Gesetzes in den nächsten Monaten zu machen, laufend und begleitend, um zu sehen, ob es wirklich ein Instrument ist, das im positiven Sinne hilft, oder ob Nachjustierungen notwendig sind.

Wichtig ist es mir noch, darauf hinzuweisen, dass die Strafbarkeit klarerweise nur für den Grundlohn gilt. Aber ein arbeitsrechtlicher Anspruch besteht trotzdem auch für Zu­lagen, Frau Kollegin Schatz! Also, man kann all die Dinge auch einfordern, auch was die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge betrifft, nur: Gestraft kann man nicht werden! Aber wir werden einmal schauen, wie das ausschaut.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 75

Zuletzt ein Satz zum Herrn Kollegen Strache: Es ist schwierig, mit Ihnen zu diskutieren, wenn Sie hier vom Rednerpult aus suggerieren, es gäbe eine Million Arbeitslose in den östlichen Nachbarstaaten und die kämen jetzt alle mit dem Koffer zu uns und wollen hier arbeiten. Also das ist eine Diskussion, an der ich mich nicht gerne beteilige, das sage ich Ihnen ganz ehrlich. (Abg. Strache: Lesen Sie keine Statistiken?) Ich glaube, das sehen auch die Fernsehzuschauer und -zuschauerinnen so. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass die Mehrheit davon arbeitslos ist!)

12.06


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


12.06.14

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wissen Sie, was in ein wenig mehr als einem Monat passieren wird, nämlich am 1. Mai? – Da werden der Herr Katzian und der Herr Sozialminister, sofern er nicht auf der Regierungsbank von links nach rechts sehr nervös umherhirscht, am Rathausplatz am Rednerpult stehen und in der Manier des Cäsarentums in der Antike mit dem roten Taschentuch winken, um die ausländischen Arbeitskräfte am Wiener Rathausplatz or­dentlich zu begrüßen. (Beifall und Bravoruf des Abg. Mag. Gaßner.)

Der 1. Mai, der Tag der Arbeit, und das rote Taschentüchel oder die Serviette, mit der Sie sich die Bawag-Millionen zuerst links und rechts vom Mund abgewischt haben (Zwischenrufe bei der SPÖ), dieser Tag und das rote Taschentuch, das Sie offenbar seit Jahrhunderten verwenden, werden zum Symbol dafür, dass Sie die Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer in diesem Land und gleichzeitig auch die Arbeitgeber, die Klein- und Mittelbetriebe unseres Landes verraten haben, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Ihr Feiertag als Willkommenstag für Lohndumping! Ihr Feiertag als Arbeitstag für jene, die als Billigarbeitskräfte unser soziales Gefüge in Österreich endgültig aus den Angeln heben!

Darauf sind Sie auch noch stolz! Das ist nämlich der Witz bei dieser Geschichte: Nicht, dass Sie hergehen und das bedauern, nicht, dass Sie hergehen und die siebenjährigen Übergangsfristen, die Herbert Haupt und Walter Riester verhandelt haben, zu verlän­gern versuchen, nein, Sie gehen her und nehmen einfach zur Kenntnis, dass der öster­reichische Arbeitsmarkt überschwemmt wird und dass sich selbstverständlich die Ar­beitslosigkeit erhöhen wird, weil die Betriebe nun einmal gezwungen sind, billigere Ar­beitskräfte anzustellen, wenn sie da sind (Abg. Klikovits: Pacta sunt servanda!), weil sie sonst beim Wettbewerb nicht mehr mithalten können!

Sehr geehrte Damen und Herren! Das, was wir bereits in den letzten Jahren schon er­lebt haben, ist die Praxis, dass sich österreichische Konzerne über Drittfirmen in der Slowakei oder in Tschechien um öffentliche Aufträge beworben haben, und zwar mit Drittfirmen, damit das Preisniveau unterboten haben, die Aufträge bekommen haben, aber gleichzeitig Klein- und Mittelbetriebe auf der Strecke geblieben sind. Diese Klein- und Mittelbetriebe – auch im Baugewerbe, Genosse Muchitsch! – sind reihenweise pleitegegangen, wie zum Beispiel die Firma Auer in Bad Radkersburg, wie wir alle wis­sen.

Anständige Klein- und Mittelbetriebe in Österreich sind aufgrund Ihrer Politik gezwun­gen worden, in Konkurs zu gehen, weil sie keine Aufträge mehr bekommen haben, weil Konzerne wie STRABAG und Co des Herrn Haselsteiner, die Sie schützen, schon in den letzten Jahren auf Drittfirmen aus dem Ausland zurückgegriffen haben und damit den Arbeitsmarkt indirekt überschwemmt haben. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 76

Die österreichischen Betriebe werden von Ihnen zu Tode kontrolliert. Ich war erst vor wenigen Tagen mit Klubobmann Bucher bei einer österreichischen Spedition, und dort wurde mir Folgendes berichtet: Wenn ein Spediteur, nämlich der Lkw-Fahrer, seine Ar­beitszeit um 5 Minuten überschreitet, weil er die Ausfahrt auf den Rastplatz mit dem Lkw nicht erreicht hat, wo er dann seine Ruhepause machen kann, gibt es Strafen von bis zu 30 000 €. (Abg. Klikovits: Das stimmt nicht!)

Das ist im Übrigen einzigartig in Europa! Überall sonst gibt es Schonfristen von 20 Mi­nuten, nur in Österreich nicht! In Österreich werden die Betriebe bestraft – von der ÖVP, von der SPÖ –, in Österreich werden die Klein- und Mittelbetriebe in den Ruin getrieben, aber die Großkonzerne, um deren Handlungsweise Sie sich kümmern soll­ten, werden geschont, die kommen ungestraft davon, da ziehen Sie keine Konsequen­zen. (Abg. Klikovits: Also wirklich! – Abg. Riepl: ... in der Geisterbahn im Prater, aber nicht hier!)

Sie haben Klein- und Mittelbetriebe in Österreich mit Ihrer Politik zu Tode schikaniert und zu Tode kontrolliert. Und jetzt gehen Sie her und öffnen den Arbeitsmarkt für die Großen mit billigen Arbeitskräften, die jetzt in unser Land hereinkommen werden, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien.

Sehr geehrter Herr Sozialminister! Sie sprachen heute von 321 000 Arbeitslosen in die­sem Land. Ja was glauben Sie, dass passieren wird im Juni, im Juli, im Herbst dieses Jahres, nachdem Sie den Arbeitsmarkt geöffnet haben werden? (Abg. Strache: Er muss schon frieren, der Herr Sozialminister, bei dieser sozialen Kälte!)

Ihr Kollege Katzian von der Gewerkschaft geht hier heraus und posaunt in dieses Audi­torium hinein, dass es die Gewerkschaften waren, die die Übergangsfristen eingefor­dert haben. (Ironische Heiterkeit des Abg. Strache.) Das ist ein aufgelegter Blödsinn! Sie von der SPÖ haben hier im Parlament gegen die Übergangsfristen gestimmt, nachdem sie Herbert Haupt und Walter Riester aus Deutschland beschlossen haben. Sie haben die Arbeitnehmer in den letzten Jahren verraten, und zwar gründlich! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Anstatt dass Sie jetzt hergehen und sich endlich auch in Brüssel auf die Hinterfüße stellen und die Übergangsfristen verlängern, verhindern Sie es! (Abg. Ing. Westentha­ler: Da werden die Arbeitnehmer verraten!) Wenn es darum geht, Abermilliarden nach Europa zu liefern, kann es dem Herrn Hundstorfer und seinen Genossen gar nicht schnell genug gehen. Innerhalb von wenigen Tagen ist der EU-Haftungsschirm für straffällige ÖVP-ler (Abg. Klikovits: Aufpassen!) und für Pleiteländer in diesem Land beschlossen. Wenn es aber darum geht, Übergangsfristen mit anderen Ländern konse­quent zu verhandeln, dann sind Sie stumm, dann beschränken Sie sich aufs Taschen­tüchelwinken, nach dem Motto: Sag zum Abschied leise Servus! (Anhaltende Zwi­schenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Das wird Ihnen nämlich nach den nächsten Wahlen sei­tens der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer passieren!

Wir hätten uns von Ihnen gewünscht, dass Sie die Übergangsfristen verlängern. (Abg. Klikovits: Herr Kollege Grosz! Pacta sunt servanda!) Wir hätten uns von Ihnen ge­wünscht, dass Sie sich darauf besinnen, dass man in Österreich auf die Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer und auf die Klein- und Mittelbetriebe Rücksicht nimmt. Wir hätten uns von Ihnen gewünscht, dass Sie hier nicht nur ein Lohndumpinggesetz vorle­gen, das dann ohnehin wieder gebrochen wird (Zwischenrufe bei der SPÖ), sondern dass Sie sich auch schützend vor die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer stellen, so wie es sich gehört.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem, was Sie heute hier vorlegen, haben Sie sich nicht nur die Kritik Ihres Genossen Muchitsch, der sich in der letzten Bank ver­kriecht, eingeheimst, indem er zu Recht sagt, dass wir eine Gesetzesänderung brau­chen, die weit über das hinausgeht, was Hundstorfer hier vorgeschlagen hat.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 77

Sie, Herr Muchitsch, haben richtigerweise sogar vorgeschlagen, wir sollten uns mit der EU anlegen und sollten in Österreich Gesetze beschließen dahin gehend, dass auslän­dische Firmen in Österreich keine öffentlichen Aufträge bekommen.

Jawohl, Herr Muchitsch, setzen Sie sich endlich in Ihrer eigenen Fraktion durch (Abg. Mag. Gaßner: ... und setzen Sie sich endlich nieder!), dass das österreichische Steu­ergeld, wo man sagen muss, dass die Steuerzahler genug gezahlt haben, auch in Zu­kunft bei den österreichischen Firmen bleibt! Das wäre wirtschaftspolitisch intelligent, sozialpolitisch intelligent, solidarisch und sozial verträglich. (Beifall bei BZÖ und FPÖ. – Abg. Mag. Gaßner: Und tschüss! – Abg. Grosz dreht sich nach Schluss seiner Rede um und legt Bundesminister Hundstorfer ein rotes Anstecktuch auf die Regierungs­bank, das dieser daraufhin mit einer Wischbewegung zu Boden befördert. – Oh-Rufe beim BZÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war jetzt nicht gescheit! Das war ein schwerer Fehler! – Abg. Mag. Stadler: Schmeißen Sie Ihre rote Krawatte auch gleich auf den Boden! – Weitere anhaltende Zwischenrufe beim BZÖ.)

12.12


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

 


12.12.46

Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Neuerliche Zwischenrufe beim BZÖ.) Ich meine, dass wir wieder zur Sachdiskussion zurückkehren sollten.

Werter Herr Kollege Grosz, Sie haben der Sache nichts Gutes getan! (Beifall bei der ÖVP.) Sie haben ganz bewusst nicht die Wahrheit gesagt. Wie heißt es so schön? – Lesen Sie das Gesetz! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Grosz.) Herr Kollege Grosz, ich glaube, dass auch ich das Recht habe, hier meine Re­de zu halten.

Ich möchte eingangs die Klasse M4 der Volksschule Landstraßer Hauptstraße be­grüßen. Es ist auch der Neffe meiner Kollegin Cortolezis-Schlager mit dabei, und ich hoffe, dass sie keinen schlechten Eindruck mitnehmen und dann, wenn die Zeit ge­kommen ist, eine gute Berufsentscheidung treffen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein.)

Meine werten Kolleginnen und Kollegen, ich möchte hier Folgendes feststellen: Die ös­terreichischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind gut geschützt durch das Ar­beitsrecht, durch die verschiedenen Kollektivverträge, durch einen guten Rechtsschutz beziehungsweise durch die Kontrollen der Gebietskrankenkasse. Umso mehr ist es un­verständlich, dass das BZÖ und auch die FPÖ immer wieder sagen, dass das alles nicht stimme.

Ich betone: Wir brauchen keine Befürchtungen zu haben (Zwischenrufe beim BZÖ), wir brauchen Ihr Angstschüren nicht, denn im Zuge der vollständigen Öffnung des Arbeits­marktes gegenüber den EU-Staaten ... (Abg. Strache: Ausblenden, Scheuklappen: Das ist Ihr Motto!) Nein, wir haben keine Scheuklappen auf, sondern wir haben ein gu­tes Gesetz ausgearbeitet, das wir heute hier beschließen werden. Ich möchte Ihnen eindringlich sagen: Lassen Sie Ihre Angstkeule zu Hause! Das ist der falsche Weg! (Abg. Strache: Erklären Sie das den österreichischen Arbeitslosen!) Das ist der fal­sche Weg, werte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! (Abg. Strache: Das erklären Sie den österreichischen Arbeitslosen nächstes Jahr!)

Wir von der Regierung geben Antworten auf diese Herausforderung! (Abg. Strache: Nächstes Jahr erklären Sie das den österreichischen Arbeitslosen!) Hören Sie zu! Schauen Sie in den Gesetzestext!

Die Öffnung des europäischen Arbeitsmarktes kommt ja nicht überraschend. Es läuft die siebenjährige Frist aus, und das wissen auch Sie. Sehen Sie den Termin 1. Mai


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 78

symbolhaft als Chance! Alle Arbeitsplätze sind gesichert; das wurde heute immer wie­der gesagt. (Abg. Kitzmüller: Das stimmt ja nicht!) Österreich ist einerseits mit einem Beschäftigungshöchststand und andererseits mit einem guten Wirtschaftswachstum gut darauf vorbereitet.

Mit dem vorliegenden Gesetz haben wir es meines Erachtens geschafft, den schwie­rigen Spagat zu machen, der hier notwendig ist. Immer wieder wurde darüber disku­tiert, und jetzt wird mit dem hier in Rede stehenden Gesetz ein weiterer wichtiger Schritt gesetzt. Das haben nicht nur meine Kollegen und Kolleginnen gesagt, sondern das sagt auch der Herr Minister.

Abschließend möchte ich noch Folgendes sagen: Das Ergebnis einer Umfrage besagt, dass 80 Prozent der Beschäftigten nicht wissen, wie es weitergeht, was auf sie zu­kommt. Darauf kann ich Ihnen, zusammenfassend, eine gute Antwort geben:

Erstens: Dieses Gesetz bringt Schutz für unsere ArbeitnehmerInnen und auch für die Arbeitgeber.

Zweitens: Dieses Gesetz gewährleistet, dass das Lohnniveau nicht gedrückt werden kann.

Drittens: Österreich ist mit einem Beschäftigungshöchststand und einem guten Wirt­schaftswachstum bestens vorbereitet.

Meine Damen und Herren! Wir haben diese Gesetzesvorlage gut ausgearbeitet, und Sie von BZÖ und FPÖ täten gut daran, diesem Gesetz auch zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Riepl.)

12.17


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


12.17.08

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Öllinger hat heute hier eine Leis­tung geboten, die besonders auffallend war: Er hat es geschafft, 4 Minuten hier zu re­den und nicht ein Wort zu diesem vorliegenden Gesetz zu sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Öllinger, im Ausschuss waren Sie ja noch gegen dieses Gesetz. Inter­essanterweise haben Sie jetzt Ihre Meinung geändert. Man fragt sich schon, warum. Im Ausschuss haben Sie noch ordentlich oder zumindest ein bisschen dagegen polemi­siert. Ordentlich können Sie wahrscheinlich gar nicht reden. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Jetzt plötzlich sind Sie für dieses Gesetz, das vollkommen gleich ist. Mich wundert es auch nicht, dass der grüne Sektor leer ist, denn Ihren KollegInnen hängt diese Ihre Rede wahrscheinlich auch schon zum Hals heraus. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber nun zu der eigentlichen Gesetzesvorlage. – Heute hat ja die Gewerkschaft im SPÖ-Bereich wirklich Vollbeschäftigung: Alle Gewerkschafter treten hier heraus, loben ein Gesetz, das vollkommen zahnlos ist, und betonen, wie großartig es ist, wie toll es ist. Die Kollegin Csörgits hat sogar gesagt: Das ist der „Renner“ bei der Gewerkschaft! Wahrscheinlich rennen Ihnen die Leute bei der Gewerkschaft davon. Das wird der wahre Grund sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Interessant ist auch, was Sie, Herr Bundesminister, heute – um 11.18 Uhr haben Sie es gesagt; Sie haben gesagt: zur Stunde; ich nehme an, es war um 11.18 Uhr – in Be­zug auf die Frage, wie viele Arbeitslose wir haben, gesagt haben, nämlich: um 28 000 weniger als noch vor einem Jahr! Und Sie haben gemeint, wir von den Freiheitlichen sollen uns nicht so aufregen, es werden nicht so viele Arbeitnehmer kommen, das wis­sen Sie, denn Sie haben mit den Diplomaten der Nachbarländer Gespräche geführt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 79

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch Folgendes: Der Herr Bundeskanzler hat heute in der Früh hier gesagt, er könne keine Vorhersage machen, wie viele wirklich kommen werden. Also, der Herr Bundeskanzler ist wenigstens so ehrlich gewesen zu sagen: Ich bin kein Hellseher!

Herr Bundesminister Hundstorfer, Sie sind auch kein Hellseher! Sie können es auch nicht wissen, dass nur 5 000 kommen werden. Ich nehme an, es werden sehr viel mehr kommen.

Wir haben es schon angekündigt, und das hat sich bestätigt: Es siedeln sich jetzt im Nordburgenland Massen aus der Slowakei an. Wenn Sie meinen, Herr Bundesminister, dass das ein Vorteil ist, dann muss ich Ihnen sagen: Na klar, die wollen hier bei uns die Mindestsicherung bekommen, wenn sie sich in Österreich ansiedeln beziehungsweise ihren Hauptwohnsitz hier haben. (Abg. Strache: Das ist es! Sozialmissbrauch! Das ist genau der Punkt!) Und die wollen auch die Ausgleichszulage zur Pension bekommen. Aber Sie, Herr Bundesminister, stellen das hier so dar, als wäre das der Gewinn für die Republik Österreich. Das ist Sozialdumping, was Sie hier betreiben, Herr Bundesminis­ter! (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Gesetz ist vollkommen zahnlos und stellt in Wahrheit eine Benachteiligung der Österreicherinnen und Österreicher dar, denn die können nämlich kontrolliert werden. (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ. – Abgeordnete vom BZÖ stecken sich demonstrativ rote Servietten in die für Anstecktücher vorgesehenen Sakkotaschen.)

Die Frage ist nur, Herr Bundesminister: Wie werden Sie das machen bei den auslän­dischen Arbeitnehmern, die nach Österreich kommen? Da können Sie in Wahrheit überhaupt nichts kontrollieren!

Sie sagen jetzt: Na ja, da müssen sie halt alle Unterlagen in Deutsch haben. Der Dienstvertrag muss in Deutsch sein und der Lohnzettel muss in Deutsch sein. Ich weiß nicht, wie Sie sich das vorstellen: Da kommt man dorthin, und da sind irgendwelche ausländischen Arbeitnehmer, die kein Wort Deutsch verstehen?! Das Ganze ist ja in­konsequent. Sie brauchen also einen Dolmetsch auch noch vor Ort, damit Sie das überhaupt verstehen. Das Ganze ist zahnlos.

Oder Sie fahren ihnen in die Slowakei, nach Polen, wohin auch immer nach und schau­en dann dort rein. Sie wissen ganz genau, das Lohnniveau ist in diesen Staaten um einiges niedriger als bei uns. Selbstverständlich arbeiten die um geringeres Geld. Das ist ja ein Phänomen, das nicht neu ist. Wir haben ja jetzt schon Missbrauch in Öster­reich.

Herr Bundesminister, es ist schön, dass Sie jetzt ein neues Kompetenzzentrum in der Gebietskrankenkasse einrichten wollen. Wenn das aber genauso arbeitet wie die KIAB, dann sage ich Ihnen jetzt schon, dass Sie sich das sparen können.

Herr Bundesminister, vor nicht einmal einem Jahr habe ich die Anfrage gestellt: Wie häufig wurde der Arbeiterstrich in der Herbststraße in Wien Ottakring geprüft? Ich be­kam vom Herrn Finanzminister zur Antwort: In der Herbststraße wurde in den letzten beiden Jahren eine Kontrolle durchgeführt. (Zwischenruf des Abg. Strache.)

Herr Bundesminister, eine Kontrolle in zwei Jahren! Wenn Sie das weiterhin so kon­trollieren, können Sie das ganze Gesetz nehmen. Das Gesetz ist das Papier nicht wert, auf dem es steht. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Gesetz ist zahnlos, es ist nicht exekutierbar, es ist eine Benachteiligung für die Österreicherinnen und Österreicher. Es schafft Lohndumping, selbstverständlich schafft es das. Die ÖVP klatscht das auch noch ab, weil sie meint, dass das aus Koali­tionstreue notwendig ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 80

Ich sage Ihnen zum Schluss: Sie hätten verhandeln müssen, damit diese Übergangs­fristen aufgehoben werden. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Strache: Sie hat „verlängert“ gemeint!)

12.21


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Schwent­ner. – Bitte.

 


12.21.33

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Besucherinnen und Besucher! Die Reaktion von Frau Kol­legin Belakowitsch-Jenewein zeigt vor allem eines: dass Sie offenkundig Angst haben und dass Sie diese diffuse Angst, die Sie da verbreiten, immer weiter perpetuieren, an­statt sich dieses Gesetz genau anzuschauen und eben, wie Kollege Öllinger gesagt hat, die Leute hier zu Wort kommen zu lassen, die vielleicht im Ausschuss gesessen sind, und vielleicht die wenigen bei Ihnen, die sich mit der Materie beschäftigt haben. – Es scheint nicht so zu sein. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Belakowitsch-Jene­wein: Ich bin im Ausschuss gesessen!) Dann, bitte, argumentieren Sie etwas profun­der! (Abg. Mag. Stefan: Waren Sie im Ausschuss?) Bei uns waren zumindest die Erst­redner im Ausschuss. Es sind nicht so viele im Ausschuss, wie Sie wissen, deswegen bin ich jetzt die Dritte.

Insgesamt interessant finde ich aber schon – und ich möchte darauf noch zu sprechen kommen – die interessante Neigungsgruppe der kleinen Kompromisse. Wir hatten es ja beim Einkommenstransparenzmodell auch, dass man sich offensichtlich immer mehr mit ganz kleinen Kompromissen zufrieden gibt. (Zwischenruf des Abg. Grosz.) Ja, wir unterstützen diesen Kompromiss. (Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Grosz.) Könnten Sie ganz kurz etwas ruhiger sein! – Danke. Ich würde gerne sprechen. (Weitere Zwi­schenrufe. – Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Wenn es der Herr Prä­sident nicht macht, muss ich Sie selbst darum ersuchen, ruhiger zu sein. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.) Sie können dann beide hinausgehen und sich über das Gesetz, das Sie nicht verstehen, unterhalten. Das wäre auch eine Möglichkeit. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abge­ordneten der SPÖ. – Abg. Grosz: Eine Pointe gesetzt, rhetorisch einwandfrei!) Ja, so wie Ihr rotes Tücherl, genau.

Zu den kleinen Kompromissen. Ich möchte unbedingt darauf hinweisen, dass es etwas ist, das in die richtige Richtung geht, aber wo man schnell noch weitere Maßnahmen setzen kann, denn tatsächlich ist es so, dass das Gesetz teilweise zu Lasten der Ar­beitnehmerInnen geht beziehungsweise wir wieder genau darauf schauen müssen, in­wiefern es zu Lasten der ArbeitnehmerInnen geht. Es gibt Wermutstropfen, das hat Kollegin Csörgits schon angedeutet. Und ich finde diese Wermutstropfen sehr groß, vor allem in einem Bereich, der heute noch nicht erwähnt wurde, das ist der Bereich der Pflege.

Ich gehe davon aus, dass vielleicht Ihre Fraktion und die Angehörigen Ihrer Fraktion nicht auf Menschen angewiesen sind, die Ihre Angehörigen pflegen. Es ist aber so, dass die meisten Pflegerinnen – in diesem Fall mit kleinem I geschrieben, weil es Frau­en sind – aus unseren Nachbarländern kommen, die Menschen hier pflegen und inso­fern adäquate Arbeitsbedingungen brauchen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Ich weiß nicht, wie Sie Ihre Pflegerinnen bezahlen, die vielleicht bei Ihnen zu Hause 24-Stunden-Pflege machen, ich möchte es manchmal gar nicht wissen, oder man sollte genauer hinschauen. In diesem Fall ist es ein Bereich, auf den man genau hinschauen sollte, denn da geht es um viele Frauen, die unter sehr schwierigen Arbeitsbedingun­gen arbeiten, die zum großen Teil schlecht, ja unterbezahlt sind. Das darf dieses Ge­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 81

setz natürlich nicht bewirken, dass dieser Grundlohn – gerade in diesem Bereich ist man abhängig von Zulagen, Erschwerniszulagen, Nachtzulagen und so weiter – so et­was wird wie die Bemessungsgrundlage und das Ganze in der schon schlecht bezahl­ten Branche noch weiter nach unten nivelliert.

Sie wissen, wie es den Frauen in diesem Bereich geht. Sie arbeiten sehr hart, sie ha­ben nicht nur physische Probleme. Sie (in Richtung von Abg. Dr. Belakowitsch-Jene­wein) brauchen gar nicht die Hände zu ringen. Das ist ein Bereich, in dem es den Ar­beitskräften schlechter geht als Ihnen hier auf der Bank. Die Leute arbeiten Tag und Nacht, die Frauen haben teilweise physische und psychische Probleme, weil dieser Job auch psychisch schwierig ist. Gerade in diesem Bereich muss man genau hin­schauen. (Beifall bei den Grünen.)

Man muss daher diese ganze Branche aufwerten. Gerade in diesem Bereich möchte ich wieder einmal darauf hinweisen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn ganz, ganz wichtig wäre. Darum würde ich Sie bitten. Das wäre gerade für Frauen, die in solchen Bereichen arbeiten, besonders wichtig.

Der Grund dafür, warum wir das unterstützen, ist, dass Unternehmen künftig bestraft werden können. Es muss aber sichergestellt werden, dass diese Unternehmen, die wegen Bezahlung von zu geringem Lohn bestraft werden, künftig keine öffentlichen Aufträge mehr erhalten. Das heißt, es muss im vorliegenden Gesetz nachgeschärft werden.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz werden aufgefordert, dem Nationalrat ehes­tens, jedoch längstens bis 1. Mai 2011 einen Gesetzesvorschlag zukommen zu lassen, mit dem sichergestellt wird, dass

1. rechtsgültige Verwaltungsstrafbescheide im Sinne der §§ 7i und 7j AVRAG in Verga­beverfahren als Ausschließungsgründe im Sinne des § 68 Abs. 1 Z 5 und 6 Bundesver­gabegesetz zu beachten sind;

2. die Evidenz nach § 7l AVRAG gegenüber Auftraggebern im Sinne des Bundesverga­begesetzes im Rahmen von Vergabeverfahren auskunftspflichtig ist.

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.27


Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Antrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anwendung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes in Verfahren nach dem Bundesvergabege­setz

eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozia­les über die Regierungsvorlage (1076 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvert­ragsrechts-Anpassungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Landar­


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beitsgesetz 1984, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz geändert werden (Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz – LSDB-G)

§ 68 des Bundesvergabegesetzes sieht den Ausschluss von Unternehmen vor, die we­sentliche Regelungen des Arbeits- und Sozialrechtes missachten oder Sozialversiche­rungsabgaben nicht entrichtet haben. Da das Lohn- und Sozialdumping Bekämpfungs­gesetz genau diese Handlungen unter Strafe stellt, ist es im Vergabeverfahren zu be­rücksichtigen. In der Praxis ist dies jedoch nicht möglich, da AuftraggeberInnen nach dem Bundesvergabegesetz keine Möglichkeit haben, Auskunft aus der Evidenz nach § 7l AVRAG zu erhalten. Außerdem soll im Bundesvergabegesetz klargesellt sein, dass AuftraggeberInnen nach dem Bundesvergabegesetz verpflichtet sind, Strafen nach dem LSDBG als Ausschlussgrund zu berücksichtigen: Es muss sichergestellt sein, dass öffentliche Aufträge nicht an Unternehmen vergeben werden können, die wegen Unterentlohnung nach den Bestimmungen gegen Lohn- und Sozialdumping be­straft wurden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz werden aufgefordert, dem Nationalrat ehes­tens, jedoch längstens bis 1. Mai 2011 einen Gesetzesvorschlag zukommen zu lassen, mit dem sichergestellt wird, dass

1. rechtsgültige Verwaltungsstrafbescheide im Sinne der §§ 7i und 7j AVRAG in Verga­beverfahren als Ausschließungsgründe im Sinne des § 68 Abs. 1 Z 5 und 6 Bundes­vergabegesetz zu beachten sind;

2. die Evidenz nach § 7l AVRAG gegenüber Auftraggebern im Sinne des Bundesverga­begesetzes im Rahmen von Vergabeverfahren auskunftspflichtig ist.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte.

 


12.27.08

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Minister Hundstorfer, Sie haben uns heute gesagt, dass Sie aufgrund dieser Öffnung keinerlei zusätzliche Arbeitskräfte aus dem Osten erwarten. Sie haben heute be­hauptet, dass ab Mai 2011, wenn der Arbeitsmarkt für alle Ostländer, die bisher in die­sen Übergangsfristen drinnen waren, geöffnet wird, kein einziger Arbeitnehmer her­kommen wird, um hier zu arbeiten.

Jetzt frage ich Sie, wenn Sie das heute hier behaupten: Warum hatten wir diese Über­gangsfristen? Warum hatten wir eine Übergangsfrist, die ja dazu da war, zu verhindern, dass Menschen eben aus Ländern kommen, wo sie nur ein Drittel oder sogar nur ein Viertel unseres Gehaltes verdienen? Zum Beispiel muss ein Maurer in Ungarn mit 600, 700 € auskommen und kann hier das Dreifache verdienen. Warum soll dieser Mensch nicht nach Österreich kommen, wenn er die Möglichkeit hat, hier zu arbeiten?

Genau dazu diente diese Übergangsfrist. Diese Übergangsfrist sollte verhindern, dass aufgrund dieser Unterschiede bei den Lohnniveaus die Menschen eben dementspre­chend wandern.


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Jetzt haben wir diese Übergangsfrist aufgehoben. Herr Hundstorfer, jetzt frage ich mich: Was ist besser geworden? Schauen wir uns die Zahlen im Jahre 2004 an. 2004 war der Unterschied in etwa gleich groß, wie er heute ist. Warum glauben Sie also, dass, wenn diese Übergangsfrist aufgehoben wird, keiner kommt?

Ich sage Ihnen, es werden sehr viel kommen, und das wissen Sie auch. Ich unterstelle Ihnen heute hier, Sie wissen das. Sie wissen, dass das passieren wird. Sie leisten al­lerdings, ich sage einmal, einer Strömung in der Europäischen Union Vorschub, die man unter dem Begriff Gleichmacherei beziehungsweise Ausgleich zusammenfassen könnte. Sie wollen den Ausgleich. Sie wollen den Ausgleich und die Gleichmacherei nicht nur hier in Österreich, sondern auch international.

Das bedeutet einmal, dass bei den Budgets ein Ausgleich geschaffen werden muss, das sehen wir ja schon. Wir überweisen Milliarden-Geldgeschenke nach Griechenland. Dann soll bei den Arbeitslosen ein Ausgleich geschaffen werden. Das heißt, die Län­der, die im Verhältnis weniger Arbeitslose haben, so wie wir, sollen die Arbeitslosen je­ner Länder aufnehmen, die viele Arbeitslose haben. Auch da wird ein Ausgleich ge­macht. Und es soll auch einen Ausgleich bei den Löhnen geben. Das heißt, jene Län­der, die hohe Löhne zahlen, sollen ausgeglichen werden mit jenen Ländern, die ganz geringe Löhne haben. Das wird letztlich dazu führen, dass unsere Löhne sinken. Und das kann auch dieses Gesetz nicht verhindern, Herr Minister.

Dieses Gesetz ist nichts anderes als ein Sand-in-die-Augen-Streuen. Sie wissen, dass diese Öffnung letztlich zu einem Lohnverzicht der Österreicher führen wird. Sie wissen, dass mit diesem Gesetz Sozial- und Lohndumping nicht verhinderbar sein werden. Sie haben es ja selbst gesagt. Dieser zahnlose Tiger, der da heute genannt wurde, ist ja nicht einmal ein Tiger, das ist ja eine brüllende Maus. Und Sie haben heute schon da­zugesagt, dass die Maus nicht einmal Zähne hat, weil Sie noch nicht einmal mit dem ungarischen Regierungschef darüber verhandelt haben, ob sie das in Ungarn über­haupt umsetzen können beziehungsweise ob sie das überhaupt kontrollieren können, wenn ungarische Arbeitnehmer hier herkommen und zu Dumpinglöhnen hier arbeiten.

Das heißt, Herr Minister Hundstorfer, das ist genau das Problem. Sie haben ein großes Problem, ja die SPÖ insgesamt hat ein großes Problem. Das sieht man auch daran, dass Sie am 6. Juli 2005 – und ich habe das heute hier schwarz auf weiß – gegen die­se Übergangsfristen gestimmt haben. Sie haben 2005 gegen diese Übergangsfristen gestimmt, weil Sie ein Doppelspiel spielen. Sie spielen ein Doppelspiel! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Grosz: So ist es! Die SPÖ hat gegen die Übergangsfristen gestimmt!)

Ich kann Ihr Doppelspiel übrigens sehr gut verstehen. Sie haben auch keine leichte Aufgabe. (Abg. Grosz: 6. Juli 2005!) Auf der einen Seite versuchen Sie den Arbeitneh­mern in ganz Europa zu helfen, vergessen aber auf der anderen Seite auf die österrei­chischen Arbeitnehmer. Sie wollen die Gleichmacherei aller Arbeitnehmer in Europa und opfern die österreichischen Arbeitnehmer.

Und genauso, wie Sie heute dieses rote Stecktuch, das Ihnen Herr Kollege Grosz ge­geben hat, mit einem Handstreich vom Tisch gewischt haben, wischen Sie die Inter­essen der österreichischen Arbeitnehmer vom Tisch und opfern sie für die Interessen der europäischen Arbeitnehmer, und das ist genau mein Vorwurf. (Beifall beim BZÖ.)

Herr Bundesminister, Sie sind von den österreichischen Arbeitnehmern gewählt – nicht mehr sehr vielen, das gebe ich zu –, aber es haben Sie doch noch österreichische Ar­beitnehmer gewählt. Wenn Sie schon Interessen der internationalen Arbeitnehmer ver­treten, und das Ganze auf Kosten der österreichischen Arbeitnehmer, dann würde ich Ihnen empfehlen, das nächste Mal nicht in Österreich zu kandidieren, sondern in Un­garn, in Tschechien oder sonst wo (Beifall beim BZÖ), denn das wäre nur konsequent. (Abg. Grosz: Das wäre das Gescheiteste!)


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Deshalb sage ich Ihnen: Hören wir auf mit dieser Gleichmacherei in der EU, wenn es auf Kosten Österreichs geht!

Ich habe nichts dagegen, wenn wir in Ungarn das Lohnniveau heben. Ich habe aber sehr wohl etwas dagegen, wenn wir unser Lohnniveau senken. Für diesen Ausgleich sind wir nicht zu haben. Deshalb schauen Sie darauf, dass Sie auch ein bisschen mehr die österreichischen Interessen und vor allem die Interessen der österreichischen Ar­beitnehmer ins Blickfeld bekommen! Das erwartet man von einem österreichischen So­zialminister, der auch für die Arbeitsagenden zuständig ist. – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ.)

12.32


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hechtl. – Bitte.

 


12.33.01

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Nach einer so emotional geführten Debatte über ein, wie wir meinen, so wichtiges Gesetz, das Lohn- und So­zialdumping-Bekämpfungsgesetz, habe ich etwas richtigzustellen. Wenn gerade Sie vom BZÖ uns vorwerfen, dass wir diesen Übergangsfristen nicht zugestimmt haben, so möchte ich ergänzen, dass diese Fristen Teil des Beitrittsvertrages der neuen Länder waren, dem wir sehr wohl zugestimmt haben, um das hier klarzustellen.

Geschätzte Damen und Herren, mit diesem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungs­gesetz wird aber auch ein weiterer Punkt aus dem Regierungsprogramm umgesetzt und auf die bevorstehende Erweiterung der Öffnung des Arbeitsmarktes, die ja, wie schon angeführt wurde, mit 1. Mai 2011 eintritt, rasch reagiert.

Gerade im Rahmen der Diskussion über dieses Thema, die wirklich sehr emotional ge­führt wurde und auch in Zukunft geführt werden wird, muss erwähnt werden, dass Ös­terreich als einziges europäisches Land kein Aufknüpfen dieser Übergangsfristen zu­gelassen hat und für alle Beschäftigungsgruppen diese 7-jährige Übergangsfrist beibe­halten hat. Deutschland hingegen hat diese Übergangsfristen für gewisse Beschäfti­gungsgruppen vorzeitig, also vor Ende dieser 7-jährigen Frist, aufgeknüpft.

Die Praxis hat uns gezeigt, dass auch die unterschiedlichen Regelungen in den EU-Staaten, was die Höhe der Entlohnung betrifft, natürlich ungleichen Wettbewerb er­möglicht und nach sich gezogen haben. Mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämp­fungsgesetz wird für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus dem EU-Raum, aus den Drittstaaten so wie auch für die inländischen Arbeitskräfte der österreichische Min­destlohn gesichert und die Unterentlohnung erstmals sanktionierbar und unter Strafe gestellt. Mit den Kompetenzzentren, eingerichtet bei der Wiener Gebietskrankenkasse, der KIAB, der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse haben wir, so meine ich, wichtige Instrumentarien, die das Lohn- und Sozialdumping bekämpfen können.

Geschätzte Damen und Herren, Lohn- und Sozialdumping ist auch eine höchst unso­ziale Vorgangsweise, schafft nicht nur entgeltliche Nachteile für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern wirkt sich für die Beschäftigten auch armutsgefährdend aus. Der Entgang von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bewirkt einen erhebli­chen wirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Schaden. Vorteile durch Lohn- und So­zialdumping sind für mich unlauterer Wettbewerb in der Wirtschaft, wovon gerade die Kleinst- und Kleinbetriebe ein Lied singen können, da es diesen schwer zu schaffen macht.

Mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz wird ein wesentlicher und wichtiger Schritt zu einer gerechten und rechtlich durchsetzbaren Entlohnung für alle Beschäftigten in unserem Land gesetzt. Es bietet auch eine gute Grundlage für einen fairen Wettbewerb in unserer Wirtschaft.


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Ich bin auch zuversichtlich, dass wir die Herausforderungen, die die Öffnung des Ar­beitsmarktes zweifelsohne mit sich bringen wird, bewältigen werden und unser hohes Beschäftigungsniveau weiter halten, ja sogar noch ausbauen werden können.

Geschätztes Hohes Haus, Lohn- und Sozialdumping ist kein Kavaliersdelikt, darf nicht als solches angesehen werden und gehört in jedem Fall bekämpft und abgestellt. Mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, so meine ich, haben wir eine ge­eignete Rechtsgrundlage geschaffen und einen guten ersten Schritt zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping gesetzt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten der ÖVP.)

12.37


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck. – Bitte.

 


12.37.29

Abgeordneter Dr. Andreas Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, ganz langsam zum Mitschrei­ben: Die FPÖ war und die FPÖ ist gegen Lohndumping und gegen Sozialdumping. (Beifall bei der FPÖ.)

Aus diesem Grund waren wir und sind wir gegen die Aufhebung der Übergangsbestim­mungen am 1. Mai. (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Das Gesetz, das wir jetzt hier besprechen, ist ein netter Versuch. Wir wissen aller­dings, es ist nicht exekutierbar. Herr Minister, Sie wollen tatsächlich mit österreichi­schen Behörden im Ausland ein Gesetz einfordern und exekutieren. Wir wissen, dass wir bereits derartige Gesetze im Land haben. Ein Beispiel ist die Straßenverkehrsord­nung. In diesem Bereich wissen wir, dass ausländische Pkw-Lenker, die Gesetzes­übertretungen begehen, natürlich auch von unseren Behörden abgemahnt, bestraft werden, aber die Strafen werden im Ausland trotz geltender Gesetzeslage nicht einge­hoben, nicht exekutiert, weil es einfach keine Maßnahmen und keine Möglichkeiten gibt, dies von Österreich aus zu machen.

Wir haben hier mit 1. Mai ein Gesetz, wonach ausländische Arbeitskräfte und ausländi­sche Firmen in Österreich tätig werden können. Das bedeutet – wie wir heute auch schon gehört haben –, dass es zu einer massiven Untergrabung unseres Arbeitsbe­reichs kommen wird. In diesem Bereich wird es zu ziemlich strikten und scharfen, handfesten sozialen Spannungen kommen. Sie vergessen dabei aber – das ist heute überhaupt noch nicht diskutiert worden –, dass ausländische Arbeitskräfte vor allem im unteren sozialen Bereich bei uns eindringen werden. Das ist etwas, was in Österreich schon längst hätte gelöst werden können.

Herr Minister, Sie haben in der Vergangenheit die eigenen Hausaufgaben nicht ge­macht. Als Beispiel möchte ich Ihnen nennen, dass in bestimmten Bereichen der Lehr­ausbildung bis heute wirklich katastrophale Zustände herrschen. Ich weiß, was Sie mir auf diese Vorhalte immer antworten: dass wir bei unseren Leuten schauen sollen, dass hier Bestimmungen eingehalten werden. – Das ist aber nicht unsere Aufgabe in der Opposition, Herr Minister, sondern es ist Ihre Aufgabe als Ressortminister, vor allem auch auf Ihre Leute, die Gewerkschaft, einzuwirken! (Beifall bei der FPÖ.)

Als Beispiel nenne ich Ihnen jenes, von dem ich am meisten und am besten etwas ver­stehe: Das betrifft die zahnärztlichen Assistentinnen. Die zahnärztlichen Assistentinnen haben bis heute keine ordentliche Lehrausbildung, das ist ein Anlehrberuf. Ich weiß und kann Ihnen sagen, dass ab dem 1. Mai der Berufsstand dieser jungen Frauen massiv gefährdet sein wird, und sie werden gefährdet sein, arbeitslos zu werden. Sie werden deshalb massiv gefährdet sein, arbeitslos zu werden, weil natürlich schon heut­zutage die Ausbildung im Ausland hervorragend ist. Diese Leute sind hoch ausgebil­


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det, hoch motiviert (Abg. Öllinger: ... auch so eine Ausbildung haben!), und sie werden hier natürlich einen enormen Druck auf die Arbeitsplätze ausüben. Das bedeutet wie­derum, wie gesagt, einen massiven volkswirtschaftlichen Schaden. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Herr Minister, ich sage Ihnen: Nicht die Starken brauchen den Schutz! Die Starken sind heute schon in Österreich, die Starken sind auch hier in den sogenannten Mangelbe­rufen. Wovon Sie uns immer erzählen, das sind die Berufe, die tatsächlich bereits seit zehn Jahren in irgendwelchen Vereinbarungen erfasst worden sind. Die werden nicht zusätzlich kommen, da wird es weiter einen Mangel geben; da gebe ich Ihnen recht. Aber die Schwachen im Gewerbe, die Schwachen im Handel, die Schwachen am Bau werden auf der Strecke bleiben!

Die Österreicher werden sich dafür bedanken, dass Sie sich hierher stellen und Dinge darüber erzählen, wie hervorragend jetzt die Situation der Arbeitnehmer ist. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Das können wir Ihnen leider nicht abnehmen, und da werden wir Sie weiterhin fordern! (Beifall bei der FPÖ.)

12.41


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klikovits. – Bitte.

 


12.41.57

Abgeordneter Oswald Klikovits (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren hier im Hohen Haus! Meine sehr geehrten Da­men und Herren auf der Zuhörergalerie! Sie haben heute eine sehr lebhafte Diskussion darüber gehört, wie wir in der Koalitionsregierung auch künftighin den österreichischen Arbeitsmarkt und die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen wollen. Mit dem heutigen Beschluss des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsge­setzes schafft diese Bundesregierung die Voraussetzungen dafür, dass wir in Öster­reich auch künftighin Wachstum und Beschäftigung haben werden. Sie schafft mit die­sem Gesetz auch die Voraussetzung dafür, dass unserem Grundsatz „Leistung muss sich lohnen“ wirklich Rechnung getragen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich kann mir natürlich vorstellen, dass dieses Thema aus Sicht der Opposition, vor al­lem der Freiheitlichen mit Herrn Strache an der Spitze und des Herrn Grosz vom BZÖ, für billige politische Polemik geeignet ist. Wir haben das leider auch vernehmen müs­sen, weil wir von Ihnen bis dato keine wirklich fachlichen und sachlichen Beiträge hö­ren konnten. (Abg. Dr. Rosenkranz: Haben Sie nicht zugehört? – Abg. Mag. Stefan: ... aber sehr genau gesagt! Haben Sie es nicht verstanden? – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und BZÖ.)

Herr Strache und Herr Grosz, Ihnen ins Stammbuch geschrieben: Was Österreich jetzt angesichts der neuen Situation braucht, sind Mutmacher und keine Miesmacher! (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Braucht es eine korrupte ÖVP?)

Wir haben von vielen Vorrednern gehört – und ich möchte das wiederholen –, dass Ös­terreich, als die neuen Staaten zur Europäischen Union gekommen sind, Übergangs­bestimmungen herausverhandelt hat; von wem auch immer, es gibt sie! Diese drei und zwei und zwei Jahre, also insgesamt sieben Jahre, haben wir dafür genützt, dass wir diese tollen Zahlen, die wir heute schon gehört haben – nämlich die höchste Beschäfti­gung und die geringste Arbeitslosigkeit im EU-Durchschnitt –, auch erreicht haben. Das wollen wir nach dem 1. Mai weiterhin beibehalten. (Abg. Strache: Man kann ja mit Zahlenspielereien ...!)

Deswegen haben wir, Herr Kollege Strache, dementsprechend dieses Gesetz vorge­legt. Ich möchte nicht verhehlen, dass es nur ein Beginn sein kann für weitere Maßnah­men, die wir dann nach den Erfahrungswerten auch umsetzen wollen, damit das Ge­


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setz und der Schutz der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch besser wird. Aber wenn Sie oder Herr Kollege Karlsböck vorhin erwähnt haben, die FPÖ ist und war immer gegen Lohn- und Sozialdumping, dann sage ich Ihnen: Wir sind es auch – nur, wir tun etwas dafür! (Abg. Strache: Sie nicht! Sie wollen Lohndumping, denn Sie wollen ja die Leute ausnutzen!)

Sie ziehen sich zurück (Abg. Strache: Das ist genau Ihr Spiel! So wie Sie Sozialpolitik machen ...!) und beschimpfen die Bundesregierung, machen billige Polemik und versu­chen, billiges politisches Kleingeld zu machen. Das wird Ihnen nicht gelingen, sage ich Ihnen ganz ehrlich! (Beifall bei der ÖVP.) Auch dieser Theateraufzug des BZÖ ist kein geeignetes Mittel, mit Taschentüchern sozusagen Tränen abwischen zu können, weil Sie keine Vorschläge bringen können. (Zwischenrufe bei FPÖ und BZÖ.)

Es ist richtig, dass wir auch in unserer Republik entsprechende Maßnahmen setzen müssen, die zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen. Unternehmen tun dies; vielleicht eine Zahl von meiner Seite: Heuer sind die Unternehmen bereit, zu 26 Pro­zent mehr Kapital in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu setzen. Auch das ist eine Maßnahme gegen Sozial- und Lohndumping. (Abg. Neubauer: Volks­partei? Welches Volk vertretet ihr noch?)

Wir haben heute schon viel gehört, und die Eckpfeiler sind nun einmal geschlagen. Wir werden höhere Strafen für sogenannte schwarze oder rote Schafe vorsehen. Wir wer­den weitere Mechanismen im legistischen Bereich setzen, dass diese Kontrollen, die wir verstärkt einsetzen, auch tatsächlich umgesetzt werden. Ich bin mir ganz sicher, dass mit diesem neuen Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ein weiterer Meilenstein für eine erfolgreiche Wachstums- und Beschäftigungspolitik gesetzt wird und dass wir damit auch ohne Angst dem 1. Mai 2011 entgegensehen können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.46


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirkl­huber. – Bitte.

 


12.47.00

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ist, wie gesagt, ein erster Schritt in die richtige Richtung. Daher werden die Grünen heute diesem Gesetz ihre Zustimmung geben. (Abg. Neubauer: Auch da umgefallen!)

Aber natürlich gibt es auch aus unserer Sicht noch zahlreiche offene Punkte, und daher haben wir einen umfassenden Abänderungsantrag eingebracht. Meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ, Sie könnten das heute noch wesentlich verbessern! Es liegt jetzt also an Ihnen, ob Sie ein besseres, sozusagen ein Gesetz mit Biss oder eher mehr Zahnlosigkeit zulassen wollen. Ich werde versuchen, es an einigen Beispielen noch zu präzisieren.

Punkt eins ist, dass wir der Auffassung sind, dass nur den Grundlohn zu kontrollieren eindeutig zu wenig ist. Warum? – Nehmen wir nur Beispiele her. Die Tunnelzulage bei den Bauarbeitern beträgt etwa 25 Prozent des Lohnanteils. Montagezulage, Erschwer­niszulagen, das sind alles Lohnbestandteile, die wesentlich sind und auch umfassend mit kontrolliert werden sollten.

Auch was Firmen und öffentliche Aufträge betrifft: Meine Damen und Herren, die Auf­träge, die an Firmen vergeben werden, bedeuten auch die Möglichkeit, dass hier die öffentliche Hand steuernd eingreifen kann, nämlich so, dass sie sagen kann: Wir ver­


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geben Aufträge nur an jene Firmen, die sich auch in diesem Bereich an die Spielregeln halten.

Herr Bundesminister, das wären zwei Punkte, und selbstverständlich auch das Straf­ausmaß, wie Sie es jetzt heruntergeschraubt haben und wo die FPÖ, wie gesagt, drau­ßen vor der Tür steht. Sie steht draußen vor der Tür, wo es um so wichtige Fragen für die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht!

Herr Bundesminister, noch eines: Ich verstehe heute schon auch Ihre Emotionalität, das möchte ich sagen. Es ist notwendig, weil wir diese Frage auch auf die europäische Ebene heben müssen. Antidumping-Regelungen im Arbeitsrecht müssen in der Euro­päischen Union viel stärker, viel mehr auf die Tagesordnung kommen.

Nur Ängste zu schüren, wie die FPÖ es tut, das hilft überhaupt niemandem! Es ist schon unglaublich, wenn man bedenkt, dass heute mehr österreichische Arbeitnehme­rInnen in Slowenien arbeiten als umgekehrt Slowenen in Österreich. Herr Kollege Karlsböck – ich kenne Sie aus den Ausschüssen –, Sie haben auch immer ganz stolz erzählt: Meine Tochter hat in Ungarn studiert! Das haben Sie mir erzählt. So schaut es nämlich aus: Die Vorteile der Europäischen Union wahrzunehmen, auch den Aus­tausch, aber dann, wenn es wirklich um Maßnahmen für unsere Bevölkerung geht, sich einfach vor wirklichen Maßnahmen zu drücken – das ist Ihre Praxis, wie Sie sie hier vorgeführt haben.

Jetzt zum Landarbeitsgesetz: Warum ist es eine Zwei-Drittel-Materie? – Es ist so, weil das Landarbeitsgesetz bisher nicht von diesen Maßnahmen umfasst war. Ich finde hier auch ein Wort in Richtung Landarbeiterkammer, eine, ich sage, etwas wenig belichtete Einrichtung auf der Sozialpartnerebene. Aber ich meine, sie setzt sich seit Jahren wirklich sehr aktiv dafür ein, dass es gerade dort, wo es sehr schnell zu Dumping kommt – bei den Saisonniers, im Bereich illegaler Beschäftigung et cetera –, auch ent­sprechende Kontrollen und Maßnahmen gibt.

Daher ist das ein wichtiger, zentraler Schritt, weil es selbstverständlich auch in der Landwirtschaft schwarze Schafe gibt, wie in der Bauwirtschaft und woanders auch. Das ist normal, dazu braucht es Regelungen, ob es jetzt bei den Erdbeerfeldern oder beim Spargelstechen ist.

Eines ist, finde ich, auch in Richtung ÖVP klar herauszuarbeiten: Es wird heute viel in Scheinfirmen ausgelagert. Da sehen wir auch eine wirklich problematische Lücke. Das kann es nicht sein, sondern es sollten auch diese Scheinfirmen stärker als bisher unter das Landarbeitsgesetz fallen und ebenfalls von der Kontrolle erfasst werden.

Wie gesagt, wir haben hier noch zwei, drei Problembereiche, die es ebenfalls anzu­sprechen gibt. Natürlich ist es auch wichtig, bei dieser Gelegenheit zu sagen, dass es keine Antidumping-Regelungen im Bereich der Lebensmittelbranche an sich, nämlich bei der Lebensmittelproduktion selbst gibt. Es gibt für Bäuerinnen und Bauern keinen Kollektivvertrag, das soll hier auch einmal gesagt werden. Daher wären auch auf dieser Ebene massiv Fragestellungen zu bearbeiten.

Und: Was wir auf Dumpingebene international im Lebensmittelhandel durch Billiglöhne machen, ob das in Almeria in Spanien ist oder in Afrika, wo durch eine schlechte euro­päische Agrarpolitik diese Landarbeiter massiv bedroht sind – auch dieses Thema ist unbedingt zu berücksichtigen!

Daher, meine Damen und Herren, brauchen wir mehr gesellschaftliche Solidarität und nicht weniger! Statt Hetze und Angst zu schüren, wie Sie von der FPÖ es machen, brauchen wir Sicherheit und klare Regelungen. Diesem Gesetz werden wir daher, auch wenn es nur ein erster Schritt ist, unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.52



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 89

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Muchitsch. – Bitte. (Abg. Grosz: Jetzt kommt die Gewerkschaft, jetzt geht es los! Jetzt kommt das soziale Gewissen der SPÖ!)

 


12.52.20

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe heu­te auch ein sehr großes Problem, nicht nur wie meine Vorredner ... (Unruhe im Saal.)

 


Präsident Fritz Neugebauer (das Glockenzeichen gebend): Wenn Sie auch dem letz­ten Redner der Debatte noch zuhören wollen!

 


Abgeordneter Josef Muchitsch (fortsetzend): Mein großes Problem ist, dass hier wirklich versucht wird, mit Angstmache, mit Hetze, mit falschen Behauptungen und Ar­gumenten Stimmung zu machen (Abg. Dr. Graf: Vonseiten der SPÖ!) gegen etwas, was im Ansatz, was im Verhandeln und was im Ergebnis (Abg. Strache: Dafür hat die SPÖ keine Argumente!) international ein ausgezeichnetes Ergebnis ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Molterer.)

Wissen Sie, Tatsache ist – und da werden Sie mir nicht widersprechen, Herr Strache –, dass Experten sagen (Abg. Strache: Immer, wenn Sie keine Argumente haben, kom­men Sie mit dem Begriff daher!): 20 000 bis 25 000 neue Arbeitskräfte werden versu­chen, mit 1. Mai in Österreich natürlich einen Arbeitsplatz zu finden. Tatsache ist aber auch, dass bereits jetzt – und vielleicht hätten Sie seitens des BZÖ und der Freiheit­lichen sich besser vorher informieren sollen – 69 015 Arbeitskräfte legal in Österreich aus diesen acht, neun Ländern – Lettland, Litauen, Polen, Estland, Slowakei, Tsche­chien, Ungarn und Slowenien, jetzt wissen Sie es (Abg. Mag. Stefan: Und das war es dann? Das ist ein Argument?) – schon da sind. (Abg. Strache: Und jetzt wollen Sie es verschärfen, ja?) Sie schüren einfach nur Ängste, und das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Tatsache ist auch, dass Sie von den Freiheitlichen und Sie vom BZÖ in den letzten drei Jahren hier Gesetzen zugestimmt haben, die jetzt mit 1. Mai wirksam werden und ganz wichtig sind. Wieso kehren Sie Ihren Anteil an jenen Maßnahmen, die wir für den 1. Mai geschaffen haben, jetzt unter den Tisch, unter den Teppich?

Sie haben genauso mitgestimmt bei der BUAG-Novelle, mit der wir eingeführt haben, dass die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse Kontrollen durchführen darf! Der Bericht 2010 liegt vor, und ich werde ihn dem Kollegen Dolinschek im Anschluss über­reichen. (Abg. Grosz: Was hat das mit den Übergangsfristen zu tun? – Weitere Zwi­schenrufe beim BZÖ.) Die Urlaubskasse hat 2010 11 015 Firmen auf Baustellen in Ös­terreich überprüft, mit dem Ergebnis, das jede vierte Firma nicht ordnungsgemäß ange­meldet hat.

Wir haben diese Kontrollinstrumente, wir werden sie auch weiter ausbauen. (Abg. Stra­che: Das ist ein zahnloses Instrument ...!) Wir haben als Sozialpartner gemeinsam be­schlossen, diese Kontrolleinrichtung auszubauen. Wir werden Personal aufstocken. Wir werden in den Gebietskrankenkassen mehr Prüfer dementsprechend umschichten, wie in der Steiermark mit 1. Mai.

Aber hier wird alles schlechtgemacht, und das finde ich einfach nicht in Ordnung! Wir werden international dafür gelobt, dass Österreich, was die Übergangsfristen betrifft (Abg. Grosz: Und im eigenen Land abgewählt!), was die Dienstnehmerfreizügigkeit betrifft, am besten vorbereitet ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Die Europäi­sche-Unions-Kommission klatscht bei Ihnen jede Woche!)

Und wissen Sie, wir haben noch etwas geschaffen: Wir haben nicht nur Kontrollinstru­mente geschaffen, Schutzmaßnahmen, wobei wir alle hier in diesem Saal und auch


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alle zu Hause am Fernsehschirm wissen: Es wird nie gelingen, ein hundertprozentiges Kontrollnetz aufzubauen, aber wir haben Kontrolleinrichtungen, wo es in Zukunft gilt – für alle, für alle in Österreich! –, nicht wegzuschauen, sondern hinzuschauen, hinzu­schauen und dementsprechend auch mitzugestalten!

Wir haben noch etwas geschaffen, wo auch Sie mit dabei waren. (Abg. Neubauer: Er­klären Sie das Ihren arbeitslosen Kollegen!) Wir haben ein Bundesvergabegesetz in Österreich, das entsprechende Vergaben zulässt mit den Ausschreibungsrichtlinien, dass der österreichische Auftraggeber entscheidet, wer in Österreich einen Auftrag be­kommt. Die Bundesregierung hat eine Schwellenwertverordnung bis Ende des Jahres verlängert, wodurch die Gemeinden, Land, Bund, LIG, BIG selbst entscheiden können, welche Firmen sie einladen. Bis 120 000 €: mindestens ein Anbot einzuholen; bis 1 Mil­lion € erhöht: mindestens fünf Anbote einzuholen! Das sind alles Instrumente, die jetzt schon da sind. (Abg. Mag. Stefan: Nur in Österreich? Oder ist das europaweit auszu­schreiben?) Und es gilt für uns alle, das zu nutzen und es nicht schlechtzureden. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)

Ein letzter Satz: Herr Sozialminister, wenn Herr Strache gemeint hat, du wärst nicht auf dem richtigen Posten (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen): Ich sage dir, du bist absolut auf dem richtigen Posten – bitte, mach weiter, arbeite für Österreich!

Zu Herrn Grosz abschließend: Du hast ein unheimliches Glück, dass Christian Faul nicht mehr hier ist, weil er dir jetzt das sagen würde, was ich mir denke! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.57

12.57.10

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1076 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Schatz, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über die von diesem Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile des Entwurfes und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile abstimmen.

Da der vorliegende Entwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Wir kommen zur Abstimmung über den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Schatz, Kolleginnen und Kollegen, der sich auf Art. 1 bezieht.

Wer diesen Antrag unterstützt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Antrag findet keine Mehrheit und ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über diese Teile des Entwurfes in der Fassung der Re­gierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Entwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage. Ich wei­se ausdrücklich darauf hin, dass diese Teile Verfassungsbestimmungen enthalten.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


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Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wenn Sie dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung Ihre Zustimmung erteilen, bitte ich um Ihr Zeichen. – Das ist mit Mehrheit beschlossen.

Ausdrücklich stelle ich auch hier wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zwei­drittelmehrheit fest.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anwendung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes in Verfahren nach dem Bundesvergabege­setz.

Wenn Sie dafür sind, bitte ich Sie um Ihr Zeichen. – Der Antrag findet keine Mehrheit und ist daher abgelehnt.

12.59.482. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1077 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (1092 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1452/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der Übergangsfristen zur Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für neue EU-Mitgliedstaaten (1093 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zu den Punkten 2 und 3 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz.  Bitte.

 


13.00.27

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Rot-Weiß-Rot-Card, Rot-Weiß-Rot-Card-Plus, Blue-Card – vor lauter Karten kann ich nur eines sagen: Es gibt nur eine Karte, und das ist die rote Karte für diese Bundes­regierung, die die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher in dieser Form verrät. (Beifall bei der FPÖ. – Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Es geht nicht darum, wie es in der Überschrift heißt, dass die best- und höchstqualifi­zierten nach Österreich kommen. Nein, es geht darum, dass mit dieser Überschrift wie­der durch die Hintertür eine schleichende Einwanderung in unserer Sozialsystem statt­findet, und das ist kategorisch abzulehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren auf den Zuschauerrängen und allenfalls vielleicht noch an den Bildschirmen, Sie können aufgrund Ihrer Erfahrung sicher sein: Wenn Rot, Schwarz und Grün so geballt über die freiheitliche Position herfallen, wissen wir immer ganz genau, wann das passiert, nämlich immer dann, wenn die Freiheitlichen die Inter­essen Österreichs im Auge haben, und sonst gar nichts. Das ist die Erfahrung, und das ist auch in diesem Punkt so. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 92

Kollege Katzian, es haben zuerst einige Gewerkschaftsvertreter gesagt, wie rührend Sie sich um die Interessen der Arbeitnehmer kümmern. Ich kann Ihnen – weil Sie ge­meint haben, dass das mit den Übergangsfristen 2003 war – nur eines sagen: Die Erde ist auch zwischenzeitig keine Scheibe mehr, sondern eine Kugel, die sich weiterdreht, und auch wenn das am ÖGB spurlos vorbeigegangen sein sollte, dann bieten Sie we­nigstens die einzig richtige Serviceleistung, die Sie noch machen können, auf Ihrer Homepage an: Bieten Sie ein Austrittsformular an, das man gleich am Bildschirm aus­füllen kann, damit es einfach wird, dieser Nicht-Interessenvertretung den Rücken zu kehren! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister Hundstorfer hat zuerst gemeint, dass die Freiheitlichen wieder al­les unter Generalverdacht stellen: die Unternehmer, die Arbeitnehmer, die auslän­dischen Firmen, die ausländischen Arbeitnehmer – alle unter Generalverdacht. Herr Bundesminister Hundstorfer, nur deswegen, weil zum Beispiel im Strafrecht der Mord verboten ist, stellen wir nicht alle Österreicher generell unter den Verdacht, Mörder zu sein, aber wir wollen Gesetze haben, die exekutierbar sind, die keine Lücken bieten, sondern – das haben Sie auch im Ausschuss gemacht: wir sind ja von der Regierungs­seite her gutgläubig – wir wollen Gesetze machen, die Hand und Fuß haben und die sich auch exekutieren lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was wir nicht wollen – manche Kollegen sagen ja, ihnen fehlen die freiheitlichen Lö­sungsansätze – bei dieser Rot-Weiß-Rot-Card, ist Folgendes: Wenn ein Qualifizierter kommt, soll er nicht bereits nach zehn Monaten Beschäftigung, bei einjährigem Aufent­halt, die komplette Freiheit auf dem Arbeitsmarkt haben, und vor allem soll auch nicht gleich vom ersten Tag an der Familienzuzug – mit der Möglichkeit, auf den Arbeits­markt einzudringen – ermöglicht werden. Das ist die Hintertür, die Sie allen aufmachen, und das ist das falsche Signal für unsere Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein abschließendes Wort, Kollege Öllinger: Angesichts dessen, was Sie an Märchen immer auslassen, wären Sie mit Ihrer grünen Partei wahrscheinlich auf dem Mars bes­ser aufgehoben, denn dort sind wahrscheinlich die grünen Männchen, denen Sie sol­che Unwahrheiten erzählen können! (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

13.03


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dr. Oberhauser zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.03.43

Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser, MAS (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Man kann nur sagen: Tief sind wir gesunken! Zu dieser Rede erübrigt sich fast jeglicher Kommentar. So viel Tiefgang im Niveau hätte ich Ihnen nicht zugetraut, wirklich wahr! (Zwischenrufe der Abg. Kitz­müller. Abg. Mag. Unterreiner: Na, na!) „Hut ab“ für diesen Tiefgang! Das ist ein neues „Highlight“ in der parlamentarischen Geschichte, wie man geballten Unsinn mit so einer Aggression von sich geben kann. Wirklich „herzlich gut“! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. Abg. Dr. Rosenkranz: Nächstes Mal wieder!)

Lassen Sie uns jetzt zur Sachlichkeit, nämlich zur Frage der Rot-Weiß-Rot-Card kom­men: Ganz im Gegenteil ist es so, dass wir bei der Rot-Weiß-Rot-Card darauf achten, dass hoch qualifizierte Menschen nach Österreich zuwandern, und zwar nach einem erstmalig kriteriengeleiteten System, mit Punktevergaben, wo es genau einzuhaltende Kriterien gibt. (Abg. Mag. Stefan: Man könnte ja glauben, es war bis jetzt nicht so! Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Dr. Rosenkranz.)

Die Kriterien sind Qualifikation, die Berufserfahrung, das Alter, die Sprachkenntnisse und eine Mindestentlohnung, und es ist auch ganz klar eine Arbeitsmarktprüfung vor­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 93

gesehen – Mangelkräfte, Sie kennen das. Es kann nur jemand nach Österreich kom­men, wenn der Arbeitsplatz nach der Mangelkräfte-Verordnung entweder auf der Liste ist oder auf diesen Arbeitsplatz nur 1 bis 1,5 Menschen arbeitslos gemeldet sind. (Abg. Dr. Rosenkranz: Doch nicht bei Höchstqualifizierten!)

Sie werden doch nicht sagen, dass Sie sich gegen den Zuzug von höchstqualifizierten Menschen nach Österreich wehren? (Abg. Dr. Rosenkranz: Haben Sie mir zugehört?) Sie schmeißen seit Monaten damit herum, dass wir angeblich mit der ÖVP und mit den Grünen Tür und Tor aufmachen, um mit der Ostöffnung jetzt Billigarbeitskräfte herein­zuholen, und jetzt sagen Sie, damit könnten Hochqualifizierte hereinkommen! – Ja Gott sei Dank können Hochqualifizierte auch hereinkommen, und Gott sei Dank können vielleicht auch Menschen hereinkommen, die in jenen Berufen, wo Österreicherinnen und Österreicher nicht mehr so gerne arbeiten, vielleicht auch noch Arbeit finden. (Abg. Dr. Rosenkranz: Sie haben auch im Ausschuss nicht zugehört!)

Ich habe Ihnen gesagt, es gibt drei Kriterien: die Mangelberufe, die Höchstqualifizier­ten, Studienabsolventinnen und –absolventen. – Gesetz lesen, dann diskutieren, und viel­leicht nicht polemisieren! Ich glaube, wir sind da wirklich gut vorbereitet. (Abg. Königs­berger-Ludwig: Zuhören!)

Die Diskussion zum vorigen Tagesordnungspunkt hat mir ja ganz besonders gut gefal­len, weil die FPÖ immer gesagt hat, dass sich die Gewerkschaften, aber auch die Sozi­aldemokratie immer gegen die Übergangsfristen ausgesprochen haben und dass Sie während der FPÖ-Regierungsbeteiligung diejenigen waren, die für Übergangsfristen gekämpft haben.

Wahr ist vielmehr, dass der Österreichische Gewerkschaftsbund, gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund – primär unterstützt von Bundeskanzler Schröder in Deutschland –, begonnen hat, Übergangsfristen herauszuverhandeln – unter dem Druck der Gewerkschaften. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Nein!) Ich habe mir jetzt auch die Arbeit gemacht, noch schnell zwischendurch herauszusuchen, wie die ÖGB-Resolutionen und die Forderungen zu diesem Thema ausgeschaut haben. (Wei­tere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es waren damals Hans Sallmutter und Präsident Verzetnitsch, die gesagt haben: Wir stehen auf Übergangsfristen, wir glauben auch, dass wir Übergangsfristen brauchen; was wir aber auch brauchen, ist, dass in den Übergangsfristen Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping getroffen werden. Und es wurden Maßnahmen gefordert, um das abzusichern. Da waren Sie in der Regierung, das hätten Sie damals schon ma­chen können – haben Sie aber nicht. Diese Bundesregierung macht es.

Wir haben uns auf den Zugang gut vorbereitet, deswegen wird Ihr Antrag mit der Frage der nochmaligen Verlängerung – den Sie mit abgefeiert haben, weil Sie damals in der Regierung diese Verlängerung mit unterschrieben haben, deshalb werden Sie wissen, dass wir sie nicht noch weiter hinauszögern können – hier auch negativ beschieden werden. (Abg. Dr. Rosenkranz: Woher wissen Sie das?) – Na, lesen kann ich gerade noch! (Abg. Dr. Rosenkranz: Sie können nicht verhandeln!)

Ich sage Ihnen ganz offen und ganz ehrlich: Kennen Sie Calimero, die Figur mit dem Helm? (Ruf bei der FPÖ: Ja!) Diesen würde ich der kompletten Fraktion raten, denn irgendwann werden Sie wahrscheinlich auch Angst haben, dass Ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Wir haben das nicht, und ich glaube, wir sind gut vorbereitet – und auf Ihre Polemik fällt schon kaum jemand mehr herein! (Beifall bei der SPÖ. Zwischenru­fe bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 94

13.07


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Korun zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.07.59

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr ge­ehrte Gäste auf der Galerie! Die Grünen haben schon im Jahr 2006 ein grünes Ein­wanderungsmodell vorgelegt, inklusive eines kriteriengeleiteten Einwanderungssys­tems für die Gestaltung der Arbeitsmigration.

Jetzt freut es uns, dass es der Bundesregierung gelungen ist – zwar mit fünfjähriger Verspätung, aber immerhin –, diese grüne Idee eines kriteriengeleiteten Einwande­rungssystems zu übernehmen und die grüne Idee sozusagen zu kopieren. Aber gute Ideen soll man auch kopieren, auch in der Politik, dagegen ist nichts einzuwenden.

Nur, wenn man sich dann die Gestaltung anschaut, wenn man sich anschaut, was uns heute zum Beschluss vorliegt, dann muss man sagen: Sie machen mehrere ganz große Fehler. (Ruf bei der FPÖ: Oh je!) Einmal den Kardinalfehler, dass Sie am Gast­arbeitersystem festhalten, an diesem unseligen Saisonniermodell, mit dem tausende Menschen jährlich nach Österreich kommen. Ich erkläre es kurz für alle, die das soge­nannte Saisonniermodell nicht kennen.

Es ist nicht mehr an eine Saison gebunden, es ist nicht mehr an bestimmte Branchen gebunden, und wenn jemand als Saisonnier kommt, bekommt er oder sie einmal eine Beschäftigungsbewilligung für sechs Monate, darf alle steuerlichen Abgaben ableisten, kann dann noch einmal eine Bewilligung für sechs Monate bekommen, dann muss er oder sie für ganze zwei Monate pausieren, und dann geht das ganze Spiel von vorne los. (Zwischenrufe des Abg. Hörl.)

So kann jemand sozusagen jahre- und jahrzehntelang als sogenannter Saisonnier – sehr rechtlos gehalten – hier arbeiten, Steuern und Abgaben leisten, aber Rechte be­kommt er oder sie nicht. (Abg. Hörl: ... alle Rechte, Frau Korun!) Dieses Gastarbeiter­modell, diese Gastarbeiterpolitik ist, wenn ich daran erinnern darf, das Grundübel, es ist nämlich der Grund für die Integrationsprobleme, die wir jetzt haben – diese Gastar­beiterpolitik, die vergangene Bundesregierungen jahrzehntelang betrieben haben, bei der man den Kopf in den Sand gesteckt und gesagt hat, diese Arbeitsmigranten seien nur Gäste hier.

Es ist mir zwar ein Rätsel, wie man in einem Land 30 Jahre, 40 Jahre, inzwischen 45 Jahre lang Gast sein kann, aber an diesem Gastarbeitermodell hat man festgehal­ten. Man hat keine Integrationsmaßnahmen gesetzt, und heute wundern wir uns alle zusammen, warum viele Menschen, die in Österreich leben, seit Jahrzehnten teilweise nicht gut Deutsch können. Diese Probleme lösen Sie nicht mit der Verlängerung des Gastarbeitermodells, sondern diese Probleme setzen Sie damit fort. Das allein ist Grund genug, warum wir Grünen dieser Regierungsvorlage heute nicht zustimmen werden. (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt: Bis jetzt hat sich leider noch niemand für die Qualifikationen von jenen Arbeitsmigranten interessiert, die jetzt schon in Österreich leben. Wer interessiert sich für die Qualifikationen von Familienangehörigen, wenn sie kommen? Wer interessiert sich für die teilweise sehr guten Qualifikationen von anerkannten Flüchtlingen, die nach vier Jahren, fünf Jahren Asylverfahren dann das Recht bekommen, hier zu bleiben?

Wissen Sie, was dann aus diesen Menschen wird?  Hauptsächlich taxifahrende Di­plomingenieure und -ingenieurinnen, taxifahrende Ärzte und Ärztinnen, weil ihre Quali­fikationen hier in diesem Land eben leider nicht genützt werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Rosenkranz.) Das sind nur zwei Beispiele, um aufzuzeigen, wie unausgegoren und weltfremd das Modell ist, das Sie vorgelegt haben.

Die Berufserfahrung in Österreich soll berücksichtigt werden. Das ist schön und gut. Es ist aber nicht schön und gut, dass die Berufserfahrung von gesuchten Fachkräften nur zur Hälfte berücksichtigt wird, verglichen mit der Berufserfahrung von besonders Quali­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 95

fizierten  denn Berufserfahrung in Österreich sollte zählen. Dazu kommt, dass selbst nach fünf Jahren Leute, die höchstqualifiziert sind, nicht die Sicherheit haben, dass sie hier bleiben dürfen  nach fünf Jahren Arbeit und Steuerzahlen in Österreich.

Zum Vergleich: Wenn so jemand nach Kanada einwandert, kann er schon nach drei Jahren die kanadische Staatsbürgerschaft beantragen. (Abg. Mag. Stefan: Genau ... !) Das ist also absolut kein System, mit dem Österreich konkurrieren kann, um gut qualifi­zierte oder höchstqualifizierte Arbeitskräfte anzuwerben. Das ist eigentlich ein Schein­modell, mit dem Sie einerseits signalisieren wollen: Ja, wir brauchen Arbeitskräfte, wir wollen sie holen; aber andererseits bauen Sie die Hürden so hoch, dass selbst Höchst­qualifizierte entweder nicht kommen werden, nicht kommen können werden oder nicht kommen werden wollen.

So einem weltfremden und naiven Arbeitskräfte-Einwanderungsmodell können wir lei­der nicht zustimmen. Ich kann dazu nur sagen: Die Richtung würde an sich richtig sein, aber die Ausführung ist leider alles andere als genügend. Nicht genügend, setzen! (Bei­fall bei den Grünen.)

13.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Schmuckenschlager zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.13.28

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, hoch qualifizierte Personen kommen bereits jetzt ins Land und werden es auch weiterhin tun, und auch Integration ist dort möglich, wo der Integrationswille da ist.

Das Ausländerbeschäftigungsgesetz schafft ein Ausländer-Landeshöchstzahlen-unab­hängiges Zulassungsverfahren, klare Regelungen für die Anrechnung von Ausländern auf die Bundeshöchstzahl und, entsprechend einem Vorschlag der Sozialpartner, ein neues System für die befristete Zulassung ausländischer Saisonniers. Diese Stamm­saisonnier-Regelung muss gewährleistet sein, damit auch jene Arbeitnehmer berück­sichtigt werden, die bereits jetzt mit der Liberalisierung der Oststaaten als Saisonniers tätig waren. Diese werden später aus den Saisonnier-Gesamtzahlen natürlich heraus­gerechnet werden müssen, wenn sie in andere Branchen abwandern.

Weiterhin ist diese Saisonnier-Regelung sehr wichtig, um durch die Aufrechterhaltung eines leistungsfähigen Saisonnier-Modells auch weiterhin Arbeitsspitzen in den einzel­nen Branchen abdecken zu können.

Die Ausländerbeschäftigung ist natürlich erst der erste Schritt für die Rot-Weiß-Rot-Card, sie setzt sich ja aus zwei Teilen zusammen. Der erste Teil ist die Niederlassung, der zweite Teil ist eben dieser Arbeitsmarktzugang. Da sind wir dabei, ein kriterienge­leitetes Zuwanderungssystem einzuführen.

Das Erste sind besonders Hochqualifizierte, die zweite Etage sozusagen sind qualifi­zierte Fachkräfte in Mangelberufen, dann kommen Schlüsselkräfte aus den Drittlän­dern. Da sind auch ausländische Studenten, die in Österreich studieren, enthalten. Das halte ich für sehr wichtig, denn gerade wenn wir diesen Mitbürgern ein bestimmtes Know-how beibringen, sollten wir auch den Nutzen davon in der Volkswirtschaft haben. Allen drei Kategorien ist eines gemeinsam, und das ist, als Kriterium in der Bewertung, die deutsche Sprache, denn Sprache ist schließlich der Schlüssel zur Integration.

Die Vorteile der Rot-Weiß-Rot-Card kurz angerissen: Die Steigerung der Attraktivität Österreichs für internationale Toparbeitnehmer, hier Arbeit zu leisten; ein flexibles Sys­tem, ausgerichtet auf den Arbeitsmarkt, sodass wir auf Bedürfnisse reagieren können; die Einbindung  wie schon erwähnt  der bei uns ausgebildeten ausländischen Stu­denten. Das alles führt zu einem Anstieg unserer Volkswirtschaft.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 96

Aber auch die in der vorigen Debatte erwähnten Bedenken zur Arbeitsmarktöffnung für die sogenannten EU-8, die bisher noch nicht dabei waren, möchte ich kurz erwähnen. Es ist ein Grundrecht aller EU-Bürger, mit dem Beitritt überall in der Europäischen Uni­on arbeiten zu können, und wenn eine Nation beitritt, so sind das auch die Rechte der Bürger. Doch das muss keine Einbahnstraße sein. Wir sollten Chancen nutzen und nicht Ängste schüren.

Eine Umfrage unter Jugendlichen hat kürzlich erst ergeben, dass 61 Prozent der Mei­nung sind, dass diese Öffnung der Märkte auch Chancen für Österreicher auf den Ar­beitsmärkten in den angrenzenden Ländern bietet. (Beifall des Abg. Hörl.) Sogar 50 Prozent können sich vorstellen, in diesen Ländern auch zu arbeiten. Ich glaube, das ist eine sehr schöne Darstellung, die zeigt, dass nicht alle der Angst verfallen.

Um einen stabilen Wirtschaftsstandort entwickeln zu können, braucht es auch ordentli­che Kapazitäten auf dem Arbeitsmarkt. Das neue Ausländerbeschäftigungsgesetz ist ein gutes Instrument, um den Arbeitsmarkt zu regeln, transparente Chancen für zuwan­derungswillige Arbeitnehmer zu schaffen und Integration über den Arbeitsplatz zu er­möglichen. Als ersten Teil der Rot-Weiß-Rot-Card können wir heute hier dieses Aus­länderbeschäftigungsgesetz beschließen. Der zweite Teil ist bereits fix terminisiert, und ich hoffe, wir können ihn hier auch bald beschließen. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

13.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Do­linschek zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

 


13.17.30

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Das heißt „Kevin allein zu Hause“, Herr Kollege. – Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Statt ein Beschäfti­gungspaket vorzulegen, das mit illegalem Aufenthalt und illegaler Zuwanderung Schluss macht und auf der anderen Seite bestens integrierte hier lebende Zuwanderer unterstützt, wird uns jetzt mit der Rot-Weiß-Rot-Card eine völlig unzureichende Rege­lung vorgelegt, die heute beschlossen werden soll und die auch die Schleusen für eine weitere Massenzuwanderung auf den österreichischen Arbeitsmarkt öffnet.

