Parlamentskorrespondenz Nr. 318 vom 26.05.2000

GETRÄNKESTEUER-ERSATZ: KOMPROMISS ODER RUIN DER GEMEINDEN ?

Bundesrat debattiert Gesetzespaket zum Getränkesteuer-Ersatz

Wien (PK) - Zwischen dem Verdikt "einzig machbarer Kompromiss" und "Ruin für Tourismus und kleinere Gemeinden" bewegte sich heute - je nach Zugehörigkeit zu den Regierungsfraktionen oder zur Opposition - die Argumentation in der Debatte des Bundesrats über die gesetzliche Neuregelung respektive die Ersatzlösung für die nach Entscheid des Europäischen Gerichtshofs obsolet gewordene Getränkesteuer.

ÄNDERUNG DES EINKOMMENSTEUERGESETZES 1988, DES UMSATZSTEUERGESETZES 1994, DES GEBÜHRENGESETZES 1957, DES KAPITALVERKEHRSTEUERGESETZES, DES BIERSTEUERGESETZES 1995, DES ALKOHOL-STEUER UND MONOPOLGESETZES 1995, DES SCHAUMWEINSTEUERGESETZES 1995, DES ALLGEMEINEN VERWALTUNGSVERFAHRENSGESETZES 1991 UND DES FINANZAUSGLEICHSGESETZES 1997 UND DIE EINFÜHRUNG EINER WERBEABGABE * ÄNDERUNG DES FINANZAUSGLEICHSGESETZES 1997 

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Bundesrat GASTEIGER (S) konnte in der Getränkesteuerersatzlösung keinerlei Kompromiss erkennen: Städte und Gemeinden bekommen weniger, die Konsumenten zahlen mehr, der Tourismus werde massiv belastet, lautete seine Kritik. Überhaupt zähle die Fremdenverkehrswirtschaft zu den grossen Verlierern dieser Regelung, müsse sie doch die bisher verteilte Steuerlast nun allein tragen. Gasteiger warf der Regierung mangelnde Gesprächsbereitschaft mit den Betroffenen vor, wobei er insbesondere daran erinnerte, dass der Städtebund in die Verhandlungen erst gar nicht eingebunden wurde.

Als Folge der Ersatzlösung sah der Redner die Tourismus- Infrastrukturinvestitionen der Städte und Gemeinden wegen des Wegfalls der Einnahmen aus der Getränkesteuer gefährdet. In diesem Zusammenhang berichtete Gasteiger von Gemeinden in Tirol, denen Millionenbeträge fehlen. Der Finanzminister mache mit dieser Regelung die Gemeinden kaputt, schloss er.

Bundesrat KEUSCHNIGG (V) bezeichnete das Paket als den einzig machbaren Kompromiss und merkte an, dass Wirtschaft und Konsumenten dadurch um 2,5 Mrd. S entlastet würden. Die Sorgen des Tourismus und der Gastronomie hielt Keuschnigg aber für berechtigt. Es gelte nun, der Neupositionierung dieser Branche hinsichtlich Wettbewerb und administrativem Aufwand größtes Augenmerk zu schenken, meinte er. Unaufschiebbar war seiner Ansicht nach auch eine Neuverhandlung des Finanzausgleiches in Richtung einer spürbaren Entlastung der kleineren ländlichen Gemeinden.

Bundesrat NEUNER (F) warf der SPÖ Versäumnisse vor und betonte, ein weiteres Aufschieben der Reform hätte noch dramatischere Schritte notwendig gemacht. An der Ersatzlösung begrüsste Neuner vor allem den Bürokratieabbau und die Entlastungen für die Wirtschaft.

Bundesrätin TRUNK (S) rechnete vor allem die Steuerzahler mit kleineren und mittleren Einkommen zu den Verlierern dieser Regelung. Daneben werden ihrer Einschätzung nach aber auch die Gemeinden extrem benachteiligt. Durch den Wegfall der Steuereinnahmen würden nun viele Gemeinden, insbesondere jene in Kärnten, vor dem Kollaps stehen. Die einzigen Profiteure der Lösung seien jene Betriebe, die den Gemeinden über Jahre hindurch die Getränkesteuer schuldig geblieben sind, resümierte Trunk.

Bundesrat AGER (V) kündigte an, dass er dieser Regelung nicht zustimmen könne. Die Verlierer bei der Ersatzlösung seien vor allem die traditionellen Wirtshäuser mit großem Speisenanteil sowie die Kaffeehäuser, gab er zu bedenken. Dieses Gesetz könne nur eine Übergangslösung sein, um den Gemeinden finanziell wieder Spielräume zu verschaffen. Ager hoffte aber auf eine baldige, wie er sagte, vernünftige Novellierung. Denn sonst würde sich der Tourismus mit allen Mitteln zur Wehr setzen, warnte er. 

