Parlamentskorrespondenz Nr. 241 vom 05.05.2000

ARBEITSMARKTLAGE UND EINKOMMENSSITUATION IM JAHR 1998

Sozialbericht: Daten und Kurzausblick auf Vorhaben der Regierung

Wien (PK) - "Das österreichische Gesundheitswesen ist zwar eines der leistungsfähigsten der Welt, allerdings hat sich gezeigt, dass die in den vergangenen Jahren begonnenen und nur teilweise umgesetzten Reformen nicht in dem Sinn gegriffen haben, wie dies geplant war. Wir stehen daher jetzt vor der Aufgabe, einerseits die Qualität des Systems zu erhalten und andererseits neue medizinische Erkenntnisse rasch und adäquat in das Leistungssystem einzubringen." - Das schreibt Staatssekretär Univ.-Prof. Dr. Reinhart Waneck in seinem Vorwort zu dem unter III-35 d.B. registrierten Bericht zur sozialen Lage 1998.

Es sollen in Hinkunft das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Patienten und Leistungsanbietern durch Verstärkung der Patientenrechte gefördert sowie Mitverantwortung und Mitbestimmung durch eine Charta der Patientenrechte und Gesundheitsversorgungsqualität angehoben werden. Neben der bereits bestehenden Gesundheitskonferenz wird ein Sachverständigenrat mit Experten aus den maßgeblichen Bereichen eingerichtet. Es ist beabsichtigt, dass dieser Rat ein jährliches Gutachten zur Lage und Entwicklung des Gesundheitswesens erstellt.

Die neue Regierung setzt auf eine Verstärkung der Vorsorge an Stelle des Reparatur-Krankheitssystems. Unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Patienten, der hohen Qualität und der volkswirtschaftlichen Kosteneffizienz soll durch ein Stufenprinzip "Vorsorge vor Behandlung", "ambulant vor stationär", "Rehabilitation vor Pflege" die Rolle der niedergelassenen Ärzte gestärkt werden.

Als zentrales Anliegen des Krankenanstaltenwesens wird vom Staatssekretär die Steigerung der Effizienz, die Privatisierung und die Entpolitisierung angesehen.

Maßnahmen, die eine Dämpfung der Kostenentwicklung im Heilmittelbereich bewirken, werden von der Regierung unterstützt. Dies will man durch Preis- und Handelsspannensenkung für Arzneimittel auf EU-Niveau, Initiativen zur Verbesserung der Preistransparenz auf EU-Ebene und durch Optimierung der Verschreibepraxis durch die Ärzte im ambulanten, extramuralen und stationären Bereich erreichen.

ARBEITSMARKTLAGE 1998

Gegenüber 1997 stieg die Zahl der unselbständig Beschäftigten im Berichtsjahr um 21.000 auf 3,077.000, davon 2,778.000 InländerInnen und 299.000 AusländerInnen (inkl. EWR-Staatsangehörige). Dies ist der höchste Wert in der Zweiten Republik. Die Zahl der unselbständig beschäftigten Frauen stieg 1998 im Vergleich zum Jahr davor um 16.300 (1,2 %), jene der unselbständig beschäftigten Männer um 4.800 (0,3 %). Im Jahresdurchschnitt 1998 gab es 170.000 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (Monatsverdienst von weniger als 3.830 S), wobei rund drei Viertel auf Frauen entfielen.

1998 waren 716.000 Personen (412.000 Männer, 304.000 Frauen) zumindest einmal arbeitslos, was gegenüber 1997 einen Anstieg von 11.000 bedeutete. Die Arbeitslosenquote stieg geringfügig auf 7,2 %, jene nach EU-Kriterien lag bei 4,7 %.

Von den 716.000 von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen waren 193.000 (97.000 Männer, 96.000 Frauen) über sechs Monate arbeitslos; davon waren 74.000 (38 %) länger als ein Jahr ohne Beschäftigung. Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit konzentriert sich vor allem auf die Bundesländer Wien (44 %), Niederösterreich (28,1 %) und Steiermark (27 %).

Neben Langzeitarbeitslosen und arbeitslosen älteren Menschen sind vor allem Arbeitslose mit so genannten Vermittlungseinschränkungen am Arbeitsmarkt in einer schwierigen Situation. 1998 waren beim AMS etwa 79.000 vorgemerkte Arbeitslose als vermittlungseingeschränkt eingestuft, um 7.000 mehr als im Jahr zuvor. Am Gesamtbestand der vorgemerkten Arbeitslosen hatte diese Gruppe einen Anteil von 33 %.

Die Chancen von behinderten Personen am Arbeitsmarkt haben sich auch im Berichtsjahr nicht gebessert, die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen stieg um 3.000.

Die Höhe der monatlichen Leistungen an Arbeitslose (Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe inkl. Familienzuschläge) betrug 1998 für die Hälfte der Betroffenen weniger als 8.536 S. Das mittlere monatliche Arbeitslosengeld lag bei 8.970 S, die mittlere Notstandshilfe bei 7.427 S.