Das geschieht in Zeiten, in denen Österreich zirka 310 000 Arbeitslose hat, 60 000 be­finden sich in Schulungen. Diese Menschen haben jetzt mit einer neuen Konkurrenz aus dem Ausland zu rechnen. (Abg. Mag. Kogler: Was seid’s ihr für eine Wirtschafts­partei?)

Das neue Billigpunktesystem, bei dem Beschäftigungsaufenthalte in Österreich de fac­to zum Nulltarif angeboten werden, wird zu weiteren sozialen Spannungen und Proble­men auf dem Arbeitsmarkt führen, denn es ist zu erwarten, dass auch die höhere Zahl an Fachkräften in Mangelberufen als relativ günstige Arbeitskräfte auf dem Arbeits­markt – sei es jetzt durch die Arbeitskräfteüberlassung oder in anderen Bereichen – zu einem Lohndumping führen wird. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Mit dem müssen wir ganz einfach rechnen, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen und damit müssen Sie auch in Zukunft leben. Die bisherige Schlüsselarbeitskräfte-Rege­lung soll jetzt durch ein relativ kompliziertes und auch aufwendiges Zulassungsverfah­ren ersetzt werden. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen wäre es jedoch praxisge­recht, die geltende Schlüsselarbeitskräfte-Regelung beizubehalten und ergänzend eine Neuregelung für Fachkräfte in Mangelberufen vorzusehen. (Beifall beim BZÖ.)

So hätte ich mir das vorgestellt, Herr Bundesminister. Aber die Vorlage ist eben eine andere, und weil sie anders ist, werden wir ihr auch nicht zustimmen. (Beifall beim BZÖ.)

13.19



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 97

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesmi­nister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.20.01

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hunds­torfer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist, glaube ich, notwendig ... Ich weiß nicht, teilweise, glaube ich ... (Abg. Spindelberger: Im falschen Film!) – Ich will es nicht so salopp formulieren, denn dieses Hohe Haus gebietet mir allzu saloppe For­mulierung nicht. Seien Sie mir nicht böse, aber wer dieses System anprangert, mit dem wir regulieren – wobei einige, zum Beispiel Frau Abgeordnete Korun, sagen, dass ih­nen das alles viel zu eng ist –, wer sich hier hinstellt und sagt, wir würden damit Tür und Tor öffnen, der hat das nicht gelesen! (Rufe bei der FPÖ: O ja!)

Wer Derartiges behauptet, hat nicht gelesen, dass Schlüsselkräfte und Facharbeiter weiterhin gebunden sind – nämlich an eine Firma, die schreien muss, ich brauche ihn! –; und der hat nicht gelesen, dass das AMS weiterhin prüft und es entweder heißt: du darfst, oder: du darfst nicht. – Haben Sie das gelesen oder haben Sie das nicht ge­lesen, Herr Doktor Rosenkranz? (Abg. Dr. Rosenkranz: Ich habe sogar weitergele­sen!) Sie sind Rechtsanwalt! Sie sollten das doch wissen, bitte! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Rosenkranz: Lesen Sie weiter!)

Sich hier herzustellen und zu sagen, wir würden Tore öffnen ... (Abg. Mag. Stefan: Sie lassen ja Türln offen!) – Wir öffnen überhaupt keine Türln, sondern wir versuchen ein Regulativ weiterzuentwickeln, das wir bei der Fachkräfteverordnung entwickelt haben. Sich hier herzustellen und jedem, der aus diesen neuen EU-Mitgliedstaaten kommt – wir haben derzeit 72 000 Menschen aus den EU-10 (Abg. Mag. Stefan: Vorher waren es 62 000, jetzt sind es 10 000 mehr!) auf dem österreichischen Arbeitsmarkt –, zu un­terstellen, er schade unserem Sozialsystem, er schädige unser Sozialsystem – das muss doch irgendwann auch Ihnen selbst auf den Wecker gehen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben aus den EU-10 weniger Menschen in unserem Land auf dem Arbeitsmarkt als zum Beispiel aus der Bundesrepublik Deutschland. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jene­wein: Was hat das mit Deutschland zu tun?!) – Auch das sage ich als Botschaft. Ich weiß, Sie wollen es teilweise gar nicht mehr hören.

Als ich in meiner vorhergehenden Wortmeldung gesagt habe, dass sich Leute aus der Slowakei bei uns im Nordburgenland ansiedeln (Abg. Mag. Stefan: Weil sie bei uns die Mindestsicherung haben!), ist der zweite Teil meiner Ausführungen im Tumult unterge­gangen, nämlich: Die fahren zum täglichen Arbeiten wieder zurück nach Bratislava. So ist auch der Wohnort attraktiv, die Sozialabgaben fallen dort an, und wir haben keine Aushöhlung unseres Sozialsystems! (Abg. Mag. Stefan: Denen geht’s um die Sozial­leistungen!)

Unterstellen Sie doch nicht allen Menschen, die in dieses Land kommen, automatisch: Du willst den Sozialstaat schädigen. (Abg. Mag. Stefan: Der pendelt ja zum Arzt!) – Nehmen Sie zur Kenntnis: Um hierher zu kommen, haben diese Leute ein sehr stren­ges Regulativ zu erfüllen – und wenn sie dieses strenge Regulativ erfüllen, dann sollen sie auch Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt haben! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.23


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Spindelberger zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.23.05

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Weil ich vor mir die Frau Abgeordnete Belakowitsch-Jenewein sehe, möchte ich mit ihren Worten beginnen. Sie haben ge­sagt, das eine oder andere geht Ihnen auf den Wecker. Wissen Sie, was mir heute auf


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 98

den Wecker geht? – Die Ausführungen der Abgeordneten von BZÖ und FPÖ hier. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stefan: Ist ein gutes Zeichen!) Denn wenn Sie for­dern, dass Österreich bei der Europäischen Union um eine Verlängerung der Über­gangsfristen ansucht, dann finde ich das einfach perfid – weil Sie ganz genau wissen, dass diese siebenjährige Übergangsfrist Ende April 2011 ausläuft und rechtlich gar kei­ne Verlängerung möglich ist. (Rufe bei der FPÖ: Oh ja!)

Was mir auf den Wecker geht – ich kann ja anders reden als der Herr Minister –, ist der Umstand, dass mit den von euch eingebrachten Anträgen wieder grundlos Ängste ge­schürt werden. Sie schreiben dort nämlich wieder hinein, die Arbeitnehmer-Interessen­vertretungen würden vor einer ernsthaften Störung des österreichischen Arbeitsmarkts warnen, und Hunderttausende Menschen in Österreich würden Gefahr laufen, in die Armut abzugleiten. – Das ist schlichtweg erlogen!

Richtig ist – das ist von meinen Vorrednern mehrmals gesagt worden –: ÖGB und Ar­beiterkammer sind stets dafür eingetreten, die sieben Jahre zur Gänze auszunutzen (Abg. Dolinschek: Vernünftig!), um eben einen Spielraum zur Gestaltung des Arbeits­marktes zu haben. Und es ist auch einiges weitergegangen in den letzten Jahren – un­ter anderem auch mit dem heutigen Beschluss zu Lohn- und Sozialdumping.

Ich weiß, dass das Thema Übergangsfristen beziehungsweise Öffnung des Arbeits­marktes ein sehr emotionales ist. Aber ich halte überhaupt nichts davon, Lügen zu ver­breiten und die österreichische Bevölkerung damit unnötig in Ängste zu versetzen, Pa­nik zu verbreiten. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Wer verbreitet Lügen?!) – Denn Sie tun nichts anderes. Sie sagen, wir werden jetzt eine Flut an ausländischen Arbeit­nehmern bekommen, die werden den österreichischen Arbeitsmarkt einfach überren­nen. Viel sinnvoller wäre es, diese Thematik ein bisschen sachlicher anzugehen und aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Durch die ideologische Brille!)

Aber wenn ich schon von Seriosität rede – davon ist die Politik der FPÖ sowieso sehr, sehr weit entfernt. Ihr sagt immer nur: Achtung, Ausländer überrennen Österreich! Ihr sagt aber nie dazu, dass 470 000 Österreicherinnen und Österreicher in der EU – und die Mehrheit davon in der westlichen – beschäftigt sind. (Abg. Mag. Stefan: Jetzt sind es um 70 000 mehr, die Zahlen schwanken ja!)

Wenn Sie wieder einmal bewusst Äpfel mit Birnen vermischen, indem Sie einer allein­erziehenden, teilzeitbeschäftigten Österreicherin, die als zahnärztliche Assistentin be­schäftigt ist und dem Herrn Dr. Karlsböck so sehr leidtut, Familienleistungen einer Aus­länderin gegenüberstellen, dann ist das wie Ihre gesamte Politik: ganz einfach fies! (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Zur Untermauerung meiner Worte darf ich Herrn Dr. Rosenkranz mitteilen, dass die Österreicherinnen und Österreicher 89 Prozent aller Beiträge in das Sozialversiche­rungssystem einzahlen, aber 94 Prozent aller Leistungen beanspruchen. Bei den Aus­ländern ist es nämlich genau umgekehrt: Sie zahlen 10,7 Prozent in den Sozialversi­cherungstopf ein und nehmen aber nur 6,2 Prozent heraus! (Abg. Mag. Stefan: Da geht’s um die Dienstnehmer, nicht um die Ausländer!) Also hören Sie endlich auf, für alles und jedes immer nur die Ausländer schuldig zu machen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

13.26


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt gelangt Herr Abgeordneter Klikovits zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.26.41

Abgeordneter Oswald Klikovits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir ha­ben schon beim vorhergehenden Gesetzesbeschluss, den wir ja jetzt Gott sei Dank ge­


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fasst haben, darüber diskutiert, was unter Umständen passieren kann, wenn am 1. Mai der Arbeitsmarkt geöffnet wird. Im Gegensatz zu zwei Parteien hier im Parlament bin ich nicht der Auffassung, dass uns jetzt Horden von Arbeitnehmern aus dem Osten überlaufen werden.

Die, die zu uns kommen wollten, haben das schon in den vergangenen sieben Jahren getan. Als Burgenländer weiß ich das – und weiß das auch zu schätzen, weil sie mit­geholfen haben, bei uns im Burgenland Wachstum und Beschäftigung zu schaffen. Wir haben heute mit 96 000 Beschäftigten die höchste Beschäftigungszahl in der Ge­schichte unseres Landes. Dazu haben auch diese Arbeitnehmer ihren Beitrag geleistet.

Meine Damen und Herren von FPÖ und BZÖ! Mit dem nun vorliegenden Gesetzent­wurf für eine Rot-Weiß-Rot-Card machen wir nichts anderes, als dass wir dort, wo Mangel an Kräften vorhanden ist, wo hoch qualifizierte Kräfte benötigt werden, die Spielregeln so gestalten, dass der österreichische Arbeitsmarkt zum einen nicht be­schädigt wird – beziehungsweise dass es nicht noch mehr Anspannungen im Zusam­menhang mit der Arbeitslosigkeit gibt – und dass zum anderen auch die humanitäre Frage für die Angehörigen mit geregelt ist.

Alles, was meine Vorredner, die für diese Gesetzesbestimmung sind, gesagt haben, kann ich nur unterstreichen und mit unterstützen. Es gibt viele Vorteile, die mit dieser Rot-Weiß-Rot-Card in Zusammenhang stehen, und es ist, wie gesagt, nicht zu befürch­ten, dass jetzt wieder zusätzliche Spannung entsteht.

Ich würde Sie dringendst ersuchen, sich mit diesen Themen, wie wir es getan haben, fachlich auseinanderzusetzen – und nicht wieder auf billige Polemik zu setzen. Denn Polemik bringt nichts: weder den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die zu uns kommen wollen und die wir brauchen, noch bringt sie etwas in Zusammenhang mit der Diskussion um die Öffnung des Arbeitsmarktes für EU-Bürger hier bei uns in Öster­reich.

Ich würde Sie, wie gesagt, abschließend nochmals dringend ersuchen, dieser Vorlage zuzustimmen. Wenn Sie sich selbst ernst nehmen und wollen, dass, wie Sie immer verlangen, ein geordneter Zuzug möglich ist, dann haben Sie jetzt die Möglichkeit, den Beweis dafür anzutreten, dass Sie das ernst meinen – beziehungsweise sich selbst ernst nehmen. Allerdings: So wie wir Sie bei dieser Frage nicht ernst nehmen können, werden Sie es, nehme ich an, auch selbst nicht tun. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Die Wähler nehmen Sie nicht ernst!)

13.29

13.30.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsge­setz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1077 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


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Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1093 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

13.31.114. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Sozialbe­richt 2009/2010 des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumenten­schutz (III-194/1089 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.31.43

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Der Herr Bundesminister verhandelt wieder mit den Grünen, ob sie vielleicht wieder einem Ge­setz, dem sie im Ausschuss nicht zugestimmt haben, zustimmen könnten.

Auf der Tagesordnung steht jetzt der Sozialbericht. Dieser Sozialbericht ist alles ande­re als sehr rühmlich für Österreich und die ÖsterreicherInnen. Da wird eine Selbstlob­hudelei losgelassen, dass man sich nur wundern kann.

Der Herr Bundesminister sagt immer, wir wären Europameister, was unsere Arbeitslo­senzahlen anlangt. Ich würde davon abraten, uns in dieser Hinsicht als Europameister zu bezeichnen. Wir haben eine enorm hohe Arbeitslosigkeit gehabt, dass sie nach der Krise etwas zurückgegangen ist, ist ja sehr löblich. Und nun sagt der Herr Bundesmi­nister, wir hätten jetzt so viele arbeitende Menschen wie noch nie zuvor.

Ich habe Sie schon zitiert. Ich glaube, um 11.18 Uhr haben Sie heute wieder gesagt, wie viele Leute zur Stunde arbeiten. Das ändert sich ja wirklich stündlich, drei Stunden später waren es nämlich um 3 000 mehr! Tatsache ist aber – und das sollten Sie bei Ihrem Selbstlob nicht vergessen –, dass wir einerseits sehr viele atypische Arbeitsver­hältnisse haben, wir haben Working Poor und McJobs; überall da werden die Leute „hi­neingestopft“, und das ist nicht unbedingt etwas, worauf wir besonders stolz sein kön­nen!

Andererseits haben wir im Jahresvergleich 2009/2010 gesehen, dass es insgesamt zirka 21 000 Personen mehr gibt, die im Arbeitsprozess sind – davon sind aber 20 000 Ausländer, die jetzt vermehrt im Arbeitsprozess sind. Das heißt, die Österrei­cherinnen und Österreicher, die arbeitslos sind, sind auch weiterhin arbeitslos. Sie soll­ten sich daher etwas weniger darauf einbilden.

In diesem Sozialbericht wird die Erhöhung des Pflegegeldes aus dem Jahr 2009 ge­lobt. Herr Bundesminister, es wäre besser gewesen, Sie hätten diesen Passus gleich draußen gelassen, das ist nämlich eine Veräppelung all jener Personen, die jetzt im Jahr 2011 einen erschwerten Zugang zum Pflegegeld haben, die keinerlei Chancen mehr haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben im Ausschuss gesagt: Das ist alles nicht wahr, was Sie da erzählen, nie­mand wird jetzt weniger Pflegegeld haben! – Na selbstverständlich! Wenn die Zu­gangskriterien, um die Pflegestufe 1 zu bekommen, erschwert sind, sind sie ebenso er­schwert, um eine höhere Pflegegeldstufe zu bekommen. Da haben Sie wirklich bei den Ärmsten der Armen eingespart! Da bleiben jetzt Leute draußen, bei denen haben Sie Millionen eingespart!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 101

Oder, was auch in diesem Sozialbericht vorkommt: Die Familien werden ausgehungert. Sie haben im Zuge der Budgetverhandlungen weiterhin Familienbeihilfen gekürzt. Da haben Sie bei den Familien weiter eingespart!

Alles in allem zeigt dieser Sozialbericht: Es geht in die falsche Richtung. Die Sozialleis­tungen werden für jene Menschen, die sie brauchen, vermindert und verringert. Statt­dessen wollen Sie lieber die Grenzen öffnen – das ist Ihr Anliegen. Sie opfern sozusa­gen die Interessen der Menschen in Österreich, der Arbeitnehmer in Österreich Ihrer Ideologie. Sie holen lieber irgendwelche Leute, Billigstarbeitskräfte ins Land, das ist Ih­nen wichtiger, da geht die Ideologie dem Arbeitnehmerschutz vor. Und das ist eigent­lich sehr schädlich, Herr Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ.)

13.34


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Csörgits zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.34.49

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Eingangs möchte ich mich bei all jenen Damen und Herren, die im Ressort dafür verantwortlich waren, dass dieser umfangreiche Sozialbericht zustan­de gekommen ist, bedanken. Er ist eine gute Unterlage – um nachzuschauen, aber auch, um in diesem Land gute Sozialpolitik zu betreiben. Herzlichen Dank dafür! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Nur ganz kurz eingehend auf die Ausführungen meiner Vorrednerin: Irgendwie habe ich den Eindruck, dass wir von unterschiedlichen Ländern sprechen. Denn ich denke – es ist heute in der Diskussion schon erwähnt worden –, dass diese Bundesregierung sehr wohl sofort reagiert und Maßnahmen gesetzt hat in Zusammenhang mit der Be­kämpfung der Arbeitslosigkeit, um negative Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt eben zu verhindern. Und diese Maßnahmen, die gesetzt worden sind, ha­ben gegriffen, meine Damen und Herren!

Wir können sehr stolz darauf sein, dass wir seit mehr als zwölf Monaten eine rückläufi­ge Arbeitslosenrate in diesem Land haben. Selbstverständlich ist jede und jeder Ar­beitslose eine beziehungsweise einer zu viel, aber diese Bundesregierung hat Maß­nahmen gesetzt!

Eines möchte ich Ihnen auch nicht ersparen, Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein: Die höchste Arbeitslosigkeit in diesem Land hatten wir, als Sie in der Regierung waren, als Sie Verantwortung getragen haben! Damals wurde nämlich nichts gemacht! Damals wurden die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ganz einfach ausgebeutet. (Abg. Ur­sula Haubner: Geh, geh, geh! – Abg. Riepl: Genau so war’s!)

Es wurden keine Maßnahmen für eine sinnvolle, gute Arbeitsmarktpolitik vonseiten Ih­res damals zuständigen Ministers beziehungsweise der Ministerin gemacht. Jetzt, mit dieser Bundesregierung, haben wir, meine ich, gezeigt, dass es auch anders geht und dass Maßnahmen notwendig sind, um die negativen Auswirkungen der Wirtschaftskri­se in diesem Land sinnvoll und nachhaltig zu beseitigen.

Lassen Sie mich noch zwei Bemerkungen im Zusammenhang mit der Frauenerwerbs­tätigkeit sagen. Ganz wichtig und entscheidend ist – und das kommt auch sehr gut im Sozialbericht vor –, dass im AMS 50 Prozent der Mittel für Maßnahmen speziell für Ar­beitnehmerinnen, also für Frauen verwendet werden: für Qualifizierungsmaßnahmen, für Wiedereinstiegsmaßnahmen sowie für die Motivation, auch in andere, sogenannte nicht typische Frauenberufe einzusteigen.

Das halte ich für eine ganz, ganz wichtige Maßnahme, insbesondere im Zusammen­hang mit unserem gemeinsamen Ziel, die noch immer vorhandenen Einkommensunter­


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schiede zwischen Männern und Frauen zu bekämpfen. Das ist ein guter, wichtiger Schritt und ist ergänzend zu den Maßnahmen, die die Frauenministerin gesetzt hat – Stichwort: Offenlegung der Einkommen –, eine weitere gute und wichtige Maßnahme.

Auf den Punkt gebracht: Der Sozialbericht zeigt, dass die Maßnahmen der Bundesre­gierung im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gut und richtig wa­ren, und ich denke, diese Politik wird fortgesetzt werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.38


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Öl­linger zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.38.23

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Sozialbericht innerhalb so kurzer Zeit zu diskutieren, ist etwas schwierig; aber ich kann versuchen, den Fokus auf einen Punkt zu richten, der mir in den letzten Tagen noch wichtiger geworden ist als im Ausschuss selbst: das Pensionsproblem.

Herr Bundesminister! Wir waren und sind nach wie vor diejenigen, die, glaube ich, von allen Parteien am entschiedensten für ein öffentliches und solidarisches Pensionssys­tem eintreten und in einer privaten Pensionsversicherung keine Perspektive sehen – auch nicht als Zusatz oder Ergänzung, um das ganz klar zu sagen.

Jeder von Ihnen, der eine Pensionskassenversorgung hat, weiß, was es bedeutet, auf die Dienste einer Pensionskasse angewiesen zu sein – so viel als Vorbemerkung.

Wenn aber in der Debatte um die Zukunft unseres ohnehin schon sehr, sehr durchlö­cherten Pensionssystems die Performance geliefert wird – mir ist klar, dass nicht Sie dafür verantwortlich sind –, wie sie in den letzten Tagen beziehungsweise im letzten Jahr geliefert wurde, dann fange ich an zu zweifeln, ob die, die sich da als die Prota­gonisten, als Vertreter der Pensionisteninteressen hinstellen, auch wirklich daran inter­essiert sind, dieses Pensionssystem zu erhalten.

Man muss sich das vergegenwärtigen: Im Vorjahr wurde – wie ich meine, zu Recht – von den beiden Vertretern der Pensionistenverbände gesagt, dass die vorliegende Pensionsprognose zu negativ und pessimistisch ist. Sie lassen sozusagen den ganzen Packen Papier fallen und sagen, dass das das Papier nicht wert ist – weg damit.

Wir haben gesagt: Okay, wir glauben auch, dass da manches fehlt. Man muss das mit mehreren Varianten rechnen. Es gibt die optimistische und die pessimistische Sicht der Dinge, unterschiedliche andere Varianten gehören auch noch dazu. Dann wurde eine gerechnet – ich mache den Leiter der Pensionsreformkommission nicht dafür verant­wortlich –, und in diesem Fall sagte dann Herr Khol, dass diese zu optimistisch ist. – Was will er denn? Das frage ich wirklich. So geht es nicht, dass Zurufe, die von tat­sächlich verantwortlichen Personen im System kommen – und teilweise sind die Zurufe berechtigt –, den Effekt bedingen, dass jeder sagen muss, dass er sich überhaupt nicht mehr auskennt und schön langsam auch glaubt, dass es nicht mehr reicht. (Abg. Do­linschek: So sind sie eben, die Sozialpartner!)

Wir hätten das größte Interesse daran, ein öffentliches und solidarisches Pensionssys­tem vor allem für die Jungen zu erhalten. Sie glauben schon längst nicht mehr daran, dass sie jemals eine Pension erhalten werden. Da braucht es nicht solche Debatten, wie sie in den letzten Tagen oder Wochen geliefert wurden. Das war Punkt eins.

Punkt zwei – ich führe das nur kurz an, ausführlicher wird meine Kollegin Birgit Schatz dazu Stellung nehmen –: Das Deprimierende ist die Entwicklung bei den Löhnen und Einkommen – das ist kein Vorwurf an den Sozialbericht, sondern an die tatsächliche


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Entwicklung. Da müssen sich auch bestimmte Protagonisten an der Nase nehmen – die Wirtschaft, aber auch die Arbeitnehmerseite. Wir haben über eine lange Periode in den unteren vier Quintilen – so heißt das, also in den unteren 80 Prozent – eine negati­ve Entwicklung. Das muss man sich vorstellen: mehr als zehn, zwanzig Jahre hindurch negative Lohnentwicklung! Nur die oberen 20 Prozent der Löhne und Einkommen wachsen an. Das ist dramatisch und sollte uns jenseits dieser eigenartigen Debatten mit den Freiheitlichen, die ja genau wissen, was los ist, einmal zu einer seriösen De­batte bringen.

Ich wiederhole nur: Unser Vorschlag ist der Mindestlohn, Mindestlöhne vorzusehen. Wenn Sie sagen, dass das über Generalkollektivvertrag leichter erreichbar ist, dann wäre uns das recht, nur: Sie erreichen den Generalkollektivvertrag nicht! (Abg. Dolin­schek: Da hast du recht!) Darum sagen wir: gesetzlicher Mindestlohn.

Das Zweite, das wir sagen, ist: Es braucht eine Grundsicherung oder meinetwegen Mindestsicherung, die diesen Namen verdient. Das haben wir auch nicht!

Das sind Bausteine, mit denen wir das System nach unten hin einigermaßen dicht ma­chen könnten und müssten. Das wären unsere Vorschläge zum Sozialbericht, und ich hoffe, dass wir zumindest im Sozialausschuss noch öfter Gelegenheit haben werden, sie zu diskutieren. Dasselbe gilt für die Pensionen. (Beifall bei den Grünen.)

13.43


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Donabauer. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.43.41

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Erstellung des Sozialberichtes hat sicherlich enorm viel Arbeit gekostet. Eine Anerkennung all jenen, die sich damit beschäftigt ha­ben.

Uns liegt ein Bericht vor, über den wir nicht jubeln müssen, der aber herzeigbar ist. Deshalb verstehe ich gewisse Ausrichtungen nicht. Es bedarf schon einer großen Por­tion Kühnheit, um das, was wir selbst gemeinsam erarbeitet haben, das so vielen Men­schen hilft und guttut, immer wieder unsachlich zu kritisieren und durch kleine Ele­mente, die natürlich da oder dort nachbesserungsfähig sind, als fehlerhaft und unsozial hinzustellen.

Wer Sozialpolitik machen will, der braucht ein Höchstmaß an Sachlichkeit – das ist kei­ne leichte Thematik –, er braucht aber ein noch höheres Maß an Sensibilität, denn es geht bei allen Entscheidungen um Fragen, die die Menschen in irgendeiner Weise be­rühren. Heute wurde gesagt, dass wir in den nächsten Tagen hören werden, dass wir die höchste Beschäftigungsrate in der Zweiten Republik haben. Ich denke, das ist eine Leistung, die wir alle erbracht haben, da ist keine Gruppe ausgenommen. Ganz wichtig ist, dass wir diese Sozialleistungen auch umfassend finanzieren und nachhaltig sichern können. Alle, die sich hierbei bemüht haben, werden mit ihrer Erfahrung weiterarbeiten. Es geht nicht nur darum, einmal etwas herzuzeigen, sondern auch darum, dass wir das, was wir haben, auch in Zukunft erhalten. Es ist keine Frage, dass wir die Wirt­schaftskrise gut bewältigt haben.

Nun zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Öllinger: Ich kann ihm in weiten Teilen beipflichten, was das Pensionssystem anlangt. Wir haben heute ein eigentlich sehr frühes Zugangsalter von 58,2 Jahren – das ist aus dem Bericht herauszulesen. Nun gönne ich es jedem, der dort mehr oder weniger „einwandern“ kann. Wir müssen aber wissen, dass wir doch auch eine andere Sicht der Dinge haben sollten. Wir haben eine längere Ausbildungszeit, und die braucht die Jugend heute. Wir haben eine etwas ver­


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kürzte Erwerbszeit und aufgrund der höheren Lebenserwartung eine beachtliche Ver­sorgungszeit. Gerade diese drei Faktoren in entsprechender Abstimmung zu halten ist nicht leicht.

Deshalb meine ich, dass die Erwerbszeit bei allen Berufen etwas erweitert werden könnte. Da macht es gar keinen Sinn, wenn der eine anfängt und auf den anderen zeigt. Wir sollten während des Arbeitsprozesses, in der Arbeitswelt die Aus- und Wei­terbildung forcieren. Ich erlebe sehr oft, dass Menschen kommen und sagen: Wissen Sie, ich komme mit den Modernisierungsprozessen nicht mehr mit, ich bin froh, wenn ich wegkomme, und mein einziger Weg ist die Pension! – Das kann es nicht sein! Da gibt es ganz gute Ansätze, und ich glaube, dass wir auf diesem Gebiet weiterarbeiten müssen.

Bezüglich der Beiträge: In der Pensionsversicherung gibt es auch immer wieder un­terschiedliche Debatten. Gerade mein Berufsstand wird immer wieder so dargestellt, als würde er zu wenig leisten. Ich möchte hier in aller Deutlichkeit sagen, dass nie­mand von uns die Absicht hat, weniger zu geben, als er zu geben hat. Aber es kann unserem Berufsstand nicht zugemutet werden, dass der Strukturwandel, den wir nicht bestellt haben und den wir auch nicht abstellen können, ausnahmslos von der Gruppe selbst finanziert wird. (Abg. Dolinschek: Pensionsversicherungsanstalt und fertig!) Wer das System kennt, weiß, dass es im ASVG Dienstgeber- und Dienstnehmerbei­träge gibt. Wer auch das Bauern-Sozialversicherungsgesetz kennt, muss wissen, dass es weitere Elemente gibt, die in der Summe genauso die 22,8 Prozent nicht nur pro forma, sondern auch rechnerisch belegen. Ich würde darum bitte, dass wir gerade in Anbetracht der Anhebung in den letzten Jahren, der wir zugestimmt haben, das auch in entsprechender Weise berücksichtigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Pflegegeld: Ich denke, wir haben uns nichts vorzuwerfen. Wir haben aber nachzu­denken: Wir haben in unserem Land eine Quote von 5,2 Prozent – das habe ich den letzten Berichten entnommen. Sie werden kein Land mit einer solch hohen Quote fin­den. Sie werden kein Land mit siebenstufigen Zuerkennungskriterien finden. Wir ha­ben eine wirklich herzeigbare gute, manchmal sehr gute – wenn ich es einmal vor­sichtig sage – Versorgung. Ich halte es für absolut vertretbar, dass wir die Vorausset­zungen für den Zugang zu den Stufen 1 und 2 um zehn Stunden angehoben haben. Das braucht man nicht als Sozialdumping oder Sozialhärte darzustellen. (Abg. Dr. Be­lakowitsch-Jenewein: Nein!)  Nein. Ich glaube, dass wir in Zukunft vielmehr schauen müssen, wo die Pflege stattfindet. Müssen wir sie in Heimen oder können wir sie in den Häusern machen? Aber dann müssen wir auch schauen, dass die mobilen Dienste ent­sprechend ausgebaut werden.

Herr Minister, ich begrüße die Einigung bezüglich des Pflegegeldes, des Pflegefonds, die Sie mit dem Herrn Vizekanzler und den Landeshauptleuten vorige Woche getroffen haben, außerordentlich. Ich denke, das ist eine ganz mutige, gute und klare Entschei­dung für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

13.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Haubner. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.49.36

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Der vorliegende Sozialbericht ist bei aller Kritik bezüglich Maßnahmen, die in den letzten Jahren nicht gesetzt wurden, generell ein gutes Nachschlagewerk für die politische Arbeit. Das sind Fakten und Daten, und ich glaube, dass jeder Vertreter, jede Vertreterin einer Partei für sich daraus ableiten kann, wo besonderer Handlungsbedarf besteht und wo Maßnahmen gesetzt werden sollten.


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Ich halte nicht viel davon, wenn Ankündigungen enthalten sind, die bislang nicht umge­setzt wurden. Ich denke zum Beispiel an das Freiwilligengesetz, das es schon längst geben sollte. Meines Wissens werden Anträge der Opposition, die in diese Richtung gehen, weiter vertagt.

Im Arbeitsmarktbereich, der heute schon sehr oft angesprochen wurde, gibt es perma­nent Handlungsbedarf. Man darf sich nicht darauf ausruhen, dass man von der nied­rigsten Arbeitslosenquote und – wie Sie heute, Herr Bundesminister – vom höchsten Beschäftigungsstand spricht. Das ist positiv, das ist zu begrüßen, aber Sie müssen na­türlich auch dazusagen, dass es etwa 350 000 Österreicherinnen und Österreicher gibt, die trotz Vollzeitarbeit nicht von dieser Arbeit leben können und arm sind. Das sind ins­besondere auch Frauen.

AK-Chef Tumpel hat nicht ohne Grund gesagt: Die Situation der Frauen auf dem Ar­beitsmarkt hat sich trotz begrüßenswerter Beschäftigungsquote nicht wesentlich ver­bessert. – Wenn ich daran denke, dass 50 Prozent des AMS-Budgets für Qualifizie­rungsmaßnahmen für Frauen verwendet werden, dann ist irgendwo der Wurm drinnen, denn der Output ist eigentlich ein viel zu geringer.

Daher unsere Forderung – ein Vorredner hat es auch schon gesagt, und wir vom BZÖ sind auch auf dieser Linie –: Ein gesetzlicher Mindestlohn in der Höhe von 1 300 € brutto wäre zum Beispiel absolut notwendig.

Was mir auch wichtig erscheint, sind die älteren Arbeitnehmer. Da meine ich jetzt nicht die 58-Jährigen, sondern schon jene ab 45, die in Umfragen immer wieder sagen: Wir haben weniger Chancen, einen neuen Arbeitsplatz zu bekommen. Ich denke, in die­sem Bereich ist absoluter Handlungsbedarf gegeben.

Leider Gottes hat sich in den letzten Jahren auch nichts verändert, was die Armuts­quote anlangt. Nach wie vor sind Kinder, Jugendliche, Mehrkinderfamilien, Einelternfa­milien betroffen. Besonders sind auch, das geht aus diesem Bericht auch hervor, ältere Frauen davon betroffen. Es ist schon sehr bedeutend, dass 12 bis 13 Prozent der Men­schen armutsgefährdet sind. Sie sind also sehr stark von Armut bedroht. Ohne Sozial­transfers wären es 24 Prozent. Wir sehen also, dass diese Transferleistungen, die von der öffentlichen Hand gegeben werden, absolut notwendig sind, sonst würde diese Quo­te noch steigen.

Meine Damen und Herren von der Regierung, was tun Sie? – Sie haben Familienleis­tungen reduziert und gestrichen. Sie haben den Zugang zum Pflegegeld erschwert. Sie zahlen sozusagen lieber Milliarden an Pleitestaaten oder für den EU-Rettungsschirm.

Ich denke, dass die Mindestsicherung, die als ein Mittel zur Armutsbekämpfung ange­führt ist, sicher nicht ausreichen wird. Man hat auch noch gar keine Erfahrungen, weil sie noch nicht einmal in allen Bundesländern eingeführt wurde. Diese Mindestsiche­rung, wie sie jetzt ist, bringt zu wenig Anreize, um auch zu arbeiten.

Dem Bereich der Pflege fehlt eigentlich nach wie vor das Gesamtkonzept. Herr Bun­desminister, Sie haben jetzt 685 Millionen € als Entlastungspaket verhandelt. Sie inse­rieren großflächig in den Zeitungen und schreiben: „Die Pflege ist gesichert.“ – Ich fin­de, das ist eine absolute Täuschung der Bevölkerung! Es ist ein Entlastungspaket für Gemeinden, weil bei diesen die Sozialkosten explodieren. Ich weiß das, weil ich selbst Gemeinderätin bin. Diese Kosten steigen jährlich an, und die Gemeinden können das einfach nicht mehr schaffen. Aber man beginnt eine entsprechende Reform nicht an der Wurzel.

Die Pflege ist bis 2014 gesichert, bis zu den nächsten Wahlen beziehungsweise nach den nächsten Wahlen, und dann geht es wieder weiter.

Das ist also eine vorübergehende Entlastung. Davon wird natürlich in erster Linie die stationäre Pflege profitieren. Das ist ganz klar, denn das sind die Sozialkosten, die die


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Allgemeinheit trägt. Ich frage mich aber: Wie profitieren die pflegenden Angehörigen zu Hause, jene, die Ältere und Gebrechliche pflegen? Immerhin werden 85 Prozent der 430 000 Pflegegeldbezieher von Angehörigen gepflegt. Ich bin wirklich gespannt, was aus diesem Paket von 685 Millionen € bis 2014 gemacht wird. Wird es Entlastungen für pflegende Angehörige bei der Tagesbetreuung geben? Wird für private Ersatzpflege vorgesorgt werden? Das ist mindestens genauso notwendig wie die rasche Entwick­lung eines Gesamtkonzepts, das auch über 2014 hinausgeht.

Ein dritter Bereich noch zum Schluss: Der Bereich der Pensionen ist heute schon an­gesprochen worden. 2,2 Millionen Menschen in Österreich beziehen derzeit Pensio­nen. Da zeigt sich auch die steigende Lebenserwartung der österreichischen Bevölke­rung. Das zeigt sich auch in einem steigenden Bundesbeitrag. Aber es ist bis heute nicht möglich, ein klares Bild für die nächsten Jahre oder die Entwicklung dieses Bildes zu sehen.

Ich muss schon sagen, dass mich diese Pensionskommission maßlos enttäuscht. Da sitzen Sozialpartner, Interessenvertreter – Lobbyisten im wahrsten Sinne des Wortes, natürlich für die Senioren und Seniorinnen – und natürlich Parteienvertreter drinnen, und seit September 2010 versucht man, eine gemeinsame Prognose, einen Vorschlag für die nächsten Jahre zu erarbeiten. Das funktioniert nicht. Es wird immer wieder ver­schoben. Also das ist wirklich mehr als peinlich.

Es ist für mich persönlich auch ein Armutszeugnis, dass man in dieser Kommission wieder den Pensionistenpreisindex diskutiert, nämlich ob man die Pensionen nach dem Pensionistenpreisindex oder nach dem normalen VPI anpassen soll, dass man disku­tiert, ob wir das Frauenpensionsalter anheben wollen, gleichzeitig aber in dieser Pen­sionskommission nichts macht, damit der öffentliche Dienst hineingenommen wird, da­mit es zu einer Harmonisierung von Länder- und Gemeindepensionen kommt. Man schafft sogar wieder neue Privilegien. Die Diskussion ist, ob man nicht für die Bürger­meister eine Lösung finden sollte, damit sie, wenn sie schon im Ruhestand sind, als ASVGler dazuverdienen können. Das kann es nicht sein! (Beifall beim BZÖ.)

Daher brauchen wir eine rasche Gesamtreform bei der Pension – eine Reform, die nicht zu Lasten der nächsten Generation geht, die dauerhaft tragfähig ist und den Leu­ten nicht wieder etwas verspricht, das man nicht halten kann.

Wir vom BZÖ haben ein klares Modell. Es würde jetzt zu weit führen, auf dieses klare Modell einzugehen, aber das wäre ein Weg in die richtige Richtung.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, belassen Sie es daher gerade bei der Pflege und den Pensionen nicht nur bei Ankündigungen! Wir werden Sie an Ihren Taten messen. In diesen Bereichen und in vielen anderen gibt es genug zu tun. (Beifall beim BZÖ.)

13.58


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Riepl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.58.20

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Sozialbericht, den wir jetzt diskutieren, zeigt auf 260 Seiten eine sehr umfangreiche sozialpolitische Gesamtanalyse unserer Situation und unserer Gesellschaft. Er zeigt auch, wo wir in der Sozialpolitik stehen und dass wir in verschiedensten Bereichen Handlungsbedarf haben. Das darf nicht verschwiegen werden, und darauf ist ja schon von Vorrednerinnen und Vorrednern hingewiesen wor­den.

Die Sozialausgaben betrugen in Österreich im Jahr 2008 80 Milliarden €, 2009 84,5 Milliarden € – also in einem Jahr um 4,5 Milliarden mehr Ausgaben für soziale


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Leistungen in unserem Land. Das sind 30,8 Prozent, also fast ein Drittel unserer ge­samten wirtschaftlichen Wertschöpfung. Wenn man diese Ausgaben mit anderen Län­dern vergleicht, haben wir einen guten Zweier, würde ich sagen. Wir liegen sehr gut – das „sehr“ setze ich in Klammern. Wir liegen also gut im internationalen Vergleich, aber wir haben auch – ich habe es schon gesagt – Handlungsbedarf. Insbesondere im Bereich des Armutspotenzials und der Armutsgefährdung ist es sicher notwendig, wei­terhin Aktivitäten zu setzen und aktiv gegenzusteuern.

Das Zauberwort bei der Armutsgefährdung und bei der Armutsdebatte ist ganz sicher das Thema Bildung; Zauberwort Bildung, würde ich sagen. Jeder Euro, der in die Bil­dung investiert wird – und dazu bekennen wir uns als sozialdemokratische Fraktion hier im Haus –, hilft, später im Bereich der Arbeitslosigkeit, im Bereich der Sozialunter­stützungen und bei vielem mehr Euro zu vermeiden. Daher ein ganz klares Ja zu mehr Ausgaben und zu einer besseren Bildung.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch den Arbeitsinspektoren und Arbeitsinspekto­rinnen in unserem Land besonderen Dank aussprechen. 62 271 überprüfte Arbeitsstät­ten in einem Jahr und 68 000 Übertretungen, die festgestellt wurden, zeigen, dass es wichtig ist, auch im Bereich des Arbeitsumfeldes und im Bereich der Arbeitswelt zu prüfen, zu beraten und notfalls auch zu strafen. Es ist eine wichtige Tätigkeit, und sie trägt dazu bei, dass Arbeit in keinem Fall krank machen soll. Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz darf in unserem Land meiner Meinung nach niemals ein Kompromiss sein.

Interessant ist vielleicht zuletzt noch, dass die Arbeitnehmerentgelte – es wurde schon gesagt – etwas weniger gestiegen sind als die Gewinn- und Vermögenseinkommen in unserem Land. Das müsste uns eigentlich zu denken geben. Wer sein Geld in den ver­gangenen Jahren arbeiten ließ, dem geht es heute besser als jenen, die durch Arbeit Geld verdient haben.

Damit sind wir beim Thema Verteilungsgerechtigkeit. Ich denke, wir haben – das wird auch durch diesen Bericht einmal mehr bestätigt – einen Mangel an Verteilungsgerech­tigkeit, und damit haben wir politischen Handlungsbedarf für die nächsten Jahre. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.01


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Mag. Schatz. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.02.02

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Herr Präsident! Der Sozialbericht ist sicher eine gute Basis für weitere politische Arbeit, wiewohl wir Grünen seit Jahren bedauern, dass darin keine Wertungen und klaren Verbesserungsvorschläge enthalten sind. Wir würden uns wünschen, dass diese Anregung doch irgendwann einmal aufgenommen werden wird.

Zum Inhalt: Ich möchte gerne zwei Entwicklungen deutlich hervorheben – Herr Abge­ordneter Riepl hat es auch bereits angedeutet. Ich denke, es gibt zwei wesentliche Entwicklungen, die daraus erkennbar sind und die wir bereits seit Jahren beobachten, nämlich dass die Einkommen in Österreich immer weiter auseinandergehen. Das heißt, es gibt deutliche Steigerungen in den oberen Bereichen, und in den unteren Einkom­mensbereichen geht der reale Wert der Einkommen sogar zurück. Und die Einkom­mensschere zwischen Frauen und Männer geht immer noch immer weiter auseinan­der. Das ist der eine Bereich.

Der zweite Bereich ist, dass die Vermögensverteilung in unserem Land nach wie vor ungleicher wird. Auf der einen Seite werden die Reichen immer reicher, und auf der anderen Seite wächst die Verschuldung der Privathaushalte nach wie vor massiv. Wir


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Grüne glauben, dass es aufgrund dieses Berichtes und dieser Entwicklung einen gro­ßen Handlungsbedarf im Bereich der Sozialpolitik gibt. Wir würden uns vor allem eine noch engagiertere Armutsbekämpfungspolitik wünschen.

In diesem Zusammenhang möchte ich nur kurz auf vier Punkte eingehen. Es braucht unserer Meinung nach endlich eine wirklich existenzsichernde Grundsicherung. Die Mindestsicherung kann das, was wir uns von einem effizienten Armutsbekämpfungs­instrument erwarten würden, leider nicht leisten. Sie ist zum einen deutlich zu niedrig, und zum anderen eben definitiv niedriger als der eigentliche Armutsgefährdungs­schwellenwert.

Es ist auch ein Problem, dass das, was Sie mit der Mindestsicherung eigentlich ver­sprochen haben, nämlich dass es keine Verschlechterung gegenüber dem früheren Sozialhilfesystem geben wird, leider nicht von allen Bundesländern eingehalten wird. Ich habe Sie im Sozialausschuss darauf angesprochen, und Sie meinten, in der 15a-Vereinbarung sei nicht vorgesehen, dass der Bund irgendwelche Eingriffsmöglichkeiten hat – also wenn es in den Ländern Verschlechterungen gibt, können Sie nichts ma­chen. Ich glaube nicht, dass das eine akzeptable Haltung ist. Ich finde, Sie müssen sich dafür einsetzen. Sie haben gesagt, es gebe ein Verschlechterungsverbot, also schauen Sie bitte auch, dass das auf jeden Fall umgesetzt wird, weil das Niveau an sich schon ein so niedriges ist.

Darüber hinaus bringt mich die Koppelung der Mindestsicherung an das Zurverfü­gungstehen für den Arbeitsmarkt zum Thema AMS. Ich möchte jetzt nicht auf die AMS-Politik, auf die Qualität der Arbeit des AMS eingehen, denn darüber diskutieren wir oh­nehin sehr oft, sondern etwas anderes thematisieren: Es fließen enorme Mittel in die Arbeitsmarktpolitik, und uns als Nationalratsabgeordneten ist es eigentlich nicht mög­lich, klar zu erkennen beziehungsweise überhaupt zu kontrollieren, was mit diesen Mit­teln geschieht.

Dieses System ist in hohem Maße intransparent. Es wird unheimlich viel über interne Leitlinien und Regeln gemacht, vergeben et cetera, und man weiß nicht, was mit die­sen Mitteln ganz konkret geschieht. Ich bitte Sie, sich einfach dafür einzusetzen bezie­hungsweise im Bewusstsein zu haben, dass wir hier mehr Einblick brauchen, sonst ist parlamentarische Kontrolle auch im Hinblick auf Budgetpolitik nicht möglich. (Beifall bei den Grünen.)

Ein weiterer Punkt zum Thema Arbeitsmarkt – Frau Kollegin Haubner hat das auch schon angesprochen –: Wir haben ein massives Problem, dass in den unteren Einkom­mensbereichen die Einkommen sogar geringer werden. Das heißt, sie wachsen nicht nur nicht, sie verlieren sogar an Wert. Der ewige Verweis darauf, dass die Sozial­partner oder die Gewerkschaften schauen, dass wir irgendwann einmal diese 1 300 € erreichen, ist einfach nicht akzeptabel.

In fünf Jahren, in zehn Jahren haben Sie das dann vielleicht geschafft, aber so lange wollen wir nicht warten. Wenn Sie schon jetzt dauernd unsere Mindestlohnanträge ab­lehnen, dann erwarte ich mir von Ihnen, dass Sie eine Frist setzen. Wenn bis zum 31. Dezember dieses Jahres über Kollektivverträge kein Mindestlohn von 1 300 € brut­to erreicht wird, dann müssen Sie etwas anderes tun – dann ist eben die Konsequenz und Ihre Handlungsmöglichkeit, einen gesetzlichen Mindestlohn auf den Weg zu schi­cken.

Einen Punkt möchte ich noch zu diesem Jubel in Bezug auf die hohe Beschäfti­gungsquote erwähnen. Das Problem dabei ist, dass wir zwar eine höhere Beschäfti­gung haben, aber trotzdem die Einkommen der Einzelnen in wesentlichen Teilen zu­rückgehen und vor allem auch die Lohnquote nicht steigt. Das sagt ja alles über die Qualität der Jobs aus, die jetzt wieder dazukommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 109

Der letzte Punkt: Die Frage der Verschuldung. Die Verschuldung der österreichischen Privathaushalte nimmt zu. Seit über einem Jahr versprechen Sie und Frau Ministerin Bandion-Ortner mir, dass eine Vorlage zur Reform des Privatkonkurses kommt. Von Woche zu Woche zu Woche werden wir und auch die Öffentlichkeit vertröstet – und die Reform kommt nicht. Ich möchte jetzt endlich einmal wissen, woran das liegt. Sie sagen immer wieder, sie sei ausverhandelt, aber es kommt keine Vorlage. Ich denke, diese Situation ist wirklich nicht mehr länger akzeptabel. (Beifall bei den Grünen.)

14.07


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesmi­nister Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.07.35

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hunds­torfer: Meine Damen und Herren! Ich möchte ein paar Dinge sagen, da es notwendig ist, klarzustellen, wie die realen Zahlen aussehen, bevor wir weiterhin mit Traumziffern durch die Welt marschieren.

Frau Abgeordnete Haubner! Ja, wir haben Working Poor – gar keine Frage –, aber ich würde Sie dringend bitten: Nehmen Sie die reale Zahl. Die reale Zahl ist 247 000 – und nicht 350 000. (Abg. Ursula Haubner: Die AK in Oberösterreich ...!) – Bitte nicht böse sein – ich kann Ihnen sagen, dass auch die AK in Oberösterreich sich irrt. (Abg. Do­linschek: Die Frau Oberhauser hat das gesagt!) Das sage ich auch manchmal. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Grosz und Mag. Schatz.) Wir haben 247 000 Working Poor, und ich traue mich locker zu sagen, auch was die AK Oberösterreich angeht, dass manche Zahlen – auch diesbezüglich – zum Nachdenken sind. – Punkt eins.

Punkt zwei: Die Frage des Beschäftigungswachstums. Sehr geehrte Frau Abgeordnete Belakowitsch, Sie haben irgendwie ein Trauma, dass Sie mir dauernd unterstellen wollen, ich wolle alle nur hereinholen und die Österreicher rausholen. (Abg. Dr. Bela­kowitsch-Jenewein: Das ist ja keine Unterstellung, Herr Bundesminister!) – Nehmen Sie zur Kenntnis: Wir haben in diesem Land ein Beschäftigungswachstum und einen Beschäftigtenstand, wie wir ihn in der Zweiten Republik noch nie hatten! (Abg. Neu­bauer: Genauso wie ...!) – Punkt eins.

Punkt zwei: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir morgen eine so niedrige Arbeitslo­senrate haben werden (Ruf beim BZÖ: Morgen!) – ja, weil morgen der Erste ist und der heutige Tag noch zählt –, dass sich einfach ganz Europa anstellt und fragt: Wie macht ihr das? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist deshalb so, weil wir ganz einfach dafür sorgen, dass den Menschen, die hier leben, den Menschen, die hier arbeiten, dies ganz einfach ermöglicht wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich weiß, Sie tun sich schwer, Erfolge zur Kenntnis zu nehmen, denn darauf sind Sie nicht konditioniert. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Aber nehmen Sie zur Kenntnis, dass im Februar 2011 um 74 000 Menschen mehr eine Beschäftigung hatten als im Februar 2010. (Zwischenruf des Abg. Dr. Karlsböck.)

Weiters möchte ich Sie auch ersuchen: Die Mindestsicherung dient dazu, dass Men­schen arbeiten. Die Mindestsicherung hilft den Menschen retour in die Arbeitswelt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein.)

Diese Rückkehr in die Arbeitswelt ist dadurch dokumentiert, dass wir alleine in den ers­ten drei Monaten in Wien 4 000 Menschen wieder in das Erwerbsleben zurückgebracht haben – nur im Bundesland Wien, 4 000 Leute.

Zur Frage der Pflege, weil Sie es so darstellen, als würde die Pflege zusammenbre­chen: Ja, wir werden heuer nicht 60 000 Neuanträge haben, sondern nur 50 000. Aber – der Abgeordnete Donabauer hat es schon gesagt – 5,1 Prozent der österreichi­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 110

schen Bevölkerung bezieht Pflegegeld und wird dieses Pflegegeld auch morgen bezie­hen. – Das ist einmal Punkt eins.

Die pflegenden Angehörigen werden unterstützt. Tun wir nicht so – Frau Abgeordnete Haubner –, als gäbe es für sie nichts. Sie werden unterstützt. (Zwischenruf der Abg. Ursula Haubner.) Wir haben die Sozialversicherung – hier haben wir jedes halbe Jahr einen steigenden Bedarf –, pflegende Angehörige können auch bei der Urlaubsbetten-Aktion mitmachen – wenn sie sich melden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Neubauer und Ursula Haubner.– Ja, aber da müssen sich die Leute auch melden.

Wir geben alle Informationen aus. Wir haben alleine beim Pflegetelefon 10 000 Anrufe pro Jahr, das heißt 10 000 Bürgerinnen- und Bürgerkontakte. Auch so werden die In­formationen transportiert. Es ist ja nicht so, dass es das alles nicht gibt. Wenn ein pfle­gender Angehöriger Hilfe braucht, ist die Hilfe auch da. Er muss nur umgekehrt auch sagen: Bitte, ich brauche Hilfe. Das gehört auch dazu. (Abg. Ursula Haubner: ... selber schuld!) – Nicht selber schuld, sondern auch sagen: Ich brauche.

Ich kann nicht allen 435 000 Pflegegeldbeziehern, die wir in diesem Land haben, einen wöchentlichen Kontrollbesuch abstatten lassen. Das schaffen wir nicht. (Abg. Ursula Haubner: Habe ich das verlangt? Habe ich das verlangt?) Und wenn ein pflegender Angehöriger etwas braucht: Bitte komm und sag – wir tun! Wir stellen die Sozialversi­cherung, es gibt die Urlaubsbetten-Aktion, um diesen Menschen die Möglichkeit zu ge­ben, sich auch einmal entsprechend ausrasten zu dürfen – gar keine Frage. (Abg. Ur­sula Haubner: Meine Frage war nur: ... wie viel bekommen die pflegenden Angehöri­gen?)

Die pflegenden Angehörigen leisten einen ganz, ganz tollen Beitrag und werden auch bei unseren weiteren Überlegungen eine wichtige Rolle spielen. Nur wird das immer davon abhängen, dass wir auch wissen müssen, dass der pflegende Angehörige Hilfe braucht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.12


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Pack. 3 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


14.12.41

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine geschätzten Damen und Herren! Meine Vorredner haben es bereits er­wähnt, der vorliegende Bericht ist ein guter Bericht. Er gibt einen guten Überblick, aber auch einen Ausblick, der für die politische Arbeit nicht unwesentlich ist. Der Bereich der Jugendbeschäftigung wird im Bericht positiv hervorgehoben. Das kann man auch un­terstreichen. Im Bereich Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit wurden die richtigen Schritte gesetzt.

Eines kommt aber auch klar heraus – und das wurde im Ausschuss angesprochen –: Es reicht natürlich auf Dauer nicht, sich immer auf ein gutes Sozialsystem zu berufen, sondern man muss schauen, dass man für die Zukunft – oder für dessen Zukunft – auch Sorge trägt. Herr Bundesminister! Ein paar Vorredner haben es schon angespro­chen: Gerade im Bereich der Pensionen wird das meiner Meinung nach in der letzten Zeit sicher etwas vernachlässigt.

Wie man dem Bericht entnehmen kann, liegt das durchschnittliche Pensionsalter bei 58,2 Jahren und – entschuldigen Sie die Formulierung, aber sie steht so auch im Be­richt – das Abgangsalter der Rentnerinnen und Rentner nimmt stetig zu. Das ist ja prin­zipiell ein gutes Zeichen, ein Zeichen dafür, dass die Bevölkerung in Österreich einen guten Alterungsprozess hat, dass wir ein gutes medizinisches System haben.

Interessant ist dann aber, wenn gleichzeitig der Vorsitzende der Pensionskommission irgendwann am Ende der Sitzung feststellt, eine rasche Anpassung des tatsächlichen


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an das gesetzliche Pensionsantrittsalter müsse erfolgen oder sollte erfolgen. Dazu brauche ich keine Pensionskommission. Wenn man den Bericht aufmerksam liest, dann kann man das durchaus entnehmen.

Herr Minister! Sie sollten in diesem Bereich wirklich konsequente Schritte setzen. Mir kommt es im Bereich der Pensionskommission – aber auch Ihr Verhältnis zur Pen­sionskommission – manchmal so vor, wie es im Moment bei der österreichischen Na­tionalmannschaft der Fall ist: Man versucht ständig, den Ball im eigenen Strafraum zu halten, viel hin und her zu spielen, aber es gibt keinen, der in die Offensive geht. Herr Bundesminister! Sie sollten es sein, der jetzt in die Offensive geht – für unsere Jugend! (Beifall bei der ÖVP.)

14.15


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Herr Abgeordneter Dolinschek zu Wort gemeldet. 3 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Grosz: Wo ist der Minister? Ist der Minister verschwunden?)

 


14.15.18

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! (Abg. Grosz: Der Minister ist weg!) Herr Bundesminister! – Er ist zwar nicht da, das tut mir leid. Der Bericht ist eine ausgezeichnete Grundlage, um das eine oder andere an sta­tistischen Zahlen nachzublättern: Was wurde gemacht, was wurde erreicht und wo ist zukünftig was zu ändern? Gerade in diesem Bereich ist es so: Was dem einen viel­leicht genügt, weil die Latte erreicht worden ist, ist dem anderen zu wenig – so ähnlich wie mit dem berühmten Glas: Ist das Glas halb voll oder ist es halb leer?

Wenn ich jetzt zum Vorwort des Bundesministers einiges sagen darf, zu diesem Be­reich, in dem die Ziele definiert worden sind – Berichtszeitraum 2009 bis 2010 –: Erhal­tung von möglichst vielen Arbeitsplätzen, Integration Jugendlicher in das Berufsleben, soziale Absicherung auf hohem Niveau und Stärkung der Kaufkraft. – Ja, Nonanet. Das kann ich nur unterschreiben, das sollte man auch machen.

Nur: Haben wir das erreicht oder haben wir das nicht erreicht? Tatsache ist, dass die Lohnentwicklung ganz einfach hinter der Gewinnentwicklung nachhinkt und dass es einen Reallohnverlust gibt. Das ist in Österreich einfach so. Die Lebensmittelpreise und die Energiepreise schnellen in die Höhe. Das setzt natürlich die österreichische Bevöl­kerung massiv unter Druck.

Es wird jetzt darüber philosophiert, wie viele Working Poor wir in Österreich haben. Tatsache ist, dass 7 Prozent der Erwerbstätigen zwischen dem 20. und dem 64. Le­bensjahr trotz Arbeit in Armut leben, und das ist die Problematik, die wir heute haben, Herr Bundesminister! (Beifall beim BZÖ.)

Wenn ich jetzt den Sozialbericht durcharbeiten würde, dann würde es den Rahmen sprengen, den ich zur Verfügung habe, aber ich will nur eines sagen: Die Pensionssi­cherungskommission, die hier eingesetzt wurde, um das eine und das andere für die Zukunft im Pensionsbereich festzulegen – sind die Pensionen gesichert oder sind sie nicht gesichert –, ist ein großes Sozialpartner-Theater. Da blockiert der eine den ande­ren, da geht normalerweise überhaupt nichts mehr weiter.

Mir fehlt auch noch eines: Dort wird nur der ASVG-Bereich behandelt und kommentiert, aber der ganze öffentliche Bereich – egal, ob das die Länder, die Gemeinden oder der Bund sind, die öffentlich Bediensteten – fällt dort nicht hinein. Wofür haben wir ein All­gemeines Pensionsgesetz geschaffen, wenn nicht alle berücksichtigt sind? Das gehört eigentlich so gemacht, Herr Kollege Riepl, oder? (Beifall beim BZÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Naja, das APG haben wir ja, aber dort werden Sie bei der Pensionssiche­rungskommission nicht mit eingerechnet, Frau Kollegin.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 112

Haben Sie sich noch nie Gedanken darüber gemacht, dass man dort nur die ASVGler trifft, aber die anderen im öffentlichen Dienst nicht? (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Dass Sie als Gewerkschafter (Beifall beim BZÖ.) Sie sind jetzt am Ruder, stellen den Sozialminister und sind in der Pensionssicherungskommission vertreten, Sie sollen da eingreifen. Wir haben seinerzeit in Regierungsverantwortung die Voraussetzungen ge­schaffen – und jetzt geht nichts mehr weiter. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Das ist die Tatsache. Die Hälfte der Leute dort gehört entlassen, weil mit der Pensionsreform­kommission nichts los ist.

Zum Kollegen Donabauer, der der Obmann der Sozialversicherungsanstalt ist: Herr Kollege Donabauer! Es ist natürlich gerade auch beim Berufsstand der Bauern nicht ganz so einfach mit den Beitragszahlungen. Die meisten Bauern haben nebenbei oft ein Gewerbe, sodass sie doppelt einzahlen müssen – bei der Selbständigen-Pensions­versicherung, bei der Bauernpensionsversicherung –, wenn sie nebenbei beschäftigt sind, auch ins ASVG.

Einfacher Vorschlag: Verwaltungsvereinfachung! Eine Pensionsversicherungsanstalt für alle – für die Bauern, für die Selbständigen, für die Arbeiter, für den öffentlichen Dienst. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Dann zahlt jeder Versicherte nur einmal in die Pensionsversicherung ein, und man braucht nicht mehrere Direktoren, nicht mehrere Obmänner, die von den Versi­cherten erhalten werden müssen. Dann hat man eine Institution – eine Pensionsver­sicherungsanstalt für alle Österreicher. Genau das gehört gemacht! (Lang anhaltender Beifall beim BZÖ.)

14.19

14.19.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, den vorliegenden Bericht III-194 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

14.19.435. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1068 d.B.): Europäische Sozialcharta (revidiert) (1090 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich mache darauf aufmerksam, dass wir in wenigen Minuten wieder eine Abstimmung haben werden.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. 3 Minuten Rede­zeit. – Bitte.

 


14.20.10

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Entwurf der Europäi­schen Sozialcharta schaut ja auf den ersten Blick ganz gut aus. Es geht da um das Recht der Arbeitnehmer auf Würde am Arbeitsplatz oder auch um den Schutz vor se­xueller Belästigung, um den Schutz der Arbeitnehmervertreter im Betrieb. All das sind


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 113

Dinge, die wir teilweise schon umgesetzt haben, beziehungsweise bei denen man sich die Frage stellen muss, ob wir die EU brauchen, um all diese Vorgaben umzusetzen.

Bei einer zweiten Betrachtung ist es dann aber schon so, dass man sieht, dass damit auf eine Entwicklung innerhalb der EU in Richtung Sozialunion abgezielt wird. Es droht also sozusagen eine Auflösung der Republik, eine Entstaatlichung unserer eigenen Republik hin zu einem Zentralstaat Europa/EU. Und das ist etwas, dem wir nicht sehr viel abgewinnen können.

Herr Bundesminister, wir wären eher der Meinung, dass all das, was da in dieser So­zialcharta drinnen steht und in Österreich noch nicht umgesetzt ist, selbstverständlich auf nationaler Ebene umgesetzt werden sollte und umgesetzt werden muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Uns jedoch selbst aufzugeben und noch stärker an diese EU zu binden, ist nicht der richtige Weg. Daher werden wir der Sozialcharta in der vorliegenden Form mit Sicher­heit nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

14.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Donabauer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.21.45

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Zu Beginn kurz eine Anmerkung zum vorigen Tages­ordnungspunkt.

Herr Kollege Dolinschek! Wir haben alles unternommen, um eine Zusammenführung von Sozialversicherungen zu erreichen, aber Sie waren Staatssekretär und haben uns dabei nicht unterstützt. Das ist das Problem! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischen­rufe beim BZÖ.)

Ich musste Ihnen das einmal sagen, damit Sie vielleicht einmal ein anderes Thema finden. (Neuerliche Zwischenrufe beim BZÖ. – Gegenrufe bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Die Sozialcharta, die heute hier vorliegt, ist keine Gesetzesvorlage, sondern es ist ein Abkommen, eine Zustimmung zu einem Abkommen zwischen den Staaten des Euro­parates. (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Ich weiß schon, was ich sage, lieber Freund.

Ziel ist, eine engere Verbindung zwischen den Mitgliedsländern zu erreichen und in wesentlichen Fragen die Standards aufeinander abzustimmen. Die Sozialcharta hat bereits eine längere Geschichte. Das erste Abkommen wurde 1950 in Rom beschlos­sen. Es gab dann Weiterentwicklungen bis herauf in unsere Zeit, und jetzt bekommen wir eine revidierte Europäische Sozialcharta zur Ratifizierung vorgelegt. Der bereits am 1. Juli 1999 in Kraft getretene völkerrechtliche Vertrag enthält vor allem eine Reihe von sozialen Rechten, die von der Sicherung gesunder Arbeitsbedingungen und einem ge­rechten Arbeitsentgelt über Gesundheitsvorsorge, Schutz vor Armut und sozialer Aus­grenzung, bezahlten Jahresurlaub, Arbeitsverträge bis hin zu Kündigungsschutz, Be­schäftigung von Jugendlichen – das wird Sie, liebe Besucher, sicherlich interessieren – und Mutterschaftsurlaub reichen und noch vieles mehr umfassen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Parlamentspartei, aus welchen Gründen auch immer, diesem wichtigen Abkommen nicht zustimmt, sondern sich hierher stellt und sagt, dass sie das nicht tun wird. Bitte, schauen Sie sich doch den Inhalt an! Sie müs­sen ja nicht derselben Meinung sein. Schauen Sie sich die Bedeutung dieser Sozial­charta für uns alle an! Ich könnte mir vorstellen, dass Sie dann in irgendeiner Weise doch vielleicht Ihren Standpunkt etwas ändern. Ich habe Ihnen jedoch nichts vorzu­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 114

schreiben. Ich habe Sie schon vorhin auf einen Fehler aufmerksam gemacht. Ich habe Ihnen nur zu sagen, was Sie in dem Zusammenhang vielleicht richtiger machen könn­ten.

Wir jedenfalls werden dieser Vereinbarung zustimmen (Abg. Neubauer: Wir nicht!), weil wir glauben, dass wir damit einen großen Fortschritt in den Staaten des Europa­rates genauso mit unterstützen wie im eigenen Land. Das ist der Grund! Diese Vorlage ist auch deshalb von Interesse, weil sie ja nicht nur seitens des Nationalrats erledigt werden muss, sondern davon auch Länderkompetenzen berührt werden. Deshalb ist es auch wichtig, dass dieser Vertragsabschluss dem Bundesrat zur Genehmigung vor­gelegt wird. Damit bekommt jede Partei noch einmal die Chance, die Dinge zu über­denken und vielleicht doch die Gemeinsamkeit zu sehen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Haubner. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.25.03

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Der vorliegende Vertrag, der bereits 1999 vom österreichischen Außenminister im Europarat unterzeichnet worden ist, soll nun ratifiziert werden. Wir haben uns zwi­schen Ausschuss und Plenum die einzelnen Artikel genauer angesehen. Bei den Be­stimmungen und Artikeln dieses Vertrags handelt es sich eigentlich um Dinge, die in Österreich selbstverständlich sind, die also dem österreichischen Recht entsprechen, wie zum Beispiel gesunde Arbeitsbedingungen, gerechtes Arbeitsentgelt, Mutter­schutzurlaub, Recht auf Schutz der Familie, Rechte behinderter Menschen, auch neue Rechte wie Chancengleichheit bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Da diese Bestimmungen und Artikel dem österreichischen Recht entsprechen, werden wir dieser Sozialcharta auch zustimmen. Sie spiegelt die notwendigen Aufgaben und Leistungen einer sozialen Gesellschaft wider.

Diese Charta ist jedoch mehr oder weniger eine Absichtserklärung. Wichtig ist daher, dass die Bestimmungen der Sozialcharta dann auch entsprechend in die Materienge­setze einfließen, sofern sie noch nicht darin enthalten sind. Erst damit bekommt diese Sozialcharta auch eine Bedeutung. (Beifall beim BZÖ.)

14.26


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. 3 Minuten freiwillige Re­dezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.26.43

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Europäische Sozialcharta ist wieder ein Punkt, wo man eigentlich meinen sollte, dass da alle zustimmen müssten, denn da geht es um grundlegende soziale Rechte. In dieser Hinsicht bin ich vollkommen der Meinung des Kollegen Donabauer. Und dann stellt sich die FPÖ heraus und sagt: Nein, da stimmen wir nicht zu, denn das bedeutet den EU-Zentralstaat!

Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein, das bedeutet nicht den europäischen Zentral­staat und hat überhaupt nichts mit der Europäischen Union zu tun. Wir verhandeln hier die Europäische Sozialcharta des Europarates. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Und das hat mit der EU überhaupt gar nichts zu tun?!) Der Europarat ist wesentlich älter als die Europäische Union; da ist Österreich Mitglied, da sind auch Freiheitliche Mitglied.

Herr Kollege Strache, ich würde, ehrlich gesagt, einmal dafür plädieren, dass Sie sich überlegen, wie Sie Ihre Vertretung im Sozialausschuss organisieren. Kollege Kickl


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 115

zeigt wenigstens einen Ansatz von Wissen, aber das hier geht wirklich nicht. Das ist doch zum Genieren! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Wir verhandeln hier wirklich grundlegende soziale Rechte. (Abg. Strache: Da spricht der Pflichtverteidiger der Sozialisten!) Sich hier ans Rednerpult zu stellen und zu sa­gen: Ja, ja, das ist zwar schon schön und eigentlich nicht falsch, aber das ist der euro­päische Zentralstaat, obwohl es mit der Europäischen Union überhaupt nichts zu tun hat, was wir hier verhandeln, das ist wirklich keck.

Erklären Sie mir oder irgendjemand anderem hier im Saal, warum Sie gegen ein Recht auf Wohnen sind. Ich weiß schon, dass die Bundesregierung das auch nicht haben will, aber die Debatte darüber, wie wir jedem Menschen in Österreich oder meinetwegen auch nur jedem Staatsbürger garantieren können, dass er oder sie ein Recht auf ein Dach über dem Kopf hat, wird doch nicht zu viel verlangt sein für Sie. Ein Dach über dem Kopf bedeutet meinetwegen zwei Quadratmeter. Das wäre immerhin etwas, was uns von anderen Ländern positiv unterscheiden und auch sicherstellen würde, dass wir Menschen etwas besser behandeln als Hühner in Käfigbatterien, denn die haben zwar nicht zwei Quadratmeter, aber ein paar Quadratzentimeter. (Abg. Zanger: Das ist doch reinste Sozialträumerei!)

Was, bitte, ist an einem Recht auf Wohnen schlecht? Ich spare mir jetzt, die anderen Bestimmungen, die Österreich nicht erfüllen will, aufzuzählen. Ich habe das im Aus­schuss gemacht. Es gibt etliche Bestimmungen – ich danke für die gute Arbeit auch des Ministeriums bei den Erläuterungen –, bezüglich derer ich der Meinung bin, dass das, was das Ministerium als Erläuterung dazu anführt, warum wir das nicht ratifizieren sollen und können, nicht ausreichend ist. Es geht um soziale Rechte. Diskutieren wir sie, aber lehnen Sie bitte nicht soziale Rechte des Europarates ab! Das ist ja eine Schande. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

14.29


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminis­ter Hundstorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.30.04

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hunds­torfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme zur Kennt­nis, dass die Freiheitliche Partei kein Problem mit Kinderarbeit hat, ich nehme zur Kenntnis, dass die Freiheitliche Partei kein Problem mit sexueller Belästigung am Ar­beitsplatz hat, und ich nehme weiters zur Kenntnis, dass sie kein Problem damit hat, gegen Chancengleichheit aufzutreten. (Abg. Strache: Das ist doch vollkommen lä­cherlich!) Das tun Sie nämlich damit, dass Sie dieser Charta nicht beitreten. (Abg. Strache: Sie sind eine Schande!) Nein, Sie sind die Schande, Herr Abgeordneter Stra­che! Sie sind die Schande! (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Strache: Das ist ja un­glaublich!)

Was Sie heute hier ablehnen, ist eine Charta, in der wir uns zum Beispiel klar dazu be­kennen: Wir wollen gegen Kinderarbeit alles in Bewegung setzen. Verbot der Kinderar­beit! (Abg. Strache: Es ist Zeit, dass Sie die Wähler in die Wüste schicken!)

Wenn Sie auch dafür sind, können Sie dieser Charta nur beitreten. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.30

14.30.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schlie­ße daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 116

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages 1068 der Beilagen ge­mäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales abstimmen, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Z 3 Bundes-Ver­fassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Auch das ist mit Mehrheit angenommen.

14.32.116. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1069 d.B.): Internationale Arbeitsorganisation (IAO); Übereinkommen (Nr. 187) über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz; Empfehlung (Nr. 197) über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz (1091 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir kommen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich mache darauf aufmerksam, dass aller Voraussicht nach in wenigen Minuten wieder eine Abstimmung stattfinden wird.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. 4 Minuten frei­willige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.32.57

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Ho­hes Haus! Arbeit ist wichtig. Und es ist wichtig, dass arbeitende Menschen so lange wie möglich dem Erwerbsleben erhalten bleiben können.

Wenn wir uns die Realität ansehen, dann ist das gesetzliche Pensionsalter 60 und 65 Jahre, aber in Wirklichkeit gehen Frauen durchschnittlich mit 57 Jahren in Pension und Männer schon mit 59 Jahren. Das gehört verändert.

Seit 2011 gilt das Prinzip Rehabilitation vor Invalidenrente, und das ist gut so und wich­tig. Ich habe auch selbst erlebt, dass behinderte Menschen, auch junge behinderte Menschen nach einem Motorradunfall beispielsweise, die in einem Rehabilitationszen­trum landen, gleich einmal in Pension geschickt werden. Damit tut man ihnen jedoch nichts Gutes, denn mit dieser Sozialleistung verlieren sie auch die sozialen Kontakte. Sie sind zu Hause, verdienen weniger Geld und empfinden auch weniger Sinn im Le­ben. Deshalb ist das Prinzip wichtig: Rehabilitation vor Invalidenpension.

Was wir heute beschließen, ist ein internationales Abkommen der EU zum Arbeitneh­merschutz, den ich sehr wichtig finde. Vorgesehen ist, dass die Rahmenbedingungen des Arbeitsumfeldes im Bereich der Gesundheit und der Sicherheit verbessert werden. Weiters sollen auch Programme entwickelt werden, die dazu führen, dass Krankheiten minimiert, Unfälle und schließlich auch Todesfälle verhindert werden. Es braucht mehr Prävention im Arbeitsleben, damit Leute länger und sicherer arbeiten können. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Abg. Dr. Karlsböck.)

14.35


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Vock. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 117

14.36.00

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Mein Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat zur Verhütung von arbeitsbe­dingten Unfällen, Erkrankungen und Todesfällen in Beratung mit den maßgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die ständige Verbesserung des Ar­beitsschutzes zu fördern durch die Entwicklung einer entsprechenden innerstaatlichen Politik, eines innerstaatlichen Systems und eines innerstaatlichen Programms.

Ich frage mich schon wieder einmal: Brauchen wir wirklich die EU für derartige Be­schlüsse, für derartige Begründungen? Wir haben auf dem Gebiet eindeutig bereits einen hohen Standard. Österreich hat offensichtlich einen weit höheren Standard als viele andere EU-Staaten. Wir brauchen da keine Bevormundung durch die EU! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Öllinger: Das ist doch die Internationale Arbeitsorganisation!) – Es ist so, Kollege Öllinger! (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Öllinger, wie Ihnen vielleicht nicht bekannt ist, haben wir das Instrument der Arbeitsevaluierung. (Abg. Öllinger: Das geht allerdings auf die EU zurück!) Bei uns machen sich die Betriebe Gedanken über die Gefahren am Arbeitsplatz. Wir sind weg­gekommen vom System des Bestrafens. (Abg. Öllinger: Das war die EU!) – Nein, ganz und gar nicht!

Wir haben uns hinentwickelt zu einem System der Beratung. Die Berater lösen das frü­here Arbeitsinspektorat, das nur gestraft hat, ab. Wir haben eine technische und ge­sundheitliche Beratung. Wir haben das auch ohne EU gehabt, dass wir die Klein- und Mittelbetriebe innerstaatlich fördern, für die diese Beratung im Rahmen der AUVA auch kostenlos ist. Das ist positiv, aber das sind Dinge, die wir in Österreich bereits haben. Dafür jetzt eine EU zu haben, wozu sollte das gut sein?! (Abg. Öllinger: Das ist kein Abkommen der EU!) – Genau! Lassen Sie mich ausreden, Herr Öllinger! Horchen Sie zu!

Wir haben in Österreich einen deutlich höheren Standard, Herr Öllinger! Da haben wir einen gemeinsamen Standpunkt, und darum werden wir ja auch zustimmen. Wir haben in Österreich einen höheren Standard als die EU und sehen das als Vorgabe. Und wir wünschen Ihnen, Herr Minister, viel Erfolg beim Umsetzen unseres Standards in der EU. (Beifall bei der FPÖ.)

14.38


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Schatz. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.38.47

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Vock, nicht jede Abkürzung hat etwas mit der EU zu tun. (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Die IAO, die Internationale Arbeitsorganisation, ist eine Sonderorganisation der UNO! – Okay?

Ansonsten geht es um das Übereinkommen 187 und die Empfehlung 197 betreffend Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz. Beides sind Programme, Empfehlungen, die wir Grüne durchaus unterstützen.

Ich möchte hier nur kurz auf das Übereinkommen 187 eingehen, in dem es darum geht, arbeitsbedingte Unfälle, Erkrankungen, Todesfälle et cetera zu verhindern, und die Frage, die ich dazu bereits im Ausschuss gestellt habe, hier noch einmal wiederho­len. Im Zusammenhang mit den Anhebungen der täglichen und wöchentlichen Normal- und Höchstarbeitszeiten, die sowohl aus medizinischer als auch aus arbeitsmedizini­scher Sicht durchaus als bedenklich eingestuft worden sind, haben Sie uns verspro­chen, eine entsprechende Evaluierung dieser Anhebungen vorzunehmen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 118

Ich habe im Ausschuss gefragt, was aus dieser Evaluierung geworden ist, und dort noch keine Antwort bekommen. Deshalb frage ich Sie heute noch einmal, ob das be­reits vorgenommen worden ist. Sie haben gesagt, es wird laufend evaluiert, aber ich denke, das war nicht ganz das, was wir ursprünglich damit intendiert haben.

Ein zweiter Punkt vielleicht noch: Ich denke auch, dass sich Österreich im internationa­len Vergleich bezüglich Arbeitsschutzmaßnahmen durchaus sehen lassen kann. Aller­dings sind diese Maßnahmen leider oft nur dann wirksam, wenn es auch die entspre­chenden Beratungen in den Unternehmen gibt, wenn es auch die entsprechenden Kontrollen gibt. Dazu braucht es Personal. Insofern würde ich anregen, dass wir künftig durchaus auch budgetär eine positive Personalentwicklung, also auch Personalauf­stockungen im Bereich der Arbeitsinspektion vorsehen. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen.)

14.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Herr Abgeordneter Dolinschek zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.41.11

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! (Abg. Steibl: Sigisbert, reg dich nicht zu sehr auf!) Ein internationales Abkommen zum Arbeitnehmerschutz ist – das sagt schon der Name – international, geht weit über Eu­ropa hinaus. – Das ist einmal das eine. Und Verbesserungen des Arbeitnehmerschut­zes müssen uns immer ein wichtiges Anliegen sein.

Wir brauchen unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, denn Österreich hat hier eine Vorbildfunktion. Darauf können wir stolz sein. (Beifall der Abg. Ursula Haubner.) Es sollen aber alle Vorkehrungen und Aktivitäten getroffen werden, die den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Menschen am Arbeitsplatz, in ihrer beruflichen Tätig­keit zum Ziel haben. Die Zeiten ändern sich, es gibt verschiedene gefährliche Güter, die immer wieder auf den Markt kommen und mit denen die einzelnen Arbeitnehmer auch hantieren müssen. Sichere und gesunde Arbeitsplätze müssen Priorität haben. Sie haben in Österreich Priorität, und erfreulich ist auch – das muss ich jetzt noch sagen –, dass sämtliche Bestimmungen dieses Übereinkommens in Österreich bereits umgesetzt und in Kraft getreten sind. (Beifall beim BZÖ.)

14.42

14.42.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 1069 der Beila­gen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales abstimmen, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Z 3 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 119

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, die Empfehlung Nummer 197 über den Förderungsrahmen für den Arbeits­schutz in 1069 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.

14.43.46 7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 816/A(E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer existenzsichernden, bedarfsorientierten Mindestsicherung (1095 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 982/A(E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringliche Maßnahmen gegen Armut und soziale Ausgrenzung im Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung (1096 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 und 8 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Abgeordneter Öllinger. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.44.40

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss ehrlich sagen, ich bin noch etwas geschockt von den Debattenbeiträgen der Frei­heitlichen bei den letzten Tagesordnungspunkten (Ruf bei der SPÖ: Wahnsinn!), und da kann mich auch nicht ganz versöhnen, dass Sie dann in der Abstimmung doch für den Antrag gestimmt haben. Aber ich gebe schon zu, es ist immerhin ein Fortschritt. Aber ehrlich gesagt: Jetzt sollten wir Maßnahmen gegen Armut diskutieren.