Bundesrätin HAUNSCHMID (F) wies darauf hin, dass die FPÖ seit 1989 in unzähligen Anträgen die Abschaffung der Getränkesteuer gefordert hat. Dies zuerst, weil Österreich das einzige Land war mit einer solchen Steuer und es dadurch einem starken Tourismuswettbewerb mit anderen Ländern ausgesetzt war, später weil die Steuer den EU-Richtlinien widersprochen hat. Gegen die Abschaffung der Getränkesteuer waren die Sozialisten; die Wirtschaftspartei ÖVP war in der Geiselhaft der Koalitionsregierung, sodass es zu keiner Abschaffung der Getränkesteuer kam. Aussagen, dass der Finanzminister mit der Getränkesteuerersatzlösung einen Akt der Willkür gesetzt hat, wies die Rednerin auf das schärfste zurück.

Die FPÖ wird all das, was sie versprochen hat, halten, fuhr die Rednerin fort. Wenn diese "bittere Pille" zur Gesundung des Staatshaushaltes beiträgt, dann muss auch der Bauernbund seinen Obolus leisten, denn die Schere zwischen den Wirten und den Most- bzw. Weinschenken klaffe immer weiter auseinander. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner will die FPÖ Erleichterungen für die heimische Tourismuswirtschaft durch den Abbau bürokratischer Hürden und Vorschriften und durch die volle steuerliche Absetzbarkeit von Geschäftsessen umsetzen.

Bundesrätin Mag. TRUNK (S) widersprach in einer tatsächlichen Berichtigung ihrer Vorrednerin, wonach sie, Trunk, den Wirten vorgeworfen habe, Steuern zu hinterziehen.

Bundesrat GSTÖTTNER (S): Durch den Entfall der Getränkesteuer sei eine kritische Lage für die Gemeinden entstanden. Der Kompromiss sei kein Kompromiss: Städte und Gemeinden bekämen weniger, die Tourismusbranche werde stärker belastet und der Konsument müsse mehr bezahlen. Müssten Rückzahlungen geleistet werden, dann wäre der Ruin der Gemeinden vorprogrammiert. Da der Entfall der Getränkesteuer eine Katastrophe für die Gemeinden darstelle und das, was in den nächsten Jahren auf die Gemeinden zukomme, von den Kommunen finanziell nicht verkraftet werden könne, werden die Sozialdemokraten dem Gesetz nicht zustimmen.

Bundesrat HENSLER (V) meinte vorerst, die Getränkesteuer sei in weiten Bereichen den reichen Gemeinden zugute gekommen, denn die Bewohner kleinerer Kommunen seien zu den Großmärkten benachbarter Gemeinden gefahren. Dem ehemaligen sozialistischen Finanzminister wirft der Bundesrat vor, sich keinerlei Gedanken über die Getränkesteuer gemacht zu haben. Finanzminister Grasser war zusammen mit Staatssekretär Finz bestrebt, eine Lösung zu finden, mit der alle leben können. Aus diesem Grunde werde die ÖVP dem Gesetzesbeschluss seine Zustimmung geben.

Bundesrat Dr. D'ARON (F) strich heraus, dass Finanzminister Edlinger ganz genau gewusst habe, dass der EuGH die Aufhebung der Getränkesteuer fordern werde. Statt alternative Konzepte auszuarbeiten, habe man bis zum Schluss abgewartet. In dieser "Verschlampungssituation" hätten der neue Finanzminister und der Staatssekretär eine Lösung auf die Beine gestellt. Um den Tourismus zu fördern, werde es notwendig sein, die Finanzlage "aufs Gleiche zu bringen", gewerberechtliche Innovationen zu schaffen und die Gewerbeordnung flexibler zu gestalten.

Bundesrat GRILLENBERGER (S) glaubt, dass die sofortige Aufhebung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke vielen Kommunen ein finanzielles Loch in das Budget 2000 reißen wird. Als positiv vermerkte der Mandatar, dass die neue Getränkesteuer an die Umsatzsteuer gebunden wird, wodurch eine entsprechende Budgetierung möglich wird und den Gemeinden keine Kosten für die Einhebung entstehen. Die Causa Getränkesteuer findet seiner Ansicht nach mit dem heutigen Beschluss kein Ende.

Als Fraktionsobmann der ÖVP verwahrte sich Bundesrat BIERINGER dagegen, dass Mitglieder der Bundesregierung als "Euthanasieärzte der Gemeinden" bezeichnet werden.

