Parlamentskorrespondenz Nr. 93 vom 24.02.2000

BUDGETAUSSCHUSS DEBATTIERT ÜBER STAATSFINANZEN

FP-VP-Kritik an Edlinger; gesetzliches Budgetprovisorium

Wien (PK) - Noch vor bzw. während der Unterbrechung der Sondersitzung war die Lage der Staatsfinanzen heute bereits Thema einer Sitzung des Budgetausschusses. Die Regierungsparteien bekräftigten dabei ihre Behauptung, Ex-Finanzminister Edlinger habe die Bevölkerung nicht über den tatsächlichen Stand des Finanzierungsbedarfes informiert. Demgegenüber hielt Finanzminister a.D. EDLINGER fest, dass die Volkspartei in alle Maßnahmen eingebunden und voll informiert war. "Es gab nichts, was meine Gesprächspartner in der Volkspartei, die Minister Farnleitner und Molterer, nicht gewusst hätten", sagte Edlinger und verwies darauf, dass er die 20 Mrd. S an zusätzlichem Finanzierungsbedarf zur Erreichung des gemäß Maastrichtbestimmungen zulässigen Defizits von 62 Mrd. S seit Juni des letzten Jahres kommuniziert habe.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (VP) sah sich durch diese Ausführungen des ehemaligen Finanzministers zur Bitte an den neuen Finanzminister Mag. GRASSER veranlasst, künftig dafür zu sorgen, dass er als Abgeordneter weder auf WIFO-Monatsberichte noch auf VP-Minister angewiesen sei, um Klarheit über die Budgetsituation zu erhalten. Grasser möge als Finanzminister den Budgetausschuss jeweils über die aktuelle Budgetsituation informieren. - Diesem Wunsch wolle er Rechnung tragen, sagte Minister GRASSER zu und kündigte - von mehreren Abgeordneten darauf angesprochen - außerdem an, die bestehenden Ansätze für ein wirkungsvolles Budget-Controlling nach privatwirtschaftlichen Kriterien auszubauen. 

Abgeordneter PARNIGONI (SP) wies Anschuldigungen von FPÖ und ÖVP scharf zurück und trat mit Nachdruck der Darstellung entgegen, Edlinger hätte eine desaströse Budgetsituation hinterlassen. Der Ex-Finanzminister habe vielmehr den Konsolidierungsbedarf mit 20 Mrd. S exakt vorausgesagt, das von Grasser nun vorgelegte Budget bestätige Edlingers Zahlenwerk beinahe punktgenau, betonte Parnigoni. Tatsache sei jedenfalls, dass es der alten Regierung in den letzten vier Jahren gelungen ist, die Neuverschuldung von 5 % auf 2,5 % des BIP herunterzudrücken. Parnigoni warf der FP-VP-Koalition überdies vor, nun die kleinen Leute mit einem Belastungspaket zu konfrontieren. Die "Anpassungen" würden 13 Mrd. S ausmachen, während die ursprünglich zwischen SPÖ und ÖVP vereinbarte Mineralölsteuererhöhung bloss sechs Mrd. S betragen hätte. Die angekündigte Steuerreform, das Familienpaket, die Steigerungen beim Heeresbudget, "Geschenke" an Hausherren, Industriellenvereinigung und Bauernbund ließen zudem nach Meinung Parnigonis eine Realisierung des Budgetziels von 1 % Defizitquote bis 2005 als äusserst schwierig erscheinen.

Abgeordneter Dr. STEINDL (VP) widersprach den Aussagen Parnigonis und meinte, der Kassasturz habe einen Fehlbetrag von 47 Mrd. S offengelegt, wo doch Edlinger immer nur von 20 Mrd. S gesprochen hatte.

Abgeordneter EDLER (SP) befürchtete negative Auswirkungen der Kürzungen bei den ÖBB auf den Arbeitsmarkt und wollte zudem wissen, wie die Regierung jenen Unternehmen helfen werde, die Einbußen aufgrund der internationalen Isolation Österreichs hinnehmen müssen.

Abgeordneter Mag. TRATTNER (FP) wies auf das Auseinanderklaffen von administrativem Defizit und Maastricht-Defizit hin und kritisierte die Überweisungen Edlingers aus diversen Fonds als nicht Maastricht-konform.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) bemerkte, gerade die von der Regierung geplanten Einmalmaßnahmen würden sich überhaupt nicht auf das strukturelle Defizit auswirken und bloss die Divergenz zwischen administrativem Defizit und Maastricht-Defizit noch weiter vergrößern.

Finanzminister Mag. GRASSER konzedierte der alten Regierung Erfolge bei der Einleitung der Budgetkonsolidierung, erinnerte aber an die dafür notwendigen Sparpakete. Die Anpassungen der neuen Regierung würden jetzt bloss einen Bruchteil dessen ausmachen, mit dem die Bevölkerung in den vergangenen Jahren belastet wurde, sagte er.