Ich fürchte, das wird mit Ihnen wieder sehr, sehr schwierig werden, weil es wieder die Begriffsverwirrung von Ihrer Seite gibt zwischen den von uns vertretenen Positionen nach einem gesetzlichen Mindestlohn, die Sie auch schon vertreten haben (Abg. Mag. Stefan: Mindestsicherung oder Mindestlohn?), nur: Sie haben sie dann irgend­wann wieder sozusagen entsorgt, und irgendwann war Ihnen der Mindestlohn, den wir vorschlagen, zu niedrig, das andere Mal ist er Ihnen wieder zu hoch. Vielleicht ist Ihnen das alles nicht wichtig, aber ich würde wirklich raten, damit wir endlich einmal die Sa­chen diskutieren können: Beziehen Sie Position!

Gleiches gilt nicht nur für den Mindestlohn, sondern auch für die Mindestsicherung. Ich kann mich an Wortmeldungen Ihres Parteivorsitzenden Strache erinnern, wo er sagte, die Mindestsicherung, so wie sie von den Grünen vorgeschlagen wurde, sei ihm zu niedrig. Gleichzeitig ging der Herr Strache, wie wir wissen, hier heraus und hat in allen Reden der letzten Monate gesagt, die Mindestsicherung, die die Bundesregierung be­schlossen hat, sei ihm zu hoch.

Das sind Sachen, da muss man irgendwann einmal ... (Abg. Mag. Stefan: Mindestsi­cherung oder Mindestlohn?) – Herr Stefan, passen Sie auf, passen Sie auf, bitte! (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: Das ist ja das Problem, dass wir aufpassen!)

Aber da muss man irgendwann einmal Position beziehen. Mit Ihnen ist das Diskutieren in sozialpolitischen Angelegenheiten nicht möglich. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, eine Partei, die hergeht und sagt: Wir fordern bei Invaliditätspensionen weitere Verschärfun­gen!, und sich nicht im Klaren ist, was das für ungelernte Arbeitnehmer/Arbeitnehme­rinnen bedeutet, da weitere Verschärfungen zu fordern, hat eigentlich den Anspruch


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 120

auf sozialpolitische Repräsentanz verloren. Das geht nicht mehr! (Beifall bei den Grü­nen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Gegen die Europäische Sozialcharta zu stimmen, das ist wirklich eine Katastrophe! (Abg. Mag. Stefan: In Simmering reißt’s nix! Die Grünen haben keine Stimmen bei den Leuten!) Sie sind wahrscheinlich die einzige Partei in ganz Europa, die gegen die Europäische Sozialcharta gestimmt hat. Und deshalb sage ich Ihnen, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren: Gehen Sie wirklich in sich! Sie gehören ja zu den Parias der europäischen Politik, wenn Sie gegen die Europäische Sozialcharta stimmen. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, was das Umsetzen betrifft – sind wir ja auch zwi­schen den Parteien –, aber dagegen zu sein, das ist „sensationell“! (Abg. Riepl: Das stimmt!)

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, erspare ich Ihnen auch, dass Sie sich weiter anhören müssen, worin sich die Grundsicherung und die Mindestsicherung von irgendwelchen vagen Forderungen der Freiheitlichen, die es eh nicht gibt, weil sie von einem Tag auf den anderen anders sind, unterscheidet. (Abg. Mag. Stefan: Mindest­lohn?!) Nur: Klar, wenn Sie mitreden wollen bei Maßnahmen gegen Armut, dann wer­den Sie nicht umhinkönnen, über Mindestsicherung, Mindestlöhne, und zwar auch, indem Sie sie beziffern, zu reden und Maßnahmen zu setzen und nicht immer nur den Mund aufzumachen und zu sagen: Die Ausländer sind schuld! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.48


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lapp. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.48.20

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Minister! Hohes Haus! Das Thema, das wir hier behandeln, ist ein sehr wichtiges, denn Armutsbekämpfung war die He­rausforderung in Europa in den vergangenen Jahren und wird sie für die kommenden Jahre bleiben.

Es war ja im vergangenen Jahr das Europäische Jahr zur Bekämpfung der Armut und sozialer Ausgrenzung, und da möchte ich darauf hinweisen, dass von der Armutskon­ferenz ein Theaterstück mit dem Titel „Kein Kies zum Kurvenkratzen“ initiiert worden ist, wo Präsidentin Prammer es ermöglicht hat, dass hier im Hohen Haus, im Budget­saal, dieses Theaterstück aufgeführt werden konnte. Da hat man gezeigt, wie schnell man in die Spirale der Arbeitslosigkeit, der Armut kommen kann und wo dann mit inter­aktiven Elementen vonseiten der Zuschauerinnen und Zuschauer eingegriffen werden konnte, um verschiedene Wege zu finden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege, auch wenn Sie da jetzt „hineineiern“, denke ich mir, dass das Thema „Armutsbekämpfung“ ein sehr wichtiges ist. (Zwischen­ruf des Abg. Grosz.) Die Regierung nimmt diesen Kampf auf. Die Schaffung von Ar­beitsplätzen, die Beschäftigung damit, wie Menschen in den Arbeitsprozess eingeglie­dert werden sollen: Das ist die Grundessenz des Arbeitsauftrages der Regierung! Dazu wurde die Mindestsicherung geschaffen, die ein wichtiger Schritt ist, denn die Mindest­sicherung wurde im AMS angesiedelt und beinhaltet aktivierende Maßnahmen für Men­schen, damit sie wieder in den Beschäftigungsprozess kommen, denn durch eine ab­gesicherte Beschäftigung ist es leichter, gegen Armut bestehen zu können und sich im Leben anzusiedeln.

Die öffentliche Diskussion, die wir momentan erleben, geht von der Seite dieser Frak­tion des Hauses, die von einer Hängematte spricht, bis zu der Fraktion, die gleich ne­ben der freiheitlichen Fraktion sitzt, die meint, das wäre zu wenig.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 121

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke mir, genau diese Polarisierung zeigt uns, dass wir gut in der Mitte liegen und damit eine gute Maßnahme geschaffen haben.

Die Mindestsicherung ist allen Bundesländern gültig, hat damit erstmals in unserem Land einheitliche Werte geschaffen (Abg. Öllinger: Nein, leider!) und Familien mit Kin­dern erhalten um 100 € mehr. Das heißt, die größte Gruppe von armutsgefährdeten Personen sind Alleinerzieherinnen, und genau diesen Alleinerzieherinnen wird durch die Mindestsicherung wesentlich stärker geholfen. Durch die Einberechnung der So­zialtransfers kommt man auf einen Wert von 24 Prozent. Das heißt, wir sind im Durch­schnitt in Österreich im Vergleich laut EU-SILC-Studie auf einem besseren Level. Aber auf diesem dürfen wir uns nicht ausruhen, sondern wir müssen – wie unser Minister, der sich tagtäglich damit auseinandersetzt – weiterhin den Kampf führen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Das sind wir den Menschen in unserem Land schuldig. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.51


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Prinz. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.51.23

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Da­men und Herren! Ja, wir leben in einem Sozialstaat, und ja, wir sind dafür, dass eine Mindestsicherung bedarfsorientiert sein soll und sein muss. Dazu stehen wir und dafür haben wir uns auch gemeinsam eingesetzt! Wir haben gemeinsam, auch mit den Stim­men der Grünen, am 7. Juli 2010 hier im Parlament die bedarfsorientierte Mindestsi­cherung beschlossen. Es ist im Rahmen der Mindestsicherung ein sogenanntes Ver­schlechterungsverbot vorgesehen, damit wirklich all jene, die die finanzielle Unterstüt­zung des Staates brauchen, diese auch im Rahmen der bedarfsorientierten Mindestsi­cherung bekommen.

Solidarität und staatliche Unterstützung dürfen aber keine Einbahnstraße sein. Wir dür­fen bei allem Verständnis auch den Leistungsgedanken nicht aus den Augen verlieren. Soziale Gerechtigkeit verlangt Respekt gegenüber den Steuerzahlern. Der Leistungs­anreiz gegenüber arbeitenden Menschen würde entsprechend fallen, wenn man die bedarfsorientierte Mindestsicherung 14 Mal ausbezahlen würde, so wie es die Grünen wünschen, anstatt zwölfmal. Damit würde aber auch ein wesentlicher Unterschied für all jene, die arbeiten gehen, wegfallen. Das ist nicht in unserem Sinne! (Beifall bei der ÖVP.)

Ziel der Mindestsicherung ist es ja, Menschen, die längere Zeit keine Arbeit finden, neue Zuversicht, eine neue Perspektive und auch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Dazu braucht es auch Anreize, wie eben ein höheres monatliches Einkom­men als die Mindestsicherung und auch ein 13. und 14. Monatsgehalt. Die Menschen müssen wissen: Leistung zählt und lohnt sich auch für mich persönlich! Einen Ar­beitsplatz zu haben, das heißt, nicht nur Geld verdienen zu können. Er gibt Menschen das Gefühl, gebraucht zu werden, und damit auch mehr Sinn in ihrem Leben.

Neben Leistungs- und sozialer Gerechtigkeit zählt aber für uns auch die politische Ver­antwortung gegenüber dem Steuerzahler. Das Geld ist knapp, und Gott sei Dank gibt es im Sinne der Steuerzahler auch einen Konsens hier im Haus dahin gehend, dass wir mit den vorhandenen Mitteln sorgsam umgehen müssen. Ich glaube, es ist im Sin­ne der kommenden Generationen, dass wir das so handhaben, damit es auch in Zu­kunft einen Sozialstaat geben kann. Es würde auch den Grünen gut anstehen, nach dem Prinzip des sorgsamen Umgangs mit dem Steuergeld entsprechend zu handeln. Wir können nur etwas verteilen, wenn es vorher verdient worden ist. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 122

Das Verteilen ermöglichen letztendlich die Steuerzahler. Dem Wunsch der Grünen, Leistungsanreize zu verwässern und dem Steuerzahler immer neue Bürden aufzula­den, können wir wirklich gar nichts abgewinnen. Daher können wir diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosen­kranz. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.54.17

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zunächst einmal verwahre ich mich ganz entschlossen dagegen, die FPÖ und auch ihren Obmann Heinz-Christian Strache in Verbindung damit zu bringen oder darauf zu schließen, dass man mit einer Abstimmung für Kinderarbeit eintreten würde. (Abg. Neubauer: Unfassbar! – Ruf bei der FPÖ: Geh, bitte!) Das ist intellektuell derart unredlich, Herr Bundesminister, dass Sie vieles in den Schatten stellen, was von Ihren Kollegen insbesondere hier im Haus auch angeprangert wird. Ich verwahre mich wirk­lich entschieden dagegen.

Ich muss auch zu der Diskussion selbst, als wir davon gesprochen haben, was wir an internationalen Vereinbarungen hier abschließen, sagen: Wir in Österreich – um bei einem Vergleich zu bleiben – haben Lipizzaner, und jetzt kommt dann auf einmal eine internationale Organisation daher und sagt: Bitte, Ihr müsst aber eines sagen, diese Lipizzaner müssen erstens Schimmel und zweitens sogar noch weiß sein! Das setzen wir um – und das ist jetzt ein großer politischer Wurf?! – Nein, meine Damen und Her­ren, das ist Augenauswischerei, weil Sie sonst nichts auf die Reihe bringen! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Öllinger, wenn Sie glauben, der FPÖ Ratschläge geben zu müssen, wie wir uns in der politischen Diskussion zu verhalten haben, dann muss ich eines sagen: Sie werden wir sicherlich nicht als Spindoctor für unsere politische Agitation nehmen! Wir wollen nämlich Wahlen gewinnen und nicht so wie Sie verlieren oder auf der Stelle treten! Das sei Ihnen schon auch einmal gesagt. (Beifall bei der FPÖ.)

Und jetzt zu diesen Punkten: Sie sprechen davon, wir hätten da keinen klaren Kurs. Was ist denn Ihr Kurs? – Sie schreiben Mindestlohn und meinen Mindestsicherung. Wir machen einen Unterschied! (Abg. Öllinger schlägt die Hände über dem Kopf zusam­men.)

Bei uns ist der Mindestlohn das, was wir wollen – und die Mindestsicherung das, was wir nicht wollen (Beifall bei der FPÖ), und alles, was Sie sonst noch brauchen zur Armutsvermeidung und Armutsverhinderung, von der Gesamtschule bis zur Ganztags­schule und Ähnlichem, das sind Ihre Programme! (Abg. Öllinger: Oh mein Gott!)

Ja ich muss Ihnen sogar noch sagen: Die Gesamtschule wird das werden, wovon in Zukunft die sozial Stärkeren etwas haben werden, denn das werden diejenigen sein, die ihre Kinder in Privatschulen stecken können. Wenn Ihre Konzepte aufgehen, dann gute Nacht, Österreich! (Beifall bei der FPÖ.)

14.56


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Frau Abgeordnete Haubner zu Wort gemeldet. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.56.28

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zwei An­träge gibt es, die sich mit Armutsbekämpfung beschäftigen, denen wir trotzdem seitens des BZÖ nicht unsere Zustimmung geben werden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 123

Bezüglich der Maßnahmen gegen Armut und Bekämpfung sozialer Ausgrenzung: Die Analyse ist absolut richtig – absolut richtig in der Hinsicht, dass zu wenig unternommen wird. Es sind einige Maßnahmen enthalten, die wir unterstützen können, wie zum Bei­spiel den gesetzlichen Mindestlohn, den One-Stop-Shop bei Sozialleistungen und vie­les andere mehr. Aber was wir nicht unterstützen, ist eine generelle Grundsicherung, und daher werden wir diesem Antrag nicht zustimmen.

Zum zweiten Antrag, der Mindestsicherung 14 Mal ausbezahlt: Für uns stellt sich die Frage nicht, weil wir seitens des BZÖ einen anderen Zugang haben, wenn es darum geht, Hilfe in Notsituationen beziehungsweise bei vorübergehender Arbeitslosigkeit zu leisten. Wir haben unser Modell des sogenannten Bürgergeldes, einer Sozialhilfe, die an eine Gegenleistung gekoppelt ist, und zwar an eine Gegenleistung in Form von Ar­beit, nämlich Arbeit entsprechend der Qualifikation. Das kann gemeinnützige Arbeit oder qualifizierte Teilzeitarbeit sein. Es wird ein einheitlicher Pauschalbetrag an eine Gegenleistung in Form von Arbeit gekoppelt, und wer eine Arbeit nicht annimmt oder nicht arbeiten will, dem wird dieses sogenannte Bürgergeld gekürzt. Es ist damit in Form einer finanziellen Zuwendung ein Anreiz, zu arbeiten, vorhanden. Denn: Leistung soll sich lohnen! Und vor allem soll damit, was ganz wichtig ist, erreicht werden, dass die Menschen nicht zu lange aus dem Arbeitsprozess herausgenommen werden. (Bei­fall beim BZÖ.)

Wenn dieses Bürgergeld umgesetzt wird, dann ist das, glaube ich, eine gute Lösung, ein guter Beitrag dazu, dass Menschen vorübergehend geholfen wird und dass verhin­dert wird, dass Menschen längere Zeit in einem Arbeitslosenprozess verharren und von Almosen der öffentlichen Hand leben müssen. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

14.58

14.58.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht eine der Berichterstatterinnen ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nur zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1095 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1096 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Auch das ist mit Mehrheit angenommen.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung eines Dringlichen Antrages gemäß Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfin­den kann.

15.00.02Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz- und Antikorruptionspaket (1494/A)(E)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selb­ständigen Antrags 1494/A(E).


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 124

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Die zahlreichen, in den letzten Wochen und Monaten ans Tageslicht gekommenen Skandale zeigen den Zustand dieser Republik: Das Vertrauen der BürgerInnen in die Politik sinkt. „In Österreich ist derzeit vieles faul“, sagen 83 Prozent der Österreiche­rInnen laut IMAS-Umfrage. 45 Prozent sind der Meinung, es gebe in Österreich heutzu­tage mehr Korruption als in früheren Zeiten. Ganz oben auf der Liste der Missstände sieht die Bevölkerung die Verschwendung von Steuergeldern. Aktuelle Fälle zeigen die Dringlichkeit des Problems. Sie belegen aber auch die unterschiedlichen Erschei­nungsformen politischer Korruption:

Der Fall Ernst Strasser wirkt wie ein Lehrbuchbeispiel: Ein Abgeordneter fordert Geld, um bestimmte Interessen in parlamentarischen Anträgen durchzusetzen. Derart klar tritt Korruption nur selten auf. Umso schlimmer ist es, dass so ein Verhalten für Ab­geordnete im österreichischen Nationalrat derzeit nicht strafbar wäre. Das Beschä­mende an dem Fall: bereits vor seiner Wahl hat Ernst Strasser öffentlich angekündigt, dass er seinen „Brotberuf“ als Lobbyist im EU-Parlament weiter ausüben wird. Auch die Affäre rund um parteipolitische Postenbesetzungen in Strassers Zeit als Innenminister hätte ein Warnzeichen sein müssen.

Ein anderes Modell politischer Korruption zeigt die freiheitliche Werbeagentur „Con­nect“ in Kärnten: die regierende Partei im Land besitzt eine Firma, die selbst keine Mit­arbeiter beschäftigt. Dennoch verrechnet diese Agentur für angebliche Beratungsleis­tungen tausende Euro an Kärntner Unternehmen. Und zwar im zeitlichen Zusammen­hang mit wertvollen Landesaufträgen an eben diese Unternehmen. Teilweise sollten die Zahlungen dabei sogar direkt in die Parteikasse der FPK fließen. Über all dem steht Parteiobmann Uwe Scheuch, der von nichts gewusst haben will. Das finanzielle „Mit­schneiden“ an öffentlichen Aufträgen, die aus Steuergeldern finanziert werden, schä­digt den Staat auf mehrfache Weise: durch den direkten Verlust an Steuergeldern, durch die Beeinträchtigung des Wettbewerbs und dadurch höhere Preise für die öf­fentliche Hand, und nicht zuletzt durch die schwerwiegende Schädigung des Vertrau­ens in die Politik.

Zur Spitze getrieben wurde dieses System unter der schwarz-blau-orangen Regierung im Freundeskreis Karl-Heinz Grasser. Der Verkauf von zigtausenden Bundeswohnun­gen weit unter ihrem Wert. Die Einmietung von Behörden und Gerichten in neugebaute Luxusimmobilien. Der lukrative Zwischenverkauf von Anteilen der Hypo Alpe Adria an vermögende Investoren. Die „Beratung“ staatsnaher Betriebe in Angelegenheiten, von denen die Berater keine Ahnung haben. Und immer mit dabei als Empfänger von Pro­visionen in Millionenhöhe: engste Freunde des Finanzministers. Niemand weiß, was ih­re Leistung war. Bis heute ist nicht geklärt, wohin die Millionen letztlich geflossen sind. Staatsvermögen wurde versilbert, während befreundete Unternehmen glänzende Ge­schäfte machten. Der Verdacht, dass umfangreiche „Kick-Backs“ an die politischen Verantwortungsträger flossen, ist naheliegend.

Bei diesen freiheitlichen Politikern ist noch zu nennen: Jörg Haider, einst angetreten als vorgeblicher Kämpfer gegen Parteibuchwirtschaft, Bonzen und Privilegien, später Mastermind des blau-orangen Korruptionssumpfes, des Systems Grasser-Scheuch und eifriger Spendensammler in Bagdad und Tripolis. Wenn PolitikerInnen sich an die finanzielle Leine ausländischer Unrechtsregime begeben, dann bedroht dies letztlich die Souveränität unseres Staates.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 125

Subtiler ist da der Fall des Altkanzlers Wolfgang Schüssel: ein Aufsichtsratsposten für einen ehemaligen Bundeskanzler, das mag auf den ersten Blick unverdächtig klingen. Die betreffende Aktiengesellschaft ist jedoch ein führendes Kernkraftunternehmen. Die Bezüge für diese Position sind höher als der Bezug, den Wolfgang Schüssel für sein Mandat im Nationalrat bezieht, und zwar gewinnabhängig: je mehr Atomstrom gewinn­bringend verkauft wird, umso mehr verdient Schüssel. All das lässt die Tätigkeit Schüs­sels für die deutsche RWE doch in einem höchst zweifelhaften Licht erscheinen. Für die Zukunft wird daher eine Neudefinition der Offenlegung solcher Interessenskonflikte für Abgeordnete dringend erforderlich sein.

Die Grünen werden weiter ihre Finanzen offen legen und auf der Seite der Bevölkerung glaubwürdig gegen Korruption und Steuergeldverschwendung ankämpfen. Politische Korruption ist kein Kavaliersdelikt. Sie muss konsequent bekämpft werden. Dazu braucht es strenge gesetzliche Regelungen und Strafbestimmungen.

Es bedarf daher einer Transparenz- und Anti-Korruptionsoffensive:

1. Saubere PolitikerInnen

a) volle Transparenz für alle Arten von PolitikerInnen-Einkünften

Alle Einkünfte und Nebeneinkünfte von PolitikerInnen – auch geldwerte Leistungen wie Urlaubseinladungen – müssen offen gelegt werden. Verstöße gegen die Offenlegungs­pflicht sollen strengen Sanktionen unterliegen. Bei wiederholter Verletzung der Offenle­gungspflicht soll als letzte Konsequenz Mandats- oder Amtsverlust drohen.

b) Abgeordnetenbestechung – keine Sonderrechte für Mandatare

In Österreich haben bestechliche Abgeordnete keine Sanktionen zu befürchten. Das hat auch die Affäre Strasser wieder gezeigt. Wäre Strasser Nationalratsabgeordneter, würden seinen Aktivitäten keinerlei strafrechtliche Konsequenzen folgen. Hintergrund ist der, dass im österreichischen Strafgesetzbuch die Abgeordneten immer dann von der Strafbarkeit ausgenommen sind, wenn es um Vorteilsannahme im Zusammenhang mit einer pflichtgemäßen Vornahme eines Amtsgeschäftes geht (zB Einbringen von Anfragen oder Anträgen). Bei der pflichtwidrigen Vornahme von Amtsgeschäften unter­liegen die Abgeordneten zwar dem Strafgesetzbuch, damit wurde jedoch im Som-
mer 2009 ein reiner Scheintatbestand geschaffen. Zwar wurden Abgeordnete in den Amtsträgerbegriff einbezogen, aber gleich wieder mit einem Korruptionsprivileg ausge­stattet. Abgeordnete machen sich künftig nur strafbar, wenn sie gegen Geld ihr Stimm­verhalten verkaufen oder die Pflichten nach der Nationalrats-Geschäftsordnung ver­letzten. Klingt gut – ist aber harmlos. Die Abgeordneten haben nämlich nach § 11 der Geschäftsordnung nur eine Pflicht: die Anwesenheitspflicht. Damit ist gesichert, dass kein österreichischer Abgeordneter jemals verurteilt werden wird.

c) Verbotene Geschenke

Wiederholte Geschenke an Amtsträger – im Fachjargon auch als Tatbestand der „An­fütterung“ bezeichnet – schaffen Abhängigkeiten. Bis zum Sommer 2009 war jede Ge­schenkannahme durch Amtsträger im Hinblick auf die Amtsführung strafbar. Ein kon­kreter Zusammenhang zwischen Geschenkannahme und konkretem Amtsgeschäft war nicht notwendig. Die diesbezüglichen Strafbestimmungen wurden 2009 bis zur Un­kenntlichkeit entschärft. Die neue Regelung ist de facto nicht vollziehbar. Es braucht ein wirksames Verbot für Geschenkannahmen durch AmtsträgerInnen nach internatio­nalen Standards.

d) Alle „Amtsträger“ erfassen

Ausgenommen von diversen Strafrechtsbestimmungen für Amtsträger sind staatsnahe Unternehmen: Das betrifft zB Post, ÖBB, ASFINAG, ORF, die öffentlich-rechtlichen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 126

Kammern und zum Teil öffentliche Spitäler. Auch die Organe staatsnaher Unterneh­men müssen zukünftig in den Amtsträgerbegriff integriert werden.

e) Vermögensverhältnisse der MinisterInnen prüfen

MinisterInnen müssen derzeit dem Rechnungshof ihre Vermögensverhältnisse mittei­len. Der Rechnungshof hat aber keinerlei Handhabe, die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Meldung zu prüfen. Der Rechnungshof muss die Vermögensverhältnisse von MinisterInnen prüfen dürfen, um auffällige Vermögenszuwächse festzustellen und ver­öffentlichen zu können.

f) Stopp für schamlose Beraterverträge

Der Beraterwildwuchs der Ministerien, oftmals ohne überprüfbare Gegenleistung, muss eingedämmt werden. Wo immer möglich, sollen interne Ressourcen statt teurer ex­terner Berater genutzt werden. Für externe Beratungsverträge im öffentlichen Bereich braucht es klare Kriterien und Obergrenzen. Beraterverträge der öffentlichen Hand müssen begründet und jährlich dem Nationalrat berichtet werden.

g) „Abkühlphase“ für Regierungsmitglieder vor Wechsel in ressortnahe Privatwirtschaft

Regierungsmitglieder sollen nicht unmittelbar nach der Amtsperiode bei privaten Unter­nehmen anheuern dürfen, deren Tätigkeit im Einflussbereich der früheren Regierungs­funktion steht. Daher: Abkühlphase für ein Jahr.

2. Glasklare Parteikassen

a) Spendenverbote

Ein Spendenverbot an Parteien soll für Unternehmen gelten, die öffentliche Aufträge bekommen oder sich um solche bewerben.

Bei Körperschaften öffentlichen Rechts und bei freiwilligen oder gesetzlichen Interes­sensvertretungen wird ein generelles Parteispendenverbot eingeführt, da diese Einrich­tungen sich ihrerseits aus Mitgliedsbeiträgen oder Spenden finanzieren. Ein derartiges Spendenverbot bewirkt auch, dass im Wege dieser Einrichtungen künftig keine „Spen­denwäsche“ mehr betrieben werden kann.

b) Verbot der Spendenwäsche

In Deutschland steht das „Spendenweißwaschen“ über Interessensvertretungen unter Strafe. In Österreich immer noch auf der Tagesordnung. Parteispenden von Dritten über Interessensvertretungen weiß zu waschen, um politische Abhängigkeiten zu ver­schleiern, muss verboten werden.

c) Parteispenden lückenlos offen legen

Spenden über 7.000 Euro müssen unverzüglich im Internet offen gelegt werden. Alle Spenden über 500 Euro müssen in einem jährlichen Jahresbericht transparent ge­macht werden. Anonyme Spenden über 500 Euro werden verboten. Unter den Begriff Spende ist dabei alles zu subsummieren, was einen Vorteil bringt, also Geld- und Sachspenden ebenso wie Personalüberlassungen und Rabatte. Unter dem Begriff Partei ist alles zu subsummieren, was einer Partei zuzuordnen ist, also auf Bundes- Landes- und Gemeindeebene, Bünde, Vereine und wahlwerbende Parteien.

d) Strafbestimmungen

Illegale Parteienfinanzierung und Verstöße gegen Spendenverbote und Transparenz­bestimmungen müssen strafbar werden. Die Strafen müssen empfindlich sein. Ange­messen wäre zunächst eine Kürzung der Parteienförderung bei der nächsten Auszah­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 127

lung um das Dreifache der Höhe der illegalen Parteispende. Gleichzeitig müssen straf­rechtliche Konsequenzen folgen.

e) Tatsächliche Prüfkompetenz für den Rechnungshof

Der Rechnungshof nimmt derzeit die Meldung über Parteispenden entgegen, darf mit dieser Information allerdings nichts tun. Schlimmer noch: Er kann nicht einmal prüfen, ob diese Meldungen richtig und vollständig sind. Der Rechnungshof muss künftig prü­fen und veröffentlichen dürfen, welche Spenden die Parteien bekommen.

f) Parteien-Rechenschaftsberichte, die Ihren Namen verdienen

Die Rechenschaftsberichte der Parteien müssen Aussagekraft bekommen. Umfassen­de konsolidierte Darstellungen über Einnahmen, Ausgaben und Schuldenstände der Gesamtparteien inklusive Teil- und Vorfeldorganisationen und Parteifirmen werden ge­setzliche Pflicht.

g) Offenlegung und Deckelung von Wahlkampfkosten

Die von den Parteien angegebenen Wahlkampfausgaben entsprechen meist nicht der Realität. Es braucht daher einen Deckel und volle Transparenz bei Wahlkampfkosten.

h) Seriöse Information statt Regierungswerbung auf Steuerzahlerkosten

Die Bundesregierung verwechselt allzuoft bewusst Information mit parteipolitischen Imagekampagnen. Die Regierung soll daher ab sofort auf die Schaltung von jeglichen Inseraten verzichten. Ausgenommen davon sollen nur Inserate sein, die reine Infor­mationen (z. B. des Außen- oder Innenministeriums über die Ausübung des Wahl­rechts oder in Notfällen etc.) im notwendigen Ausmaß zum Inhalt haben. Reine Image­werbungen von BundesministerInnen mit Porträtfotos, persönlichen Texten und der­gleichen sollen jedenfalls unzulässig sein. Öffentlichkeitsarbeit und Druckkostenbeiträ­ge der Bundesregierung müssen als solche gekennzeichnet sein. Bei Informationstätig­keiten des Bundes dürfen einzelne Medien nicht ohne Begründung bevorzugt werden. Die Einhaltung dieser gesetzlichen Regelungen muss laufend vom Rechnungshof ge­prüft werden.

3. Lobbyisten an die Leine nehmen

a) Umfassendes und öffentlich einsehbares Lobbyregister einführen

Lobbyisten agieren in Österreich in einer Grauzone. Sie müssen weder deklarieren, dass sie als Lobbyisten tätig sind, noch in wessen Auftrag, noch welche Mittel ihnen zur Verfügung stehen. Das Lobbyregister muss verpflichtend sein und neben dem Na­men des Lobbyisten die Namen seiner Auftraggeber und die von diesen zur Verfügung gestellten Budgets beinhalten. Das Register muss alle Personen, Vereinigungen und Unternehmen umfassen, die auf den politischen Entscheidungsprozess oder die Ver­waltung oder von der öffentlichen Hand dominierten Unternehmen Einfluss zu nehmen versuchen. Das Register muss öffentlich sein und vom Parlament kontrolliert werden.

b) Unvereinbarkeitsbestimmungen

Berufliche Lobbyistentätigkeit und politisches Mandat sind unvereinbar. Das muss ge­setzlich geregelt werden. Keine PolitikerIn darf gleichzeitig ein Lobbybüro betreiben oder aktiv als Lobbyist für ein solches tätig sein.

c) Sanktionen und Berufsverbot

Unvollständige oder falsche Meldungen zum Lobbyistenregister müssen mit empfindli­chen Strafen und im Wiederholungsfall mit Berufsverbot für den betroffenen Lobbyisten geahndet werden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 128

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die alle in der Begründung ge­nannten Punkte eines umfassenden Transparenz- und Antikorruptionspakets beinhal­tet, insbesondere

Sicherstellung voller Transparenz für alle Arten von Einkünften bei PolitikerInnen;

Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung und Verschärfung bei Geschenkannahme und ,Anfütterung‘;

Sicherstellung voller Transparenz bei Spenden an Parteien; Überprüfung durch den Rechnungshof;

Spendenverbote für Unternehmen, die öffentliche Aufträge bekommen oder sich um solche bewerben sowie für freiwillige oder gesetzliche Interessensvertretungen; Sicher­stellung mittels entsprechender Sanktionen bzw. Strafdrohungen;

Offenlegung und Deckelung von Wahlkampfkosten;

seriöse Information statt parteipolitischer Regierungswerbung auf Steuerzahlerkosten und

ein transparentes und verpflichtendes Lobbyistenregister.“

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm § 93 Abs. 1 GOG verlangt.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Mag. Kogler als Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort.

Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht über­schreiten. – Bitte.

 


15.00.35

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wer es jetzt nicht verstanden hat, dem sei gesagt: Jetzt muss einmal Schluss sein! Es reicht! Wir sind endgültig in der Gesellschaft der Leis­tungslosen, in der „Wo-war-meine-Leistung?-Gesellschaft“ angekommen, wie ich mei­ne. Das kann sich jetzt alles am Schluss nicht mehr ausgehen, dass wir so tun, als ob alles in Ordnung wäre.

Meine Damen und Herren, von der ÖVP im Besonderen – Klubobmann Kopf, auf Ihre wunderbare Initiative zur Ethik in der Politik und speziell innerhalb der ÖVP werden wir ja anschließend noch zu sprechen kommen! –: Es muss also einmal Schluss sein!

Wir starten hier mit diesem Dinglichen Antrag auch die Aktion „Saubere Hände“. (Zwi­schenruf des Abg. Dr. Stummvoll.) Diese Aktion in diesem Antrag muss insbesondere die Fragen nach den Transparenzbestimmungen, nach den Antikorruptionsbestimmun­gen und last but not least – eigentlich zuallererst mittlerweile wieder – nach einer funk­tionierenden Justiz beinhalten. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Erst vorgestern haben wir wieder einen Fall gehabt, wo ganz offensichtlich ist, dass die Justiz beide Augen zumacht, wenn es um die Verfolgung von offenkundig korrupten Vorgängen geht. – Aber der Reihe nach!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 129

Österreich ist tragischerweise in den letzten Jahren, was das internationale Ranking in Antikorruptionsangelegenheiten betrifft, immer weiter zurückgefallen. Das weisen die entsprechenden Unterlagen von Transparency International aus. Es ist aber auch so – und das sollte Ihnen überhaupt nicht egal sein –, dass auch die Antikorruptions-Staa­tengruppe des Europarates, GRECO, Österreich ganz oben auf der Sünderliste hat.

Ich greife zuerst einmal die Offenlegung – man müsste eigentlich sagen: die Geheim­haltung – von Parteispenden in Österreich heraus. Es ist so, dass Österreich hiebei mit Abstand das Schlusslicht in Europa ist. Und die Frage der Parteispenden respektive deren Offenlegung ist eine der wichtigsten Korruptionsbekämpfungsmittel, wenn man es denn richtig macht.

Da sind wir aber überhaupt nicht alleine mit dieser Meinung. Nicht nur die internatio­nalen Organisationen weisen immer stärker darauf hin, wo wir da in Österreich mitt­lerweile gelandet sind, nein, es sind auch andere, hier in Österreich, wenn Sie denen mehr Glauben schenken wollen.

Ex-Rechnungshofpräsident Fiedler: „Es gibt hier“ in dem Land „eine [...] Bestechungs­kultur.“ – Wörtliches Zitat!

Franz Fischler sagte erst vor zwei Tagen – lassen Sie das auf der Zunge zergehen! (Zwischenruf des Abg. Rädler) – Da sollten Sie nicht so widersprechen! –: Als „Land, in dem man es faustdick hinter den Ohren hat“ – gemeint ist Österreich, dann macht er quasi einen Gedankenstrich –: Korruption gibt es zwar auch in anderen europäischen Ländern, aber nirgendwo sonst in der EU laufen so viele „Bananenrepublikaner“, wie er sich ausdrückt, frei und – Frau Ministerin! – vor allem unbehelligt von der Justiz herum. Das wird in Europa natürlich registriert.

Und das ist vermutlich auch ein guter Hinweis, dass Sie hier einmal ein bisschen mun­terer werden können. (Beifall bei den Grünen.)

Josef Urschitz in der „Presse“ beschreibt die letzten zehn Jahre beziehungsweise die Gegenwart – auch bezüglich der Fragestellungen: Transparenz, Antikorruption, funktio­nierende Justiz und damit verbunden Offenlegung aller „Politikerumstände“, vor allem Gehaltsumstände, Offenlegung der Parteispenden und auch die Frage des Lobbyis­mus – folgendermaßen und fasst diese Sache so zusammen:

„In den Geschichtsbüchern wird die schwarz-blaue Ära dann nicht als Zeit zaghafter Reformen“ und so weiter eingehen, „sondern“ – und jetzt kommt es! – „als Periode un­glaublich aufblühender Korruption“.

So, und jetzt zu uns und zu diesem Antrag, wo Sie heute wohl schleunigst zustimmen sollten!

Urschitz wieder: „Die Zeit danach wird als jene Periode gelten, in der Vertuscher“ – vor allem aus den Regierungsparteien – „ganze Arbeit geleistet haben.“

Ich glaube, das sind ganz passable Ingredienzien zu dem Vorhaben, das wir hier ha­ben. Noch einmal: Österreich ist in vielen dieser Bereiche Schlusslicht. Österreich muss jetzt einmal etwas tun. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich weiß nicht, warum Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, hier schon so zu gestikulieren anfangen! Ich frage mich, was das wert ist, wenn Sie vor zwei Tagen noch einen sogenannten – wenden wir uns also gleich an dieser Stelle einmal dem Ding zu! – Kodex für Ethik in der Politik beschlossen haben. Tun Sie nicht „herum­wacheln“, wenn das ohnehin lauter Zitate von Leuten sind, die Ihnen eigentlich nahe­stehen sollten!

Sie sagen – wir wollen uns einmal ein bisschen an die Struktur der ÖVP halten, obwohl das nicht immer das Gescheiteste ist, aber wenn Sie schon einmal einen Kodex zur Antikorruption herausgeben, schauen wir, was Sie da drinnen haben! –:


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„Deshalb treten wir“ – Sie haben das nämlich einstimmig beschlossen, also vermutlich auch die gestikulierenden Zwischenrufer – „geschlossen ein für“ – ich zitiere nur aus­zugsweise –: „eine Anhebung der Standards des österreichischen Anti-Korruptions-Strafrechts für politische Mandatsträger“ (Beifall des Abg. Dr. Stummvoll.) – Bravo! – „die Schaffung eines Lobbying-Gesetzes, in dessen Zentrum ein Lobbyisten-Register stehen soll,“ (demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP) – Bravo! – und am Schluss „die Offenlegung von Parteispenden“. Denen werden wir uns ja noch geson­dert zuwenden. (Abg. Brosz: Kein Applaus bei der ÖVP!)

Wenn Sie jetzt den Antrag, der heute dringlich behandelt wird und wo Sie anschließend zustimmen können, anschauen, dann werden Sie entdecken, dass er zur Erfüllung dieser Aufgaben – Transparenz-Regelung, Antikorruptionsbestimmungen und letztlich funktionierende Justiz – genau diese drei Bereiche, und zwar aufgegliedert in viele De­tails, beinhaltet, nämlich die Offenlegung der Umstände rund um Politiker-Vermögen und -Einkommen, zweitens die Offenlegung der Parteispenden und die näheren Be­stimmungen und drittens das von Ihnen geforderte Lobbying-Gesetz – also die Anre­gung dazu, dass ein solches geschaffen wird, nämlich eingebracht von der Justizmi­nisterin über die Bundesregierung –, vor allem aber die Offenlegung eben der Partei­spenden.

Wenn wir jetzt die Sache von der anderen Seite her anschauen und uns fragen: Wa­rum ist es in diesem Land so weit gekommen?, dann, Frau Bundesministerin, können wir die Justiz hier nicht auslassen, ja wir können sie nicht einmal freisprechen, sondern wir müssen Ihnen und der Justiz hiebei entweder eine gewisse Komplizenschaft für diese ganzen Vorgänge vorwerfen oder aber, dass Sie nichts verstehen wollen oder auch nicht können.

Vor zwei Tagen war es die Staatanwaltschaft Wien – um einmal konkrete Beispiele zu bringen –, die die Einstellung der Verfahren gegen mögliche Beschuldigte rund um den Beschaffungsvorgang der Abfangjäger, also letztlich die Eurofighter-Anschaffung, mit abenteuerlichen Begründungen durchgeführt hat, die etwa für die Firma der Frau des – wer sich noch erinnern will! – Herrn „Airchief“ Wolf – nämlich bezüglich des Lobbyisten Steininger, der 1 : 1 nur die Millionen von EADS/Eurofighter weiterverteilt hat – nichts anderes als Begründung öffentlich vorbringen kann und bis heute keine andere nach­geliefert hat, wenngleich schon überall, auch öffentlich, eingefordert, dass möglicher­weise ja der Herr Wolf nicht gewusst hat, dass die Firma der Frau Wolf von seinem Freund oder von ihrem gemeinsamen Freund Steininger, der als EADS-Eurofighter-Lobbyist 100 Millionen zur Weiterverteilung, und zwar ganz eindeutig, und noch ein paar dazu entgegengenommen hat, so eine Zuwendung bekommen hat. Und deshalb wird eingestellt, und dafür brauchen die ein paar Jahre. Das ist doch unglaublich!

Es kommt aber noch dicker: Es gibt ja weitere Firmen im Firmengeflecht Wolf. Es ist auch eine Zahlung von 1 Million für eine Firma eingegangen, für die er, Wolf, als Ge­sellschafter gehaftet hat, und zwar Länge mal Breite. Diese Firma hat im Kontext mit Flugvorführungen anständig Schulden angehäuft. Was passierte? – Eine Zahlung von 1 Million. Im Untersuchungsausschuss ist das alles klar zutage getreten. Die Begrün­dung für die Zahlung – das muss man wieder einmal auf der Zunge zergehen lassen! – von Steininger, vom Lobbyisten, war, ja, er hätte eigentlich hier einen Beratervertrag mit der Familie – ist gleich Firmengeflecht Wolf – gehabt, weil er, Steininger, auch in die Branche der Veranstaltung von Luftfahrtvorführungen, vulgo Flugshows, einsteigen will.

Er, Steininger, wollte auch Flugshows veranstalten, hat deshalb die Expertise der Wolfs gebraucht. Und als wir dann im Untersuchungsausschuss gefragt haben: Ja und, wie war diese Beratungsleistung?, ist erklärt worden: Ja, noch hat diese Beratungsleis­


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tung nicht stattgefunden! Ob sie stattfinden wird? – Das weiß er, Steininger, nicht, denn möglicherweise ruft er die Leistung noch ab, aber bis dahin hat er sie nicht abgerufen.

Es ist die Frage, ob die Staatsanwaltschaft dem jemals nachgegangen ist, ob dieser Millionenüberweisung überhaupt irgendeine Art von Gegengeschäft, irgendeine Art von Leistung zugrunde liegt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Bucher: Wo war die Leis­tung?) Na, selbstverständlich nicht! Möglicherweise haben sie aber alle voneinander nicht gewusst, was sie da tun! Also, sie verschieben die Millionen einfach so, wissen nichts voneinander, und deshalb werden die Erhebungen eingestellt. – Na, gratuliere!

Jetzt aber das Schlechteste am Schluss: Es war die Agentur Rumpold (Ruf bei der ÖVP: Ein Freiheitlicher!), die ihrerseits 100 Millionen – insofern hat Steininger natürlich mehr zur Verteilung bekommen – für diverse Tätigkeiten überwiesen bekommen hat. Das war nicht einmal genau beschrieben. Der Vertrag verdient den Namen nicht.

Was ist mit den 100 Millionen passiert? – Das ist bis heute in Wahrheit gar nicht klar. Aber was wir im Untersuchungsausschuss durch die Öffnung der Steuerakte – nicht der Konten, darauf wird noch einzugehen sein – zustande gebracht haben, war, dass von diesen 100 Millionen ein Drittel in irgendeiner Form verwendet wurde – und selten passt der Begriff „irgendwie“ so gut – und zwei Drittel überhaupt nicht nachgewiesen wurden, also quasi ein Gewinn für die Agentur Rumpold.

Zunächst zu dem Drittel, das irgendwie mit Rechnungen – und wir wissen es ganz ge­nau; für den, der sich erinnern will –, mit Scheinrechnungen überhaupt nur belegt wur­de: Da war die Pressekonferenz um 100 000 € drinnen. Eine Pressekonferenz um 100 000 €, über 1 Million Schilling! Ja, glaubt das irgendjemand? Das ist doch unglaub­lich! Und die anderen Rechnungen waren nicht viel besser.

Einen realen Charakter hat überhaupt nur eine Kategorie von Leistung gehabt, bei der ein paar Inserate in Sonntagszeitungen gekauft wurden. Das muss man sich dann so vorstellen, dass in den Sonntagszeitungen Eurofighter-/EADS-Inserate mit lustig flie­genden Eurofightern drinnen waren (Zwischenrufe bei der ÖVP), weil es ja bekannter­maßen so ist, dass die Menschen in Ihrem Wahlkreis zum Beispiel, geschätzter Herr Zwischenrufer, wenn sie von der Kirche nachhause gehen und sich auf ihr Schnitzerl freuen, sich überlegen, ob sie sich zwischenzeitlich nicht einen Eurofighter bestellen. Deshalb müssen sie in der Sonntagszeitung nachschauen, ob hier etwa ein entspre­chendes Inserat auftaucht. Das ist doch völlig hanebüchen!

Wir müssen am Schluss feststellen: 100 Millionen sind zu einem geringen Teil dazu verwendet worden, um Meinung und sozusagen Zeitung zu kaufen. Der nächste Teil war nur dazu da, mit fingierten Rechnungen irgendwelche Scheinleistungen zu be­haupten, vorzutäuschen. Und mit dem hat man dann auch aufgehört, aus welchen Gründen auch immer, denn bei zwei Drittel des Geldes ist bis heute – so behaupte ich – nicht bewiesen, wo es hingegangen ist.

Die Behauptung der Rumpolds war: Das war ein Gewinn! Der branchenübliche Gewinn ist dort, wo sich die Firma Rumpold herumtreibt, offensichtlich zwei Drittel vom Umsatz. Wer glaubt denn das?

So! Schlimm genug! Alles hier schon da gewesen, alles im Untersuchungsausschuss gewesen. Aber was, Frau Justizministerin, tut die Staatsanwaltschaft? Wo waren die Kontenöffnungen? Wo waren die Hausdurchsuchungen? Sollen wir Ihnen die Adressen von den Herrschaften vier Jahre später noch geben? Wo war das alles? Wieso werden bei uns die Tierschützer verfolgt, aber wieso gibt es da keine Hausdurchsuchungen? (Beifall bei den Grünen.)

Es ist ja nicht aus – man glaubt es ja nicht! Die Begründung der Staatsanwaltschaft – und ich bitte Sie inständig, diesbezüglich wirklich Stellung zu nehmen, dass das ja wohl


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nicht sein kann – zu diesem speziellen Vorgang war, es sei ja auch nicht die Möglich­keit oder Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Marktvorgänge festzustellen, marktübliche Preise nachzuvollziehen und überhaupt und so weiter und so fort.

„Marktübliche Preise nachzuvollziehen“: Ja, was soll denn das für eine Staatsanwalt­schaft sein? Das ist ja noch viel ärger, als das der Abgeordnete Pilz behauptet hat! Er hat ihnen Komplizenschaft vorgeworfen. Es ist ja noch ärger! Das ist ja unglaublich! Das ist ja entweder nur Dummheit, denn wenn es irgendetwas gibt, was einmal in der ersten Etappe, im erstes Semester „Korruption“ vorkommt, sind das überhöhte Rech­nungen. Das versteht doch jeder! Und dann kommt die Staatsanwaltschaft daher und sagt, es sei nicht ihre Aufgabe, zu prüfen, was Marktpreise sind?! – Das ist doch un­glaublich!

Wenn da nichts geschieht, dann können wir uns überhaupt von allem verabschieden. Ich entnehme allerdings den Medien, dass das Ganze noch einmal zumindest auf in­direkte Art und Weise einer Überprüfung zugeführt werden soll. Das ist auch das Min­deste, was wir erwarten. Sie werden aber noch erklären müssen, warum es da eben keine Hausdurchsuchungen, keine Kontenöffnungen und so weiter und so fort gegeben hat.

Wir wissen auch ganz genau, dass Transparency International und GRECO genau diese Vorgänge vor Augen haben. Es hat auch Berichte gegeben, wo eigens erwähnt wurde, warum eigentlich in diesem Land nichts weitergeht und warum aus den Ergeb­nissen des Untersuchungsausschusses zum Ankauf von Abfangjägern nicht mehr ge­macht wurde, warum die Staatsanwaltschaft da nichts unternommen hat. Die Dinge sind ja zum Teil in öffentlichen Protokollen nachvollziehbar. Ich verstehe überhaupt nicht, warum da nicht mehr passiert ist.

Deshalb ist es, so glaube ich, bezüglich dieser Fragestellung, dass wir im Antikorrup­tionsbereich mehr weiterbringen, nach der maximalen Offenlegung und Transparenz, neben den Bestimmungen über die Gehälter und die Offenlegung von Gehältern von Abgeordneten und Ministern und diesem Lobbying-Register, das Sie ja selbst jetzt in der Öffentlichkeit annonciert haben, noch viel wichtiger und unabdingbar notwendig, dass die Justiz endlich einmal funktioniert, denn sonst können wir uns all das andere auch in die Haare schmieren. Das kann so nicht weitergehen! (Beifall bei den Grünen.)

Die Justiz hat ja auch im Fall Grasser – Grasser, Meischberger, Hochegger – lange Zeit nur zugeschaut. Es war ja letztlich das Parlament hier, das mit den entsprechen­den Unterausschüssen den Stein ins Rollen gebracht hat, das dieses ganze Netzwerk Hochegger, Meischberger und Plech schon einmal zusammengestellt hat, ein Mosaik aufgebaut hat, sodass die Staatsanwaltschaft überhaupt einmal irgendetwas in dieser Richtung zu tun gehabt hat.

Dann hat es eine Geschichte gegeben, die mit dem gar nichts zu tun hat. Ein Zufalls­treffer hat dazu geführt, dass die Konten so weit geöffnet wurden, dass klar geworden ist, dass Hochegger und Meischberger Zahlungen bekommen haben. Aber die Justiz hat lange nichts getan, obwohl es klare Hinweise gegeben hat. Einzelne Abgeordnete haben Sachverhaltsdarstellungen geliefert, also die hat es gegeben. Und dann ist wie­der nichts weitergegangen. Erst der Druck des Parlaments – und da muss ich sagen: Wo sind wir denn überhaupt hingekommen, dass das Parlament die Justiz unter Druck setzt?! – hat dazu geführt, dass etwas weitergeht.

Insofern müssen wir darauf vertrauen und darauf drängen, dass das einmal in die Ge­rade kommt, damit folgende Punkte, die wir hier in diesem Antrag drinnen haben, auch wirklich ihre Entfaltung tun können – und das ist jetzt relativ schlicht und ganz klar –: die Offenlegung der Politikereinkommen, vor allem der Abgeordneten. Die Frau Präsi­dentin hat ja neulich erwähnt, dass sie bei allen Fraktionen eine gewisse Zurückhaltung


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ortet. Wir werden das gleich heute bei der Zustimmung dieses Antrags anders bewei­sen können. Ich darf nur für die grüne Fraktion festhalten, dass wir freiwillig – nachzu­lesen auf der Homepage der Grünen – immer schon unsere Einkünfte und Nebenein­kommen – wenn Sie den Begriff so wollen – offenlegen.

Der zweite Punkt ist auch vollkommen klar: Der Tatbestand der Abgeordnetenbeste­chung gehört endlich so geregelt, Frau Bundesministerin, dass er diesen Namen ver­dient. Wir haben ja bei uns Zustände – auch juristisch gedeckt –, wo das, was Ernst Strasser zum Verhängnis wurde – und sein Verhalten ist ja ausführlich nachzulesen und anzuschauen gewesen –, bei uns nicht einmal unter Strafe gestellt ist. Das wäre ganz normal. Das wäre ganz legal, weil man sich bei uns nämlich dafür kaufen lassen kann, dass man einen Antrag einbringt, weil das Einbringen von Anträgen zu den „Pflichten“ – unter Anführungszeichen – von Abgeordneten gehört. Nur bei einer pflicht­widrigen Tätigkeit müsste man den Abgeordneten erwischen. Wie soll denn das ge­hen? Das ist ein zahnloses Gesetz! Das ist absichtlich so gemacht. Bitte sanieren Sie das in dem Entwurf, den wir heute von Ihnen verlangen!

Schlimmer ist das noch beim „Anfütterungsverbot“! Da ist erst bei der jüngsten Novelle alles herausgenommen worden. Natürlich spielt es eine Rolle, ob irgendjemand – ob es hohe Amtsträger sind oder auch Politiker, Minister – regelmäßig, ständig Geschen­ke bekommt. Das gehört verboten. Das muss doch vollkommen klar sein. Dann erüb­rigen sich manch andere Fragen. (Beifall bei den Grünen.)

Letztlich zur Offenlegung der Parteispenden in diesem Kontext: Meine Damen und Herren von der ÖVP, wenn Sie das schon aufnehmen, dann darf ich Sie schon daran erinnern, dass es die ÖVP ist – und im Windschatten der ÖVP die SPÖ –, die Jahr und Tag die Fortschritte in den Verhandlungen zu den Offenlegungen der Parteienfinanzie­rung verhindert. Bei der letzten Initiative, wo wir jetzt im Haus auf Klubobleuteebene das verhandeln, war es so, dass die ÖVP auf dem Vorschlag beharrte – deshalb wird das nichts, wenn Sie sich nicht bewegen! –, dass die Bünde und die Landesorganisa­tionen ausgenommen sind. Was bleibt denn von Ihrer heiligen Partei überhaupt noch über, wenn Sie die Bünde und die Landesorganisationen wegtun? (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Das können Sie doch vergessen. Das ist ein Riesenschmäh. Das hat uns GRECO auch schon ausgerichtet, denn die haben diesen Unsinn ja schon über­mittelt bekommen.

Das können Sie alles wegschmeißen! Also seien Sie ehrlich! Das, was Sie bis jetzt ab­geliefert haben, ist der Gipfel der Scheinheiligkeit. Und es passt dieser Ausdruck hier so gut wie selten zuvor, sage ich auch noch bewusst dazu.

Also bewegen Sie sich, sonst ist das alles nichts! Deshalb vertrauen wir auch nicht mehr auf die Verhandlungen unter den Fraktionen. Frau Ministerin, legen Sie hier ir­gendetwas vor, was Hand und Fuß hat! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rädler: Schwachsinn!)

Letzter Punkt: Die Zustände in Kärnten kann man ja im „NEWS“ nachlesen. Ich sage Ihnen nur: Selten zuvor – und auch wieder in so primitiver Weise; wie das in Österreich überhaupt funktioniert? – ist eine Briefkastenfirma einer Partei zuzurechnen. Ja, Herr Strache, so ist es, die haben Sie sich eingekauft: eine Briefkastenfirma, die nichts an­deres zu tun hat, als Schmiergeld einzusammeln. Dem steht keine Gegenleistung ge­genüber. Da sind nicht einmal Angestellte, die irgendetwas tun. Da werden aber stän­dig Beraterhonorare verschickt an Firmen, die Aufträge bekommen haben. Ja, was ist denn das sonst? Ein Blinder mit dem Krückstock greift, was da gespielt wird.

Also, Frau Bundesministerin, tun Sie etwas! Wir werden jedenfalls weiter die Initiative ergreifen und mit gutem Beispiel voranschreiten. (Beifall bei den Grünen.)

15.20



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 134

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin für Justiz Mag. Bandion-Ortner zu Wort gemeldet. Die Redezeit sollte 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


15.21.08

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Danke schön, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Kolle­gin! Ja, Korruption ist Gift für Gesellschaft und Staat, und wir müssen den Giftmischern das Handwerk legen. Keine Frage.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Justizministerium und vor allem ich werden da­zu beitragen, dass Missstände ausgeräumt werden, dass wieder mehr Anständigkeit einkehrt in Wirtschaft und in Politik! (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei den Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte die Speerspitze im Kampf gegen Korrup­tion sein. (Neuerliche ironische Heiterkeit bei den Grünen.) – Sie brauchen gar nicht zu lachen! – Die Menschen denken sich zu Recht, dass hier so einiges nicht passt und dass man mit einigen Dingen aufräumen muss in Österreich. Und das werden wir tun!

Nummer eins: Lobbyistengesetz. – Ich habe es bereits angekündigt. Das Thema ist mehr Transparenz, mehr Offenlegung. Jeder Lobbyist soll sich in ein Register eintra­gen müssen. Es müssen die Ziele, die Auftraggeber bekanntgegeben werden – das sind meine Vorstellungen –, es soll ein Verhaltenskodex aufgestellt werden, es soll Hono­rarempfehlungen geben und es soll Sanktionen geben. Es sollen saftige Geldstrafen möglich sein.

Worum geht es denn eigentlich bei diesem Lobbyistengesetz? – Sehr geehrte Damen und Herren, es geht genau um diese 5 Millionen für ein dünnes Konzept. Es geht ge­nau um 1 Million für mehrere Telefonate. Es geht um die berühmte Frage: Was war meine Leistung? Darum geht es. Und dieses Lobbyistengesetz wird für mehr Transpa­renz in diesem Bereich sorgen.

Das nächste Thema sind die Antikorruptionsbestimmungen. Wir haben erstmals in der Novelle 2009 den Amtsträgerbegriff ausgeweitet auch auf Abgeordnete. Wenn es dies­bezüglich eine Präzisierung, eine weitere Ausweitung geben soll: Ich bin zu allem be­reit. Ich werde diesbezüglich auch am Dienstag in der Früh ein Gespräch mit den Klub­obleuten führen, auch mit Ihnen von der Opposition. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Es gibt eine gute Tradition im Haus, dass das die Klubobleute ohne Minister orga­nisieren!) Ich werde gerne Ihre Ratschläge entgegennehmen. Es geht ja um Sie, sehr geehrte Damen und Herren, um die Abgeordneten! Deswegen werde ich zuerst mit Ihnen darüber sprechen. Und ich werde am Montag auch ein Gespräch mit dem Herrn Bundespräsidenten und mit dem Präsidenten des Rechnungshofes zu diesem The­menbereich Lobbyisten, Korruptionsbekämpfung führen.

Sehr geehrte Damen und Herren, was diese Einzelfälle betrifft: Erstens einmal wissen wir alle, dass es nicht meine Aufgabe ist, anhängige Strafverfahren hier im Parlament zu kommentieren. Das ist kein Verhandlungssaal! Mich erstaunt es immer wieder, dass es Abgeordnete gibt, die eigene Fälle hier zur Diskussion stellen. Das ist nicht der richtige Ort – es gibt die Gewaltentrennung! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brosz: Was waren die „eigenen Fälle“?)

Herr Abgeordneter Kogler, Sie haben das Verfahren rund um die Eurofighter angespro­chen. Dazu möchte ich schon sagen: Erinnern Sie sich an den 30. November letzten Jahres? Erinnern Sie sich? Da wurde hier in diesem Saal ein Paket beschlossen. Deswegen ist es jetzt möglich, dass diese Verfahrenseinstellung noch einmal überprüft werden kann, nämlich von einem unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten. Und der


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arbeitet nicht mit Polemik, der arbeitet mit Sachkunde. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Die Staatsanwaltschaft hätte hier was tun können!)

Ansonsten kann ich nur eines sagen: Wir werden mit der Justiz noch heuer in die Of­fensive gehen und werden uns verstärkt um das Thema Wirtschaftskriminalität und Korruptionsbekämpfung kümmern. Sie wissen es, Sie haben es alle mit beschlossen am 30. November. Mit September dieses Jahres wird die Wirtschaftskorruptionsstaats­anwaltschaft ihre Tätigkeit aufnehmen, im Endeffekt mit 40 Staatsanwälten, mit sieben Experten von außen. Es wird möglich sein, dass Teams gebildet werden, dass mehr Kontinuität gegeben ist in den Ermittlungen. Es soll nicht mehr so leicht möglich sein, dass Staatsanwälte sich versetzen lassen und damit die Kontinuität gefährden. Es wird möglich sein, Know-how zuzukaufen. Es wird möglich sein, dass von Anfang an etwa Wirtschaftstreuhänder, Experten aus dem Finanzmarktwesen, Börse-Experten et cete­ra neben dem Staatsanwalt sitzen und bei den Ermittlungen helfen. Die Verfahren wer­den dadurch beschleunigt werden, davon bin ich überzeugt. Wir werden uns einfach verstärkt diesem wichtigen Thema Korruption widmen.

Wir sind in der Offensive, aber natürlich: Ich könnte noch weitere Stärkung gebrau­chen, keine Frage. Unterstützen Sie mich dabei! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Eines noch: Seit Jänner gibt es die Kronzeugenregelung. Auch die haben Sie be­schlossen, und auch die wird uns helfen in diesen Bereichen. Sie wird uns helfen, kri­minelle Strukturen im Bereich der Korruption aufzudecken. Es wird nicht mehr so leicht möglich sein, dass sich die Täter darauf verlassen, der andere wird eh nichts sagen, weil der profitiert ja auch, und der ist ja auch verdächtig. Das soll nicht mehr möglich sein. Deswegen ist die Kronzeugenregelung so wichtig, und sie wird noch in diesem Jahr greifen!

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin schon gespannt, ob es heute hier konstruk­tive Vorschläge für uns gibt. (Abg. Grosz: Viele!) Ich nehme sie gerne an. Ich kann Ih­nen nur eines sagen: Wir werden alle die Kräfte bündeln, und ich rufe auch Sie dazu auf, uns alle zu unterstützen im Kampf gegen Korruption. (Abg. Neubauer: 1 000 An­träge liegen in den Ausschüssen!)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich würde einfach einen Vorschlag machen: Schlie­ßen wir doch einen Pakt für Gerechtigkeit! Schließen wir doch einen Pakt für mehr An­ständigkeit in Politik und Wirtschaft! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf. Jedem Klub kommt eine Gesamtrede­zeit von 25 Minuten zu.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Ich stelle die Uhr auf gewünsch­te 8 Minuten. – Bitte.

 


15.28.07

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Walter Meischberger hat sich zu Recht gefragt: Was ist meine Leistung? (Abg. Rädler: Was ist Ihre? – Abg. Tamandl: Was ist Ihre?) Frau Justizministerin, ich frage Sie: Was ist Ihre Leistung? (Abg. Rädler: Lebt seit 40 Jahren von der Öffentlichkeit, der Herr Pilz!)

Ich glaube, ja ich gehe davon aus und werde es belegen, in der Korruptionsbekämp­fung haben Sie bis jetzt ungefähr das zusammengebracht, was Walter Meischberger


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und Karl-Heinz Grasser gemeinsam zusammengebracht haben, nämlich nichts. Und das hat einen einfachen Grund: Weil Sie auf der falschen Seite stehen. (Abg. Amon: Was heißt das, dass wir „auf der falschen Seite stehen“?!)

Es hat ja gute Gründe, dass Sie keinen einzigen der vielen Vorschläge, die Werner Kogler in seinem Dringlichen Antrag gemacht und auch begründet hat, auch nur disku­tiert haben.

Sie haben nicht Stellung genommen zu unserem Vorschlag betreffend volle Transpa­renz für alle Arten von Politikereinkünften.

Sie haben nicht Stellung genommen zu unserem Vorschlag zur Abgeordnetenbe­stechung und zur Beseitigung der Sonderrechte für österreichische Nationalratsabge­ordnete.

Sie haben nicht Stellung genommen zu unseren Vorschlägen zur verbotenen Ge­schenkannahme, weil Sie selbst es waren, die die Anfütterung und die Bestechung von Beamten wieder legalisiert haben. Es war Ihre Initiative, dass man Beamte in Öster­reich wieder straflos bestechen kann!

Sie haben nicht Stellung genommen zur Frage der Erfassung aller Amtsträger, damit gegen alle vorgegangen werden kann.

Sie haben nicht Stellung genommen zur Prüfung der Vermögensverhältnisse von Mi­nistern und Ministerinnen – vielleicht aus Eigeninteresse, vielleicht aus dem Interesse, Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung zu schützen, wie etwa die Innenmi­nisterin.

Frau Bundesministerin, Sie haben nicht Stellung genommen zum Stopp für schamlose Beraterverträge.

Sie haben nicht Stellung genommen zur Abkühlphase für Regierungsmitglieder, wenn sie in die Wirtschaft wechseln.

Sie haben nicht Stellung genommen zum ganzen Bereich Parteikassen, zu den Spen­denverboten, zum Verbot der Spendenwäsche, zur Offenlegung von Parteispenden, zu Strafbestimmungen, zur Prüfkompetenz für den Rechnungshof, zu Parteienrechen­schaftsberichten, zur Offenlegung der Deckelung von Wahlkampfkosten, zu seriösen Informationen, zum Verbot von offener Regierungswerbung, zu den Vorschlägen zum Lobbyismus, zum großen Lobbyregister. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zu Unvereinbarkeitsbestimmungen und vor allem zu einem Verbot von Mietabgeordne­ten, von Kaufabgeordneten, wie zum Beispiel Ernst Strasser, auch dazu haben Sie, Frau Bundesministerin, nicht Stellung genommen.

Ich frage mich langsam, warum. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das Einzige, was Sie diesem Haus gesagt haben, war – ich zitiere – : Ich bin zu allem bereit!

Frau Bundesministerin Bandion-Ortner, vor dem Hintergrund dessen, was Sie bis jetzt getan haben, qualifiziere ich das als gefährliche Drohung. Ja, ich gehe davon aus, Sie sind wirklich zu allem bereit. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Frau Minister, Sie sind zu allem bereit. Sie sind weiter bereit, korrupte Politiker in Schutz zu nehmen. Sie sind weiter bereit, zu dulden, dass Staatsanwälte der Staatsan­waltschaft Wien – es sind mit Sicherheit nicht alle, es ist mit Sicherheit nur eine Min­derheit, aber eine sehr einflussreiche Minderheit – im Gerichtssaal auf der falschen Seite sitzen und als Pflichtverteidiger von korrupten Politikern ebendiese vor Strafver­folgung schützen!

Frau Ministerin, ich erinnere Sie nur an Ihren Eurofighter-Staatsanwalt. Wir hatten ei­nen Eurofighter-Untersuchungsausschuss, und ich frage den Herrn Staatsanwalt dort:


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Herr Staatsanwalt, warum tun Sie nichts? – Darauf der Staatsanwalt: Ja weil ich den Akt nicht habe!

Dann frage ich weiter: Ja warum haben Sie denn den Akt nicht? – Sagt er darauf: Ja weil den Akt der Untersuchungsausschuss hat!

Ich frage daraufhin in der Parlamentsdirektion nach: Diese hatte vom Justizministerium eine Kopie des Strafaktes bekommen! Frau Minister, Ihr Staatsanwalt im Eurofighter-Verfahren wusste nicht einmal, dass in seinem Zimmer der Eurofighter-Strafakt liegt!

Und dann erwarten wir von einem solchen Staatsanwalt Strafverfolgung und die Vorbe­reitung einer Anklage der Verdächtigen und Beschuldigten, wenn dieser Staatsanwalt nicht einmal weiß, dass in seinem Zimmer der betreffende Akt liegt!? – So also schaut’s aus in dieser Republik.

Da gibt es noch viele Beispiele – und da sich die Wissenschaftsministerin freiwillig auf diesen Platz hier auf der Regierungsbank setzt: Frau Wissenschaftsministerin und Frau Justizministerin, ich würde empfehlen, einmal auch das Kabinett der Wissenschaftsmi­nisterin zu untersuchen, etwa die Tätigkeit von Kabinettschef Peter Puller, der für eine Grazer Lobbyingagentur arbeitet, für die sogenannte Brand Communications, die für die ÖVP im steirischen Wahlkampf tätig war und eine Schmutzkübelkampagne der Ex­traklasse gegen viel Geld organisiert hat.

Und jetzt bekommen die von Ihnen, Frau Wissenschaftsministerin, die Belohnung, in­dem die große Kampagne „WissenSCHAFFT Vorsprung“ von ebendieser Agentur ge­staltet werden soll – unter Anleitung Ihres Kabinettschefs.

Was hat uns Ernst Strasser dokumentiert? – Wissen schafft Vorsprung!

Und was hat uns Karl-Heinz Grasser bei den Bundesimmobilien dokumentiert? – Wis­sen schafft Vorsprung!

Die brauchen nicht Ihre Kampagne, Frau Ministerin Karl, die haben das auch so ge­wusst. Das Problem ist nur, dass diese Leute im Regelfall von der Staatsanwaltschaft nichts zu befürchten haben. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)

Karl-Heinz Grasser, Ernst Strasser und Uwe Scheuch wären in jedem Rechtsstaat der Welt schon längst entweder in Untersuchungshaft oder als verurteilte Straftäter in Strafhaft. Und Sie, Frau Justizministerin, sagen hier, wir sollen uns nicht in laufende Verfahren einmischen?! – Frau Justizministerin, das sind keine laufenden Verfahren, sondern das sind davonlaufende Verfahren! Das sind davonlaufende Verfahren, die unter dem Schutz der Ministerin aus dem Rechtsstaat entschwinden. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt ja nur mehr Einstellungen, es gibt nur mehr Wegschauen! Das einzige Ver­brechen, das unter Ihnen wirklich verfolgt wird, Frau Ministerin Bandion-Ortner, ist der Schutz von Tieren – aber wenn Politiker stehlen, wenn unter Wolfgang Schüssel, Jörg Haider und Karl-Heinz Grasser in deren Regierungsjahren an der Republik ein Scha­den von geschätzten 10 Milliarden € begangen worden ist, dann stellt sich schon die Frage, warum sich die Staatsanwälte darum nicht kümmern.

Wir sollten schon eines auch berücksichtigen: Die wichtigsten Straftäter, die unter dem Schutz von Wolfgang Schüssel standen, hatten alle zur Tatzeit ein freiheitliches Par­teibuch. (Abg. Scheibner: Falsch!) Karl-Heinz Grasser: freiheitlich. Uwe Scheuch: noch immer freiheitlich. Peter Westenthaler weiß es am allerbesten, wer die alle waren. Weiters: Walter Meischberger, FPÖ-Generalsekretär. (Abg. Strache: Der Herr Meisch­berger ist 1999 ausgeschlossen worden! Das wissen Sie ganz genau!) Herr Plech, der Finanzreferent der FPÖ. – Alles plötzlich keine Freiheitlichen mehr?

Ich frage Sie, Herr Strache: Warum verteidigen Sie persönlich heute noch einen der größten Korruptionisten dieser Republik, nämlich Uwe Scheuch, einen Versicherungs­


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betrüger, einen Staatsbürgerschaftshändler und einen Menschen, der über „Connect“ die Finanzierung der Freiheitlichen auf illegale Art und Weise abwickelt?! (Abg. Stra­che: Das sagen Sie alles nur unter dem Schutz der Immunität!)

Herr Strache, warum verteidigen Sie diese Korruption von Scheuch? Warum verteidi­gen Sie die korrupte Parteienfinanzierung der FPÖ? Warum nehmen Sie Geld aus den dunkelsten Quellen dieser Republik? Warum sind schwarze Parteikassen schon längst blaue Parteikassen, und warum ist die FPÖ auch unter Ihrer Führung mit Sicherheit die korrupteste Partei dieser Republik? (Abg. Strache: Aber Sie sind der korrupteste Politiker dieser Republik! Wenn einer korrupt ist, sind Sie das, Herr Pilz! Letztklassig! Ein Polit-Pensionist in diesem Haus ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Jetzt lese ich Ihnen die erstaunlichen Fähigkeiten der Kärntner Freiheitlichen vor.

Ich zitiere aus der Rechnung an die STRABAG AG, eines der größten Bauunterneh­men, vom 2. Februar 2007 (weiterer Zwischenruf des Abg. Strache) – da waren Sie wahrscheinlich noch nicht bei der Freiheitlichen Partei; da waren Sie wahrscheinlich noch ein junges politisches Talent –, ich zitiere aus dieser Rechnung:

Wir erlauben uns, Ihnen die Kosten für Layout-Beratung, Text- und Bildgestaltung für diverse Drucksorten im Leistungszeitraum 1. Februar bis 28. Februar 2007 in der Höhe von 20 000 € plus 4 000 € Mehrwertsteuer zu verrechnen.

Die Kärntner Freiheitlichen als Spezialisten für Layout-Beratung sowie Text- und Bild­gestaltung! (Heiterkeit bei den Grünen.) Ja welche Texte und Bilder haben da Ihre Par­teifreunde da wieder um 24 000 € gestaltet und abkassiert auf dunklen Wegen, auf ille­gale Art und Weise?!

Rechnung vom 14. Februar 2007, wieder an die STRABAG – ich zitiere –:

Wir erlauben uns, Ihnen für Anrainer-Beratung und Layout-Beratung (ironische Heiter­keit bei den Grünen), Text- und Bildgestaltung 70 000 € zu verrechnen, plus 14 000 € Mehrwertsteuer, also 84 000 € insgesamt.

Wahrscheinlich Anrainer-Beratung Strache und Scheuch: von Haus zu Haus, so nach dem Motto: Könnten S’ nicht die Kärntner Freiheitlichen als Garanten gegen Korruption wählen? – Dann die Steuergelder veruntreuen und immer wieder den alten Spruch be­legen: Freiheitliche in Opposition sind Germanen und an der Regierung Kleptomanen. Das ist die Grundregel der freiheitlichen Politik. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Sie von der FPÖ sind nicht die Partei der Anständigen und Tüchtigen, sondern Sie sind längst die Partei der Abgängigen und Flüchtigen. Schauen Sie sich doch alles an! Der Großteil Ihres Parteivermögens ist in Liechtenstein gebunkert. (Abg. Strache – ei­ne kreisende Handbewegung vor seiner Stirn machend –: Ist mit Ihnen da oben irgend­was passiert, Herr Pilz?) Wer wissen will, wo freiheitliches Geld ist, wo die Gaddafi-Mil­lionen sind – und da sind deutsche und Schweizer Staatsanwälte dahinter, da werden gerade Konten geöffnet –, der muss nach Liechtenstein gehen. Dorthin sind die Gelder für die freiheitlichen politischen Dienste überwiesen worden. (Abg. Strache: Sie haben ein ernsthaftes Problem, ein schweres Problem!)

Wenn Sie sich heute einen billigen Politiker kaufen wollen, gehen Sie nicht zur relativ teuren ÖVP, denn da kosten die zwischen 100 000 € und 200 000 €! (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Nehmen Sie sich einen billigen Freiheitli­chen, der macht Ihnen Drucksorten, Bild- und Textberatung! – Und dafür, dass man für Bild- und Textberatung der Freiheitlichen, wo schlicht und einfach alles gestohlen wird, was nicht niet- und nagelfest ist, in Zukunft vor einem Richter steht, dafür werden wir als einzige nicht-korrupte Partei in diesem Haus sorgen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Strache: Also Sie haben einen schweren Schaden, Herr Pilz! Ei­nen schweren Schaden! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

15.38


15.38.46


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 139

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Pilz! Wir befinden uns hier nicht vor Gericht. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf ob der vielfältigen Unter­stellungen der Gesetzesverletzungen, die weder angeklagt noch verurteilt sind. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von BZÖ und ÖVP.)

Das entspricht nicht der Würde dieses Hauses, und ich glaube, es dient auch nicht die­ser Debatte.

Ich werde auch bei allen weiteren Rednern genauso vorgehen. Ich mache Sie wirklich darauf aufmerksam: Keine Unterstellungen, das ist nicht angemessen! (Abg. Neu­bauer: Sie hätten schon längst unterbrechen müssen! Das ist ein Skandal!)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


15.39.32

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Frauen Ministerinnen! Meine Damen und Herren! Die Wahrheit ist oft schmerzhaft, und, Kolleginnen und Kol­legen von der Freiheitlichen Partei, den Umstand, dass niemand anderer in diesem Land so sehr wie Ihre Parteigänger in diesem Themenkreis Korruption dabei sind, kön­nen auch Sie nicht leugnen. Es werden das die Verfahren zeigen, aber sich hier so auf­zuregen, das halte ich für völlig unverhältnismäßig. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Ab­geordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Frau Bundesminister! Ich glaube, wir sind in einer extrem ernsten Situation. Dafür gibt es mannigfache Ursachen und es gibt auch unterschiedli­che Lösungsmöglichkeiten. Wir werden heute eine Lösungsmöglichkeit aufzeigen, in­dem wir in einem Antrag darlegen, was alles zu verbessern ist, was alles verbessert werden kann.

Es ist ja nicht so, dass erst heute allein dieser Antrag eingebracht wird, sondern es gibt eine Reihe von Vorschlägen – das auch an die Adresse der Grünen –, die bereits seit Längerem diskutiert werden. Die ganze Debatte über das Lobbyistenregister und wie man mit Lobbying umgeht läuft seit einem halben Jahr. Ich habe mit dem Kollegen Donnerbauer hier sehr gute Gespräche gehabt. – Ich glaube, man sollte das alles ir­gendwo doch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit behandeln.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich schon Fälle, die katastrophal sind, und genauso ist auch die Reaktion darauf. Hier, Frau Justizministerin, müssen wir wirklich gemein­sam dafür Sorge tragen, das hintanzuhalten.

Gleichfalls ein leider Gottes katastrophales Bild bietet natürlich der Fall Strasser. Das ist ein übler Kriminalfall, und dagegen kann man wahrscheinlich mit Antikorruptionsge­setzen, mit Änderungen in diese Richtung auch nichts machen. Hier wurde offensicht­lich darauf abgezielt, kriminell zu sein, einen Ertrag daraus zu generieren, und auch die besten Antikorruptionsbestimmungen können da nichts ausrichten.

Aber erinnern wir uns an die Erklärungen zum Beispiel in der Angelegenheit Euro­fighter, wo ja viele von uns in den entsprechenden Ausschüssen gesessen sind und er­lebt haben, in welcher Art und Weise dort Geschichten aufgetischt, Erklärungen abge­geben worden sind, die völlig unnachvollziehbar waren, wo wir dann selbst noch ge­sagt haben: Das soll jetzt die Justiz prüfen! Wir wollen hier nicht weiter, wir lassen das die Justiz prüfen: Die hat die Möglichkeiten dazu, die kann Einschau halten, die kann Einsicht nehmen. – Wir alle haben darauf vertraut, dass da wirklich eine Prüfung statt­findet.

Frau Justizministerin, das ist ein prominenter Akt. Dieser Akt geht natürlich seinen Weg hinauf ins Ministerium, und ich glaube, dass man da sehr wohl die Staatsanwälte bera­ten muss, damit es zu keiner Einstellung in der Form – noch dazu mit diesen Erklä­rungen! – kommt, wie sie gekommen ist. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)


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Da braucht es ja nicht meine Erklärung oder Erklärungen hier im Parlament! Es sind die Zeitungen ja voll davon, und zwar die Zeitungen über alle – wirklich über alle! – po­litischen Landschaften hinweg!

Und wenn solche Fälle stattfinden, ist es natürlich traurig, wenn es auf der anderen Seite passiert, wie in der Angelegenheit Grasser, in der Angelegenheit Meinl, dass der Staatsanwalt davonläuft. Ein Staatsanwalt, der über zweieinhalb Jahre Wissen ange­häuft hat, läuft davon, und wir denken darüber nach, wie man ihn mehr oder weniger mit einem Gesetz daran hindern kann.

Ich glaube, es geht schon auch darum, dass wir den Staatsanwälten den Rücken stärken. Wenn ich, wie in der Causa Meinl, acht Anwälte habe, die permanent nichts anderes tun, als den Staatsanwalt anzugreifen – eine Person, die ein Zimmer voll mit Akten hat –, dann müssen wir dem den Rücken stärken! (Abg. Dr. Rosenkranz: Wa­rum intervenieren Sie eigentlich immer bei der Staatsanwaltschaft, Herr Abgeordneter Jarolim?) Man muss sich mit ihm solidarisch erklären, meine Damen und Herren, und das ist, glaube ich, Ihre Aufgabe und unsere Aufgabe. Man kann die Staatsanwälte, glaube ich, nicht einfach draußen lassen! (Ruf bei der FPÖ: Sie intervenieren auch!) Sie schreiben dann Berichte und sagen: Na ja, das ist Pech, wenn er davonläuft – und das Verfahren kann jetzt wieder von Neuem beginnen.

So gibt es eine Vielzahl von Verfahren, bei denen man schon eingreifen muss, Frau Justizministerin (Zwischenruf des Abg. Dr. Rosenkranz), wo man schon auch sagen muss: Ich kümmere mich darum, was hier stattfindet, damit die Justiz auch gleichmä­ßig vorgeht. – Der Wiener Neustädter Fall ist ja heute auch angesprochen worden. Man sieht diese Gleichmäßigkeit nicht, und ich wünsche mir wirklich und ich ersuche Sie wirklich darum – wir werden alles, was Sie brauchen, dazu beitragen –, dass man hier entsprechend vorgeht, damit die Justiz wieder aus diesem momentanen, keines­falls guten Licht herauskommt.