Bieringer, der auch Bürgermeister einer Gemeinde ist, strich heraus, dass ihm seit dem Wegfall der Getränkesteuer täglich 54.800 S im Gemeindesäckel fehlen. Aus diesem Grunde hielt er es für wichtig, dass dieser Kompromiss, der jedem, den Wirten, der Tourismuswirtschaft und den Gemeinden, wehtut, umgesetzt wird.

In einer tatsächlichen Berichtigung wandte sich Bundesrätin HAUNSCHMID (F) gegen die globale Beschuldigung von Bundesrat Grillenberger, die Wirte würden Steuern hinterziehen.

Bundesrat PRÄHAUSER (S) merkte dazu an, viele Wirte hätten die 10 % Getränkesteuerausfall nicht an die Konsumenten weitergegeben.

Bundesrat GRILLENBERGER (S) entgegnete Bundesrätin Haunschmid, er habe keine globale Beschuldigung ausgesprochen, sondern eine persönliche Erfahrung geschildert.

Bundesrat Mag. GUDENUS (F) erinnerte daran, wie oft die vorige Bundesregierung Warnungen wegen mangelnder EU-Konformität der Getränkesteuer in den Wind geschlagen habe. Deren "achselzuckende Politik", ihre "Dickfelligkeit" sei für die Probleme bei der Getränkesteuer, bei den Frühpensionen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, bei der Anonymität der Sparbücher, bei der Brennermaut und beim Regierungsviertel in St. Pölten verantwortlich. Die jetzige Regierung hat viel Geröll auf dem Weg in die Zukunft wegzuräumen, sagte Gudenus.

Bundesrätin HASELBACH (S) kündigte an, nach Studium des Protokolls zu entscheiden, ob sie wegen des Ausdrucks "Euthanasie-Ärzte" einen Ordnungsruf erteilen werde. Jedenfalls bat sie die Bundesräte inständig, Vergleiche mit der Zeit von 1933 bis 1945 nicht zu verwenden. "Wir dürfen es nicht zulassen, dass Menschen gekränkt und beleidigt werden".

Bundesrat LEDOLTER (V) forderte dazu auf, mit dem Berufsstand der Wirte und mit dem Tourismus insgesamt seriös und fair umzugehen. Es sei nicht hinzunehmen, dass auf dem Rücken dieser kleinen Gruppe ein Klassenkampf übelster Sorte ausgetragen wird. Zudem verlangte Ledolter, darüber nachzudenken, wie lange Wirten das Leben mit Kontrollmechanismen schwer gemacht worden sei.

Staatssekretär Dr. FINZ stellte zunächst richtig, dass der Städtebund sehr wohl in die Verhandlungen über die Getränkesteuerersatzlösung eingebunden gewesen sei. Auch die Behauptung, man habe nicht an die Jugendlichen gedacht, wies der Staatssekretär zurück. Die Ausrede, man müsse in der Disco Bier trinken, weil das Cola zu teuer sei, gelte nicht mehr.

Dann bezifferte Dr. Finz die finanziellen Auswirkungen der Getränkesteuerersatzlösung im Detail: Bisher habe der Ertrag der Getränkesteuer 5,6 Mrd. S pro Jahr mit sinkender Tendenz ausgemacht. Er gehe von einem Gesamtertrag der Ersatzlösung in der Höhe von 4,2 Mrd. S aus, sodass die Konsumenten insgesamt einen Nutzen von 1,4 Mrd. S verzeichnen, wobei 0,8 Mrd. S auf die Gastronomie und 0,6 Mrd. S auf den Handel entfallen. Den Gemeinden werde in jedem Fall ein Betrag von 4,5 Mrd. S garantiert. Das bedeute, dass auch sie sparen müssen, wobei Finz Einsparungspotentiale durch gemeinsamen Einkauf oder die gemeinsame Nutzung von Freizeiteinrichtungen ortete.

Im Jahr 2000 erhalten die Gemeinden über ihre Ertragsanteile an der alten und der neuen Besteuerung hinaus 300 Mill. S zusätzlich im Rahmen der Siedlungswasserwirtschaft, sodass ihre Einnahmen nicht 4,5 Mrd. S, sondern 4,8 Mrd. S betragen. Das zeige, dass der Regierung die Finanzkraft der Gemeinden ein großes Anliegen sei, schloss Staatssekretär Dr. Finz.

Bei der Abstimmung beschloss die Mehrheit der Bundesräte, gegen den steuerrechtlichen Teil der Getränkesteuerersatzlösung keinen Einspruch zu erheben.

Die Zustimmung des Bundesrates zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes erfolgte in verfassungskonformer Weise einstimmig.

(Schluss)


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