Parlamentskorrespondenz Nr. 739 vom 19.11.1998

FRAGESTUNDE IN DER LÄNDERKAMMER MIT MINISTERIN PRAMMER

Wien (PK) – In der heutigen Fragestunde des Bundesrates gelangen 12 Anfragen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz zum Aufruf.

Bundesrätin GIESINGER (VP): Sehr geehrte Frau Bundesminister, teilen Sie die Ansicht der ÖGB-Frauenchefin Irmgard Schmidleithner, die wörtlich sagte: "Karenzgeld für alle Frauen ist ein soziales Verbrechen"?

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Ministerin Mag. PRAMMER teilt, wie sie betont, die Ansicht all jener, die das Karenzgeld als Ersatzleistung für den Entfall von Erwerbseinkommen sehen. Sie bekennt sich im übrigen zur Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit und plädiert in diesem Sinn für die Schaffung von weiteren Kinderbetreuungseinrichtungen und die Verankerung eines Rechtes auf Teilzeit.

Bundesrätin CREPAZ (SP): Welche Initiativen hat Ihr Ressort während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im Zusammenhang mit der Problematik des Frauenhandels ergriffen?

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Die Ressortleiterin erinnert daran, dass sich die EU-Staaten in der Den Haager Deklaration bereits zu Massnahmen zur Bekämpfung des Frauenhandels verpflichtet haben. Unter der österreichischen Präsidentschaft wurde diesem Thema eine dreitägige Veranstaltung gewidmet. Prammer geht es nun vor allem darum, Frauen aus der Illegalität zu holen und jene Organisationen aufzuspüren, die Frauen ausbeuten. Grosses Augenmerk legt sie dabei auf die Kooperation mit den Herkunftsländern, um dort den Frauen Informationen zu geben, die sie vor Frauenhändlern warnen. Wichtig ist es aber auch, die soziale Lage der Frauen in diesen Staaten zu verbessern, betont sie.

Bundesrätin MÜHLWERTH (F): Sind Sie bereit, dafür zu sorgen, daß in Hinkunft Mobiltelefone einer Deklarationspflicht hinsichtlich der Intensität ihrer Strahlungsemission unterworfen werden, wie dies von internationalen Experten zum Schutz der Benützer gefordert wird?

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Eine entsprechende Kennzeichnungspflicht ist im Rahmen des Telekommunikationsgesetzes geregelt, das aber in die Kompetenz des Verkehrsministers fällt. Experten halten die Strahlungen nicht für gesundheitsschädlich. Es ist aber notwendig, noch zusätzliche Erkenntnisse zu erlangen und weiterzuforschen, betont Prammer. Sie kündigt weiters ein Gesetz über nicht-ionisierende Strahlen an, durch das unter anderem Grenzwerte festgelegt werden sollen.

Bundesrätin LUKASSER (VP): Wie weit sind Sie mit der Ausarbeitung von Frauenförderplänen, die Sie im Rahmen des Frauenvolksbegehrens versprochen haben?

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Sämtliche Ressorts mit Ausnahme des Aussen-, Landwirtschafts- und Unterrichtsministeriums haben bereits Frauenförderpläne vorgelegt. Wichtig ist für Prammer nun, dass diese Pläne als Verordnungen erlassen werden, um so die nötige Publizität zu erhalten. Im Bereich der Privatwirtschaft will die Ministerin zudem die Frauenförderung mit der öffentlichen Auftragsvergabe verknüpfen.

Bundesrätin SCHICKER (SP): Wie viele Kinderbetreuungsplätze konnten – bezogen auf Altersgruppen – im Rahmen der ersten Tranche der Kindergartenmillionen 1997/98 österreichweit geschaffen werden?

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Mit den 600 Mill. S an Bundesmitteln konnten 1997/98 insgesamt 18.799 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze in öffentlichen und privaten Einrichtungen geschaffen werden. Über 80 % davon sind Kindergartenplätze. Der Schwerpunkt muss nach Meinung Prammers in Hinkunft bei Betreuungsplätzen für die unter Dreijährigen und die über Sechsjährigen liegen. Sie appelliert in diesem Zusammenhang an die Bundesländer, entsprechende Prioritäten zu setzen und ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Bundesrätin Dr. RIESS-PASSER (F): Identifizieren Sie sich als darin zitierte Ministerin mit den Inhalten der Werbekampagne der SozialdemokratInnen, in der die Familienpolitik des Koalitionspartners als steinzeitlich abqualifiziert wird?

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Mag. Prammer tritt dafür ein, Rahmenbedingungen für ein besseres Miteinander auf Basis von Partnerschaft, Chancengleichheit, Eigenständigkeit und wirklicher Unabhängigkeit voneinander zu schaffen. Sie betont, dass sie in der Koalition keine Familienpolitik mittragen werde, die die Zementierung der Rollen fortschreibt.

Bundesrätin PÜHRINGER (VP): Wie erklären Sie sich, dass im Wissenschaftsressort Ihres Parteikollegen Bundesminister Dr. Einem der Anteil der weiblich besetzten Lehrstühle von 1995 auf 1997 nur um 0,7 % und somit von 6,3 auf 7 % gestiegen ist?