Die Mitarbeiter sind gut, keine Frage, die Staatsanwälte sind gut, aber wenn man in manchen Situationen einfach nicht mehr die notwendigen Ressourcen hat, dann ist das einfach unverständlich. Kollege Kopf, wir haben letztes Jahr im Sommer hier beschlos­sen, die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft um zwei Personen aufzustocken. Das ist bis heute nicht passiert! Wir haben noch immer sieben Personen, die ein und aus gehen. Im Herbst bekommen wir die Novelle, keine Frage, aber was hindert uns daran, bereits jetzt die notwendigen Ressourcen dort hinzugeben, wo alles „absäuft“?

Meine Damen und Herren! Jetzt ist einer der Elitestaatsanwälte, nämlich Herr König, im Justizministerium tätig. Mir macht es ja keinen Spaß, dass ich diese Dinge hier sa­ge, Frau Justizministerin, aber es ist auch relevant und notwendig, dass man dann nicht auch noch die Besten abzieht!

Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist wichtig, dass wir hier all diese Vorfälle, die stattgefunden haben, ernst nehmen, und daher werden die ÖVP und wir auch einen entsprechenden Entschließungsantrag einbringen, der sich damit auseinandersetzt, der dafür sorgt, dass Transparenz von Einkünften von Politikern in einem vermehrten Ausmaß stattfindet.

Werte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich kann mich noch erinnern: Ich habe einmal gefordert oder darüber laut nachgedacht, dass man die Steuerbe­scheide – alle Steuerbescheide – ins Internet stellt, was vielleicht zu viel war, denn ge­rade zwei von euch haben mich gefragt, ob das nicht doch ein klein wenig zu weit geht. – Ich glaube, man soll diese Diskussion führen, keine Frage, aber dann sollte man wirklich auch einmal alle Möglichkeiten prüfen und diskutieren.

Zum Sponsoring, also Lobbying-Aktivitäten: Dazu hat die Frau Justizministerin für nächs­ten Dienstag auch alle Klubobleute eingeladen, damit wir hier gemeinsam eine Diskus­sion führen, wie man das verbessern kann.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 141

Auch die Spenden von Unternehmen wird man sicherlich regeln, genauso wie die Fra­ge der Parteispenden bereits seit einem halben Jahr diskutiert wird und in einem Sta­dium ist, in dem sicherlich demnächst eine Beschlussfassung stattfindet.

Was ich zusammenfassend sagen möchte, ist: Es gibt eine Situation, die nicht gut ist, es gibt Situationen, die teilweise verheerend sind, es herrschen Zustände – ich sage: Strasser –, die dürften einfach nicht sein. Es gibt allerdings auf der anderen Seite auch viele Projekte, die genau in die richtige Richtung gehen, und es wird jetzt an uns lie­gen, dass wir das zu einem vernünftigen, guten Abschluss bringen. – Danke schön. (Bei­fall bei der SPÖ.)

15.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Klubobmann Kopf zu Wort. – Bitte.

 


15.46.00

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frauen Bundes­ministerinnen! Meine Damen und Herren! Es können ja einige in diesem Hohen Haus es immer wieder einmal nicht lassen, einzelne aktuelle oder laufende Untersuchungs­fälle der Staatsanwaltschaft hier herinnen quasi nachverhandeln oder mitverhandeln zu wollen. (Abg. Dr. Rosenkranz: Nein, vorverhandeln!)

Die Frau Bundesministerin hat vorhin aber zu Recht darauf hingewiesen, dass das hier nicht der Ort ist, sich mit Sachverhalten inhaltlicher Art auseinanderzusetzen, die bei der Staatsanwaltschaft anhängig sind. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber Missstände ge­hören aufgezeigt!) Das ist Sache der Staatsanwaltschaft. Wir sollen für sie die Rah­menbedingungen schaffen, keine Frage, aber uns nicht in staatsanwaltschaftliche Un­tersuchungen einmischen. Das ist nicht unsere Aufgabe. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Pilz, ich denke, manche mögen deinen Sarkasmus mögen, in diesem Zusam­menhang, bei einer so ernsthaften Thematik mag ich ihn, ehrlich gesagt, nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rädler: ... ja selber nicht! ... mag es ja selber nicht!) – Aber nun zum eigentlichen beziehungsweise zum aktuellen Thema.

Meine Damen und Herren! Unsere Aufgabe hier herinnen als Abgeordnete, in der Ver­tretung der Bevölkerung in einer repräsentativen Demokratie, stellt weit über die Ein­haltung von Gesetzen, weit darüber hinaus moralisch-ethische Ansprüche an uns und an unsere Tätigkeit, die leider manche in den letzten Jahren und Jahrzehnten, und zwar ist das in nahezu allen Parteien schon vorgekommen, nicht erfüllen konnten. (Abg. Dr. Pilz: Nein, so stimmt das nicht!)

Ich stehe hier im Augenblick natürlich als Vertreter einer Partei, die leider aktuell mit zwei Fällen konfrontiert ist – die aber miteinander nicht vergleichbar sind –, die ver­dammt unangenehm sind. Ich nehme aber für uns in Anspruch, dass kein Gesetz der Welt diese Fälle hätte verhindern können. Wir reden nachher gerne darüber, dass Ver­schärfungen und Veränderungen in der Gesetzeslage notwendig sind. Aber weil eben politisches Handeln und die politische Verantwortung auch über die Einhaltung von Ge­setzen hinausgehen, haben wir jedenfalls, genau um dieser Verantwortung gerecht zu werden, eines getan in diesen beiden Fällen, nämlich rasch die politischen Konsequen­zen gezogen, und das geht weit über die Rücktrittskultur, die dieses Land sonst kennt, hinaus. Das ist einzigartig! Die ÖVP hat hier sofort Konsequenzen gezogen, und ich denke, das ist durchaus anerkennenswert. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bedauere sehr, dass im Zusammenhang mit diesen unangenehmen Vorkommnis­sen in den letzten Tagen in der politischen Debatte eine Vermischung von Dingen statt­gefunden hat, wie sie beileibe nicht sein sollte: Verschiedenste Tatbestände wurden ineinander gemischt, Verunglimpfungen sind vorgekommen, Selbstgerechtigkeit ist ge­


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übt worden in einem Maße, wie es zum Teil auch nicht erträglich war, und so ist in vie­len Bereichen das berühmte Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden.

Meine Damen und Herren! Vertretung von Interessen ist nicht nur legitim, sondern notwendig! (Beifall bei der ÖVP.) Ich gehe einmal davon aus, dass jede und jeder von uns hier herinnen Interessen vertritt, nämlich eigene Überzeugungen, vielleicht auch Interessen, die an ihn oder sie von Dritten herangetragen wurden und von denen sie überzeugt wurden, dass es richtig ist, diese zu vertreten. Es ist nicht nur legitim, son­dern unsere Pflicht, solche Interessen zu vertreten!

Es ist auch legitim, wenn Privatpersonen oder Firmen im Auftrag von Dritten Interessen vertreten und diese an die Politik herantragen – also sogenannte Lobbyisten, wie man gemeinhin diese Berufsgruppe bezeichnet. Das ist eine anständige Tätigkeit, das ist ein anständiger Beruf, allerdings verlangt diese Tätigkeit – und da hat die Frau Minis­terin schon reagiert –, nachdem sie ja auch immer breiter angelegt ist und immer mehr solche Firmen und Personen tätig werden, nach mehr Transparenz, als wir es heute haben, weil man bei einem Lobbyisten wissen muss, für wen der oder die jetzt gegen­über der Politik tätig ist. Aber an sich sind – nur ist dieses Wort leider in den letzten Ta­gen und Wochen ständig fast schon als Schimpfwort verwendet worden – Lobbying, Lobbyismus, Interessenvertretung nichts Unanständiges, sondern eine durchaus an­ständige Tätigkeit. Wenn sie mit der nötigen Transparenz versehen ist, ist dagegen über­haupt nichts zu sagen.

Nur hat das ja alles nichts mit der offensichtlichen Tatsache zu tun, dass sich leider ein aus unseren Reihen kommender Politiker hat kaufen lassen, sage ich, mit der offen­sichtlichen und behaupteten Tat. Das ist ja etwas ganz anderes, und da brauchen wir überhaupt nicht darüber zu diskutieren, dass das nicht nur nicht in Ordnung ist! Und wenn es, wie von vielen Juristen behauptet wird, tatsächlich so ist – und es ist auch so –, dass nach unserem Strafrecht diese Tat, zumindest bis zu dem Punkt, wohin sie geführt hat, nicht strafbar ist, dann sollten wir uns selbstverständlich dringend und rasch zusammensetzen und diese Lücke im österreichischen Strafrecht schließen, überhaupt keine Frage! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Bucher: Das habt ihr ja nicht wol­len! – Abg. Öllinger: Das wurde ja von Ihnen geschaffen!)

Da ich vorhin gesagt habe, wir haben rasch auf den Einzelfall bei uns im Klub reagiert: Auch vorgestern haben wir in unserer Klubsitzung rasch reagiert mit einer Deklaration, die wir einstimmig beschlossen haben, in der wir uns ganz klar dazu bekannt haben, nicht nur das Antikorruptionsstrafrecht auszuweiten (Zwischenruf des Abg. Dr. Rosen­kranz), sondern auch bei den meldepflichtigen Tätigkeiten Lücken zu schließen, auch die außerberufliche Immunität – die wirklich obsolet und überholt ist – endlich abzu­schaffen, ein Lobbyinggesetz – wie von der Ministerin vorgeschlagen – zu schaffen, selbstverständlich auch die Parteispenden offenzulegen und auch bei dem Thema Re­gierungsinserate – weil es vorher schon mehrfach angesprochen wurde – jene Trans­parenz walten zu lassen, die dringend notwendig ist, weil man sonst nämlich auch da in den Verdacht kommt, sich einerseits Medien kaufen zu wollen und andererseits sich unter Umständen auch Vorteile bei den Medien verschaffen zu wollen, die nicht legitim sind.

Meine Damen und Herren! Wir alle sind dringend aufgerufen, wenn wir unseren Be­rufsstand des Politikers und des Abgeordneten nicht weiter schädigen wollen, im Straf­recht Änderungen vorzunehmen, aber auch bei unseren eigenen Regeln im Parlament Änderungen vorzunehmen. Aber das alles und selbst das beste Strafrecht entbindet uns nicht davon, dass wir an unser Handeln moralisch-ethische Ansprüche und Maß­stäbe anlegen müssen, die man mit keinem Gesetz der Welt einfangen kann. (Beifall bei der ÖVP.)


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Einen abschließenden Satz noch zu unserer Tätigkeit selber: Wir bekennen uns dazu, dass Abgeordnete aus einem Beruf kommen sollen (Ruf bei der ÖVP: Jawohl!) und auch weiterhin in einem Beruf tätig sein können sollen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Alle, die dem Berufsabgeordneten das Wort reden wollen, fügen diesem Berufsstand und dieser Tätigkeit meines Erachtens Schaden zu (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ), denn wir sollen in der Bevölkerung verankert sein, wir sollen im Berufsleben verankert sein und sollen diese Erfahrungen in unsere Tätigkeit einfließen lassen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) Das heißt kurzum: Wir wollen nicht den Berufsabgeordneten, sondern durchaus den Abgeordneten mit Beruf. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten der SPÖ.)

15.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stefan zu Wort. – Bitte. (Rufe bei den Grünen – in Richtung des sich zum Red­nerpult begebenden Abg. Mag. Stefan –: Uwe, Uwe, Uwe! – Abg. Strache: Sailer!)

 


15.55.08

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frauen Bundesminister! Wir haben heute ein sehr gutes Beispiel für den Verfolgungs­wahn des Parlamentsopas hier – von Peter Pilz – gesehen, der ja, wie ich schon ein­mal angemerkt habe, einen sehr großen Hang zum Kommunismus hat und immer schon gehabt hat, und dort gibt es ja diese Schauprozesse: Ankläger, Verteidiger und Richter in einem, das ist Peter Pilz. Bravo! Gutes Beispiel. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Strache: Das ist Gulag-Ideologie! – Abg. Dr. Pilz: Und die ÖVP verteidigt ...!) – So ist es! Genau so ist es, Herr Pilz!

Wenn es in der Bevölkerung eine schlechte Meinung über Politiker gibt, dann sind es genau solche Abgeordnete wie Sie oder geifernde Sozialromantiker wie der Herr Kol­lege Öllinger (Zwischenruf der Abg. Mag. Korun), die so ein schlechtes Bild in der Öf­fentlichkeit machen (Beifall bei der FPÖ), und es hat auch damit zu tun, dass sich unsere Parlamentspräsidentin ins Fernsehen setzt und dort sagt: Ja, der Großteil der Abgeordneten ist eh in Ordnung! – Dann möchte ich einmal hören: Wer ist das nicht? (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Korun.) Dann soll sie das offen auf den Tisch legen, wenn sie es weiß! Vielleicht ist es in ihrer eigenen Fraktion, wenn sie so etwas weiß, oder sie sollte sich vor uns hinstellen und hier klare Aussagen treffen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber die ganze Diskussion geht ja in Wahrheit viel zu wenig weit, denn das Hauptpro­blem ist die politische Verfilzung in dieser Republik. Wir wissen ganz genau, wie tief die Parteien überall drinnen sitzen, wo sie überall ihre Hände drinnen haben. – Das ist das ungute Gefühl, das die Bevölkerung seit vielen Jahren hat, und das ist das, wo in Wirk­lichkeit hingeschaut werden muss.

Wenn sich die SPÖ hier herstellt und jetzt mit dem Finger auf uns zeigt, dann kann man doch nur feststellen: Wo sind denn die verurteilten Sozialdemokraten – oder ha­ben sie damals noch Sozialisten geheißen? – Gratz, Blecha, Proksch waren Mitglieder, und es gab den BAWAG-Skandal, den Konsum und so weiter und so weiter. (Zwi­schenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Wovon erzählen Sie uns da? Wo die Korruption zu Hause ist und wo sie wirklich große Tradition hat, das ist unter anderen hier bei der SPÖ! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischen­ruf der Abg. Mag. Korun.)

Dann reden wir doch darüber, wie die Parteien finanziert werden! (Abg. Öllinger: Na bitte, sagen Sie es! Wie läuft es denn bei Ihnen?) Wir können gerne über das reden,


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was hier beantragt ist; ich rede auch gerne über den Antrag, der jetzt von den Regie­rungsparteien gekommen ist. Vollkommen richtig! Reden wir darüber, dass öffentliche Gesellschaften oder Unternehmen Subventionen bekommen und dann Inserate schal­ten. Reden wir darüber! Aber reden wir auch einmal über das System Wien – SPÖ Wien –, weil die nächste Steigerungsstufe ist dann, wenn eine Partei selbst Unterneh­men hat und diese Unternehmen öffentliche Aufträge bekommen. Das ist die Steige­rungsstufe SPÖ Wien! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn etwa Baugesellschaften wie die Wohn- und Siedlungsgenossenschaften „Fami­lie“ und „Volksbau“ sowie die Sozialbau AG im Eigentum der SPÖ Wien stehen und dann dorthin Wohnbauförderungsgelder vergeben werden, dann ist das sehr proble­matisch. Wenn Zeitungen, die im Eigentum der SPÖ Wien sind, herausgegeben wer­den, in denen dann wiederum Inserate geschaltet werden von entweder der Stadt Wien direkt, vom Presseinformationsdienst, oder wieder von Wien Energie und so weiter, von abhängigen Betrieben. Das ist in Wirklichkeit die höchste Form der Einflussnahme. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann können wir uns hier herstellen und mit dem Finger auf kriminelle Elemente zei­gen, das ist vollkommen richtig. Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass wir das ausheben müssen! (Abg. Dr. Pilz: Das ist ja Selbstbezichtigung!) Diese Vorgangsweise ist voll­kommen richtig, aber das ist eine ganz andere Sache, wo das System zu verändern ist, wo das System in ganz großem Ausmaß, institutionalisiert Geld an Parteien verschiebt. Das ist in Wirklichkeit das große Problem!

Die kleinen Kriminellen müssen wir erwischen, das ist vollkommen richtig. Wir müssen die Gesetze ausreichend schärfen, sofern sie das nicht sowieso schon sind. Die Krimi­nellen müssen wir erwischen, aber nicht jetzt hier einen Generalverdacht gegen alle Politiker erheben, nur weil manche Parteien ein System geschaffen haben, mit dem sie selbst kassieren können. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir werden uns gerne in diese Diskussionen einbringen, was die möglichen Geset­zesänderungen betrifft, keine Frage. Vieles ist zu tun – daran besteht auch kein Zwei­fel –, aber, wie gesagt: Nicht mit dem Finger auf andere zeigen, wenn man selbst der­maßen viel Dreck am Stecken hat! (Beifall bei der FPÖ.)

Zusammengefasst: Ja, auch wir sind natürlich der Ansicht, es muss Politiker geben, die einen Beruf haben. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Diese nur abhängigen Be­rufspolitiker sind ein großes Problem – wir sehen es ja hier beim Parlamentsopa, der sich gar nicht mehr lösen kann. Was macht er denn, wenn er hier nicht mehr sitzt? Er fällt ja ins Nichts! Er ist ja wirklich arm. Und ich verstehe ja, dass Sie sich (in Richtung des Abg. Dr. Pilz) an dem so festklammern und sich hier irgendwie profilieren müssen, das ist ja keine Frage. Sie tun mir insofern ja fast leid. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir jedenfalls wollen Politiker haben, die einen Beruf haben, wenn sie zu uns kommen, ihn nach Möglichkeit auch ausüben können, sofern sich das mit der Zeit ausgeht, und danach wieder die Möglichkeit haben, in ihren Beruf zurückzukehren. Das muss sehr wohl auch mit all diesen gesetzlichen Maßnahmen gewährleistet sein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zusammengefasst: Wir sind gegen Korruption, für Transparenz, gegen politische Verfil­zung und für unabhängige Volksvertreter. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Bucher gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 145

16.01.27

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! Ich habe mir Ihren Entschließungsantrag angesehen. Unverständlich für mich ist, dass Sie sozusagen einen Hilferuf an die Frau Justizminis­terin aussenden, so quasi: Helfen Sie uns dabei, wir sind nicht in der Lage, selbst das Problem zu lösen! Kommen Sie mit einem Regierungsvorschlag, mit einer Regierungs­vorlage, denn wir sind selbst nicht in der Lage und trauen es uns nicht zu, uns selbst Maßnahmen aufzuerlegen und uns sozusagen einen Katalog, eine Benimmregel zu verordnen, wie wir in Zukunft mit den Politikergehältern, mit der Parteienfinanzierung umgehen! – Das kommt in diesem Entschließungsantrag zum Ausdruck, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich bin der Überzeugung, dass wir die Frau Präsidentin unterstützen sollen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ. Ihre Frau Präsidentin hat doch den Vorschlag gemacht, selbst eingreifen zu wollen, weil sie an die Selbstbestimmung des österreichischen Parlaments glaubt, weil sie der Ansicht ist, dass wir selbst in der Lage wären, uns hier im Hohen Haus dieser Frage zu widmen und die Sache zu regeln. (Beifall beim BZÖ.)

Denn, sehr geehrte Frau Justizministerin, bei aller Sympathie Ihnen gegenüber, aber: Mein Glaube an Ihre Lösungskompetenz hält sich in Grenzen. Ich erinnere nur daran, was im Sommer abgelaufen ist: Letzten Sommer war in allen Zeitungen zu lesen von den großartigen Haider-Millionen, die auf irgendwelchen Liechtensteiner und Schwei­zer Konten liegen sollen. Sie haben sich bei dieser Diskussion sofort beteiligt! Erinnern wir uns: Sie haben gesagt, ja, es gibt Konten. (Abg. Mag. Stadler: Das war eben der Haider!) – Bis heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es weder Konten, noch gibt es Millionen, es gibt gar nichts! Es gibt nicht einmal Ermittlungen. Das ist ge­nau dieser Generalverdacht, das ist genau diese Vorverurteilung, die von der Justiz in Österreich und von der Justizministerin unterstützt wird – und das ist ein Skandal, mei­ne sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Dr. Strutz.)

Auf der anderen Seite müssen wir miterleben, dass ständig über Grasser, Meischber­ger und andere das gesamte politische System in Verruf gerät. Aber wir sollten uns alle einmal an der Nase nehmen. Diese schwarzen Schafe gibt es doch in jeder Partei. Wir sollten, wenn wir von einem ehrlichen Grundsatz ausgehen, alle gemeinsam zu der Überzeugung kommen, dass wir unseren Berufsstand verteidigen sollten und dass je­ne, die seriös und ehrlich arbeiten und ihr Geschäft auch so verstehen, ein Interesse daran haben sollten, dass jene Politiker, die unseren Berufsstand mit kriminellen Ma­chenschaften unterspülen, sich nicht hinter irgendwelchen gepolsterten Sesseln und hinter irgendwelchen schönen Schreibtischen verschanzen, sondern die gehören hinter Schloss und Riegel, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das muss unser Inter­esse sein. (Beifall beim BZÖ.)

Deshalb verstehe ich nicht, dass all diese Vorwürfe gegenüber einzelnen Personen im­mer nur in den Medien stattfinden. Es gibt Vorverurteilungen und bis heute noch keine Fakten! Frau Justizministerin, ich habe erst heute vom Herrn Kollegen Jarolim erfah­ren, dass der Herr Staatsanwalt, der den Fall Grasser seit zwei Jahren untersucht, die Flucht ergriffen hat. Warum ergreift der die Flucht? (Abg. Mag. Stadler: Weil er noch Karriere machen will!) Sind Sie der Sache nachgegangen? Warum ermittelt er zwei Jahre lang und haut jetzt plötzlich ab mit der ganzen Kompetenz und dem ganzen Wissen, sodass Sie jetzt mit den Ermittlungen wieder von vorne beginnen müssen? (Abg. Mag. Stadler: Er will nicht seine Karriere beenden!)

Da müssen Sie aber auch einsehen, dass wir hier im Hohen Haus schön langsam das Gefühl bekommen, dass Sie die Justiz und die Staatsanwaltschaft in Österreich nicht im Griff haben, und dass wir endlich einmal auch in einem Untersuchungsausschuss all


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diese Mängel und Missstände auf den Punkt bringen müssen, damit sich in den nächs­ten Jahren etwas ändert, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Herr Kollege Kopf war heute sehr offen, und das ist mir auch eine Anerkennung wert. In den letzten Wochen hat man nämlich den Eindruck gewonnen, das System Grasser, das System Strasser ist ein System ÖVP. Lobbying in Österreich verbindet man mit einer Partei: mit der ÖVP. Daher ist es, glaube ich, redlich und auch anerkennenswert, dass die ÖVP einmal einen Schritt in diese Richtung setzt, nämlich alles abzuwenden und auch zu bereinigen, was hier zu bereinigen ist. Fangen Sie damit gleich einmal in Ihren eigenen Reihen an, denn das, was da von Karas zu hören und zu lesen ist, ist auch nicht dazu angetan, Vertrauen zu erwecken: eine Briefkastenfirma in seiner eige­nen Wohnung zuzulassen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Bartenstein, der die Hände zu einer flehenden Geste faltet und den Kopf schüttelt.)

Okay, dazu kann man sagen, das ist nicht schlimm, aber ein Herr Karas, der wirklich öffentliches Ansehen genießt und der immer sehr seriös in der Öffentlichkeit auftritt, der hat es, glaube ich, auch nicht nötig, dass er irgendjemanden vorschützt, der Lob­bying-Aktivitäten nachgeht. Und der Herr Hubert Pirker, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Lobbyist! Wie kann man von einer Sekunde auf die andere plötzlich kein Lobbyist mehr sein? Der ist ein durchgefärbter Lobbyist und bleibt es auch, egal, wo er ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Wie immer man es dreht und wendet: Der Berufsstand ist beschädigt, und es muss in unser aller Interesse sein, dass wir daran etwas ändern, weil diese Erosion der politi­schen Kultur dazu führt, dass immer mehr Politikerverdrossene in nächster Zukunft nicht mehr zur Wahl gehen werden. Es muss Schluss sein mit diesem Scheckbuch-Parlamentarismus, wie wir ihn jetzt von dem Fall Strasser her kennen, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren. Zu Recht wirft uns die OECD vor, dass wir eine Korrup­tionsoase sind.

Wenn Sie heute hier mit diesem Entschließungsantrag eingestehen – es ist ja nichts anderes, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP –, dass Sie bei der letzten No­velle des Antikorruptionsgesetzes einen Fehler gemacht haben, dann werden wir das auch anrechnen. Es ist nun einmal so, dass Sie es damals unterlassen haben, etwas daran zu ändern – und zwar obwohl wir mehrmals darauf hingewiesen haben –, dass Bundesräte, Nationalratsabgeordnete und auch Landtagsabgeordnete von der Korrup­tionsregelung ausgeschlossen sind. Das war ein eklatanter Fehler. Wenn Sie das nicht gemacht hätten beziehungsweise wenn Sie das anders beschlossen hätten, so wie wir das vorgeschlagen haben, dann wäre einiges nicht passiert. Es ist wichtig, dass wir hier eine klare Gesetzgebung haben, dass wir auch strenge Regeln haben.

Sehr geehrte Frau Justizministerin, jetzt zu glauben, dass wir mit einem Lobbying-Re­gister wieder Vertrauen in der Öffentlichkeit bekommen, das ist ein Irrglaube Ihrer­seits – einem Lobbying-Register, wo jeder von uns sich über das Internet eintragen kann, wo er beschäftigt ist und welche Kunden er hat. Mit einem Lobbying-Register werden wir das Vertrauen der Bevölkerung nicht zurückbekommen, meine Damen und Herren, sondern nur mit einem strengen Antikorruptionsgesetz, das auf alle diese Ma­chenschaften, wie wir sie derzeit kennen und festgemacht haben, reagiert, und zwar mit Strafen und Sanktionen reagiert. Das ist die einzige Möglichkeit, die wir sehen. (Beifall beim BZÖ.)

Wir vonseiten des BZÖ stehen für jegliche Verbesserung des Antikorruptionsgesetzes, auch hinsichtlich Parteispenden, Parteienfinanzierung und all dessen, was da in den letzten Wochen und Monaten ans Tageslicht gefördert wurde, aber auch was die Zu­rücknahme der Parteienförderung betrifft. Halten wir uns doch einmal die budgetären Notstände in den Gemeinden, in den Ländern und vor allem auf Bundesebene vor Au­


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gen und all das, was da in nächster Zukunft noch auf uns zukommt – und die Parteien kassieren in Österreich über 170 Millionen € pro Jahr! 170 Millionen € pro Jahr streifen alle Parteien ein! Da sind wir aufgefordert, einmal darüber nachzudenken, ob das ge­rechtfertigt ist. Wir stehen für eine Halbierung der Parteienförderung, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren. Das ist auch eine ehrliche, Vertrauen schaffende Maßnah­me, um unseren Berufsstand zu retten. (Beifall beim BZÖ.)

Das geht hin bis zu den schamlosen Regierungsinseraten, wo sich auch die meisten Parteien beteiligt haben. Das geht hin bis zu den Parteistiftungen und Beteiligungen von Werbeagenturen et cetera. Und das wäre doch eine Lachnummer, sehr geehrte Frau Bundesministerin, wenn Sie in Ihrem Lobbyistenregister die bündischen Struktu­ren nicht einschließen und die Kammern auch nicht hineinnehmen. Wenn Sie sich nämlich auf europäischer Ebene erkundigen, wer dort unter „Lobbyisten“ registriert ist, dann stellen Sie fest: Da ist die Wirtschaftskammer dabei, da ist die Arbeiterkammer dabei, und da ist die Landwirtschaftskammer auch mit eingeschlossen.

Auf europäischer Ebene ist man also viel, viel weiter. Ziehen Sie nach und sorgen Sie dafür, dass der Berufsstand gerettet wird! (Beifall beim BZÖ.)

16.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


16.11.09

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Frau Justizministerin! Wir haben wenig Vertrauen, wenn Sie jetzt als selbsternannte Jeanne d’Arc gegen die Lobbyisten reiten. Das hat zwei Gründe. Zum einen: Sie haben mich mit Ihrer Fünf-Mi­nuten-Rede schlicht nicht überzeugt. Außer ein bissel PR-Sprech hat es nicht viel Neu­es gegeben. Man merkt, Sie haben offensichtlich im Hintergrund Beratung. Das ersetzt aber nicht Inhalt.

Der zweite Punkt ist: Sie wissen genau, Ihre Eintrittskarte in das Justizministerium war das Aufschnüren der strengen Antikorruptionsstrafbestimmungen im Sommer 2009. Sie hatten die Worte „Ich gelobe!“ beim Bundespräsidenten noch nicht zu Ende ge­sprochen, haben Sie sich bereits mit den Lobbyisten an einen Tisch gesetzt und haben ein Korruptionsgesetz nach deren Wunsch gebastelt. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei den Grünen: So ist es!)

Ich nehme Ihnen daher die Nummer schlicht nicht ab. Und wenn Sie frech, muss ich schon fast sagen, im „Mittagsjournal“ auftreten und uns dieses Aufschnüren aus dem Sommer 2009 als Verschärfung verkaufen wollen, dann möchte ich Ihren eigenen Sek­tionschef Bogensberger, den Sie ja später aus dem Amt entfernt haben, zitieren. Der hat in seiner Abschiedsrede Folgendes gesagt:

„Zu den weniger geglückten Legislativprozessen zählt wohl das Korruptionsstrafrechts­aufweichungsgesetz, ...“

Ich betone: Der ehemalige Sektionschef, der damals Sektionschef war, sagt über Ihre Gesetzesreform, die Sie uns als Verschärfung verkaufen: „Korruptionsstrafrechtsauf­weichungsgesetz“. – Dann sagt er weiter:

„..., mit dem den unverblümt offen vorgetragenen Wünschen von potenten Anfütterern und den von ihnen finanziell abhängigen Einrichtungen meines Erachtens allzu bereit­willig entsprochen wurde.“

Er meint die Lobbyisten. Das sind die, die Sie jetzt vermeintlich scharf verfolgen wollen. (Abg. Kopf: Nein, wollen wir nicht verfolgen! Das ist ein Irrtum! Die Lobbyisten wollen wir nicht verfolgen!) – Dann geht es weiter:


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„Dieses Gesetz war auch ein Tiefpunkt in formaler Hinsicht, weil es in einer befremd­lichen Distanzierung von der hauseigenen Straflegislative zunächst außer Haus vorbe­reitet worden war.“

Halten wir fest: Die Korruptionsstrafbestimmungen wurden im Sommer 2009 auf Wunsch der Lobbyisten aufgeschnürt. Sie mussten damit Ihre eigene Strafrechtssek­tion, die eigene Strafrechtslegislative umgehen, indem Sie extern ein Gesetz basteln haben lassen, weil Sie in Ihrem Haus keine Akzeptanz für diese Maßnahme gehabt ha­ben. Unglaublich! – Dann geht es weiter:

„Wir in der Straflegislative konnten zwar nachträglich noch die ärgsten handwerklichen Defizite an diesem Außer-Haus-Entwurf beseitigen, aber zufrieden oder gar stolz machte uns letztlich weder Inhalt noch Art des Zustandekommens dieses Gesetzes. Und heute zeigt sich, dass zwar Anfütterer und Angefütterte wieder einander symbio­tisch zulächeln können, das Gesetz aber doch der internationalen Reputation Ös­terreichs stark abträglich ist. Das scheint offenbar hingenommen zu werden, was ich als Ausdruck einer gewissen antiinternationalen Grundhaltung interpretiere.“ (Abg. Mag. Donnerbauer: Was zitieren Sie denn da, Herr Kollege?)

Das sagt der ehemalige Sektionschef Bogensberger. Sie können das in der Mitarbei­terzeitung des Bundesministeriums für Justiz nachlesen. Aber ich nehme an, Frau Jus­tizministerin, Ihnen ist das ohnedies bekannt. – Das war der eine Punkt.

Und dann, nachdem Sie so einen Entwurf vorgelegt haben, ist das Parlament aktiv ge­worden, und es hat eine rot-schwarz-blaue Allianz der Willigen dieses Gesetz im Ho­hen Haus verabschiedet. – So viel zum einen.

Zum anderen, zum Abgeordnetenkorruptionstatbestand: Da können Sie ja nur bedingt etwas dafür, denn der ist schon im Jahr 2007 ins Gesetz gekommen. Das Einzige, was ich Ihnen vorwerfen muss: dass Sie hier das Parlament offensichtlich für dumm ver­kaufen wollen, indem Sie die nicht von Ihnen vorgelegten vermeintlichen Verschär­fungen aus 2009 uns tatsächlich hier heute als Verschärfung verkaufen wollen. Sie sa­gen, der Amtsträgerbegriff ist erweitert worden. Das stimmt – aber was Sie verschwei­gen, ist, dass der Amtsträgerbegriff zwar erweitert wurde, aber großzügige Ausnah­men ins Gesetz hineingenommen wurden. (Abg. Amon: Wehren Sie sich jetzt gegen die Verschärfung oder sind Sie dafür?)

Wenn Sie jetzt sagen, die Abgeordneten sollen weiterarbeiten, dann sage ich in Kennt­nis der Geschichte dieses Gesetzes: Sie machen wieder den Bock zum Gärtner. Tat­sache ist, dieses Gesetz ist zahnlos. Es hat auch damals wieder die Allianz der Wil­ligen aus SPÖ, ÖVP und FPÖ gegeben. – Die FPÖ war immer dabei, und wenn man dem Kollegen Pilz zuhört, dann weiß man, es gibt gute Gründe, warum die FPÖ immer dabei war, wenn es um ein zahmes Korruptionsstrafrecht gegangen ist.

Inhaltlich ging es – ich war von Anfang an immer wieder in die Verhandlungen zu die­sem Korruptionstatbestand für Abgeordnete eingebunden, ich kann mich noch gut an das erste Treffen erinnern – um die Umsetzung des UN-Übereinkommens gegen Kor­ruption. Das Thema war sofort: Das muss man nicht umsetzen, das kann man nicht umsetzen, darum geht es nicht! Es soll möglichst schmal bleiben. – Das hat man dann auch gemacht: Man hat nur den Stimmenkauf unter Strafe gestellt. Alle Parteien haben zugestimmt – wir haben nicht mitgestimmt.

Ein paar Monate später hat der Legislativdienst des Hauses bereits darauf hingewie­sen, dass dieses Gesetz repariert werden muss, weil es nicht dem UN-Übereinkom­men entspricht. – Keine Reaktion.

Wieder ein paar Monate später hat die GRECO – das ist die Staatengruppe gegen Kor­ruption im Europarat – in ihrem Bericht relativ scharf Kritik an diesem Gesetz geübt und


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hat dann – sehr vorsichtig formuliert – am Ende gesagt: Es kann nur angeregt werden, dass die österreichischen Behörden sicherstellen, dass das Strafgesetzbuch in der Weise reformiert wird, dass die passive Bestechung von Mitgliedern der Volksvertre­tungen ebenfalls umfasst ist. – Keine Reaktion.

Im Sommer 2009 ist im Zuge des Aufschnürens Ihres Korruptionsstrafpaketes der Druck wieder größer geworden. SPÖ und ÖVP waren unter Druck und haben sich gro­ße Sorgen gemacht, dass jetzt erstmals wirklich strenge Korruptionsstrafbestimmun­gen für Abgeordnete verankert werden müssen. Man hat überlegt, was man tun kann, und hat dann eine wirklich gute Lösung gefunden, indem man einen Scheintatbestand geschaffen hat. Man hat hineingeschrieben: „Amtsträger“. Dann hat man die Ausnah­men definiert. Man hat gesagt, der Stimmenkauf ist strafbar, und wenn Abgeordnete gegen Geld ihre Pflichten nach der Geschäftsordnung verletzen.

Das klingt gut. Ich war im ersten Moment richtig beeindruckt und habe mir schon ge­dacht, die Opposition hat einen Durchbruch geschafft. Und dann haben wir nachge­schaut, was die Pflichten der Abgeordneten nach der Geschäftsordnung sind: Das ist die Anwesenheitspflicht.

Also halten wir fest: Abgeordnete sind dann korrupt, wenn sie gegen Geld ihre Stimme verkaufen oder Sitzungen fernbleiben. – Das Parlament hat es geschafft, wiederum die Abgeordneten zu schonen. Es gibt hier ein rot-schwarz-blaues Korruptionsprivileg für Abgeordnete.

Wenn ich mir heute den Entschließungsantrag von SPÖ und ÖVP anschaue, dann finde ich das ja geradezu herzig: Man will die Antikorruptionsbestimmungen im Zusam­menhang mit MandatsträgerInnen evaluieren. – Die sind bereits evaluiert, und zwar durch Ihren Europa-Abgeordneten Strasser! Ich sage Ihnen auch, was das Ergebnis der Evaluierung ist: Europa-Abgeordnete unterliegen den strengen Abgeordnetenkor­ruptionsbestimmungen, weil sie durch die Ausnahme nicht umfasst sind. (Abg. Kopf: Was verstehen Sie unter Evaluierung? – Dass Sie bestimmen, was ..., oder was?) In­ländische Abgeordnete unterliegen diesen strengen Antikorruptionsbestimmungen nicht, ergibt die Evaluierung. Da wäre ein Verhalten wie jenes von Strasser straffrei.

Wir wollen die diesbezüglichen Bestimmungen verschärfen, eine Evaluierung ist nicht mehr notwendig. Sie haben ein umfassendes Paket von uns, Sie können heute zustim­men. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kopf: Diese grüne Selbstgerech­tigkeit ist nicht mehr auszuhalten!)

16.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

 


16.18.53

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mi­nisterinnen! Werte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Herr Kollege Steinhauser, ich möchte hier eine Lanze brechen für die Politikerinnen und Politiker und für ihre Arbeit. Nach all dem, was die Vorredner hier gesagt haben, hat man das Gefühl, ein paar schwarze Schafe bringen den gesamten Berufsstand dazu, dass er in einem schiefen Licht gesehen wird. Deswegen gibt es den Antrag der Regierungsparteien, worin Ver­änderungen vorgesehen sind, und der kann sich mit dem Antrag der Grünen sehr wohl leicht messen, denn wir haben konkrete Dinge hineingeschrieben, die für Politik und Wirtschaft, also für die gesamte Gesellschaft gelten.

Was die Arbeit von Politikerinnen und Politikern betrifft, so haben wir Vermittlungsfunk­tionen, wir haben Gestaltungsfunktionen, vor allem für jene Menschen, die unsere Un­terstützung brauchen, von denen wir das Mandat bekommen haben, im demokrati­schen Entscheidungsprozess zu wirken.


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Das ist eine ehrenvolle und sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Wir verbringen viele Stunden im Kontakt mit den Menschen und im Ausgleich der Interessen. Tausende en­gagierte Menschen, egal ob Bezirksrätinnen, Bezirksräte, Bürgermeisterinnen, Bürger­meister, Gemeinderätinnen, Gemeinderäte oder Nationalratsabgeordnete – wir alle ha­ben eine ehrenvolle Aufgabe übernommen, die viel Verantwortung bedeutet und wo manchmal auch der eigene Bereich hintangestellt wird.

Das, werte Kolleginnen und Kollegen, ist für die Demokratie unabdingbar und darf nicht durch einzelne schwarze Schafe in Verruf geraten, denn die Grundfesten der Demo­kratie sind, dass Repräsentantinnen und Repräsentanten für die Bevölkerung Entschei­dungen treffen, Mehrheiten finden, Interessen ausgleichen. Und diese Aufgaben, werte Kolleginnen und Kollegen, müssen wir immer im Blickfeld haben.

Für alle Teile der Gesellschaft müssen Maßnahmen wirken, damit Korruption nicht als Kavaliersdelikt in unserer Republik gelten kann, wie das Bundeskanzler Faymann dar­gestellt hat. Sauberkeit und saubere Hände in der Politik sind von Bundespräsidenten Fischer eingemahnt worden. Es geht darum, dass man sich genau die Kodizes anschaut, dass man sich genau die Codes of Conduct, wie es im wirtschaftlichen Bereich heißt, anschaut und dass dann auch die entsprechenden Maßnahmen getrof­fen werden, sodass vor allem Transparenz und Offenheit einziehen können.

Im Parlament gibt es viele Bemühungen in diese Richtung, und die Vorredner von Sei­ten der Regierungsparteien haben schon auf den Antrag, den wir einbringen werden, Bezug genommen. Es gibt auch schon einige Projekte, die in Umsetzung begriffen sind. Es ist wichtig, dass wir alle Teile der Gesellschaft mit Transparenz durchziehen, damit nicht nebulose Beschuldigungen und unterschiedliche Darstellungen Einzug halten. Wir wollen Nägel mit Köpfen machen, weil es uns darum geht, dass, wenn Schwachstellen, Missstände auftreten, diese beseitigt werden.

Und da, werte Kolleginnen und Kollegen, möchte ich folgenden Aspekt einbringen. Der Rechnungshof als Institution des Parlaments ist zur Überprüfung der Einkommensver­hältnisse von Ministerinnen und Minister eingesetzt. Er nimmt die Offenbarung der Ver­mögensverhältnisse entgegen, hat aber keinerlei Möglichkeiten, einen öffentlichen Be­richt darüber zu verfassen. So ist es auch dazu gekommen, dass ein ehemaliger Fi­nanzminister vergessen hat zu deklarieren, was alles seine Vermögensverhältnisse be­inhaltet haben.

Werte Kolleginnen und Kollegen, es ist danach zu trachten, den Rechnungshof mit der Möglichkeit einer öffentlichen Berichterstattung über die Darstellung der Vermögens­verhältnisse von MinisterInnen auszustatten.

Eine weitere Aufgabe, die der Rechnungshof hat, bezieht sich auf die Offenlegung der Spenden an die Parteien. Die Angaben über Spenden werden in den Archiven oder Tresoren des Rechnungshofes gut gelagert, sie öffentlich zu machen ist ebenfalls nicht möglich. Aber auch betreffend Offenlegung von Parteifinanzen gibt es sehr wohl Schrit­te in die richtige Richtung, sodass diese Spenden in Zukunft auch öffentlich dargestellt werden können.

Werter Kollege Stefan, ich muss zurückweisen, dass Sie die Unternehmen der SPÖ Wien wie Wohnbaugenossenschaften als dubioses Machtwerk und Filzwerk titulieren. Das sind Firmen und Genossenschaften, die für die Wienerinnen und Wiener erfolg­reich arbeiten – im Gegensatz zu Rosenstingl in Niederösterreich, der damals eine Wohnbaugenossenschaft in den Abgrund getrieben hat und dann auch gerichtlich be­langt worden ist.

Zum Schluss kommend: Im Sinne einer Stärkung der Demokratie ist es wichtig, dass Gleichgewicht und Transparenz in die Bereiche Wirtschaft und Politik einziehen, dass


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die diesbezüglichen Anstrengungen und Umsetzungen sachlich orientiert sind und nicht vom schnellen parteipolitischen, polemischen Kalkül gelenkt werden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

 


16.24.32

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen der Bundesregierung! Geschätztes Hohes Haus! Wenn wir hier im Ho­hen Haus Gesetze beschließen, dann sind das die Spielregeln für die Bürger in diesem Land. Und wir tun das, weil wir ein politisches Mandat haben. Wenn wir darüber nach­denken, dann ist es ganz gut, wenn man einmal hinterfragt, was „Mandat“ überhaupt heißt. Mandat ist nicht ein Beruf, Mandat ist auch nicht die Bezeichnung für einen Politiker auf Bundesebene, sondern Mandat heißt nichts anderes als Auftrag. Das ist aber nicht im Sinne von „Ich hätt’ gern“, sondern das ist eine relativ verbindliche Ge­schichte. (Abg. Mag. Stadler: Also ihr braucht uns nicht ein Mandat erklären! Ihr nicht! Nicht da draußen moralisieren und anderen erklären, was ein Mandat ist!)

Herr Stadler, Sie können besser Latein als ich, Sie können wahrscheinlich eine ganze Oper drüber singen, aber Sie brauchen mir da nicht ins Wort fallen. Ich bin jetzt am Wort! (Beifall bei der ÖVP.)

Jedenfalls: „Mandat“ heißt „Beauftragter“. (Abg. Mag. Stadler: Ja, das erklär einmal deinen Leuten!) Viele von uns nehmen das relativ ernst und kennen ihre Auftraggeber. (Abg. Mag. Stadler: Ja, ja, das glaub’ ich schon, dass du deine Auftraggeber kennst: Raiffeisen!)

Ich selber bin ein Weinviertler Mandatar, und mich beeindruckt natürlich sehr die große Menge heiße Luft, die da heute wieder produziert wird, und ich habe mir das den gan­zen Tag sehr intensiv zu Gemüte geführt. Das ist halt so, muss so sein. (Abg. Mag. Stadler: Das nenne ich Mut, da draußen uns moralisch zu erklären, was ein Mandat ist! Das nenne ich Mut!) Aber mein Maßstab sind meine Leute draußen. Und wenn ich mir genau überlege, was da abgeht, dann muss ich sagen, da ist Schlimmes passiert.

Ich bin ein Weinviertler Mandatar (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Das haben wir schon gehört!), und ich habe 9 433 Vorzugsstimmen gekriegt, persönliche Vorzugs­stimmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel?) 9 433. Ich kann daher sagen, dass ich ungefähr weiß, was ein Wahlkampf ist, und weiß, was mich motiviert. Ich möchte das da ganz offen aussprechen. Ich bin viel unter den Leuten, und wo ich bin, ist fast immer einer dabei, der mir mit Sicherheit eine Vorzugsstimme gegeben hat. Und vor diesen Leuten will ich mich nicht genieren. Das ist mein wirklicher moralischer Maßstab in der politischen Arbeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Vielleicht interessiert es noch den einen oder anderen: Ich bin auch Präsident der Landwirtschaftskammer, also ganz offensichtlich mit einem Vertretungsauftrag für die Landwirtschaft unterwegs. Bei der Landwirtschaftskammerwahl haben wir 64 Prozent Wahlbeteiligung und über 90 Prozent Zustimmung gehabt.

Meine Damen und Herren, die Leute wissen, was ich mache, die Leute wollen, was ich mache, und die Leute unterstützen mich bei der Wahl dafür. (Zwischenrufe beim BZÖ.)

Was das wirkliche Drama in der aktuellen Situation ist: Die einzige Währung, die in der Politik wirklich zählt, ist die Währung „Vertrauen“. Und die Vorzugsstimme ist der per­sönliche Auftrag. (Abg. Mag. Stadler: In der ÖVP muss man das extra erklären, damit man weiß, was er tut!) Das ist jetzt das Thema, das wir heute haben: Kollegen haben


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das Vertrauen erschüttert, bei euch und leider jetzt auch bei uns. Wir müssen Vorsorge treffen, dass Leute, die offensichtlich in der heutigen Zeit durch neue Herausforde­rungen neuen Versuchungen ausgesetzt sind, diesen nicht erliegen. Gemeinsame Vor­sorge treffen – warum wollen wir das? Weil wir wissen, dass Vertrauen für die Politik das Wichtigste ist: für den Wähler, dass er überhaupt zur Wahl geht, aber noch viel mehr für die Funktionäre und Funktionärinnen, die unsere Demokratie tragen. (Abg. Mag. Stadler: Das ist die neue Form der Logotherapie!)

Jeder von uns da herinnen kann gescheit reden, aber in Wirklichkeit sind wir alle nichts, wenn wir nicht Leute haben, die uns draußen helfen, unterstützen, mit uns Poli­tik entwickeln, mit uns Gedanken formulieren und mit uns stark arbeiten. Für uns in der ÖVP zählt das, und für mich zählt das, und deshalb ist das Vertrauen das Wichtigste.

Wenn wir heute Spielregeln aufstellen wollen für die Ethik in der Politik, dann soll jeder wissen, für uns gibt es Grenzen, die wir gemeinsam setzen, damit sich jeder auskennt. Die Frage ist: Wieso ist so etwas heute notwendig? Ganz offensichtlich hat die Repu­blik seit 1945 vieles ausgehalten, alle möglichen, sage ich einmal, schwachen Men­schen ausgehalten, und trotzdem will man heute etwas festlegen, was man bis jetzt nie festgelegt hat.

Wir wissen es: Es gibt eine ganz neue Informationswelt, es gibt eine ganz neue Me­dienwelt. Diese können einen Druck entwickeln, einen finanzstarken Druck ent­wickeln – und die können Fallen aufstellen. Und wir wissen ganz genau, dass diese Fallen der Demokratie schaden.

Daher: Wir denken nach über einen gemeinsamen neuen ethischen Ansatz, und ich glaube, das wäre ein Punkt, wo wir alle, die wir die Demokratie ernst nehmen, gut da­ran täten, wenn wir den Spott und den Hohn draußen lassen würden. Denn jeder, der mit dem spitzen Finger auf andere zeigt, soll nicht vergessen, dass drei Finger zurück­zeigen. Das hat mir schon meine Großmutter gesagt. Das einmal zu beherzigen wäre in so einer Situation vielleicht nicht so schlecht.

Ich jedenfalls weiß ganz genau, die Demokratie ist es wert, dass wir uns anständig, das heißt intensiv und mit Anstand, dafür einsetzen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Linder. – Bitte.

 


16.29.44

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Geschätzte Damen auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn immer wieder Transparenz gefordert wird, dann möchte ich darauf hinweisen, die meiste Transparenz haben wir in den kleinen Gemeinden. Das sei den Grünen in Erinnerung gerufen, wenn sie immer wieder nach großen Gemeinden rufen, wenn sie immer wieder Zentralisierung verlangen, weil ich glaube, bei uns funktioniert die Kontrolle und ist Überschaubarkeit gegeben. – Das ist das eine.

Das Zweite ist der von euch erhobene Vorwurf gegen die Connect in Kärnten. – Ja, wir treten für völlige Offenheit ein. Wir werden die Vorgänge offenlegen. Wir werden of­fensive Aufklärung betreiben. Wir werden volle Transparenz herstellen, und wir werden auch, wenn es notwendig ist, die Verantwortlichen dafür zur Verantwortung ziehen. Als ersten Schritt haben wir die Connect stillgelegt (Abg. Öllinger: Nein, ist ja noch nicht!), haben die Geschäftstätigkeiten stillgelegt, haben eine unabhängige Kommission einbe­rufen, die die Vorgänge überprüfen wird. (Abg. Öllinger: Gearbeitet hat da eh nie wer was! – Abg. Mag. Kogler: Haben eh nur kassiert und nichts gearbeitet!) Der Ge­schäftsführer ist zurückgetreten und hat auch seine Funktion als Abgeordneter zurück­gelegt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 153

Wir treten aber auch gegen eine Vorverurteilung ein, die speziell vonseiten der Grünen immer wieder praktiziert wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch Politjustiz ist etwas, was wir auf das Schärfste verurteilen. Ich bringe hier zwei schöne Beispiele, weil Sie immer wieder auf Uwe Scheuch einhauen.

Zum einen gibt es die Salzburger Osterfestspiele, wo die Landeshauptfrau Gabi Burg­staller gemeinsam mit dem Bundeskanzler Faymann mit einem Russen verhandelt hat, 2 Millionen € bekommen hat und den Russen dafür eingebürgert hat. Uwe Scheuch hat mit einem ehemaligen Parteimitarbeiter gesprochen, hat nichts verbrochen dabei, hat nichts getan – und es wird heute vom grünen Staatsanwalt Geyer, ehemaligen Klubob­mann-Stellvertreter, alles versucht, dass er angeklagt und vorgeführt wird. Solche Din­ge sind, glaube ich, auf das Schärfste zu verurteilen!

Wir treten in Kärnten dafür ein, dass die Parteien alle vom Rechnungshof überprüft werden (Abg. Mag. Kogler: Das kann er ja gar nicht!), dass alle Parteien, die sich pri­vat Firmen halten und so versuchen, das Parteienförderungsgesetz zu umgehen, das offenlegen müssen, dass alle diese Parteien keine Förderung mehr bekommen. Wir treten aber auch dafür ein, dass offengelegt wird, welche Firmen in den letzten 5 Jah­ren Aufträge von der öffentlichen Hand, vom Land Kärnten bekommen haben.

Ich freue mich darauf, dass es auch ans Tageslicht kommt, dass die „Kärntner Tages­zeitung“ und die Kärntner Druckerei, die zu diesem Zeitpunkt eine 100-Prozent-Tochter der SPÖ war, insgesamt Aufträge seitens des Landes Kärnten in Höhe von 2,5 Millio­nen € bekommen haben.

Aber nun zu den Grünen, die sich immer, auch heute wieder, selbst als Sauberpartei darstellen und versuchen, sich diesbezüglich in den Vordergrund zu stellen. In Kärnten haben die Grünen das „Horror-Filmfestival“ mitfinanziert, und das mit Steuergeld, und für dieses „Horror-Filmfestival“ wurde ein Film gedreht, bei dem es darum geht, ein „Kinderschnitzel“ zu kochen, nach folgendem Rezept: Kinderfleisch leicht klopfen, sal­zen, pfeffern! Salbeiblätter und Kräuter darauf auslegen. Darauf Babyspeck platzieren und einmal fest zusammenlegen. Bestens geeignet dafür sind vier Scheiben Kinder­fleisch vom Kärntner Blondkind.

Im weiteren Verlauf des Films fragt dann die Dame den Koch: Welches Fleisch vom Kind eignet sich am besten? Derselbe geht dann zu einem Plan (der Redner stellt eine Tafel mit einer „Säuglings-Zerstückelungsanleitung“ vor sich auf das Rednerpult) und zeigt anhand dessen, dass man vom Kopf des Kindes wunderbar eine Sülze oder ei­nen Silvesterkopf machen kann, die Kinderhände und die Kinderfüße für Kindergulasch geeignet sind.

Meine Damen und Herren, das gefördert mit Steuergeldern aus der Parteikasse der Grünen! (Abg. Dr. Strutz: Sag, wer kassiert hat, Maxi!) – Das ist das eine.

Das Zweite dazu ist aber, und das ist für mich noch das viel Schlimmere: Die Musik zu diesem Film hat der grüne Landtagsabgeordnete Holub geschrieben, was heißt, dass er sich und seine private Musikkapelle wieder mit Steuergeldern fördern lässt. (Abg. Dr. Strutz: Das ist ein Skandal!)

Meine Damen und Herren von den Grünen, ihr habt kein Recht, für Sauberkeit einzu­treten, solang mit Steuergeldern solche Grauslichkeiten von euch mitfinanziert werden!

Wir verlangen Offenheit und Transparenz bei der Parteienförderung, aber auch bei al­len Firmen, die im Umfeld der Parteien mit gefördert werden, und wir fordern alle Par­teien auf, hier mit dabei zu sein. (Beifall bei der FPÖ.)

16.35



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 154

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte. (Bundesministerin Dr. Fekter: Auch ein Taferl! – Abg. Grosz – auf dem Weg zum Rednerpult –: Kein Taferl, Frau Bundesminister!)

 


16.35.12

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn ich mir die Redner der ÖVP anhöre, kommt es mir langsam so vor, als hätten wir Daueraschermittwoch, denn so viel Asche gibt es gar nicht in diesem Land, wie Sie sich derzeit auf den Kopf schütten und glauben, den Menschen damit auch Sand in die Augen streuen zu können.

Sie geloben hier heute Besserung und haben eigentlich dieses System, das wir jetzt diskutieren, zur Königsdisziplin in diesem Land erhoben. Es ist ja nicht nur der Herr Strasser! Ich weiß nicht, warum Sie das jetzt alles an dem Herrn Strasser aufhängen. Haben Sie vergessen den Fall Mensdorff-Pouilly, des Herrn Waffenlobbyisten? Ist das komplett aus Ihrem Gedächtnis gestrichen? Haben Sie vergessen den Herrn Grasser, der besonders im Korruptionsbereich auffällig geworden ist, nachdem er ÖVP-Minister geworden ist im Jahr 2002? Haben Sie den Herrn Hochegger vergessen? Haben Sie den Herrn Otto Gumpinger vergessen, einen oberösterreichischen Landtagsabgeord­neten Ihrer Partei, der Ausländer gegen Geld ins Land geschleust hat? Haben Sie ver­gessen den Herrn Hüttmayr aus Oberösterreich, der als Zivilschutzverbandspräsident seiner eigenen Firma Aufträge zugeschanzt hat? Haben Sie das alles vergessen?

Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP! Ich habe Ihnen etwas mitgebracht: einen Spiegel. (Der Redner stellt einen Spiegel in Richtung ÖVP-Fraktion auf das Red­nerpult.) Kein Taferl, einen Spiegel, sehr exklusiv für Sie, um Ihnen einmal einen Spie­gel vorzuhalten, damit Sie sehen, was Sie in den vergangenen Jahren in dieser Repu­blik alles aufgeführt haben. (Beifall beim BZÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben Bestechlichkeit und Korruption von Man­datsträgern bis in Regierungsämter salonfähig gemacht. Ich verstehe diese Aufregung nicht, die jetzt herrscht, diese Entgeisterung: Hoppla, diese Republik ist vor drei Wo­chen korrupt geworden! – Das wäre mir neu.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Republik ist bekannt dafür, dass sie korrupt ist: „Noricum“, „Lucona“: sechs Tote, eine Beteiligung eines SPÖ-Innenministers, der heute Pensionistenverbandsvorsitzender ist, „Konsum“-Pleite, Länderbank, Morde in diesem Land. (Ruf bei der SPÖ: Aber ein bisschen Respekt vor der Republik sollten Sie auch haben!) Das waren die Skandale der siebziger und achtziger Jahre, die jetzt halt wieder einmal 2011 eine Renaissance feiern!

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sind ja wie der Tsunami, der in regelmäßigen Ab­ständen über dieses Land, der Tsunami des Morastes, hereinschwemmt, weil in regel­mäßigen Abständen der wahre Charakter von Teilen Ihrer Mandatarinnen und Manda­tare auffällig wird. (Beifall beim BZÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, vergessen Sie auch nicht die BAWAG und den Herrn Verzetnitsch, der hier in der zweiten Reihe gesessen ist!

Sind Sie wirklich alle so vergesslich? Seit drei Wochen ist das Land korrupt? – Nein! Solang Sie von SPÖ und ÖVP an der Spitze dieses Landes stehen, wird dieses Land immer korrupt bleiben! Österreich ist nicht frei (Beifall beim BZÖ), sondern befindet sich in der Geiselhaft Ihrer selbsternannten Moralisten, die Wasser predigen und Wein saufen und in regelmäßigen Abständen ertappt werden und, wie ich hoffe, von der Jus­tiz endlich hinter Schloss und Riegel gebracht werden.

Und dieses System wird sich auch nicht ändern, sehr geehrte Damen und Herren! Da können wir heute Voodoo-Beschwörungen machen, was auch immer, alle Eide able­


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gen, es wird sich nicht ändern! Solang in der ÖVP sechs Lobbyisten der Bankenwirt­schaft in Österreich nach wie vor ihren Platz finden (Abg. Dr. Strutz: Was ist ein Sex­lobbyist? – Abg. Zanger: Die haben Sexlobbyisten in der ÖVP!), solang in der zweiten Reihe ein Voest-Lobbyist hier Arbeit für die Voest macht und nicht für die Bevölkerung seines Wahlkreises, solang wir in der zweiten Reihe etwas rechts außen einen Atom­lobbyisten haben, der seinen Auftrag in der Atomwirtschaft viel eher sieht – dieser ist ja auch weitaus besser dotiert – als seinen Auftrag der Wählerinnen und Wähler in sei­nem Wahlkreis, solang wir in der dritten Reihe einen Lobbyisten haben, der die Phar­maindustrie in diesem Land in den Mittelpunkt seiner politischen Tätigkeit stellt und nicht die Gesundheit der Menschen in diesem Land, so lange wird sich das nicht bes­sern, weil bei Ihnen Eigennutz und Parteinutz immer noch vor Gemeinnutz geht. Und solang Sie das nicht begreifen, sehr geehrte Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, wird sich da nichts ändern. (Beifall beim BZÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! (Der Redner dreht den Spiegel in Richtung FPÖ-Fraktion.) Ich nehme Ihnen alle Worte ab, die heute von Ih­nen gefunden worden sind, auch vom Kollegen Stefan, auch die Aussendungen und medienwirksamen Aussagen Ihres Parteivorsitzenden Strache, aber Sie werden so lange nicht glaubwürdig sein, solang Sie nicht in Ihren eigenen Reihen endlich für Sau­berkeit sorgen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben sich vor etwas mehr als einem Jahr einen Dorn in Ihren Fuß eingezogen: eine Person wie den Herrn Scheuch, der nicht einmal auffällig geworden ist, sondern bereits mehrmals. Er ist als Autoexporteur mithilfe ei­ner Versicherung bekannt, sehr geehrte Damen und Herren, falls Sie das noch nicht begriffen haben! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist ja nichts Neues. Scheuch ist be­kannt dafür, dass er als „part of the game“ Staatsbürgerschaften zum Okkasionspreis verschleudert – im Übrigen nicht, damit es dem Land besser geht, sondern als „part of the game“, wie die Musi für die Partei spielt: „Man muss nur irgendwie zuwikumman“ und das Geld einabringan. Da hat er nicht den Steuertopf des Landes Kärnten ge­meint.

Solange dieser Herr Scheuch nach wie vor einerseits in einem der größten Parteien­finanzierungsskandale der Zweiten Republik, der sich hier auftut, nach Aufklärung schreit und auf der anderen Seite versucht, mit einstweiligen Verfügungen die Veröf­fentlichungen und die Arbeit der Kontrolle zu unterdrücken, sehr geehrte Damen und Herren, so lange werden Sie nicht glaubwürdig sein. (Abg. Rädler: Schauen Sie ein­mal in der Familienchronik nach!)

Ich kenne viele von Ihnen. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit bis 2005. Ich weiß, dass sehr viele von Ihnen aufrechte, anständige Leute sind, die sagen: Mit so et­was wollen wir nichts zu tun haben! Und ich glaube auch, dass Ihr Wort gerade in die­ser Debatte Gewicht bekommen wird. Ich ersuche Sie aber eindringlich, sich endlich von diesem Schmutz, von diesem Morast, von diesem charakterlichen Morast einiger handelnder Personen zu befreien. Dann sind Sie auch in dieser Debatte wieder glaub­würdig, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Solange also kein Umdenken in diesem Land erfolgt, solange dieses Parlament und die politischen Parteien Verfehlungen der Vergangenheit pardonieren und zum Beispiel einen Herrn Androsch zum Oberberater des Herrn Faymann in Bildungsfragen ma­chen – einen Herrn Androsch, der vor 20 Jahren nicht einmal mehr Häfenwärter ge­worden wäre (Abg. Mag. Muttonen: Was schreien Sie denn immer so!) –, solange Sie so jemanden, der, wie wir wissen, wegen Steuerhinterziehung als Finanzminister mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist – falls Sie es vergessen haben –, pardonieren und wieder zu einer eleganten, angesehenen Person der Gesellschaft machen, etwa bei Vortragsreisen, solange ein Herr Blecha bei Ihnen Funktionen hat, solange Sie all


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jene auch weiterhin pardonieren und bei Ihren Gedenkveranstaltungen für den Herrn Kreisky bejubeln, so lange werden Sie in diesem Bereich nicht glaubwürdig.

Und, was noch schlimmer ist: Es wird sich in diesem Land nichts ändern (Ruf bei der FPÖ: Bravo, so ist es!), solange wir nicht einmal eine Geschichtsaufarbeitung darüber betreiben, wie Sie die letzten 30 Jahre wie das Fettauge auf einer Rindssuppe diese Republik beleidigt und geschändet haben. (Beifall beim BZÖ.)

16.42

16.42.54

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Grosz, ich habe es bereits nach der Rede des Herrn Abgeordneten Pilz angekündigt: Wenn es gegenseitige Vor­würfe der Korruption gibt, gibt es einen Ordnungsruf. – Somit erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Abg. Grosz: Ich bin ordnungsrufbefreit, durch Sie! Abg. Ing. Westen­thaler: Sie haben versprochen, ihm keinen Ordnungsruf zu geben!)

Im Übrigen erteile ich auch Herrn Klubobmann Strache, der ebenfalls Korruption unter­stellt hat – nämlich dem Herrn Abgeordneten Pilz –, einen Ordnungsruf. – Gleiche Vorgangsweise für alle.

Ich ersuche Sie wirklich inständig – es gibt ja zu dieser Debatte noch einige Wortmel­dungen –, diese Unterstellungen zu unterlassen. (Abg. Dr. Jarolim: Aber er ist doch nur verhaltensgestört!)

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Haben Sie gehört, was der Kollege Jarolim gesagt hat?! „Verhaltensgestört“ ist kein Wort, das ...! Abg. Amon: Er ist verhaltensoriginell! Abg. Mag. Stefan: Zur Geschäftsordnung!)

Erstens habe ich das Wort schon der Frau Bundesministerin erteilt, das heißt, ich er­teile das Wort zur Geschäftsbehandlung nach deren Ausführungen.

Zweitens habe ich das nicht gehört und werde mir sofort das Stenographische Proto­koll kommen lassen. (Abg. Ing. Westenthaler: Er ist „verhaltensgestört“, hat er ge­sagt! Abg. Dr. Jarolim: Ich habe gesagt, er ist verhaltensgestört! Abg. Ing. Wes­tenthaler: Da, schon wieder!)

Dann ist es relativ einfach: Somit erteile ich dem Herrn Abgeordneten Jarolim ebenfalls einen Ordnungsruf. – Ich habe den Zwischenruf vorher nicht gehört. (Beifall beim BZÖ.)

So, aber jetzt gelangt die Frau Bundesministerin zu Wort. – Bitte.

 


16.43.34

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich melde mich noch einmal zu Wort, denn alles lasse ich mir auch nicht gefallen! (Zwischenrufe beim BZÖ.) Sehr geehrte Damen und Herren, hören Sie mir zu! Das wäre sehr nett. Danke schön.

Ich kann nur eines sagen: Ein Wahnsinn, wie viele Staatsanwälte hier sitzen! Wirklich, toll, bewerben Sie sich doch bei uns! (Abg. Ing. Westenthaler: Schmeißen Sie die an­deren endlich auße! Abg. Mag. Stadler: Das sind ja Inquisitoren! Das ist ja Inquisi­tion!)

Herr „Oberstaatsanwalt“ Kogler zum Beispiel – er ist jetzt nicht mehr im Saal –, kennen Sie all die Akten? Kennen Sie den Inhalt der Akten? Wirklich, kennen Sie alle? Die Ent­scheidungsgründe, wortwörtlich? Ja? So viel dazu. (Abg. Bucher: Kennen Sie die Haider-Konten?)

Ich sage einmal: Schluss mit den Unwahrheiten, vor allem mit diesen Halbwahrheiten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Und Schluss damit, dass man mit Strafrecht Politik macht. Dazu ist das Strafrecht einfach nicht da, das ist etwas viel zu Ernstes. (Neuerlicher Bei­


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fall bei ÖVP und SPÖ. Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie das den Staatsanwäl­ten! Abg. Mag. Stadler: Ihre Staatsanwälte machen Politik! Abg. Ing. Westentha­ler: Ich freue mich schon auf den Untersuchungsausschuss!)

Herr Abgeordneter Steinhauser, ich möchte noch etwas zu den Korruptionsbestimmun­gen, Novelle 2009, sagen. Ich gebe Ihnen gerne Nachhilfe. (Abg. Dr. Pilz: Was bilden Sie sich überhaupt ein?) Ich sage Ihnen gerne, wo die Verschärfungen liegen. Früher war die höchste Strafdrohung bei Bestechungsdelikten fünf Jahre, jetzt sind es zehn Jahre. Also soll einmal einer sagen, dass das keine Verschärfung ist.

Zum Herrn Abgeordneten Jarolim möchte ich auch etwas sagen. Ich möchte etwas richtigstellen. Vielleicht hat es sich noch nicht herumgesprochen, aber in der BUWOG-Affäre ist kein Staatsanwalt davongelaufen. Der behandelt diesen Fall nämlich weiter und hat zusätzlich durch zwei weitere Staatsanwälte und durch eine SOKO Unterstüt­zung bekommen. Es sind jetzt sogar mehr Ressourcen da, und der Staatsanwalt be­arbeitet das weiter. Dafür habe ich gesorgt! (Beifall bei der ÖVP.)

Da immer gejammert wird, in der Korruptionsstaatsanwaltschaft säßen noch zu wenig Staatsanwälte: Wir alle wollen wirklich gute Leute dort haben – ich glaube, darüber sind wir uns einig! Derzeit werden Leute ausgebildet, in Linz und in Wien, und wir wer­den dort im September 21 und dann in weiterer Folge 40 Staatsanwälte haben. Das geht nicht von heute auf morgen. Wir brauchen wirklich die besten Leute, eine schlag­kräftige Einheit gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Ing. Westenthaler: Die haben so viel Zeit! Die machen Hausdurchsuchungen!)

Noch etwas: Sie haben zu Recht gesagt, wir sollen den Staatsanwälten den Rücken stärken. Ja, bitte! Lassen wir sie doch endlich einmal in Ruhe arbeiten und hören wir doch auf, alle Justizbediensteten allgemein zu verunglimpfen! Das haben sich die über 11 000 Mitarbeiter in der Justiz einfach nicht verdient. Wir haben im Jahr 3,4 Millionen Geschäftsfälle in der österreichischen Justiz. Wir haben 600 000 Ermittlungsverfahren. Noch dazu schneiden wir in internationalen Rankings wirklich super ab – ich kann es Ih­nen zeigen, schwarz auf weiß! (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf der Abg. Mag. Korun.)

Ich wollte nur noch sagen: Die österreichische Justiz leistet viel (Abg. Mag. Kogler: Ja, vor allem leisten sie sich viel!), und sie verdient Anerkennung. Hören wir doch einmal auf mit dem ewigen Sudern und Raunzen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Bu­cher: Haben wir Sie beleidigt, Frau Minister? Fühlen Sie sich beleidigt?)

16.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Kräu­ter. – Bitte.

 


16.47.45

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Der Einstieg ist jetzt wirklich schwierig, nach dem Su­dern und Raunzen. Ich denke, dass die Bevölkerung zurzeit sehr viel sudert und raunzt, was die Leistungen der Justiz betrifft (Abg. Amon: Die Bevölkerung „sudert“?), und das schlägt sich auch in der Presse nieder.

Am 22. März erschien in der Zeitung „Die Presse“ unter dem Titel „Affären, die das Land erschüttern“ ein Artikel, in dem einiges aufgezählt wird, Frau Bundesministerin: „Provisionen beim Verkauf der Bundeswohnungen“ – BUWOG –, „Ein Glücksspielge­setz für die Novomatic?“ – auch ein Fall Grasser –, „Eurofighter und viele Millionen Eu­ro“ – ich komme gleich noch darauf zu sprechen –, „Vorgänge rund um den Verkauf der Hypo Alpe Adria“, „Staatsbürgerschaft als ‚part of the game‘“, „Provision für Auf­träge des Landes und landesnaher Unternehmen“ – und da ist der Fall Strasser noch gar nicht erwähnt. (Abg. Bucher: Untersuchungsausschuss, Herr Kollege! Abg. Ha­gen: Verzetnitsch hast du auch vergessen!)


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Und gestern, Frau Bundesministerin, war ja ein wirklich trauriger Tiefpunkt die Mittei­lung, dass man im Zusammenhang mit Eurofighter Einstellungen vorgenommen hat. Die Begründung war wirklich abenteuerlich, wenn man meint, offensichtlich gebe es niemanden, der sich geschädigt fühle. – Also ich bitte Sie, da wirklich energisch durch­zugreifen – wofür haben wir denn ein Weisungsrecht? – und hier bei der Staatsanwalt­schaft entsprechend einzuschreiten. (Abg. Bucher: Das ist richtig!)

Oder auch, was den Hypo-Prozess betrifft: Da hat man offensichtlich ein schnelles Bauernopfer gesucht. (Abg. Bucher: Wer ist das, das Bauernopfer?) Da muss man, glaube ich, schon ein bisschen tiefer und in die Substanz hinein (Abg. Hagen: Warum haben Sie das bei der BAWAG nicht gemacht? Da haben Sie es vergessen!), zu den prominenten Beteiligten rund um die Investorengruppe Tilo Berlin. – Die allermeisten kennen Sie natürlich, Herr Bucher und Karl-Heinz Grasser sind da natürlich auch da­bei.

Als amtierender Finanzminister – das muss man sich einmal vorstellen! – hat er da­mals über Meischberger – das ist ja alles nachweisbar und mit E-Mails belegt – einge­griffen, war involviert und hat für seine Schwiegermutter – angeblich allerdings nur – die entsprechenden Dispositionen getätigt. – Diese Dinge gehören untersucht, Frau Bundesministerin! (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP sowie beim BZÖ. Rufe beim BZÖ: So ist es!)

Niemand soll sagen, dass man über die Dinge nicht Bescheid gewusst hat. Die SPÖ, meine Damen und Herren, hat schon zur Causa BUWOG im Jahr 2003 – so lange ist das her – in einem Minderheitsbericht die Machenschaften des Herrn Plech aufge­deckt.

Wir haben schon damals schriftlich hier im Parlament deponiert, dass er in der Verga­bekommission ist, Funktionen im öffentlichen Immobilienbereich hat, privater Immobi­lienvermittler ist und dass er für den Wechsel einer Institution von einem öffentlichen Gebäude in das andere 607 476 € eingestreift hat. (Abg. Bucher: Untersuchen wir das alles in einem Ausschuss!)

Wir haben damals schriftlich vorhergesagt, dass für diese Art einer intransparenten und dubiosen Auftragsvergabe Finanzminister Grasser persönlich verantwortlich ist. Es soll hier also niemand überrascht tun.

Oder Ernst Strasser, im Mai 2009, die Lobbyingmaschine – es war alles bekannt, schon lange vor der EU-Wahl: die Beteiligungen, die Lobbyingmandate! Ich habe da­mals vorausgesagt, er wird wohl zusätzlich so 600 000 € pro Jahr einstreifen. Niemand soll sagen, dass man es nicht gewusst hätte! (Abg. Amon: Wie war das mit Vranitzkys Vertrag bei der Euro-Einführung? Wollen wir darüber auch reden?)

Meine Damen und Herren, es hat auch vor der EU-Wahl eine Initiative gegen Lobbyis­mus in der EU gegeben, und es wurde das mangelhafte Lobbyistenregister angespro­chen. Die SPÖ-Abgeordneten haben ein Verbot für Europaangeordnete unterschrie­ben, während ihrer Amtszeit als Lobbyisten zu arbeiten.

Leider ist die SPÖ damals damit alleine geblieben, und die Folgen sind ja jetzt trans­parent geworden. Die SPÖ-Abgeordneten im Europaparlament treten für ein Berufsver­bot ein. Das kann ich mir für Europaabgeordnete auch vorstellen – hier im Haus nicht, meine Damen und Herren, aber hier braucht es mehr Transparenz. Ich kann mir bei der Einkommenstransparenz im Beruf Korridore vorstellen, so wie das in der Bundes­republik Deutschland üblich ist.

Man muss natürlich bei Freiberuflern aufpassen, etwa bei Rechtsanwälten, und Lösun­gen finden, vielleicht analog zu jenen in Deutschland. Frau Präsidentin, Sie haben die volle Unterstützung der SPÖ bei Ihren Vorhaben. (Abg. Mag. Stadler: Die SPÖ schweigt dazu!)


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Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat heute bei der Fragestunde mehr Transparenz auf allen Ebenen gefordert, aber nicht erst heute, schon Mitte letz­ten Jahres hat sich Bundeskanzler Faymann sehr deutlich geäußert, was Parteispen­den betrifft, und öffentlich gefordert, dass künftig Parteispenden über 7 000 € trans­parent und öffentlich einsehbar zu sein haben. Das ist natürlich zu unterstützen, und wir verhandeln in Wirklichkeit schon ein Jahr. (Abg. Amon: Sie verhandeln gar nicht! Sie sind nicht am Verhandlungstisch!)

Wir wollen es uns ja irgendwie selbst nicht antun, dass es mit der Transparenzdaten­bank im Herbst dann Transparenz bei der Bevölkerung gibt, was Unternehmungen be­trifft, aber bei der Politik nicht. Wie wir wissen – GRECO –, der Europarat untersucht auch die Bedingungen in Österreich, und diese internationale Blamage, dass wir kein modernes, anständiges Gesetz haben, wollen wir uns ja wirklich ersparen. (Abg. Mag. Kogler: Da sind wir am besten Weg!)

Ich bin sehr froh, dass wir da jetzt endlich weiterkommen. Es werden Spenden über 7 000 € auf der Homepage des Parlaments beziehungsweise des Rechnungshofes zu veröffentlichen sein. Es wird Sanktionen geben. Es wird Bestimmungen geben, dass Umgehungskonstruktionen ausgeschlossen werden. Es wird ein Stückelungsverbot ge­ben, also wirkliche Fortschritte.

In Begutachtung ist auch – das ist auch eine Initiative der SPÖ – ein Gesetzentwurf be­züglich der Transparentmachung von Regierungsinseraten: Es geht bekanntlich um die halbjährliche Offenlegung, Name des Auftragnehmers, die Höhe des Entgelts, die ge­währten Förderungen.

Um vielleicht noch kurz auf BZÖ und FPÖ einzugehen: Dreister geht es ja wirklich nicht. Ich zitiere das noch einmal, ich will Ihnen das nicht ersparen:

„Ich tät mir halt wünschen, dass auch ein bisschen was für die positive Zukunft des BZÖ überbleibt.“ – Sie können sich nicht so einfach vom Herrn Scheuch verabschie­den!

Weiters: „Ich will, falls der Investor kommt, in irgendeiner Form davon auch profitieren können für die Partei. In Form einer Spende.“ (Abg. Bucher: Was soll ich denn tun? Abg. Ursula Haubner: Du sollst fragen, wo die Spende ist! Frag, wo die Spende ist!)

Inzwischen gehört er der FPÖ, aber zu diesem Zeitpunkt hat er Ihnen gehört. Das heißt, Sie sind beide mit dem Herrn Scheuch konfrontiert, und solange dieser Herr Scheuch in Ämtern ist, haben Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ, ja jeden Anspruch auf Glaubwürdigkeit von vornherein verspielt. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Bucher die sogenannte Scheibenwischerbewegung machend : Also Sie sind mir nicht mehr wurscht! – Ruf beim BZÖ: Sippenhaftung!)

Meine Damen und Herren, der Entschließungsantrag, der vorliegt, ist ein echter Fort­schritt. Er ist aufgrund von traurigen Umständen zustande gekommen, nämlich durch den Fall Grasser – öffentliches Eigentum in private Taschen, mit den bekannten Be­gleiterscheinungen –, durch den Fall Strasser – lupenreine käufliche Politik – und den Fall Scheuch – überhaupt die personifizierte Amoral von BZÖ und FPÖ. (Abg. Amon: Vranitzky musst du auch erwähnen!)

Das Positive ist: So einen Antrag, der so ernsthaft und konkret die Dinge auf den Punkt bringt, hat es in diesem Haus noch nicht gegeben. Es wird mehr Transparenz geben, es ist ein echter Fortschritt gegen Korruption, und das ist gut so. (Beifall bei der SPÖ.  Abg. Bucher: Eine „Mordsbegeisterung“ bei der SPÖ! Das war immerhin der General­sekretär, der nicht einmal unterstützt wird!)

16.54



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 160

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

 


16.54.57

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­te Damen der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kräuter, wis­sen Sie, was das Eigenartige ist: dass Sie es nicht lassen können, da schlicht und ein­fach ein paar billige Punkte machen zu wollen. Da stelle ich mir wirklich die Frage, ob das notwendig ist. Ich glaube, es ist nicht notwendig (Beifall bei der ÖVP), denn es dient der Sache nicht. Sie behaupten da, wir verhandeln seit über einem Jahr über die Frage der Parteispenden. Sie wissen, dass Sie zwar außerhalb des Hauses Gesprä­che geführt haben, hier im Haus verhandeln wir das aber erst seit zwei Tagen vor Weihnachten und keinen Tag länger – und Sie verhandeln es gar nicht! (Abg. Mag. Kogler: Seit ein paar Tagen! Vorher habt ihr nur blockiert!) Sie sind nicht am Ver­handlungstisch. Ich würde Sie also ersuchen: Erkundigen Sie sich bei Ihrem Kollegen Pendl, der verhandelt das nämlich und der weiß, was derzeit der Stand der Dinge ist! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, das sind in der Tat unerfreuliche Ereignisse, und das, was in unseren Reihen passiert ist, ist unangenehm und hat zu entsprechenden Konse­quenzen geführt – zunächst einmal zu politischen Konsequenzen. Da sind wir, glaube ich, sogar vorbildhaft (Abg. Zanger: Ah, ja, sicher!?), denn, meine Damen und Herren und lieber Kollege Zanger, nicht alles, was strafrechtlich vielleicht nicht relevant ist und was strafrechtlich falsch ist, wenn es nicht relevant ist, was auch geändert gehört, ist moralisch nicht zu vertreten, und deshalb sind dann politische Konsequenzen zu zie­hen. (Abg. Rädler: Das versteht er jetzt nicht!) Ich lade also auch jene, die heute hier in ihren Redebeiträgen in unheimlicher Selbstgefälligkeit agieren, herzlich dazu ein, doch auch diese hohe Moral an den Tag zu legen, wie wir das getan haben. (Abg. Mag. Kogler: Welche „hohe Moral“?)

