Parlamentskorrespondenz Nr. 455 vom 02.07.1997

JUSTIZAUSSCHUSS: SP-VP-MEHRHEIT FÜR NEUE ERMITTLUNGSMETHODEN

Beschluss gegen die Stimmen der Oppositionsparteien

Wien (PK) - In der heutigen Sitzung des Justizausschusses gelangten die Regierungsparteien zu einer Einigung über die letzten noch strittigen Punkte betreffend die neuen Ermittlungsmethoden. Lauschangriff und Rasterfahndung finden damit Eingang in die österreichische Strafprozessordnung. Das Gesetz, das auch eine Kronzeugenregelung enthält, tritt grundsätzlich mit 1.1.1998 in Kraft und ist auf vier Jahre befristet. Die Bestimmungen über den Lauschangriff gelten wegen notwendiger technischer und organisatorischer Vorarbeiten allerdings erst ab 1.7.1998. Vorgezogen auf 1.10.1997 werden hingegen die Passagen des Gesetzes hinsichtlich Rasterfahndung.

Heftige Kritik kam von den Oppositionsparteien, die diese Ermittlungsmethoden ablehnten. Grüne und Liberales Forum sprachen von Eingriffen in die Grundrechte, die FPÖ verwehrte sich vor allem gegen die Möglichkeit des Abhörens in Anwaltskanzleien.

Anwendungsbereiche der neuen, besonderen Ermittlungsmethoden Lauschangriff und Rasterfahndung sind die Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität, schweren Straftaten ab zehn Jahren Strafandrohung sowie Geiselnahme. Die optische und akustische Überwachung unter Verwendung technischer Mittel muss mit Ausnahme des Falles der Geiselnahme durch das Gericht angeordnet werden, wobei der Untersuchungsrichter bzw. die Ratskammer über einen diesbezüglichen Antrag des Staatsanwaltes zu entscheiden hat. Prüfung und Kontrolle der Anordnung und Durchführung der Überwachung obliegen einem vom Justizministerium bestellten Rechtsschutzbeauftragten. Die begleitende Kontrolle durch den Rechtsschutzbeauftragten bezieht sich auch auf die ordnungsgemässe Löschung der Daten.

Im Zuge der Beratungen des Unterausschusses konnten auch die Bestimmungen über den Schutz von Berufsgeheimnisträgern zwischen SPÖ und ÖVP abgeklärt werden. Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftstreuhänder, Psychiater und Psychotherapeuten, aber auch Journalisten können nur dann überwacht werden, wenn sie selbst verdächtigt sind, nicht aber, wenn sich ein anderer Verdächtigter mit ihnen in Verbindung setzt. Der Antrag des Staatsanwaltes auf Überwachung in Räumlichkeiten, die ausschliesslich der Berufsausübung dieser Personen gewidmet sind, bedarf der Ermächtigung durch den Rechtsschutzbeauftragten. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit muss dabei berücksichtigt werden. Ausgenommen von der Überwachung bleibt nach wie vor die berufliche Tätigkeit von Geistlichen.

Der Rechtsschutzbeauftragte wird vom Justizminister nach Einholung eines gemeinsamen Vorschlages des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft und des Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages bestellt.

Neu gegenüber der Regierungsvorlage ist nun eine Präzisierung der Regelungen für die Rasterfahndung: Unzulässig ist es, in einen Datenabgleich Daten einzubeziehen, die die rassische Herkunft, politische Anschauungen, religiöse oder andere Überzeugungen oder Merkmale des Gesundheitszustandes oder des Sexuallebens erkennen lassen. Dieses Verbot gilt aber nicht für die Einbeziehung von Daten über die Staatsangehörigkeit, Daten zur tatbildmässigen Bezeichnung einer Tätergruppe sowie von Daten, die die Sicherheitsbehörden durch erkennungsdienstliche Massnahmen ermittelt haben, in eine Rasterfahndung.

Das Gesetz enthält auch eine besondere Regelung für Kronzeugen in Form eines ausserordentlichen Strafmilderungsgrundes für Täter, die mit den Behörden bei der Aufklärung von Straftaten im Rahmen der organisierten Kriminalität zusammenarbeiten.

Abgeordneter Dr. FUHRMANN (SP) erklärte, der Exekutive werde unter bestmöglicher Wahrung der Grundrechte zur effizienten Bekämpfung der Schwerstkriminalität mit den neuen Ermittlungsmethoden ein modernes Instrumentarium an die Hand gegeben, damit sie ihrer Verpflichtung im Interesse der Sicherheit nachkommen könne.