EINKOMMENSENTWICKLUNG UND -VERTEILUNG

Die männlichen Angestellten erzielten auf Grundlage der Lohnsteuerstatistik 1997 die höchsten standardisierten Brutto-Monatseinkommen (30.200 S), gefolgt von den männlichen Beamten (29.600 S), den Beamtinnen (28.300) sowie den männlichen Arbeitern (20.700 S) und den weiblichen Angestellten (17.500 S). Die niedrigsten Brutto-Monatseinkommen haben die Arbeiterinnen mit 12.400 S.

Die Lohnsteuerstatistik ermöglicht es auch zu ermitteln, wie hoch die Einkommen, die über der Höchstbeitragsgrundlage zur Sozialversicherung liegen, sind. Rund 10 % aller ArbeitnehmerInnen (inkl. BeamtInnen) beziehen Einkommen über dieser Höchstbeitragsgrundlage: 145.000 verdienten zwischen 40.800 S und 50.000 S, 167.000 zwischen 50.000 S und 100.000 S und 23.000 über 100.000 S (14-mal jährlich).

Das arbeitszeitstandardisierte mediane Netto-Personeneinkommen aller unselbständig Erwerbstätigen liegt bei 15.600 S monatlich. Nach der sozialen Stellung reichen die entsprechenden Werte von 14.300 S (Arbeiter) bis 18.300 S (Beamte).

Die mittleren monatlichen Netto-Pro-Kopf-Einkommen aller Haushalte von unselbständig Erwerbstätigen belaufen sich auf 14.300 S; für Arbeiterhaushalte 12.600 S, für Angestelltenhaushalte 15.700 S, für Haushalte von Vertragsbediensteten 13.900 S und für Beamtenhaushalte 15.800 S.

Laut der Studie der Synthesis-Forschungsgesellschaft betrug 1997 das mittlere Erwerbseinkommen von Männern 25.300 S, jenes von Frauen 18.300 S; Frauen verdienen um 28 % weniger als Männer. Ohne Berücksichtigung der männlichen und weiblichen Beamten lag der Unterschied bei 32 %. Drei Faktoren sind laut dieser Studie für die Einkommensunterschiede verantwortlich: schlechtere Berufseintrittschancen für Frauen auch bei gleichwertigen Qualifikationen wie die Männer, niederere einkommensmäßige Bewertung von typischen "Frauenberufen" und ungleiche Verteilung von familiären Versorgungsaufgaben und Barrieren bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Laut Einkommensteuerstatistik des Statistischen Zentralamtes für 1996 sind 120.000 Männer und 59.000 Frauen den schwerpunktmäßigen Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen. Aufgrund des sehr hohen Anteils an Nullfällen - Männer 43 %, Frauen 53 % - mussten nur etwa 96.000 Personen tatsächlich eine Einkommensteuer entrichten. Der Median der schwerpunktmäßigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (ohne Nullfälle) lag 1995 bei 276.000 für Männer und 206.000 S für Frauen.

Nach Wirtschaftsbereichen sind die Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Bauwesen am höchsten, die niedrigsten sind im Beherbergungs- und Gaststättenwesen und für Frauen im Bereich Körperpflege und Reinigung zu verzeichnen.

Die Einkünfte aus dem Schwerpunkt Selbständige Arbeit übertreffen jene der übrigen Einkünfte deutlich. Der Median lag 1996 für Männer bei 500.000 S und für Frauen bei 252.000 S. Nach Wirtschaftsbereichen liegt das Gesundheits- (und Fürsorge)wesen an der Spitze: Männer erzielen mit 1,218.000 S um 143 % höhere mittlere Einkünfte als im Mittel aller Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Frauen mit 478.000 S um 90 % höhere Einkünfte als im Schnitt. Die niedrigsten mittleren Einkommen finden sich für Männer im Bereich Kunst, Unterhaltung und Sport und für Frauen im Unterrichts- und Forschungswesen.

Eine relativ große Gruppe (20.000 Männer und 34.000 Frauen) ist dem Schwerpunkt Nichtarbeitseinkünfte (hauptsächlich Kapitaleinkommen und Vermietung/Verpachtung) zuzuordnen.

Zirka 12.000 selbständig Erwerbstätige (10.400 Männer und 1.600 Frauen) konnten 1996 Gesamteinkünfte von mehr als 2 Mill. S erzielen.

ARMUT IN ÖSTERREICH

Rund 4 % der Bevölkerung bzw. 330.000 Personen sind als arm zu bezeichnen. Kinder sind überdurchschnittlich von Armut betroffen; ihr Risiko, zur Armutsbevölkerung zu gehören, beträgt mehr als 5 %. Etwa ein Drittel der Armutsbevölkerung sind Kinder. Personen im Erwerbsalter machen etwas mehr als die Hälfte der Armutsbevölkerung aus, der Anteil der älteren Menschen beträgt 17 %.

14 % der Armen leben in Substandardwohnungen, während dies für 2 % der Nichtarmen gilt. 13 % der Armen leben in überbelegten Wohnungen. Ein Fünftel verfügt über keine angemessenen Heizmöglichkeiten.