Eine enge Angehörige von unserem Abgeordneten Kapeller hat einen Fehler gemacht. Unser Abgeordneter Norbert Kapeller hat dafür die Konsequenzen gezogen und das Mandat zurückgelegt, meine Damen und Herren! (Die Abgeordneten Kitzmüller und Neubauer: Ihr habt ihn fallen lassen! – Abg. Grosz: Dokumentenfälschung! Dokumen­tenfälschung eines Behindertenausweises!)

Der Fehler, den Herr Abgeordneter Petzner vom BZÖ gemacht hat, der zweimal ohne Führerschein betreten worden ist, schreit geradezu nach einer moralischen Konse­quenz, meine Damen und Herren vom BZÖ! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

Und zu den Grünen, die sich hier in selbstgefälliger Art und Weise generieren: Ich wür­de Ihnen dringend empfehlen, schauen Sie sich einmal die Geschäfte des Herrn Pius Strobl, Ihres ehemaligen Bundesrates, genau an und ziehen Sie Konsequenzen, meine Damen und Herren! Üben Sie sich hier nicht in Scheinmoral! (Beifall bei der ÖVP. Abg. Brosz: Mehr ... fällt dir nicht ein? Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)

Außerdem komme ich ja heute in die ganz seltene und fast eigenartige Situation, den Kollegen Jarolim gegen die Frau Präsidentin verteidigen zu müssen. Er hat nämlich gesagt, der Abgeordnete Grosz sei verhaltensgestört. (Zwischenrufe beim BZÖ.) Das ist ein Ausdruck aus der Pädagogik. Es ist leider ein uralter Ausdruck aus der Pädago­gik, der sich über die Jahre sehr dramatisch verändert hat. Ich kann nicht beurteilen, ob das auf den Kollegen Grosz zutrifft, aber ich möchte die Entwicklung des Begriffs dar­legen. Was früher einmal als „verhaltensgestört“ bezeichnet worden ist, hieß dann „ver­haltensauffällig“, in weiterer Folge hieß es dann „verhaltensoriginell“, und der aktuelle Ausdruck in der Pädagogik ist „verhaltenskreativ“. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 161

Ich weiß nicht, ob das auf den Kollegen Grosz zutrifft, aber vielleicht kann der Kollege Jarolim in seinem nächsten Zwischenruf etwas damit anfangen. Meine Damen und Herren, die Sache ist eigentlich sehr ernst.

Deshalb ist es, glaube ich, gut und richtig, dass die Regierungsparteien heute einen Entschließungsantrag einbringen.

Ich darf ihn gemäß § 53 Abs. 4 des Geschäftsordnungsgesetzes in seinen Kernpunk­ten erläutern. Wir ersuchen die Frau Justizministerin, uns eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, die Lobbyingaktivitäten sehr klar regeln soll. Kern soll zweifelsohne ein Lob­byingregister sein.

Auch in diesem Zusammenhang eine Bitte an die Grünen, weil Sie so tun, als ob Lob­bying per se etwas Unanständiges, etwas Schlechtes wäre (Abg. Mag. Kogler: Über­haupt nicht! Gar nicht!) oder gar eine berufliche Tätigkeit (Abg. Mag. Kogler: Lies ein­mal den Antrag, bevor du so daherredest!), die man neben seinem Mandat oder auch vorher oder nachher ausübt. – Sie haben auch Abgeordnete in Ihren Reihen, die, bevor sie Abgeordnete geworden sind, hier im Haus waren, um sich für ein Interesse auf die Schienen zu werfen. Das ist doch nichts Unanständiges! (Abg. Mag. Kogler: Na eh net!) Das ist doch legitim, dass Menschen sich für Interessen einsetzen. Wenn sie bei einer Institution angestellt sind oder dafür ein Honorar erhalten, dann ist das nicht ille­gitim. (Abg. Mag. Kogler: Vernebelung!) Man muss nur dafür Sorge tragen, dass es ei­ne entsprechende Transparenz gibt. (Abg. Mag. Kogler: Jawohl!)

Ein weiterer Punkt ist, dass wir selbstverständlich wollen, dass solche Fälle wie jener unseres ehemaligen Europa-Abgeordneten Strasser strafrechtlich relevant sein müs­sen. Das ist überhaupt keine Frage. Deshalb gehört auch das entsprechende Gesetz geändert. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Wir wollen, dass es zu einer erhöhten Transparenz kommt, auch im Bereich der Me­dienkooperationen, der Inserate. Natürlich gehört das transparent gemacht.

Das fordern wir mit unserem Entschließungsantrag ein, und damit zeigen wir als Regie­rungsparteien auch, dass wir eine gewisse Lernfähigkeit haben. Wenn man einen Feh­ler erkennt, dann soll man ihn auch korrigieren, und ich lade die Oppositionsparteien ein, sich nicht in Selbstgefälligkeit zu ergehen, sondern auch die Fehler in den eigenen Reihen zu suchen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.01


Präsident Fritz Neugebauer: Der in seinen Grundzügen erläuterte Entschließungsan­trag ist im Übrigen verteilt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Kopf, Mag. Lapp, Amon MBA, Dr. Jarolim, Mag. Donner­bauer, Dr. Kräuter, Schultes, Kolleginnen und Kollegen zur Bekämpfung von Korruption in Politik und Wirtschaft und zur Schaffung einer verbesserten Transparenz

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag 1494/A(E) der Abgeord­neten Kogler, Freundinnen und Freunde betreffend Transparenz- und Antikorruptions­paket

Korruption in Politik und Wirtschaft beeinträchtigt in jedem Staat die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung, gefährdet die Demokratie und den Wirtschaftsstandort. Konsequente Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption in allen gesellschaftlichen Bereichen sind deshalb ein dringendes Anliegen. Es geht in diesem Zusammenhang


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 162

nicht nur um die Bekämpfung strafrechtlich relevanten Verhaltens, sondern insgesamt um Transparenz und Sauberkeit in der Politik, weil die politisch-moralische Verpflich­tung von Abgeordneten über die strafrechtliche Verantwortung weit hinausgeht.

Mehrere Vorkommnisse der jüngeren Zeit haben eine Diskussion über Unvereinbar­keiten, Transparenz und Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption ausgelöst. Die­se Diskussion ist grundsätzlich positiv zu beurteilen, da sie mit dazu beitragen soll, bessere Bestimmungen für Transparenz und gegen die Korruption zu schaffen.

Auch der Lobbyismus ist in letzter Zeit in ein schiefes Licht geraten, auch wenn grund­sätzlich die Vertretung von Interessen noch nicht etwas Negatives ist. Es ist aber si­cherzustellen, dass korruptive Praktiken und unsaubere Methoden dabei hintange­halten werden. Die jüngsten Ereignisse haben gezeigt, dass es in Österreich eine Re­gelung für die Tätigkeit des Lobbyierens bedarf, mit der eine transparente und saubere Berufsausübung erreicht werden kann. Dabei ist es möglich, dass von solchen Rege­lungen auch Abgeordnete betroffen sein können. Wie die Regeln über die Ausübung des freien Mandats in diesem Zusammenhang zu gestalten sind, wird zu Recht als Prärogative des Parlaments angesehen. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Nationalrat bei der Ausarbeitung der Bestimmungen auch der Expertise bedient, die in den Bundesministerien insbesondere dem Bundesministerium für Justiz vorhanden sind.

Um das genannte Ziel einer verbesserten Transparenz erreichen zu können, sind auch bestehende Meldepflichten sowie strafrechtliche Bestimmungen einer eingehenden kri­tischen Überprüfung zu unterziehen.

In diesem Sinn stellen die unterzeichneten Abgeordneten daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, welche ein umfassendes Paket zur Bekämpfung der Korruption, zur Stärkung der Transparenz in der Politik und zur Regelung von Lobbyingaktivitäten enthält, insbesondere

Sicherstellung der Transparenz von Einkünften bei PolitikerInnen

Antikorruptionsbestimmungen im Zusammenhang mit Mandats-trägerInnen sollten ei­ner Evaluierung unterzogen und gegebenenfalls erweitert werden.

Strenge Regelungen betreffend Spenden von Unternehmen, die öffentliche Aufträge bekommen oder sich um solche bewerben.

Schaffung von Regelungen und Transparenz von Lobbyingaktivitäten, insbesondere die Errichtung eines Lobbyisten-Registers des Parlaments sowie Erstellung eines ver­bindlichen Verhaltens-Kodex für registrierte Interessensvertreter.

Stärkung der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft.

2. Ferner wird die Bundesregierung ersucht, Maßnahmen zu ergreifen, durch die die im Sinne eines bestehenden Begutachtungsentwurfes volle Transparenz von Regierungs­inseraten hergestellt wird.

3. Der Nationalrat nimmt zur Erreichung der eingangs dargestellten Ziele ferner in Aus­sicht

den Umfang der nach dem Unvereinbarkeitsgesetz normierten meldepflichtigen Tätig­keiten zu erweitern;


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eine Regelung für die Offenlegung von Parteispenden zu beschließen, wobei insbeson­dere für alle Parteien, die für den Nationalrat kandidieren, eine Meldepflicht ab einer Grenze von 7.000 Euro festgelegt werden soll;

nicht mehr zeitgemäße Bestimmungen über die (außerberufliche) Immunität von Man­dataren einer Neuregelung zuzuführen.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte. (Abg. Mag. Kogler: Nach der Korruption kommt der Evaluierungsschmäh!)

 


17.01.43

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerinnen! Kollege Amon, deine Kreativität, wenn es darum geht, klare Worte zu sagen, ist bemer­kenswert, das muss man sagen. Aber das ist offenbar der ÖVP ohnehin eigen, das merkt man immer wieder.

Immer dann, wenn es darum geht, ein Gesetz zu finden, wenn es in Wirklichkeit um moralische Werte geht, um Anstand, um Ehre in der Politik, dann wird es schwierig. Die Wahrheit ist, dass sich jede Fraktion schon bei der Auswahl ihrer Mandatare dieser Werte bedienen müsste und viel mehr Wert darauf zu legen hätte, denn wenn das nicht der Fall ist, dann ergibt sich zwangsläufig, dass man versucht, zu seinem eigenen Vor­teil, in die eigene Tasche zu wirtschaften, oder Steuergeld verschwendet, um die eige­ne Person ein bisschen in den Vordergrund zu rücken, oder ähnliche Dinge. Deshalb beschäftigen wir uns heute auch mit diesem Dringlichen Antrag.

Aber nun zu der Fraktion der sauberen Grünen. Dort gibt es auch einige Beispiele da­für, dass nicht alles so sauber ist, wie sie immer sagen. Der hoch anständige Herr Pro­fessor Van der Bellen kassiert von der Stadt Wien 200 000 €. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Jetzt kann man sagen: Gut. Welche Leistung bringt er? – Es könnte auch et­was Negatives sein, aber Faktum ist: Er tut gar nichts. – Das ist Steuergeldver­schwendung, was Sie da betreiben, und nebenbei noch Wählerbetrug an all den Vor­zugsstimmen, die er erhalten hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihre Frau Vizebürgermeisterin, Frau Vassilakou, betätigt sich als Ballhopperin von New York bis Buxtehude. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Sie schwirrt in der Gegend umher, verschwendet Steuergeld für die Flüge, und obendrein wird ein Haufen CO2 in die Luft geschleudert. Das ist Ihre Sauberkeitspartei? – Na danke schön, meine Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Außerdem hat Frau Vassilakou offensichtlich noch zu wenig Medienpräsenz, weil sie massenweise Inserate als Stadtregierungsmitglied schalten muss. – Wieder horrende Summen, wieder Steuergeldverschwendung, meine Damen und Herren! Das ist eben­so in diese Richtung zu rücken, von der wir heute reden. Das Wort „Korruption“ würde ich jetzt nicht in den Mund nehmen, aber es geht um den eigenen Vorteil, den man sich daraus lukriert, und das ist nicht anständig.

Des Weiteren: Hybridautos für Van der Bellen und Frau Glawischnig kostenlos zur Ver­fügung gestellt. – Welchen Vorteil ziehen sie daraus? Was ist die Gegenleistung? (Abg. Rädler: Von wem?) Das frage ich an dieser Stelle auch einmal, das ist in Wahr­heit auch Geschenkannahme.

Weiters zu Herrn Öllinger, der mich gerade so lieb anschaut, unsere geifernde Gal­lionsfigur des Linksextremismus, der immer auf die bösen Rechten hinhaut. (Zwischen­rufe bei den Grünen.) – Sie bieten offensichtlich Herrn Sailer Geld für Spitzeltätigkei­ten, wie man aus der Presse erfahren kann. – Das ist auch in der Nähe von zumindest


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Schmiergeldzahlungen, Herr Kollege Öllinger, wenn das wahr ist. (Oh-Rufe bei der ÖVP.) Also bitte, kehren Sie einmal vor den eigenen Türen, und dann gehen Sie in die andere Richtung! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Rädler: Das ist eine Moral!)

Die Freiheitliche Partei, meine Damen und Herren, hat sich nie mit Korruption die Hän­de schmutzig gemacht, niemals! (Ironische Heiterkeit bei ÖVP und Grünen. – Abg. Öl­linger: Bitte einen Alkotest für den Herrn!) – Sie können schon lachen, ich werde es Ihnen gleich beweisen. Meischberger wurde 1999 ausgeschlossen aus der Freiheitli­chen Partei, und Grasser war ÖVP-Minister. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Eigene schwarze Schafe werden gnadenlos entfernt. Das war auch der Grund dafür, dass 2002 in Knittelfeld die Delegierten aufgestanden sind und gemeint haben, diese unsere eigenen Minister, die sich jetzt anscheinend käuflich machen lassen, wollen wir nicht, brauchen wir nicht. Es wurde Tabula rasa gemacht. (Beifall und Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das war eine Säuberungsaktion. Wenn Sie anderes suchen, dann müssen Sie in die Reihen des BZÖ schauen – so leid es mir tut, Kollege Grosz, das ist so –, die FPÖ unter H.-C. Strache steht für Sauberkeit, und ich selbst zähle mich hier dazu. (Abg. Grosz: Herr Präsident, können Sie einen Alkomat herbeischaffen! – Zwischenruf des Abg. Rädler.) – Kollege Rädler, zu deiner Fraktion komme ich schon.

Der größte Sumpf, der sich in diesem Land auftut, ist halt leider immer in schwarzer Hand. Es könnte mir egal sein, ist es aber nicht, weil ja die Bevölkerung darunter leidet. Herr Klubobmann Kopf spricht hier heraußen von raschem Handeln. Meine Damen und Herren, in der Steiermark hat sich ein besonderer Fall aufgetan, ohnehin bekannt: Hel­la Ranner, gegen die seit Februar die Staatsanwaltschaft Graz ermittelt, die sich offen­sichtlich von einer Anwaltskanzlei Prämien erschlichen hat und ungerechtfertigte Hono­rare verrechnet hat. 550 000 € Schadenssumme werden kolportiert. Dazu sollen eige­ne, private Schulden aus dem EU-Spesenetat zurückbezahlt worden sein. Das soll in Richtung 350 000 € gehen. – Jetzt frage ich Sie von wegen „rasches Handeln“: Wann hat die ÖVP davon erfahren?

Man braucht nur in die Presse zu schauen. Laut Schreiben hat sich die Linzer Anwalts­kanzlei im September 2010 von Hella Ranner getrennt. Die steirische ÖVP wurde be­reits vorweg informiert. – Warum das damals nicht zu einem raschen Handeln geführt hat, ist auch klar: Die steirischen Landtagswahlen standen vor der Tür, und da wäre es der ÖVP natürlich nicht recht gewesen, hätte man rasch gehandelt.

Insofern: Kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür, auch Sie, Kollege Amon, so kreativ Sie in Ihrer Wortwahl auch sind! – Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Nachmittag. (Bei­fall bei der FPÖ.)

17.07


Präsident Fritz Neugebauer: Frau Abgeordnete Mag. Musiol gelangt zu einer tat­sächlichen Berichtigung zu Wort. – Bitte.

 


17.07.30

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Mein Vorredner, dessen Namen ich nicht weiß, hat behauptet, mein Kollege Alexander Van der Bellen kassiert von der Stadt Wien 200 000 € für seine Aufgabe als Universitätsbeauftragter. – Wahr ist jedoch, dass Herr Universitätsbeauftragter Van der Bellen eine ehrenamtliche Tätigkeit bei der Stadt Wien inne hat. (Abg. Rädler: Als Lobbyist! Eine Schande!)

Weiters hat mein Vorredner behauptet, dass mein Kollege Karl Öllinger Schmiergeld an Herrn Sailer gezahlt hätte. – Wahr ist vielmehr, dass er weder Geld angeboten noch Geld gezahlt hat, noch dass er Schmiergeld gezahlt hat.


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Im Übrigen sind Ihre haltlosen Äußerungen bereits von der Staatsanwaltschaft in der Form beantwortet worden, dass Ihre Anzeige zurückgelegt wurde. (Beifall bei den Grü­nen.)

17.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

 


17.08.37

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Da­men Bundesministerinnen! Herr Staatssekretär! (Zwischenbemerkung von Bundesmi­nisterin Dr. Fekter.) – Bitte? Was sagt die Frau Bundesministerin über Disziplinarver­fahren? (Bundesministerin Dr. Fekter: Nein!) – Nein? Nichts? Ich habe geglaubt, Sie haben einen substanziellen Beitrag.

Weil ich gerade bei der Frau Bundesministerin bin. (Bundesministerin Dr. Fekter: Wel­cher?) – Bei Ihnen! Irgendwie, und da sind Sie mitverantwortlich für Ihren Vorgänger; irgendwie gönne ich Ihnen den Ernst Strasser. Es ist schon so, dass die Korruption kein neues Phänomen ist, auch in Österreich nicht; nicht in anderen Ländern und auch nicht in Österreich. Es ist wirklich so, dass man nicht so tun muss, als ob das alles jetzt erst passiert wäre. Es ist nur selten ein Ex-Minister so dämlich, dass er sich dabei fil­men lässt, das muss man auch ganz offen dazusagen.

Es ist auch bezeichnend – das sage ich ebenfalls gleich dazu –, dass „Sunday Times“ nicht zufällig auf Ernst Strasser gestoßen ist. Die wussten ja in ganz Brüssel, wen sie suchen, wen sie nach London einladen und wen sie filmen müssen – Herrn Strasser, der dort seine Tarife genannt hat. Das war alles bekannt; übrigens auch bei Ihnen in der ÖVP, tun Sie nur nicht so. Ich bin ja von Einzelnen angesprochen worden, die ge­meint haben: Ja, furchtbar mit dem Strasser! Völlige Fehlentscheidung! Das alles ist schon Monate her.

Aber, meine Damen und Herren, ich sage, er geschieht Ihnen deswegen recht – und das hängt jetzt auch mit der Frau Bundesminister Fekter zusammen –, weil Sie im Un­tersuchungsausschuss alles getan haben, um zu verhindern, dass die Machinationen des Herrn Strasser bei seinem Postenschacher, bei seinem unverschämten, straf­rechtsrelevanten Postenschacher aufgedeckt wurden. Herr Kollege Amon, Sie waren einer der Federführenden, aber auch Ihre Ministerin. (Beifall bei BZÖ, FPÖ und Grü­nen.)

Anstatt dass Sie dort gesagt hätten, und das ist alles schriftlich nachweisbar (Zwi­schenruf des Abg. Amon) ... – Oh ja, das ist das berühmte Aktenkonvolut. Ich habe es noch, ich kann es einmal vorlesen, wenn du dich nicht mehr daran erinnerst. Das ist das berühmte Aktenkonvolut, das dann der Herr Staatsanwalt übersehen hat im Akt, und zwar so lange, bis es verjährt war. (Abg. Mayerhofer: Verjährt ist es! – Zwischen­bemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.) – Nicht, Frau Bundesminister! Dieses Aktenkonvolut hätte dazu führen müssen, dass Sie die Tätigkeit Ihres Vorgängers auf­decken anstatt zudecken. (Beifall bei BZÖ und Grünen.)

Das wäre ein Akt der Sauberkeit gewesen, anstatt dafür zu sorgen, dass erstens Herrn Ernst Strasser nichts passiert, dass man ihn zweitens zum Spitzenkandidaten macht und ihm damit sozusagen eine neue Bühne für seine Tätigkeit liefert – deshalb ge­schieht er Ihnen auch recht – und dass man nebenbei auch noch den Staatsanwalt, der mit seiner Vergesslichkeit Herrn Strasser geschützt hat, damit belohnt, dass er heute in der Personalbestellungskommission der Staatsanwaltschaft in Wien sitzt, mei­ne Damen und Herren!

Dieser Staatsanwalt hat nicht nur kein Disziplinarverfahren bekommen (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Wie heißt denn der?), sondern er entscheidet heute, der Herr Kronawetter,


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wer in Wien Staatsanwalt werden darf und wer nicht, meine Damen und Herren! (Oh-Rufe beim BZÖ.) Was ist er? – Personalvertreter der der Österreichischen Volkspartei nahen Liste. Auch reiner Zufall! Das ist das Problem, das dahinter steckt, das ist dieser Filz, und deswegen geschieht Ihnen ein Strasser jedes halbes Jahr recht.

Es wird sich so lange „weiterstrassern“, bis Sie endlich die entsprechende Hygienewil­ligkeit aufbringen. Sie haben sie nur momentan. Ich weiß nicht, ob Sie wirklich die Hygiene herstellen wollen, die Sie in einem Papier beschwören. (Der Redner zeigt be­sagtes Papier.) Also ich habe mich vor Rührung direkt niedersetzen müssen. „Ethik in der Politik“ – und daneben das Logo der Österreichischen Volkspartei. – Eine größere Contradictio per se als schon rein die Optik auf diesem Papier ist kaum mehr vor­stellbar. Ethik in der Politik und ÖVP!

Was wird vorgeschlagen? – „Eine Ausweitung der nach Unvereinbarkeitsgesetz melde­pflichtigen Tätigkeiten“.

Das, Herr Kollege Bartenstein, jetzt sind Sie ja wieder da, war der Sündenfall! Ich habe darum gekämpft wie ein Löwe, und bin übrigens auch von der SPÖ im Stich gelassen worden, dass diese verhatschte Konstruktion, die Sie uns präsentiert haben mit Ihrem sogenannten Treuhänder, auf der Regierungsbank keinen Platz hat. Sie haben es durchgesetzt; mit Koalitionsunterstützung, daher sind die auch mit verantwortlich. Das ist der Fluch der bösen Tat. Und jetzt verlangen Sie auf einmal eine Ausweitung?! Dann wären Sie nie in der Regierung gesessen, wenn das alles zugetroffen hätte, was jetzt Ihre eigene Partei in dieser Deklaration „Ethik in der Politik“ – wahrscheinlich so­gar mit Ihrer Zustimmung; das ist besonders süß (Heiterkeit beim BZÖ) –, nieder­schreibt.

„Ethik in der Politik“ – da wäre Herr Minister Bartenstein nie in der Regierung ge­sessen. Er hätte nie nach Kasachstan in sein Werk fahren können, wo Generika er­zeugt werden, dort billig erzeugt und hier teuer verkauft werden. Das ist sein gutes Recht, aber als Minister hat er dort nichts verloren gehabt. Bartenstein hat als Minister auf der Regierungsbank nichts verloren gehabt, solange er sein eigenes Unternehmen nicht aus der Hand gibt. Das Gleiche gilt übrigens für Herrn Böhmdorfer, will ich Ihnen nur sagen. Nur damit Sie wissen, warum ich in Knittelfeld Ihre super Traumregierung in die Luft habe sprengen lassen. (Heiterkeit beim BZÖ.) Ich war felsenfest davon über­zeugt, dass Ihre Korruptionisten aus dieser Regierung entfernt werden müssen. (Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich nenne auch gleich Ihren Superstar: Herrn Karl-Heinz Grasser. (Neuerliche Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Sie sollten sich bei mir bedanken, anstatt sich darüber lustig zu machen. Ihnen wäre Karl-Heinz Grasser erspart geblieben, wenn Sie auf mich gehört hätten. Ich wusste, was vom Charakter dieses Mannes zu halten ist, aber Sie nicht. Sie wollten ihn zum ÖVP-Parteichef machen, haben wir von Andreas Khol er­fahren, meine Damen und Herren!

Das ist der Grund dafür, dass Sie ihn bis heute schützen, Frau Bundesminister! Er hat nicht wirklich etwas zu befürchten. Keine Hausdurchsuchungen wie Frau Schmauswa­berl oder Herr Zapfelhuber, wenn diese straffällig werden. Grasser muss nicht fürchten, dass seine Zuarbeiter Plech und Meischberger in Untersuchungshaft kommen, wo sie dann tatsächlich einmal reden werden. Nein, das passiert nur jedem anderen, nicht ihm. (Ironische Heiterkeit des Abg. Rädler.) – Nicht lachen da hinten! Du bist für den Strasser in den Wahlkampf gerannt wie nur was. Ich habe nur noch deine Sohlen gesehen vor lauter Einsatz für den Herrn Ernstl Strasser! (Heiterkeit und Beifall beim BZÖ.)

„Ethik in der Politik“ – kommen wir zu den nächsten Ethikern! Der Herr Pirker, ein Su­per-Ethiker in der Politik als Lobbyist. Die Gräfin Rauch-Kallat lebt von der Ethik in der Politik als Lobbyisten. Die ganzen Kämmerer, die ganzen Banker, die in Ihren Reihen


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sitzen – lauter Ethiker, reine Ethiker. Und dann, meine Damen und Herren, kommt Ihr schwindliges Schreiben daher. Wissen Sie, was Sie dabei vergessen haben? – Die wichtigsten Teile, nämlich: ein vollkommenes Verbot der Beteiligung von Parteien an Unternehmen oder das selbständige Führen von Unternehmen durch Parteien. (Beifall beim BZÖ.) – Das ist das Erste, was Sie vergessen haben.

Zweitens: eine völlige Transparenz der Quersubventionierung.

Drittens: die Einrichtung eines Ständigen Unterausschusses zur Kontrolle der Tätigkeit oder Untätigkeit der Staatsanwaltschaften. Dieser Unterausschuss, Frau Bundesminis­ter, wird Ihnen nicht erspart bleiben, der kommt!

Den Untersuchungsrichter abzuschaffen, das haben nicht Sie, das hat Ihr Vorgänger Böhmdorfer verbrochen und das war ein Fehler – aber die Staatsanwaltschaft aus der parlamentarischen Kontrolle rauszuhalten?! Die Staatsanwälte übrigens werden das bei ihrer Tagung Ende Juni in Kössen fordern. Ich bin eingeladen worden, und sie ha­ben sich versichert, ob ich wirklich komme. Ich komme, ja, ja, ich fürchte mich nicht. (Heiterkeit bei BZÖ und FPÖ.) Sie haben einen Horror davor, dass sie vom Parlament, von einer demokratischen Einrichtung, kontrolliert werden. Diese demokratische Kon­trolle ist herzustellen, meine Damen und Herren, die ist notwendig! (Beifall bei BZÖ und Grünen.) Sie ist herzustellen, denn kein Apparat muss glauben, dass er sich der Kontrolle entziehen kann. Demokratische Kontrolle und Transparenz ist allemal noch das Beste und hat der Demokratie immer noch am besten getan.

Ich sage Ihnen in aller Form, für diese Staatsanwälte, die glauben, in diesem Land Po­litik machen zu können, sich aber dann bei der erstbesten Gelegenheit unter Ihren Schoß flüchten wollen, für die werden wir uns am meisten interessieren. Das kann ich Ihnen sagen. Ihre Staatsanwaltschaft in Wien ist ein besonders prominentes Beispiel, Frau Justizministerin! Vielleicht bleiben Sie da – gestern sind Sie ja leider nicht in den Immunitätsausschuss gekommen; ich habe Sie zwar extra exklusiv eingeladen hier von der Rostra aus –, dann werde ich Ihnen heute noch ein Beispiel liefern, wie Ihre Staats­anwälte glauben, Politik machen zu können, bei erster Gelegenheit aber, dann, wenn sie kontrolliert werden sollen, verstecken sie sich, suchen sie den Schutz der Frau Bundesminister. Dann sind sie auf einmal nicht mehr kontrollierbar. Nein, so spielen wir das nicht.

Letztlich, Frau Bundesminister, bin ich gespannt, wie Sie die parlamentarische Anfrage der Grünen beantworten werden, was den systematischen Postenschacher in Ihrem Ministerium anlangt. Ich habe Indizien, dass das, was die Grünen hier abfragen, dem ähnlich ist, was Herr Strasser vorher im Innenministerium getrieben hat.

Solange Sie beide (der Redner zeigt mit seinen Händen in Richtung SPÖ und ÖVP) glauben – da sind andere auch keine Ausnahmen, das will ich nur dazusagen, aber derzeit sind Sie an der Macht –, solange Sie glauben, dass die Ministerien verlängerte Parteisekretariate sind, so lange leisten Sie der Korruption Vorschub und so lange wer­den wir uns noch mit vielen Strassern, größeren und kleineren, gefilmten und nichtge­filmten, auseinandersetzen müssen. Das wird Ihnen nicht erspart bleiben, da können Sie noch so viele Ethik-Papierln beschließen, wie Sie wollen. (Beifall bei BZÖ und Grü­nen.)

17.17


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Donner­bauer. – Bitte.

 


17.17.56

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder auf der Regierungsbank! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es mag ja, Herr Kollege Stadler, ganz unterhaltsam sein und vielleicht für die histori­


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sche Aufarbeitung interessant, wenn Sie und Kollege Zanger sich streiten, wer Knittel­feld verursacht hat und wer was in die Luft gesprengt hat. Aber ich glaube, für Spott und Hohn und für ein solch ein Theater, das Sie hier aufführen, ist das ein zu ernstes Thema, mit dem wir uns heute beschäftigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Was man davon halten soll, wenn Vertreter einer Partei, die die Staatsanwaltschaft in den letzten Jahren doch sehr intensiv beschäftigt hat, von hier aus „parlamentarische Kontrolle“ – unter Anführungszeichen – einfordern und das mit einem sehr drohenden Unterton vortragen, darüber soll sich jeder sein persönliches Bild machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, es ist ein ernstes Thema, wenn wir hier im Hohen Haus über Korruption und über persönliche Verfehlungen reden und disku­tieren – und ich sage dazu: müssen. Ja, es ist ein schwerwiegender Vorwurf, wenn Politiker den besonders hohen Maßstäben, die die Bürgerinnen/die Bürger an uns le­gen und die wir hoffentlich auch selbst an uns anlegen, nicht gerecht werden, wenn sie Kompetenzen und ihre Möglichkeiten für Geld zu Markte tragen. Das ist ein schwer­wiegender, ein ernster Vorwurf.

Ja – und ich sage das durchaus auch selbstkritisch –, es tut weh, wenn es sich um Mitglieder der eigenen Partei handelt, die von solchen Vorwürfen betroffen sind. Ich glaube, dass das für alle Mitglieder dieses Hohen Hauses gleich gilt. Aber für solch ein Verhalten gibt es keine Entschuldigung und für solch ein Verhalten darf es auch kein Pardon geben, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Aber es gibt auch keinerlei Veranlassung, solche persönlichen Verfehlungen Einzelner zum Anlass für Pauschalverurteilungen zu machen, für gegenseitige Vorwürfe, für Par­teienhickhack und pauschale Verurteilungen. (Abg. Mag. Kogler: Sagen Sie etwas zur Offenlegung von Parteispenden!) – Ja, und es ist auch kein Anlass, um parteipoliti­sches Kleingeld zu wechseln, sehr geehrter Herr Kollege Kogler. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Nein, es geht darum: Welche Lehren sollen wir daraus ziehen? (Abg. Mag. Kogler: Genau!) Welche Schlüsse sollen wir daraus ziehen? – Da bietet der Antrag, der heute hier eingebracht wurde, glaube ich, einen richtigen Maßstab, eine richtige Richtschnur. (Abg. Mag. Kogler: Larifari!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht uns darum, gemeinsam – und ich er­suche, diese Gemeinsamkeit bitte in den Vordergrund zu stellen – für saubere Politik zu kämpfen und dort, wo es notwendig ist, auch zusätzliche, ergänzende Regeln zu schaffen. Es geht uns und sollte uns allen gemeinsam darum gehen, gläserne Partei­kassen herzustellen, Transparenz in der Politik zu schaffen. Es sollte uns gemeinsam darum gehen, dort, wo Probleme gerade jetzt aus diesen Anlassfällen im Bereich des Lobbyismus aufgetaucht sind, auch klare Regelungen zu schaffen.

Aber es ist keine Anlassgesetzgebung, die notwendig ist. Kollege Jarolim hat es schon erwähnt. Wir haben uns schon länger damit auseinandergesetzt und werden diese Vor­schläge, die auch von einigen Unternehmen in diesem Bereich durchaus selber kom­men und mitgetragen werden, aus diesem Anlass jetzt rasch umsetzen.

Wir sollten gemeinsam der Bevölkerung und unserer Wählerinnen und Wählern zeigen, dass wir aus dem Fehlverhalten Einzelner lernen, dass wir unsere Schlüsse ziehen und dass wir in der Lage sind – und ich glaube, das ist das, was von erwartet wird –, auch gemeinsam Fehlverhalten abzustellen und richtige und notwendige Regeln zu schaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber ich sage auch dazu, es geht ganz klar auch darum, welches Bild wir von Politikerinnen und Politikern haben, welches Bild wir


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von den Aufgaben und von den Möglichkeiten von Mandataren hier in diesem Hohen Haus haben. Diesbezüglich gibt es vielleicht auch gewisse Auffassungsunterschiede, und es geht darum, dass wir hier auf der einen Seite Regeln einführen, die Missstände abschaffen, dass auf der anderen Seite aber nicht unsere Arbeit, das freie Mandat und auch unser System, dass Beruf und Mandat miteinander möglich sind, in Mitleiden­schaft gezogen wird. Das soll nicht beseitigt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen! Wir sind stolz darauf, dass Politikerinnen und Politiker einen Beruf ausüben und daneben ihr politisches Mandat, ihre Funktion ausüben. (Abg. Mag. Kogler: Was hat das mit den Parteispenden zu tun?) Sie sind stolz darauf, dass Ihre Fraktion hauptsächlich aus Polit-Dinosauriern be­steht. Ich kann hier einige aufzählen, ich schaue da nur in die Reihen: Kogler, Pilz, Öllinger, Van der Bellen und andere, die ihr Mandat schon so lange innehaben, dass die meisten gar nicht mehr wissen, wie lange sie schon in diesem Hohen Haus sitzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen, ich habe es noch im Ohr: Als die grüne Bewegung entstanden ist, hat man von Rotation gesprochen, alle zwei Jahre werde man wechseln. (Abg. Mag. Kogler: Reden Sie einmal von den Partei­spenden!) Sie alle warten hier nur mehr auf die Pension, auf die Politpension nach Ih­rer Tätigkeit. Das ist ein anderes Bild eines Mandats. Das ist nicht unser Bild, und da­mit wollen wir auch nichts zu tun haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Zusammengefasst: Es geht darum, Regelungen zu suchen, gemeinsam diese Proble­me zu bewältigen, Transparenz herzustellen, wo es notwendig ist, auch zusätzliche strafrechtliche Regeln für Lobbyisten aufzustellen. (Abg. Mag. Kogler: Scheinheilig wie immer bei Parteispenden!) Aber es geht nicht darum, dem politischen Gegner die Man­datsausübung unmöglich zu machen. Das kann es nicht sein. (Beifall bei der ÖVP so­wie bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.23


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


17.23.37

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Nun: Was strafbar ist, muss strafbar bleiben. Man kann hier so­gar überlegen, die Tatbestände auszuweiten. Was transparent sein muss, muss mehr transparent sein. Parteispenden müssen transparent sein, ganz klar, und es muss auch sichergestellt sein, dass die Parteien nicht irgendwelche undurchsichtigen Fir­mennetzwerke bilden.

Frau Kollegin Lapp hat gemeint, na ja, bei der SPÖ Wien ist es so eine Verflechtung, da geht es um Baugenossenschaften, die für die armen Bürger bauen, und das ist ja etwas Gutes. – Ich frage mich nur, was eine Zeitung wie das „Bezirksblatt“ zum Bei­spiel mit einer Baugenossenschaft zu tun hat. Nur dass dort die Inserate der Stadt Wien hineinkommen. Aber da gibt es Fälle, wenn man bei einem Redakteur oder bei einem anderen Angestellten draufkommt: Ui, der hat auf einmal eine Nähe, vielleicht sogar eine verwandtschaftliche Nähe zu einem Freiheitlichen, dann wird er sofort ge­kündigt. Also das kommt dazu. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Die Frage der Parteibuchwirtschaft ist auch etwas, was unmittelbar mit dieser Frage der Transparenz und der Kontrolle verknüpft werden muss.

Aber nun zum Kollegen Pilz. Wissen Sie, jetzt ist Frühjahr. Auf den Kinderspielplätzen tummeln sich wieder sehr viele Kinder, die haben eine große Freude mit zwei, drei, vier, sechs Jahren, wenn dort Wasser fließt, wenn die Sandkiste einen Gatsch macht, da kann man so richtig einmal drinnen wühlen und sich wälzen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 170

Herr Kollege Pilz, aus dieser frühkindlichen Phase sind Sie leider noch nicht herausge­kommen, denn was Sie hier nämlich unter dem Schutz der Immunität betreiben, ist nichts anderes, als Schmutz zu verspritzen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Kößl.)

Wir können uns noch erinnern, es war erst in der letzten Nationalratssitzung: Was ha­ben Sie hier heraußen für ein Brimborium aufgeführt, weil Sie auf einmal entdeckt ha­ben, dass unter irgendwelchen Missachtungen von Bestimmungen irgendwelche Waf­fen nach Libyen transportiert worden sind! Alles nicht wahr – Sie sind der größte Vor­verurteiler der Republik Österreich! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Kößl und Amon.)

Halten Sie sich endlich einmal daran, dass letztlich Gerichte entscheiden und dass hier nicht der Ort ist, wo Sie zu Gericht sitzen. Sie sind nicht der Obermoralapostel. Damit kann man es eigentlich bewenden lassen.

Ihre Sudelkampagnen brechen letztlich immer in sich zusammen. Und da Sie heute als Polit-Saurier angesprochen worden sind: Die Solidarität Ihrer grünen Genossen muss Ihr Mandat halten, denn sobald Sie das nicht mehr haben, sitzen Sie nach Aufhebung Ihrer Immunität sowieso mit dem Meldezettel nur noch im Gerichtssaal. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Kößl.)

17.26


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


17.26.09

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ehrlich gesagt, ich habe nicht gedacht, dass wir heute zu einer Einigung kommen werden. Das war schon klar, aber dass die Debatte über notwendige Refor­men – und sie sind meiner Ansicht nach unerlässlich – dermaßen – ja, entschuldigen Sie! – missbraucht wird dafür, dass man sich gegenseitig mit Vorwürfen zudeckt (Na-Rufe bei FPÖ und ÖVP) und über das gegenseitige Zudecken mit Vorwürfen eigentlich verhindert, dass es zu Reformen kommt, hätte ich nicht gedacht. (Abg. Strache: Da wirft schon wieder wer mit Steinen, der im Glashaus sitzt!) Wenn man nämlich auf den anderen mit den Fingern zeigt, wenn man auf den anderen zeigt und ihn vorführt, dann erwartet man sich auch, dass der andere nichts mehr dazu tut, um die Situation zu ver­bessern. Das war die Situation von heute. (Abg. Kößl: Richte diese Rede an den Pilz!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn uns jemand von draußen zugeschaut hat – es sind leider nicht mehr viele Besucher und Besucherinnen im Saal –, dieser Debatte hätte ich – leider – keine Öffentlichkeit wünschen können. (Abg. Kößl: ... in den eigenen Reihen diese Rede halten!) Warum? – Wenn nach Monaten öffentlicher Debatte, nicht nur über einzelne Personen, sondern über bestimmte Vorfälle in dieser Republik, das Ergebnis jenes ist, dass das Parlament nichts zu sagen hat außer einem jämmerlichen Entschließungsantrag der Regierungsparteien und nicht das sagen will, was die Grünen vorschlagen, ist es traurig. (Abg. Amon: Großzügig!) Darüber könnte man wenigstens diskutieren, da muss man nicht in jedem Detail einer Meinung sein, aber Sie wollten ja nicht einmal darüber diskutieren. Sie haben ja nur gegenseitig mit den Fingern zeigen wollen, um Schuld zu verteilen. Und wenn die Schuld gleichmäßig oder sehr hoch auf jeden Fall zwischen allen verteilt ist, dann können Sie sich sicher sein, haben Sie gedacht, dass nichts passiert. (Abg. Kößl: Richte diese Rede an den Pilz!)

Das Ergebnis, nichts passieren zu lassen, wäre vielleicht einigen recht, nur fürchte ich ganz ehrlich, dass sich die Republik, die Bürgerinnen und Bürger das nicht gefallen lassen, dass der Ruf der Politik, aber nicht nur der Politik, sondern auch der Justiz, schon so ruiniert ist, dass es an die Substanz geht. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht an die Substanz, und wir sollten hier nicht stehen, um gegenseitig Ge­richt zu halten. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kößl.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 171

Jetzt passen Sie bitte auf! Ich habe jetzt noch keine Person genannt, wir sollten nicht Gericht halten. Aber eines sollte Ihnen klar sein: Wenn es keine Regeln gibt, wenn Sie sich nicht zu Regeln bekennen, zu neuen Regeln, zu transparenten Regeln und zu Re­geln, die scharf sanktionieren, dann können Sie das alles vergessen. Dann werden Sie in einem Jahr oder in zwei Jahren wieder dort sein, wo wir jetzt schon sind. (Abg. Räd­ler: Und Sie bekennen sich einmal zur Republik!)

Frau Bundesministerin Bandion-Ortner, da reicht es auch nicht aus, dass Sie hier her­kommen, eigentlich auch nicht Bezug nehmen darauf, sondern eher auf die Vorwürfe, die Sie – zugegeben – heute an die Adresse der Justiz erhalten haben, so reagieren, dass Sie sagen, das reicht mir jetzt, jetzt ist es genug. – So geht es nicht!

Betrachten Sie diese Zurufe, die hier von mehreren Fraktionen gekommen sind, als vielleicht etwas übergriffigen, aber zulässigen Hilferuf von Parlamentariern, die dies an­gesichts bestimmter Zustände in dieser Republik fordern. Ich sage in dem Fall wirklich nur die Causa Grasser, und ich erwähne noch den Herrn Meischberger. Aber es ist un­erträglich, dass über die Jahre die Republik, die Bürgerinnen und Bürger zuschauen müssen, wie nichts passiert. Das ist das Unerträgliche! (Beifall bei den Grünen.)

Die Bürgerinnen und Bürger haben mehr Unrechtsbewusstsein als das österreichische Strafrecht. Das ist das Unerträgliche, wenn es um Abgeordnete geht. (Abg. Kopf: Geht es um Unrechtsbewusstsein oder um Recht? ... um Recht und Gesetz, nicht um das, was man empfindet!)

Ich sage Ihnen – das betrifft jetzt die Frau Justizministerin –: Wir werden und wollen das nicht zur Kenntnis nehmen in der Sache Eurofighter, nämlich das, was die Staats­anwaltschaft in Wien jetzt verkündet hat. Dann nehmen Sie das bitte auch zum Anlass, eine Stellungnahme zu machen!

Ich hätte zum Beispiel gerne gewusst, ob es richtig ist, dass ausgerechnet jener Staatsanwalt Kronawetter, über den wir heute hier schon gesprochen haben, den Akt Eurofighter eingestellt hat. Ich frage Sie, ob es richtig ist, dass jener Staatsanwalt Kro­nawetter, der schon damals den Akt vergessen hat und jetzt offensichtlich für Per­sonalpolitik zuständig ist, auch jetzt den Akt Eurofighter eingestellt hat. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Ein besonderes „Würstel“!)

Ich weiß es nicht, hier herinnen wird es so gesagt. Sagen Sie es! Aber wenn es stimmt, wenn es der gleiche Anwalt ist, so wird das mit Sicherheit nicht zur Kenntnis genom­men. (Abg. Kößl: Ist er Staatsanwalt oder nicht?)

Es kann ja wohl nicht sein, dass ausgerechnet jener Staatsanwalt, der schon einmal einen Akt zufällig vergessen hat, auch der Staatsanwalt sein soll, der jetzt diesen Akt eingestellt hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Kampusch-Staatsanwalt!)

Da möchte ich mehr Erklärung. Ich möchte einfach mehr Erklärung, und ich möchte nicht, dass die Frau Bundesministerin hier weggeht und nicht sagt, ob das so war oder nicht. Das möchte ich wissen. (Beifall bei den Grünen.)

Und jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch einmal zurück. Ich könnte ge­nauso gut, wie Sie es alle gemacht haben, jetzt über einzelne Personen und über die schwarz-blaue Vergangenheit sprechen. Ich halte diese Jahre für entscheidende Jahre der Bereicherung, der privaten Bereicherung von einzelnen Personen. (Abg. Rädler: Frechheit!)

Damit mache ich weder die ÖVP noch die FPÖ insgesamt dafür verantwortlich, aber ich sage Ihnen: Sie haben zugeschaut, wie sich bestimmte Herrschaften in dieser Re­publik dadurch bedient haben, dass sie Eigentum der ÖBB, der BUWOG, der BIG und aller anderen zum Verkauf anstehenden Gesellschaften sozusagen aus der Republik hinausgetragen und sich daran bereichert haben.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 172

Worüber diskutieren wir denn die ganzen letzten Jahre? – Das sind doch nur diese pri­vaten Bereicherer, die sich vollgestopft haben! Damit sage ich ja nicht, dass Sie das waren. Aber wenn Sie das heute noch nicht zur Kenntnis nehmen, dann sind Sie an diesem Platz verloren, Herr Kollege Rädler. Das sei Ihnen auch gesagt. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist leider so, dass hier ein Sittenbild über diese Republik entstanden ist, dass die Leute das hinnehmen mussten, was sie nicht mehr bereit sind hinzunehmen. (Zwi­schenruf des Abg. Rädler.)

Und wenn Sie alle, von der ÖVP, von allen Parteien jetzt sagen: Wir gehen da heraus und haben uns ein ordentliches Match geliefert, aber ändern wollen wir eigentlich nichts außer diese dünnen Sachen, ist das zu wenig. (Der Redner hält ein Exemplar des Entschließungsantrags der Regierungsparteien in die Höhe.) Indem – das ist ja be­sonders witzig! – die Immunität eingeschränkt wird, leisten Sie Ihren Beitrag zur Kor­ruptionsbekämpfung? (Abg. Rädler: Die außerberufliche!)

Das ist ja völlig grotesk. Bitte tun Sie das wenigstens aus dem Antrag raus, Herr Klub­obmann Kopf! (Abg. Rädler: Genau lesen!) Aber die Einschränkung der Immunität – der außerberuflichen Immunität – hat mit Korruptionsbekämpfung absolut nichts zu tun! (Abg. Mag. Kogler: So ist es!)

Herr Klubobmann Kopf, es fehlt leider die Zeit, auch über das zu reden, was Sie gesagt haben. Es waren schon ein paar Sachen drinnen, bei denen man zuhören konnte. Aber wenn dieser Vorschlag insgesamt die Antwort der Regierungsparteien auf die brennen­den Fragen der Republik in den letzten Wochen und Monaten sein soll, dann, sage ich, haben Sie diesen Test und diese Möglichkeit, sich mit uns auf etwas zu einigen, ab­solut nicht verstanden. (Beifall bei den Grünen.)

17.34

17.34.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 1494/A(E) der Abgeord­neten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz- und Antikorrup­tionspaket.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag findet keine Mehrheit und ist somit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap, Kopf, Kolleginnen und Kollegen zur Bekämpfung von Korruption in Politik und Wirtschaft und zur Schaffung einer verbesserten Transparenz.

Ich bitte um Ihr zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 152.)

*****

Bevor wir in der Tagesordnung fortsetzen, möchte ich die Frau Landeshauptmann au­ßer Dienst Waltraud Klasnic sehr herzlich in unserer Mitte begrüßen. (Allgemeiner Bei­fall.)

17.35.429. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 917/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend bun­deseinheitliche Regelungen betreffend Persönliche Assistenz (1098 d.B.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 173

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 105/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechts­anspruch auf Persönliche Assistenz (1097 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 800/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vergü­tung von 20 Prozent des Kaufpreises bei der Anschaffung von Kraftfahrzeugen durch Behinderte (1099 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1365/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend verschärfte Zugangsbedingungen zum Pflegegeld (1100 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir setzen fort mit den Punkten 9 bis 12 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


17.36.31

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister Hundstorfer! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt eine Fülle von Anträgen vorliegen, wobei zunächst der Antrag betreffend bundeseinheitliche Regelungen betreffend Persönliche Assistenz etwas ist, was natürlich begrüßenswert ist – ein Antrag, bei dem wir Freiheitliche als Mitantragsteller drauf sind.

Ein bisschen ein Wermutstropfen, möchte ich sagen, ist aber schon die Tatsache, dass die Forderung, die wir Freiheitliche vor allem in der Person von Norbert Hofer schon seit der letzten Legislaturperiode immer wieder gestellt haben, dass es auch einen Rechtsanspruch auf diese Persönliche Assistenz geben sollte, leider Gottes nicht in diesen gemeinsamen Antrag mit aufgenommen worden ist, was besonders schade ist.

Es ist vielen Behinderten wirklich nicht zumutbar, hier auch noch Rechtsstreitereien einzugehen, um zu ihrem Recht zu kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist der Wermutstropfen bei dieser Sache. Nichtsdestotrotz freuen wir uns aber na­türlich, dass zumindest einmal ein Schritt in die richtige Richtung gesetzt worden ist.

Zum Antrag des Abgeordneten Herbert Kickl, in dem es darum geht, dass man den verschärften Zugang zum Pflegegeld wieder zurücknimmt: Herr Bundesminister! Im Zu­ge der Budgetverhandlungen wurde immer wieder betont, wie wichtig das Sparen ist. Es sind Millionen, die Sie einsparen wollen. Heute sagen Sie hier, dass es ja nur ganz wenige Leute trifft und wir noch immer eine Pflegegeldquote von 5,1 Prozent haben. Das ist zwar vielleicht richtig, das ist auch ganz schön, das nützt aber jenen Menschen nichts, die jetzt aufgrund dieser neuen unsozialen Regelung durch den Rost fallen. Und auch wenn Sie immer wieder betonen, dass alle weiterhin so viel bekommen wie bis­her: Jemand, der sich heute in der Pflegestufe 1 befindet, braucht umso länger und hat es umso schwerer, die Pflegestufe 2 zu bekommen.

Das ist natürlich eine massive Verschlechterung. Und das ist auch eine Verschlechte­rung für die Menschen, die generell Pflegestufe 1 beantragen und sie jetzt nicht mehr bekommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 174

Die Republik spart hier auf dem Rücken der Ärmsten. Sie, Herr Bundesminister, kön­nen sich nicht hinstellen und sagen: Das ist alles gar nicht so schlimm und das trifft nur ganz wenige Leute. – Das ist unsozial!

Sie sparen hier bei den Ärmsten der Armen. Das ist etwas, mit dem wir nicht mit­können. Daher würde ich Sie wirklich bitten, noch einmal zu überdenken, ob es für eine sozialdemokratische Partei, für einen Sozialdemokraten nicht Sinn machen würde, einmal zu beachten, dass man vielleicht doch auch in der Sozialpolitik ein bisschen ein soziales Herz haben sollte. (Beifall bei der FPÖ.)

17.38


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte.

 


17.39.00

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in meinem Redebeitrag vor allem auf den Fünf-Parteien-Antrag betreffend die Persönliche Assistenz eingehen und möchte auch meiner Freude Ausdruck verleihen, dass es gelungen ist, diesen Fünf-Parteien-Antrag zu beschließen, weil ich davon überzeugt bin, dass dieser Antrag ein ganz, ganz wichtiger und wertvoller Schritt ist, diesen bundeseinheitlichen Regelungen für Menschen mit Behinderungen wieder einen Schritt näher zu kommen.

Der Bundesminister wird mit diesem Antrag ja aufgefordert oder ersucht, gemeinsam mit den Ländern Vorschläge für eine bundeseinheitliche Regelung zu erarbeiten, weil es im Moment eben so ist, dass die Persönliche Assistenz leider, muss man sagen, im Bereich der Behindertenhilfe in den Ländern geregelt ist, weshalb auch sehr unter­schiedliche Voraussetzungen gegeben sind.

Es ist auch ein sehr eingeschränkter Personenkreis, der von dieser Persönlichen As­sistenz im Freizeitbereich tatsächlich profitieren kann. Leider haben wir auch keine ge­nauen Zahlen – die liegen dem Bund nicht vor. Und es ist auch so, dass die Persön­liche Assistenz im Freizeitbereich im Moment nur jenen Personen tatsächlich zusteht, die im erwerbsfähigen Alter sind und auch über eine sehr hohe Selbstorganisation ver­fügen.

Wie gesagt, die Regelungen sind länderweise sehr unterschiedlich, und es gibt auch unterschiedliche Modelle für die AssistenznehmerInnen, das heißt, es gibt das Arbeit­gebermodell und das Modell der freien DienstnehmerInnen.

Ich denke, mit dem heutigen Antrag und mit der Feststellung der Bundesregierung im Regierungsprogramm, eine bundeseinheitliche Regelung zu prüfen und anzustreben, werden wir einen sehr, sehr guten Schritt in die richtige Richtung gehen.

Es gibt ja auch aus dem Vorjahr einen Beschluss der LandessozialreferentInnenkonfe­renz im Rahmen einer Arbeitsgruppe im Ministerium, tatsächlich diese bundeseinheitli­che Regelung anzustreben. Meines Wissens hat es gestern eine erste Sitzung in die­sem Bereich gegeben, und ich bin überzeugt davon, dass wir da auf einem guten Weg sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Persönliche Assistenz ist, wie gesagt, sehr unterschiedlich geregelt, eines aber findet sich überall bei der Persönlichen Assis­tenz: Die Persönliche Assistenz soll den behinderten Menschen die Möglichkeit geben, ihr Leben nach ihren eigenen Bedürfnissen zu gestalten. Im Moment ist die Persönli­che Arbeitsassistenz bundeseinheitlich geregelt, aber die Persönliche Assistenz soll eben alle Bereiche des täglichen Lebens umfassen, soll dort unterstützen, wo Men­schen aufgrund ihrer Behinderung Hilfe und Unterstützung benötigen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 175

Das Ziel ist ein selbstbestimmtes gleichberechtigtes Leben für Menschen mit Behinde­rung – das ist auch das Ziel der UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen, die Österreich ratifiziert hat. Und mit diesem Antrag kommen wir diesem Ziel einen Schritt näher.

Geschätzte Damen und Herren, das hört sich vielleicht alles so einfach an, ich möchte diese bundeseinheitliche Regelung an einem Beispiel für alle ein wenig veranschauli­chen. Für uns, die wir nicht behindert sind, oder für mich, die ich nicht behindert bin, ist es ganz einfach oder leicht möglich, von einem Bundesland in ein anderes zu ziehen. Ein Mensch mit Behinderung muss sich zuerst überlegen: Kann ich in dem neuen Bun­desland, in dem ich meinen neuen Lebensmittelpunkt haben möchte, auch tatsächlich Persönliche Assistenz in Anspruch nehmen? Man muss im Vorfeld eine Menge Dinge regeln und steht dann vielleicht noch immer vor unüberwindbaren Hürden.

Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es wichtig ist, in diesem Bereich eine einheitli­che Regelung zu finden, damit für behinderte Menschen das selbstbestimmte Leben nicht nur auf dem Papier steht, sondern von ihnen tatsächlich auch gelebt werden kann.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns dieser Antrag einen Schritt weiter auf diesem Weg bringen wird, und wünsche dem Herrn Bundesminister von dieser Stelle aus sehr viel Kraft und Durchhaltevermögen, dass es mit den Ländern eine Einigung geben kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.43


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Jarmer. – Bitte.

 


17.43.13

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch eine Gebärden­sprachdolmetscherin): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister! Grüß Gott, geschätzte KollegInnen! Zum heutigen Thema: Der Fünf-Parteien-Antrag für Per­sönliche Assistenz ist eine gute Sache. Wir haben endlich einmal etwas gemeinsam gemacht, gemeinsame Schritte gesetzt.

Mir ist es wichtig, zu diesem Thema noch zu sagen, dass es in meinem Leben nach wie vor immer wieder passiert, dass wir sehr stark nach dem medizinischen Modell be­trachtet werden. Behinderte Menschen werden für klein gehalten, ein fürsorglicher Ge­danke kommt auf: Wir machen etwas für sie, sie brauchen Betreuung! – Das ist immer noch in den Köpfen.

Wir sollten davon wegkommen und uns hin zum sozialen Modell entwickeln, bei dem das Individuum im Vordergrund steht, die Unterstützungsform, materielle, persönliche Unterstützung, Unterstützung in jeder Form, die gebraucht wird.

Behinderte Menschen, sagt man oft, haben besondere Bedürfnisse. Ich frage: Welch besonderes Bedürfnis hat ein behinderter Mensch? – Ein behinderter Mensch hat ge­nauso normale Bedürfnisse wie jeder andere Mensch auch. Diese Perspektive sollten wir einnehmen.

Das Europäische Kompetenzzentrum für Persönliche Assistenz ECEPA hat 2004 eine Richtlinie herausgegeben, und diese Punkte hätte ich gerne auch in dieser bundeswei­ten Regelung festgeschrieben – das hat meine Kollegin Königsberger-Ludwig bereits angeschnitten –, sodass wir das auch wirklich bundesweit verarbeiten. Es soll unab­hängig von der Einkommensleistung sein, keinen Selbstbehalt beinhalten.

Bis jetzt sieht man den Arbeitsplatz sehr gut gefördert, auch im Bereich Kommunika­tionsassistenz, aber in anderen Bereichen fehlt es oft.

Man stellt einen Antrag, und es stellt sich die Frage: Bekommt man es, bekommt man es nicht, vielleicht ja, vielleicht nein? – Das sollten wir ändern, und wir sollten einen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 176

Rechtsanspruch für jeden schaffen. Wie Sie auch gesagt haben, für Sie ist es vielleicht nicht so begeisternswert, Herr Minister, aber für mich ist es wichtig, dass wir einen Rechtsanspruch haben.

Kollegen fragen sich vielleicht, was eine Persönliche Assistentin überhaupt tut. Ich möchte es Ihnen veranschaulichen. Zum Beispiel Kollege Huainigg hat hier immer sei­ne persönlichen Assistentinnen bei sich. Er hat seine Bedürfnisse, es gibt verschie­dene Bedürfnisse: Er braucht Begleitung, um ihm bei der Abstimmung die Hand zu he­ben, für ihn vorzulesen, man sieht das oft. Sprechen und denken kann er selbst, selbst­verständlich. Er hat eben seine speziellen Bedürfnisse, und dementsprechend sollte er auch Unterstützung bekommen, auch im Privatbereich.

Jemand anderer braucht vielleicht in der Früh eine Anziehhilfe, und den Rest schafft er allein. Man kann die Fälle nicht miteinander vergleichen, sondern muss sie individuell betrachten.

Mein Bedürfnis ist, eine persönliche Dolmetscherin bei mir zu haben, die mir ihre Stimme und ihre Ohren leiht – den Rest mache ich selbst. So unterschiedlich ist das. Man kann nicht alle in einen Topf schmeißen.

Der Antrag beinhaltet leider ein Wort nicht, und zwar die „Kommunikationsassistenz“. Persönliche Dolmetschung und Kommunikationsassistenz unterscheiden sich. Gebär­densprachkompetente Menschen helfen, wie zum Beispiel auch schwerhörenden Men­schen oder motorisch sprachgestörten Menschen, für die muss man sprechen, das wä­re Kommunikationsassistenz. Persönliches Dolmetschen erfordert eine Qualifikation als Dolmetscherin oder als Dolmetscher, und das darf man nicht miteinander verwech­seln.

Ziel dieses Antrages soll es auch sein, einen Paradigmenwechsel vorzunehmen, damit Menschen, die behindert sind, ein normales Leben führen können, selbstbestimmt. Dieses liebe fürsorgliche Denken soll aus den Köpfen verschwinden.

Für mich wäre in diesem Zusammenhang wichtig, auch mit dem Antrag, dass wir diese Richtung beibehalten und auch in diesen Bereichen sehr viel umsetzen. Ich hoffe, dass wir das gut hinbekommen, dass behinderte Menschen einbezogen werden, zum Bei­spiel im Nationalen Aktionsplan. Da gibt es jede Menge Beispiele, Best-Practice-Bei­spiele dafür, welche Menschen man wozu einladen kann, welche Leute man bei wel­chen Projekten mit einbinden kann. – Schluss mit Almosendenken in Österreich! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

17.48


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. – Bitte.

 


17.49.03

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Ho­hes Haus! Ab und zu braucht man auch mehrere AssistentInnen, bis alles funktioniert – Sie haben es gesehen –, bis zum „Mikrofonständer“, den Judith heute darstellt.

Persönliche Assistenz ist ein wichtiges System, mit dem viele behinderte Menschen heute leben, das ihnen trotz der Behinderung ein selbstbestimmtes Leben gewährleistet.

Es gibt die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz – das hat der Bund eingeführt, wird auch finanziert vom Bund, bundesweit einheitlich. Dadurch ist es gelungen, dass sehr vielen behinderten Menschen auch dann, wenn der Behinderungsgrad steigt, der Ar­beitsplatz erhalten bleibt oder dass sie überhaupt eine Jobmöglichkeit haben. Das hat sich sehr gut bewährt und gibt es eben bundesweit einheitlich.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 177

Aber das Leben beginnt, wenn man arbeitet, schon vor der Arbeit, wenn man in der Früh aufstehen möchte, Hilfe braucht beim Anziehen, beim Frühstücken, zum Er­reichen des Arbeitsplatzes, und das Leben geht auch nach der Arbeit weiter. Und dafür gibt es Persönliche Assistenz von den Ländern – das ist Länderkompetenz –, die je­doch unterschiedliche Regelungen vorsehen. Im Regierungsübereinkommen steht auch, dass es Ziel ist, eine bundesweit einheitliche Regelung zu finden.

Mit diesem Entschließungsantrag, den ich sehr begrüße, ersuchen alle fünf Parteien gemeinsam den Sozialminister, diesbezüglich eine bundesweite Lösung zu finden. Jetzt sind vor allem die Länder gefordert, sich mit dem Bund an einen Tisch zu setzen und ein brauchbares, praxisorientiertes Ergebnis zu finden.

Ich meine, dass man danach trachten sollte, gerade auch im Zusammenhang mit dem neuen Pflegefonds die Persönliche Assistenz zu verankern. Denn wenn der Bund da finanzielle Mittel einfließen lässt, dann sollte er auch sagen, wie sie verwendet werden sollen. Und die Persönliche Assistenz wäre ein wichtiges Ziel und eine wichtige Aufga­be. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

17.51


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

 


17.52.32

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir werden natürlich die Forde­rung nach einer bundeseinheitlichen Regelung bei der Persönlichen Assistenz für Men­schen mit Behinderungen unterstützen, damit ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben für diese Menschen möglich wird. Die gesetzliche Lage ist ja sehr zersplittert, da das in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt ist. Für die Verhandlungen zu diesen Artikel-15a-Vereinbarungen wünsche ich Ihnen, Herr Bundesminister, sehr, sehr viel Erfolg, denn ich weiß, dass es in diesem Bereich nicht immer ganz einfach ist, alle Bundesländer auf einen Nenner zu bringen. Ich wünsche Ihnen dafür also viel Erfolg. Es wäre im Sinne der Menschen, die es im Leben nicht so leicht haben.

Den Antrag des Kollegen Hofer betreffend die Forderung nach einem Rechtsanspruch für die Finanzierung der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz begrüßen wir eben­falls, da trotz Förderrichtlinien Benachteiligungen bei der Zuerkennung einer Persönli­chen Assistenz am Arbeitsplatz nach wie vor nicht ausgeschlossen werden können.

Ein weiterer Antrag des Kollegen Hofer – vom September 2009 – steht im Zusammen­hang mit der Abgeltung der Normverbrauchsabgabe beim Kauf von Kraftfahrzeugen für behinderte Menschen. Es wird in diesem Antrag gefordert, künftig nicht mehr die NoVA, sondern 20 Prozent des Kaufpreises bis zu einem anrechenbaren Kaufpreis von 40 000 € zuzüglich der Kosten für behinderungsbedingt notwendige Umbauten rückzu­vergüten.

Dazu muss ich Folgendes sagen: Bis Ende 2010 wurde die Anschaffung eines Kraft­fahrzeuges für Menschen mit Behinderungen aus verschiedenen sozialen Aspekten gefördert. Da hat es verschiedene Richtlinien gegeben, etwa die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Wenn jemand einen Ausweis nach § 29b der Straßenverkehrsordnung gehabt hat, zum Fortbewegen ein Automatikfahrzeuge be­nötigt hat und so weiter, für Leasingfahrzeuge, für all diese Fälle hat es unterschiedli­che Regelungen gegeben. Im Zuge des Budgetbegleitgesetzes wurde dann die Abgel­tung der NoVA für Kraftfahrzeuge von Menschen mit Behinderungen mit Ende 2010 gestrichen.

In den Erläuterungen des Budgetbegleitgesetzes steht, dass zur Förderung der Mobi­lität von Menschen mit Behinderungen eine Reihe von Maßnahmen notwendig ist –


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 178

dieser Meinung bin ich auch; ebenso, glaube auch, Kollege Hofer –, dass insbeson­dere steuerliche Freibeträge und die Abgeltung der Normverbrauchsabgabe vorgese­hen sind. Im Sinne einer Verwaltungsvereinfachung wäre es natürlich interessant – und das erscheint angebracht –, diese Maßnahmen zusammenzuführen und neu zu ge­stalten. Bis heute ist jedoch nichts geschehen, Herr Bundesminister. Bisher ist nichts geschehen! Dadurch kommt es für Menschen mit Behinderungen zu erheblichen Ver­schlechterungen. Diese könnten nicht nur durch die geplante Erhöhung der steuer­lichen Freibeträge wettgemacht werden. Ich glaube jedoch, dass diese Forderung, so, wie sie im Antrag enthalten ist, etwas zu hoch gegriffen ist. Deswegen werden wir dem auch so nicht zustimmen.

Was den nächsten Antrag – aus dem Dezember 2010 – betrifft, die Forderung der FPÖ, den Zugang zu den damaligen Pflegestufen 1 und 2 beizubehalten, damit keine Verschlechterung für die Betroffenen entsteht: Wir vom BZÖ sind der Meinung, dass der Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2, der dann ja erschwert wurde, wieder geän­dert werden muss, dass das zurückgenommen und so wie früher geregelt werden soll. Früher war die Anspruchsvoraussetzung für die Pflegestufe 1 bei 50 Stunden in der Woche, jetzt sind es 60 Stunden. Für die Pflegestufe 2 wurden die Wochenstunden von 75 auf 85 erhöht. Wir meinen, dass das zurückgenommen werden sollte. Und des­wegen werden wir diesem Antrag auch zustimmen. (Beifall beim BZÖ und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

17.56


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort. – Bitte.

 


17.56.45

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hunds­torfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke für die Ein­stimmigkeit beim Antrag betreffend Persönliche Assistenz.

Ich darf Ihnen hier einen sehr aktuellen Zwischenbericht liefern. Ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete hat es schon gesagt: Es haben in den letzten eineinhalb Tagen auf Beamtenebene entsprechende Verhandlungen mit den Bundesländern begonnen. Und es entwickelt sich in die Richtung, wie wir das auch im Regierungsprogramm nieder­geschrieben haben, nämlich dass das in die Zukunft gerichtet so gestaltet werden kann, dass wir nicht nur das Landespflegegeld in den Bundesbereich übernehmen, sondern dass wir auch weiterkommen, was die Persönliche Assistenz betrifft.

Die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz ist ja grundsätzlich, glaube ich, geregelt und ist auch nie ein Anstoß zu massiven Diskussionen. Dass es vielleicht da oder dort ir­gendwo unmittelbarste Probleme geben kann, möchte ich gar nicht abstreiten – bei der Größe des Bundesgebietes kann das da oder dort der Fall sein –, aber Fakt ist, dass das am Arbeitsplatz sehr gut funktioniert.

Zum Antrag der Freiheitlichen betreffend das Pflegegeld: Ich kann verstehen, dass man darüber diskutiert. Klar ist, wir werden weiterhin 50 000 positiv zu erledigende An­träge auf Neuzugang zum Pflegegeld pro Jahr haben. Das heißt, es gibt weiterhin ei­nen Zugang, nur werden es nicht mehr 60 000 Anträge sein; das ist die wirkliche Diffe­renz.

Ich hätte noch eine semantische Bitte, wenn in der Argumentation gesagt wird, die Ärmsten der Armen: Klar ist, wer Pflegegeld bezieht, hat ein persönliches Problem. Aber das Pflegegeld ist in Österreich geregelt unabhängig von der jeweiligen Pensions­höhe, unabhängig davon, was jemand persönlich hat. Beim Pflegegeld wird nicht da­rauf geschaut, was jemand persönlich hat, sondern darauf, ob jemand Pflegegeld braucht oder nicht, ob Pflegebedürftigkeit vorliegt. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Aber treffen tut es die Armen in diesem Bereich!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 179

Frau Abgeordnete Belakowitsch-Jenewein, ich möchte Ihnen nur mitteilen: Die Pen­sionsbezüge der Pflegegeldbezieher der Pflegestufe 1 sind höher als jene der Pflege­geldbezieher der Stufe 2. Das zu Ihrer Argumentation. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.59


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Vock. – Bitte.

 


17.59.24

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister, ich darf gleich auf Ihre Ausführungen eingehen. Natürlich sind es aber sehr viele Arme insofern, als es gerade ältere Menschen, Pensionsbezieher sind. Das heißt, das trifft sicherlich sehr viele arme Personen, weil es da, wie Sie richtig gesagt haben, eine generelle Regelung gibt.

Wenn Sie jetzt gesagt hätten, Sie machen eine soziale Staffelung, um das zu ändern, dann wäre das ein Diskussionsbeitrag, über den man hätte diskutieren können, aber es wurde ja nur der Zugang zur Pflege erschwert. Wie Sie selbst gesagt haben: Statt 60 000 Anträgen sind es nur mehr 50 000 Anträge. Das sind nur 10 000 betroffene Personen im Jahr. Das sei eh fast kein Unterschied, haben Sie gemeint.

Herr Bundesminister, das ist immerhin ein Sechstel der bisherigen Bedürftigen, die wir da als Pflegegeldbezieher ganz einfach mit dem erschwerten Zugang streichen. Das trifft sicher viele Mindestrentner, die jetzt Schwierigkeiten haben, das aufzubringen, was ihnen aufgrund der Streichung fehlt, denn das, was der Staat nicht mehr leistet, obwohl er es bisher als seine Verpflichtung angesehen hat, es zu leisten, müssen sie jetzt als Bittsteller irgendwo anders hereinbekommen oder es anders regeln oder gar von der Pension abzwicken.

Wir haben darüber schon des Langen und Breiten anlässlich der Budgetdebatte dis­kutiert, wir haben auch im Ausschuss immer wieder darüber gesprochen, Herr Minister, und jetzt muss ich feststellen: Sie bekennen sich nach wie vor zu Ihren Einsparungen! Sie bekennen sich zu den Einsparungen, auch wenn es Arme und Bedürftige betrifft – da sind wir einer Meinung –, denn wer den Anspruch nicht hat, der bekommt das Pfle­gegeld – erste und zweite Stufe – derzeit nicht. Der bekam es auch in der Vergangen­heit nicht. Nur: Derzeit sind es, wie Sie selbst sagen, um 10 000 Personen weniger.

Ich finde es auch traurig, dass man den Antrag des Abgeordneten Norbert Hofer be­treffend die Mehrwertsteuerrückvergütung beim Kauf von Fahrzeugen nicht diskutiert hat. Da können Sie als Minister nichts dafür, dass darüber nicht diskutiert wurde, denn das ist eine Sache des Ausschusses, der Regierungsmitglieder im Ausschuss. Man hätte auch da überlegen können, die alte Regelung wieder einzuführen, man hätte da­rüber diskutieren können, auch da eine soziale Staffelung einzuziehen. Tatsache ist, dass sich die Betroffenen nicht so einfach wie ein Normalbürger ein Auto aussuchen können, da sie andere Bedürfnisse haben. Es war ja bis jetzt auch schon geregelt, wie weit sie wirklich betroffen sind, ob es für sie zumutbar ist, ein öffentliches Verkehrs­mittel zu benützen, oder ob sie ein eigenes Fahrzeug brauchen. Dass da aber der Staat bei den Spezialfahrzeugen beziehungsweise bei den Umrüstungen mitverdient, finden wir sehr, sehr schäbig. Das hat sich eigentlich der Betroffene nicht verdient.

Die Sozialdemokraten sprechen in ihren Reden immer wieder von sozialer Gerechtig­keit. Tatsächlich wird auf dem Rücken älterer und behinderter Menschen gespart. (Bei­fall bei der FPÖ.)

18.02


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Neubauer. – Bitte.

 


18.02.29

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Gestatten Sie mir, dass ich mich eingangs auf einige meiner Vor­


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redner beziehe. Ich bedanke mich ganz besonders bei meinem Vorredner Huainigg und meiner Vorrednerin Jarmer, aber auch beim Abgeordneten Dolinschek für ihre Ausführungen, weil sie gezeigt haben, wie ernst ihnen dieses Thema ist.

Ich glaube auch, dass es dem Herrn Bundesminister ernst damit ist, hier endlich Bewe­gung in eine Situation zu bringen, die für die Betroffenen wirklich unglückselig ist.

Ich pflichte dem Kollegen Dolinschek bei, wenn er in Richtung Bundesregierung sagt, man müsse bei den Einsparungen bis 2010 nachträglich Lösungen finden, wie man diese am besten abfedern könne. Bis heute ist leider dahin gehend nichts geschehen. Ich glaube, dass wir als humanistisch geprägte Gesellschaft es uns nicht leisten kön­nen, in diesem Bereich länger zuzusehen, ohne tätig zu werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir sollten wirklich darangehen, einheitliche Regelungen zu finden. Warum ist das wichtig? Und warum ist das bisher nicht geschehen? – Da liegt das Problem bei den Ländern: In einigen Bundesländern gibt es überhaupt keine Assistenzleistungen, in an­deren Bundesländern hat es sie gegeben, doch diese wurden plötzlich eingestellt, und das hat dazu geführt, dass zum Beispiel alleinerziehende Mütter nicht mehr wissen, wie sie ihre Kinder derzeit betreuen sollen, weil die Kosten um ein Drittel dafür gestie­gen sind.

Wir haben in Oberösterreich jetzt den Fall, dass der sozialdemokratische Landesrat Ackerl sagt, er habe kein Geld dafür. Ich verstehe das, wenn ich lese, dass der „Kurier“ in seiner morgigen Ausgabe (ein Exemplar derselben in die Höhe haltend) die Schlag­zeile bringt, dass wir so viele Schulden haben wie noch nie. Dann kann ich wirklich ver­stehen, dass er sagt: Wir haben kein Geld!

Aber wie wollen Sie, Herr Bundesminister, das in Zukunft in Ihren Vertragsverhandlun­gen lösen? Denn wenn Sie jetzt mit allen Ländern bei dieser Assistenzleistung auf eine Ebene zu kommen versuchen, dann ist das nur die eine Seite. Die andere Seite ist: Was ist, wenn ein Land sagt: Gut, das ist recht und schön, wir haben eine einheitliche Lösung, aber wir als Land haben grundsätzlich kein Geld mehr dafür!?

Da stellt sich dann die Frage, ob da nicht die Bundeskompetenz sozusagen ein­springen muss, denn wir können diese Menschen nicht im Regen stehen lassen. Es gibt genügend solcher Fälle. Ich habe hier zum Beispiel die Niederschrift eines Inter­views (ein Schriftstück in die Höhe haltend) mit einer betroffenen Dame aus Oberöster­reich. Sie sagt, die Behinderten fühlten sich gefrotzelt.

Schauen wir, Herr Bundesminister, dass diese Menschen, die vom Schicksal genug gestraft sind, zu ihrem berechtigten Anspruch gelangen – und das möglichst bald! (Bei­fall bei der FPÖ.)

18.05

18.05.10

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Wir stimmen über jeden Ausschussantrag getrennt ab.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1098 der Beila­gen angeschlossene Entschließung.

Wer diese Entschließung unterstützt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 153.)

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1097 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


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Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen ferner zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1099 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1100 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

18.06.51 13. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1451/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Invaliditätspension (1101 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1284/A(E) der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übergangsbestimmungen bei eingetragenen PartnerInnenschaften (1102 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zu den Punkten 13 und 14 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Insgesamt sind bis jetzt fünf Rednerinnen/Redner dazu zu Wort gemeldet.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck. – Bitte.

 


18.07.19

Abgeordneter Dr. Andreas Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Mi­nister, vielleicht gelingt es uns ja, einen Tagesordnungspunkt in diesem Bereich heute sachlich abzuhandeln. Die Frage der Invaliditätspension ist, glaube ich, vom Grund­sätzlichen her außer Streit zu stellen. Es ist eine sinnvolle, gewünschte sozialpolitische Maßnahme. Aber wenn man sich die Fakten und Trends bei der Invaliditätspension an­schaut und insbesondere die aus Ihrem Haus kommenden Unterlagen ein bisschen durcharbeitet, dann wird man merken, dass es da derzeit leider zu einer gewissen Asymmetrie, vor allem im Zugang und in der Gewährung, kommt.

Es ist so, dass bestimmte Gruppen offensichtlich leichter einen Zugang finden, zum Beispiel Angestellte leichter als Arbeiter. Es ist auch, wenn man die Diagnosen be­trachtet, eine bestimmte Tendenz zu sehen, nämlich, dass vor allem psychische Krank­heiten leichter eine Individualitätspension bewirken als körperliche.

Sie haben in einer Aussendung geschrieben, Herr Minister, nachdem Sie die Fakten dargelegt haben, dass 100 000 Eigenpensionsantritte letztes Jahr vollführt wurden, und zwar 30 000 wegen Arbeitsunfähigkeit. Davon wurden 40 000 Anträge jährlich abge­lehnt, wie Sie sagen. Gefälligkeitsgutachten gibt es schon lange keine mehr, sagen Sie. Das ist natürlich sehr gut. Ein Jahr später in die Invaliditätspension zu gehen, brächte ungefähr 300 Millionen € mehr, sagen Sie. Aber Sie wüssten nicht, was Sie jetzt noch tun könnten, um da eine Verschärfung herbeizuführen.

Herr Minister, genau das ist der Punkt! Denn diejenigen in diesem System, die am meisten darunter leiden und die die Invaliditätspension tatsächlich benötigen, sind die 50-, 60-prozentigen Invaliden. Und es sind auch diejenigen besonders benachteiligt und vor allem besonders gefährdet, die diese Pension bewilligen sollen, nämlich die Gut­


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achter. Wir hören immer wieder, dass man ihnen unterstellt, dass sie falsche Gutach­ten erstellen. Und das sind dann diejenigen, die man sozusagen zu Sündenböcken macht und auf denen man dann den Frust ablädt.

Deswegen meinen wir, dass wir zur Unterstützung und zur Hilfe sowohl für die Pen­sionsempfänger als auch für diejenigen, die die Pension gewähren, eine Veränderung vornehmen sollten, eine Reform der Invaliditätspension durchführen sollten.