Abgeordneter Dr. SCHWIMMER (VP) erkannte in den Bestimmungen ein ausgesprochen hohes Mass an Rechtsstaatlichkeit. Er verteidigte mit Nachdruck die Regelungen über den Lauschangriff bei Berufsgeheimnisträgern. Ein absoluter Schutz der Räumlichkeiten von Vertrauenspersonen wäre eine Einladung an die organisierte Kriminalität, sich ausschliesslich in solchen Lokalitäten niederzulassen, argumentierte Schwimmer.

Heftige Kritik an der Überwachung von Berufsgeheimnisträgern übte hingegen Abgeordneter Dr. OFNER (F). Der Bürger müsse die Sicherheit haben, dass er bei seinem Anwalt nicht abgehört wird, betonte er. Den Rechtsschutzbeauftragten bezeichnete Ofner als "missglückte Feigenblattkonstruktion", die auch verfassungsrechtliche Probleme aufwerfe. Den Richtern werde dadurch ein Vormund vorgesetzt, gab er zu bedenken.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) sah in den Ermittlungsmethoden einen krassen Demokratieabbau. Die Eingriffe in die Privatsphäre würden nicht dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen, meinte sie. Die Kronzeugenregelung hingegen fand ihre Zustimmung.

Abgeordnete Dr. SCHMIDT (L) lehnte die neuen Ermittlungsmethoden ebenfalls ab und befürchtete Eingriffe in die Rechte unbeteiligter Dritter. Sie warnte auch vor der Verrasterung sensibler personenbezogener Daten.

Justizminister Dr. MICHALEK versicherte, dass Eingriffe in die Grundrechtssphäre nur so weit zulässig sind, als es zur Verbrechensverfolgung unbedingt notwendig ist. Im übrigen sah er in der vom Ausschuss beschlossenen Version wesentliche Verbesserungen gegenüber der Regierungsvorlage. Zur Rasterfahndung stellte Michalek klar, dass die Ergebnisse des Datenabgleiches keinesfalls zum Aufbau einer Datenbank bei der Polizei führen dürfen.

ÄNDERUNG DES INSOLVENZRECHTES SOLL FIRMENPLEITEN VERMEIDEN HELFEN

Der Justizausschuss beriet weiters ein Insolvenzrechtsänderungsgesetz, das einerseits Unternehmens-insolvenzen vermeiden und andererseits Sanierungsmöglichkeiten bieten will. Das Gesetz erhielt die Zustimmung sämtlicher Fraktionen.

Kernpunkt der Novelle ist die Einführung eines Reorganisationsverfahrens für im Bestand gefährdete Betriebe mit dem Ziel, ihre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu verbessern und so ihre nachhaltige Weiterführung zu ermöglichen. Demnach ist ein Unternehmen, das sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, angehalten, ein Reorganisationskonzept vorzulegen, das durch einen vom Gericht bestellten Prüfer begutachtet wird. Reagiert ein Betrieb nicht rechtzeitig auf bestimmte Bilanzkennzahlen und leitet kein Reorganisationsverfahren ein, dann haften die vertretungsbefugten Organe im Konkursfall persönlich mit bis zu je einer Million Schilling.

Im Konkursverfahren selbst wird eine Prüfphase eingeführt. In diesem ersten Teil des Verfahrens soll abgeklärt werden, ob die Sanierung noch möglich ist. Erweist sich der Betrieb als sanierbar, soll der Schuldner einen Zwangsausgleichsvorschlag vorlegen können. Scheitert dieser oder ist das Unternehmen nicht sanierbar, ist es als Ganzes zu veräussern oder zu liquidieren.

Aufgewertet wird das Ausgleichsverfahren, das dem Schuldner künftig bereits bei drohender Insolvenz Hilfe bieten soll. Um zu verhindern, dass der Konkursantrag als Eintreibungsmittel missbraucht wird, wird die Zurückziehung eines Konkursantrages bei der Prüfung der Konkurseröffnung nicht mehr berücksichtigt. Schliesslich sind als weitere wichtige Neuerungen das Abgehen vom Prinzip der Gläubigermehrheit, die Schaffung einer Insolvenzdatei und die Stärkung der Effizienz des Aufsichtsrates vorgesehen. (Schluss)