Zum Kassasturz meinte Grasser, es sei die Verpflichtung einer neuen Regierung der Bevölkerung gegenüber, die Finanzierungsprobleme offen auf den Tisch zu legen. Dabei gehe es nicht um Beträge von 20 oder 45 Mrd. S, sondern vielmehr um den Umstand, dass ohne massive Gegensteuerung das Nettodefizit 109 Mrd. S ausmachen und damit sämtlichen Konsolidierungsabsichten zuwiderlaufen würde.

In den drei Wochen seit seinem Amtsantritt sei es noch nicht möglich gewesen, ein exaktes Sanierungsprogramm vorzulegen, bemerkte Grasser, der im übrigen seinem Amtsvorgänger mangelnde Kooperationsbereitschaft bei der Amtsübergabe vorwarf. Die Beamtenschaft in der Himmelpfortgasse habe sich aber, wie der Minister unterstrich, als überaus loyal erwiesen.

Staatssekretär Dr. FINZ führte zu den Fragen hinsichtlich des Budgetcontrollings aus, das derzeitige System beruhe einerseits auf den Ausgaben- und Einnahmenziffern und auf den Angaben über die Stellenplanentwicklung. Die Kontrolle der Vorbelastungen, wie sie im Haushaltsgesetz vorgesehen sei, sind laut Finz ebenso ergänzungsbedürftig wie das Controlling der ausgegliederten Rechtsträger.

Abgeordnete HAGENHOFER (SP) warf der Bundesregierung insgesamt vor, Versprechungen gegenüber ihrer Klientel, der Wirtschaft und den Bauern, auf Kosten der Arbeitnehmer erfüllen zu wollen. Es stelle sich die Frage, wie dies die FPÖ, die sich im Wahlkampf an die Fleißigen und Tüchtigen gewandt habe, vor ihren Wählern vertreten werde. Ihre spezielle Frage richtete sich nach der Finanzierung von insgesamt 40 nicht quantifizierbaren Budgetbelastungen, die sie aus der Regierungserklärung herauslese.

Abgeordneter BÖHACKER (FP) hielt Abgeordnetem Parnigoni entgegen, die SPÖ habe in der Vergangenheit eine Budgetpolitik auf Kosten der Arbeitnehmer gemacht, sie habe, wie Experten längst festgestellt hätten, von unten nach oben umverteilt.

Abgeordneter EDLINGER (SP) untermauerte seine Aussage, die ÖVP sei über die Entwicklung des Budgetdefizits voll informiert gewesen, mit dem Hinweis auf Aussagen von Vizekanzler Schüssel, der ihm noch im Juni Handschlagqualität bestätigt habe, und zitierte auch dementsprechende Aussagen von Minister Farnleitner und Landeshauptmann Sausgruber. Minister Molterer, sein Ansprechpartner auf Seiten der ÖVP, habe er am 17.12.1999 eine Liste übergeben, der alle Einnahmen- und Ausgabenschätzungen für das Jahr 2000 sowie die Fondsüberschüsse, Rückauflösungen und Einmaleffekte zu entnehmen waren. Der Saldo habe exakt die von ihm stets genannten 20 Mrd. S an zusätzlichem Finanzierungsbedarf für das Jahr 2000 ergeben.

In seinen weiteren Ausführungen berichtete der ehemalige Finanzminister einmal mehr über die Entscheidung der letzten Bundesregierung, für die ersten Monate des Jahres 2000 ein automatisches Budgetprovisorium wirksam werden zu lassen. Auf die Vorlage eines gesetzlichen Budgetprovisoriums habe die Regierung bewusst verzichtet, um nicht den Eindruck zu erwecken, man rechne damit, es werde bis Juni 2000 keine handlungsfähige Bundesregierung geben.

Eine persönliche Amtsübergabe an seinen Nachfolger habe deshalb nicht stattgefunden, weil dieser ihn darum nicht gebeten habe. Als Grasser am Tag der Amtsübernahme um 13 Uhr noch nicht erschienen war, sei er, Edlinger, nach Hause gegangen.

Den Konsolidierungskurs der letzten Bundesregierung fasste der ehemalige Finanzminister zusammen, indem er berichtete, dass mit dem Budget 1996/97 massive Einschnitte vorgenommen und eine Reihe von Einmalmaßnahmen gesetzt wurden. Im Doppelbudget 1998/99 sei das Ziel der Bundesregierung erfolgreich umgesetzt worden, Einmaleffekte durch Dauereffekte zu ersetzen, gleichzeitig aber auf weitere Einschnitte zu verzichten.

Hinsichtlich der Pläne der neuen Bundesregierung kündigte Edlinger seine Unterstützung für das Vorhaben Grassers an, Transferleistungen sozial zu staffeln, sprach aber sein Bedauern über Mehrausgaben im Umfang von 50 Mrd. S aus. Hier stelle sich die Frage der Finanzierung. Denn auch wenn die neue Regierung höhere Steueranhebungen beabsichtige, als dies in den Regierungsverhandlungen von SPÖ und ÖVP vereinbart wurde, werde dies nicht ausreichen, die geplanten Mehrausgaben zu finanzieren und gleichzeitig die Maastricht-Kriterien zu erfüllen - "ausser die Regierung plane, massiv in die soziale Substanz hineinzuschneiden", befürchtete Edlinger.