Mit dem Ziel, das Verbleiben im Arbeitsprozess so lange wie möglich zu sichern, wol­len wir den Berufsschutz bei der Ausübung erlernter und angelernter Berufe lockern, und zwar im Hinblick darauf, dass wir sagen, wenn einer zu 20, 30 Prozent Invalide ist, soll er eine Pension in diesem Ausmaß bekommen. Dafür soll er aber in einem ande­ren Beruf als dem erlernten weiterarbeiten.

Hinzufügen möchte ich noch, dass es eine Verschärfung im Kriterienkatalog, den es jetzt schon gibt, geben sollte – das sage ich ganz bewusst –, damit auch da kein Spiel­raum für diejenigen, die diese Pension gewähren sollen, mehr besteht.

Herr Öllinger! Was da – aufgrund Ihrer Aussendungen sage ich das jetzt –menschen­verachtend und bösartig sein soll, weiß ich nicht. Es ist eine in gewisser Hinsicht – auch wenn Sie nicht dafür sind – kontrovers zu diskutierende Grundlage, aber das ist nicht getragen von einer bösen Absicht, wie Sie uns das unterstellen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.

 


18.11.15

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Da­men und Herren! Klubobmann Strache hat heute Vormittag gesagt: Schützen wir die Interessen der österreichischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen!

Ja, meine Damen und Herren, schützen wir sie! Und ein Schutz ist die Absicherung be­ziehungsweise die Garantie, ein Einkommen zu haben, wenn die Menschen aus Krankheitsgründen nicht mehr arbeiten können, und dieses Einkommen beziehen die­se Menschen zum Großteil aus einer Invaliditätspension, denn eine andere Einkom­mensmöglichkeit gibt es nicht.

Meine Damen und Herren! Beenden wir doch endlich in Österreich die Diskussion, dass sich Invaliditätspensionisten ihre Pension erschleichen! Beenden wir doch endlich die Diskussion, dass Invaliditätspensionisten nur Betrüger, Gauner und sonstiges sind, dass sie Sozialschmarotzer sind!

Meine Damen und Herren, das sind diese Menschen nicht, sondern das sind Men­schen, die nur eines sicher sind: Sie sind krank, und genau aus diesem Grund erhalten sie diese Pension. Und wenn man weiß, wie der Vorgang aussieht, wie man so eine In­validitätspension erhält, dann weiß man, dass man da nicht betrügen kann, dass man sich nichts erschleichen kann.

Denn: Man geht zu seinem Pensionsversicherungsträger – in meinem Fall wäre das die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter – und stellt einen Antrag auf Invaliditäts­pension. Der erste Vorgang ist: Die Ärzte der Pensionsversicherungsanstalt untersu­chen mich. Wenn sich die Ärzte dort nicht sofort klar darüber sind, dass ich so krank bin, dass ich diese Pension zu erhalten hätte, dann werde ich zu einem Gutachter ge­schickt. Der Gutachter untersucht mich, vielleicht kommt noch ein zweiter und dritter Gutachter hinzu, je nach Krankheitsbild, und die stellen dann fest, ob ich aufgrund mei­ner Krankheit einen Anspruch auf eine Invaliditätspension habe oder nicht.


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Wenn die Gutachter entscheiden, dass das nicht der Fall ist, dann steht mir als Betrof­fenem der Weg offen, beim Arbeits- und Sozialgericht gegen den Entscheid, den mir die PVA zugestellt hat, Einspruch zu erheben. Das heißt, ich gehe zum Arbeits- und Sozialgericht. (Abg. Dr. Fichtenbauer: Eine Klage muss man einbringen!) Das Arbeits- und Sozialgericht schickt mich wieder zu Gutachtern, die mich wieder untersuchen, und dann wird ein endgültiges Ergebnis herauskommen.

Wenn die 30 000 zuerkannten Invaliditätspensionen von Gutachtern entschieden wur­den, dann sind das Entscheidungen, die wirklich nicht erschlichen wurden, wo nicht be­trogen wurde, sondern diese Pensionen bekommen Menschen, die so krank sind, dass ihnen eine Invaliditätspension auch zusteht.

Meine Damen und Herren, schauen wir uns einmal an, in welchem Status diese Perso­nen sind, bevor sie die Invaliditätspension beantragen! – 47 Prozent kommen aus einer Gruppe, die entweder Krankengeldbezieher sind oder Arbeitslosengeldbezieher sind oder einen Notstandshilfebezug haben oder einen Pensionsvorschuss beziehungswei­se ein Übergangstaggeld bekommen.

Was bedeutet denn das? – Dass Menschen, die schon so lange krank sind, aus dem Berufs- und Erwerbsleben hinausgedrängt wurden und keine Chance mehr haben, da einzusteigen.

Schauen wir uns doch auch die Krankheiten an, die großteils zur Invaliditätspension führen! – Da haben wir in Österreich zu 7,3 Prozent bei den Männern und zu 10,4 Pro­zent bei den Frauen den Krebs als Grund für eine Invaliditätspension. Wir haben zu 25,6 Prozent bei den Männern und zu 42,5 Prozent bei den Frauen psychische Krank­heiten als Grund dafür, dass sie die Invaliditätspension bekommen. Herz- und Kreis­lauferkrankungen sind bei Männern zu 13,9 Prozent und bei Frauen zu 5,7 Prozent ein Grund für eine solche Pension. Krankheiten des Skeletts, Muskel- und Bewegungs­apparates: bei Männern 33,8 Prozent, bei Frauen 25 Prozent. Und alle anderen Krank­heitsgruppen: bei Männern 19,5 Prozent und bei Frauen 16,3 Prozent. Das sind zum Großteil jene Krankheitsgruppen, wo Menschen die Invalidität zugesprochen bekom­men.

Wenn argumentiert wird, die Zahl der psychischen Erkrankungen würde steigen, dann muss ich sagen: Ja, meine Damen und Herren, dann darf man nicht dort ansetzen und sagen, man muss versuchen, zu erreichen, dass diese Menschen die Invaliditätspen­sion nicht erhalten, sondern man muss im Berufsumfeld dieser Menschen, die diese Pension bekommen, schauen, wie die Arbeitsbedingungen dort sind, man muss die Ar­beitsbedingungen im Berufsleben dieser Menschen ändern, damit es gar nicht dazu kommt, dass sie krank werden und um eine Invaliditätspension ansuchen müssen!

Deshalb noch einmal zum Schluss, meine Damen und Herren, die Bitte: Hören wir auf – egal wo, ob in diesem Haus oder über Medien oder sonst wo –, zu sagen, Invali­ditätspensionisten oder Invaliditätspensionsbezieher seien Menschen, die sich diese Pension durch Betrug oder sonst etwas ergaunert haben, seien Menschen, die Sozial­schmarotzer sind! Das sind sie nicht, sondern das sind Menschen, die wirklich krank sind. (Beifall bei der SPÖ.)

18.15


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


18.15.40

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Kollege Keck hat mir eigentlich jetzt sehr viel in der Argumentation abgenommen. Danke! Das wollte ich auch sagen.

Das war auch ein Teil dieser Debatte, Herr Kollege Karlsböck. Ich könnte auch mit dem, was Sie heute hier gesagt haben, in bestimmten Punkten durchaus etwas anfan­


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gen. Dort, wo Sie vorgeschlagen haben, man möge das System der Invaliditätspensio­nen so verändern, dass man schon bei 20- oder 30-prozentiger Invalidität eine pro­portionale Invalidenrente auszahlt, kann ich Ihnen durchaus zustimmen. Nur: Sie müs­sen sich dessen klar sein, dass das das System, sagen wir, um zirka 40 oder 50 Pro­zent teurer macht. Das ist klar! Denn: Diese Personen bekommen jetzt keine Invali­denrente.

Man kann schon darüber diskutieren. Aber wenn ich diese Personen jetzt mit einer Rente ausstatte, sie ihnen im aliquoten Anteil gewähre, dann wird das ganze System um diese Fälle teurer.

Es hat ja schon einen solchen Vorschlag gegeben, schon vor Jahren! Es war ja in einem der vielen Vorschläge schon vor Jahren die Forderung enthalten, das System so umzuändern. Gemacht worden ist es deshalb nicht, weil man dann zu rechnen begon­nen und gesagt hat: Das können wir uns nicht leisten! Wir müssen eher den anderen Weg gehen! Und der andere Weg sind eben Einsparungen bei den Invaliditätspen­sionen, was mit Sicherheit der falsche Weg ist. Überhaupt keine Frage!

Nur, Herr Kollege Karlsböck: Im Ausschuss hat die Debatte über diesen Antrag so be­gonnen, dass der Berufsschutz, der ohnehin schon aufgeweicht ist – Sie haben offen­sichtlich die letzte Novellierung verschlafen –, noch weiter aufgeweicht werden soll. Das ist genau das andere Ende: nämlich eine Verschärfung bei den Invaliditätspensio­nen!

Kollege Keck hat vollkommen recht: Es gibt niemanden – aus guten Gründen kann ich das sagen, mit gutem Gewissen auch –, der zu Unrecht in der Privatwirtschaft, sage ich jetzt einmal, eine Invaliditätspension zugesprochen erhält. Da gibt es niemanden! Im Gegenteil: Es gibt allzu viele, die sie nicht zugesprochen erhalten, obwohl die Leute ziemlich kaputt beziehungsweise ziemlich bedient sind. – Das ist das eine.

Es gibt eine Ausnahme, Kollege Keck: Das ist der öffentliche Bereich. Bei Telekom, Post et cetera, da gibt es Personen, die ganz bewusst in die Invaliditätspension ge­schickt werden, obwohl sie die Invaliditätspension nicht selbst beantragt haben. Die werden von Amts wegen in die Invaliditätspension geschickt, indem der Vertrauensarzt aktiviert wird und dieser ein Gutachten erstellt, und dann fängt die ganze Geschichte zu laufen an. Darüber werden wir uns sicher einmal unterhalten müssen, Herr Bundes­minister.

Aber es gibt, ehrlich gesagt, keinen Grund, diesem Ihrem Antrag, in welchem das alles nicht drinnen ist, was Sie heute hier gesagt haben, Herr Kollege Karlsböck, zuzustim­men. Da ist nämlich der „Fall Cain“ aus Vorarlberg der Ausgangspunkt für Verschär­fungen gewesen. Wie gesagt, es gibt keinen Grund, diesem Antrag des Kollegen Kickl zuzustimmen!

Jetzt noch eine Anmerkung zu unserem Vorschlag, was die eingetragenen Partner­schaften und in diesem Zusammenhang die Witwenpensionen betrifft. Sie alle wissen, dass es nur ein paar Personen gibt, die das betrifft. Eine davon ist die Lebensgefährtin der verstorbenen Frau Dohnal. Da geht es um zwei Frauen, die 20, 30 Jahre in Part­nerschaft zusammengelebt haben. Nur hat es das Institut „eingetragene Partnerschaft“ damals noch nicht gegeben. Und jetzt soll die Lebensgefährtin der Frau Dohnal sozu­sagen um die Witwenpension gebracht werden, weil man ihr vorhalten kann – zu Recht! –, dass sie seit Einführung des Instituts „eingetragene Partnerschaft“ zu wenige Jahre erworben hat, um einen Anspruch auf die Witwenpension zu haben.

Mein Kollege Steinhauser hat dazu einen Initiativantrag eingebracht. Wir werden wei­terhin darüber diskutieren müssen.

Aber ich sage Ihnen nur eines, Herr Bundesminister: Sie werden es in dieser Frage nicht so leicht haben mit uns, dass Sie das wiederholen, was Sie gesagt haben. Sie


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waren aber immerhin der Einzige, der drei Worte gesagt hat: Fristen sind Fristen! Aber das kann es nicht sein! Sonst hat sich an dieser Debatte niemand beteiligt. Das ist eine Schande! (Beifall bei den Grünen.)

18.19


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hammer. – Bitte.

 


18.20.02

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich heute – es ist mein erster Plenartag, abgesehen von der Sondersitzung letzte Wo­che – meine erste Rede hier im Hohen Haus halten und vor Ihnen sprechen darf. (Bei­fall bei ÖVP und BZÖ.)

Ich darf vielleicht dazusagen, dass mir die parlamentarischen Abläufe nicht ganz neu sind. Ich habe bereits zwei Jahre dem österreichischen Bundesrat angehört und bin jetzt in den Nationalrat gewechselt. Ich darf alle Kolleginnen und Kollegen hier im Haus um gute Zusammenarbeit in der Zukunft ersuchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Zum vorliegenden Entschließungsantrag ist nur so viel festzuhalten, dass dies nicht al­les neu und aktuell ist, was in dem Entschließungsantrag drinnen ist, weil ja hier schon Beschlüsse gefasst wurden und auch Maßnahmen gesetzt werden.

Ich sage aber hier klar und deutlich: Jeder, der aus gesundheitlichen Gründen berufs­unfähig wird, soll natürlich das Recht und die Möglichkeit haben, in die Invaliditäts­pension zu gehen. Es muss unser aller Ziel sein, zu gewährleisten, dass Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen können, ei­ne Pension bekommen und auch eine gute soziale Absicherung hier in unserem Lande haben.

Klar ist aber auch – und das wurde ja heute schon diskutiert –, Missbrauch und Aus­nutzen dieser Möglichkeiten müssen klar unterbunden und vermieden werden. Ich glaube, dagegen tritt die Bundesregierung konsequent und entschieden auf und setzt entsprechende Maßnahmen.

Es bringt überhaupt nichts, so wie es in dem Entschließungsantrag der Freiheitlichen der Fall ist, auf Einzelfällen herumzureiten und von großem Missbrauch zu sprechen, weil es den Kern der Sache nicht trifft und ohnedies konsequent vorgegangen wird.

Generell muss es unser aller Ziel sein, die Menschen länger in Beschäftigung zu halten und das faktische Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Invaliditätspension, sondern auch für das Pensionssystem im Allgemeinen und für die Sonderpensionsrechte, wo ein niedriges Pensionsantrittsalter gang und gäbe ist.

Da das meine erste Rede hier ist und mir gesagt wurde, man soll da sozusagen brav und verbindlich sein, sage ich nicht explizit dazu, dass ich hier die ÖBB und die Pen­sionsrechte im Land Wien meine, denn auch da braucht es Maßnahmen, weil die Menschen nicht einsehen, dass man dort deutlich früher in Pension geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Bei der Invaliditätspension ist es wirklich wichtig, dass diese nur diejenigen Menschen in Anspruch nehmen können, die sie wirklich brauchen. Unser Ziel muss sein: Reha­bilitation vor Pension, also Rehabilitationsmaßnahmen zu setzen, um die Arbeitsfähig­keit der Menschen wiederherzustellen und 80 Prozent in den Arbeitsprozess wieder einzugliedern. Wir müssen, wie ich meine, noch bessere Maßnahmen im Rehabilita­tions- und Therapiebereich setzen.


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Ich möchte aber den Fokus in diesem Zusammenhang schon noch auf die Gesund­heitsvorsorge lenken, weil es ja offensichtlich ist, dass immer mehr Menschen neben physischen auch psychische Beeinträchtigungen haben. Wir sollten somit Gesund­heitsförderung, Prävention und Vorsorge noch größeres Augenmerk schenken.

Es braucht also Umsetzungsmaßnahmen auf Basis der bestehenden Gesetze und kei­ne gesetzlichen Änderungen, um das System der Invaliditätspension treffsicher zu hal­ten. Daher werden wir dieser Entschließung nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.23


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


18.23.25

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hunds­torfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Hammer, Sie haben Ihre erste Rede gehalten. Es sei mir nur ein kleiner Hinweis ge­stattet: Ich bin ja, wie Sie wahrscheinlich wissen, ein Freund der Versachlichung. Wenn Sie sagen, dass die Mitarbeiter im Land Wien zu früh in Pension gehen, dann würde ich Sie bitten, nachzurechnen, wie viele dort überhaupt noch pragmatisiert sind und so­mit nach diesen Regeln in Pension gehen können. Nur mehr 25 Prozent der Bediens­teten der Stadt Wien sind sogenannte Altpragmanen, weil seit 1997 ja nicht mehr prag­matisiert wird. Das möchte ich nur dazusagen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) 25 Prozent von 70 000 – das ist eine einfache Rechnung.

Ich möchte aber zum Ursprung der Diskussion kommen und möchte hier das, was ich im Ausschuss gesagt habe, noch einmal wiederholen.

Punkt eins: Es bekommt – und das ist ja der wahre Grund für den Antrag – jemand, der in jungen Jahren um die I-Pension ansucht, grundsätzlich nur eine befristete Zuerken­nung. Es gibt ganz wenige Ausnahmen, zum Beispiel jemand mit einem Schädel-Hirn-Trauma nach einem Verkehrsunfall, wo ersichtlich ist, dass keinerlei Rehab-Maßnah­men irgendeine Verbesserung in Richtung Arbeitsfähigkeit bringen – damit wir einan­der nicht missverstehen.

Bei jedem I-Pensionsantrag, egal, ob dieser positiv oder negativ erledigt wird, müssen drei Gutachten von voneinander unabhängigen, medizinisch ausgebildeten Menschen in diesem Land hinterlegt werden. Ich habe Ihnen (in Richtung des Abg. Dr. Karls­böck) das schon im Ausschuss gesagt, es muss sich um Personen handeln, die in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich völlig unabhängig agieren. Und diese drei Gutachten sind notwendig, um überhaupt einen Antrag entscheiden zu können – wie auch immer, ablehnend oder zustimmend. – Das ist einmal Punkt eins.

Punkt zwei: Es dürfte Ihnen entgangen sein, dass Sie mit dem Budgetbegleitgesetz, welches Sie in diesem Haus ja beschlossen haben, massive Veränderungen bei den Zugängen zur I-Pension ja mitbeschlossen haben. Wir haben den Berufsschutz, wie Abgeordneter Öllinger schon gesagt hat, bereits verändert.

Sie haben auch ein neues Gesetz beschlossen, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz. Dieses Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz dient ja auch dazu, ein paar Grundsätze neu zu definieren, wie zum Beispiel Rehab vor Pension. – Das ist ein weiterer Punkt.

Natürlich werden wir mit dem Projekt „fit2work“, wo derzeit die Ausschreibung für das Case-Management läuft, einen weiteren Schwerpunkt setzen, wo es darum geht, auf Menschen frühzeitig hinzuschauen. Es ist gar keine Frage, die 70 000 Anträge pro Jahr sind ja ein Signal der betroffenen Menschen: Ich kann nicht mehr! Und da muss man hinschauen. Wegschauen hilft nicht, sondern hinschauen hilft.


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Es wurde auch schon gesagt, ich möchte das nur noch einmal wiederholen: 50 Prozent der I-Pensionsanträge kommen aus der Arbeitslosigkeit oder aus einem langfristigen Krankengeldbezug heraus. Das heißt, da ist ja etwas los, denn, da sind wir uns, glaube ich, einig, niemand freut sich darüber, mit 40 ein Notstandshilfebezieher zu sein. Wir sind uns, wie ich meine, auch einig, dass Menschen mit 45 oder 40 nicht gerne vom Krankengeld leben. Da gibt es eine Betroffenheit. Und diese Betroffenheit wollen wir versuchen, besser und frühzeitiger in den Griff zu bekommen.

Das heißt, wir haben hier die Veränderungen eingeleitet. Diese Veränderungen werden in Zukunft greifen, und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es gerade bei den I-Pen­sionen in den nächsten Jahren ganz einfach Veränderungen geben wird, und zwar auf­grund dessen, was wir in den letzten Wochen beschlossen haben und was jetzt prak­tisch umgesetzt wird.

Ich möchte noch einmal erwähnen: Jüngere, das heißt, Leute unter 50, das gilt auch bis zum 55. Lebensjahr, bekommen eine I-Pension generell immer nur befristet zuer­kannt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.28


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Fichten­bauer. – Bitte.

 


18.28.28

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lieber Kollege Jarolim, dieses Thema ist mir eigentlich zu ernst, weil ich vermute, dass ich einer der ganz wenigen hier im Haus, wenn nicht der Einzige bin, der im Rahmen seiner Kanzlei Pensionsverfahren vor Gericht durchgeführt hat. Ich weiß daher sehr genau, wovon die Rede ist und was alles nicht erwähnt wird.

Erstens: Es ist wahr, dass es im Bereich der Invaliditätspension so gut wie ausge­schlossen ist, sich durch Schwindeleien sozialschmarotzerischer Art dieser Pension an­heischig zu machen.

Wahr ist aber, worüber hinweggewischt wird: Wenn man einen Antrag stellt, dann wird ihm entweder stattgegeben, dann ist es in Ordnung, oder dies ist nicht der Fall, dann ist die ganze Gutachterszene am Werk. Wenn abgewiesen wird, kann man keinen Ein­spruch machen, Kollege Keck, sondern man muss beim Arbeits- und Sozialgericht kla­gen. Das ist ein kleiner, aber doch wesentlicher Unterschied.

Die wahre Scheidewand ist ja Berufsschutz oder nicht. Da entsteht ein hohes Maß an Ungerechtigkeitsempfinden.

Ein kleiner Fall: Ein Einbeiniger, also jemand, der infolge eines Unglücks ein Bein ver­loren hat, aber nicht dem Berufsschutz unterlag, sondern meistens Hilfsarbeiten ge­macht hat, hat, bitte, nicht die Invaliditätspension bekommen. Das gibt es! Es lässt ei­nem ja die Haare zu Berge steigen, wenn man sieht, was es da alles gibt.

In Wirklichkeit unterliegt es in hohem Maße dem Zufall, bei welchem Gericht man lan­det und welche Gutachter dort nämlich dauernd – ich gebe schon zu, das ist teilweise mehr eine Justizmaterie – tätig sind. Es gibt dort nämlich ein System des Zuarbeitens, was man gern hören möchte. Auch die gerichtliche Entscheidungskonjunktur ist eine Konjunktur. Manchmal wird es leichter, manchmal wird es wieder schwieriger.

Um also Elemente des Gerechtigkeitswaltens auf diesem Gebiet einzuführen, kann man nur beim Berufsschutz ansetzen und ferner bei der Judikatur des Obersten Ge­richtshofes zur Aufrechterhaltung von bestehenden Gutachtensergebnissen im Pro­zessverfahren.

Wir hatten einmal einen Fall, wo eine Frau durch die berühmtesten Neurologen Öster­reichs als ganz klar invalid beurteilt worden ist. Der Gerichtsgutachter, der kein Neuro­


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loge ist, hat gesagt, na, na, die hat es nicht. Bis zum Obersten Gerichtshof ist die Ab­lehnung bestehen geblieben. Das ist eine dringend zu korrigierende Sache der Zivilpro­zessordnung.

Also es gibt da eine Menge von Dingen, wo einem schlecht werden kann. Wahr ist aber, dass das nicht ein Bereich ist, wo geschwindelt werden kann, sondern ein Be­reich, wo Systemkorrekturen notwendig sind, wo aber mehrere Ebenen zusammen­fließen. Das hat aber nichts damit zu tun, dass der Antrag von Kickl nicht gerechtfertigt gewesen wäre.

Jeder Mensch muss empört sein, der sieht, dass der Mörder von Cain ein Frühpen­sionist ist, ungeachtet dessen, dass das, was der Minister gesagt hat, natürlich richtig ist, dass die Zuerkennung der I-Pension Menschen in der Jugendphase oder jungen Menschen immer nur befristet gewährt wird. Wahr ist aber wahrscheinlich, dass dieser Mann trotzdem ein Mörder gewesen wäre, auch wenn er nicht die Frühpension be­kommen hätte. Das ist eben so.

Das wird eine ewige Baustelle sein. Alle Parteien dieses Hauses mögen fair darüber nachdenken. Wir Freiheitlichen sind genauso an sozialer Gerechtigkeit interessiert wie alle anderen, die sich an der Debatte beteiligen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.32


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. – Bitte.

 


18.32.56

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Ich möchte jetzt nicht eine Privilegiendiskussion bei den Pensionen beginnen, aber ich möchte zu Beginn doch sagen, weil Sie zuerst darauf hingewiesen haben, dass in der Gemeinde Wien ja gar nicht mehr so viele diese Ausnahmeregelungen ha­ben: 25 Prozent sind immerhin 17 000 Personen, und das ist keine Kleinigkeit. (Beifall beim BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag zur Invaliditätspen­sion, den die FPÖ eingebracht hat, hat einen Anlassfall gehabt, so wurde auch die Diskussion im Ausschuss geführt, nämlich den Kindesmörder mit 26 Jahren, der eine
I-Pension bezogen hat. Das ist erschreckend für die Öffentlichkeit, sage ich ganz ehr­lich. Viele haben sich gefragt: Wie ist das möglich? Aber wenn man sich die Zugangs­bestimmungen und die Anspruchsvoraussetzungen ansieht, dann muss man feststel­len, dass eben bis zum vollendeten 27. Lebensjahr mindestens sechs Versicherungs­monate notwendig sind, um eine I-Pension beziehen zu können.

Jetzt kann man sagen, das ist gerecht, das ist ungerecht, da muss man etwas tun. Ich denke, gerade die Mindestversicherungszeiten und die Zugangsbestimmungen sollte man sich generell einmal genau anschauen, denn da gibt es Sprünge ab dem 27. Le­bensjahr bis zum 50. Lebensjahr. Das ist nicht transparent, nicht nachvollziehbar. Da würde ich Sie bitten, Herr Bundesminister, vielleicht auch das einmal in Angriff zu neh­men und zu schauen, ob die verschiedenen und sehr unterschiedlichen Zugangsvo­raussetzungen für die I-Pension auch nachvollziehbar, fair und gerecht sind.

Wofür wir vom BZÖ nicht sind, ist, dass wir einerseits den Berufsschutz weiter lockern, das ist nicht unser Zugang, und andererseits wollen wir natürlich auch nicht, dass all jene, die Invaliditätspension beziehen, Invaliditätspension brauchen, kriminalisiert wer­den. Dass es natürlich immer wieder Fälle in der Art, wie sie Kollege Fichtenbauer auf­gezeigt hat, gibt, ist überhaupt keine Frage. Ich erlebe es ja auch selbst, welchen Hür­denweg manche in Kauf nehmen müssen, um zu einer Invaliditäts- oder Berufsunfä­higkeitspension zu kommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 189

Wenn wir wissen, dass 31 Prozent aller Neuzuerkennungen von Pensionen aus ge­sundheitlichen Gründen erfolgen, dann, glaube ich, müssen wir schon dort ansetzen. Viele Vorredner haben bereits gesagt, dass wir bei der Gesundheitsförderung, bei der Gesundheitsvorsorge, vor allem auch bei der betrieblichen, ansetzen müssen. Und da sehe ich auch eine große Ungleichbehandlung.

In der Privatwirtschaft, in Branchen, wo man es besonders braucht, etwa in der Bau­branche, ist der Zugang zur betrieblichen Gesundheitsvorsorge relativ gering. Am bes­ten ist da wiederum der öffentliche Dienst ausgestattet, wo 67 Prozent der Mitarbeiter gesundheitsfördernde Maßnahmen im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses, im Rahmen ihres Arbeitsplatzes in Anspruch nehmen können. Also auch da diese Ungleichbehand­lung. Das sollte man sich anschauen.

Heute ist schon der Grundsatz erwähnt worden: Rehabilitation vor Pension. – Total richtig. Das ist ein Grundsatz, der seit 1996 im ASVG steht. Dieser Grundsatz muss nur umgesetzt und gelebt werden.

Was wir weiters brauchen, ist eine altersgerechte Gestaltung der Arbeitswelt, damit die Menschen auch länger arbeiten können. Wir sagen immer, die Leute sollen länger ar­beiten, aber die Dinge rundherum stimmen nicht.

Also ich glaube, die Invaliditätspension erfordert noch viele Korrekturen, vor allem soll­te dies in Zukunft ein Modell sein, das in Anspruch genommen werden kann, wenn es jemand wirklich braucht, weil er Gesundheitsschäden, erhebliche Gesundheitsschäden hat. Es sollte aber kein Schlupfloch in die Frühpension sein, es sollte nicht so sein, dass jemand, der arbeitslos ist, in die I-Pension geschickt wird. Daran sollte gearbeitet werden. Darum ersuche ich auch Sie, Herr Bundesminister. (Beifall beim BZÖ.)

18.37

18.37.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Zunächst kommen wir Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1101 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehr­heit angenommen.

Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Be­richt 1102 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

18.38.0215. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1455/A(E) der Abgeordneten Sonja Ablinger, Mag. Silvia Fuhrmann, Mag. Heidemarie Unterreiner, Mag. Dr. Wolf­gang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Büchereiförderung Neu“ und Masterplan für öffentliche Büchereien und über den

Antrag 888/A(E) der Abgeordneten Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Entwicklungskonzept für österreichische Bibliotheken (1105 d.B.)

16. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1416/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bibliotheken­gesetz für Österreich (1106 d.B.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 190

Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zu den Punkten 15 und 16 der Tagesord­nung.

Die Debatte wird unter einem durchgeführt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Frau Abgeordnete Mag. Unterreiner. – Bitte.

 


18.38.52

Abgeordnete Mag. Heidemarie Unterreiner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Minister (Bundesminister Hundstorfer verlässt soeben den Sitzungssaal), im Abgehen noch gegrüßt! Wir kom­men jetzt zu einem Tagesordnungspunkt, wo ungewohnte Harmonie eintreten wird. Das ist deswegen der Fall, weil es ein Thema ist, wo wir uns alle einig sind. Es geht um die Förderung von Bibliotheken, und da haben natürlich alle hier im Haus vertretenen Parteien eine ähnliche oder fast gleiche Meinung.

Für uns Freiheitliche ist die Kultur nicht ein Ornament, eine Verzierung, sondern das ist das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft baut und auf dem sie steht, und des­wegen ist das für uns ein ganz besonders wichtiges Thema. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Mag. Aubauer.)

Wir sind diejenigen in diesem Haus, die, so finde ich, natürlich am allervehementesten für unser Kulturerbe, für unsere Werte, Traditionen, Ideen, Sitten, Gebräuche und die Sprache eintreten. Wir wollen das auch unzerstört an spätere Generationen weiterge­ben. (Beifall bei der FPÖ.)

Unser kultureller Reichtum, der in Jahrhunderten gewachsen ist, ist zu achten, ist zu erhalten und ist weiterzuentwickeln. Wir sehen es als unsere Pflicht, den Erhalt und die Weiterentwicklung unserer großen Kulturinstitutionen – das sind unsere Kunsthoch­schulen, unsere Museen, unsere Theater, unsere Opernhäuser, Festwochen und na­türlich auch unsere Bibliotheken – zu gewährleisten. Große Institutionen können den Zusammenhalt und die Stabilität einer Gesellschaft garantieren.

Unsere Sprache, die Werke unserer Dichter und Denker sind ein wesentlicher Teil des­sen, was uns ausmacht. Das ist unsere geistige Heimat, und es ist wichtig, dass auch zukünftige Generationen darin Halt und Geborgenheit finden.

Öffentliche Büchereien sind daher ein wesentlicher Bestandteil unseres Bildungssys­tems und des Kulturangebots. Eine Förderung und Weiterentwicklung öffentlicher Bü­chereien – und hier sind sich alle Parteien einig, wie ich schon anfangs sagte – ist da­her von eminenter Bedeutung.

Sie sind aber auch außerschulische Bildungseinrichtungen, ein idealer Ort für gelun­gene Integration. Die Bibliotheken sind – neben allen anderen Bildungseinrichtungen, beginnend vom Elternhaus über Kindergarten, Volksschule bis zu den Universitäten – wichtig für die Bewahrung und Förderung der Sprache und haben hier eine außerge­wöhnliche Rolle. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Verständnis von und die Liebe zur Literatur als Sprachkunst, so habe ich manch­mal das Gefühl, ist leider viel zu sehr aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwun­den. Daher gilt es, die Möglichkeit zu fördern, durch Lesen – das ist natürlich im Zu­sammenhang mit Büchereien besonders wichtig – Zugang zu unserem kulturellen Reichtum zu erlangen. Neben Religion, Kunst und Sprache ist daher das Lesen die größte identitätsstiftende Kraft.

Kultur ist der Inbegriff der Gemeinsamkeit, und die Sprache, unsere gemeinsame Sprache, ist das, was uns verbindet. Sie ist meiner Meinung nach mehr als Religion und Kunst geeignet, den Zusammenhalt zu fördern, und ist deswegen sehr, sehr wich­tig für unsere gemeinsame Zukunft. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 191

In Zeiten einer massiven Zuwanderung brauchen wir eine Kulturgemeinschaft, und wir brauchen die Sprachgemeinschaft mehr denn je. Deshalb sind öffentliche Bibliotheken ideale Stätten für gelungene Integration.

Daher haben wir einen Entschließungsantrag ausgearbeitet, der folgendermaßen lautet:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

‚Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, alle notwen­digen Maßnahmen zu ergreifen, dass im Zuge der Entwicklung eines neuen Konzepts für öffentliche Büchereien folgenden Gesichtspunkten Rechnung getragen wird:

Der Vermittlung deutschsprachiger Literatur als zentrales kultur- und identitätsstiften­des Merkmal,

der Vermittlung deutschsprachiger Literatur als zentraler Beitrag zur Integration von Mi­granten in unsere Gesellschaft.‘“

*****

Nun nur noch mein Ceterum censeo – ich liebe es, das in jeder meiner Reden zu sa­gen –: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Bewahrung unserer Identität das Ge­wissensthema unserer Epoche ist. (Beifall bei der FPÖ.)

18.43


Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Antrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Heidemarie Unterreiner, Josef Jury und weiterer Abgeordneter betreffend Integration und Identität im Zusammenhang mit öffentlichen Büchereien,

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 15, Bericht des Kul­turausschusses über den Antrag 1455/A(E) der Abgeordneten Sonja Ablinger, Mag. Silvia Fuhrmann, Mag. Heidemarie Unterreiner, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend "Büchereiförderung Neu" und Masterplan für Öffentli­che Büchereien und über den Antrag 888/A(E) der Abgeordneten Josef Jury, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Entwicklungskonzept für österreichische Bibliotheken (1105 d.B.), in der 100. Sitzung des Nationalrates, XXIV. GP, am 31. März 2011.

Im Antrag 1455/A(E) der Abgeordneten Ablinger, Fuhrmann, Unterreiner und Zinggl betreffend „Büchereiförderung Neu“ und Masterplan für Öffentliche Büchereien spricht man sich erfreulicherweise für die Erstellung eines modernen und zeitgerechten Kon­zepts für öffentliche Büchereien aus.

Dort ist die Rede davon, dass der geforderte „Masterplan die Strukturen des Öffentli­chen Büchereiwesen analysieren“, „die Aufgaben von Öffentlichen Büchereien definie­ren sowie Strategien und Empfehlung für die Büchereientwicklung formulieren“ soll.

Dabei erscheint es von grundlegender Bedeutung, neben dem wichtigen Aspekt der Bildung auch die beiden Gesichtspunkte Identität und Integration einzubeziehen. Bei beiden Bereichen spielt die Vermittlung der deutschen Sprache als zentrales kultur- und identitätsstiftendes Merkmal eine unersetzbare Rolle. Dementsprechend ist das Augenmerk auf ebendiese zu richten.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichnenden Abgeordneten den nachfolgenden


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 192

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, alle notwen­digen Maßnahmen zu ergreifen, dass im Zuge der Entwicklung eines neuen Konzepts für öffentliche Büchereien folgenden Gesichtspunkten Rechnung getragen wird:

Der Vermittlung deutschsprachiger Literatur als zentrales kultur- und identitätsstiften­des Merkmal,

der Vermittlung deutschsprachiger Literatur als zentraler Beitrag zur Integration von Mi­granten in unsere Gesellschaft.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ablinger. – Bitte.

 


18.43.43

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zuerst meine ehemalige Kollegin vom Liberalen Forum Martina Gredler bei uns begrüßen, die mit ihrem Neffen, der politisch sehr interessiert ist, heute da ist und der Debatte folgen wird. Ich begrüße sie herzlich! (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Sie kann sich doch nicht ganz vom Haus trennen.

Wir diskutieren heute – und das freut mich sehr – einen gemeinsamen, einen Vier-Par­teien-Antrag zu einem wesentlichen Bereich, nämlich einem Masterplan für die öffent­lichen Büchereien. Dass es uns gelungen ist, einen Vier-Parteien-Antrag herzustellen, freut mich sehr, weil das die besondere Bedeutung der Büchereien verdeutlicht. Sie sind zentrale Einrichtungen für den niederschwelligen Zugang zu Wissen, zu Informa­tion und zu Kultur.

Büchereien – und das bezieht sich auch auf den Antrag von Kollegin Unterreiner – ani­mieren zum Lesen. Eine zentrale Aufgabe der Büchereien ist Leseförderung, und in­sofern nehme ich einmal an, dass Sie mit Ihrem Antrag auch Leseförderung verstehen, was die deutschsprachige Literatur betrifft. Aber, Frau Kollegin Unterreiner, wenn ich vielleicht den Autor Rafik Schami zitieren darf – er sagt: „Bibliotheken sind geheime Fenster, durch sie kann man in andere Länder, Kulturen und Herzen schauen“ –, dann sollen doch Bibliotheken, so wie Sie es in Ihrem Antrag verstehen, dieses Fenster nicht wieder zumachen und sich nur auf die deutsche Literatur und deutsche Sprache kon­zentrieren. (Abg. Mag. Unterreiner: Nein, falsch!) Insofern können wir Ihrem Antrag nicht nähertreten.

Aber wir freuen uns, dass Sie den Masterplan unterstützen, einen Masterplan, der nämlich dazu da ist, die Büchereien bei ihren innovativen Aufgaben noch viel mehr zu unterstützen. Die Büchereien sind innovativ, wenn sie zum Beispiel vor allem im Zu­sammenhang mit besonderer Zielgruppenarbeit wirklich innovative Sachen leisten. Sie entwickeln zum Beispiel Seniorenbibliotheken, Gefängnisbibliotheken, Patientenbiblio­theken und erreichen damit viele Menschen. Ich glaube nur, sie können, wollen und sollen noch viel mehr Menschen erreichen, als es bisher möglich ist, und es ist unsere Aufgabe, das zu unterstützen.

Die „Büchereiförderung Neu“ war ein erster Schritt dazu, da sie eine Anreizförderung implementiert hat, die das mit gewissen Standards koppelt. Dafür auch Dank an die Frau Bundesministerin und ihr Team! Als nächster Schritt folgt nun der Masterplan, weil es darum geht, für ganz Österreich diesen flächendeckenden Zugang zu Literatur, zu Wissen und zu Information zu gewährleisten.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 193

Innovative Büchereien brauchen ein aktuelles und großes Angebot. Sie brauchen kun­denfreundliche Öffnungszeiten. Sie brauchen Fachpersonal. Sie brauchen Nähe zu ih­rem Publikum. Sie brauchen die Vernetzung und die Partnerschaften, zum Beispiel mit Schulen, auch im Zusammenhang mit Leseförderung. Sie brauchen innovative Stan­dards für die Entwicklung von digitalen Bibliotheksangeboten. Es ist aber eine Tatsa­che, dass die Situation in den Bundesländern sehr unterschiedlich und das Netz noch brüchig ist. Daher soll dieser Masterplan antreten, um dieses Netz dichter zu machen und die flächendeckende Versorgung und den Zugang zu gewährleisten.

Ich freue mich auf die Kooperation. Ich freue mich darüber, dass wir in einem Vier-Par­teien-Antrag diesen Masterplan beschließen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.47


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. – Bitte.

 


18.47.19

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Jedes Jahr, so im Herbst zur Leipziger Buchmesse, zur Frankfurter Buchmesse, in Wien oder wo auch immer, gibt es diese Lippenbekennt­nisse zu Büchereien und zu Bibliotheken. Diese sind sicher wichtig, und ich glaube, es passiert auch immer wieder ein wenig auf dem Sektor – aber es ist viel zu wenig!

Wir haben deswegen Anfang Februar dieses Jahres einen Entschließungsantrag ein­gebracht, mit dem ein Bibliotheksgesetz, wie es auch in anderen Ländern eines gibt, in Auftrag gegeben werden sollte. Im März, also einen Monat später, hat es nun diesen neuen Entschließungsantrag gegeben, mit dem auch die Grünen können – wir sind ja auf diesem Entschließungsantrag drauf –, der aber letztendlich im Wesentlichen von den Regierungsparteien eingebracht worden ist. Das ist gut so, allerdings frage ich mich schon – weil Sie, Frau Kollegin Ablinger, als Vorrednerin auch gesagt haben, dass da ein Masterplan kommt –, wozu es diesen Entschließungsantrag seitens der Regierungsparteien überhaupt gibt, weil ja dieser Masterplan im Regierungsüberein­kommen steht.

Also: Die Regierungsparteien entschließen sich im Regierungsübereinkommen dazu, einen Masterplan für die Bibliotheken zu entwickeln. Dann kommt ein Entschließungs­antrag, damit dieses Regierungsprogramm umgesetzt werden soll. Das sehe ich nicht unbedingt als notwendig, trotzdem freue ich mich, dass die Regierung an ihr eigenes Regierungsprogramm erinnert wird.

Ich glaube aber, dass das trotzdem noch viel zu wenig ist, und zwar aus folgendem Grund: Erstens einmal sind solche Masterpläne kleine Pflästerchen, mit denen nur die schlimmsten Sachen bereinigt werden – also Sanierungstätigkeiten. Aber vor allen Din­gen weiß man auch gar nicht genau, was ein Masterplan letztendlich an Effizienz brin­gen kann; es kann alles Mögliche sein. Daher ist ein Gesetz, ein Bibliothekengesetz, ganz dringend notwendig! So etwas braucht es, ähnlich wie in der Kunstförderung.

Wir brauchen im Zusammenhang mit den Bibliotheksförderungen nur einen Vergleich mit PISA anzustellen, wenn wir überlegen, dass gerade Länder wie Finnland, Neusee­land oder Kanada solche Gesetze haben. Nicht umsonst sind das die Länder mit her­vorragenden PISA-Ergebnissen. Wenn Sie sich ansehen, dass etwa in Finnland pro Person 19 Entlehnungen pro Jahr stattfinden, in Österreich hingegen 2,5, dann sieht man schon, dass so ein Bibliothekengesetz einen direkten Zusammenhang mit den Entlehnungen und einen direkten Zusammenhang mit PISA-Ergebnissen hat.

Villach und Klagenfurt – ich weise jedes Mal darauf hin – haben noch immer keine kommunale Bibliothek. Selbst ein Masterplan wird das nicht ohne Gesetz bewirken


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 194

können. Ich würde sagen, ich kenne die Anzahl der Entlehnungen in Kärnten nicht, aber wenn sie wächst, kann das kein Fehler sein. In diesem Sinne wäre solch ein Ge­setz dringend notwendig. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.50


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Durchschlag. – Bitte.

 


18.50.31

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Man könnte ja sagen, Büchereien sind so etwas wie Bildungs-Nahversorger. In einem rohstoffarmen Land wie Österreich ist Bildung das wichtigste Kapital und hat Gott sei Dank auch einen entsprechenden Stellenwert. Das zeigt sich beispielsweise an den steigenden Studierendenzahlen, und auch die Notwendigkeit von lebenslangem Ler­nen ist inzwischen unbestritten. Da sind praktischerweise auch die Möglichkeiten, an Lerninhalte, an Bildungsinhalte zu kommen, aufgrund der technischen Voraussetzun­gen wesentlich größer, und sie werden auch genutzt. Ich denke da beispielsweise an Fernstudien, die auch für Berufstätige eine gute Alternative im Bereich der Höherquali­fizierung darstellen.

Grundvoraussetzung für Bildung ist – und das ist ja heute schon erwähnt worden – natürlich immer die Lesekompetenz. Diese soll einerseits in der Schule erworben werden, muss aber begleitend von Familien und guten Rahmenbedingungen möglichst vor Ort unterstützt werden. Die dramatischen Ergebnisse der letzten PISA-Untersu­chung, besonders im Hinblick auf die Lesefähigkeit eines Teils der österreichischen Schülerinnen und Schüler, haben uns da den Handlungsbedarf drastisch vor Augen geführt. Da kommen dann auch die öffentlichen Bibliotheken ins Spiel, die ja, wie ich eingangs schon erwähnt habe, so etwas wie Bildungs-Nahversorger sind. Da ist es natürlich auch Aufgabe der öffentlichen Hand und der Träger, ein möglichst breites und flächendeckendes Büchereiangebot zu sichern, finanziell und qualitativ.

Das Land Oberösterreich ist da, wie in vielen anderen Bereichen auch, durchaus als vorbildlich zu bezeichnen. Es gibt in Oberösterreich über 300 öffentliche Bibliotheken mit fast 3 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die 9 706 Arbeitsstunden pro Woche erbringen. 86,6 Prozent dieser Mitarbeiter sind Frauen, und der allergrößte Teil ist eh­renamtlich im Sinn der Bildung unterwegs und tätig. Ich möchte die Gelegenheit nützen und in diesem Zusammenhang auch aufgrund des EU-Freiwilligenjahres all diesen eh­renamtlich Tätigen herzlich für ihren Einsatz danken! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Land Oberösterreich ist mit zirka 800 000 € inklusive der Sonderförderung im Jahr mit 70 Prozent der weitaus größte Fördergeber. Die Förderrichtlinien des Landes legen ganz besonderes Augenmerk auf Gender Mainstreaming und auf Diskriminierungstat­bestände. Das hat erfreulicherweise zu einer Qualitätssteigerung und zu verstärkten Anstrengungen der einzelnen Büchereien geführt, den Fördervoraussetzungen zu ent­sprechen. Da ist besonders im Bereich der Barrierefreiheit in vielen Büchereien etwas weitergegangen. Großes Augenmerk wird auch auf die Vergrößerung des Bibliotheks­bestandes im Bereich der elektronischen Medien gelegt.

Wenn man sich die Nutzerstatistik in Oberösterreich anschaut, so sind jeweils zirka 36 Prozent Nutzer im Bereich Erwachsene im Erwerbsalter und Kinder und Jugendli­che bis 14 Jahre. Aufholbedarf gibt es bei den Jugendlichen ab 14 Jahren und den ganz jungen Erwachsenen. Aber da versuchen wir in Oberösterreich ganz gezielt, mit besonderen Aktionen und besonders öffentlichkeitswirksamen Aktionen gegenzusteuern.

Auch das Thema Fort- und Weiterbildung ist ein großes Thema. Um die Herausfor­derungen einer sich schnell verändernden Welt und die daraus resultierenden Anforde­rungen gut bewältigen zu können, werden fast 12 000 Stunden an Fortbildung jährlich absolviert.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 195

Zusammenfassend kann man sagen, dass es für die Förderung des Büchereiwesens, für einen Masterplan, für eine möglichst flächendeckende Versorgung mit qualitativ hochwertiger Bildungs-Nahversorgung schon gute Voraussetzungen gibt und die För­derungen und die Förderungsrichtlinien, die es in Oberösterreich gibt, durchaus als Role Model für österreichweit einheitliche Förderungsrichtlinien dienen könnten. – Dan­ke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.54


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markowitz. – Bitte.

 


18.54.43

Abgeordneter Stefan Markowitz (BZÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Die direkte Büchereiförderung des Bundes wurde mit 240 000 € erhöht. Diese überarbeitete Förderrichtlinie ist natürlich sehr erfreulich, was die Steigerung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Büchereien betrifft. Auf der anderen Seite wird den Jugendlichen gezeigt, dass Lesen wieder interessant und populär wird, gerade in Zei­ten, in denen wir so schlechte PISA-Ergebnisse haben. Das wird sie auch freuen, und dies wird sich in Zukunft auch positiv auf die PISA-Ergebnisse auswirken.

Über den mit verhandelten Antrag betreffend Entwicklungskonzept für österreichische Bibliotheken – da gibt es einen Vier-Parteien-Antrag – muss ich sagen, dass dieser ein uralter BZÖ-Antrag ist, den wir in der Vergangenheit gemeinsam diskutiert haben. Wir haben über dieses Thema noch einmal bei uns im Klub diskutiert, mit dem Ergebnis, wir werden hier mitstimmen. Dieser Vier-Parteien-Antrag wird also auch von uns unter­stützt, denn wir finden, dass es gerade in Zeiten wie diesen extrem wichtig ist, dass Le­sen wieder populär wird, dass die Bibliotheken gefördert werden und die Menschen wieder lesen. (Beifall beim BZÖ und demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Eines ist mir noch wichtig: Gerade was die Bibliotheken Villach und Klagenfurt betrifft, hoffe ich, dass sich in Zukunft etwas tun wird. Frau Muttonen, Sie sehen das wahr­scheinlich anders, Sie können auch gleich hier sagen, warum Sie das nicht so sehen. Ich würde mir diesbezüglich schon wünschen, dass es öffentliche Bibliotheken gibt. (Beifall beim BZÖ.)

Frau Ministerin, Folgendes muss ich heute noch ansprechen: Es ist nicht der Narren­turm, es sind die Tiefspeicher in der Österreichischen Nationalbibliothek. Wir wissen nicht erst seit heute, dass diese voll sind, das hat sich abgezeichnet. Jetzt müssen wir über eines sprechen: über die Finanzen, über die Kosten. Werden sie ausgelagert? Was kosten sie? Wie schaut es diesbezüglich aus? Wie schaut es mit den finanziellen Mitteln aus?

Und was eine Digitalisierung der Zeitungsbände betrifft: Haben Sie einen Plan? – Dies­bezüglich hoffe ich, dass ich bald von Ihnen hören werde. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

18.56


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte.

 


18.56.58

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Ich greife den Entschließungsantrag zum Thema Masterplan Büchereien sehr gerne auf. Ja, es ist ein Unterstreichen des Regierungsprogramms. Ich sehe diesen Masterplan auch als Fortsetzung der „Büchereiförderung Neu“, die wir 2010 eingerichtet haben.

Wie Sie wissen, ist die Kompetenzsituation im Büchereiwesen vielfältig: Bund, Länder, Gemeinden, verschiedene Trägerorganisationen. Wir haben schon bei der „Bücherei­förderung Neu“ ein Kofinanzierungsmodell erarbeitet. Es wird daher die große Aufgabe


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 196

sein, auch im Rahmen des Masterplans Bund, Länder, Gemeinden und Trägerorgani­sationen in diesen Masterplan mit einzubeziehen.

Ich greife auch sehr gerne die Anregungen aus dem Kulturausschuss auf, nämlich dass wir die Verbindung zum schulischen Bereich herstellen und vor allem auch den Vermittlungsaspekt der Büchereien mit einbeziehen, ebenso das identitätsstiftende Element, das heute auch schon von Frau Abgeordneter Unterreiner erwähnt worden ist.

Wichtig wird es sein, hier auch mit dem Büchereiverband Österreichs zu kooperieren. Ich denke – und möchte das für die Zukunft nicht ausschließen –, dass diese Arbeit doch einmal in ein Bundesgesetz für Bibliothekswesen münden könnte, weise aber da­rauf hin, dass jede bundesgesetzliche Regelung auch entsprechend hohe Finanzim­plikationen hat. Aber den Masterplan, die Arbeit in diese Richtung mit dem Ziel der flä­chendeckenden Versorgung, alles das kann ich als Kunst-, Kultur- und Bildungsminis­terin nur unterstreichen. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Hinsichtlich Ihrer Anfrage, Herr Abgeordneter, was den Tiefspeicher betrifft, können wir dieses Projekt – so wie ich im Kulturausschuss schon dazu Stellung genommen habe – aus Finanzierungsüberlegungen derzeit nicht realisieren. Die Nationalbibliothek arbei­tet jetzt an Übergangsregelungen. Selbstverständlich wird hier auch das Projekt Goo­gle, die Digitalisierungsbemühungen, zu einer entsprechenden Entlastung führen. Ich freue mich, wenn ich Ihnen im nächsten Kulturausschuss auch die Details dazu über­mitteln kann. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Ab­geordnete Königsberger-Ludwig. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.59.40

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Ganz zu Beginn finde ich es schön, dass das BZÖ aus diesem Vier-Parteien-Antrag jetzt einen Fünf-Parteien-An­trag macht. Das ist ein gutes Zeichen, weil ich auch davon überzeugt bin, dass dieser Antrag über die „Büchereiförderung Neu“ und den Masterplan ein weiterer wichtiger Schritt zu noch mehr Qualität in unseren Büchereien ist. Die Frau Ministerin hat das ja auch jetzt in ihrer Rede bestätigt.

Ziel ist es ja, die Qualitätskriterien der „Büchereiförderung Neu“ umzusetzen, auf diese Kriterien ist Kollegin Ablinger heute schon genau eingegangen. Es ist auch das Ziel, die Büchereien auf dem Weg dorthin zu unterstützen. Da wird es noch einer Reihe von Anstrengungen bedürfen, damit wir all diese Qualitätskriterien tatsächlich auch umset­zen können. Ein weiteres Ziel ist es auch, ein flächendeckendes Angebot zu gewähr­leisten.

Büchereien, geschätzte Damen und Herren, sind heute ja viel mehr als nur ein Ort, wo man sich Bücher ausborgt. Büchereien sind Orte des Lernens, der Begegnung, der Kommunikation, der Integration, sie sind Veranstaltungsorte und sie sind auch Treff­punkt. Das Angebot in den Büchereien  das haben wir auch schon gehört  reicht von Büchern, Zeitschriften, E-Büchern über neue Medien bis hin zu Internetplattformen, und so sind sie aus meiner Sicht auch wirklich Orte geworden, wo man sich virtuell Wissen aneignen kann  und sie sind somit neben Orten zur Literaturvermittlung auch wirklich Bildungszentren geworden.

Wir in Amstetten haben auch eine Stadtbücherei, und in dieser Bücherei wird immer wieder auch sehr vielen Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit geboten, in Kon­takt mit Literatur zu treten. Es ist somit auch ein ganz, ganz wichtiger Ort für die Lese­


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entwicklung der Kinder und auch ein wichtiger Bestandteil der Lernfähigkeit von Kin­dern. Diese Lernfähigkeit ist wiederum ein ganz, ganz wichtiger Grundstein in unserer Wissensgesellschaft, um auch im Erwachsenenleben reüssieren zu können.

Ich denke mir, dass es aus diesen Gründen wirklich sehr, sehr wichtig ist, dass viele Menschen Zugang zu Büchereien haben, dass sie einen sehr niederschwelligen Zu­gang haben, einen sehr kostengünstigen Zugang haben. Die Initiative der Frau Bun­desministerin, die auch mit sehr hohen finanziellen Mitteln dotiert worden ist, ist äu­ßerst zu begrüßen, damit die Büchereien einen noch höheren Stellenwert erhalten, als sie ihn ohnehin schon haben, und damit auch die flächendeckende Versorgung ge­währleistet ist. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Aubauer.)

19.02


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Cortolezis-Schlager zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.02.20

Abgeordnete Mag. Katharina Cortolezis-Schlager (ÖVP): Herr Vorsitzender! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich begrüße es sehr, dass der Antrag der Kollegin Fuhrmann, Kolleginnen und Kollegen nun zu einem ge­meinsamen Antrag aller wird. Ich glaube, dies zeigt, dass uns allen bewusst ist, wie wichtig Lesen als Teil der Kultur Österreichs und Europas ist.

Ich bin sehr dankbar, Frau Bundesministerin, dass Sie auch explizit das Zusammen­spiel zwischen den Schulen und den schulischen Bibliothekseinrichtungen und den öf­fentlichen Bibliothekseinrichtungen erwähnt haben, denn Lesen kann nicht früh genug beginnen – aber es soll ein lebensbegleitendes Konzept sein. Wie bedeutsam das ist, sehen wir an der Statistik: Jeder vierte Österreicher, jede vierte Österreicherin liest sta­tistisch gesehen pro Jahr gar kein Buch. Ein weiteres Viertel liest maximal ein bis drei Bücher und erst 50 Prozent lesen dann drei Bücher oder mehr.

Das ist betreffend die Vorbildwirkung für unsere Kinder – da wir PISA und alle anderen Bildungsstudien kennen – ein trauriges Beispiel, und wir müssen daher schauen, wie wir auch die Erwachsenen mehr in ihrer Vorbildwirkung stärken und sie an das Buch heranführen. Dabei haben die öffentlichen Büchereien einen wichtigen Auftrag, und ge­rade dieses Zusammenspiel aus Gemeinde-, aus Landes- und aus Bundeskompetenz wird da besonders sichtbar.

Zwei Punkte sind für die zukünftige Entwicklung über den schulischen Bereich hinaus besonders relevant. Der erste Punkt ist, dass wir diese Bereiche multimedial weiterent­wickeln, denn heute gilt es, alle Medien vernünftig miteinander zu verknüpfen und die Schulen und die öffentlichen Büchereien auch entsprechend auszustatten, damit sie dieses multimediale Angebot auch leisten können.

Der zweite Punkt ist ein inhaltlicher: Ich war dieser Tage im TGM für einen Vortrag zur Donauraumstrategie eingeladen und habe festgestellt, dass der Donauraum für die Schülerinnen und Schüler derzeit nicht sehr attraktiv ist. Was hat das aber zur Folge? – Dass dort, wo künftig die meisten Arbeitsplätze entstehen, derzeit noch das geringste Interesse unserer Jugendlichen liegt. Daher wäre mir sehr daran gelegen, Frau Bun­desministerin, wenn wir es gemeinsam schaffen, die zeitgenössische Literatur gerade unserer Nachbarstaaten in so einem Bibliothekskonzept stärker in den Mittelpunkt zu rücken, um Begeisterung zu wecken, damit der Donauraum, die Schwarzmeerregion künftig auch von unseren Kindern und Jugendlichen als „cool“, als begehrenswert emp­funden wird.

Ich glaube, da haben wir alle miteinander noch eine große Aufgabe vor uns, nämlich diesen Kulturauftrag über die Schulbibliotheken, über den Schulunterricht, aber auch über die gemeinsamen Anstrengungen im lebensbegleitenden Lernen – über die Eltern


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und über Erwachsene – voranzutreiben. Dieses vereinte Europa entsteht in unseren Köpfen, entsteht über zeitgenössische Kunst und Kultur, und da können Bibliotheken einen wichtigen Beitrag leisten. – Vielen Dank für Ihr Engagement, Frau Bundesminis­terin! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jury. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.05.41

Abgeordneter Josef Jury (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Es freut mich sehr, diesen Fünf-Parteien-Antrag, wie wir heute gehört haben, über die Unterstützung unserer Bibliotheken, unserer Büchereien heute mit beschließen zu kön­nen, weil diese Büchereiförderung mit ihrem Masterplan über die Leistungsfähigkeit, über die Zielstandards, über die Analyse und über die langfristige Entwicklung sehr wich­tig ist.

Es freut mich darüber hinaus – und möchte mich dafür ausdrücklich bei der Vorsitzen­den des Kulturausschusses, Frau Ablinger, bedanken –, dass auch mein Antrag, der ja noch aus meiner Zeit beim BZÖ stammt, mit eingeflossen ist und ein gemeinsamer An­trag daraus wurde. (Zwischenruf des Abg. Hagen.) Diese Bibliotheken, als Hort der Bil­dung (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Markowitz), gilt es für die Zukunft zu hegen und zu pflegen, damit Lesen für unsere Zukunft, für die Zukunft unserer Jugend auch wieder „sexy“ wird. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

19.06


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lohfeyer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.07.03

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministe­rin! Die rund 1 500 öffentlichen Büchereien in Österreich sind tatsächlich unverzichtba­re Zentren für Bildung, Weiterbildung, Qualifizierung, Information, sozialen Austausch, Integration und nicht zuletzt für Leseförderung. Sie sind ein wichtiger Bestandteil des Kultur- und Bildungsangebotes und zunehmend auch des Angebotes an neuen Me­dien. Büchereien zählen zu den größten außerschulischen Bildungseinrichtungen.

Mit der 2010 gestarteten „Büchereiförderung Neu“ seitens des BMUKK ist ein sehr wichtiger Schritt für die Weiterentwicklung dieser öffentlichen Büchereien gesetzt wor­den. Das neue Fördermodell wurde ja schon erwähnt, bei dem die Bundesförderung an die Beteiligung von Büchereiträgern und den Bundesländern gebunden ist. Das soll eben dazu beitragen, dass Ziel- und Leistungsstandards besser umgesetzt werden.

Dieses Büchereikonzept in Form eines Masterplanes bedeutet einen wichtigen Impuls für das Erreichen ebendieser Zielsetzungen. Dieses Neuentwicklungskonzept wird zur Leistungssteigerung unserer Bibliotheken führen. Es geht um die Größe, die Öffnungs­zeiten, die personellen Ressourcen, die Qualifikation der MitarbeiterInnen, die Anzahl, aber auch die Qualität der Medienangebote. Strukturen sind zu analysieren, daraus sind neue Strategien und Empfehlungen abzuleiten. Die zukünftigen Maßnahmen sol­len optimiert und besser koordiniert werden, und der BVÖ – der Büchereiverband Ös­terreichs – wird dabei als zentrale Servicestelle fungieren.

Die Fördersumme seitens des Bundes wurde trotz schwieriger finanzieller Zeiten ver­dreifacht und wird für Um- und Ausbau, Nachhaltigkeit, Innovation, Projekte, Bücherei­netzwerke, Veranstaltungen und für die Vermittlung von digitaler Kompetenz bereitge­stellt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 199

Ich finde, dass die öffentlichen Bibliotheken einen möglichst niederschwelligen, kosten­freien, chancengleichen und barrierefreien Zugang zu Wissen und Information, unein­geschränkt für alle, garantieren müssen. Die begonnenen Maßnahmen sind wichtige Schritte in diese Richtung, vor allem in den größeren Städten sehe ich einiges davon vorbildhaft realisiert. Eine große Herausforderung bleiben für mich die ländlichen Re­gionen, auch im Zusammenhang mit Basisbildung, Fort- und Weiterbildung, Nachholen von Bildungsabschlüssen und lebenslangem Lernen.

Mehr Effizienz verspreche ich mir auch durch eine stärkere Vernetzung aller Bildungs­einrichtungen – eben auch mit den öffentlichen Büchereien. Sie sind für Wissens- und Kompetenzaustausch und -transfer noch viel mehr zu nutzen als bisher. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.09


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Höfinger. 3 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


19.10.04

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lesen ist Abenteuer im Kopf. Beim Lesen lässt sich vortrefflich denken. Oder: Sage mir, was du liest, und ich sage dir, wer du bist. – Zitate, die wir kennen und die durchaus ihren Wahrheitsgehalt und natürlich auch ihre Berechtigung haben.

Es gibt viele gute Gründe und Argumente, um das Lesen zu fördern, um Kinder, aber auch Erwachsene zu animieren, zu einem Buch zu greifen, um sich darin zu vertiefen. Die Förderung der Kreativität und der eigenen Persönlichkeit sowie die Steigerung der Fähigkeit, sinnerfassend zu lesen, sind nicht nur wichtige Voraussetzungen, um das allgemeine Bildungsniveau zu heben, sondern vor allem, um dem Einzelnen höhere Chancen einzuräumen, sich in der Gesellschaft zu verankern.

Vor allem im beruflichen Fortkommen merken wir immer öfter, wie groß die Hürde ist, wenn es um qualifiziertes Lesen geht, wie schwierig es ist, das Notwendige und Wich­tige in Kürze herausfiltern zu können. Die Fülle an Informationen, die uns tagtäglich überfrachtet – sei es in Printform oder via Internet, ob fachlich oder Unterhaltung, ob als Nachricht oder Werbung –, ist gewaltig. Der Ungeübte kann da leicht in unwichtigen Nebensächlichkeiten hängen bleiben.

Um Anreize zum Lernen zu schaffen, muss es aber ein professionelles Angebot geben: professionell in der Ausstattung der Büchereien, vielfältig, was das Angebot betrifft  ob im Bund, in den Ländern, in den Schulen, den Institutionen oder aber auch in den Gemeinden. Als Bürgermeister einer Gemeinde mit einer sehr florierenden Bücherei weiß ich auch, wie wichtig das Engagement der Mitarbeiter und die Möglichkeiten, sich weiterzubilden und zu vernetzen, sind.

Ich begrüße und unterstütze daher die zwei Initiativen  die „Büchereiförderung Neu“ und den Masterplan für öffentliche Büchereien , weil ich der Überzeugung bin, dass damit der Zugang und der Anreiz, zum Buch zu greifen, gefördert wird. Weniger Berie­selung ohne aktiv zu sein, sondern mehr Bewegung und Fantasie für den Kopf!, das muss dabei unsere Devise sein.  Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.12


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Becher. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.12.31

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich natürlich auch, dass allen hier im Haus die


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 200

Büchereien zur Wissensvermittlung und Bildungsvermittlung ein wichtiges Anliegen sind und dass wir das heute gemeinsam beschließen können.

Es ist natürlich kein Zufall, dass jenes europäische Land – Finnland –, das bei der PISA-Studie immer Spitzenplätze eingenommen hat, auch im Bereich der öffentlichen Bü­chereien weltmeisterlich ist, denn diese Büchereien stellen eine wesentliche Voraus­setzung für den bildungspolitischen Erfolg in Finnland dar; Kollege Zinggl hat das ja heu­te schon kurz erwähnt.

Büchereien sind dort garantierte, grundlegende Dienstleistungen. Die Menschen in Finnland gehen im Durchschnitt einmal pro Monat in eine öffentliche Bibliothek. Sie lei­hen sich im Monat im Durchschnitt 19 Bücher aus, und die Büchereien verfügen im Durchschnitt über acht Bestandseinheiten je Einwohner. Außerdem gelingt ihnen ei­nes, nämlich auch das gemeinhin als „bildungsfern“ bezeichnete Publikum zu errei­chen. Die moderne Bücherei in Helsinki besuchen pro Tag 4 000 Besucher, davon sind 60 Prozent junge Männer.

Ein Argument, das, glaube ich, heute noch nicht erwähnt worden ist und das mir sehr wichtig ist, ist die soziale Funktion, die Büchereien haben, denn für junge Menschen, Personen mit geringem Einkommen oder Menschen, die ohne Erwerbsarbeit sind, bie­ten öffentliche Büchereien oft die einzige Möglichkeit, an Bücher, neue Medien, an In­formationen und an Wissen zu gelangen. Ich denke, das Ziel sollte sein, Spitzenleis­tungen, wie sie Finnlands Büchereien erbringen, auch in Österreich zu erzielen. – Vie­len Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.14


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesord­nungspunkt gelangt Frau Abgeordnete Mag. Aubauer zu Wort. – Bitte.

 


19.14.46

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Geschätzte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wir alle leben ständig mit SMS und Mail, Informationen mit wenigen Wor­ten, kurz, knapp, wichtig, notwendig. Kann das alles sein? Brauchen wir in einer digi­talen, so schnelllebigen Welt noch Bücher? – Diese Frage ist für mich eindeutig mit Ja zu beantworten. Wir brauchen Bücher mehr denn je.

Warum? – Weil sie unsere Fantasie anregen, weil sie trösten können, weil sie erfreuen, weil sie Erinnerungen wachrufen und weil sie – was besonders wichtig ist – auch un­seren Wortschatz erweitern. Das ist im Lichte von PISA – es wurde ja schon angespro­chen –, von Mails und SMS ein großes und unverzichtbares Plus. Deshalb wollen wir einen Masterplan, der die bundesweite, flächendeckende Versorgung mit Literatur und Information für alle ermöglichen soll.

Öffentliche Büchereien sind nicht nur zeitgemäß, sie werden – und davon bin ich sehr überzeugt – noch an Bedeutung gewinnen. Warum? – Die Gesellschaft wird immer äl­ter, lebenslanges Lernen wird immer wichtiger. Bücher leisten dazu einen unverzicht­baren Beitrag. Auch in digitaler Form sollten Bücher verstärkt angeboten werden. Be­sonderer Vorteil: Es lässt sich die Schriftgröße je nach Bedarf verändern, Bücher sind leichter lesbar für alle. Mehr Möglichkeiten, mehr Chancen – jeder kann dabei sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.16

19.16.15

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 201

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1105 der Beila­gen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 154.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Unterreiner, Jury, Kolleginnen und Kollegen betreffend Integration und Identität im Zusammenhang mit öffentlichen Büchereien.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Kulturausschusses, seinen Bericht 1106 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich gebe bekannt, dass die Abgeordneten Mag. Wid­mann, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuss zur näheren Untersuchung der Verabsäumung rechtlicher Interventionsmöglichkeiten gegenüber veralteten Atomkraftwerken in Grenz­nähe einzusetzen.

Die Durchführung einer Debatte hierüber wurde nicht verlangt.

Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung findet die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

19.18.28 17. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (1072 d.B.): Trilate­rales Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Schweizerischen Eid­genossenschaft über die Zusammenarbeit im Bereich Film (1107 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Hakel. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.19.04

Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Peter Kern, Sabine Derflinger, Franz Novotny, Bar­bara Albert und Jessica Hausner sind nur einige Namen erfolgreicher österreichischer FilmemacherInnen.

Wer, so wie ich, vergangene Woche die Gelegenheit hatte, bei der Diagonale in Graz dabei zu sein, der hat die große Vielfalt an österreichischen Filmen gesehen. Ja, wir können zu Recht auf den österreichischen Film stolz sein. Damit der österreichische Film aber weiterhin erfolgreich bleibt und ja, durchaus, auch noch erfolgreicher wird, braucht der heimische Film verlässliche PartnerInnen. Die massive Erhöhung der Film­förderung vonseiten des Kulturministeriums in den letzten Jahren hat es ermöglicht, dass 2011 insgesamt 8 Millionen € mehr im Jahresbudget zur Verfügung stehen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 202

Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist natürlich auch das jüngst unterschrie­bene trilaterale Abkommen zwischen Österreich, Deutschland und der Schweiz zur In­tensivierung der filmwirtschaftlichen Beziehungen. So wird Gemeinschaftsproduktionen in Zukunft ermöglicht, Beihilfen und sonstige finanzielle Vorteile und Vergünstigungen zu nutzen. Auch die Digitalisierung der Programmkinos ist eine große Chance, denn gerade Programmkinos sind die Bühne für den österreichischen Film. (Beifall bei der SPÖ.)

Da ich gerade von verlässlichen Partnern und Partnerinnen spreche: Auch die Pro­grammkinos werden Unterstützung brauchen, wenn es darum geht, die Kosten der Di­gitalisierung zu begleichen. Schön, dass Kulturministerin Claudia Schmied bereits eine Unterstützung mit einen Kofinanzierungsmodell zugesagt hat. Ein Partner, der sicher auch gefordert ist, sich im Rahmen einer Kostenaufteilung zu beteiligen, ist der Wirt­schaftsminister; denn es heißt nicht umsonst die Filmwirtschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

19.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Fuhr­mann. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.21.15

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Frau Kollegin, schön, dass Sie hier über das Rednerpult ausrichten, dass sich der Herr Wirtschaftsminister an der Digitalisie­rung der Programmkinos beteiligen soll. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dazu darf ich er­wähnen, dass es der Wirtschaftsminister ist und war, der zusätzlich zu seinem Budget 20 Millionen € verfügbar gemacht hat, um gerade für die Filmwirtschaft, für die Wert­schöpfung in der Filmwirtschaft etwas zu tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Filmproduktionen bringen nämlich auch Touristen und Arbeitskräfte ins Land und stei­gern die Wertschöpfung. Hier ist ein Wertschöpfungsfaktor von 1:6 gegeben. In den nächsten zwei Jahren wird sich herausstellen, wie wir das in Österreich verwirklichen können. Er hat jedenfalls 20 Millionen € zur Verfügung gestellt, und ich finde, das ist ihm hoch anzuerkennen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten: Der Ministerin ist es ebenso hoch anzuerkennen, dass sie jetzt in der Öf­fentlichkeit zwei Dinge klargestellt hat. In Anbetracht der „Diagonale“ und der folgenden Interviews könnte man nämlich der Meinung sein, der Filmstandort sei ausgehungert. – Das ist natürlich nicht der Fall. Die Ministerin war es, die das Budget des ÖFI erstens aufgestockt hat, was in Zeiten wie diesen nicht selbstverständlich ist. Sie hat aber auch angekündigt, dass natürlich die kleine Filmförderung in der Höhe von 2 Millionen € erhalten bleibt, nicht gestrichen wird, denn auch das hat in den letzten Wochen für gro­ße Unsicherheit gesorgt.

Ich finde, diese Politik sollte gerade angesichts ihrer Erfolge mit vereinten Kräften fort­gesetzt werden. Die Filmwirtschaft weiß das Engagement aller Beteiligten zu schätzen. Frau Ministerin, wir werden Sie dabei unterstützen, die 20 Millionen €, die im Regie­rungsprogramm für österreichische Filmproduktionen, für den österreichischen Film verankert sind, auch zu verwirklichen. Und wenn wir das am Ende des Tages geschafft haben, dann können wir, glaube ich, sehr zufrieden sein! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.23


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Unter­reiner. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.23.31

Abgeordnete Mag. Heidemarie Unterreiner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das bestehen­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 203

de filmwirtschaftliche Abkommen mit Deutschland und der Schweiz zu aktualisieren, ist zu begrüßen. Die Förderung und die Verbreitung von Kunst und Kultur in unserem ge­meinsamen Kulturkreis ist im Interesse der drei Länder anzustreben.

Der zu erwartende stimulierende Effekt für die österreichische Filmwirtschaft hat diese auch bitter nötig, die Situation des österreichischen Films ist nämlich nach wie vor trist. Darüber sind wir anderer Meinung als meine Vor- und Nachredner: Trotz des Oscar-Gewinnes für „Die Fälscher“ und trotz der Oscar-Nominierung von „Das weiße Band“ – das sind übrigens deutsche Filme, wo wir nur Koproduzenten waren – ist die Situation des österreichischen Films alarmierend!

Für den Kinogeher ist der österreichische Film nach wie vor ein unbekanntes Wesen. Wenn ich jetzt fragen würde, wie all die Filme geheißen haben, die in den letzten Jah­ren Gelder bekommen haben, Sie könnten es uns nicht sagen – weil die Österreicher, wenn sie ins Kino gehen, um die eigenen Filme einen großen Bogen machen!

Seit 2004 bestätigt der Filmwirtschaftsbericht diese Erfolglosigkeit des heimischen Filmmarktes, die Besucherzahlen sind wirklich beschämend. Laut dem aktuellen Film­wirtschaftsbericht 2009 wurden mit einer Förderung in Höhe von 60,4 Millionen € 
27 Filme gefördert – und gerade einmal 672 000 Zuschauer haben den Mut gefunden, sich so einen Film anzuschauen. Damit wird jeder Kinobesucher, wir haben es uns heute ausgerechnet, beim Kauf einer Kinokarte mit fast 90 € subventioniert!

Der „erfolgreichste“ Film war der „Der Knochenmann“, mit gerade einmal 267 000 Ki­nobesuchern. Nur ein Beispiel: Der Film „Das Leben der Anderen“, den die Deut­schen vor ein paar Jahren gemacht haben, hat innerhalb von ein paar Wochen Millio­nen Zuschauer angelockt – nur damit Sie sich vorstellen können, wie traurig das ist. Schlusslicht ist „Rimini“ – kein Mensch hat sich das angeschaut – mit 1 229 Besuchern. Das sind gerade die Premierengäste, die hingehen und ein paar Brötchen essen.

Dieser Zustand wird übrigens auch im Rechnungshofbericht zur österreichischen Film­wirtschaft kritisiert. Dieser präsentiert drastisch die Zahlen und zeigt auch anhand von Zahlen, dass der österreichische Film nach wie vor erfolglos ist. Ich weiß, später wer­den meine Kollegen Muttonen und Salcher kommen und sagen, wie großartig alles ist. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Ich bitte Sie, lesen Sie einmal die Filmwirtschaftsberichte, lesen Sie einmal, was der Rechnungshof sagt! Dann werden Sie mich vielleicht besser verstehen. Wir wollen doch alle dasselbe, nämlich dass der Film erfolgreich ist. Aber auf diese Art und Weise kann das niemals geschehen!

Der Bericht weist auf eine Fülle von Unzulänglichkeiten hin. Eigenartigerweise sind nach wie vor Förderungsberechtigte gleichzeitig als Aufsichtsorgane des Förderungs­vergebers vertreten.

Basierend auf den Empfehlungen des Rechnungshofberichtes bringen wir einen Ent­schließungsantrag betreffend die Situation der Filmförderung in Österreich ein, der aufgrund seiner Länge im Saal verteilt wird und die Kulturministerin sinngemäß dazu auffordert, eine Novellierung der österreichischen Filmförderung vorzunehmen; wobei unter anderem Filmförderungen künftig nur bei einer entsprechenden Eigenkapitalisie­rung von Filmprojekten vorgenommen werden sollen, und der aktuellen Rechnungshof­kritik Rechnung getragen werden soll.

*****

Ich hoffe, dass man die Konsequenzen zieht, damit der österreichische Film Erfolg hat. – Und Erfolg ist daran zu messen, wie viele Menschen sich einen Film anschauen! (Beifall bei der FPÖ.)

19.27



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 204

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben in seinen Grundzügen erläuterte Ent­schließungsantrag wurde ausreichend unterstützt und ob seiner Länge gemäß § 53 Abs. 4 in Verbindung mit § 55 Abs. 3 Geschäftsordnungsgesetz verteilt. Er steht mit in Ver­handlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Heidemarie Unterreiner und anderer Abgeordneter betreffend die Situation der Filmförderung in Österreich, eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 17, Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvor­lage (1072 d.B.): Trilaterales Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Schweize­rischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit im Bereich Film (1107 d.B.), in der 100. Sitzung des Nationalrates, XXIV. GP, am 31. März 2011

Die Situation des österreichischen Films ist trist und trotz des Oskar-Gewinnes für den Film "Die Fälscher" und die Oskar-Nominierung für "Das weiße Band" alarmierend. Für den Kinogeher ist der österreichische Film ein unbekanntes Wesen, der sich seit Jahr­zehnten in der Dauerkrise befindet. Es handelt sich um einen Langzeitkomapatienten, der am Subventionstropf hängt. Seit 2004 gibt nun der Filmwirtschaftsbericht Auskunft über die Entwicklungen am heimischen Filmmarkt. Er ist ein in Zahlen gegossener Be­weis, dass die Filmförderung ineffizient ist. Obwohl der Marktanteil sich auf niedrigem Niveau leicht steigern konnte, bleiben die Zahlen weit hinter dem vergleichbaren Markt­anteil deutscher Filme in Deutschland zurück.

Die Förderungseinrichtungen zahlten 2009 Förderungen in Höhe von rund 60,4 Mill. EUR aus. Die Förderungen stiegen also nochmals um 4,74%. Aus dem jüngsten Filmwirt­schaftsbericht ergibt sich demnach bei lediglich 672591 Besuchern bei rein österreichi­schen Produktionen. Somit wird jede Kinokarte für eine österreichische Produktion mit knapp 90 EUR subventioniert.

Der deutsche Film liegt in Deutschland dagegen bei einem sensationellen Marktanteil von fast 20 Prozent und soll in den nächsten Jahren auf 30 Prozent gesteigert werden. Der Oskar-prämierte Film "Das Leben der Anderen", dessen Produktion lediglich 1,8 Millionen Euro kostete und somit soviel wie ein österreichischer Film, konnte allein in den ersten Monaten nach seinem Erscheinen in der BRD zwei Millionen Kinobe­sucher verzeichnen und spielte in seinem ersten Jahr weltweit insgesamt 70 Millionen US-Dollar ein. (Einspielergebnis in Millionen US-Dollar: D: 19,1, USA: 11,0, F: 10,8, E: 6,2, GB: 5,2, I: 4,5, AUS: 2,3, NL: 2,2)

Der Vergleich mit der Filmförderung in Deutschland zeigt, dass dort jährlich insgesamt 200 Millionen Euro an Förderungen ausgeschüttet werden. Zusätzlich wurde 2007 das deutsche Produktionskostenerstattungsmodell – auch Filmzulage genannt – eingerich­tet, wofür jährlich 60 Millionen Euro aufgewendet werden.

Das deutsche Modell, die sogenannte Filmzulage will insbesondere kleine und mittlere Nachwuchsproduzenten fördern. Jedem Produzenten in Deutschland, der einen Kino­film herstellt, werden zwischen 16 und 20 % der in Deutschland ausgegebenen Pro­duktionskosten erstattet.