ÄLTER WERDEN IN ÖSTERREICH: 15 % DES BIP FÜR DIE ALTERSSICHERUNG

Die durchschnittliche Nettoersatzrate von Pensionen - das ist der Vergleich der ersten Nettopension mit dem letzten Nettoverdienst - ist im internationalen Vergleich hoch und beträgt (bei Verdiensten bis zur Höchstbeitragsgrundlage) bei Männern 84 % und bei Frauen 75 %. Bei Verdiensten über der Höchstbeitragsgrundlage ist eine ähnliche Ersatzrate durch betriebliche oder private zusätzliche Pensionsleistungen möglich.

Für den Zeitraum 1980 bis 1997 lag die Erhöhung der laufenden Pensionen mit 79 % über der Preisentwicklung (71 %); real waren daher die bereits bis 1980 zuerkannten Pensionen im Jahr 1997 im Schnitt um 5 % höher als 1980. Auf Grund der Strukturveränderungen (niederes Niveau der wegfallenden Pensionen, höheres Niveau der Neuzugänge) fiel die Durchschnittspension 1997 real sogar um 41 % höher als 17 Jahre zuvor aus. Damit ist das durchschnittliche Pensionsniveau geringfügig stärker gestiegen als das BIP pro Kopf, es lag auch deutlich höher als das durchschnittliche Einkommen der unselbständig Erwerbstätigen.

In Österreich werden jährlich 15 % des BIP für die Alterssicherung ausbezahlt. Die Ausgaben der Pensionsversicherung betrugen 1997 rund 273 Mrd. S, damit wurden rund 1,8 Mill. Pensionen (davon mehr als 1 Mill. Alterspensionen) ausbezahlt.

310.000 Personen bezogen im März 1999 eine Pflegegeldleistung des Bundes oder der Länder. Davon waren über 80 % 60 Jahre oder älter. Etwa 150.000 PflegegeldbezieherInnen hatten bereits ein Alter von 80 Jahren und mehr. Zwei Drittel aller BezieherInnen sind Frauen.

Häusliche Pflege wird hauptsächlich in und durch die Familie erbracht. 88 % aller Hauptbetreuungspersonen stehen in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zur betreuten Person. Fast 80 % der Betreuungspersonen sind Frauen, etwa ein Drittel von ihnen ist älter als 60 Jahre.

ENTWICKLUNG DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG

Das vorläufige Ergebnis der Sozialversicherungsträger für 1998 weist Gesamtausgaben von 421,2 Mrd. S aus, denen Gesamteinnahmen von 422,6 Mrd. S gegenüberstehen. Die Einnahmen bestanden zu mehr als drei Viertel aus Beiträgen für Versicherte (330,9 Mrd. S). Der Bund bezahlte 1998 Beiträge von rund 70 Mrd. S, wobei der Großteil auf die so genannte Ausfallhaftung des Bundes zur Abdeckung der Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben in der Pensionsversicherung sowie auf die Ersätze des Bundes für die Ausgleichszulagen entfiel.

Nach den vorläufigen Berechnungen werden die Gesamtausgaben der Krankenversicherung 125,4 Mrd. S, der Pensionsversicherung 282,5 Mrd. S und der Unfallversicherung 13,3 Mrd. S betragen.

1998 waren über drei Millionen Personen pensionsversichert, wobei es zu einem Anstieg um rund 37.000 Versicherungsverhältnisse kam. Demgegenüber nahmen die Pensionen um 20.200 zu. Etwa 60 % aller Pensionen entfallen auf Frauen.

Die durchschnittliche Alterspension der Männer betrug in der gesetzlichen Pensionsversicherung 14.789 S, die der Frauen hingegen 8.599 S.

Rund 13 % aller BezieherInnen einer Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung erhielten mindestens eine weitere Pensionsleistung. 251.400 Personen bezogen eine Ausgleichszulage.

Das durchschnittliche Zugangsalter bei der Alterspension beträgt für Frauen 58,2 Jahre, für Männer 60,9 Jahre. Bei der Invaliditätspension ist der Altersunterschied etwas geringer.

Die durchschnittliche Neuzugangspension eines Arbeiters betrug 1998 11.579 S, die einer Arbeiterin 6.414 S. Bei den Angestellten lagen diese Werte bei 21.159 S bzw. 12.754 S. Durchschnittlicher monatlicher Ruhebezug der BundesbeamtInnen: 32.900 S.

DAS VOLUMEN DER SOZIALAUSGABEN

1997 betrugen die Sozialausgaben in unserem Land 725 Mrd. S oder 28,8 % des Bruttoinlandsproduktes. Rund die Hälfte der Sozialausgaben wurde für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung, ein Viertel für Krankheitsleistungen aufgewendet. Für Familienleistungen wurde rund ein Zehntel, für Invaliditätsleistungen im erwerbsfähigen Alter 8 % und für Arbeitslosenleistungen 6 % ausgegeben.

Insgesamt stiegen die empfängerwirksamen Sozialausgaben zwischen 1990 und 1997 um 50 %. Im gleichen Zeitraum nahm die für die Beitragsentwicklung ausschlaggebende Lohn- und Gehaltssumme um 32 % zu. (Schluss)