Abgeordneter KURZBAUER (VP) erneuerte sein Verlangen auf Verbesserung des Budgetcontrollings und begrüsste eine stärkere Förderung der Landwirtschaft, deren Einkommen während der letzten Jahre ständig zurückgegangen sei.

Abgeordnete Mag. PECHER (VP) betonte die Notwendigkeit, die Lohnnebenkosten zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu verbessern. Es sei daher angebracht, Überschüsse von Fonds, die mit Arbeitgeberbeiträgen finanziert werden, zur Senkung der Lohnnebenkosten heranzuziehen.

Abgeordneter Ing. GARTLEHNER (SP) widersprach Pecher: Internationale Vergleiche zeigen, dass die Wirtschaft keineswegs unter den Lohnnebenkosten leide, wie sonst wäre es in den letzten Jahren möglich gewesen, die Exportquote um 50 % zu steigern. Wer von Lohnnebenkosten spricht, sollte auch das überaus wirtschaftsfreundliche Steuersystem berücksichtigen.

Auch Abgeordneter VERZETNITSCH (SP) regte an, statt der Lohnnebenkosten die Lohnstückkosten heranzuziehen, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gehe. Seine Frage an Finanzminister Grasser lautete, ob ÖBB und Schieneninfrastrukturgesellschaft mit Budgetkürzungen zu rechnen hätten.

Finanzminister Mag. GRASSER hielt einleitend fest, dass die Bundesregierung keine Klientelpolitik plane, sondern für das ganze Land und für alle Österreicher erfolgreich sein wolle. Die neue Koalition habe keinerlei Belastungen für Arbeitnehmer festgeschrieben und beabsichtige keine Umverteilung von unten nach oben. Auch werde sie bestehende Pensionen nicht kürzen. Die Auswirkungen der vorgesehenen Massnahmen zur Sicherung des Pensionssystems werden wesentlich geringer sein als jene der Pensionsreform 1997. Die Erhöhung der Energieabgabe um zehn Groschen werde die Stromverbraucher weniger belasten als die Energiesteuermaßnahmen der SP-VP-Regierung. Schliesslich zerstreute Finanzminister Grasser Bedenken hinsichtlich der Finanzierungsmöglichkeit von Mehrausgaben mit den Hinweis darauf, dass das Regierungsübereinkommen ausdrücklich vorsehe, dass zusätzliche Ausgaben konkrete Bedeckungsvorschläge voraussetzten. Es bestehe kein Diktat, welcher Minister wo Ermessensausgaben reduzieren müsse, jedes Ressort müsse sich aber an einen vorgegebenen Ausgabenrahmen halten. Er trete dafür ein, die Aufgaben in den Ministerien zu reformieren, sagte Finanzminister Grasser. Bei den ÖBB und bei der Schieneninfrastrukturgesellschaft sei keine Budgetkürzung vorgesehen, sondern Massnahmen, um einer exponentiell wachsenden Ausgabenentwicklung vorzubeugen.

GESETZLICHES PROVISORIUM BIS ZUM INKRAFTTRETEN DES BUDGETS 2000

Dann beschloss der Budgetausschuss mit den Stimmen der Regierungsparteien ein gesetzliches Budgetprovisorium und erklärte damit bis zur Beschlussfassung eines Budgets 2000 das BFG 1999 in der Fassung seiner acht Novellen zur bindenden Grundlage der Bundesgebarung. Um eine stabile Basis für die Erstellung des Bundesvoranschlages 2000 zu schaffen und die Einhaltung der Stabilitätskriterien zu garantieren, wird der Finanzminister darin zur Verfügung von 15-prozentigen Ausgabenbindungen verpflichtet. Detailbestimmungen tragen rechtlichen Änderungen Rechnung, die sich u.a. durch die Ausgliederung des Statistischen Zentralamtes und mehrerer Bundesmuseen ergeben. Darüber hinaus werden die neuen Bestimmungen für eine flexible Projektgebarung in Justizanstalten und die finanzielle Vorsorge für die OSZE-Präsidentschaft berücksichtigt.

Die Regierungsvorlage wurde mit SP-FP-VP-Mehrheit angenommen. Die Mehrheit der Koalitionsparteien FPÖ und ÖVP erzielte ein von den Abgeordneten Mag. MÜHLBACHLER (VP) und Mag. TRATTNER (FP) vorgelegter Abänderungsantrag, der Kompetenzänderungen aufgrund der bevorstehenden Bundesministeriengesetz-Novelle 2000 Rechnung trägt. - Der Antrag der Grünen für ein gesetzliches Budgetprovisorium verblieb in der Minderheit der Antragsteller und wurde abgelehnt.(Schluss)