Dieses Produktionskostenersatzmodell ist unbürokratisch, transparent und berechen­bar. Diese Zulage wird automatisch, also ohne Jury-Entscheidungen, als Zuschuss, oh­ne Einschaltung teurer Berater und zusätzlich zur bereits bestehenden Förderung ver­geben. Jeder Film, für den eine Zulage beantragt wird, müsse zuvor einen so genann­ten kulturellen Eigenschaftstest bestehen und eine bestimmte Punktzahl erreichen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 205

Das deutsche Modell bewirkt kurzfristige und unmittelbare Barmitteleffekte für die Pro­duzenten. Diese können damit schnell und unbürokratisch ihre Finanzierung abschlie­ßen. Und sie können leichter finanzkräftige internationale Koproduktionspartner gewin­nen. Zugleich wird es leichter, zur Finanzierung von Filmprojekten Privatkapital zu mo­bilisieren.

Auf Österreich umgelegt, ginge es in erster Linie um österreichische Produzenten. Nur sie könnten einen Antrag stellen. Das hieße, dass sich jeder ausländische Produzent einen Koproduktionspartner in Österreich suchen müsste, wenn er von der Produk­tionskostenerstattung profitieren wollte. Dieses Anreizmodell für die Filmproduktion stellt sowohl für den Arbeitsmarkt als auch die Volkswirtschaft einen Hebel dar.

Wirtschaftlicher Erfolg und künstlerische Qualität sind vereinbar. Die Zeiten, in denen sich Produktionsunternehmen mit der Ausrede "sie würden einen "Kunstfilm" produ­zieren und dieser müsse deshalb mit öffentlichen Fördermitteln unterstützt werden", müssen vorbei sein. Heute muss sich jeder Produzent auch an den wirtschaftlichen Realitäten orientieren. Film ist nicht nur Kulturgut, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor und gewährleistet, wenn er erfolgreich ist, auch Rückflüsse.

Es darf in Zukunft nicht mehr möglich sein, dass in Österreich der erfolglose Film, der keinen Zugang zum Publikum findet, gefördert wird. Seit 2004 beweisen Jahr für Jahr die Filmwirtschaftsberichte, dass der österreichische Film kaum ein Publikum findet. Nachdem dieser Bericht eingeführt wurde, um kulturpolitischen Entscheidungen zu die­nen, müssen kulturpolitische Konsequenzen gezogen werden.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten den nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung – insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine Novellierung des Filmförderungsgesetzes unter folgenden Gesichtspunkten vorsieht:

Die Österreichische Filmförderung muss erfolgsorientiert sein.

Das Prinzip des künstlerischen und kommerziellen Erfolges hat zu gelten.

Die Besucherzahlen müssen als Erfolgskriterium eingeführt werden.

Entsprechende Förderungsrückflüsse im Falle außerordentlich kommerziellen Erfolges müssen gewährleistet sein.

Filmstoffe, -drehbücher und Filmprojekt-Konzepte müssen solange überarbeitet wer­den, bis sie erfolgsversprechend sind.

Zumindest ein Vertrag mit einem Filmverleih muss zu Beginn der Produktion vorhan­den sein, um zu gewährleisten, dass der Film auch einem entsprechenden Publikum vorgeführt werden kann

Internationaler Erfolg muss angestrebt werden.

Mindestens zwanzig Prozent Anteil an Eigenmitteln an den Produktionskosten müssen gewährleistet sein.

Der Rechnungshof-Kritik (siehe Reihe BUND 2011/2 "Filmförderung in Österreich") ist in jeder Hinsicht unbedingt Rechnung zu tragen

Förderungseinrichtungen müssen konkrete und messbare Ziele ausweisen gemäß den Förderungsrichtlinien für alle österreichischen Förderungsstellen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 206

Doppelgleisigkeiten, Befangenheit und Interessenkonflikte von Verantwortlichen in För­derungsbeiräten und anderen Gremien, die Förderungen vergeben, muss beendet wer­den, so dürfen beispielsweise Vertreter der Filmbranche als potenzielle Förderungs­nehmer nicht gleichzeitig im jeweiligen Aufsichtsorgan des Fördergebers vertreten sein.

Die Überprüfbarkeit der Endabrechnungen ist zu regeln.

Nur Förderungen gemäß dem Filmförderungsgesetz sind zu gewähren.

Eine gemeinsame Internetseite aller öffentlichen Einrichtungen in Österreich, die öf­fentliche Förderungen vergeben, muss künftig Förderungswerbern die Möglichkeit ge­ben, ohne großen bürokratischen Aufwand online ein Förderungsansuchen zu stellen.

Desweiteren muss im Sinne von Transparenz unter Koordination des Bundes eine öf­fentlich zugängliche Übersicht darüber erstellt werden, welche öffentlichen Körper­schaften (Bund, Länder, Gemeinden, etc.) welche Förderungen an welche Förderungs­nehmer vergeben haben.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.28.12

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Frau Kollegin Unterreiner, also 250 000 Besucherinnen und Besucher sind auch nicht schlecht! (Bei­fall bei Grünen und SPÖ.) Wenn man das auf das Theater oder auf die Oper über­tragen würde (Ruf bei der SPÖ: Bei Wagner!), dann würden Sie anders reden! Da muss man schon ein bisschen aufpassen.

Aber davon unabhängig haben Sie in der Grundintention, in den Grundüberlegungen gar nicht unrecht. Wir haben es im Moment mit der wahrscheinlich erfolgreichsten Pha­se des österreichischen Films zu tun – und mit der umfangreichsten Förderung, wür­de ich sagen. Trotzdem droht genau diese Grundintention, warum überhaupt der Film gefördert wird – nämlich der künstlerische Film, man sagt Arthouse-Film, aber auch der Dokumentarfilm –, ein bisschen an den Rand gedrängt zu werden, und das aufgrund von ganz bestimmten, wieder einmal Wirtschaftslobbyisten, kann ich ruhig sagen.

Dabei ist gerade dieser künstlerische Film von der Langzeitwirkung und von der Repu­tation her derjenige, welcher letztendlich diese Förderungsmaximierung und auch die Reputation für Österreich zustande gebracht hat. Es ist ein bisschen schade. Nicht um­sonst – da haben Sie schon recht, Frau Kollegin – weist der Rechnungshof darauf hin, dass hier mangelnde Transparenz bei der Fördervergabe existiert und dass vor allen Dingen Interessenkonflikte bestehen, die sehr wohl beseitigt gehören.

Wir haben das im Ausschuss besprochen. Und tatsächlich, Frau Ministerin, gleich nach dem Ausschuss waren die Medien da, und das wurde auch bei der „Diagonale“ bespro­chen. Es geht einfach nicht, dass in diesen Beiräten Vertreter von Produktions- und Verleihfirmen sitzen, dass sich also die gleichen Leute gegenseitig die fetten Brötchen zuschieben und Geschäftsinteressen vor künstlerischen Ansprüchen stehen!

Filme wie beispielsweise jene, die meine Vorrednerinnen genannt haben, von Haneke, Seidl, Albert und so weiter, die frühen Filme, würden heute wahrscheinlich gar nicht ge­fördert werden können – eben aufgrund dieser veränderten Struktur bei der Förderung, sowie weil für sogenannte Referenzfilme automatisch Geld für Folgefilme auf die Seite gelegt wird. Und die Jüngeren, der sogenannte Mittelbau, hat dann eben keine Chance mehr.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 207

Frau Ministerin, ich glaube, wir sind uns da einig: Da muss man gegensteuern und das Geld nicht nur für Boulevardfilme, sondern auch für anspruchsvolle Filme reservieren, wobei in letzter Zeit auch diese sehr oft Schiffbruch erleiden. Frau Kollegin Unterreiner, 400 Besucher – das ist ein Beispiel! Ein Anspruch des Boulevards beim Film – das ist definitiv zu wenig!

Im Übrigen gibt es die Wirtschaftsförderung von Mitterlehner tatsächlich für diese Art von Filmen, und das wird man eben in Zukunft hoffentlich besser unterscheiden müs­sen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Ablinger.)

19.31


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Markowitz zu Wort. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.31.11

Abgeordneter Stefan Markowitz (BZÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Dieses trilaterale Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen Öster­reich, Deutschland und der Schweiz wird von uns natürlich unterstützt. Es ist ja schon eine lange, alte Tradition – wenn ich bedenke, dass Deutschland und die Schweiz seit 1984 ein Abkommen haben und Österreich seit den 1990er Jahren dabei ist. Wir finden es wichtig, dass für die Abwicklungen der Koproduktionen et cetera ein gesetz­licher Rahmen getroffen wird.

Frau Unterreiner, wir werden Ihren Entschließungsantrag unterstützen, denn wir fin­den, dass der österreichische Film mehr unterstützt gehört. Dabei geht es mir nicht nur um den Film, sondern auch um die Produktionskosten, die ja immer horrender wer­den. – Ich glaube, das ist das Hauptproblem, das wir zurzeit haben: dass eben die Pro­duktionskosten jährlich dermaßen steigen, dass man das einfach nicht mehr finan­zieren kann und es durch die Einspielung der Kinos eben nicht mehr funktioniert.

Deshalb finden wir, dass man den Hebel bei der Wurzel ansetzen muss, nämlich bei den Kosten. Der Kostenfaktor muss runter, damit wir mehr Filme produzieren können und junge österreichische Schauspieler die Chance haben, einen entsprechenden Ar­beitsplatz zu finden. Denn das ist das Hauptproblem: dass eben auf Arrivierte zurück­gegriffen wird. Und wir finden es eben sehr bedeutsam, dass die Jugend gefördert wird. Das wäre extrem wichtig! – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ.)

19.32


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesminis­terin Dr. Schmied zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.32.40

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! Ich möchte zu sprechen kommen auf den Tagesordnungspunkt, der das trilaterale Filmab­kommen zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz betrifft. Ich habe dieses Filmabkommen in Berlin unterzeichnet. Es ist dies das erste trilaterale Abkommen die­ser Art, und ich darf berichten, dass es von der Branche sehr, sehr positiv aufgenom­men wurde. Es wird als Stärkung des deutschsprachigen Raums wahrgenommen.

Ich habe die Diskussion im Kulturausschuss aufgegriffen. Es gab die Anregung, auch mit Südtirol ein Filmabkommen abzuschließen. Ich darf berichten: Es gibt bereits ein entsprechendes Abkommen mit Italien, mit Südtirol, das allerdings schon einige Jahre zurückliegt. Ich werde anregen, dieses Abkommen zu überarbeiten. Das fällt in die Kompetenz des Wirtschaftsministeriums. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Mag. Unterreiner.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 208

Ich möchte mich bei Frau Abgeordneter Fuhrmann für die Erwähnung und Unterstrei­chung unserer gemeinsamen Bemühungen im Bereich Filmförderung bedanken. Es ist gelungen, beim ÖFI das Budget aufzustocken. Wir haben jetzt einen Stand von 16,6 Millionen €. Faktum ist aber auch, dass wir weit mehr Anträge als Finanzmittel haben. Das heißt, da gibt es einen gewissen Druck. Aufgrund der Budgetsituation kön­nen wir derzeit nicht ausweiten.

Es ist allerdings gelungen – und das war ein wesentlicher Schritt im ORF-Gesetz –, das Film/Fernseh-Abkommen gesetzlich zu fixieren und die Finanzierungshöhe von 5,9 Millionen € auf 8 Millionen € anzuheben. Das war ein wesentlicher Punkt, genauso wie die Förderinitiative Filmstandort Austria. Und ich möchte einmal mehr unterstrei­chen, dass die innovative Filmförderung mit 2 Millionen € in diesem Jahr stabil gehal­ten wird.

Die Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Zinggl aufgreifend möchte ich bestätigen, dass ich die Kritik des Rechnungshofs sehr ernst nehme und jetzt bei der Neubeset­zung des ÖFI-Beirates besonders darauf Rücksicht nehmen werde, dass es nicht zu Interessenkollisionen kommt: Branchenkenntnis ja, aber nicht unmittelbare Involvie­rung. Ich glaube, das ist insgesamt wichtig. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

19.35


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Mutto­nen. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.35.29

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Der österreichische Film hat bei der letzte Woche zu Ende ge­gangenen „Diagonale“ mit rund 500 Einreichungen ein sehr lebhaftes Zeichen von sich gegeben. Das zeigt, wie Sie, Frau Ministerin, schon erwähnt haben, den enormen Reichtum an kreativer Arbeit durch FilmemacherInnen hier in Österreich.

Nicht erst seit den letzten großen Preisen hat man in Österreich die Wichtigkeit des Films als Kulturgut erkannt. Kino, das ist „Haltung zur Welt“, hat die Intendantin der „Dia­gonale“ gesagt. Bezeichnenderweise wurde das Festival mit dem Film „Abendland“, ei­ner assoziativen Reise durch Europa, eröffnet.

Was sich in den letzten Jahren verändert hat, abgesehen von der Haltung zum Kultur­gut Film, und was auch ausbaufähig ist, ist die Sichtweise auf den Film; denn auch das wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Potential muss zunehmend in den Mittel­punkt gerückt werden. Es gibt also vielfältige Gründe, warum der Film beziehungswei­se die Filmwirtschaft gestärkt werden muss.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch dieses trilaterale Abkommen zwischen Öster­reich, Deutschland und der Schweiz zu sehen. Ich glaube, es ist ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung der Filmindustrie, und es soll auch zu einem verbesserten kulturellen und wirtschaftlichen Austausch zwischen den drei Staaten führen. Und es ist letztend­lich ein starkes politisches Statement für die Wichtigkeit des Films insgesamt.

Abschließend, sozusagen als P.S.: Frau Unterreiner, ja, Sie haben recht: Wir sind mit den meisten Forderungen Ihres Antrags nicht einverstanden, daher können wir ihm nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 209

19.37


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Pack. 3 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


19.37.42

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ja, dieser Staatsvertrag, der den Kultur­ausschuss einstimmig verlassen hat, ist ein Instrument für die österreichische Film­wirtschaft zur Absicherung der internationalen Zusammenarbeit – das haben meine Vorredner bereits betont. Neben dem nationalen Filmförderungsgesetz als Grundlage für die Verbesserung der Struktur braucht die Filmwirtschaft aber auch passende Rah­menbedingungen für Gemeinschaftsproduktionen, und natürlich nicht nur für die Pro­duktion, sondern auch für die Verbreiterung in dem jeweiligen Vertragsgebiet.

Alle drei Staaten waren daran interessiert, dieses Abkommen abzuschließen. Dem ist auch Rechnung getragen worden. Die bestehenden Einzelabkommen sind damit außer Kraft gesetzt. Ich glaube, wichtig war auch, dass die Grundlage für das Abkommen, eben das jeweilige nationale Förderungsrecht unberührt blieb, obwohl Gemeinschafts­produktionen den Inlandsproduktionen nun gleichgestellt sind. Was als Gemeinschafts­produktion im Sinne des Abkommens zu sehen ist, wird von einer nationalen Behörde anhand von aufgelisteten Kriterien festgestellt. Ein Verständigungsverfahren stellt die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen der Vertragsparteien sicher.

Meine Damen und Herren, ein paar Kolleginnen und Kollegen vor mir haben es schon angesprochen: Der Bereich der Filmwirtschaft in Österreich ist einer, der gut zu pflegen ist uns sich durchwegs – da sind wir nicht ganz einer Meinung, man denke nur an den Antrag der FPÖ – positiv entwickelt. Wir haben immerhin – das geht aus dem Filmbe­richt hervor – einen Gesamtumsatz von 690 Millionen €, wobei sich aber 49 Prozent auf die Produktion und 10 Prozent auf den Verleih belaufen.

Besucherzahlen muss man immer auch an Marktanteilen messen. Der österreichische Film hat in Österreich einen Marktanteil von 7,7 Prozent. Das ist im Vergleich zum Auf­wand, den andere internationale Filme in Österreich betreiben, sehr, sehr gut. Dieser Aufwand ist durchaus vergleichbar mit jenem Deutschlands. Innerhalb des europäi­schen Films hat der österreichische Film, wenn man es vergleicht, sogar 33,5 Prozent Anteil.

Das sind durchweg sehr erfolgreiche Marktanteilszahlen und ein gutes Zeugnis für den österreichischen Film. Besonders erfreulich ist auch – und das muss man sagen –, dass der österreichische Film in der Auslandsverwertung mit mehr als fünf Millionen Besuchern sein Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr sogar fast verzweieinhalbfacht hat. Das sind schon erfreuliche Zahlen, und dieses Abkommen trägt den Standort der ös­terreichischen Filmwirtschaft einen Schritt weiter. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.40


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Neubauer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.41.04

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Wir haben heute Morgen einen Entschließungsantrag vorgelegt, der die Filmschaffenden in Südtirol unterstützen möge. Wir haben vor einigen Minuten von der Frau Bundesminister gehört, dass es mit Italien ein Abkommen geben soll, das älterer Natur sein und in eventu die Deutschen und Ladiner in Südtirol in ihrer film­schaffenden Tätigkeit einbinden soll. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil wir erst vor wenigen Minuten erfahren haben, dass es so etwas gibt und trotzdem der Meinung sind, dass das österreichische Parlament seinen Willen zum Ausdruck bringen sollte, auch in diesem Bereich unterstützend tätig zu werden, haben wir diesen Antrag eingebracht.

Die unterzeichnenden Abgeordneten bringen folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 210

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Werner Neubauer und weiterer Abgeordneter betreffend die Förde­rung von deutschsprachigen Filmproduktionen aus Südtirol

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, alle notwendi­gen Maßnahmen zu ergreifen, um deutschsprachigen Filmproduktionen und -projekten aus Südtirol die bestmögliche Förderung seitens der Republik Österreich zukommen zu lassen.“

*****

Dies geschieht auch unter dem Eindruck dessen, dass in den letzten Jahren der Film in Südtirol hervorragende Produkte hervorgebracht hat. Ich erwähne nur den erst vor we­nigen Monaten im Kino gezeigten Film „Bergblut“, der europaweit großes Aufsehen er­regt und große Anerkennung gefunden hat. Ich ersuche deshalb um Unterstützung un­seres Antrages. (Beifall bei der FPÖ.)

19.43


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Werner Neubauer und weiterer Abgeordneter betreffend die Förde­rung von deutschsprachigen Filmproduktion aus Südtirol

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 17, Bericht des Kul­turausschusses über die Regierungsvorlage (1072 d.B.): Trilaterales Abkommen zwi­schen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zu­sammenarbeit im Bereich Film (1107 d.B.), in der 100. Sitzung des Nationalrates, XXIV. GP, am 31. März 2011.

Mit dem Abschluss des trilateralen Abkommens zwischen der Regierung der Bundes­republik Deutschland, der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit im Bereich Film wird ein wichtiger Schritt für verbesserte Koordination im deutschen Sprachraum von Förde­rung von Gemeinschaftsproduktionen gesetzt und stellt daher auch einer Förderung des deutsch-sprachigen Films als solches dar.

Da aber deutschsprachige Produktion nicht nur in der Schweiz, Österreich und Deutschland eine Rolle spielen, sondern auch in Südtirol, wäre es wünschenswert, wenn man seitens der Republik Österreich auch Anstrengungen unternimmt, um Süd­tiroler Filmschaffenden im Sinne von Gemeinschaftsproduktionen unter die Arme zu greifen. Gerade der Umstand, dass es eine Reihe von erfolgreichen neuen Südtiroler Produktionen gibt, bekräftigt ein solches Anliegen, könnte man doch einen ohnehin schon dynamischen Bereich weiter fördern.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichnenden Abgeordneten den nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 211

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, alle notwen­digen Maßnahmen zu ergreifen, um deutschsprachigen Filmproduktionen und ‑projek­ten aus Südtirol die bestmögliche Förderung seitens der Republik Österreich zukom­men zu lassen.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sacher. 2 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


19.43.17

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich darf namens der sozialdemokratischen Fraktion zu dem nunmehr eingebrachten Antrag des Herrn Kollegen Neubauer sagen, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen werden, weil wir nicht mehr zuzustimmen brauchen, weil es bereits seit 1968 ein Abkommen mit Italien über die Förderung und Kooperation beim Filmschaffen gibt. (Abg. Neubauer: Es geht um den Südtiroler Film!) Dass man über dieses Abkommen reden kann, wurde auch schon im Ausschuss gesagt. Aller­dings ist in dem Antrag auch ein gravierender Fehler, es ist die falsche Ansprechper­son. Die Zuständigkeit liegt in diesem Fall beim Wirtschaftsminister (Abg. Neubauer: Was ja grotesk genug ist!), und daher ist dieser Antrag an die falsche Person gerichtet.

Frau Kollegin Unterreiner, Sie haben mich zuvor angesprochen. Bei Ihrem respekta­blen Bemühen um die Kultur und das Filmschaffen überzeichnen Sie aber. Liebe Frau Kollegin! Die Situation ist nicht trist, wie Sie sagen, sondern das österreichische Film­schaffen ist bei Frau Bundesministerin Schmied gut dran. Es ist in ihrer Amtszeit für den Film wesentlich mehr getan worden. Ich könnte Ihnen jetzt Zahlen nennen: Zum Beispiel stehen 2011 um 8 Millionen mehr für die Filmförderung zur Verfügung als bei Amtstritt 2006, die Förderung des Österreichischen Filminstituts ist von 9,6 auf 16,5 Millionen mit dem Ziel 20 Millionen gesteigert worden, und durch das Film- und Fernsehabkommen ist es zu einer Erhöhung von 5,9 auf 8 Millionen gekommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der österreichische Film ist wirklich gut aufgehoben. Frau Kollegin! Sie haben in meinen Namen das „l“ zu „Salcher“ hineingeschwindelt. Schwindeln Sie bitte auch bei der Qualität das „l“ hinein und denken Sie bei der Kunst nicht immer nur an die Quantität! (Beifall bei der SPÖ.)

19.45


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesordnungs­punkt ist Herr Abgeordneter Windholz. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.45.42

Abgeordneter Ernest Windholz (BZÖ): Geschätzte Frau Bundesminister! Herr Präsi­dent! Hohes Haus! Der österreichische Film hat sich mehr verdient – insbesondere an Menschen, die sich diese Filme tatsächlich ansehen. Frau Unterreiner hat auf den Punkt gebracht, wie viel gefördert wird und wie viele Filme sehen. Man sollte sich, wie mein Kollege Markowitz gesagt hat, auch Gedanken darüber machen, den Film güns­tiger zu machen, solche Dinge auszuloten und vor allem mehr Menschen dafür zu be­geistern.

Ich habe in meiner Funktion als Bürgermeister der Marktgemeinde Bad Deutsch-Alten­burg im Rahmen der Landesausstellung dafür gesorgt, dass ich zwischen Mai und Au­gust wöchentlich einen österreichischen Film in unserer Marktgemeinde präsentieren werde. Das läuft auch über ein Förderprogramm. Danke schön an all jene, die das unterstützen! Das sind gescheite Aktivitäten, um den österreichischen Film populärer zu machen. (Beifall beim BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 212

Ich habe mich im letzten Jahr in Kooperation mit der Universität Regensburg auch mit experimenteller Archäologie beschäftigt, im Rahmen der Ausbildung von 20 Studenten zu Gladiatoren mit sensationellem Medienecho. Es ist auch die Frage, wie weit man sich in diesem Bereich dazu entschließt, das populärer zu machen. Ich glaube, da gibt es extrem starkes Interesse. Wir hatten 15 internationale Filmteams bei uns, bis hin zum russischen Staatsfernsehen – mittlerweile gibt es gesicherte Daten, und über 250 Millionen Menschen weltweit haben es gesehen. Das ist eine tolle Werbung für Carnuntum und die ganze Region und somit für das Bundesland Niederösterreich. Das sind alles Dinge, die man sich ernsthaft ansehen sollte. Alles, das das stärkt, kommt unserem Bundesland zugute.

Man sollte auch den Antrag nicht vergessen, den Kollege Neubauer eingebracht hat. Er findet unsere volle Unterstützung. Kollege Sacher sagte, dass es schon seit Jahr­zehnten ein Abkommen gibt. Wenn es nicht wirkt, dann nützt das beste Abkommen nichts. Daher gilt es, dort mehr zu tun. Ich glaube, Südtirol hat sich vollstens verdient, dass es diese Unterstützung gibt. Wenn sich die Ministerien nicht einig sind und es keine Grundlage gibt, macht niemand etwas. Schaffen wir eine Grundlage, dann sind beide gefordert! – Danke schön. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

19.47

19.47.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Kulturausschusses, den Ab­schluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 1072 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Situation der Film­förderung in Österreich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung von deutsch­sprachigen Filmproduktionen aus Südtirol.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

19.49.1018. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1071 d.B.): Proto­koll zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Abänderung des am 24. August 2000 in Berlin unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen (1117 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1064 d.B.): Abkom­men zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina zur Ver­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 213

meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1118 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 18 und 19 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich mache schon jetzt darauf aufmerksam, dass in wenigen Minuten bereits wieder ei­ne Abstimmung sein wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erstredner ist Herr Abgeordneter Gradauer zu Wort gemeldet. 3 Minuten Rede­zeit. – Bitte.

 


19.50.13

Abgeordneter Alois Gradauer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Linie der Freiheitlichen in Bezug auf die Doppel­besteuerungsabkommen ist ja hinlänglich bekannt. Kollege Lutz Weinzinger hat es ja immer wieder begründet. Uns geht es in diesem Zusammenhang um die Erhaltung des Bankgeheimnisses.

Die FPÖ steht natürlich zu den Doppelbesteuerungsabkommen, wie sie 2000 verein­bart wurden. Diese Abkommen haben über elf Jahre lang gehalten und es hat keine Probleme damit gegeben. Die OECD hat jetzt neue Richtlinien erlassen und ergänzt die bisherigen Doppelbesteuerungsabkommen, weil man unter dem Titel Terrorbe­kämpfung sogenannte Steueroasen beseitigen will und auch in Österreich solche ver­mutet – nicht jedoch auf den Jersey-Inseln, den Cayman Islands und sonstigen Steuer­oasen.

Man hat uns mit einer schwarzen Liste gedroht, wenn wir diese Grundsätze nicht über­nehmen, gewaltigen Druck auf Österreich ausgeübt und erreicht, dass das Bankge­heimnis in Österreich zumindest für Ausländer aufgehoben wurde. Wir glauben, dass eine Riesengefahr besteht, dass das Bankgeheimnis auch für Inländer aufgehoben wird. Deshalb stimmen wir gegen diese Doppelbesteuerungsabkommen, die ja nur ei­ne Ergänzung sind. Das Bankgeheimnis muss als Grundrecht der Österreicher erhal­ten bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

19.52


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Fürntrath-Moretti. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.52.09

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Herr Präsident! Die Vermei­dung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen wird zwischen Österreich und Deutschland zurzeit durch ein Abkommen aus dem Jahr 2000 geregelt. Mein Vorredner hat das bereits angesprochen. Er hat auch angesprochen, dass die OECD neue Grundrechte entwickelt hat, und das Abkommen sich dadurch als revisionsbedürftig erwiesen hat. Durch die Änderung wird das Doppel­besteuerungsabkommen zwischen Österreich und Deutschland an diesen OECD-Stan­dard herangeführt. Herr Kollege Gradauer, wir vermeiden damit auch die Aufnahme in die schwarze Liste.

Geregelt wird der Informationsaustausch, was die Durchführung dieses Abkommens beziehungsweise die Verwaltung und Vollstreckung anlangt. Wesentlich ist für mich, dass Informationen der Geheimhaltung unterliegen und nur Personen und Behörden zugänglich gemacht werden dürfen, die direkt damit befasst sind, wie Verwaltungsbe­hörden und Gerichte. Informationen dürfen nur in bestimmten Fällen weitergegeben


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 214

werden – wenn Gefahr in Verzug ist, beispielsweise bei Bedrohung des Lebens oder der Freiheit einer Person. Für die Unternehmen ist keine Informationspflicht vorge­sehen. Anmerken möchte ich dabei, dass Österreich bei deutschen Exporten auf dem sechsten Platz und bei den Importen bereits auf dem achten Platz liegt. Die Wirt­schaftsbeziehungen sind sehr, sehr positiv, und sowohl Export als auch Import haben zweistellige Zuwächse.

Mit Bosnien und Herzegowina gibt es zurzeit noch kein Doppelbesteuerungsabkom­men. Die Beziehungen zwischen Österreich und Bosnien-Herzegowina sind äußerst eng und besonders freundschaftlich. Gegenüber Österreich herrscht ein geradezu po­sitives Vorurteil. Diese positive Einstellung ist auch historisch gewachsen, beispielswei­se durch die österreichische Verwaltung von 1878 bis 1918 oder die Flüchtlings-
hilfe während des Bosnienkrieges. Vergessen wir nicht, dass Österreich mehr als 90 000 Flüchtlinge aus Bosnien aufgenommen hat und viele dieser Flüchtlinge auch heute noch in Österreich sind, österreichische Staatsbürger geworden sind.

Vor allem auch die hohe österreichische Präsenz in Bosnien und Herzegowina fördert das hohe Ansehen und Profil unseres Landes zusätzlich – beispielsweise der Hohe Repräsentant für Bosnien, Dr. Inzko, oder EUFOR-Kommandant Generalmajor Mag. Bair. Weiters ist Österreich der wichtigste Investor in Bosnien und Herzegowina und der sechstwichtigste Handelspartner. Für uns Österreicher gibt es gerade in Bosnien und Herzegowina noch unausgeschöpfte Potentiale – vor allem im wirtschaftlichen Bereich, auf dem Energiesektor, bei der Infrastruktur und im Tourismus.

Dieses Abkommen entspricht dem OECD-Standard. Herr Abgeordneter Gradauer! Ich verstehe nicht, warum Sie nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.55


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.55.11

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir werden auch in diesem Fall dem Doppelbe­steuerungsabkommen nicht zustimmen, weil wir das in der Vergangenheit schon so gehalten haben. Wir wollen damit daran erinnern, dass die ÖVP das Minderheitsrecht für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses immer noch nicht umgesetzt hat, das damals in der Vereinbarung im Zusammenhang mit der Rechtshilfe gestanden ist. Deshalb wird es auch in diesem Fall von uns keine Zustimmung geben. – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ.)

19.55


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Rudas. 1 Minute Redezeit. – Bitte.

 


19.55.53

Abgeordnete Mag. Laura Rudas (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Lugar! Ich glaube, niemand draußen versteht diese unpolitische Haltung.

Zur FPÖ ist nur zu sagen, dass eine Nichtanpassung Österreich in Gefahr versetzen würde – was der FPÖ egal ist, weil ihr ja keine Verantwortung innehabt und deswegen zum politischen Grundprinzip gemacht habt, zu allem Nein zu sagen. (Abg. Gradauer: Wir haben zum Bankgeheimnis Ja gesagt!)

Ich glaube, dass man das immer wieder vor den Vorhang stellen muss, um den Men­schen zu zeigen, dass ihr nicht in verantwortungsvolle Positionen gehört. – Danke viel­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 215

mals. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gradauer: Das Bankgeheimnis! – Ruf bei der FPÖ: Einmal tief Luft holen, bitte! Es geht um das Bankgeheimnis!)

19.56


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster und vorläufig letzter Redner zu diesem Ta­gesordnungspunkt ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.56.41

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die steuerlichen Beziehungen zwischen Österreich und Bosnien-Herzegowina sind aktuell durch kein Abkommen geschützt. Mit der gegenständlichen Vorlage soll dies nunmehr geändert werden. Zwischen Österreich und Bosnien-Herze­gowina haben sich in den letzten Jahren erfolgreiche enge Beziehungen entwickelt, vor allem wirtschaftliche Beziehungen. Mit einem Volumen von 1,7 Milliarden € ist Öster­reich der größte ausländische Investor. Knapp 200 Unternehmen haben in den letzten 15 Jahren mehr als 26 Prozent aller Investitionen getätigt.

Das Abkommen regelt den Personenkreis und die betroffenen Steuern und Abgaben. In Fällen, für die keine Regelungen vorliegen, liegt das Besteuerungsrecht beim Wohn­sitzstaat. Auch ist ein Informationsaustausch in den Bereichen Transparenz, Amtshilfe­bereitschaft und Bankeninformation vorgesehen. Laut Erhebungen der Wirtschaftskam­mer Österreich ist die österreichische Wirtschaft auch in Zukunft zu Investitionen bereit. Allerdings werden diese oft durch landesspezifische Eigenheiten erschwert – Stichwort Gesetzgebung, Korruption, Instabilität der Wirtschaft und der Politik, Infrastruktur und Ähnliches mehr.

Vorliegendes Abkommen wird zweifellos helfen, den betroffenen Unternehmen das Le­ben und vor allem die Investitionen zu erleichtern. Gleichzeitig wird damit aber auch die Attraktivität Österreichs für Investitionen ausländischer Unternehmen erhöht. Das sind wichtige Abkommen, die wir gerne unterstützen wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.58

19.58.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schlie­ße daher die Debatte.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Protokoll zwischen der Republik Ös­terreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Abänderung des am 24. August 2000 in Berlin unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, in 1071 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll, in 1064 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Geneh­migung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Auch das ist mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 216

20.00.01 20. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1045 d.B.): Bundes­gesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2010) (1119 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gradauer. 3 Minuten Rede­zeit. – Bitte.

 


20.00.29

Abgeordneter Alois Gradauer (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es gibt eine Wer­besendung von Niki Lauda, die aussagt: Wir haben ja nichts zu verschenken. – Ich sa­ge dazu: Verschenken kann man nur, wenn man auch etwas zu verschenken hat.

Wenn Sie sich heute die Titelseite des „Kurier“ anschauen, können Sie nachlesen, wie es mit den Staatsfinanzen Österreichs ausschaut. (Der Redner zeigt eine Ausgabe des „Kurier“. – Abg. Riepl: Morgiger „Kurier“! Morgiger „Kurier“! – Abg. Krainer: Das ist der morgige, muss man dazusagen!) Nach der Berechnung durch Eurostat, Herr Profes­sor, haben die Österreicher – der Bund – in Summe 205 Milliarden € Schulden. Das Defizit stieg um 9,5 Milliarden €, und wir liegen hiemit bei 4,6 Prozent des BIP. Wir ha­ben damit das höchste Defizit seit 15 Jahren, Herr Krainer. (Abg. Krainer: Ja, ja, ich kann lesen!) Das höchste Defizit! Und Sie wollen etwas verschenken.

Die vorgesehene Kapitalaufstockung für die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit im Bereich internationale Transaktionen beträgt immerhin 81 Millionen €. Sie werden sagen, das ist nicht viel, 81 Millionen €. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Ich darf einen Ver­gleich anstellen: Im Sparpaket, das ÖVP und SPÖ beschlossen haben, wurde bei den Pensionisten um 83 Millionen € gekürzt, da es beim ersten Pensionsjahr diese Warte­zeit gibt.

Also: Die Pensionisten – 83 Millionen €, das ist jener Betrag, den Sie jetzt für diese in­ternationale Entwicklungszusammenarbeit auslegen wollen. (Abg. Krainer: Auf sieben Jahre! Auf sieben Jahre!) – Das ist egal. Sie belasten damit ja die anderen, nachfol­genden Regierungen, die Sie hoffentlich nicht mehr vertreten können. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer: Bis 2018! Bis 2048 ist es noch mehr! Wieso kritisieren Sie nicht gleich, dass bis 2048 ...?)

Herr Krainer, diese 81 Millionen müssen auf dem Kreditmarkt aufgenommen werden – das wissen Sie genau –, denn mit Schulden kann man nichts bezahlen. Und ich frage mich da wirklich: Wann kommt es endlich einmal zu einem Umdenken, was die Ent­wicklungszusammenarbeit – in Summe – betrifft? In Summe, denn der österreichische Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit beträgt bereits 1,2 Milliarden € pro Jahr, mei­ne Damen und Herren – 1,2 Milliarden €, die wir nicht haben, die wir über Schulden aufnehmen müssen.

Im Bereich der Grünen gibt es Forderungen, diesen Betrag auf 0,7 Prozent des BIP aufzustocken. (Abg. Mag. Schwentner: Wenn Sie sich auskennen würden ...!) Das heißt, Sie wollen fast 2 Milliarden € für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben, die Sie nicht haben. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ja das Problem!) Das Schlimme daran ist, dass diese Gelder, die von der Entwicklungszusammenarbeit eingehoben werden, bei den armen Menschen nicht ankommen.

Ich empfehle Ihnen, die heutige „Presse“ zu lesen. Da steht unter anderem: „In jenen 48 Ländern“ – die arm waren – „lag das Pro-Kopf-Einkommen 2008 bei 15 Prozent des Durchschnitts der übrigen Länder der Welt. 1971 waren es noch 18 Prozent. Mit ande­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 217

ren Worten: Die Schere zwischen Arm und Reich ist größer geworden“ – trotz Abermil­liarden, die wir für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben. Wo soll das hinführen?

Ich sage: Man muss da dringend umdenken. Das System Entwicklungszusammenar­beit ist aus meiner Sicht gescheitert. (Beifall bei der FPÖ.)

Es kommt noch etwas dazu: Es gibt in Österreich eine Million Menschen, die an der Ar­mutsgrenze leben. (Abg. Krainer: Sind Sie der entwicklungspolitische Sprecher? – Abg. Mag. Schwentner: Nein, eben nicht! – Zwischenruf bei der FPÖ.) Und ich sage Ihnen, Herr Krainer – Herr Professor Krainer, Entschuldigung –: Österreich zuerst! Das ist unsere Devise. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.04


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Bartenstein. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.04.59

Abgeordneter Dr. Martin Bartenstein (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär Lo­patka! Hohes Haus! Es geht nicht um das Verschenken von Geldern, sondern es geht um das Geben an Länder – jedenfalls indirekt –, die sie tatsächlich brauchen, wenn sie in Sachen Armutsbekämpfung, in Sachen Bewältigung des Klimawandels, aber auch in Sachen Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise vorankommen wollen.

Es mag auch ein Ziel der Grünen sein, aber es ist ein europäisches Ziel, die Entwick­lungszusammenarbeit – es wird nicht einfach sein, das zu erreichen – per 2015 auf 0,7 Prozent des BIP zu heben. Herr Kollege Gradauer, das ist ein überschaubarer Be­trag. Geld ist Geld, aber wie Kollege Krainer schon erfolgreich und richtig zwischenge­rufen hat: Sechs, sieben, acht Jahre sind es, auf die diese 80 Millionen € aufzuteilen sind. (Ruf bei der FPÖ: Das ist eh genug!)

Es ist eine Frage der internationalen Solidarität – keine Angst, ich weiß schon, wo ich politisch hingehöre, aber trotzdem sei das hier so formuliert –, und es sind Finanzinsti­tutionen, die völlig außer Streit stehen: die Weltbank, die EBRD, die African Develop­ment Bank, die Interamerikanische Entwicklungsbank – also bewährte Institutionen, die wir über verschiedene Techniken und Mechanismen unterstützen – wichtig, unverzicht­bar und in Wirklichkeit ein Schritt, dem noch weitere folgen müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.06


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.06.35

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Erst einmal kurz zu Frau Kollegin Rudas. Sie haben ja hier bekrittelt, dass wir diesen Aktionismus machen, um Sie daran zu erinnern, dass auch Ihre Fraktion uns damals, als es um das Bankgeheimnis gegangen ist, zugesagt hat, dass wir ein Min­derheitsrecht auf Untersuchungsausschüsse hier im Parlament bekommen. Das haben Sie uns damals zugesagt und sich natürlich nicht daran gehalten.

Dieser Aktionismus soll Sie wieder einmal daran erinnern, dass man sich gefälligst an Abmachungen zu halten hat. Wenn das nicht der Fall ist, dann werden Sie das nächste Mal, wenn Sie eine Zweidrittelmehrheit brauchen, bei uns gar nicht anklopfen müssen, weil wir garantiert keine Zweidrittelmehrheit geben werden. (Beifall beim BZÖ.)

Nicht nur, dass Sie es zugesagt haben, Herr Cap ist sogar damit wahlkämpfen gegan­gen (Abg. Krainer: Klubobmann heißt das!), dass ein Minderheitsrecht für Untersu­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 218

chungsausschüsse kommen soll. Speziell, als ihr noch in Opposition wart, war das ja auch ein heißes Thema. Also, wie gesagt, als Erinnerung unser kleiner Aktionismus.

Jetzt zum gegenständlichen Punkt: Wir sind auch gegen die Aufstockung bei diesen in­ternationalen Entwicklungsbanken, und zwar deshalb, weil das Geld fehlt. Aber das ist nicht der Hauptgrund. Der Hauptgrund ist, dass wir keinen Einfluss darauf haben, wo diese Gelder hinfließen. Deshalb wollen wir die gleiche Summe in direkte Projekte in­vestieren, bei denen wir schauen können, dass österreichische Firmen zum Zuge kom­men, und wir auch dementsprechend kontrollieren können, wo die Projekte gemacht werden, ob sie sinnvoll sind und das Geld nicht irgendwie nutzlos versickert. (Beifall beim BZÖ.)

Deshalb sagen wir: Genug gezahlt für diese internationalen Entwicklungsbanken. Wir wollen das Geld dort haben, wo wir auch kontrollieren können, wo es hingeht. (Beifall beim BZÖ.)

20.08


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schick­hofer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.08.43

Abgeordneter Mag. Michael Schickhofer (SPÖ): In Anbetracht der Auswirkungen der Wirtschaftskrise, die gerade die ärmsten Länder dieser Welt betrifft, und der Umweltka­tastrophen, der Klimaveränderungen (Zwischenruf beim BZÖ), an denen wir als entwi­ckelte Staaten nicht ganz unschuldig sind, sollte es für Österreich, glaube ich, eine Selbstverständlichkeit sein, wie viele andere Staaten auf dieser Welt, denen es relativ gut geht (Zwischenruf bei der FPÖ), mitzuziehen, wenn es Kapitalerhöhungen gibt, un­seren Beitrag an die internationalen Finanzinstitutionen im Sinne der Ärmsten der Ar­men auf dieser Welt zu leisten. (Neuerlicher Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ich glaube, das muss eine Selbstverständlichkeit sein und sollte eigentlich keine De­batte mehr notwendig machen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Schwent­ner. – Zwischenrufe beim BZÖ.)

Österreich bekennt sich absolut zur Neutralität. Das heißt, wir brauchen uns jetzt bei diesen Kriegseinsätzen und Konflikten weltweit nicht zu beteiligen. Aber ich glaube, umso wichtiger ist es, dass wir uns für Frieden in der Welt, für friedensichernde Maß­nahmen einsetzen. Ein ganz wichtiges Element davon ist eben auch die internationale Entwicklungszusammenarbeit. Das sind ganz wichtige Institutionen, und ich glaube, es lohnt sich, einen Beitrag zu leisten.

Ich bin da durchaus auf der Seite dessen, was – ich weiß nicht, wer – die FPÖ oder das BZÖ im Jahr 2005 im Europäischen Rat mitbeschlossen hat. Da wart ihr ja auch in der Regierung. 2005 hat man sich das Ziel gesetzt – und das war ja richtig –, 0,7 Pro­zent des Bruttonationaleinkommens für diese Zusammenarbeit einzusetzen. (Ruf bei der FPÖ: Wenn wir es hätten! Wenn wir es hätten, könnten wir darüber reden!)

Momentan setzen wir – damit wir realistisch bleiben, und da müssen wir uns alle noch ordentlich anstrengen – gerade einmal 0,32 Prozent ein. Natürlich stehe ich absolut – und da können Sie bei meinen Debattenbeiträgen versichert sein – für Sparen, für Ef­fizienz, für Verwaltungsreform, aber bei den Ärmsten der Armen den Sparstift anzuset­zen, wäre absolut falsch. (Rufe bei der FPÖ: Widerspruch! Unser Geld für unsere Leut’! Pflegebedürftigen ...!)

In Anbetracht der heutigen Debatte möchte ich aber noch einen abschließenden Appell abgeben, dass auch wir unsere Zusammenarbeit im Miteinander weiterentwickeln und auf Basis von Würde und Respekt zusammenarbeiten. Das sollten wir auch den ande­ren Ländern in der Welt entgegenbringen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.11



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 219

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Mag. Schwentner. 3 Minuten Redezeit. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matz­netter.)

 


20.11.25

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Ich finde das schon sehr bemerkenswert: Da hinten sitzt nämlich der entwicklungspolitische Sprecher, der auch gerade mit uns anderen entwicklungspolitischen Sprecherinnen und Sprechern in Burkina Faso war und sich ein Bild davon machen konnte, was Entwicklungszusam­menarbeit ist. Und dann spricht hier ein Kollege (Abg. Gradauer: Gradauer!) – Grad­auer, das ist mir schon klar –, der offensichtlich nur wenig Ahnung von dieser Materie hat, sonst wüsste er, dass diese Forderungen keine Forderungen der Grünen sind – wir unterstreichen sie zwar und wir unterstützen sie – und auch keine nur euro­päischen, sondern es sind die Millenium Development Goals. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Diese Ziele sind international – vielleicht sagt Ihnen die UNO etwas –, aber ich glaube, das interessiert Sie ja auch nicht, weil Sie sich am liebsten einbunkern und nichts mehr machen würden.

Wir befürworten – gerade vor dem Hintergrund der Finanz- und Klimakrise – sehr wohl die Beiträge Österreichs an die internationalen Finanzinstitutionen, obwohl diese Ban­ken, die durch dieses Gesetz unterstützt werden, mit Ausnahme der afrikanischen Ent­wicklungsbank nicht schwerpunktmäßig den Finanzbedürfnissen der am wenigsten entwickelten Länder entsprechen.

Ich warne davor, Herr Staatssekretär, und ich bitte Sie, nicht die multilaterale Hilfe, die wir genauso wichtig finden, gegen die bilaterale auszuspielen. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass das derzeit geschieht, weil die Schieflage – vor allem wenn man die nächsten Jahre budgetmäßig anschaut – offenkundig ist.

Gerade vor dem Hintergrund unserer Reise und dem, was wir gesehen haben, was Österreich in einem Schwerpunktland leistet und leisten könnte – wir können es nicht in dem Maße, wie wir es sollten –, halte ich das für sehr wichtig, nur leider gibt es nicht genug Geld dafür. Sie können sich alle gerne an Ihren Kollegen wenden, und er soll Ihnen erzählen, welche großartigen Projekte Österreich in Burkina Faso, einem Schwerpunktland, fördert und unterstützt, um Armut zu bekämpfen.

Deswegen glaube ich, dass in den nächsten Jahren zusätzlich zu den multilateralen Mitteln unbedingt die bilateralen Mittel aufgestockt werden müssen – eben in Hinblick auf die Verantwortung Österreichs im internationalen Kontext, eben als eines der reichsten Länder dieser Welt, das wir trotzdem noch immer sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Frau Abgeordnete Bayr zu Wort gemeldet. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.14.06

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde gerne den Unterschied zwischen Verschenken von Geld und Investieren von Geld auseinan­derdröseln. Ich denke mir, Geld zu investieren, wenn es darum geht, in Zukunft eine Welt zu haben, die nicht komplett aus der Balance ist, in der es nicht riesengroße so­ziale Differenzen und Spannungen gibt, hilft uns gleichermaßen wie den Menschen im Süden, denen wir eine Zukunft sichern können. Das hat mit Geld verschenken nichts zu tun.

Ich denke mir auch, dass die internationalen Finanzinstitutionen und multilaterale Ent­wicklungszusammenarbeit ganz allgemein durchaus angetan sind, wirklich große Pro­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 220

jekte anzugehen, Projekte, die auch einen dementsprechenden Impakt haben und wichtig für die Entwicklung eines Landes sind. Das sind oft Projekte, die einzelne Län­der als Geber überhaupt nicht in der Lage sind, wirklich anzupacken. Ich denke mir, das passt schon.

Ich möchte auch zum wiederholten Male sagen: Es ist eine Mär – Mythen und Mären –, dass wir nicht mitbestimmen können, was mit den Geldern geschieht, die über die Weltbank, den Währungsfonds, die Interamerikanische Entwicklungsbank – und so weiter und so fort – abgewickelt werden, weil wir dort natürlich auch vertreten sind, weil wir Leute in den Stimmrechtsgruppen haben, weil es im Finanzministerium eine Abtei­lung gibt, die sich mit der Frage beschäftigt, was in diesen IFI mit unserem Geld ge­schieht, welche Projekte umgesetzt werden.

Also dass wir dieses Geld irgendwo abgeben, dann irgendetwas getan wird und keiner weiß, was, und dass es nicht ankommt, das stimmt einfach nicht. Es ist einfach unrich­tig, und es wird nicht wahrer, wenn man es auch noch so oft wiederholt.

Was mich sehr freut, ist, dass in der Begründung zu diesem Gesetz steht, dass wir uns verpflichten, bis 2015 0,7 Prozent des BNE für Entwicklungsausgaben zu erreichen. Das ist gut, und das ist richtig. Wir werden es nicht nur dadurch erreichen, dass wir die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit dementsprechend dotieren. Wir werden das auch über die Schiene der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit machen müssen. Ich denke mir, dass das momentan in Diskussion befindliche Bundesfinanzrahmenge­setz eine gute Möglichkeit ist, die Trendwende in der bilateralen Entwicklungszusam­menarbeit wieder in die richtige Richtung weisen zu lassen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.16

20.16.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Ich schließe die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1045 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

20.17.0621. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 1447/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Transfer sämtlicher Goldbestände der OeNB auf Hoheitsgebiet der Republik Österreich (1120 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek. 3 Minuten Rede­zeit. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 221

20.17.40

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Minister! Herr Staatssekretär! Der heutige Tagesordnungspunkt und dieser Antrag enthalten vor allem zwei Forde­rungen zum Gold, zu diesem strategischen Material, nämlich erstens, dass alle Be­stände in Österreich gelagert und verwahrt werden sollen – mit Österreich ist natürlich nur allgemein das Staatsgebiet gemeint und nicht irgendein besonderer geografischer Ort –, und zweitens, dass die Menge nicht weiter verringert werden soll. Das soll auch nicht heißen, dass die Nationalbank damit nicht handeln darf, sondern sie soll es – im Jahreszyklus beispielsweise – nicht weiter verringern.

Warum das Ganze? – Gold, das wissen wir, ist besonders in Krisenzeiten als limitiertes Handelsobjekt von strategischer Bedeutung, und es schafft natürlich auch Sicherheit. Wenn wir es verfügbar haben, dann kann es in Krisenzeiten helfen.

In der Debatte im Ausschuss wurde gesagt, die Oesterreichische Nationalbank werde es schon sicher verwahren – vom sicheren Verwahren gehe ich eigentlich schon aus, ich erwarte mir eigentlich mehr –, aber „sicher verwahren“ heißt ja grundsätzlich über­haupt nicht, dass das intransparent sein muss. Ich habe einige Anfragen zum Thema Gold gestellt und aus dem Finanzministerium immer nur zur Antwort bekommen, es sei übliche Ausweispraxis im Eurosystem, dass über die Verkaufstranchen, Zeitpunkte und den Lagerplatz des Goldes keine Auskunft erteilt wird.

Herr Staatssekretär! So üblich kann diese Ausweispraxis im Eurosystem nicht sein, denn im deutschen „Spiegel“ können Sie nachlesen, wo die Deutsche Bundesbank ihre Goldreserven lagert – nicht auf das Kilogramm oder die Tonne genau, sondern nach Größenordnung, und es wird auch nicht der genaue geografische Ort, sondern ein Land bekannt gegeben.

Der Höhepunkt der Intransparenz ist ja der, dass wir, der Souverän dieses Staates und das Parlament, keinerlei Auskunft von der OeNB erhalten, nicht einmal im Nachhinein. Ich würde schon darauf drängen, dass man zumindest so etwas wie einen Quartals- oder Jahresbericht bekommt, sodass man zumindest im Nachhinein berichtet, was mit dem Gold geschehen ist, in groben Mengenangaben. Das würden wir uns zumindest als Rechenschaft erwarten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gut die Oesterreichische Nationalbank mit dem Gold wirklich umgeht, damit wird sich Kollege Königshofer noch beschäftigen, denn so optimal ist das wirklich nicht, was sie damit gemacht hat. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wir wollen kein Währungssystem wie die Amerikaner, die kein Backup in Hartma­terialien haben und sich das Geld einfach drucken, wie sie es brauchen. Wir haben zurzeit noch ein teilweise goldgestütztes, teilweise währungsgestütztes System. Wie gut das mit den Währungen wirklich ist, wenn wir den Dollar bei uns als Sicherheit drin­nen haben und der abwertet, muss sich noch zeigen. Wir sind leider nicht die Ameri­kaner, die sich die Sicherheit der Währung übers Öl (Abg. Kopf: Man könnte auch sagen Gott sei Dank!) – ja, wirklich, Gott sei Dank –, militärisch erkaufen müssen. Wir haben dieses Backup! Allerdings sollten wir dieses Backup auch nutzen. Wir tun das derzeit nicht, und dagegen richtet sich dieser Antrag. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.21.17

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit ist schon vorgeschritten, deshalb bin ich mir nicht sicher, ob ich den Antrag des Herrn Kollegen Deimek jetzt eigentlich wirk­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 222

lich ernst nehmen soll oder nicht. Er erinnert mich ein bisschen an etwas, was uns al­len als Kindern große Freude bereitet hat, wenn wir „Donald Duck“ gelesen haben. Da war es immer irgendwie faszinierend, wenn Dagobert in seinem Geldspeicher, in dem all sein Geld konzentriert war, in seinem Gold gebadet hat. Mag sein, dass gerade sol­che Phantasien bei diesem Antrag eine Rolle spielen. (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: In keins­ter Weise!)

Oder Kollege Deimek ist gerade am Abend vor dem Fernsehapparat gesessen und hat den Film „Goldfinger“ gesehen, einen Film, den auch ich mir gerne anschaue, und hat sich dann gedacht: Ja, eigentlich ist es ja wahr! Goldfinger wollte alles Gold, und ei­gentlich sollten wir auch alles Gold bei uns konzentrieren. Wenn solche Motive eine Rolle spielen, dann habe ich eine persönliche Sympathie dafür, aber nicht für den An­trag.

Kollege Deimek! Stellen Sie sich doch einmal vor – wir wollen jetzt ein bisschen die Realität walten lassen –, Sie hätten all dieses Gold an einem geographischen Ort kon­zentriert. Kollege Deimek, würden Sie all Ihr persönliches Vermögen in Ihren Keller le­gen und dort konzentrieren? (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: Das würde ich nicht tun!) Nein, Sie würden es nicht tun! Ja sagen Sie, wieso sollen wir dann mit dem Staatsvermögen so verfahren? Das ist jedenfalls auch in diesem Zusammenhang keine besonders gute Idee. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Deimek: In Österreich habe ich gesagt, nicht an einem Ort!)

Kollege Deimek, zweitens wird Gold heute gehandelt. Wo wird das Gold also sein? (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: Wir wissen es ja nicht einmal!) Zum Teil liegt es natürlich in Österreich, zum Teil ist es wahrscheinlich in Zürich, weil dort ein zentraler Handelsplatz ist, zum Teil mag es im Fort Knox liegen, weil dort alle Währungsreserven der Welt si­cher gelagert werden. Und jetzt stellen Sie sich vor – Sie wollen ja mehr Gold oder je­denfalls nicht weniger –, Österreich kauft 10 Tonnen zu. Unser Gold liegt nach Ihren Vorstellungen im Geldspeicher des Herrn Nowotny. Da wird dann also das neue Gold mit einem Auto von Fort Knox an die Küste gebracht, von dort wird es über das Meer verschifft, und dann rollen die weiteren Transporte bis es bei uns ist. So stellen Sie sich das vor. Sie würden aber nicht, wenn Sie jemanden Geld geben oder von jemanden Geld erhalten, es in einem großen Sack durch halb Europa tragen. Sehen Sie! Deswe­gen nehmen wir Ihren Antrag nicht ganz ernst.

Es gibt auch ein Argument, warum es sehr vernünftig ist, dass nicht bekannt gegeben wird, wie viel man handelt, denn das würde nur die Spekulanten begünstigen. Wir wol­len keine Rohstoffspekulanten begünstigen, weder bei anderen Rohstoffen noch beim Gold.

Ich hoffe, Sie haben das alles nicht ernst gemeint. Wir werden diesen Antrag jedenfalls ablehnen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.23


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter DDr. Königs­hofer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.24.04

Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Ikrath, der Gene­ralsekretär des Sparkassenverbandes, erinnert mich in seiner lustigen Art, in der er über Goldfinger und Dagobert Duck redet, ein bisschen an die Figur des Sparefroh, der auf andere Figuren Bezug nimmt. (Abg. Mag. Molterer: Das war doch eine gute Fi­gur!)

Herr Kollege Ikrath, es ist schon spaßig, wenn man über Dagobert Duck spricht, ob­wohl die österreichischen Goldreserven doch ein realer Wert sind oder es zumindest


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 223

doch sein sollten. (Abg. Mag. Molterer: Der Sparefroh war doch eine sehr sympathi­sche Figur, oder etwa nicht?)

Herr Kollege Molterer, das hat also schon einen realen Wert. Jetzt wollen wir einmal nicht nur darüber reden, wo sich die österreichischen Goldreserven befinden, denn das sagt man uns ja nicht. Zurückholen soll man sie auch nicht. Ich verstehe schon, dass man sie aufteilen muss. Ein alter Spruch in der Vermögensanlage rät ja, nicht alle Eier in einen Korb zu tun. Auch die Schweizer machen das nicht. Man könnte jedoch sagen, wo sich die österreichischen Goldreserven befinden.

Jetzt sage ich Ihnen noch eines: Ich habe mir die Entwicklung der Goldreserven in der Bilanz der Oesterreichischen Nationalbank angesehen und musste leider feststellen, dass in den letzten 20 Jahren der Goldbestand massiv heruntergefahren worden ist. Im Jahre 1989 verfügte die Oesterreichische Nationalbank noch über eine Goldreserve von rund 645 Tonnen. Zum damaligen Unzenpreis von 330 € pro Feinunze – jetzt um­gerechnet in Euro, denn ich weiß schon, dass es 1989 noch nicht den Euro gegeben hat – war das ein Wert von ungefähr 7 Milliarden €. Heute hat die Oesterreichische Na­tionalbank noch eine Goldreserve von 280 Tonnen. Bei einem Unzenpreis von zirka 1 080 € stellt das einen Wert von 10 Milliarden dar. (Abg. Mag. Molterer: Na eben!)

Meine Damen und Herren, hätten wir die 645 Tonnen behalten, dann wäre der Wert der Goldreserve heute nicht 10 Milliarden €, sondern beinahe 23 Milliarden €. Jetzt muss man sich schon fragen, wie das Management der Währungsreserve in der Natio­nalbank ausschaut, denn gar so sinnvoll kann es ja nicht sein, wenn die ganze Welt Gold kauft, wie zum Beispiel Indien vor zirka einem Jahr aus seinem Bestand heraus eine riesige Goldreserve gekauft hat, weil sie den Dollar abbauen möchten. Österreich hat zu dieser Zeit noch dazu bei tiefen Preisen Gold verkauft und dafür Devisen ange­kauft, vor allem Dollar und britische Pfund. (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: Währungsspekula­tion der Nationalbank!) Das sollte man schon einmal hinterfragen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Da kann man nicht sagen, die Währungsreserven sind Eigentum der Oesterreichischen Nationalbank und da können wir nicht hineinschauen und die ist nicht auskunftspflichtig und so weiter. Da muss ich Sie schon fragen: Wem gehört denn die Oesterreichische Nationalbank? Die Oesterreichische Nationalbank gehört zum überwiegenden Teil der Republik Öster­reich, das heißt dem österreichischen Volk. (Abg. Mag. Molterer: Zur Gänze!)

Herr Staatssekretär! Deshalb habe ich als Volksvertreter sicherlich das Recht, danach zu fragen, wie diese Währungsreserven gehandelt werden und wo sie deponiert sind. Und Sie als Regierung, als Eigentümervertreter haben selbstverständlich die Pflicht, hiezu nachzufragen und uns zu antworten. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Staatsekretär! Aus diesem Grunde unterstütze ich natürlich den Antrag des Kolle­gen Deimek und ersuche Sie in diesem Zusammenhang, entsprechende Antworten be­züglich der Praktiken der Nationalbank zu geben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Wie steht es dann mit der Unabhängigkeit der Nationalbank?)

20.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schick­hofer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.28.12

Abgeordneter Mag. Michael Schickhofer (SPÖ): Herr Ikrath! In großkoalitionärer Ein­tracht haben wir das gleiche Bild gehabt von dem Geldspeicher, der gezeichnet wird. Es sind auch schon im Wesentlichen alle Argumente angeführt worden. Zum Stil der FPÖ ist es jedoch auch wichtig, etwas zu sagen. Es handelt sich natürlich um ein The­ma, mit dem man emotional arbeiten kann. Wie auch dieses Bild aus der Jugendzeit schon aufzeigt, ist es so: Man hätte das Gold gerne daheim. Man stellt sich das wahr­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 224

scheinlich bei Ihnen (in Richtung FPÖ) so vor: Der Finanzminister geht jeden Tag am Abend durch das Lager und streichelt seine Goldbarren. (Abg. Dr. Rosenkranz: So stellen Sie sich das vor!) Das kann jedoch nicht das zentrale Thema sein. (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: Wir sagen etwas anderes!)

Was Sie machen, ist eine Politik, die nicht okay ist. Sie suggerieren, dass eine Ein­flussnahme möglich sei, die faktisch aufgrund internationaler Verträge nicht möglich ist. Sie verlangen, dass der Finanzminister auf die Nationalbank Einfluss nehmen soll, ob­wohl Sie ganz genau wissen, dass wir im Rahmen des europäischen Systems der Zen­tralbanken und im Rahmen völkerrechtlicher Verträge dazu verpflichtet sind, eben ge­nau keine Weisungen zu erteilen.

Das haben wir am heutigen Tag schon ein paar Mal erlebt und das ist einfach nicht okay, dass Sie eine Handlungsfähigkeit der Politik in Bereichen suggerieren, in denen es einfach rechtlich, aufgrund von internationalen Verträgen nicht möglich ist. Da gehen Sie einen absolut falschen Weg und kündigen auch den Wählerinnen und Wäh­lern etwas an, was in dieser Form nicht umsetzbar ist.

Das wissen Sie ganz genau! Schauen Sie sich die entsprechenden Vereinbarungen an, die international abgeschlossen worden sind. (Ruf bei der FPÖ: Ist das nicht der, der für Voves die Stiftungen verwaltet hat?) Da drinnen steht eben, dass die Finanzmi­nister, die Politik auf die Währungspolitik der Nationalbank nicht unmittelbar Einfluss nehmen darf. (Abg. Grosz: Und dann ist er auch noch ein Oststeirer!) Im internationa­len Umfeld und von Ihrer Argumentation her, davon, wie Sie heute über andere Länder gesprochen haben, sollte Ihnen das ohnehin recht sein. (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: Das hat nichts damit zu tun!)

An internationale Verträge sollte man sich halten, muss man sich halten und sollte nicht suggerieren, dass es einfach so möglich wäre, die Goldreserven aus aller Herren Länder herzuholen, wobei wir uns natürlich sicher sein können, dass das Geld und das Gold auf den internationalen Handelsplätzen gut verwahrt sind. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass da der Austausch gewährleistet ist. Wir sollten nicht das Gold durch die Welt karren. Die Mittel dafür können wir dann in die Entwicklungszusammenarbeit investieren. Das wäre sinnvoll. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Dei­mek: Thema verfehlt!)

20.30


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Herr Abgeordneter Ing. Lugar zu Wort gemeldet. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.30.52

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Hohes Haus! Herr Präsident! Wir haben heute viel gehört. Ich würde Sie bitten, mir das Recht zu geben, hier zu sprechen, und Ihre Diskussionen vielleicht auf nachher zu verlegen, wenn das möglich wäre.

Wir haben, wie gesagt, heute viel gehört. Wir haben zum Beispiel gehört, es sei wirk­lich eine abstruse Idee, das Gold nach Hause zu holen, denn da fühle man sich ja wie Donald Duck, und das sei wirklich eine ganz verrückte Idee.

Jetzt schauen wir uns das einmal genauer an! Herr Ikrath hat behauptet, dass man nicht genau wisse, wo das ganze Gold ist. Auch der Herr von der SPÖ hat behauptet, man könne gar nicht wissen, wo sich das Gold gerade befindet, bei welcher Bank es lagert oder in welchem Raum es lagert, und deshalb könne man es auch nicht heim­holen.

Ich weiß, wo das Gold ist, Herr Ikrath. Ich sage Ihnen jetzt ein Geheimnis. Ich weiß, wo das Gold ist. – Unser Gold ist einfach nicht mehr da. Wissen Sie, warum es nicht mehr


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 225

da ist? Ich sage Ihnen jetzt ein Geheimnis, das Sie wahrscheinlich schon kennen, Herr Ikrath, und das ist auch der Grund, warum Sie das hier so ins Lächerliche ziehen, weil Sie nämlich das große Geheimnis schon kennen.

Die Nationalbank hat einen Weg gesucht, die unnötigen Goldreserven, die bei ihr ge­lagert waren, zu verzinsen, was bei Gold ja schwierig ist. Jeder Anlageexperte rät ja, dass man zumindest 10 Prozent in Gold halten soll. Jetzt ist das ein gewisses Problem, denn für diese 10 Prozent bekommt man keine Zinsen. Das Problem haben natürlich auch die Notenbanken auf der ganzen Welt erkannt und haben einen Weg gefunden, wie sie aus diesem Gold Zinsen schlagen können.

Jetzt sind wir bei der Schweiz, die Sie, Herr Ikrath, erwähnt haben. Die Oesterreichi­sche Nationalbank hat das Geld in die Schweiz transferiert, dort gibt es einen Handels­platz. Das ist allerdings ein interessanter Handelsplatz, denn bei diesem Handelsplatz geht mehr raus als rein. In Wahrheit sind dort die meisten Bestände gar nicht mehr vor­handen. Warum? Was lagert denn dort noch in den großen Tresoren? – Dort lagern Schuldscheine von jenen, die dieses Gold gegen Zinsen bekommen haben, und auf diesen Schuldscheinen steht drauf, dass wir das jederzeit zurückbekommen. Genauso funktioniert das!

Jetzt frage ich mich, wo da der Sinn der Sache ist. Wenn man eine Goldreserve hält, dann braucht man das für den Notfall. Wenn ich jetzt meine Reserve gegen einen Schuldschein verkaufe und hoffe, dass ich es im Notfall zurückbekomme, glauben Sie, dass das funktioniert? Glauben Sie, dass das funktioniert, wenn Dollar und Euro den Bach runtergehen? Wir hoffen, das wird nicht passieren. Für den Fall jedoch, dass es passiert, sind ja diese Goldreserven auch da. Sie sind dazu da, um im Notfall entspre­chende Absicherungen zu haben. Wenn wir aber diese Goldreserven – und das ist ein sehr, sehr großer Teil – ins Ausland geben und dort gegen Schuldscheine verkaufen, glauben Sie, dass wir damit eine Sicherheit in Österreich haben? Glauben Sie das wirklich?

Das wäre ja genauso, als würden Sie mit einer Hungersnot rechnen, sich große Le­bensmittelvorräte anlegen, die dann gegen einen Schuldschein verkaufen und hoffen, dass Sie diese, wenn die Not ausbricht, von demjenigen zurückbekommen. Das ist ei­ne Illusion!

Ich würde deshalb wirklich bitten, hier mehr Ehrlichkeit walten zu lassen. Ich weiß ja, dass Sie das wissen, Herr Ikrath. Sie wissen ja, dass dieses Gold nicht mehr da ist. Die Oesterreichische Nationalbank gibt es ja sogar zu, dass dieses Gold physisch nicht mehr da ist, zumindest zwei Drittel davon.

Deshalb würde ich Sie bitten: Sprechen wir doch ganz offen darüber! Holen wir dieses Gold heim, solange wir für diese Schuldscheine noch etwas bekommen! Holen wir es heim! Und dann haben wir, wenn wirklich eine Krise ausbricht, auch die Sicherheit, die Sie uns damit versprechen. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben jetzt angeblich 280 Tonnen Gold, auf dem Papier jedenfalls. Das entspricht 10 Milliarden €, und das ist unsere Sicherheit. Das sagt übrigens die Oesterreichische Nationalbank. Das heißt, was macht meine Sicherheit für einen Sinn, wenn wir nichts anderes haben als einen Schuldschein? Ist das eine Sicherheit? Dann können wir diese 280 Tonnen gleich sofort verkaufen und sinnvolle Dinge damit anfangen, denn im Notfall wird uns ein Schuldschein nichts helfen. Das haben wir in der Finanzkrise ge­sehen.

Deshalb: Wenn schon Sicherheit, dann keine Experimente damit, und akzeptieren Sie keine Schuldscheine! Holen wir das Gold heim! Dann haben wir im Notfall eine Sicher­heit und nicht einen Schuldschein, der dann nichts wert sein wird. – Vielen Dank. (Bei­fall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.35

20.35.15

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 226

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich ersuche alle Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen!

Wir treten nun in den Abstimmungsvorgang ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Be­richt 1120 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

20.35.20 22. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 754/A(E) der Abgeordneten Jo­sef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend klare Regelungen beziehungs­weise Grenzen betreffend Spekulationen von Bund, Ländern und Gemeinden (1121 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir kommen nun zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Abgeordneter Zanger. 3 Minuten freiwillige Rede­zeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.36.57

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Das ist zweifellos ein Kapitel, das uns noch eine Zeit lang beschäftigen wird. Ich bin auch nicht ganz sicher, ob schon alle Konsequenzen von diesen ganzen Spekula­tionen, die da eingegangen wurden, auf dem Tisch sind. Wir beschäftigen uns ja nicht nur im Falle der Gemeinden mit Spekulationen, sondern aktuell auch im Unteraus­schuss des Rechnungshofes mit dem Thema Spekulationen bei den ÖBB. Was die Verantwortlichen dort eigentlich sehr klar gesagt haben, war, dass in Wahrheit damals keiner eine Ahnung gehabt hat, als diese Produkte, diese spekulativen Derivate auf den Markt drängten, was da dahintersteckte.

Wenn eine Firma heute ein neues Produkt kauft und nicht weiß, wie sie damit umge­hen soll, dann entwickelt sie dafür Richtlinien. Der Staat oder die öffentliche Hand hat eigentlich dieselbe Pflicht, Richtlinien zu entwickeln, weil sie ja noch dazu mit Steuer­geld diese Dinge macht, die sie treuhändig für die Bevölkerung verwaltet. Deswegen ist es für mich eigentlich auch unverständlich, warum die großen Fraktionen, die Regie­rungsfraktionen diesem Antrag nicht beitreten. Gerade wenn man treuhändig Geld ver­waltet, muss man noch mehr Verantwortung dafür übernehmen und noch sensibler da­mit umgehen.

Was ebenfalls mit einfließt, ist vielleicht auch die allgemeine Situation der Gemeinden in Österreich generell. Nicht nur Spekulationen treffen die Gemeinden ins Mark, auch falsche Projektstrategien, in deren Rahmen vielleicht nicht vernünftige Projekte entwi­ckelt werden, wo das notwendige wirtschaftliche Know-how dahinter oder die wirt­schaftliche Sensibilität oder die entsprechenden Überlegungen dazu fehlen. Manchmal baut der eine oder der andere Prestigeprojekte im Ort, die dann schlussendlich nicht mehr finanzierbar sind, die nicht einmal mehr geschäftsfähig sind und wo schon die Geschäftstätigkeit selbst jährlich von der öffentlicher Hand subventioniert werden muss.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 227

Da das ganze System über den Finanzausgleich abgewickelt wird, wir aber wissen, dass es, ich sage jetzt einmal, Bürgermeister gibt, die sehr wohl überlegt an die Sache herangehen und die es vielleicht auch nicht leichthaben, die vielleicht nicht einmal ei­nen ausgeglichenen Haushalt haben, weil das große Problem der Abwanderung mitt­lerweile den ländlichen Bereich von ganz Österreich trifft und die Ertragsanteile ja da­von abhängen, aber sehr wohl mit dem wenigen Geld, das sie bekommen, sehr ver­nünftig und gut umgehen, denke ich mir, es wäre gescheit, das als Ansatz zu nehmen und einmal zu sagen: Gliedern wir den Finanzausgleich in Zukunft so auf, dass man schaut, wo Gemeinden sind, die mit diesem Geld vernünftig und gut umgehen. Da ist es gut aufgehoben, und die wissen etwas damit anzufangen.

Auf der anderen Seite sind jene Gemeinden, die sehr – ich sage es einmal sehr vor­nehm – locker hier zur Tat schreiten. Das sollte vielleicht einmal ein wenig einge­schränkt und sanktioniert werden. Das wäre, glaube ich, ein guter Ansatz, wie über­haupt hinsichtlich des Finanzausgleiches andere Parameter heranzuziehen wären, wie eben Größe der Gemeinde, welche Struktur die Gemeinde hat. Ich glaube, das alles sollte jetzt einmal wirklich angepackt werden, es sollte andiskutiert werden, damit man für den nächsten Finanzausgleich vielleicht schon ein geeignetes Instrument in der Hand hat.

Ich bringe aus diesem Behufe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Zanger und Podgorschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend zweckmäßige Parameter als Grundlage für den Finanzausgleich

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der zuständige Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die vorsieht, ein Anreizsystem für Gemeinden zu schaffen, mit den aus dem Finanzausgleich erhal­tenen Mitteln effizient und sparsam zu wirtschaften. Die Höhe der zugeteilten Mittel soll außerdem an aktuelle und zweckmäßige Parameter gekoppelt werden, um Fehlalloka­tionen zu vermeiden.“

*****

Das wäre einmal ein Anfang. Vielleicht trifft es auf Gehör bei den Verantwortlichen, und ich glaube, dass da über weite Strecken zumindest insofern Konsens besteht, als man das zumindest überdenken und andiskutieren muss und soll. Ich sehe diesen Antrag jetzt einmal sozusagen als Anstoß in diese Richtung. (Beifall bei der FPÖ.)

20.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der eingebrachte gegenständliche Entschließungs­antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Zanger, Podgorschek und weiterer Abgeordneter betreffend zweck­mäßige Parameter als Grundlage für den Finanzausgleich

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 22, Bericht des Fi­nanzausschusses über den Antrag 754/A(E) der Abgeordneten Josef Bucher, Kollegin­


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nen und Kollegen betreffend klarer Regelungen bzw. Grenzen betreffend Spekulatio­nen von Bund, Ländern und Gemeinden (1121 d.B.), in der 100. Sitzung des National­rates, XXIV. GP, am 31. März 2011

Eine Studie der TU Wien zeigt erheblichen Reformbedarf im Bereich des Finanzaus­gleiches auf. Salzburger Gemeinden erhalten je Einwohner durchschnittlich 1019 Euro pro Jahr. Steirische Gemeinden müssen mit mageren 811 Euro auskommen. Der Grund für diese auffällige Diskrepanz liegt in der unzweckmäßigen Berechnungsgrund­lage für die Aufteilung und Ausschüttung der Mittel aus dem Finanzausgleich. Der Ver­teilungsschlüssel zieht einen Mix unterschiedlicher Parameter heran. Als Grundlage dienen unter anderem: das Aufkommen der Getränkesteuer im Zeitraum 1993 bis 1997; die Einnahmen aus der Gewerbesteuer bis zurück in das Jahr 1993, um nur eini­ge herauszugreifen.

Diese Berechnungszeiträume sind nicht geeignet, der ökonomischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Besonders die wirtschaftliche Lage der Steiermark hat sich seit dem Jahr 2003, in dem die Landeshauptstadt Graz europäische Kulturhauptstadt war, sehr zum Positiven entwickelt. Anstatt die begrüßenswerte Entwicklung zu unterstüt­zen, werden die Gemeinden dieses Bundesland aufgrund des derzeit herangezogenen Verteilungsschlüssels benachteiligt.

Als Ersatz für die derzeitigen Bemessungsgrundlagen sollen etwa die Einwohnerzahl des Bundeslandes, die Größenklassen der Gemeinden, die wirtschaftliche Ausrichtung und Bedürfnisse der Gemeinden und Effizienz in der Verwaltung herangezogen wer­den. So würde effizienteres Förderwesen garantiert und ein Anreiz für Gemeinden ge­schaffen, mit erhaltenen Mittel sparsam und zweckmäßig zu investieren.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der zuständige Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die vorsieht, ein Anreizsystem für Gemeinden zu schaffen, mit den aus dem Finanzausgleich er­haltenen Mitteln effizient und sparsam zu wirtschaften. Die Höhe der zugeteilten Mittel soll außerdem an aktuelle und zweckmäßige Parameter gekoppelt werden, um Fehlal­lokationen zu vermeiden.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.41.48

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatsse­kretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag des Kollegen Bucher zur Begrenzung der sogenannten Spekulation von Bund, Ländern und Ge­meinden hat schon im Finanzausschuss keine Mehrheit gefunden und – die Prognose sei gewagt – er wird auch heute im Plenum keine Mehrheit finden, und zwar aus meh­reren Gründen.

Erster Punkt: Der Bundesgesetzgeber hat überhaupt keine Kompetenz, Finanztransak­tionen von Ländern und Gemeinden zu regeln.

Zweiter Punkt: Was den Bund betrifft, hat der Kollege Bucher, der den Antrag einge­bracht hat, im Oktober 2009 schon vom Finanzminister Pröll eine sehr detaillierte Auf­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 229

schlüsselung ab dem Jahr 1993 bekommen, wie viel Geld uns die Bundesfinanzie­rungsagentur erspart hat, nämlich insgesamt 6,6 Milliarden € in diesen 18 Jahren. Wenn ich jetzt die 380 Millionen € abziehe, wo der Rechnungshof sagt, es könnte als Risiko schlagend werden, sind es immer noch 6,1 oder 6,2 Milliarden €. Das ist das doppelte Volumen der letzten großen Steuersenkung – nur zum Vergleich.

Das sind Punkte, zu denen ich wirklich sagen muss: Der Antrag ist offensichtlich wie­der nach dem Grundsatz eingebracht worden: Wenn ich immer wieder etwas relativie­re, irgendwann wirkt es vielleicht!

Dritter Punkt: Wir sind sehr froh darüber, dass die Bundesfinanzierungsagentur im In­teresse des Steuerzahlers keine Spekulation betrieben hat. Die Produkte, die gekauft wurden, waren immer zum Zeitpunkt der Veranlagung die am besten gerateten Pro­dukte. Nachher ist man immer gescheiter, aber selbst diese mehr als 300 Millionen €, wo der Rechnungshof sagt, das Risiko könnte schlagend werden – es ist noch nicht schlagend geworden –, selbst wenn ich das berücksichtige, ist immerhin noch ein Posi­tivsaldo über 6 Milliarden € da, meine Damen und Herren.

Vierter Punkt: Ich darf daran erinnern, wir haben im Jahr 2009 eine BHG-Novelle be­schlossen aufgrund jener Vorschläge einer Kapitalmarktexpertengruppe, die der Fi­nanzminister eingesetzt hat, die zu einer Neuregelung des ganzen Liquiditätsmanage­ments geführt hat.

Fünfter Punkt: Es ist damals auch eingestellt worden, dass wir kurzfristig Finanzauf­nahmen machen zur Veranlagung des Bundes in diverse Finanzprodukte.

Also meine Damen und Herren vom BZÖ, der Antrag ist wirklich nur abzulehnen, mehr kann man dazu nicht sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.43


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Ing. Lugar zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.43.56

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ja, wo­rum geht es bei diesem Antrag? Schlicht und Einfach: Wir wollen, dass erstens der Bund dazu angehalten wird, mit seinen Spekulationsgeschäften aufzuhören. Jetzt habe ich im Ausschuss vom Herrn Staatssekretär gehört, dass das ja in der Summe über die letzten zehn Jahre ein großer Gewinn war. Jetzt mag das schon sein, dass das über gewisse Strecken ein Gewinn war, aber die grundsätzliche Frage bleibt ja trotzdem: Muss der Bund spekulieren? Aus meiner Sicht ist die Antwort darauf eindeutig Nein. Der Bund muss das nicht. Der Bund muss schauen, dass die dementsprechenden Geldströme passen, aber er muss sich nicht an den internationalen Finanzmärkten, an diesen Casino-Kapitalismus beteiligen, und dann können auch keine Verluste entste­hen, so wie das 2008 und 2009 der Fall war. Auch wenn es in Summe vielleicht Ge­winne waren, letztlich ist das sicher nicht statthaft, dass der Bund da spekuliert. – Das ist einmal das Erste.

Das Zweite: Die Cross-Border-Leasing-Geschäfte. – Auch da steht im Antrag, die Cross-Border-Leasing-Geschäfte, speziell bei Gemeinden, müssen aufhören. Es macht doch keinen Sinn, wenn eine Gemeinde ihr Kanalnetz nach Kanada, in die USA oder sonst wohin verkauft (Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner), dann zurückleast und dann noch dazu das Geld in irgendwelchen dubiosen Konstrukten veranlagt, um da vielleicht 1 bis 2 Prozent Rendite zu erwirtschaften. Das macht langfristig keinen Sinn. Damit müssen wir aufhören! Ich glaube, da sind wir uns auch einig. Ich glaube, in diesem Punkt sind wir alle auf einer Linie.