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Im Wissenschaftsministerium wurden bei Dreiervorschlägen Frauen noch nie übergangen, auch wenn sie nur an dritter Stelle gereiht waren. Gerade für den Wissenschaftsbereich sind aber nach Meinung der Ministerin spezielle Frauenförderungsmassnahmen notwendig. Diese sollen bei der Überarbeitung des Gleichbehandlungsgesetzes Eingang finden.

Bundesrat WINTER (SP): Halten Sie die Forderung des Frauenvolksbegehrens, wonach Unternehmen nur dann Förderungen und öffentliche Aufträge erhalten sollen, wenn sie dafür sorgen, dass Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind, für ein geeignetes Mittel zum Abbau der Benachteiligung von Frauen am Arbeitsplatz?

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Mag. Prammer hält es für notwendig, dass die Unternehmen verstärkt Frauenförderung betreiben. In diesem Sinne soll durch das Bundesvergabegesetz ein System der Frauenförderung aufgebaut werden. Die Unternehmen werden dabei die Möglichkeit erhalten, bereits in der Ausschreibung Fragebögen über Frauenkriterien zu beantworten. Bei der Vergabe soll die Frauenförderung dann im Rahmen eines Punktesystems mitberücksichtigt werden. Die Ressortleiterin betont, dass niemand dadurch bestraft oder gezwungen wird. Wer Frauenförderung betreibt, soll aber belohnt werden.

Bundesrätin HAUNSCHMID (F): Sehen Sie sich auch weiterhin ausser stande, die Entschädigungsansprüche von Patienten bei Kunstfehlern und Arzneimittelschäden verschuldensunabhängig durchzusetzen, obwohl dies bereits in zwei Koalitionsvereinbarungen schriftlich festgelegt wurde und Patienten zweifelsfrei Verbraucher von Gesundheitsleistungen sind?

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Eine Arbeitsgruppe befasst sich ministerienübergreifend mit der Frage der ärztlichen Kunstfehler, teilt Prammer mit. Die Ministerin plädiert in diesem Zusammenhang für die Schaffung eines Versicherungsmodells. Die Ärzteschaft sollte sich einen Versicherungspool geben, um dadurch eine verschuldensunabhängige Haftung zu ermöglichen.

Bundesrat HENSLER (VP): Planen Sie im Interesse der Senioren, in Anbetracht der immer wieder auftretenden Klagen, etwa bezüglich der Lesbarkeit der Ablaufdaten, dem Wunsch nach kleineren Verpackungen, den zu klein gedruckten Beipackzetteln von Arzneimitteln gemeinsam mit dem Bundesminister für Justiz spezielle konsumentenfreundlichere Senioren-Schutzbestimmungen?

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Die Ressortchefin tritt für eine Verbesserung der Gebrauchsanleitungen ein. Bei sämtlichen veröffentlichten Produktuntersuchungen sollte in Hinkunft auch auf die Gebrauchsanweisungen eingegangen werden, zumal mit einer schlechten Gebrauchsanweisung das Produkt an Qualität verliert. Der Ministerin geht es auch darum, aus dem Kennzeichnungsdschungel herauszufinden. Es sollte weniger, dafür aber verständlichere und lesbarere Informationen geben, sagt sie.

Bundesrat Dr. LUDWIG (SP): Welche Aktivitäten planen Sie in Ihrer Rolle als Koordinatorin der österreichischen "Anti-Atompolitik" in nächster Zeit, um der langfristigen Forderung, ein kernkraftwerkfreies Mitteleuropa zu erreichen, näherzukommen?

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Die aktuellen Veränderungen in Europa gehen in die österreichische Richtung, meint Prammer. Im Rahmen des EU-Erweiterungsprozesses muss das Thema der Sicherheit von Atomkraftwerken entsprechend beleuchtet werden, fordert sie. Ihrer Meinung nach sollte klar definiert werden, unter welchen Bedingungen ein Beitrittsstaat ein AKW einbringen darf, und unter welchen nicht. Mit Nachdruck tritt Prammer für eine Fortsetzung des österreichischen Weges und für ein Werben in Sachen Anti-Atompolitik ein. Grossen Wert legt sie auch auf die Kooperation mit anderen Staaten, wobei sie die Energiepartnerschaft mit Tschechien besonders begrüsst.

Bundesrätin RAMSBACHER (F): Welche Massnahmen werden Sie setzen, um Teilzeitarbeitsplätze auch im mittleren und höherqualifizierten Bereich zu schaffen?

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Prammer verweist auf die Teilzeitoffensive des Bundes, durch die vor allem befristete Nachbesetzungen ermöglicht und damit die Entscheidungen zur Teilzeitarbeit erleichtert werden sollen. Darüber hinaus befasst sich ein Projekt mit Veränderungen der Organisation und der Arbeitszeiten in Unternehmen, um stärker auf Teilzeitarbeit einzugehen. Unter keinen Umständen dürfe es vorkommen, dass Teilzeitarbeitskräften ihre Rechte vorenthalten werden, betont Prammer mit Nachdruck. (Fortsetzung)


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