Ich glaube, dass der Antrag, auch was den dritten Punkt betrifft, diese Zweckgesell­schaften, auch eine Mehrheit finden könnte. Wir sehen ja jetzt von der europäischen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 230

Statistik, dass wir mit diesen Zweckgesellschaften aufhören müssen. Mittlerweile ist es so weit, dass wir alles transparent machen müssen, zumindest große Teile. Ich finde das sehr, sehr positiv, und deshalb sollten wir auch bei der Gemeinde dazu übergehen, alle Zweckgesellschaften aufzulösen, um wirklich zu schauen, welche Gemeinde or­dentlich wirtschaftet und welche Gemeinde Zweckgesellschaften schafft (Abg. Krainer: Da gibt’s aber Verbände! Das machen mehrere gemeinsam!), um da Verbindlichkeiten zu verstecken oder eben Verbindlichkeiten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag auslagern.

Also ich glaube, dass diese drei Punkte ganz vernünftige Punkte sind, und würde mich wirklich freuen, wenn sie ihre Meinung ändern würden, damit wir hier gemeinsam zu einer Abstimmung kommen könnten. – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ.)

20.46


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Krainer. 6 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


20.46.33

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Zwischenruf bei der SPÖ. – Abg. Mag. Steibl: Na, das ist aber gemein!) Ich glaube, dass der vorliegende Antrag ein sehr wichtiges Thema berührt, nämlich: Wie können wir Spekulation eindämmen oder am besten überhaupt verhindern, auf al­len Ebenen, auf allen Verwaltungs- und Politikebenen?

Allerdings ist der Antrag im Wesentlichen bereits erledigt. Wir haben nach dem Aufflie­gen der ÖBFA-Spekulationen auf Bundesebene die gesetzlich notwendigen Maßnah­men gesetzt (Abg. Ing. Lugar: ... zustimmen!), und im Zuge des neuen innerösterrei­chischen Stabilitätspaktes haben wir mit den Ländern eine Vereinbarung geschlossen. Diese ist nicht ganz im Sinne dieses Antrages, weil hier nicht der Bund den Ländern et­was vorschreibt. Es gibt hier auf partnerschaftlicher Ebene, auf Augenhöhe eine Ver­einbarung, das zu machen. Dass es da eventuell Verbesserungsbedarf gibt, sehen vie­le, aber das ist jedenfalls etwas, was hier nicht von Bundesseite verordnet wird, son­dern wir haben eine gute Tradition, das partnerschaftlich mit den Ländern zu machen, und das halte ich für richtig.

Trotzdem ist es, glaube ich, gut, dass dieses Thema auch im Parlament, hier im Ple­num debattiert wird. Man muss sich ausdrücklich auch beim Antragsteller dafür bedan­ken, dass er hier einen Beitrag zur Diskussion leistet.

Wenn wir uns die großen Spekulationsfälle, vor allem die großen Spekulationsverluste der letzten Jahre ansehen, dann gehen die auch immer mit einer schlechten politi­schen oder auch moralischen Kultur einher, um nicht besser zu sagen, mit einer feh­lenden politischen Kultur. Es gibt meiner Meinung nach hier zwei Zentren einer fehlen­den oder einer schlechten politischen Kultur, das eine war das Umfeld des ehemaligen Landeshauptmanns Jörg Haider, jetzt gar nicht unbedingt auf Kärnten beschränkt. (Ruf beim BZÖ: Aha!)

Wenn man sich die ehemalige „Buberlpartie“, wie es geheißen hat, anschaut, dann sind die ja heute ganz gut positioniert, nämlich auf den Gerichtsseiten, unabhängig da­von, ob das der „Bei mir kostet das eben so viel!“-Rumpold ist, also er oder sie, die 7 Millionen € von EADS bekommen haben, wo bis heute eigentlich nicht klar ist, wel­che Leistung sie hier erbracht haben, oder – wenn wir gerade von Leistung sprechen – der „Was war meine Leistung?“-Meischberger, der auch viele, viele Millionen bekom­men hat von unterschiedlichen Stellen und selbst gar nicht wusste, wofür eigentlich, oder ob das der „Zu schön, zu intelligent und zu reich!“-Grasser ist, wo wir noch gar nicht wissen, wie viel Geld er genau von wem wofür bekommen hat. Diese Gruppe hat in Wirklichkeit nach dem Grundsatz „über dem Gesetz stehen“ und „anything goes“ ge­


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lebt. Das hat diese Gruppe ganz deutlich gezeigt, und sie ist hier sicher ein extremes Negativbeispiel für fehlende politische Kultur.

Eine Auswirkung, jetzt nur die Spitze des Eisberges, ist die Hypo in Kärnten. Da geht es ja um Milliardenschäden für den Steuerzahler, aber es geht auch um einen politi­schen Schaden, den die gesamte Politik tragen muss und alle Parteien tragen müs­sen, weil der Wähler derartige Verfehlungen ja nicht nur einer einzelnen Gruppe oder einer einzelnen Partei zuordnet, sondern im Wesentlichen der ganzen Politik.

Das andere große Zentrum von Spekulationsverlusten, das ich sehe, ist vor allem die ÖVP Niederösterreich. (Abg. Rädler: Hallo! Sie sind nicht am letzten Stand! Sie soll­ten ...!) Auch dort herrscht eine politische Kultur, die offensichtlich nicht nur für die Lan­desfinanzen sehr schlecht war oder zumindest nicht besonders vorteilhaft dafür war. Aus dieser Kultur kommt nicht nur Ernst Strasser, über den wir nicht allzu viel sagen müssen, sondern auch Wolfgang Sobotka, der es geschafft hat, fast 1 Milliarde € zu verspekulieren (Abg. Grosz: Was kommt aus Ihrem Ressort? Aus dem Mikrokosmos der SPÖ? Verzetnitsch!), und die gesamte ÖVP Niederösterreich tut so, als wäre das Geld gar nicht verloren gegangen, obwohl dieses Geld einfach weg ist. Und natürlich ist das ein riesen Schaden (Ruf bei der FPÖ: BAWAG! Wir würdigen das SPÖ-Res­sort!) für Niederösterreich, weil dieses Geld weg ist.

Man muss auch darüber nachdenken, wie man mit einem derartigen kollektiven Fall von Vogel-Strauß-Politik, wie wir ihn bei der ÖVP Niederösterreich hier sehen, umgeht. (Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Die Liste der Personen und Repräsentanten lässt sich bei beiden Gruppen endlos fort­setzen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Grosz. – Abg. Rädler: Was ist mit ihm pas­siert?) Das Bedenkliche ist, dass diese Personen jahrelang ihr Unwesen treiben konn­ten, obwohl in Wirklichkeit jeder, der es wissen wollte, auch wissen musste, in welche Richtung es geht.

Bei Grasser muss jeder spätestens bei der Homepage-Affäre gewusst haben: Dieser Mann hat keinen moralischen Kompass, er weiß nicht, Gut und Böse zu unterschei­den – und weiß auch nicht zu unterscheiden zwischen dem, was in der Politik geht und was nicht.

Auch ähnlich bei Strasser, bei dem Erlass, wo es darum ging, dass für gewisse Loka­litäten Anträge auf Visa für Tänzerinnen möglichst schnell und positiv zu erledigen sind: Auch da musste man wissen, dass das moralisch bedenklich ist. (Abg. Rädler: Trau dich herschau’n!) Spätestens jedoch beim Auffliegen der E-Mails von Strasser als Minister muss jedem klar gewesen sein, wes Geistes Kind da agiert. Bekannt waren ja auch die Lobbying-Aktivitäten von Strasser, nachdem er als Innenminister ausgeschie­den war und dann ins Europäische Parlament geschickt wurde.

Besonders schlimm aber wird das Ganze, wenn man sieht, wie die Justiz mit diesen Fällen dann umgeht. Erinnern wir uns nur daran, wie diese Affäre von Behörden „auf­geklärt“ wird. (Abg. Rädler: Schau einmal her!) Grasser wurde quasi erlaubt, von wei­sungsgebundenen Beamten, sich reinwaschen zu lassen. (Abg. Mag. Gaßner: Schau dir den Rädler einmal an!)

Die Justiz ist dann auch höchst eigenartig damit umgegangen. Als Beispiel sei jetzt hier nur eines von vielen aufgezählt, nämlich diese Fragebogen-Affäre, als unabhängige Behörden aufgefordert wurden, die SPÖ und die Gewerkschaft zu vernadern. Und da haben sowohl die Polizei als auch die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Gras­ser gesagt: Zu den E-Mails, die hin und her geschickt wurden, wollen wir die Dateian­hänge nicht sehen! (Abg. Rädler: Schau her!)

Aus diesen Dateianhängen ist aber klar hervorgegangen, dass sich Grasser nicht nur die Fragen, sondern auch die Antworten von den Behörden aussuchen konnte, aber


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die Staatsanwaltschaft wollte das gar nicht sehen. (Abg. Neubauer: Sie beschweren sich da und sind gegen einen Untersuchungsausschuss?!)

Ich erinnere an den Fall Strasser: Ganz Österreich hat gewusst, dass es eine Anzeige gegen Strasser gibt, nur eine einzige Person wusste das nicht: der zuständige Staats­anwalt, der diese Anzeige so lange liegen hat lassen, bis sie verjährt war. (Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Ebenso bedenklich ist, wie die Justiz in der Frage Verluste durch Sobotka umge­gangen ist: Man wollte die Ermittlungen einstellen, während alle anderen – die Polizei et cetera – darauf geachtet haben, dass ja weiter ermittelt wird. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Meine Damen und Herren, ich meine, dass wir da sehr viel zu tun haben.

Verfehlungen von Einzelnen kann es immer geben, problematisch wird es aber dann, wenn es erstens zu Verfehlungen aus fehlender politischer Kultur heraus kommt, wenn es zweitens die Politik nicht schafft, rechtzeitig selbst reinen Tisch zu machen (Rufe bei der ÖVP: Redezeit!), und wenn es drittens die Justiz nicht schafft, aufzuklären, son­dern zudeckt.

Insofern haben wir alle, wie ich meine, genug zu tun, um für eine ordentliche und sau­bere politische Kultur zu sorgen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ab in den Gemeindebau!)

20.53


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Linder. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.54.10

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Schön zuzuschauen, nur, Kollege Krainer, es ist fast be­zeichnend, dass Sie nur in eine Richtung gewandt gesprochen haben. Offensichtlich trauen Sie sich Ihrem Koalitionspartner nicht einmal mehr in die Augen zu schauen. (Beifall bei der FPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Diese Kritik sollten Sie einmal im Koalitionsausschuss vorbringen und dort auf den Tisch hauen. Zuzuschauen, was dort herauskommt, das wäre ja direkt ein Genuss. (Zwischenruf des Abg. Grosz.) – Jemanden in die Augen schauen, das sollte man schon können, wenn man Kritik übt.

Zum Antrag des BZÖ betreffend klare Regelungen, um Spekulationen zu verhindern: Ich meine, das ist doch etwas, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, nämlich dass man mit fremdem Geld nicht spekuliert, dass man auf fremdes Geld noch viel mehr aufpasst als auf das eigene. Leider gibt es aber viele Beispiele, die das Gegenteil zeigen: Cross-Border-Leasing, Aktien- und Fondsspekulationen, Spekulationen mit Fremdwährungskrediten und so weiter.

Deshalb ist es notwendig, hier eine Regelung zu finden, auch wenn es da sozusagen Barrieren in Bezug auf unterschiedliche Gesetzgebungen, so etwa mit den einzelnen Landesgesetzgebungen, gibt. Es sollte eine Lösung gefunden werden, sodass diese Spekulationen eingegrenzt und Verluste dieser Art verhindert werden.

Wir Freiheitlichen werden diesem Antrag zustimmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Ab­geordneten des BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 233

20.55


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Auer. 2 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


20.55.49

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte hier zunächst fest, dass die Bundesfinanzie­rungsagentur in Summe hervorragend gewirtschaftet hat, und für diese Professionalität ist zu danken, denn wenn man über 6,1 Milliarden € netto erwirtschaftet hat, verdient das Respekt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Krainer, ich bin heute mehr als enttäuscht von Ihren Ausführungen hier, denn ich hätte mir eine sachliche Debatte erwartet. Sie bräuchten sich in diesen Tagen ja nur zu informieren über die Vorgänge in der Stadt Linz, wobei ich nur sage: Finanz­stadtrat Mayr und Finanzdirektor Penn, der jetzt zurückgetreten ist, so quasi als politi­sches Bauernopfer.

Ich werfe Herrn Finanzstadtrat Mayr nicht vor, politische Unkultur betrieben zu haben. Nein, das werfe ich ihm nicht vor, dazu kenne ich ihn zu gut. Daher würde ich bitten, das hier auch anderen nicht vorzuwerfen, meine Damen und Herren! (Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Seitens der Stadt Linz wurde das gemacht, was viele Experten empfohlen haben, so unter dem Motto: Wo kann ich mehr Geld erwirtschaften?!, und da ist man eben mit der BAWAG „eingefahren“, wie das so schön heißt. Sich da jetzt abzuputzen, das ist zu bil­lig. Denken Sie daran, Herr Kollege Krainer! (Beifall bei der ÖVP.)

20.57


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. 1 Mi­nute Redezeit. – Bitte.

 


20.57.08

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Kollege Krainer, Sie dürften unseren Antrag nicht gelesen haben. Kollege Schickhofer, aus dem Büro des Herrn Landeshauptmannes Voves, Gemeindeaufsicht, ich darf Ihnen das erklären: Steiermark, Fohnsdorf, die größte Millionenpleite, die derzeit die Steiermark beschäftigt, verursacht durch einen sozialdemokratischen Bürgermeister. (Abg. Rädler: Den kennt der Krainer nicht!) Der Gemeinderat von Fohnsdorf ist aufgelöst, Neuwahlen sind ausgeschrieben.

Weiters: Trieben; Selbstmord eines SPÖ-Bürgermeisters, nachdem ihn seine eigene Partei in diesen getrieben hat, da sie ihm die Schulden überlassen wollte. – Kollege Schickhofer kann Ihnen das bezeugen.

Weiters: Voitsberg: Megapleite – und, und, und. Ein Fleckerlteppich sozusagen der So­zialdemokratie: Vernichtung von Volksvermögen quer durch die steirischen Gemein­den, wie man das wirklich selten zuvor gesehen hat. (Beifall beim BZÖ.)

Daher haben wir, sehr geehrte Damen und Herren, diesen Antrag eingebracht, damit wir den Kleinganoven in Ihren Reihen endlich das Handwerk legen. – Danke. (Beifall beim BZÖ. – Rufe bei der SPÖ: Na hallo! Das ist doch unerhört!)

20.57

20.57.59

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Herr Abgeordneter Grosz, für den Ausdruck „Klein­ganoven“ in Richtung SPÖ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Abg. Grosz: Gern! Immer wieder gern! Der kommt wie ein Orden auf’s Revers!)

Als vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt gelangt Frau Abgeordne­te Silhavy zu Wort. – Bitte.

 


20.59.00

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Der Antrag des BZÖ, über den wir eigentlich hier debattieren, ist ein Antrag aus dem Jahr 2009, der logischerweise


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 234

die Konsequenzen aus den ÖBFA-Erfahrungen nicht beinhaltet, aber auch nicht den innerösterreichischen Stabilitätspakt, der diese Problematik teilweise schon behandelt hat.

Einer der wesentlichen Punkte, über die wir heute reden – und in diese Richtung hat sich die Debatte entwickelt –, ist die finanzielle Situation der Gemeinden. Und darüber sollte man einmal ganz offen reden.

Die Gemeinden sind jene Körperschaften, die direkt vor Ort Dienstleistungen für die Menschen erbringen. Und wir alle müssen uns hier auch die Frage stellen: Wie verset­zen wir die Gemeinden überhaupt in die Situation, dass sie weiterhin diese Dienstleis­tungen für die Menschen erbringen können. Sparen allein ist hier die falsche Antwort. Wo wird denn gespart? – Nämlich genau bei den Menschen und den Dienstleistungen, die diese brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich brauche das weder dem Kollegen Krainer noch Ihnen zu erzählen. (Abg. Grosz: Köflach habe ich vergessen!) Ich denke mir, wir sollten uns ernsthaft damit auseinan­dersetzen. – Kollege Grosz kann schon wieder einmal nicht zuhören, was natürlich ein Fehler ist, denn eigentlich sollte Demokratie auch vom Zuhören und vom gegenseitigen Respekt geprägt sein. (Zwischenruf des Abg. Grosz.) Aber das ist ja etwas, was bei Ih­nen schon lange fehlt. (Zwischenruf der Abg. Binder-Maier.)

Mir erscheint es wesentlich, dass man sich überlegt, welche strukturellen Konsequen­zen man ziehen kann, aber wie man auch Gemeinden so stärken kann, dass sie ein­nahmenseitige Möglichkeiten haben, denn sonst ist das Wort „Gemeindeautonomie“ ei­ne Farce. Sie können sie de facto nicht leben. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es sind nicht nur steirische Gemeinden, es sind nicht nur oberösterreichische Gemein­den (Abg. Grosz: Es sind aber ausschließlich SPÖ-Gemeinden!), sondern es sind im­mer mehr Gemeinden in ganz Österreich in dieser ganz schwierigen Situation.

Wenn Sie Politik ernsthaft für die Menschen betreiben wollten, würden Sie sich damit auseinandersetzen und nicht polemisch dazwischenschreien. Das wäre eigentlich eine Aufgabe eines Volksvertreters, Herr Kollege Grosz! (Beifall bei der SPÖ.)

21.00


21.00.25Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Be­richt 1121 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend zweckmäßige Parameter als Grundlage für den Finanzausgleich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

21.01.1923. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 961/A(E) der Abge­ordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Än­derung des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (1103 d.B.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 235

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gartelgruber. – Bitte.

 


21.01.47

Abgeordnete Carmen Gartelgruber (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Mein vorliegender Antrag betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat die Inten­tion, die genauere Definition der Gleichbehandlung und Diskriminierung zu schaffen.

Frau Kollegin Schwentner hat im Ausschuss die Ablehnung meines Antrages damit be­gründet, dass ich den Anlassfall eines Salzburger Trachtenschneiders gebracht habe, der ausdrücklich in seiner Stellenausschreibung eine Frau gesucht hat.

Liebe Frau Kollegin, ich bringe Ihnen gerne noch ein weiteres Beispiel, das meine For­derung bekräftigt. Da gab es einen Schlüsseldienst-Unternehmer, der per Stelleninse­rat einen männlichen Mitarbeiter für Verkauf und Montage suchte. Es dauerte gar nicht lange, da übermittelte die Gleichbehandlungsanwaltschaft dem Unternehmen Informa­tionsmaterial und ein Schreiben mit dem Hinweis, dass das Gleichbehandlungsgesetz eine geschlechterneutrale Stellenausschreibung verlangt.

Es erging dann ein Antwortschreiben des Unternehmers an die Gleichbehandlungsan­waltschaft, worin er betont, dass diese Person, die diese Stelle erhält, bis zu 300 Kilo­gramm schwere Gegenstände heben und verladen müsse und dass sich in der 25-jäh­rigen Praxis des Unternehmens für diese Stelle noch niemals eine Frau beworben ha­be. Der Betrieb hat die Gleichbehandlungsanwaltschaft auch gebeten, ihm eine geeig­nete Frau als Bewerberin vorzustellen.

Was die Gleichbehandlungsanwaltschaft dann gemacht hat, ist, dass sie die Fragen zum Anlass genommen hat, dem Unternehmen ein weiteres Informationsschreiben mit detaillierten Informationen über das Gleichbehandlungsgesetz zukommen zu lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Beispiel stammt aus dem Bericht der Gleichbehandlungsanwaltschaft aus dem Jahr 2008/2009. Es zeigt auf, dass es durch­aus noch viele andere Fälle gibt, in denen sich das Gleichbehandlungsgesetz schika­nös und realitätsfern auswirkt.

Aber nicht nur hier, sondern auch in anderen Bereichen der Frauenpolitik gehen wir zurzeit in eine komplett falsche Richtung. Ich spreche hiebei von der Gehaltsoffenle­gung und auch der geplanten Forderung der Quoten in Aufsichtsräten von staatsnahen Betrieben.

Frau Minister, eine Frage müssen Sie mir da schon gestatten: Für wie viele Frauen in Österreich ist das Signal? – Ich sage, nicht einmal für so viele unter der Wahrneh­mungsgrenze. Einen Großteil der österreichischen Frauen betrifft diese „großartige“ Neuerung gar nicht. Für die unzähligen arbeitenden Frauen in unserem Land gibt es de facto keine Verbesserungen.

Wir haben heute den Sozialbericht diskutiert. Erschreckenderweise haben wir da hören müssen, dass gerade ältere Frauen und Alleinerzieherinnen von der Armut am meisten betroffen sind. Und was machen Sie hier? – Sie setzen Pseudomaßnahmen, die de facto gar nicht wirklich greifen.

Für mich ist diese Forderung nach Quoten so ein Schielen mit dem linken Auge nach Absicherungspositionen, wie man das aus Norwegen kennt. De facto ist es nichts an­deres als Proporzdenken und Postenschacher. (Beifall bei der FPÖ.)

21.05



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 236

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


21.05.14

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegin Carmen Gartelgruber, was Sie als Postenschacher bezeichnen, das bezeichne ich als Gerechtigkeit. Es steht den Frauen zu, dass sie ihren Teil vom Kuchen des Reichtums bekommen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Frau Kollegin, Sie beklagen auf der anderen Seite, dass Frauen zu Unrecht weniger verdienen. Natürlich sollten sie auch besser verdienen, all diese Maßnahmen – das einkommensabhängige Karenzgeld et cetera – zielen darauf ab. Wir sind auf dem rich­tigen Weg.

Nun zu Ihrem Beispiel: Erstens, in Ihrem Antrag haben Sie sich insofern geirrt, als nicht das Bundesministerium für Justiz für diese Gesetzesänderung zuständig wäre, son­dern das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. – Das zum Ersten.

Zur Frage der Determination dieses Gesetzes: Diese Gesetzesmaterie ist im Gleichbe­handlungsgesetz, verfahrensrechtlich in der Gleichbehandlungskommission und in ver­schiedenen anderen Gesetzesmaterien geregelt – mittelbare Diskriminierung, unmittel­bare Diskriminierung, und, und, und. Sie ist ausreichend determiniert, ausreichend ge­regelt. – Das ist der zweite Punkt, den ich dazu anmerken möchte.

Zu Ihrem Beispiel der nicht geschlechtergerechten Stellenausschreibung, nämlich dass man diese Stelle von dem Salzburger Modeunternehmen/Trachtenunternehmen neu­tral ausschreibt, möchte ich Ihnen eines sagen: Der Beruf eines Schneiders/einer Schneiderin ist kein spezifischer Frauenberuf. Ganze Heerscharen von Frauen haben sich schon von Schneidern einkleiden, anpassen und etwas abmessen lassen. Ich er­innere an Gaultier – wie heißen sie denn alle? –, Hermès, Louis Vuitton, Donna Ka­ran – das ist eine der wenigen Frauen, die mir einfällt –, Westwood. Wie heißen denn all die Haute-Couture-Schneider, wo ganze Heerscharen von Damen sich nach wie vor darüber freuen, dass sie schöne Mode für Frauen machen? (Demonstrativer Beifall der Abg. Mag. Schwentner.) Und da wäre auf einmal eine neutrale Stellenausschreibung nicht am Platze!

Sie irren hier, Sie irren hier massiv und Sie suchen bewusst ein Beispiel heraus, um et­was ins Lächerliche zu ziehen. Ich sage Ihnen eines: Dieses Gleichbehandlungsgesetz erfüllt seinen Zweck. Es geht auch hier wieder einmal um ein Stück mehr Gerechtig­keit. – Mehr ist dazu nicht zu sagen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

21.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Schittenhelm gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.08.06

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zum Antrag der Frau Kollegin Gartelgruber kann ich nur sagen: Das erwähnte Bundesgesetz haben wir erst vor wenigen Wochen, im Jän­ner dieses Jahres hier im Haus novelliert. Das ist das eine. Außerdem sind die Begriffe „Diskriminierung“ und „Gleichbehandlung“ in den Richtlinien der Europäischen Union festgeschrieben. Daher ist eine Abänderung gar nicht möglich, weil sie rechtswidrig wäre. – Das dazu.

Ich möchte heute auch die Gelegenheit nutzen, der Gleichbehandlungsanwaltschaft ein Dankeschön für den Bericht zu sagen, der uns vorgelegen ist und der im Gleichbe­


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handlungsausschuss diskutiert wurde. Er ist eigentlich eine Dokumentation über die verschiedensten Themenbereiche, eine Darstellung von Beispielen, Beratungen be­züglich Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, Festsetzung des Entgeltes und auch der Arbeitsbedingungen, mit denen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu kämp­fen haben.

Es ist doch auch betrüblich, wenn man bedenkt, dass im Prüfungszeitraum 2008/2009 an die 9 000 Anfragen an die Anwaltschaft gestellt wurden, die diese auch behandelt hat. Ein Drittel dieser Anfragen – das muss man auch dazusagen – kam von Männern. Es ist also nicht so, dass es bei ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschau­ung, Alter oder sexueller Orientierung nur um Frauen geht, nein, auch Männer werden verstärkt in Mitleidenschaft gezogen.

Daher muss ich sagen: Die Arbeit der Anwälte zeigt ganz klar auf, wo wir nachstoßen müssen, wo wir uns kümmern müssen, dass es in Hinkunft weniger Diskriminierung gibt. Das ist ganz, ganz wesentlich auch für uns als Abgeordnete und Parlamentarier.

 Zur Frauenquote ganz kurz: Meiner Auffassung nach ist die Frauenquote, die hier mi­nisterratsmäßig beschlossen wurde, ein erster Schritt zu einer anderen und besseren Kultur, ein Aufzeigen der Fähigkeiten, der Möglichkeiten der Frauen, der Intelligenz der Frauen, ganz einfach ihrer Innovation und ihrer sozialen Kompetenz. Das soll ein Sig­nal in die Richtung sein, dass wir zu unseren Frauen und Mädchen nicht nur sagen: Macht eine gute Ausbildung, eine noch bessere Ausbildung!, sondern dass sie auch dort, wo sie ihr Können zeigen können, positioniert werden. Es ist auch unsere Aufga­be, solche Signale zu setzen.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass genau diese Frauen in Spitzenpositionen auch dazu beitragen werden, dass sich die Gehaltsschere im mittleren Bereich und auch im unteren Arbeitnehmerbereich entsprechend schließen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich wünsche mir von ganzem Herzen – und ich hoffe, dass das ein erster Schritt dazu ist –, dass ein gesunder Mix aus Frauen und Männern wie in allen Bereichen der Ge­sellschaft und in der Familie nicht nur die Fähigkeiten der Frauen besser hervorkehrt, sondern auch – und das ist nachgewiesen und zeigen deutsche und norwegische Stu­dien – einen wesentlich größeren Erfolg der Firmen bewirkt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.10


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Schwentner. – Bitte.

 


21.10.55

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ich finde es lustig, dass Sie bei einem eigenen Antrag, für den Sie, wie ich glaube, 4 Minu­ten Redezeit haben, es nicht einmal schaffen, die 4 Minuten Redezeit dem eigenen An­trag zu widmen, sondern über die Quote reden, die jetzt da eigentlich gar nichts ver­loren hat. (Abg. Zanger: Was wir in der Redezeit ... kann Ihnen wurscht sein!) Aber über diese kann man immer wieder und immer wieder diskutieren.

Wir haben es schon im Ausschuss diskutiert: Ich finde diesen Antrag wirklich sehr lus­tig, nämlich einfach einen Artikel aus der „Kronen Zeitung“ zu nehmen, in dem irgend­ein Schneider zitiert wird, dem es auf die Nerven geht, dass ihn die Gleichbehand­lungsanwältin anruft, und diesen in einen Antrag zu gießen. Und dann zu behaupten, dass Diskriminierung und Gleichbehandlung gesetzlich nicht entsprechend geregelt wä­ren, das finde ich wirklich nur lustig.

Aber es ist auch ein bisschen traurig, denn wir müssen uns mit solchen Dingen be­schäftigen, die eigentlich wirklich unseriös sind. Das muss man schon dazusagen.


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Wenn Sie das genau durchlesen – aber Sie müssten dazu sogar zwei Gesetze an­schauen, nämlich das Bundes-Verfassungsgesetz und das Gleichbehandlungsgesetz, und das ist offensichtlich zu viel erwartet –, dann würden Sie herausfinden, dass die beiden Begriffe sehr gut gesetzlich geregelt sind und dass es da eigentlich wenig Be­darf im Sinne dieses Herrn Schneiders gibt, bei dem Sie nicht einmal nachgefragt ha­ben.

Sie haben auch bei der Gleichbehandlungsanwältin nicht nachgefragt. Zumindest ha­ben Sie im Ausschuss mir gegenüber nicht äußern können, dass es da irgendwie Handlungsbedarf gibt. Weil sich halt ein kleiner Schneider aufpudelt und in der „Kronen Zeitung“ vorkommt, muss man nicht gleich einen Entschließungsantrag machen. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

21.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haub­ner. – Bitte.

 


21.12.32

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Frau Prä­sidentin! Ich kann mich im Großen und Ganzen meinen Vorrednerinnen anschließen. Frau Kollegin Wurm, ich bin nicht immer mit Ihnen einer Meinung, aber das, was Sie jetzt über die Haute Couture und über die Schneider gesagt haben, hat mich – so muss ich sagen – sehr positiv erheitert. Ich danke auch für diesen Beitrag und für diese prak­tischen Beispiele, die Sie hier gezeigt haben. (Abg. Neugebauer in Richtung der Abg. Mag. Wurm –: Das war ein Lob!) – Ich habe Sie gerade gelobt! Sie haben es lei­der nicht gehört. (Abg. Mag. Wurm: Danke!)

Ich sehe da keinen Anlass zur Änderung. Ich glaube – wie meine Vorredner auch schon gesagt haben –, diese beiden Begriffe „Diskriminierung“ und „Gleichbehandlung“ sind ausreichend geregelt. Dass wir uns jetzt mit diesen auseinandersetzen sollen und uns aufgrund eines Zeitungsartikels damit genauer befassen sollen, ist meines Erach­tens nicht erforderlich. Ich glaube, wir sollten uns immer wieder mit dem Gleichbehand­lungsgesetz befassen und schauen, ob es Änderungen, Verbesserungen geben kann oder geben soll, das ist überhaupt keine Frage, aber das jetzt auf zwei Begriffen aufzu­hängen, sehe ich fast ein bisserl schräg.

Da fällt mir ein: Wenn ein Wort fachlich falsch verwendet wird, dann kann das Wort nichts dafür, sondern derjenige, der es anwendet. – Danke. (Beifall bei BZÖ, SPÖ, ÖVP und Grünen.)

21.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Binder-Maier. – Bitte.

 


21.14.08

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Es ist ein ernstes Thema, das uns aber in der Argumentation auch zum Schmunzeln bringt. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass die Normen im Zusammenhang mit Diskriminierung und Gleichbehandlung eindeutig klar geregelt sind. Die Definitionen sind eindeutig.

Vielleicht ein Wort zur Gleichbehandlungsanwaltschaft: Es ist eine unabhängige staatli­che Einrichtung, die die Durchsetzung des Rechts auf Gleichbehandlung und Gleich­stellung zum Schutz vor Diskriminierung zum Ziel hat. Diese Gleichbehandlungsan­waltschaft macht eine sehr gute Arbeit. Sie ist notwendig und wichtig. Es gibt jährlich immer wieder viele Anfragen zu dieser Thematik. Es geht vor allen Dingen darum, dass Diskriminierung in der Arbeitswelt, in anderen Berufs- und Themenbereichen verboten ist.


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Wir sind davon überzeugt, dass der vorliegende Antrag keinerlei Handlungsbedarf er­forderlich macht. Wir lehnen diesen Antrag ab, unterstützen aber die Ministerin auf ih­rem Weg zu einem weiteren Stück mehr an Gerechtigkeit und Gleichbehandlung. (Bei­fall bei der SPÖ. – Bundesministerin Heinisch-Hosek: Bitte sehr!)

21.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Fuhrmann. – Bitte.

 


21.15.32

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Wenn es darum geht, den Weg für konstruktive Gleichbehandlungspolitik weiter zu be­schreiten, so möchte ich an die letzte Plenarsitzung erinnern, wo wir erst kürzlich das Gleichbehandlungsgesetz novelliert haben, wo es wirklich darum geht, Diskriminierung effektiv vorzubeugen. Ich erinnere an den geschlechterspezifischen Einkommensbe­richt, ich erinnere an die höhere Strafe für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, ich er­innere an den Diskriminierungsschutz, der für Gleichbehandlung sowohl innerhalb als auch außerhalb der Arbeitswelt sorgen soll. Und so gibt es noch viel zu tun. Zuletzt ha­ben wir über die Einführung einer Frauenquote in staatsnahen Betrieben diskutiert, wo sich auch unsererseits Bundesminister Mitterlehner stark gemacht hat.

Ich denke, das sind Maßnahmen, die wirklich im Sinne der Gleichbehandlung sind. Sol­che Maßnahmen – so denke ich – sind auch mehr wert als die Diskussion über be­stimmte Wörter und Definitionen. Ich kann mich, was das betrifft, ohnehin nur meinen Vorrednerinnen anschließen, dass das auf EU-Ebene eindeutig geregelt ist. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.16


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Csör­gits. – Bitte.

 


21.16.39

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesmi­nisterin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich kann in vielen Punkten meinen unmit­telbaren Vorrednerinnen Recht geben und nahtlos daran anknüpfen. Ich darf mich gleich zu Beginn einmal auch in meinem Namen und im Namen meiner Fraktion ganz, ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ressorts, aber vor allem auch bei den Kolleginnen und Kollegen der Gleichbehandlungskommission für die her­vorragende Arbeit bedanken und mich auch für die Berichte, die wir im Ausschuss dis­kutieren konnten, sehr herzlich bedanken. Sie sind eine sehr, sehr gute, brauchbare Unterlage für unsere Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Was den Antrag anbelangt, so kann ich mich in der Argumentation nahtlos auch dem anschließen, was bereits gesagt worden ist. Für uns sind die im Gleichbehandlungsge­setz angeführten und die Diskriminierungsbestandteile ausreichend formuliert. Was wesentlich sinnvoller, wichtiger und richtiger ist – aber da haben Sie vonseiten der FPÖ ja leider keine Zustimmung gegeben –, war die letzte Novelle des Gleichbehandlungs­gesetzes, die sichergestellt hat, dass es einerseits zu einer Einkommensoffenlegung, zu einem Einkommensbericht kommt, und dass vor allem auch in den Stellenan­geboten künftig die Damen und Herren herauslesen können, welches Einkommen sie zu erwarten haben. Das sind wichtige, gute Maßnahmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Cor­tolezis-Schlager. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 240

21.18.08

Abgeordnete Mag. Katharina Cortolezis-Schlager (ÖVP): Frau Vorsitzende! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Debatte um Schnei­der/Schneiderinnen dürfen wir nicht vergessen, dass heute bereits 40 Prozent der Un­ternehmerinnen und Unternehmer weiblich sind. Frauen sind daher nicht nur Ange­stellte, sie sind auch Selbständige – und das ist gut so, dass sie alle Berufe ausfüllen können und sollen und wollen. Genau dort wollen wir mit dem Gleichbehandlungs­gesetz hin, dass die ganze Palette an Handlungsmöglichkeiten von Frauen und Män­nern gleichermaßen gewählt wird.

Dann ist es aber Aufgabe der Unternehmerinnen und Unternehmer und der Führungs­kräfte, sich auszusuchen, wer am besten geeignet ist. Sie tun ja gerade so, als wenn man eine Ausschreibung hat und sich dann nicht aussuchen dürfte, wer für diese Po­sition am besten geeignet ist. (Abg. Rädler: Genau!) Selbstverständlich bleibt das in der Möglichkeit der Führungskräfte, die für diese Stelle bestqualifizierte Person heraus­zunehmen. Es darf nur nicht aufgrund des Geschlechts eine Diskriminierung geben, aber Eignung und Neigung gehören zusammen. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Übrigen bin ich dafür, dass der öffentliche Dienst mit gutem Beispiel vorangeht. Frau Bundesministerin, schaffen wir es gemeinsam, dass der öffentliche Dienst die Führungskräftepositionen nicht nur im Bildungsministerium, sondern in allen Ressorts nicht nur heruntersetzt, sondern wieder hinaufsetzt, und dass wir ebenso viele Auf­sichtsrätinnen wie -räte haben und ebenso viele weibliche Führungskräfte an der Spit­ze! Das entspricht den Qualifikationen und dem Ausbildungsstand unserer Frauen heute.

Die Wirtschaft zeigt, sie kann nicht auf das ganze Potential verzichten. Sie nutzt es in allen Rollen: als Unternehmerin, als Angestellte, als Schneiderin, als Kleidermacherin, aber auch Aufsichtsrätinnen können künftig weiblich sein. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.19

21.20.01

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlusswort wird von der Frau Berichterstatterin nicht verlangt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, seinen Bericht 1103 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür die Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

21.20.37 24. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 783/A(E) der Abge­ordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiter­führung und Ausbau von bestehenden Initiativen und Projekten zur Unterstüt­zung von Mädchen und Frauen bei der nicht-traditionellen Berufs- und Berufs­ausbildungswahl (1104 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mühlberghuber. – Bitte.

 


21.21.11

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Mädchen entscheiden sich nach wie vor immer wieder für traditionelle Frauenberufe, obwohl sie über Vielfältigkeit und Fer­


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tigkeiten in technischen, handwerklichen Bereichen verfügen. Laut Studien interes­sieren sich 40 Prozent der Mädchen für technische Berufe oder schätzen sich diesbe­züglich als begabt ein, aber in letzter Konsequenz entscheiden sie sich trotzdem wie­der für traditionelle Frauenberufe.

Meine Damen und Herren, wichtig ist, dass sich Mädchen oder junge Frauen informie­ren und über die verschiedensten technischen Berufe beraten lassen können. Es gibt auch eine Vielzahl von Informationsangeboten oder Beratungsangeboten, die auch sehr gut und sehr gerne angenommen werden. Am Ende der Pflichtschule werden in den Hauptschulen die „Schnuppertage“ angeboten, es gibt in Niederösterreich den Ta­lente-Check, es gibt Betriebe, die besucht werden, Schulklassen besuchen Berufsmes­sen und so weiter und so fort. Durch die beiden Projekte „FIT“ und „mut!“, „Frauen in die Technik“, „Mädchen und Technik“, werden die Schülerinnen einerseits motiviert und andererseits bei der Berufswahl im technischen Bereich unterstützt. Diese beiden Pro­jekte im Bildungsbereich sind positiv zu bewerten, da sie der Berufsberatung dienen. Die Mädchen werden dadurch nicht in die Berufswahl gedrängt, sondern sie können sich unverbindlich informieren.

Frau Bundesminister, Sie erwähnen immer das niedrige Einkommen und das geringe Ansehen der traditionellen Frauenberufe gegenüber den technischen Berufen. Frau Bundesminister, Sie sind ja die Frauenministerin, und Sie sind auch verantwortlich da­für. Sie hätten die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass die typischen Frauenberufe auf­gewertet werden. Machen Sie einmal eine Kampagne! (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Ich hätte es gern, wirklich!) Machen Sie einmal eine Kampagne, wie zum Bei­spiel „Finde deinen eigenen Weg!“. Eine Kampagne in dieser Richtung wäre einmal auch sehr, sehr nett.

Meine Damen und Herren! Mädchen darf man in die technischen Berufe nicht wegen eines höheren Gehalts hinein locken oder hinein drängen. In erster Linie muss der Be­ruf Spaß machen, Freude machen, und auch das Interesse und die Begabung müssen berücksichtigt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind für den Entschließungsantrag betreffend Weiterführung und Ausbau der be­stehenden Initiativen und Projekten zur Unterstützung von Mädchen, jedoch gegen ei­ne Zuweisung in den Unterrichtsausschuss. Eine Zuweisung bedeutet immer wieder nur eine Zeitverzögerung und letztendlich eine Vertagung. Und wir sind gegen Verta­gungen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

 


21.24.41

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ho-hes Haus! Frau Kollegin Mühlberghuber, natürlich gibt es eine Vielzahl von Alternati­ven, die Sie ja dankenswerterweise aufgezeigt haben, wo junge Frauen, Mädchen, aber auch junge Burschen sogenannten nicht-traditionelle Berufe kennenlernen kön­nen. Ob das jetzt Schnuppertage sind, ob das der Girls‘ Day ist oder ob das der Boys‘ Day ist – da gibt es schon eine Vielzahl von Ansätzen.

Trotz allem geht es schon darum, junge Frauen vermehrt auch für technische, natur­wissenschaftliche Berufe zu interessieren, ihnen aber auch tatsächlich dann diese Be­rufsmöglichkeiten zu eröffnen. Da geht es nicht nur um ein besseres Gehalt, da geht es auch um mehr Arbeitsplatzsicherheit, und da geht es vor allem auch um Fähigkeiten, die häufig im Kleinkindalter nicht vermittelt worden sind. Deswegen muss man ja auch schon ganz früh anfangen, beispielsweise bei den Kinderbüchern oder im Kindergar­ten, eine geschlechtssensible Kindergartenpädagogik zu machen. Es fängt an bei den


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Schulbüchern, und es bedarf einer ganzen Fülle von unterschiedlichen Maßnahmen, die dazu führen sollen, dass sich Frauen aus diesen traditionellen Bahnen auch in neue Bahnen hinein wagen. (Abg. Zanger: Aber wenn sie es nicht wollen?)

Auf der anderen Seite gibt es auch Männer, die das nicht wollen. Es wird immer einen gewissen Anteil geben, der das nicht will, aber die Chance werden Sie hoffentlich doch den Frauen auch nicht absprechen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zanger: Das tu ich auch nicht!)

Warum wir den Antrag dem Unterrichtsausschuss zuweisen, hat folgenden Grund: Es handelt sich um zwei Projekte, die in der Form nicht mehr bestehen, und es soll im Zu­sammenhang mit der ganzen Neuorientierung, auch mit den Vorbereitungsarbeiten der Neugestaltung der beruflichen Beratung überlegt werden, was zweckmäßigerweise weitergemacht wird. Ich denke, die Spreizung der Berufe ist für die Arbeitsplatzsicher­heit, für das Einkommen, für die persönliche Weiterentwicklung sehr wichtig, aber was noch wesentlicher ist: Wir brauchen zusätzlich mehr Role Models. Es werden sich die Frauen immer stärker daran orientieren, wenn sie eine Ausbildung machen, ob sie eine Chance haben, dann in diesen Ausbildungen zu arbeiten.

Das halte ich für einen ganz wesentlichen Aspekt, und ich denke, wenn wir das gesam­te Paket gemeinsam bearbeiten, sind wir gut beraten. Ich bin der Meinung, dass dieses Paket im Unterrichtsausschuss, wo sich engagierte Frauen genauso dafür einsetzen, eine sehr gute Beratung finden wird, und ich bin überzeugt, dass es eine positive Lö­sung geben wird, da wir zwei Ministerinnen haben, die sicherlich mit großer Vehemenz für gute Lösungen für junge Frauen eintreten. (Beifall bei der SPÖ.)

21.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Mag. Schwentner. – Bitte.

 


21.27.16

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Die beiden Projekte, von denen die Kollegin Mühlberghuber gesprochen hat und die ich in dem Antrag auch drinnen habe, gibt es leider nicht mehr, und die sind ja Anlass für meinen Antrag. Ich gebe Ihnen, Frau Kollegin Silhavy, ja in allem inhaltlich recht, nur ist es so, dass es offenkundig Projekte wie „mut!“ und „FIT“ gibt, also „mut“ für die Förderung von Mädchen und Technik und „FIT“ für Frauen in Technik, Berufsfindungs- und Berufsinformationsprogramme, vor allem dann im universitären Bereich, die einge­stellt worden sind, aber es ist für mich nicht erkennbar, wo da jetzt weitergehend gear­beitet wird.

Ich weiß, inhaltlich sind wir alle d’accord, und es gab auch eine große Kampagne von Ihnen, Frau Ministerin, „Finde deinen eigenen Weg!“. Wir haben versucht, den Weg zu finden, insofern, als wir erfahren wollten, was es jetzt diesbezüglich an Vorhaben gibt; für mich war das aber nicht eruierbar. Abgesehen davon, dass natürlich vom elemen­tarpädagogischen Bereich bis zur Berufsfindung geschlechtersensibel unterrichtet und begleitet werden soll, war einfach nicht herauszufinden, was jetzt wirklich geplant ist. Ich befürchte, dass ganz wichtige Projekte, die gut angekommen sind, aufgegeben werden, und zwar aus Spargründen, und dass denen nichts nachfolgt – außer Lippen­bekenntnissen. Im Regierungsübereinkommen steht zwar, dass bestehende Initiativen weitergeführt werden sollen, dass Mädchen bei der Wahl von nichttraditionellen Beru­fen unterstützt werden sollen, aber ich finde es nirgendwo.

Wir sind uns alle einig, es fängt schon ganz früh an, und die Gehaltsschere geht dann auseinander. Das ist sowohl in den Lehrberufen so als auch später, weil eben viel we­niger Frauen auf der Technischen Universität studieren oder qualifizierte technische


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Berufe ergreifen. Das heißt, der Gap geht da auf, und ich halte es für sehr, sehr not­wendig, dass genau da entgegengesteuert wird. Das ist für mich im Moment aber nicht ersichtlich.

Gegen die Zuweisung haben wir gestimmt, weil ich glaube, dass es auch Aufgabe der Frauenministerin ist, koordinierend zu wirken. Das heißt, wir hätten das auch im Gleichbehandlungsausschuss verhandeln können, und ich glaube, wir hätten auch die Möglichkeit gehabt, die Frau Unterrichtsministerin in den Gleichbehandlungsausschuss zu holen. Zumindest weiß ich noch immer nicht, warum wir das nicht tun sollten, denn das wäre auch eine Aufwertung des Ausschusses, wenn wir Materien wie diese im Gleichbehandlungsausschuss diskutieren. (Beifall bei den Grünen.)

Insofern vermisse ich es – und es ist auch im Nationalen Aktionsplan in den verschie­densten Punkte enthalten –, dass genau in diesem Bereich Maßnahmen gesetzt wer­den. Ich würde gerne wissen, wo diese Maßnahmen sind – die sind für mich nicht er­kennbar. Ich bitte Sie um Unterstützung, dass wir gemeinsam in diesem Sinn arbei­ten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Höllerer gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.30.28

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nisterin! Werte Damen und Herren! Ja, es stimmt, in Österreich sind noch wenige Mäd­chen in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen tätig, sie sind dort dünn ge­sät. Die Frauen und Mädchen konzentrieren sich auf bestimmte Berufe und Ausbil­dungen. Oft steht nicht ihre eigene Entscheidung dahinter, vielmehr wissen Jugendli­che oft gar nicht, wie viele Berufsmöglichkeiten ihnen offenstehen. Sie erkennen auch ihre Fähigkeiten nicht immer, insbesondere die Mädchen nicht, wenn es darum geht, sich für Handwerk oder Technik zu entscheiden. Umso leichter sind sie natürlich auch beeinflussbar durch Peergroups oder auch durch die eigenen Eltern. Das schränkt ihre Möglichkeiten ein, auf dem Arbeitsmarkt alle Chancen entsprechend zu nützen.

270 Lehrberufe gibt es. 50 Prozent der Mädchen entscheiden sich aber immer noch für Einzelhandel, Bürokauffrau oder Friseurin. Ein ähnliches Bild findet man auch bei den weiterführenden Schulen. Der Anteil der Mädchen in den wirtschaftsberuflichen Schu­len liegt bei 94 Prozent, bei den Sozialberufen sind 86 Prozent Mädchen, die in Ausbil­dung sind. 90 Prozent beträgt der Burschenanteil in den HTLs.

„Mut!“ – Mädchen und Technik – und „FIT“ – Frauen in die Technik – sind österreich­weite Projekte, die im Auslaufen sind. Man muss allerdings auch anmerken, dass mit den Materialien und mit den Ergebnissen weitergearbeitet wird, insbesondere in den Bundesländern. Es gibt auch viele spezielle Angebote des AMS in den Bundesländern, die greifen, die Wirkung zeigen.

Aber ich stimme mit all jenen überein, die meinen, dass es einer Sensibilisierung be­darf, insbesondere bei jenen, die eine Relevanz haben, wenn es darum geht, die Mäd­chen auch berufsbildend und weiterführend zu beraten, also bei den Mädchen selber, bei den Eltern natürlich, selbstverständlich auch bei den Betrieben und vor allem auch bei den Pädagoginnen und Pädagogen. Daher denke ich, dass dieser Antrag im Unter­richtsausschuss sehr gut aufgehoben ist. Wir stimmen natürlich dem Antrag zu. – Dan­ke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haub­ner. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 244

21.32.35

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Der vorliegende Entschließungsantrag ist aus unserer Sicht ein klar formulierter Antrag, der ganz eindeutig die Bundesregierung auffordert, die beiden Projekte „mut!“ und „FIT“ aufgrund ihres Erfolges weiterzuführen und deren Finanzierung sicherzustellen. Daher ist für mich nicht nachvollziehbar, dass dieser Antrag wieder einem Ausschuss, sprich dem Unterrichtsausschuss, zugewiesen wird.

Ich frage mich als Mitglied des Gleichbehandlungsausschusses schön langsam, was wir in Zukunft in diesem Ausschuss machen werden, wenn wir alles vertagen oder an einen anderen Ausschuss weiterleiten, weil angeblich keine Zuständigkeit da ist. Man hat es ja auch bei der letzten Diskussion über den Gleichbehandlungsbericht des Bun­des und der Privatwirtschaft gesehen, wo es gerade beim Gleichbehandlungsbericht des Bundes darum gegangen ist, die unterschiedlichen Frauenförderpläne der Minis­terien zu diskutieren, und wo die Frau Bundesministerin gesagt hat, Genaueres könne sie da nicht sagen, sie könne nur eine Zusammenschau geben, aber im Detail müssten die Minister Auskunft geben.

Den Vorschlag und die Idee, den Ausschuss insofern aufzuwerten, als Auskunftsper­sonen eingeladen werden könnten, hat ja die Frau Vorsitzende Wurm nicht ganz abge­lehnt. Sie hat gesagt, wir könnten darüber reden. Wir sollten, wie ich meine, überhaupt darüber reden, wie wir diesen Ausschuss, der aus meiner Sicht wichtig sein kann, auf­werten können, damit nicht jeder Antrag irgendwohin geschickt wird. Irgendwie ist das frustrierend, vor allem wenn es sich um einen Antrag handelt, bei dem wir alle der Mei­nung sind, dass er wichtig ist, dass er gut ist, dass wir etwa mehr Frauen, mehr Mäd­chen für nichttraditionelle Berufe interessieren sollten, und zwar aus den verschiedens­ten Gründen, die schon erwähnt worden sind.

Daher werden wir natürlich dieser Zuweisung nicht zustimmen, sondern wir wollen, dass dieser Antrag auch im Gleichbehandlungsausschuss entsprechend behandelt wird. (Beifall beim BZÖ.)

21.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ablin­ger. – Bitte.

 


21.35.01

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Frau Ministerin! Liebe Judith Schwentner, du hast die Frage gestellt: Wo ist denn der Weg, wenn das eingestellt ist? Wie geht das weiter?

Zum Hintergrund noch einmal: Eine der zentralen Ursachen für den Einkommensunter­schied ist der segregierte Arbeitsmarkt. Im Wesentlichen ist es so, dass in Österreich Frauen vor allem im Dienstleistungssektor arbeiten, Männer im technischen Bereich und in der Produktion, und es beginnt mit einseitiger Berufswahl. Um das eben zu än­dern, braucht es viele unterschiedliche Ansätze. Das ist im Übrigen auch eine Erkennt­nis aus diesem Projekt „mut!“, dass es nicht nur ein Projekt braucht, sondern verschie­dene Ebenen. Zum Beispiel ist Genderkompetenz bei PädagogInnen ganz wesentlich, aber auch so etwas wie eine geschlechtsreflektive Berufsorientierung bei Mädchen und bei Burschen. Es neigen nämlich auch die Burschen zu einseitigen Maßnahmen und einseitiger Berufswahl. Die Technikförderung muss früh und strukturell beginnen.

Du sagst, „mut!“ gibt es nicht mehr und „FIT“ gibt es nicht mehr, es gebe also gar nichts mehr. Das stimmt aber nicht, sondern die Erkenntnis, dass das Angebot breitge­fächert sein muss, ist erstens in den NAP eingeflossen, und es gibt ein breites Maß­nahmenpaket. Ich möchte nur einige der Maßnahmen nennen: Zum Beispiel gibt es in den Berufsinformationszentren Schwerpunkte für geschlechtssensible Berufsorientie­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 245

rung. Ich war selbst mit meinen SchülerInnen dort, und es ist ein ganz wesentlicher Punkt, dass sie dort, wenn es um die Berufswahl geht, Angebote bekommen.

Es gibt – das kennen wir alle – den Girls’ Day. Es gibt zusätzlich die Initiative Gen­der, wo es darum geht, dass Unterrichtsmaterialien für uns Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen – ich sage das aus der eigenen Berufserfahrung –, wo man sich spezifisch mit dieser geschlechtssensiblen Berufsorientierung auseinandersetzen kann beziehungsweise muss. Wenn ich es tue, dann brauche ich pädagogisches Material dazu, und das gibt es.

Es gibt zum Beispiel das Forschungsprojekt zur Förderung von Genderkompetenz an Schulen – da sind die AnsprechpartnerInnen und die Zielgruppe wieder die Päda­gogInnen selbst –, wo es darum geht, wie man ihnen die Kompetenz beibringen kann. Es gibt im bmvit die Initiative „Talente entdecken und Nachwuchs gewinnen“, wo Sommerpraktika in österreichischen Forschungsbetrieben gefördert werden. Die stellen heuer besonders die Mädchen in den Mittelpunkt.

Es gibt, ich kann gar nicht alles auflisten, zum Beispiel noch das fforte-Projekt, wo es wieder darum geht, Mädchen im Bereich von Technik und Naturwissenschaften zu fördern und den Anteil von Mädchen in technischen Berufen zu erhöhen. Es gibt „FIT“-BotschafterInnen, die man an die Schulen holen kann und die abrufbar sind. Das, um nur einige Beispiele zu nennen. Also wenn man sagt, es gäbe nichts mehr, dann stimmt das nicht, sondern das setzt bei einer breiten Zahl von Maßnahmen an und reagiert auf die Erkenntnis, dass nicht nur eines zählt, sondern vieles in diesem Puzzle notwendig ist. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Win­ter. – Bitte.

 


21.37.59

Abgeordnete Dr. Susanne Winter (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Wie die FPÖ inhaltlich zu diesem Antrag steht, hat ja schon meine Kollegin ausgeführt.

Etwas, Frau Minister, möchte ich Sie aber schon fragen, nämlich warum es Ihnen ei­gentlich nicht gelungen ist, Ihren Koalitionspartner dazu zu bringen, diesem Antrag zu­zustimmen und diese beiden von Ihnen so präferierten Projekte „mut!“ und „FIT“ ganz einfach weiterzuführen. Wenn man Ihr Leitpapier liest, und das habe ich gemacht, sieht man nämlich, dass Sie darin zwar nicht explizit diese beiden Projekte ansprechen, aber dennoch merkt man die Begeisterung und die Zustimmung. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Sie doch nicht so absolut davon begeistert sind und doch nicht an die Zukunftschancen dieses Projekts glauben.

Schauen wir nur die Werbekampagne „Frauen im Bundesheer“ an. Diese gibt es seit elf Jahren, und bis dato sind nur 330 Frauen im Bundesheer beschäftigt. Das sind knapp einmal 2 Prozent.

Auch Frau von der Leyen in „good old Germany“ hat dieses Projekt vor einigen Jahren initiiert. Gestern ist dazu eine Studie herausgekommen. Trotz intensivster Maßnahmen versuchter Beeinflussung von Frauen, was die Berufswahl betrifft, findet sich unter elf Elektrikern immer noch nur eine Frau. Literatur hingegen haben von vier Personen drei Frauen studiert, und Führungspositionen will nach wie vor nur eine Frau von vier. Und – das ist für uns auch das Wichtige – es ist egal, ob eine Frau Hausfrau oder ar­beitende Frau ist, sie sind beide gleich glücklich und zufrieden. (Beifall bei der FPÖ.)

Da bin ich aber sehr froh, dass wir von der FPÖ eine ganz andere Ideologie haben, nämlich dass wir den Frauen ganz einfach freistellen wollen, dass wir ihnen die Wahl­freiheit geben möchten, welchen Beruf sie haben wollen und ob sie nicht vielleicht doch auch Hausfrau werden wollen. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 246

Und all jenen Damen und Herren hier in diesem Saal – Herren sind ja gar keine im Ausschuss beziehungsweise nur zwei, gelegentlich einmal –, die unbedingt immer wol­len, dass Frauen schnell und möglichst immer in die Arbeit gehen, möchte ich ein Zitat von Nicholas Rockefeller vorlesen. Er sagt betreffend die berufstätigen Frauen Folgen­des:

„Der Feminismus ist unsere Erfindung aus zwei Gründen. Vorher“ – und bitte jetzt gut zuhören – „zahlte nur die Hälfte der Bevölkerung Steuern, jetzt fast alle, weil die Frau­en arbeiten gehen.“ – Mehr ist dazu nicht zu sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Mag. Schwentner.)

21.40


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. – Bitte.

 


21.40.48

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Der vorliegende Entschließungsantrag mit dem Inhalt, Mädchen und Frauen bei der nicht-traditionellen Berufs- und Berufsausbildungswahl zu unterstützen, ist mit Si­cherheit nicht zu verwerfen, gleichzeitig muss aber auch festgestellt werden, dass es sehr wohl – das haben auch meine Vorrednerinnen gesagt – schon zahlreiche Initiati­ven gibt und diese auch noch fortgesetzt werden.

In den Frauen- und Mädchenberatungsstellen werden künftig Vorbereitungskurse auf technische, handwerkliche und Umweltberufe zur erweiterten Berufsorientierung für Frauen und Mädchen angeboten.

Was ebenfalls schon meine Kollegin erwähnt hat: Ein sehr wichtiger Impuls ist auch der Girls’ Day, der in Österreich seit 2001 jedes Jahr zahlreichen Mädchen die Mög­lichkeit gibt, unbekannte und vor allem nicht-typische weibliche Berufsfelder kennenzu­lernen. An diesem Tag haben Mädchen und junge Frauen im Besonderen die Möglich­keit, technische beziehungsweise techniknahe handwerkliche Berufe in der Praxis zu erleben.

Weiters, und das möchte ich auch noch hervorheben, wurde durch die Zusammenar­beit zwischen dem BMASK und dem BMUKK die Kooperation mit den Schulen bereits forciert und auch sichergestellt, dass jede Schülerin ein Berufsinformationszentrum be­sucht und auch eine geschlechtersensible Berufsorientierung erhält. Dazu wurden auch die personellen Ressourcen in den BIZ des AMS aufgestockt.

Ich möchte noch hervorheben, dass ich es wichtig finde, dass Bildungsstätten noch mehr gefordert sind, die Erziehungsdefizite – beginnend bei unseren Kleinsten bis hin zu den Jugendlichen – in Bezug auf geschlechterneutrale Erziehung auszugleichen. Und ich finde es auch richtig, den vorliegenden Antrag dem Unterrichtsausschuss zu­zuweisen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Loh­feyer. – Bitte.

 


21.42.58

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Schon rund die Hälfte der jungen Frauen tritt in Berufsfel­der ein, die nicht typisch weiblich sind. Dass dies der Fall ist, liegt vor allem auch da­ran, dass mit Nachdruck daran gearbeitet wird, jungen Frauen, aber auch Wiederein­steigerinnen und jenen, die sich beruflich verändern wollen oder müssen, einen besse­ren Zugang zu verschiedensten, eben für Frauen nicht traditionellen Berufen zu ermög­lichen. Von verschiedenen Ministerien und auch vom AMS werden dazu wichtige Pro­jekte finanziert, unterstützt und auch koordiniert.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 247

Seit Mitte 2010 werden in mehreren Bundesländern eigene Frauenberufszentren als externe Beratungseinrichtungen angeboten, und zwar für Wiedereinsteigerinnen, aber auch für Frauen mit Qualifizierungsinteresse und Frauen, die keinen Beruf erlernt ha­ben. Diese bündeln Angebote für Frauen zur Höherqualifizierung und entwickeln auch individualisierte Betreuungsangebote wie Laufbahnperspektiven. Bis Mitte 2011 wer­den diese Pilotprojekte evaluiert und sollen auch entsprechend ausgeweitet werden.

Schon 2006 wurde vom AMS „Frauen in Handwerk und Technik“ gestartet, ein weite­res Projekt zur Förderung von Frauen, um sie für die Ausübung von nicht-traditionellen Berufen zu gewinnen, und bis 2010 haben fast 700 Frauen und Mädchen österreich­weit mit dieser Fit-Qualifizierung begonnen und das Projekt genützt, um beruflich Fuß zu fassen beziehungsweise ihre Qualifizierung zu erweitern.

In regionalen Qualifizierungsangeboten wurde im letzten Jahr mehreren tausend Frau­en eine Höherqualifizierung im Fachkräftebereich zuteil, meist in zukunftsorientierten Berufen mit Aussicht auf bessere Chancen am Arbeitsmarkt und eben auch besserem Einkommen.

In den schon erwähnten 60 Berufszentren in ganz Österreich werden junge Frauen durch entsprechende Berufsorientierung auf nicht-traditionelle Berufe aufmerksam ge­macht und dafür sensibilisiert, und das in ganz hervorragender Art und Weise auch in Zusammenarbeit mit den Schulen, wodurch gesichert ist, dass jede Schülerin eine der­artige Berufsorientierung erhält.

Natürlich ist der vorliegende Antrag zu unterstützen. Wir brauchen alle diese bestehen­den Projekte und Initiativen, und es werden noch weitere Maßnahmen zur Unterstüt­zung von Mädchen und Frauen von verschiedenster Seite notwendig sein – nicht nur, um die Einkommensschere zwischen den Geschlechtern zu schließen, sondern auch, um den Frauen insgesamt mehr Chancen in ihrem Leben zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.45

21.45.20

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, seinen Bericht 1104 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Ich weise den Antrag 783/A(E) dem Unterrichtsausschuss zu.

21.46.3325. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (1408/A)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 25. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Haubner zu Wort. (Rufe bei der ÖVP: Ist Stadler gar nicht da?) – Nein, Frau Abgeordnete Haubner ist die Erste, die sich zu Wort mel­det. (Rufe bei der SPÖ: Stadler, Stadler! – Abg. Mag. Schönegger: Das ist ein guter Ersatz!) – Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 4 Minuten.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 248

21.47.12

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Danke, ich sehe, es wird sehr positiv aufge­nommen vom Plenum, dass ich jetzt das Wort ergreife. – Danke! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Amon: Beides probiert, kein Vergleich!) – Danke!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es liegt hier ein Antrag vor, der sich im Besonderen mit einem Bereich beschäftigt, nämlich Kinder besser zu schützen, denn der Schutz der Kinder – und da glaube ich, sind wir alle einer Meinung – ist etwas, was wir nicht nur persönlich, sondern auch politisch vorrangig zu behandeln haben. Und es geht nicht nur um die Fälle, die über die Medien kommen, wie der Fall Cain oder der Fall Luca, sondern es sind im Verborgenen sehr, sehr viele Kinder, die vernachlässigt werden, die psychische und körperliche Gewalt zu spüren bekommen, die nicht diese Geborgenheit haben, die sie brauchen, um heranwachsen zu können, um auch ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu werden.

Leider Gottes werden auch immer mehr Kinder sexuell missbraucht. Hier ist es gerade uns als BZÖ sehr, sehr wichtig, nicht nur einmal hinzuschauen, wenn die Medien voll davon sind, sondern wirklich immer dort hinzuschauen, damit es Verbesserungen gibt. Hier wollen wir auch die Regierung in die Verantwortung nehmen, im Besonderen die Frau Justizministerin, aber auch den Familienminister und auch die Familienstaats­sekretärin, denn aus unserer Sicht wird hier zu wenig konkret und zu wenig rasch et­was getan.

Der heutige Antrag befasst sich mit der Strafe für jene, die Kinder missbrauchen, die Kinder quälen, vor allem Kinder zu Tode quälen. Hier ist aus unserer Sicht eine Un­gleichgewichtung im Strafgesetzbuch vorhanden.

Zum Beispiel ist das Quälen von Kindern mit Todesfolge gemäß § 92 Abs. 3 mit höchs­tens zehn Jahren Freiheitsstrafe zu ahnden. Im Vergleich dazu das Strafausmaß bei anderen Delikten, wie Raub mit Todesfolge oder Vergewaltigung mit Todesfolge: Hier kann eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden. Das ist aus unserer Sicht falsch gewertet: Der Kinderschutz, der Schutz unserer Kinder muss hier gleich gewich­tet sein!

Daher fordern wir auch die entsprechende Anpassung im Strafgesetzbuch (Beifall beim BZÖ), denn wir sind der Meinung: Wer Kinder quält, dem darf kein Pardon entgegen­gebracht werden, wer Kinder quält, der darf auch keine Gnade erwarten, denn es ist das Schlimmste, wenn jemand Kinder jeglicher Chance beraubt beziehungsweise sie auch auf diese Art bestraft.

Wir wollen aber nicht nur in diesem Bereich handeln. Wir als BZÖ haben zehn Punkte zum besseren Kinderschutz erarbeitet – auch was die Prävention anlangt. Ich möchte auf einige hinweisen, zum Beispiel auf die Erweiterung des derzeitigen Mutter-Kind-Passes zu einem Eltern-Jugend-Pass. Wir wollen aber auch, dass es rasch ein funktio­nierendes Bundesjugendhilfegesetz gibt. Die Frau Staatssekretärin hat versprochen, dass bis Ende März auch jene Länder zustimmen werden, die bisher ihre Zustimmung noch nicht gegeben haben. Es ist jetzt Ende März, wir haben aber diesbezüglich noch nichts gehört – wir werden dranbleiben.

Wir bleiben mit unseren parlamentarischen Initiativen dran, denn es kann nicht sein, dass in den Bundesländern unterschiedlich vorgegangen wird, wenn Kinder gefährdet sind. Es kann auch nicht sein, dass das letztendlich am Geld scheitern sollte, sodass nichts für den Kinder- und Jugendschutz gemacht wird.

Wir als BZÖ wollen aber auch eine generelle Anzeigepflicht bei Verdacht auf Miss­brauch und Misshandlung. Wir wollen, dass keine Verjährung von strafbaren Handlun­gen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung oder die Freiheit von minder­jährigen Opfern vorgesehen ist. Wir wollen eine Verdoppelung des Strafrahmens. Wir wollen generell härtere Strafen und konsequenten Strafvollzug.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 249

Ich glaube, es wird noch viel darüber diskutiert werden, auch im Zusammenhang mit diesem Antrag, den wir soeben in erster Lesung behandeln, denn es geht um unsere Kinder und da sollten wir alle verantwortungsvoll und in die Zukunft sehend vorge­hen. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

21.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.52.22

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kol­legen! Ich glaube, es liegt auf der Hand, dass jeder hier im Haus für Kinderschutz ein­tritt, das ist ja überhaupt keine Frage. Ich denke, dass man das etwas weiter sehen muss, nicht nur diesen Antrag. Wir werden im Justizausschuss sicherlich über die un­terschiedlichen Möglichkeiten reden.

Es gibt auch ein Bundesjugendhilfegesetz, das gerade hier erwähnt worden ist, das mir doch noch etwas entwicklungsfähig erscheint. Ich denke, dass wir dann im Justizaus­schuss die entsprechenden Debatten führen werden. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Don­nerbauer. – Bitte.

 


21.53.00

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, dass Verbrechen an Kin­dern das Abscheulichste ist, das man sich vorstellen kann. Daher sind wir uns hier hundertprozentig einig darin, dass es geeigneter, immer wieder auch neuer Maßnah­men bedarf, um solche Verbrechen zu verhindern. Das Strafrecht ist aber nur ein Teil davon; es gibt da viele Maßnahmen.

Die ÖVP steht für einen effizienten Kinderschutz – wir haben auch in der Vergangen­heit entsprechende Maßnahmen umgesetzt. Frau Kollegin Haubner, Sie können sicher sein, dass auch die Frau Justizministerin, der Herr Familienminister und die Familien­staatssekretärin voll dahinterstehen.

Es geht hier um die Frage einer Verschärfung von Strafen. Auch das ist, wie gesagt, eine Möglichkeit, eine Maßnahme, die man diskutieren kann und die wir gerne mit Ih­nen diskutieren werden. Sehen wir uns das an, auch im Sinne der Verhältnismäßigkeit, es ist durchaus möglich, hier eine solche Lösung mitzutragen. Aber wie gesagt, es geht um ein breiteres Maßnahmenpaket, das wir in der Zukunft gemeinsam weiterentwi­ckeln werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Ro­senkranz. – Bitte.

 


21.54.00

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! In diesem Antrag wird ein einzelner Paragraph des Strafgesetzbuches mit einer Strafdrohung herausgenom­men. Die Strafdrohungen sind an sich immer bis zu einem gewissen Grad ein Spiegel dessen, wie die Gesellschaft über ein bestimmtes Problem denkt. Es wird damit aus­gedrückt, welchen Handlungsunwert wir dem beimessen.

Wenn jemand als primäre Handlung Jugendliche, Kinder, Unmündige quält, dann hat das einen derart hohen Handlungsunwert, dass eine Todesfolge aus dieser Handlung


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 250

auf jeden Fall mit einer entsprechend hohen Strafe belegt werden muss. Wir unter­stützen daher diese Initiative.

Wir glauben aber, dass es durchaus auch andere Strafbestimmungen gibt – es wäre unter Umständen sinnvoll, wenn sich die Justizsprecher der Parteien einmal sämtliche Strafen vornehmen und einen entsprechenden Katalog erstellen würden –, wo Hand­lungsbedarf gegeben ist. Das könnten wir dann im Justizausschuss abarbeiten.

Ich denke dabei insbesondere auch an § 98 des Strafgesetzbuches, nämlich an die Regelung, wenn ein Schwangerschaftsabbruch ohne Einwilligung der Frau vorgenom­men wird und die Frau dadurch zu Tode kommt, denn die Strafdrohung – von sechs Monaten bis zu fünf Jahren – erscheint uns dafür auch zu wenig. (Beifall bei der FPÖ.)

21.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Mu­siol. – Bitte.

 


21.55.36

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Frau Präsidentin! Wie meine Vorredne­rInnen schon gesagt haben, sind Misshandlungen, das Quälen von Kindern und Ju­gendlichen Taten, die wir hier keinesfalls sozusagen auf die leichte Schulter nehmen sollten, bei denen wir uns nicht einfach zurücklehnen können.

Die Fälle, die öffentlich bekannt werden – Luca, Cain – sind ja nur die Spitze eines Eis­berges, die Spitze dessen, was sich tatsächlich in Österreich abspielt.

Meine VorrednerInnen haben auch schon gesagt, dass die Strafdrohung nur ein Teil der Maßnahmen sein kann; den kann man diskutieren. In diesem Zusammenhang ist aber schon auch darauf hinzuweisen, dass bereits bei der derzeitigen Strafdrohung die Strafgerichte oft Verfahren nicht zu Ende führen, weil sie zum Beispiel den ZeugInnen, den Kindern oder anderen Personen, die ZeugInnen waren, nicht Glauben schenken. Man muss also auch schauen, wie die Strafgerichte in diesem Bereich arbeiten. Es be­steht da vielleicht auch Aufklärungsbedarf des einen Richters oder der anderen Rich­terin.

Weil das Bundesjugendhilfegesetz heute hier schon genannt wurde: Der Entwurf, der jetzt vorliegt und von Staatssekretärin Remler bis zu einem gewissen Grad verteidigt wird, ist kein rühmlicher Entwurf und wird auch nicht die Prävention, die wir uns für die­se Fälle wünschen, bringen.

Natürlich ist es so, dass man in letzter Konsequenz keine dieser Taten wirklich verhin­dern kann, aber es gibt Maßnahmen, die zumindest die Wahrscheinlichkeit verringern. Wenn jedoch in einem Bundesjugendhilfeentwurf Geld mehr zählt als die Effizienz der Verhinderung von Misshandlung, dann muss man schon fragen, ob wir da auf dem richtigen Weg sind.

Und weil ich schon von Geld spreche: Jedes noch so gute Bundeskinder- und ‑jugend­hilfegesetz wird nicht dabei helfen, Kinder und Jugendliche zu schützen, wenn nicht die entsprechende finanzielle Ausstattung und entsprechendes Personal in den Jugend­ämtern, bei den Jugendwohlfahrtsträgern vorhanden sind. Wir alle wissen, dass das nicht gegeben ist und dass das auch der Grund dafür ist, dass die einen oder anderen präventiven Maßnahmen nicht mehr erfolgen können.

Vor diesem Hintergrund diskutieren wir das, aber diskutieren wir das im Gesamtpaket und über die Ausschussgrenzen hinweg. (Beifall bei den Grünen.)

21.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 251

Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1408/A dem Justizausschuss zu.

21.58.2026. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (501 St 104/10h) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abge­ordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler (1131 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 26. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort ist dazu niemand gemeldet.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1131 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Wien, GZ. 501 St 104/10h, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass kein Zu­sammenhang zwischen der inkriminierten Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler besteht.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

21.59.2627. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (501 St 104/10h) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Werner Neubauer (1132 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 27. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort ist dazu niemand gemeldet.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1132 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Wien, GZ. 501 St 104/10h, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Werner Neubauer wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass kein Zusammen­hang zwischen der inkriminierten Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeord­neten zum Nationalrat Werner Neubauer besteht.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

22.00.27Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Widmann, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Un­tersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der Verabsäumung rechtlicher In­terventionsmöglichkeiten gegenüber veralteten Atomkraftwerken in Grenznähe.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 252

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

§ 33 Abs 1GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Widmann, Ing. Lugar, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR zur näheren Un­tersuchung der Verabsäumung rechtlicher Interventionsmöglichkeiten gegenüber ver­alterter Atomkraftwerke in Grenznähe

Gegenstand der Untersuchung

Untersuchung der Frage, warum die österreichische Bundesregierung seit dem Melker Prozess bis dato die Möglichkeit diverser Rechtsmittel gegen veraltete Baugenehmi­gungen und EU-widerrechtliche UVP-Verfahren nicht wahrgenommen hat und welche konkreten Maßnahmen zum Schutz der österreichischen Bevölkerung vor der atoma­ren Bedrohung gesetzt wurden.

Untersuchungsauftrag

Der Untersuchungsausschuss soll durch die Anwendung aller in der VO-UA vorgese­henen Instrumente zum Untersuchungsgegenstand, insbesondere durch die Vorlage von allfällig relevanten Protokollen und Gutachten des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie durch die Anhörung von Aus­kunftspersonen, die den Gegenstand der Untersuchung bildenden Umstände ermitteln.

Begründung

Aufgrund der Ereignisse rund um das AKW Fukushima wurden die Risiken und Sicher­heitsmängel der Atomkraft in den Fokus gestellt. Das atomfreie Österreich ist umringt von diversen Schrottreaktoren alter Bauart, die verschiedene Sicherheitsmängel vor­weisen und dies schon seit geraumer Zeit. Die Bundesregierung gibt sich offiziell be­sorgt, nützt aber keine rechtlichen Möglichkeiten gegenüber unseren Nachbarstaaten, um ihrer Besorgnis Ausdruck zu verleihen.

AKW Temelin:

Im Zuge der Verhandlungen rund um die EU-Erweiterung wurden offene Sicherheits­fragen thematisiert. Der damalige Bundeskanzler Schüssel lehnte diese Vorgehens­weise ab und verhandelte das Melker Abkommen. Tschechien stellte die völkerrechtli­che Verbindlichkeit in Frage, was seitens der österreichischen Bundesregierung ohne Protest hingenommen wurde. Auf Wunsch von Tschechien wurde die Klärung unge­löster Sicherheitsmängel auf die unverbindliche Ebene des bilateralen Nuklearinforma­tionsabkommen verlagert. Seit Ende 2007 beabsichtigt der Energiekonzern ČEZ zwei weitere Reaktoren zu errichten, das diesbezügliche UVP-Verfahren widerspricht
EU-Recht. Österreich hat die Möglichkeit der Einleitung eines zwischenstaatlichen Ver­tragsverletzungsverfahrens nicht genutzt. Auch die Pläne Tschechiens, in Grenznähe diverse Atom-Endlager installieren zu wollen, wird hingenommen

AKW Mochovce:

2008 wurde begonnen, die hoffnungslos veralteten Reaktoren 3 und 4 fertig zu stellen. Obwohl es bekannt war, dass sich keine Lösung der Frage des fehlenden Volldruck­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 253

containments abzeichnete, legte die österreichische Bundesregierung keinen Protest ein. Auch gegen die Verwendung einer veralteten Baugenehmigung hatte man an­scheinend keinen Einwand einzubringen. Auch die berechtigten Zweifel an der
EU-Konformität des slowakischen UVP-Gesetzes wurden von der Bundesregierung nicht berücksichtigt. Stattdessen wurde im April 2010 bei einem Expertenworkshop zum Thema fehlende Sicherheitshüllen der Mochovce-Reaktoren eine von der slowaki­schen Seite vorgelegte Geheimhaltungsklausel unterschrieben und somit der Mantel des Schweigens über dieses Thema gebreitet.

Auch andere Atomkraftwerke wie Dukovany, Krsko oder Isar bilden aufgrund mangeln­der Sicherheitsvorkehrungen oder der Tatsache, dass sie in einem stark erdbebenge­fährdeten Gebiet erbaut wurden, ein erhebliches Gefahrenpotential.

Die Atomlobby beeinflusst die Atompolitik einzelner Staaten stark. Schweden, Italien, Frankreich, Slowakei und etliche andere Staaten sind an Atom-Unternehmen beteiligt. Besonders veraltete Atomkraftwerke sind sehr rentabel, da sich die Kosten für Sicher­heitsstandards in Grenzen halten. Daher werden wirtschaftliche Interessen werden vor Sicherheitsbedenken der Bevölkerung gestellt

Dies beweist auch die Verbindung diverser Politiker zur Atomlobby. Der frühere Bun­deskanzler Dr. Schüssel ist Aufsichtsratmitglied des deutschen Atomkonzerns RWE. Dieses Unternehmen trat sehr vehement für die Verlängerung der Betriebsdauer der deutschen Atomkraftwerke ein und trägt damit wesentlich zur Gefährdung der österrei­chischen Bevölkerung bei. Ein weiterer früherer Bundeskanzler, Dr. Gusenbauer, übt seit 2010 die Funktion des Aufsichtsratvorsitzenden der Firma STRABAG aus. Dieses Unternehmen beteiligt sich an der Realisierung des besonders gefährlichen Projekts zu Fertigstellung des hoffnungslos veralteten AKW Mochovce.

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Zur Untersuchung der Versäumnisse der österreichischen Bundesregierung hinsicht­lich rechtlicher Interventionsmöglichkeiten aufgrund EU-rechtswidirger Vorgehenswei­sen etwa im Zusammenhang mit UVP und SUP-Verfahren sowie Baugenehmigungen veralterter Atomreaktoren in Grenznähe und hinsichtlich der politischen Verantwortlich­keiten gegenüber der österreichischen Bevölkerung, sowie der Frage nach konkreten Maßnahmen zum Schutz ebendieser, wird ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, der aus insgesamt 16 Abgeordneten im Verhältnis 5 SPÖ 5 ÖVP 3 FPÖ 2 Grüne 1 BZÖ besteht.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Durchführung einer Debatte wurde weder verlangt noch beschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung über diesen Antrag auf Einsetzung eines Unter­suchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür die Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

22.01.17Einlauf

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1494/A(E) bis 1506/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 8153/J bis 8206/J eingelangt.

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Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 254

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 22.01 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

22.01.48Schluss der Sitzung: 22.01 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien